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[AD&D 2.5E] Von Feuer und Düsternis – Erzählungen aus Euborea

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Jenseher:
Ruhe kehrte in der unterirdischen Halle ein. Mit dem Erlöschen des gleißenden Lichtes verlor sich auch das ständige Nagen in unseren Köpfen, das sich zuvor wie ein kleiner Wurm, langsam aber sicher, in unseren Verstand fraß. Dieser Wurm war nun endlich hinfort. Die Sphäre stand in ewiger Dunkelheit vor uns, so als ob sie uns anlächeln würde. Zwar war das Nagen weg, doch ich konnte die knisternden Energien spüren. Der Linnerzährn stand noch über uns und sandte die Feuer hier hinein, in das kristallene Herz des Berges. Die Leichen des Jensehers und seines Gefolges hatten sich gestapelt und warfen lange Schatten. War vorher die Sphäre die Lichtquelle, die alles überstrahlte, kam das Licht jetzt von Fackeln und dem Funkeln der Ne‘ilurum Adern und gab der Höhle ein gespenstisches Aussehen.

Es war, als ob wir das erste Mal seit mehreren Tagen aufatmen konnten. Selbst der kleine Wicht Ortnor Wallenwirk schien sich entspannt zu haben. Zwar zuckte sein rundes dickes Gesicht bei jeder Bewegung, die sein Mund tat, aber tatsächlich lobte er uns. Nicht dass ich etwas darauf geben würde, doch er tat es. Ohnehin wollte ich mich mit ihm nicht beschäftigen. Mein ganzer Körper brannte immer noch von den magischen Blitzen, die Niroth auf mich geworfen hatte. Überall hatte ich offene Streifen, wo die Haut durch die Hitze aufgeplatzt war. Ich wollte schon nachschauen wie weit diese an meiner Brust herunterliefen, als ich merkte, dass die anderen mich anstarrten. Zum Glück war auch Bargh da. Seine breiten Schultern und sein Panzer aus Ne‘ilurum nahm den lüsternen Blicken die Sicht und er wusste wie man sich um Wunden kümmerte. Zusammen priesen wir unsere Herrin, dass sie uns den Sieg geschenkt hatte und uns den weiteren Weg offenbarte.

Halbohr kniete sich auf den Boden vor die schwarze Sphäre und begann zu suchen. Tatsächlich fand er Spuren und zwar viele Spuren von kleinen Kreaturen. Doch waren diese Spuren nicht in den Staub der Steine eingetreten, sondern sie sahen so aus, als ob eine eigene Schicht darüber lag. Eine Schicht die wohl auch nur durch die Schatten der Sphäre selbst sichtbar gemacht wurde. Sie kamen aus der Sphäre hinaus und verteilten sich dann. Ortnor sah sie auch, nachdem Halbohr sie beschrieb. Er meinte, dass das Portal schon früher geöffnet gewesen sein musste und dass es die blauen Teufel waren, die dort aus einer anderen Welt kamen.

Wir untersuchten die restlichen Räume des inneren Bereiches. In einem Gemach fand ich etwas sehr Faszinierendes. Diese Höhle oder besser gesagt Halle sah aus wie ein Theater, zumindest wenn ich die Erzählungen richtig verstanden hatte. Auf einem Podest waren drei leuchtende silbrige Streifen, vermutlich auch aus Ne‘ilurum. In der Decke der Höhle sah ich glitzernde Punkte, die dort zu schweben schienen. Zuerst war ich verwirrt doch dann erkannte ich in den Punkten tatsächlich einen Sternenhimmel. Als ich die Streifen berührte, veränderte sich der Himmel. Eigentlich war es ganz einfach. Schnell konnte ich mit den Streifen jeden einzelnen Stern und jede Galaxie betrachten, die ich wollte. Ich versuchte zu unserer Welt zu steuern und würde auch schnell fündig. Die grün-blaue Kugel schwebte jetzt deutlich erkennbar im Raum und vor ihr das feurige Glühen des Linnerzährn. Rote Runen schimmerten über dem Bild auf und veränderten sich langsam. Halbohr meinte darin Zahlen zu erkennen, die kleiner wurden. Anscheinend die Zeit, die noch verbleibt bis sich das Portal des Berges schließt und auch das Portal in andere Welten nicht mehr geändert werden kann. Wir sahen das, was momentan weit über unseren Köpfen stattfand. Doch mich interessierte noch viel mehr die Vergangenheit, wo Linnerzährn herkam. Ich versuchte mit den Steuerungen die Zeit zurück zu drehen, doch irgendwann verlor ich den Fokus und das Bild wurde schwammig und unscharf. Mein Interesse war dahin und ich verließ den Raum wieder. Sollte doch Ortnor noch etwas dumm herumstehen und mit offenem Mund die Bauwerke bestaunen.

In weiteren Gängen sahen wir, dass die Schleimwucherungen und auch das silbrige Gras anfingen zu vertrocknen und zu verwelken. Diese Abscheulichkeiten konnten in unserer Welt nicht alleine überleben. Jetzt, da das Portal die Schatten unserer Herrin offenbarte, wurde ihnen ihre Lebensader abgeschnitten. Gleiches galt auch für die Kreaturen die den Jenseher beschützten. Während das Fleisch der Duergar langsam verfaulte und den süßlichen Gestank des Todes verbreitete, zerfielen die anderen mutierten Kreaturen in Windeseile. Als wir sie das nächste Mal sahen, waren dort nur noch die Knochen mit ihren Auswüchsen sichtbar. Ein weiterer Raum, den wir fanden, enthielt eine richtige Bibliothek. Zwar standen dort viele Bücher wo ich schon vom Titel sagen konnte, dass sie eher als Gute-Nacht Geschichten taugen würden, doch es waren dort auch interessantere Werke. Ein Buch mit dem Titel „Theorie der Portale“ enthielt genaue Erklärungen über die Tore in andere Welten und wie man sie voneinander unterscheiden kann. Ebenso das Buch „Welten jenseits der Sterne“ griff jene Themen auf und enthielt sogar Beschreibungen über die anderen Welten selbst. Auch andere Bücher enthielten wertvolle Informationen: Zum Beispiel waren es Abhandlungen über den Aufbau von Körpern oder über die Welt der Toten und des Todes selbst. Und dort sah ich auch Bücher, deren Seiten noch komplett leer waren. Hier kam mir die Idee, fast schon das dringende Bedürfnis, meinen Weg aufzuschreiben. Meinen Weg der mich durch die Welten führte und meinen Weg zur Herrin der Feuer und Schatten. Der Weg durfte nicht vergessen werden. Wie er begann, als ich aus meiner Heimat vertrieben wurde. Als ich die Macht der Herrin noch nicht verstand und wie ich ihre Macht und ihre Worte in ferne Welten tragen würde.

Nachdem wir die letzten Räume untersucht hatten und die Hallen inzwischen wie ausgestorben waren, beschlossen wir uns endlich auszuruhen. Diesmal war ich dankbar dafür, mussten wir uns doch nicht mehr beeilen. Sicherlich, es konnte sein, dass die Portale in den Berg sich für die nächsten 23 Jahre wieder schließen würden, aber wir würden vermutlich ohnehin nicht durch die Minenstadt hindurchkommen - jedenfalls nicht ohne sie komplett in Schutt und Asche zu legen. Und einen anderen Weg kannten wir nicht, auch nicht Ortnor.

Die Zeit verging ruhig. Wir machten es uns in einem der Nebenräume gemütlich. Zu essen gab es noch genug, hatten uns doch die Wachen der Duergar dankenswerterweise ihren Eintopf hinterlassen. Auch Wasser gab es reichlich. Wir fanden einen Brunnen, der eine korrumpierte Skulptur eines amorphen Wesens trug. Zwar roch das Wasser die ersten Tage noch etwas modrig und wir konnten Algen in dem Wasser treiben sehen. Doch auch der fremdliche Bewuchs war dabei abzusterben und ich schätzte, dass das Wasser in wenigen Tagen sauber und trinkbar sein würde. Ich nutzte die Zeit sinnvoll. Ich lernte weiter von Bargh über unsere Herrin und wie ich ihren Willen deuten konnte. Und da waren natürlich noch die Bücher, die ich wahrhaft verschlang. Es war, glaube ich, das erste Mal, dass ich wirklich geschriebenes Wissen fand. In meinem Dorf gab es keine Bücher. Ich vermute auch, dass dort die wenigsten überhaupt lesen konnten. Nachdem ich mein Dorf verlies und mich auf meinen Irrwegen herumtrieb, hatte ich keine Zeit, mich länger mit Büchern zu beschäftigen. Ab und zu schaute ich in dem Raum mit dem Sternenhimmel vorbei. Die Zahlen zählten immer weiter runter. Doch ich war ruhig, denn ich wusste, dass mein Weg nicht durch die Minenstadt und durch den Berg führte.

Nach etlichen Tagen war es soweit. Die Zahlen waren heruntergezählt und die Schrift glühte nicht mehr rot. Zwar konnten wir nichts sehen, doch wir fühlten alle, wie das Funkeln und die Energien, die vor allem in dem Raum mit der Sphäre durch das Ne‘ilurum flossen, plötzlich weg waren. Die eintretende Ruhe war gespenstisch und ich traute ihr nicht. Doch man gewöhnte sich daran. Jetzt gab es auch kein Zurück mehr - die Öffnung durch den Berg musste versperrt sein. Wir versammelten uns alle vor der dunklen Sphäre. Langsam trat ich etwas näher und versuchte das Gelernte aus den Büchern anzuwenden. Jetzt, so nah an der Dunkelheit, fühlte ich mich etwas seltsam. Es war, als ob ich selbst normal wäre, aber alles um mich herum ein wenig langsamer. In dem Buch stand man sollte seinen Instinkten trauen. Das tat ich und ich konnte tatsächlich etwas spüren. Auf der anderen Seite musste es Luft zum Atmen geben und man konnte sich wohl bewegen. Auch war ich mir sicher, dass man auch wieder zurückkommen konnte. Bargh konnte mein Zögern wohl sehen, denn er sprach kräftigende Worte: „Wir müssen den Spuren der blauen Teufel folgen. Das, was sich uns entgegenstellt, wird den Flammen Jiarliraes zum Opfer fallen. Wie Schatten niemals verzagen, werden wir nie müde werden, bis unsere Aufgabe erfüllt ist.“ Mehr musste es nicht sein. Ich fing an zu lächeln, sogar zu kichern. Wir hatten den Segen Jiarliraes, wir konnten nicht scheitern. Ich tat den Schritt in die Dunkelheit hinein.

Ein Gefühl des Schwebens erfüllte mich. Ich war wie ein Blatt, das durch die Dunkelheit glitt. Dann ein kurzes, blendendes Blitzen. Erst einzeln, dann in einer schnellen Folge hintereinander. Es war so stark, dass einem die Augen schmerzten. Ein Rauschen war zwischen den Lichtblitzen zu sehen, ein Rauschen wie ein schneller Wasserstrudel. Ich fühlte mich plötzlich wieder schwer, ich sank in irgendeine Richtung, entweder nach oben oder nach unten, ich wusste es nicht. Plötzlich wurde es kalt und ich konnte alte, abgestandene Luft riechen. Das Rauschen wurde viel stärker, aber war es nicht mehr das Rauschen von Wasser, sondern vielmehr wie ein heftiger Sturm. Der Sturm heulte durch irgendetwas und das Heulen war so laut, dass es sich anfühlte als ob einem jemand ein Messer tief in den Schädel trieb. Ich befand mich in einen kleinen sechseckigen Raum. Vorsichtig blickte ich mich um. Die Sphäre aus Schwärze stand hinter mir im Raum, auch wenn sie hier auf dieser Seite etwas kleiner war. Was mir direkt auffiel war, dass ich, obwohl ich die Kristallscheiben in den Augen trug, nicht richtig sehen konnte. Alles war irgendwie verschwommen und unscharf, auch die Strahlungen der Wärme. Ein Keuchen war zu hören und die muskulöse Gestalt Barghs trat aus der Schwärze der Sphäre hinaus. Als das laute Heulen und Kreischen an Barghs Ohren drang musste er sich erst seine Ohren zuhalten. Ortnor und Halbohr folgten uns schließlich durch das Portal.

Wir waren nicht alleine in diesem Raum. An der Wand lehnten die Überreste von Kreaturen. War das alles, was von den blauen Teufeln übriggeblieben war? Zwei der Leichen waren normal verwest und inzwischen eingetrocknet. Sie trugen kleine schwarze Steine auf der Brust. Von den anderen Leichen fehlte jegliches Fleisch. An den Knochen waren auch Kratzspuren zu erkennen, so als ob man das Fleisch dort abgeschabt hatte. Halbohr meinte, dass diese Leichen hier schon seit bestimmt 1.000 Jahren liegen würden. Wenn es etwas wärmer gewesen wäre, wären sie bestimmt schon längst von Getier aufgefressen worden. Ich versuchte mir auszumalen, was hier passiert war. Vielleicht waren die Kreaturen einfach wahnsinnig geworden, in dem Heulen. Das hätte ich ihnen nicht verübeln können. Das Kreischen nagte jede Sekunde an meinem Geist. Selbst die Ohren zuhalten brachte nichts. Vielleicht waren sie auch hier eingesperrt worden und wollten ihr Ende noch etwas weiter aufschieben, auf Kosten des Fleisches der anderen. Als ich darüber nachdachte stieg eine leichte Furcht in mir auf, denn ich hatte bisher keine Ausgänge aus dem Raum gesehen. Doch dann fiel Halbohr etwas auf. Fast unsichtbar fand er einen ganz schmalen Spalt im Stein. Wenn man mit den Fingern dem Spalt folgte konnte man die Umrisse einer Türe erkennen, doch ohne jeglichen Mechanismus oder Hebel um sie zu öffnen. Bargh blickte wieder zurück zu den Leichen mit den schwarzen Steinen. Es sah so aus, als ob sie sich einfach zum Schlaf gelegt hätten, mit den schwarzen Steinen auf der Brust. Ich konnte mir nicht vorstellen woher er das wissen konnte, aber vielleicht hatte er die Hilfe unserer Herrin gehört. Halbohr hatte die Idee, dass die schwarzen Steine etwas mit der Türe zu tun haben könnten, und tatsächlich: Als er einen nahm und sich der Türe näherte, begann diese durchsichtig zu werden, wie ein milchiger Kristall. Es ging zwar etwas schwerer, aber ich konnte meine Hand hindurchstecken.

Halbohr ging voran, danach folgten Bargh und ich. Es war als würde mich die Faust eines Riesen treffen. Heulen und Kreischen waren in dem kleinen Raum schon schlimm gewesen. Doch als ich hinter der Öffnung in einen Tunnel trat, prallte die gesamte Wucht des Windes auf mich ein. Eisig fegte Böen durch einen kreisrunden Schacht. Der Tunnel schien nicht von Menschenhand geschaffen, sondern als ob irgendein Wurm sich hier durchgefressen hätte. Oder es war der Wind selbst, der es durch beharrliche Kraft geschafft hatte sich selbst durch den Felsen zu schneiden. Die Wände waren glattgeschliffen, doch der Tunnel bewegte sich hin und her durch das Gestein. Jede dieser Kurven gab dem Wind ein Echo und trug dem lauten Heulen bei. Ich sank auf die Knie und presste die Hände auf die Ohren. Das war dem Heulen egal, es hämmerte trotzdem in meinen Schädel. Ich konnte kaum einen klaren Gedanken mehr fassen, jeder Versuch endete in noch stärkeren Kopfschmerzen. Vielleicht hätte der Düsterheitspilz helfen können, gibt er einem doch einen Rausch, der abstumpfen lässt. Doch Halbohr, dieser Tölpel, musste sich ja unbedingt mein letztes Fläschchen auf seine Dolche schmieren. Er hatte sie bestimmt verschwendet, als er damit die Duergar angriff. Ich schrie ihn an, wobei ich gar nicht wusste ob er mich durch das Kreischen überhaupt hören konnte. Ortnor hatte vermutlich doch Recht, er war unfähig. Zum Glück war Bargh da. Er war klug genug mir etwas von der Substanz aufzuheben. Ich träufelte etwas davon auf meinen Finger und massierte es in mein Zahnfleisch. Die Wirkung trat beinahe sofort ein. Alles schien sich etwas zu entfernen, so als ob man das Geschehen wie ein Zuschauer auf einer Bühne betrachtet. Man sieht alles und hört alles, ist aber trotzdem nicht Teil des Geschehens. Meinem Kopf ging es etwas besser, jedenfalls eine Kleinigkeit. Aber ich spürte dennoch das fortwährende Pochen, wenn auch dumpfer. Halbohr und vor allem Ortnor waren ohnehin schon manchmal schwer zu ertragen, aber mit dem Pochen war es eine Qual. Ortnor machte es auch nicht besser. Er rief durch den Wind zu uns herüber und als wir uns umblickten, sahen wir, dass er an der runden Tunnelwand einfach nach oben ging. An was für einen Ort waren wir hier gekommen… Ortnor grinste uns dumm an, als er inzwischen Kopfüber an der Decke des Tunnels stand als ob es das normalste der Welt wäre.

Halbohr fand die Spuren der blauen Teufel wieder und wir folgten ihnen durch die Tunnel. Der Durchgang wurde wieder zu festem Felsen, als wir die schwarzen Steine entfernten. Hoffentlich würden wir die Türe wiederfinden, denn es gab in dem Tunnel keinerlei besondere Merkmale, woran man sich orientieren hätte können. Auch bargen sie kein einziges Zeichen von Leben, nicht mal das kleinste Insekt oder Blatt.

Die Spuren führten uns eine Ewigkeit durch den Stein und an verschiedenen Kreuzungen vorbei. Irgendwann, nach einer halben Ewigkeit, veränderte sich das Kreischen und Rauschen. Ein tieferes, dumpfes Geräusch mischte sich darunter, wie ein Donnern. Auch veränderte sich der Geruch. War es vorher eiskalte, abgestandene Höhlenluft, konnten wir deutlich einen leichten Geruch von Schwefel riechen, der mit jedem Schritt stärker wurde. Irgendwann öffnete sich der Tunnel und was wir sahen, war so unwirklich, dass es nur schwer zu beschreiben war. Wir konnten hinter der Öffnung eine gewaltige Ebene erblicken, wobei es aber nicht wirklich eine Ebene war, sondern eine gigantische Höhle es eher treffen würde. Der Boden der „Ebene“ war an vielen Stellen aufgebrochen und an den Rissen quoll glühendes Magma empor. Ein Regen von Asche und Schnee fegte, vom Wind getragen, zu uns herüber. Doch was uns den Atem raubte war der riesige Vulkan, der sich in der Ferne erhob. Der Vulkan erhob sich jedoch nicht aus dem Boden, sondern er wuchs aus der Wand der Höhle heraus. Wir blickten direkt hinein in den glühenden Schlund. Alle Regeln der Natur schienen hier keine Gültigkeit mehr zu haben. Wir gingen etwas weiter und sahen, dass direkt an der Öffnung des Tunnels eine Gestalt saß. Sie war nicht nur völlig nackt und völlig haarlos, sondern schien auch irgendwie durchsichtig zu sein. Wir konnten sie nur deswegen sehen, weil sich Ascheregen und Schneeflocken auf ihren Körper legten und so ihre Konturen wiedergaben. Sie hockte auf dem Boden und hieb mit einem Dolch wie verrückt auf den Stein ein. Anderswo hätte ich es lustig gefunden - war es doch die gleiche verzweifelte Bewegung die auch Halbohr gemacht hatte, um den Eingang zu dem Portal im Stein zu markieren. Aber diese Welt und vor allem der Wind nahm mir meinen Humor und auch meinen Antrieb. Vorsichtig gingen wir etwas näher und hörten, dass die Kreatur in einer merkwürdigen Sprache etwas brabbelte. Bargh sagte, dass dies die Sprache der Ebenen sei, wo die Götter selbst wandeln. Das Wesen sprach wohl irgendetwas von einem, den er hier vergrub, zu sehen war aber nichts. Vielleicht war die Kreatur auch einfach nur durch das Heulen der Winde verrückt geworden.

Wir gingen an der Gestalt vorbei, die uns auch nicht weiter zu beachten schien. Jetzt standen wir direkt an der Öffnung. Vor uns lag der Boden - oder war es die Decke - der Höhle. Zwischen den Gräben der Lavaströme waren die Überreste einer Festung oder eines Tempels zu sehen. Die Mauern sahen aus, als ob sie schon teilweise von der jetzt kalt gewordenen Lava überflutet wurde und nur noch die Reste der oberen Teile schauten dort heraus. Ohnehin waren sowohl der Vulkan als auch die Lava irgendwie fehl am Platz. Es war viel zu kalt. Das glühende Gestein wurde fast sofort wieder fest, wenn es aus der Oberfläche brach. Der Vulkan wirkte wie ein Eindringling, wie ein Schädling, der versuchte sich hier in dieser Welt mit aller Gewalt zu behaupten, während die Winde ihn wieder vertreiben wollten. Zudem leuchtete das Magma in einem bösartigen Schimmer. Die Rauchwolken, die das Monstrum in der Ferne ausspukte, zuckten von grellen Blitzen und nahmen teils seltsame Formen an.

Wir schritten aus dem Tunnel hinaus mitten hinein in den Kampf der beiden Elemente. Alleine würden wir zerschmettert werden. Doch waren wir nicht alleine, denn Jiarlirae wachte über uns und leitete unseren Weg.

Jenseher:
Fortwährend heulte der Wind und kreischte in meinem Kopf, wie tausend kleine Nadelstiche. In mein Gesicht fegten Schneeflocken, vermischt mit nach Schwefel stinkender Asche. In dieser Welt, in diesem lebensfeindlichen Kosmos, schien uns alles vernichten zu wollen. Nichts war hier normal, weder die Luft, die Geräusche oder die Schwerkraft. Der riesige Vulkan vor uns wuchs nicht nach oben, sondern zur Seite, so dass wir auf den glühenden Schlund in weiter Entfernung schauen konnten. Das Grollen, was von ihm und der Lava kam, die er ausspuckte, drang mir bis ins Mark. Und das Schlimmste war, dass die anderen in aller Seelenruhe gingen und immer wieder anhielten, um die Spuren zu suchen, denen wir bisher gefolgt waren. Dabei war es doch klar, dass die Spuren zu der Ruine vor uns führten. Entweder waren sie schon so abgestumpft, dass sie überhaupt nichts merkten oder sie verstanden einfach nicht die Gefahr in der wir alle schwebten. Ich beschleunigte meine Schritte doch musste ich immer wieder auf die anderen warten.

Nach einiger Zeit gelangten wir zu den Überresten der Festung. Wir mussten hier und dort über Risse springen, die durch die Lava Ströme in den Boden gerissen wurden. Vor uns lag das zerbrochene Eingangsportal. Ortnor musterte das Gebäude. Sein zerzaustes Haar stand noch wilder von seinem Kopf ab, durch die schreienden Winde. Ich konnte mir vorstellen, wie er sich in seinem Geiste ausmalte, wie das, jetzt teilweise mit erkalteter Lava bedeckte, Gebäude früher mal ausgesehen haben könnte. Ich wurde wieder wütend über diese Zeitverschwendung. Wen interessiert die Vergangenheit, wir waren im Hier und Jetzt. Ich hatte keine Lust mehr zu warten und trat zwischen den geborstenen Türflügeln hindurch. Ich sah zwar noch aus den Augenwinkeln wie Ortnor irgendetwas zu Halbohr sagte und auf mich zeigte, aber was der kleine Wicht und Halbohr dachten war mir egal. Der Herrin sei Dank war es auch Bargh bewusst, dass wir uns eilen mussten und er folgte mir.

Die Tore führten durch einen teilweise auseinandergefallenen Säulengang, der jedoch an einer kahlen Wand endete. Bargh fand die Spuren wieder und sie führten direkt auf den dunklen Basalt zu. Diesmal gebrauchte Halbohr seinen Verstand und hielt einen der schwarzen Steine vor die Wand. Das alte Gemäuer verlor an Substanz und wurde milchig, ähnlich wie die Wand hinter den Schattenportal. Dahinter sahen wir verschwommen einen kurzen Gang, der an einer Wendeltreppe endete und in die Tiefe führte. Die Mauern und die Verzierungen im Stein waren mit nichts vergleichbar, was ich schon jemals gesehen hatte. Wir traten durch den Stein hindurch, der hinter uns wieder massiv wurde. Mit einem Mal verschlang uns die Dunkelheit, doch gleichzeitig verschwand das permanente Schreien des Windes in den Hintergrund. Die Nadelstiche in meinem Kopf ebbten ab und wurden eher zu einem drückenden Schmerz, der aber noch auszuhalten war. Mir wurde etwas übel, aber auch das legte sich bald. Jetzt sah ich in allen Gesichtern unserer Gruppe die Erleichterung. Vielleicht war ich etwas zu vorschnell in meinem Urteil. Sie hatten vielleicht einfach nur die Qual des Windes besser verbergen können. Ortnor schien sogar fast fröhlich, er lobte Halbohr. Ein jeder konnte zwar die Heuchelei hören, doch die Arroganz liegt wohl einfach in seinem Blut.

Als die Wand wieder massiv wurde, drang auch nicht mehr die Kälte von Draußen hinein. Stattdessen trafen wir auf eine gewaltige Welle von Hitze, die irgendwo von unterhalb der Treppe heraufströmte. Die plötzliche Änderung machte mich schwindelig und dass unsere Dunkelsicht hier immer noch nicht richtig funktionierte, machte die Sache nicht besser. Die Treppe drehte sich hinab in die Tiefe. Hinab in eine infernalische Dunkelheit. Sie endete in einem kleinen Raum, in dessen Mitte eine eiserne Statue eines gehörnten Wesens stand. Bargh erkannte darin einen der blauen Teufel, doch war diese Statue viel größer als die Kreaturen. Ich erkannte in der Statue jedoch nicht die blauen Teufel selbst, vielmehr musste eine Gottheit dieser Kreaturen dargestellt sein; vielleicht auch eher eine Art Erschaffer. Sie streckte mit einem diabolischen Grinsen ihren Mund nach vorne als ob sie uns küssen wollte. Am Sockel der Statue war etwas eingraviert, in ihrer künstlichen archaischen Sprache, was Ortnor uns übersetzte: „Hört zu und lauscht und ich werde sprechen“. Doch hörte Halbohr auch von innerhalb der Statue ein dumpfes Vibrieren lauter werden. Das konnte nichts Gutes bedeuten und wir eilten schnell in einen anderen Gang. Gerade noch rechtzeitig, denn kurz nachdem wir den Raum verlassen hatten konnten wir ein lautes Zischen hören und der Raum füllte sich mit kochend-heißem Dampf.

Halbohr schlich den Tunnel weiter nach vorne, wobei es vermutlich überhaupt nicht notwendig war, denn obwohl das Heulen des Windes weniger geworden, war es immer noch laut. Plötzlich brach unter ihm der Boden auf und er fiel in eine Grube hinein. Direkt in eine sich bewegende Masse von einer beißend stinkenden Kreatur aus schwarzem Schleim. Bargh und Ortnor liefen schnell hinterher und Bargh warf ihm ein Seil hinab, während Halbohr die Kreatur, aus der ätzende Tentakel sprossen, mit seinen Dolchen zur Strecke brachte. Als er wieder am Seil nach oben kletterte, fiel Ortnor wieder in sein übliches Verhalten. Er verspottete Halbohr. Doch dessen Ruhe und Gelassenheit war schon lange nicht mehr so groß, wie sie am Anfang unserer Reise vielleicht war. Sein Gesicht verriet Wut und er war kurz davor Ortnor aufzuspießen. Wohl im letzten Moment hielt er sich noch zurück und schritt zähneknirschend weiter. Aber schon wenige Schritte später erschien plötzlich an einer Ecke eine Gestalt. Offenbar auch einer der blauen Teufel, denn seine Haut schimmerte, aufgrund der sich ziehenden Venengeflechten, tatsächlich leicht bläulich und der faßförmige Oberkörper entsprach der Statue, auch wenn diese Gestalt hier wesentlich kleiner war. Das Wesen trug eine schwarze Robe und schaute uns mit großen Augen an. In einer seltsamen Sprache murmelte es etwas, als Halbohr nach vorne stürmte und die Gestalt packte. Doch als er sie zu fassen bekam löste sie sich auf und aus Rissen in der Wand strömte abermals siedend heißer Dampf. Halbohr schrie kurz auf als seine Haut verbrühte, wahrscheinlich nicht nur vor Schmerz, sondern auch vor Schmach, da er in eine weitere Falle lief. Ortnor hatte einige Worte verstanden die der blaue Teufel murmelte, irgendetwas von einem Rätsel und etwas von einem feurigen Atem. Aber vermutlich bedeutete es gar nichts und diente nur dazu uns in die Falle zu locken.

Wir folgten dem Tunnel weiter bis zu einer steinernen Türe. Die Hitze wurde immer stärker und der Schweiß lief mir in die Augen, was widerlich brannte. Hinter der Türe tat sich eine lange Halle auf, deren Decke vermutlich eingestürzt war. Überall lagen Schutt und auch einige Knochenreste auf dem Boden. Zwischen den Haufen streckten plötzlich mehrere knöcherne Kreaturen ihren Kopf nach oben. Sie sahen aus wie Schlangen, aber ihre skeletternen Schädel waren die von Menschen und ihre Augen glühten rot auf. Der Mund einer der Kreaturen bewegte sich, arkane Formeln rezitierend. Doch Ortnor war schneller. Er beschwor einige Geschosse aus Energie, die in die Kreatur einschlugen. Bargh nutzte den Moment und hieb mit seinem Schwert auf die Köpfe. Die Schatten die aus der Klinge bluteten entzündeten sich und die Hitze verbrannte die knöchernen Schuppen. Eine weitere Kreatur erschien, diesmal war es wieder der Körper eines der blauen Teufel. Doch unser Widersacher trug eine schwarze Robe und hatte eine eingefallene und mumifizierte Haut, die schlaff über dem unförmigen Brustkorb hing. Die Augen glühten weißlich. Auch diese Gestalt sprach, jetzt jedoch in der Sprache der Hochelfen, die Halbohr verstand: „Hinfort mit euch, Eindringlinge! Ich werde es nicht erlauben, dass ihr euch nehmt, was versteckt ist an diesem Ort. Denn ihr gehört nicht hierher, seid nicht meine Kinder. Geht, und ich werde euch nicht töten. Gebt diese törichte Suche auf!“ Ich lächelte in mich hinein. Begriffen die Kreaturen denn nicht, dass ihre Drohungen nur leere Worte waren? Halbohr antwortete der Gestalt, dass all ihre Kinder bereits zu Staub zerfallen wären. Sie fing an magische Energien zu beschwören, doch ein weiteres Mal war Ortnor schneller und schleuderte magische Kugeln auf die Gestalt, um den Spruch zu unterbrechen. Bargh stürmte nach vorne und brachte mit seinem Schwert der Gestalt den feurigen Segen Jiarliraes. Die Kreatur, die weder lebendig noch tot zu sein schien, löste sich in einer Woge aus weißem Staub auf.

Wir gelangten in eine weitere Halle. Als Halbohr die Türe öffnete, strömte uns eiskalte Luft entgegen und für einen Moment wurde mir wieder schwindelig. Die Halle wurde von schwarzen Säulen getragen, in denen schlangenartige Motive eingearbeitet wurden. Am Ende der Halle stand eine Statue des Gottes der blauen Teufel; offenbar aus purem Silber gefertigt. Doch als wir den Blick zur Decke warfen, sahen wir, dass sie mit dicken Spinnfäden bedeckt war. Die Spinnfäden sahen dabei merkwürdig durchsichtig aus, fast so als ob sie nicht wirklich da wären und man hier nur ihre Schatten sehen würde. Dennoch waren wir achtsam und als Halbohr den ersten Schritt in die Halle setzte, landeten mit einem Krachen die riesigen Körper von Spinnen-artigen Kreaturen vor uns. Die Geschöpfe waren merkwürdig durchsichtig. Ähnlich der Spinnfäden waren sie zwar da, aber doch irgendwie nicht wirklich da. Die Kälte kam von diesen Kreaturen und ich konnte meinen schnelleren Atem sehen. Bargh rief Lobpreisungen an unsere Herrin heraus und stürmte mit seinem Schwert auf die erste Kreatur zu, deren Kopf er in zwei Hälften spaltete. Auch ich pries meine Göttin und sie schenkte mir die Kraft, einen Ball aus Magma zu erschaffen, den ich in den Raum warf, wo weitere der Spinnen auf Bargh und Halbohr zustürmten. Die kleine glühende Kugel explodierte mit einem Regen aus Feuer und zerschmetterte mit ihrer Wucht fast alle der Spinnen. Die restlichen fingen Feuer und krümmten sich wie sterbende Insekten zusammen. Gelobet sei Jiarliare!

Nachdem etwas Ruhe eingekehrt war, starrte Ortnor fasziniert die Statue an. Wohl nicht nur wegen der Kunstfertigkeit, sondern eher wegen des Wertes an Silber. Vermutlich überlegte er tatsächlich, wie er das tonnenschwere Konstrukt mitnehmen könnte. Aber wir fanden noch etwas anderes. Nämlich drei kleine Stäbe aus einem dunklen Metall. Laut Ortnor waren sie in der Lage jegliche Magie zunichte zu machen.

Wir folgten den weiteren Gängen. Die Hitze war überwältigend. Es war, als ob die Wände in der Dunkelheit schimmern würden, durch die Wärme. Der Gang endete an einer Steintüre, bei der Halbohr keine Möglichkeit fand sie zu öffnen. Bargh, vermutlich auch langsam ungeduldig, nahm den einfachen Weg. Mit seinem muskulösen Oberkörper warf er sich gegen die Türe, die krachend aus den Angeln gedrückt wurde. Dahinter offenbarte sich uns eine Höhle, die uns den Atem verschlug. Das Gewölbe war riesengroß. An jeder Seite, auch oben und unten, stand jeweils eine Pyramide aus schwarzem Stein. Die Spitzen der Pyramiden waren dabei alle zur Mitte gerichtet. Zwar schien hier niemand mit der Schwerkraft zu spielen, aber es sah so aus als ob die Erbauer dies nachbilden wollten. Das Portal, aus dem wir traten, öffnete sich auch aus der Spitze einer der Pyramiden. Fast wäre Bargh, als er die Türe aufbrach, in die Tiefe gestürzt, aber er konnte sich noch im letzten Moment festhalten. Von der Mitte der Pyramiden sahen wir eine Bewegung. Ich konnte zuerst nicht richtig erkennen was sich dort bewegte, doch als ich meine Augen etwas anstrengte, sah ich eine lebendige Kugel sich auf uns zu bewegen. Diese Kugel trug in ihrer Mitte ein riesiges einzelnes Auge was uns anstarrte. Zusätzliche Augen wuchsen auf Tentakel-Stielen von der Kugel heraus und glotzten uns an. Einer der Augenstiele hatte einen silbernen Ring mit diamantenen Besetzungen. Bargh war noch damit beschäftigt sein Gleichgewicht wieder zu erlangen, daher reagierte Halbohr schneller. Er schleuderte seine Dolche auf die schwebende Kugel. Einer der Klingen traf genau in die Mitte des großen Auges. Blut und Eiter spritzte heraus und die Kreatur sank langsam hinab in die heiße Luft der Tiefe.

Halbohr nahm Anlauf und sprang hinab. Dank seines Ringes fiel er nicht wie ein Stein zu Boden, sondern schwebte sanft wie eine Feder auf die Spitze der unteren Pyramide zu. Hier machte er ein Seil fest und wir konnten alle hinabklettern. Wir fanden schnell heraus, dass alle sechs Pyramiden ähnlich aufgebaut waren. In jeder war ein Hebel versteckt, der eine verborgene Luke öffnete. Einige Male war Halbohr einfach zu schwach, den verborgenen Eingang zu öffnen, da musste Bargh aushelfen. Die Luken öffneten Kammern, die sich in den Pyramiden befanden. Jede der Kammern war gespickt mit Fallen und Hinterhalten. In einer Pyramide verschwanden plötzlich die Wände und dahinter griffen uns verfaulte Körper der blauen Teufel an. In einer anderen Kammer standen zwei steinerne Sarkophage. Darin lag jeweils eine mumifizierte Kreatur und an den Kopfenden war ein kristallenes Gefäß, in dem sich ein roter Nebel bewegte. Halbohr wollte diese Gefäße wohl genauer untersuchen, doch Bargh war den Untersuchungen überdrüssig. Er zerschlug mit seinem Schwert das erste Gefäß. Als das Glas splitterte, begann sich die Kreatur fauchend zu erheben. Doch Bargh hatte damit gerechnet und sein Schwert fuhr in die Mumie hinein, so dass diese wieder zurück in den Sarg fiel. In einer anderen Kammer fand Halbohr einige versteckte kleine Phiolen. Wir waren erst etwas ratlos was sie bewirken könnten, aber Ortnor entdeckte Schriftzeichen an den Phiolen und konnte sie entziffern: „Trinkt mich und fliegt“. Offensichtlich ein Trank der einem das Fliegen ermöglichte. Das machte die weitere Suche wesentlich einfacher. Wir mussten nicht mehr mit Seilen von Pyramide zu Pyramide klettern, sondern konnten einfach hinüberschweben. Auch wurde damit eine weitere Gemeinheit der Erbauer zunichtegemacht. Halbohr fand in einer Kammer eine Rune. Wenn man an ihr vorbeischritt, so Halbohr, würde die Schwerkraft in der gesamten Höhle umgekehrt werden. Was unten stünde, würde nach oben fallen und dort schmerzhaft aufschlagen. Aber mit den Tränken war die Falle keine Gefahr mehr für uns.

Schließlich gelangten wir in die Pyramide die aus der Decke ragte. Hier gab es keine Kammer, sondern die Luke öffnete sich zu einer Leiter, die uns nach oben führte und schließlich in einen weiteren Tunnel mündete. Der Stein hier war alt und kochend heiß. Ich konnte zwar nicht sagen wie alt, aber es waren bestimmt etliche tausend Jahre. Halbohr fand eine weitere Rune. Zwar ging keine direkte Gefahr von ihr aus, aber irgendjemand oder irgendetwas wäre alarmiert worden. Halbohr schaffte es die Rune im Stein zu drehen, so dass wir ohne Probleme hindurch gehen konnten. Unser Weg endete an einer Türe, die mit einem Schlüsselloch versehen war. Ich war jetzt auf alles gefasst. Seitdem ich hier in dieser unwirklichen Welt wandelte, wusste ich, dass meine bisherigen Erfahrungen nichts waren, verglichen mit denen, die in den Welten jenseits auf mich warten würden. Ich vergaß die Schmerzen und die allgegenwärtige Furcht vor dem Tode. Nur einen kurzen Moment dachte ich an die grünen Wiesen meines Dorfes zurück und ein Lächeln war auf meinem Gesicht zu sehen. Ich sah sie brennen, vernahm den Geruch von schwelendem Fleisch und Haaren. Doch ich war es, der die Flammen rief. Ich rief die Flammen und wartete auf die Düsternis meiner geliebten Schwertherrscherin, Jiarlirae, oh geheiligte Dame des aufsteigenden Chaos des Abgrundes.

Jenseher:
Die Hitze war beinahe unerträglich. Immer wieder lief mir der Schweiß in die Augen und selbst die Atemzüge glühender Luft brannten in meiner Lunge. Einzig Bargh schien die Hitze nichts auszumachen. Das junge, mit tiefen Narben verunstaltete, Gesicht des heiligen Krieger Jiarliraes war zwar leicht gerötet, aber die Bäche von Schweiß die an uns allen herab liefen waren bei ihm nicht zu sehen. Er wandelte im Segen unserer Schwertherrin. Der Pfad, den auch ich beschreiten wollte.

Auch Halbohr hatte mit der Hitze zu kämpfen. Als seine geschickten Finger sich an dem Schloss der Türe vor uns zu schaffen machten, musste er immer wieder neu ansetzen, da seine Hände vom Schweiß rutschig wurden. Doch dann stieß er die Türe beinahe geräuschlos auf. Ein kurzes Signal gab er uns, dass wir uns Kampfbereit machen sollten. Hinter der Türe sahen wir einen Raum, der wie der Arbeitsraum eines Alchemisten eingerichtet war. Auf Tischen standen verschiedene Werkzeuge und kleine Fläschchen und Kolben. Die Wände waren behangen mit ledernen Vorhängen auf denen Wälder und Täler gemalt waren. Im Gegensatz zu der unwirklichen Hölle, in der wir uns befanden, war dies ein wahres Paradies. Hinter einem der Tische saß eine Gestalt mit dem Rücken zu uns. Der gleiche fassförmige Oberkörper, die gleiche eingefallene Haut. Ich war mir sicher: Das war die Kreatur, die schon in dem Tunnel auf uns gelauert hatte. Sie hatte uns noch nicht bemerkt und Halbohr versuchte dies auszunutzen. Leise wie eine Katze schlich er der Gestalt entgegen. Mit einem Rucken begann sich Halbohr plötzlich elegant zu bewegen, packte den Kopf und rammte seinen Dolch in den Hals. Nicht nur einmal. Es sah für mich schon so aus wie ein Hacken und ich meinte auch so etwas wie Freude in seinen Augen zu sehen. Nicht mehr der kühle berechnende Halbohr, sondern hier sah er eher so aus wie ein wilder Strauchdieb. Die Kreatur drehte noch ihren Kopf. Die weißlich leuchtenden Augen blitzten in unsere Richtung und aus ihrem Mund kamen schwächliche Worte, wie Raxvort oder Raximort. Doch das Glühen verblasste schnell und die Haut begann sich vor unseren Augen aufzulösen wie brennendes Papier.

Nachdem der Körper zu Boden fiel, kamen wir auch herein. Halbohr wies auf die Vorhänge. Offenbar waren dort hinter kleinere Nischen versteckt. In den Nischen lag jeweils eine hölzerne Trage, auf der ein Leichnam eines der blauen Teufel gebart wurde. Ortnors Augen weiteten sich. Hektisch rief er, dass wir sie zerstören müssten, da sie auf eine Wiederbelebung warten würden. Ich überlegte, ob das überhaupt möglich sein konnte, doch Bargh war nicht der Mann für lange Überlegungen. Er nahm sein Schwert und hieb mit einem Schlag dem ersten Leichnam den Kopf ab. Gerade noch rechtzeitig, wie sich herausstellte, denn die Finger der Kreatur fingen schon an zu Zucken und das gleiche blasse Glühen breitete sich in den toten Augen aus. Bargh und Halbohr verrichteten schnell ihr Tagewerk an den anderen Leichen bis auch der letzte Leichnam zu Staub zerfiel. Der verbliebene Vorhang verhüllte eine weitere Türe, die uns in die glühende Tiefe führte.

Der Tunnel führte uns zu einer riesengroßen, vollkommen kugelförmigen Höhle. Im unteren Teil war dieses Gewölbe gänzlich ausgefüllt von unzähligen kleinen Bällen aus irgendeinem Metall. Auch hier schlug uns die Hitze entgegen und die Luft der Höhle flimmerte. Kein Ausgang führte heraus, doch an der gegenüberliegenden Wand sah Ortnor Schriftzeichen in einer seltsamen schlangenartigen Schrift. Seine Übersetzungskünste ließen allerdings zu wünschen übrig. Er faselte etwas von „Versteckt, doch sichtbar“ oder „Versteckt, doch klar erblickbar“. Viele weitere Variationen gab er zum Besten, dabei war mir der Kern der Botschaft längst klar. Irgendetwas versteckt sich vor unserem bloßen Auge. Doch unsere Herrin gab mir nicht nur die Macht über Feuer und Schatten, sondern auch die Ströme der Magie zu erspüren. Und tatsächlich, ich sah im oberen Teil der Kugel eine Schicht, die starke Veränderungsmagie ausstrahlte. Halbohr musste dort hinauf klettern und schauen, was sich dort hinter verbarg. Der stolze Söldner, Verteidiger von Königen, wenn man seinen Zeugnissen Glauben schenken durfte, musste jedoch ziemlich von uns überzeugt werden. Dennoch machte er sich auf den Weg. Es gab ein kurzes Zischen als seine Hände in dem siedend heißen Stein der Wand halt fanden und dabei verbrannten. Doch tapfer wie es sich für einen Söldner ziert, versuchte er, mehr schlecht als recht, sich nichts anmerken zu lassen und kletterte die Rundung entlang bis er hinter die magisch schimmernde Ebene drang und dort verschwand.

Als er nach einiger Zeit wieder auftauchte hielt er einen Gegenstand in der Hand. Eine kleine schimmernde Perle. Doch spürten wir alle, dass es keine einfache Perle war. Von diesem Gegenstand ging eine unvorstellbare Macht aus. Fast schon ehrfürchtig flüsterte Ortnor: „Die Legenden sind also wahr. Dies ist ein unbeschreiblich alter Gegenstand. Der Legende nach hat ihn der Herrscher und Erschaffer der blauen Teufel selbst gestohlen, von einem Fürsten der Hölle und ist seitdem auf der Flucht. Der Stein ist von göttlicher Macht, vielleicht hat er sogar mal einem Gott selbst gehört.“ Ich hatte auch von den Legenden gehört, in einer kleinen Passage in dem Buch über die fremden Welten. Der Höllenfürst trug den Namen Graz‘zt und Raxivort, so der Name des Diebes musste sich daraufhin auf allen Welten verstecken. Viele weitere mächtige Gegenstände konnte er stehlen, die ihm enorme Macht gaben. Macht genug um eine eigene Rasse zu schaffen, nach seinem Ebenbild, um auf allen Welten dort in der Masse der Kreaturen unterzutauchen. Auch der Stein war in dem Buch beschrieben und trug den Namen „Stein des Lebens“. Die Macht des Steines lag darin, Seelen die schon ihre weitere Reise angetreten hatten wieder zurück in ihre alten toten Körper zu holen.

Da kein Ausgang aus dieser Höhle hinausführte, gingen wir wieder zurück zu der Statue, die den Dampf ausstieß und erkundeten die anderen Gänge. Fast alle waren gespickt von Fallen. Einer der Gänge wandelte sich in eine Röhre die steil nach unten abfiel. Zwar konnte man sich am Anfang noch gut festhalten, doch Halbohr erkannte, dass ab der Mitte der poröse Vulkanstein nur eine Illusion war. Die ganze Röhre war in Wahrheit spiegelglatt und führte in eine Höhle mit kochendem Wasser. Wir sollten wohl hier herunterrutschen um dann in dem Wasser bei lebendigem Leib gekocht zu werden. Doch ein Seil machte diese Falle zunichte. In der Höhle selbst schossen aus der Wasseroberfläche immer wieder dampfende Geysire heraus und hüllten alles in einen dichten Wasserdampf. An dicken Ketten hingen über den Geysiren kleine Plattformen aus Stein und führten über den See hinüber. Dies war eine Prüfung unserer Geschicklichkeit. Bargh war als erstes an der Reihe. Es sah gut aus, er sprang von Plattform zu Plattform um kam den Ausgang der Höhle gegenüber immer näher. Doch dann sah ich, dass er strauchelte. Mein Herz blieb kurz stehen als ich erblickte, wie er um sein Gleichgewicht kämpfte und ich glaube, ich habe auch kurz aufgeschrien. Erst schien es als ob er sich noch halten könnte, doch dann kippte sein Oberkörper nach hinten und mit einem kaum hörbaren Platschen versank er im kochenden Wasser. Doch ich war dumm zu glauben, dass unsere Herrin nicht auch hier über uns wacht. Erst tauchte ein Arm auf, dann ein anderer, dann schließlich sein Kopf. Die Hitze konnte ihm auch hier nichts anhaben und er watete, bis zur Brust im kochenden Wasser zur anderen Seite. Die Gewissheit, dass Jiarlirae mit uns ist gab mir Mut und ich sprang auf die erste Plattform. Doch bis zur zweiten kam ich nicht mehr. Ich schätzte die Entfernung falsch ein und sprang in die Leere. Die siedenden Fluten schlossen sich über mir und ich fühlte wie mein Fleisch anfing zu kochen. Ich versuchte zu schreien doch das führte nur dazu, dass das kochende Wasser mir die Kehle hinunterlief. Ich war mir sicher, dass dies mein Ende war. Ich war anmaßend gewesen, dass ich bereits die gleiche Gunst wie Bargh genoss, obwohl ich noch ganz am Anfang meiner Reise stand. Doch dann fühlte ich die starken Arme um mich und ich wurde von Bargh aus dem Wasser gehoben. Geduldig vor Schmach und gelähmt im Antlitz des kochenden Todes, ließ ich mich zur anderen Seite tragen. Doch ich sah, dass auch Halbohr Probleme mit der Entfernung hatte. Auch er verfehlte eine der Plattformen um Haaresbreite. Nur sein Ring verhinderte, dass er auch in das Wasser schlug. Stattdessen schwebte er langsam aber dennoch unaufhaltsam nach unten. Ich sah so etwas wie Panik in seinem Gesicht, als er mit beiden Händen den Griff seines Dolches zusammendrückte. Das Blut, was aus der abgeschlagenen Spitze eines Einhorns quoll, schoss über seinen Körper, der sich im nächsten Augenblick auflöste und am Ausgang der Höhle wieder zum Vorschein kam.

Wir verließen zusammen diese Höhle und traten in den nächsten Raum hinein. Hier stand in der Mitte ein Thron, aus einer Art grünem Marmor geschnitzt. Darauf saß eine skelettene Gestalt. Ihr breiter Brustkorb entlarvte sie als weiterer der blauen Teufel, doch das boshafte kalte Licht, was aus ihrem leeren Schädel strahlte, verriet, dass sie doch etwas mehr war. Als Halbohr in den Raum eintrat, erhob die Gestalt ihre Hand und zeigte mit ihrem knöchernen Finger auf Halbohr. Eine Stimme die aus einer unendlichen Tiefe nach oben zu dringen schien, sprach etwas in ihrer Sprache. Es war eine Frage: „Wer war die zwölfte Frau von Raxivort?“. Ich blickte fragend auf Ortnor, als er es übersetzte. Woher sollten wir das wissen, geschweige denn, warum sollte es uns interessieren? Als keiner etwas antwortete war auch der Kreatur klar, dass wir die Antwort nicht wussten und sie erhob einen kleinen glitzernden Stab aus dem ein Hagel an Energiegeschossen auf Halbohr einprasselte. Doch dieser erwiderte den Gruß mit seinem Dolch und ich antwortete mit gleißenden Feuerpfeilen. Dem konnte die Kreatur nichts entgegensetzen, denn sie war so schwach wie die Kreatur, die sie als Gott anbeteten. Ein Tunnel führte uns in einen anderen Raum, wo wir die Überreste von drei Abenteurern fanden. Deren Knochen lagen in Pfützen von grünlich schimmerndem Schleim, der einen widerlichen Gestank absonderte. Als wir uns einige Schritte in den Raum hinein bewegten, fing plötzlich der Kiefer einer der Skelette sich zu bewegen und wir konnten sehen, dass der Schleim auch in den Knochen hineingekrochen war. Halbohr rammte direkt seinen Dolch in den Schädel der beinahe augenblicklich in sich zusammen fiel. Doch der grüne Schleim sammelte sich auf dem Boden und bildete lange Tentakel. Halbohr stieß nochmal zu. Sein Dolch drang zwar in den Schleim hinein, aber ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen. Stahl konnte hier nicht helfen, doch ich wusste, dass die Schwertherrin mit uns ist. Ich rief sie an und erbat ihre Hilfe und sie gewährte sie mir, in Form einer Kugel aus glühendem Magma. Ich schleuderte sie den Schleimpfützen entgegen und ließ sie mit einem ohrenbetäubenden Donnerschlag, der sogar für einen Moment das Kreischen des Windes dort draußen übertönte, explodieren. Die Explosion ließ den Schleim zerplatzen und das, was noch übrig war, verbannte zu Asche.

Ein weiter Raum schloss sich an, der an einer Türe endete. Vor dieser Türe hing an einer goldenen Kette ein Stecken herunter, dessen Schaft aus einem in sich verdrehten Metall bestand. An der Spitze befanden sich zwei Krallen, so als ob sie eine Klammer bilden, doch war die Spitze leer. Irgendetwas fehlte noch. Wir gingen etwas näher und sahen, dass es nicht nur einfach ein Metall war, sondern wesentlich wertvoller, vielleicht sogar das sagenumwobene Mithril der Unterreiche. Ortnors Augen fingen an zu glänzen. Er drängte Halbohr, dass er an der Wand hochklettern sollte und diesen Stecken, der bedrohlich über der Türe baumelte, abzuhängen. Doch Halbohr haderte. Offenbar hatte er genug, von Raum zu Raum Artefakte zu jagen. Er verstand immer noch nicht, dass jeder Schritt den wir hier taten nur der Wille Jiarliraes war, den wir ausführten. Er hatte gar keine andere Wahl. Doch nach einigen Worten von Bargh, ließ er sich erweichen. Er kam aber nicht weit, denn als er sich die ersten Schritte hochzog, stürzten aus der dunklen Leere über uns zwei riesige Kreaturen auf ihn hinab. Er schaffte es gerade noch sich zur Seite zu rollen und blickte sich zwei Insekten-artigen Wesen gegenüber. Eines ihrer Augen war verlaufen, doch das andere starrte ihn und auch uns an. Als der Blick auf mich fiel, spürte ich ein Brennen auf meiner Haut. Ich sah, dass sich auf meinem Arm in Windeseile eine Steinschicht bildete. Doch ich konnte dem Blick der Kreatur widerstehen und die Schicht fiel in einer Wolke von Staub zu Boden. Halbohr nutzte den Moment und stieß seinen Dolch in das Maul einer der Kreaturen, als diese gerade ihre Kiefer öffnen wollte. Stinkender Eiter und Blut spritzte auf Halbohr. Ich selbst schickte weitere brennende Pfeile auf die Kreaturen und Ortnor schleuderte Kugeln aus Energie in die Köpfe hinein die herrlich aufplatzten als diese einschlugen.

Als die Kreaturen hinunter fielen riss auch die Kette und der Stecken lag vor uns auf den Boden. Ortnor zeigt auf eine kleine Aussparung, die genau die Größe des Steins des Lebens hatte. Laut Ortnor trug dieser den Namen Stab der Sterne oder auch Stecken der Götter. Offenbar konnte er magische Geschosse beschwören, jedoch andere als die die ich schon kannte, mehr wie glühende Sterne. Die Türe, die wie sahen stellte sich nur als Attrappe heraus, also gingen wir wieder zurück zu der dampfenden Statue.

Wir traten in den letzten Gang hinein. In dem Tunnel erschien uns ein deformierter Schädel und brabbelte etwas in der Sprache der Xvarte. Ortnor versuchte wieder zu übersetzen, doch kam er nicht richtig hinterher. Irgendetwas von letzter Gnade, langer Weg, Recht zur Wahl, sterbliche Seele kann verloren werden. Bevor wir uns einen Reim darauf machen konnten verschwand der Schädel wieder. Wir gingen weiter und kamen an einem quadratischen Raum vorbei. Über dem Boden schwebten neun gleichmäßig angeordnete Globen in der Luft, die aus purer Schwärze zu bestehen schienen. Sie rührten sich kein bisschen, doch man konnte den Schauer deutlich sehen der Halbohr widerfuhr. Vorsichtig ging er wieder einige Schritte zurück und riet uns eindringlich von dem Raum fern zu bleiben. Ein nächster Raum führte in eine Sackgasse die in einer magischen Barriere endete. Auch hier ging es nicht weiter. Es blieb nur noch ein Weg von dem wir schon aus der Entfernung ein hohes Jammern hören konnten. Ich dachte erst, es wäre der Wind über uns, doch war dieses Jammern anders und auch viel näher. Wir kamen in einen Raum der aussah, als hätte dieser lange in einem heißen Feuer gebadet. Die Wände waren mit einer dicken Rußschicht bedeckt und es waren dort die Reste von geschmolzenen Eisenstäben zu erkennen. In der Mitte sahen wie eine Gestalt deren Körper halb durchsichtig war. Die Hitze war immer noch fast unerträglich, doch die Gestalt strömte eine Eiseskälte aus, die mit der Hitze dieser Welt zu konkurrieren schien. Obwohl wir uns leise bewegten schien die Gestalt unsere Anwesenheit zu wittern und drehte den Kopf. Das Gesicht war nur schwer zu erkennen, aber als die Gestalt uns anblickte verzerrte es sich zu einer abscheulichen Fratze und sie riss ihren Mund weit auf. Das Jammern, was von ihr kam, wurde lauter und lauter, bis es sich bis auf unsere Knochen und unser Blut setzte. Mein Kopf drohte zu platzen und ich spürte wie sich meine Eingeweide begannen aufzulösen. Blutstropfen quollen aus meinen Ohren heraus und erst im letzten Moment konnte ich mir die Ohren zuhalten und mich abwenden. Bargh erkannte die Gefahr und stürmte der Gestalt entgegen. Mit einem mächtigen Hieb seines gesegneten Schwertes Glimringshert hieb er auf das Wesen. Die Schatten begannen sich wie flüssiges Feuer zu entzünden und hüllten die Kreatur in Flammen ein. Das Jammern wurde zu einem Klagen von Schmerz, als die Gestalt bei lebendigem Leib verbrannte.

Das Klagen und die Flammen verzogen sich und ich sah, dass es hier nicht weiter ging. Wir müssten wieder zurück zu den anderen Räumen. Ich würde dafür sorgen, dass die restlichen Teile des Artefaktes gefunden werden. Jiarlirae hatte ihren Anspruch darauf erhoben und so sollte es auch geschehen.

Jenseher:
Das widernatürliche Heulen drang tief durch den Stein dieser unterirdischen Ruine. Die Hitze brachte die Luft um uns herum zum Flimmern und trieb uns den Schweiß in die Augen. Allen, bis auf Bargh. Auf seinem jungen, aber durch die Prüfungen verzehrtem Gesicht, lag nicht eine Schweißperle. Es war, als ob er die Hitze willkommen heißen würde. Halbohr schüttete sich einen Schwall Wasser in seinen ausgetrocknetem Hals und rief krächzend Richtung Ortnor. Der kleine Wicht hatte gerade ein glitzerndes Kettenhemd in der Hand, dass er fasziniert anstarrte. Er brabbelte etwas davon, dass sein Volk dies gemacht hätte. Ich sah in Halbohrs Augen eine Unruhe, die immer stärker wurde, je länger wir hier verweilten. Fast schon nervös spielte er mit dem Griff des Einhorn-Dolches. Dessen nie enden wollendes Rinnsal aus Blut lag inzwischen in einer bräunlich-getrocknetem Schicht auf seiner Hand, vom dem er sich immer wieder einzelne Stücke abkratzte. Vorbei waren die Tage des kühlen und ruhigen Elfs. Jetzt war er ein überreiztes Geschöpf. Er herrschte Ortnor an, dass er sich beeilen solle. Ortnor reagierte darauf, wie er immer reagierte, wenn man ihm unter Druck setzte. Sein Kiefer in dem rundlichen Gesicht zuckte und ich glaubte, er war kurz davor, sich auf Halbohr zu stürzen. Vor Halbohr schien er keinen Respekt zu haben, was Halbohr selbst wiederum in Wut versetzte. Da schritt Bargh dazwischen. Zwar schien ihm dieser Ort nicht wirklich zuzusetzen, aber er wusste, dass uns unsere Herrin eine Prüfung auferlegt hatte und weder Bargh noch ich wollten diese noch weiter hinauszögern.

Wir kamen in einen quadratischen Raum der sich weit nach oben eröffnete. Dort sahen wir auf einer Brüstung steinerne Statuen von teufelsartigen Kreaturen. Aber auch an diesen schien die Hitze zu nagen, denn der Stein sah geschwärzt aus und an einigen Stellen sogar zerlaufen. Als wir in den Raum schritten, begann sich eine der Statuen plötzlich zu bewegen. Mit einem Knacken platzte der Stein auf und die Gestalt erhob ihre Schwingen. Ein rötliches Glühen in den Augenhöhlen erschien und glotzte uns von oben an. Im gleichen Moment hörten wir etwas, wobei ich nicht sicher war ob wir es wirklich hörten oder sich eine Stimme direkt in unsere Köpfe sprach. Es war wieder die Sprache dieser blauen Teufel, doch Ortnor wurde immer besser dabei sie zu verstehen: “Sprich den Namen unseres höchsten Königs, der von unten und von oben kam. Jeden Morgen und jeden Abend und auch jede Nacht. Nur begleitet war er von zwei Schwestern, der Kälte und der Dunkelheit und er war von unsichtbarem Gesicht”.

Offensichtlich ein weiteres dieser Rätsel und Wortspiele der Kreaturen. Sie waren mir zuwider, doch der rötliche Blick der geflügelten Kreatur haftete auf uns und wartete nur darauf, sich auf uns zu stürzen. Also tat ich den Erbauern den Gefallen und überlegte was gemeint sein könnte. Vielleicht hatte es etwas mit dem Linnerzährn zu tun oder generell mit den Sternen? Vielleicht aber auch etwas komplett anderes? Aber nein, dies war eine andere Welt und hatte auch nichts mit den blauen Teufeln zu tun. Halbohr überlegte laut ob es der Mond sein könnte. Bei dem Gedanken musste ich etwas schmunzeln oder hatte er schonmal einen Mond gesehen der dreimal am Tag aufgeht? Allerdings war es schwer einen klaren Gedanken zu fassen; das Heulen drang immer noch durch den Stein und vibrierte in unseren Knochen. Da fiel es mir ein: Der Wind hier heult immer, morgens, abends und nachts. Er bringt Kälte und für den Geist auch die Dunkelheit. Er beherrscht alles in dieser Welt. Ortnor kam auf den gleichen Gedanken und sprach das Wort in der Sprache der blauen Teufel. Als er dies tat, sahen wir alle, wie sich in der Wand die Konturen einer Türe abzeichneten. Und auch die geflügelte Kreatur schien zufrieden zu sein. Ihr Blick erstarrte wieder, das rötliche Glühen verschwand und es legte sich wieder eine dicke steinerne Schicht auf die Kreatur. Ortnor konnte nicht anders und fing an Lobpreisungen auf sich selbst zu verkünden; an alle die es hören wollten oder auch nicht. Diesmal war es auch Bargh zuwider. Zischend befahl er Ortnor still zu sein. Als Barghs Mund sich öffnete, war deutlich seine Zunge zu sehen, die er sich immer wieder aufbiss und inzwischen einen langen Spalt hatte. Ortnor wagte nicht zu widersprechen und war tatsächlich ruhig. Eine sehr angenehme Ruhe, die einen fast das Windkreischen vergessen ließ.

Wir gingen durch die jetzt sichtbare Türe in einen weiteren Gang. Es wurde immer heißer und der Stein dieses Ganges fing an leicht zu glühen. Barghs Schritte wurden schneller. Er sagte, er könne den Ruf Jiarliraes schon fast hören. Ich hielt kurz inne und versuchte zu lauschen, doch nichts. Ich wurde etwas traurig, war ich doch in den Augen meiner Herrin immer noch nicht würdig genug, dass sie direkt zu mir sprach. Doch Bargh konnte mich aufmuntern. Es sei nur eine Frage der Zeit bis sie auch mich kennen würde – bis ich mich als würdig erwiese. Als wir sprachen, sah Halbohr uns nur ungläubig an. Sein Verstand war einfach nicht in der Lage, die größeren Ziele zu erkennen. Er konnte zwar seine weiteren Schritte planen, aber was im Morgen oder im nächsten Leben wartete, war für ihn nicht sichtbar und nicht greifbar. Doch Bargh machte ihm bewusst, dass auch Halbohr sich irgendwann entscheiden müsse, ob er die Wahrheiten akzeptiere oder nicht. Halbohr blickte nachdenklich in die Leere, vielleicht ahnte er schon, dass dieser Punkt schon sehr bald kommen würde.

Am Ende des Tunnels sahen wir schon einen rötlichen Schimmer und die Hitze wurde immer unerträglicher. Als sich der Tunnel in eine große Kammer öffnete, hielten wir vor Erstaunen und auch Schrecken den Atem an. Die Kammer sah aus, als ob sie mitten hineinführte, in einen See aus flüssigem, glühendem Gestein. Einzig eine Art Glas, das die gesamte Höhle umgab, hielt die wabernden Massen des Magmas zurück. Wehe dem, der töricht genug war dieses Glas zu zerstören. In der Mitte der Kammer erwartete uns ein riesenhaftes Wesen, so groß wie ein Haus. Zwar sahen wir keine Flügel, doch der reptilienhafte Körper mit seinen rötlichen Schuppen und dem langgezogenen Maul erweckten in mir Erinnerungen an Legenden, wenn in den Märchen und Geschichten von Drachen gesprochen wurde.

Ich holte schnell den kleinen Würfel aus meinem Gepäck von dem ich wusste, dass er uns vor Hitze schützen könnte. Die Runen, die diesen aktivierten, waren schnell auf der Oberfläche gemalt und als sich die Aura um uns ausbreitete, wurde es mit einem Schlag fast schon kühl. Es hätte keinen Moment später passieren dürfen, denn schon kurz darauf explodierte der Tunnel um uns herum in einer gleißenen Wand aus Feuer. Die Aura des Würfels glühte auf. Sie konkurrierte mit der Hitze, doch sie hielt stand. Bargh nutzte den Moment und stürmte mit seiner gesegneten Klinge der Schatten und Feuer auf die Kreatur zu. Der Drache erwartete ihn schon mit hasserfüllten Augen, hatte er es doch nicht geschafft uns alle bei lebendigem Leib zu verbrennen. Als sein Blick auf uns fiel, spürte ich wieder, wie meine Haut sich veränderte und sich eine Schicht aus Stein begann auszubreiten. Doch hatte ich die Begegnung mit der anderen Kreatur nicht vergessen und wusste, wie ich meinen Geist dazu bringen konnte dies nicht zuzulassen. Auch bei den anderen sah ich, wie sich zwar eine Schicht anfing zu bilden, doch dann auch in Staub abfiel. Bargh hieb auf die Kreatur und als die Schatten in den Körper eindrangen, spritzte Schwefel wie Blut aus der tiefen Wunde auf. Ortnor murmelte arkane Worte und über der Kreatur erschien eine Kugel aus einer zischenden und stinkenden grünen Flüssigkeit, die sich dort ergoss. Ein Brüllen ertönte, als die Schuppen von der Flüssigkeit zerfressen wurden. Barg hieb ein weiteres Mal, direkt auf den langen Hals. Der dunkle Krieger brüllte auf, als er mit seinen muskelbepackten Armen die Klinge in den Hals trieb. Es war als würde der Drache das Brüllen erwidern, doch der Hieb von Bargh war so gewaltig, dass die Klinge den Schädel fast abtrennte. Auf uns spritzte stinkendes Blut hinab und die Kreatur sank zu Boden. Ich konnte nicht anders. Gegen das Blubbern und das Kreischen des Windes rief ich Barghs Namen: Bargh, der Drachentöter. Doch er war bescheiden. Er sank vor der Kreatur auf die Knie und betete, ein Gebet was ich noch nicht von ihm gehört hatte, etwas von einer schwarzen Natter und einer menschlichen Schlange.

Die Aura des Würfels kühlte uns und so konnten wir ungehindert den Hort der Kreatur durchsuchen. Neben vielen Goldstücken und Edelsteinen wurde Halbohr fündig. Er bückte sich nach einer Stelle auf den Boden und als er sich wieder aufrichtete, hielt er in seiner Hand einen grünen Edelstein. Selbst aus der Entfernung konnte ich die Schönheit dieses Steines erkennen und ich spürte, dass von ihm eine besondere Macht ausging. Halbohr starrte ihn wie in einem Traum an. Dies war der Seelenstein, so nannte ihn Ortnor jedenfalls. Ein weiteres Relikt und ein weiterer Bestandteil des Steckens der Götter. Ortnor war völlig aufgeregt. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er direkt hier und jetzt die Einzelteile des Steckens zusammengesetzt. Doch keiner von uns war so töricht. Bargh verlangte von Halbohr den Seelenstein, den er ihm auch gab. Jetzt hatten Ortnor, Halbohr und Bargh jeder einen Teil und keiner konnte ohne die beiden anderen Teile die Macht entfesseln.

Wir zogen uns erst einmal zurück in die kühlere Höhle, wo uns diese außerweltlichen Spinnenkreaturen angegriffen hatten; sehr zum Ärgernis von Ortnor, da er zur Eile drängte. Doch wollten wir uns alle vorbereiten, denn keiner wusste, was uns passieren würde, wenn wir den Stab zusammensetzen. Auch trug Halbohr noch einige Wunden. Bargh bot ihm an die Macht der Herrin zu erbitten, um diese zu schließen. Von dem anfänglichen Zögern, was ihm einst anzusehen war, war nichts mehr zu sehen. Es war fast, als hätte Halbohr nur darauf gewartet, dass Bargh ihm das Angebot machte. Vielleicht bestand ja doch noch Hoffnung für Halbohr. Doch nein, er würde wahrscheinlich immer der verschrobene und langweilige Soldat bleiben, der er war.

Die Temperatur der Höhle war durchaus ertragbar und ich konnte sogar tatsächlich etwas Schlaf finden. Doch suchten mich merkwürdige Träume heim. Ich träumte von einer Dunkelheit, die plötzlich von dem Blitzen einer Klinge erhellt wurde. Die Klinge schnitt durch die Dunkelheit wie durch Wasser und teilte sie. Während in der Dunkelheit alles starr und still war, konnte sich die Zeit selbst in dem Schnitt entfalten und entwickeln. Ich erwachte und sah, dass auch Bargh wach geworden war. Als ich ihm von dem Traum erzählte, nickte er nur ruhig. Er hatte den gleichen und wusste, dass dies ein Zeichen von Jiarlirae war. Sie sprach zu mir! Jetzt war ich mir sicher, dass ich nicht mehr an mir zweifeln musste. Wenn auch noch viele Prüfungen vor mir lagen, so war ich dennoch würdig.

Frisch gestärkt bildeten wir einen Kreis. Halbohr sollte es sein, der die Teile zusammenfügen würde. Ich hoffte nur, dass er nicht wieder irgendwas Dummes tun würde. Er nahm von Ortnor den Stecken entgegen und ließ die kleine Perle in die Vertiefung am Schaft gleiten. Sie rollte beinahe wie von selbst dort hin und glitt hinein. Ich konnte an Halbohrs Augen sehen, dass er spüren konnte, wie der Stecken an Macht gewann. Dann kam der Edelstein an die Reihe. Auch dieser glitt wie von selbst zwischen die beiden Krallen an der Spitze des Steckens und blieb auch dort haften, obwohl er die Spitzen selbst nicht berührte. Der Stein begann sich wie wild in der Spitze zu drehen und änderte immer wieder seine Farbe. Jetzt konnte ich sogar die Macht spüren, die von dem Stab ausging. Es war, als ob etwas Altes und Kraftvolles erwachen würde; langsam aber unaufhaltsam. Dann, mit einem Mal, wallte eine Woge von purer Macht über uns hinweg. Ich wurde von irgendetwas geblendet und konnte erst nichts mehr sehen. Als sich meine Augen daran gewöhnten, erblickte ich aber nicht den Tunnel oder die Höhlen, sondern ich schaute in ein wundervolles Gesicht, perfekt in allem seinem Wesen. Eine schneeweiße Haut umrahmte stahlblaue Augen. In seiner Gesamtheit verströmte das Gesicht eine Aura von Licht. Plötzlich erhob sich das Antlitz und ich sah, dass es ein Körper in einer glänzenden Rüstung war, der von weißen, engelsgleichen Schwingen davongetragen wurde; doch ob männlich oder weiblich vermochte ich nicht zu sagen. Ich erkannte und fühlte auch, wie die Aura alles verbrennen wollte, was es nicht verstand oder verstehen will. Es war das Gegenteil, die Antithese von Jiarlirae. Die Gestalt erhob sich weiter und ich sah, wie sie über ein gewaltiges Schlachtfeld schwebte. Blitze zucken von einem apokalyptischen Himmel und schwebende, gigantische Konstrukte aus Knochen und schwarzem Stahl waren zu sehen. Unter dem Erzengel trafen zahllose Armeen aufeinander; Armeen von Kreaturen der Hölle, die sich gegenseitig in Massen zerfleischten, deren Strom nie abzuebben schien. Die Engelsgestalt betrachtete für einige Zeit die Schlachten, bis sie dann, den Stab voran wie ein Raubvogel, in die Armeen stürzte und dort wie eine Naturgewalt wütete. Zu Tausenden fielen Scheusale, Teufel wie Dämonen, mitsamt ihren Dienerkreaturen und Konstrukten.

Dann und mit einem Mal verblasste das Bild um mich herum. Es wurde alles schwarz. Das Heulen des Windes setzte mit voller Härte ein und versuchte wieder meinen Geist zu vernichten. Es wurde heller und ich sah, dass wir alle in einer großen Arena standen. Dunkle Ränge umrandeten den Platz, nur eine Stelle der Ränge war mit einem hellen Licht erleuchtet. Über uns wogte ein Himmel, der nicht wie ein Himmel aussah, sondern eher wie ein Fluß von irgendetwas, vielleicht die eigentliche Essenz dieser Welt. Bei dem Licht regte sich etwas und wir sahen, dass dort eine Gestalt hervortrat. Es war die eines der blauen Teufel, zumindest hatte es den gleichen fassförmigen Oberkörper. Doch war dieses Exemplar wesentlich größer. Es wurde begleitet von zwei anderen Kreaturen, mit schwarzem, wildem Haar und dunklen roten Hörnern, die aus dem Schädel wuchsen. Obwohl der blaue Teufel mindestens 20 Schritt von uns entfernt war, konnten wir seine Stimme klar hören, als er sprach: “Schwächliche Geister! Ihr seid gekommen um meinen Schatz zu rauben, den ich einst selbst geraubt hatte. Knieet nieder im Staub, ihr sterblichen Geister und gebet mir, was auf ewig mir gehöret und was ER nie wiederbekommen wird! Knieet nieder und ich werde eure Seelen verschonen!”

Ich war erstarrt. War dies tatsächlich Raxivort selbst? Nein, das konnte nicht sein. Er war zu feige, denn sobald er sich zeigen würde, wären alle Teufel der Höllen auf seiner Fährte. Ich blickte zu Bargh, doch der dunkle Krieger flüsterte in diesem Moment etwas in Halbohrs gesundes Ohr. Augenblicklich veränderte sich Halbohrs Blick und wurde gläsern. Ich verstand: Es war der Preis, den er jetzt zahlen musste für die Macht, die er bereits gekostet hatte. Jetzt musste er Jiarlirae zumindest diesen einen Dienst leisten, ob er nun wolle oder nicht. Dann wandte sich Bargh in Richtung des Lichts und schrie: “Ihr seid versteckt unter vielen, ein Feigling und ein Zögerer. Ihr und eure Dämonenfürsten sind schwächer als Jiarlirae. Ihr werdet in ihrem Glanz zugrunde gehen! Es ist der Abglanz von Feuer und Düsternis, der euer Schicksal spinnen wird.” Wie als ob es sein Stichwort wäre, presste Halbohr den Griff seines Dolches zusammen und als das Blut des Einhorns seinen Körper bedeckte, wurde er durch die unheilige Blutmagie direkt hinter den blauen Teufel getragen. Zur gleichen Zeit begannen sich die Schatten in den Rängen zu bewegen und eine Armee von verschiedenen Kreaturen, besser die Schatten verschiedener Kreaturen, strömte auf uns zu. Bargh gab mit seiner Hand ein kurzes Kommando und stürmte mit einem Kriegsgeschrei dem blauen Teufel entgegen. Ortnor verstand das Kommando. Er murmelte nur eine kurze arkane Formel und die Schatten, die uns bereits erreicht hatten, stürmten ins Leere. Ich wurde mit ihm auf die höherstehenden Ränge getragen. Hier sah ich Halbohr hinter dem blauen Teufel auftauchen. Der falsche Raxivort hatte ihn noch nicht bemerkt. Während einer der beiden Dämonen seinen riesenhaften Krummsäbel nach Bargh hieb, blitzte das Horn des Dolches von Halbohr kurz auf als er es dem falschen Raxivort direkt in sein Herz stach. Seine gelblichen glühenden Augen erweiterten sich, was für mich wie Erstaunen aussah. Er drehte sich zu Halbohr um, doch man sah schon schwarzes Blut aus seinem Mund herauskommen. Er versuchte noch etwas zu sagen, doch war es mehr ein Röcheln. Ein Schatten löste sich aus dem zu Boden fallenden Körper, der wie ein Wurm dahinglitt. Er versuchte zuerst an Halbohr empor und in ihn hinein zu kriechen, doch konnte er ihn Kraft seines Geistes abschütteln. Dann versuchte er es bei mir, doch Bargh war bei mir und die Macht seiner gesegneten Klinge vertrieb den Schatten. Ich hörte einen Ruf voller Schmerz und Leid, aber, als ob er von sehr weit herkommen und immer schwächer wurde. Der Schatten wurde durch die Winde nach oben gerissen und verschwand im Mahlstrom des Himmels.

Die Armee der Schatten löste sich so schnell auf wie sie aufgetaucht war und Bargh stand den beiden Teufeln entgegen. Als seine Klinge tief in den Leib eines der beiden eindrang und schwarzes Blut aufspritzte, wurden aus beiden wimmernde, erbärmliche Kreaturen. Sie knieten sich vor Bargh nieder und fingen an um ihr Leben zu flehen. Angeblich würden sie unsere Herrin kennen und boten ihre Dienste an. Ich konnte erkennen, dass, obwohl sie ihre Gesichter in den Staub drückten, dennoch eine enorme Macht innehatten. Vielleicht sah Bargh es auch, denn er zögerte noch ihnen den Kopf abzuschlagen. Sie versprachen uns allen einige Wünsche zu erfüllen, doch war jedem von uns klar, dass dieser Pakt auch gefährlich sein konnte. Vielleicht war das auch der Grund, warum Ortnor sich daraus enthielt. Er sah es nicht ein mit diesen Teufeln Geschäfte zu machen.

Wir äußerten unsere Wünsche und sie wurden erfüllt, sei es Wissen, Stärke oder Macht. Halbohrs Wunsch war der letzte. Er wünschte sich, dass die Barden und Liedermacher unserer Welt seinen Namen kennen und ihn preisen sollten. Als er den Wunsch aussprach, begannen die beiden Kreaturen scheußlich zu lachen. Ich war mir sicher, dass sie auch diesen Wunsch erfüllt hatten, doch welche Auswirkungen er haben mochte, konnte noch keiner sagen. Mit dem letzten Wunsch und in ihren Lachen lösten sie sich in Staub auf. Doch mit ihnen verschwand auch die Arena um uns herum. Für einen Augenblick wurde es wieder schwarz um mich, dann standen wir wieder alle dort, wo wir in die Tiefe geschritten waren - vor den zerstörten Toren der alten Ruine. Der Vulkan, der allen Gesetzen der Natur zum Trotze, aus der Seite der gigantischen Höhle wuchs dröhnte und spuckte Asche und Feuer, doch das Heulen des Windes war lauter.

Jenseher:
Wie ein gehetztes Tier rief er uns zu, dass wir uns beeilen mussten. Halbohr und Ortnor blickten ihn etwas ratlos an, doch ich wusste, dass wenn er uns zur Eile ruft, wohl seine Gründe haben musste. Wir hasteten wie gejagdes Wild die Höhlenwand nach oben und traten wieder in die Tunnel ein. Für einen kurzen Moment musste ich innehalten und mich daran gewöhnen, dass ich in jede Richtung nach unten gezogen wurde. Doch dann lief ich weiter. An den teils engen Kurven ging ich einfach an der Wand des Tunnels entlang, oben oder unten spielten hier keine Rolle mehr.

Wir fanden die Markierung die Halbohr hinterlassen hatte schnell wieder. Hier war die versteckte Öffnung zu dem Portal, was uns wieder nach Hause bringen konnte. Halbohr holte den schwarzen Stein heraus und die Wand wurde durchsichtig. Er wollte schon hindurch schreiten, doch Bargh hielt ihn auf. Er sagte, wir müssten noch eine Sache tun und verlangte den Stab von Halbohr. Ortnors Augen wurden vor Schrecken groß, doch bevor er etwas sagen konnte, brüllte Bargh, er solle sich heraushalten. Halbohr zögerte, also zog Bargh sein Schwert und ging weiter auf Halbohr zu. Dieser zückte seinen Dolch, bereit sich zu wehren, auch wenn er natürlich wissen müsste, dass dies zwecklos wäre. Bargh näherte sich weiter und sagte er wolle den Stab mit seinem Blut reinigen. Halbohr rührte sich nicht, doch man konnte sehen wie er überlegte. Schließlich gab er nach und hielt Bargh den Stecken der Götter hin. Ortnor war der Verzweifelung nahe. Er verstand es einfach nicht. Bargh legte den Stecken vor sich auf den Boden und ich kniete mich zusammen mit ihm davor. Der heilige Krieger schnitt mit der Spitze seiner Klinge zuerst in seine Hand und schließlich in meine. Es war ein schöner Schmerz, als sich in meiner Hand ein feiner Riss bildete und mein Blut heraustrat und auf den Stab treufelte. Bargh blickte fragend Halbohr an, ob er sich an dem Ritual beteiligen wolle. Und dieses Mal überraschte mich Halbohr. Ich ging davon aus, dass er wieder irgendwelche Ausreden finden würde oder fadenscheinige Begründungen, doch er willigte tatsächlich ein. Er sagte, er wolle auch einen Heldennamen tragen, wie Bargh und dass ihm die Macht der Herrin dazu verhelfen könnte. Zwar waren seine Ziele immer noch nicht rein, aber zumindest war ihm jetzt klar, welche Macht unsere Herrin hatte. Auch er kniete sich vor den Stecken und auch sein Blut benetzte schließlich den Stahl.

So knieten wir dort im schreienden Wind dieser kalten Hölle; unser Blut benetzte das alte Artefakt. Bargh begann die Verse unserer Göttin zu murmeln und von seiner Gestalt breitete sich eine Dunkelheit aus, die uns alle umfasste. Nur der glühende Rubin in Barghs rechtem Auge war noch zu sehen. Der Wind schien leiser zu sein, so als ob er sich entfernen würde und gleichzeitig wurde Barghs Singsang lauter. Ich sah zwar nichts, doch ich konnte es deutlich spüren. Wir waren nicht mehr allein. Eine Macht von etwas uraltem Bösen hatte sich zu uns gesellt. Ich wagte nicht mich zu rühren. Wir waren dem Bösen völlig ausgeliefert und wenn es wollte, könnte es uns mit einem einzigen Gedanken töten oder noch viel Schlimmeres machen. Der Geruch von Leichen und von Fäulnis breitete sich aus und es wurde etwas heller, wobei es kein natürliches Licht war.

Wir sahen, dass sich drei Kreaturen in dem Tunnel materialisiert hatten; Kreaturen die direkt aus der Hölle entstammen mussten. Eine Gestalt war groß und drahtig, mit schwarzen Haaren und schien in Gänze in weißliche Flammen gehüllt. Aus ihrem Schädel ragten zwei schwarze verdrehte Hörner auf und breite, schwarze, Fledermaus-ähnliche Schwingen entfalteten sich von ihrem Rücken. Die zweite Kreatur erinnerte im ersten Moment an eine Frau, doch hatte sie insgesamt acht Arme die aus ihrem nackten Oberkörper wuchsen. Ihr Unterkörper war der einer Schlange und jeder Arm war in schwarzen Ketten mit Widerhaken bedeckt, die sich in das Fleisch schnitten. Beide der Gestalten waren älter, als man es sich vorstellen könnte. Sie vermochten wohl Dinge gesehen und getan zu haben die ich mir nichtmal in meinen dunkelsten Träumen vorstellen könnte. Die dritte Gestalt war die schrecklichste. Sie trug keinen Kopf. Aus der Öffnung des Halses sprudelte jedoch unablässig ein Strom aus Blut. Sie war mit Muskeln unter einer weißen Haut bepackt, doch überall auf ihrem Leib krochen kleine Maden, die sich an ihrem Fleisch labten. Die Gestalt war an den Armen gepanzert, doch waren die Platten aus schwarzem Stahl mit Nägeln direkt in den Knochen geschlagen. Der fehlende Kopf befand sich im Bauch der Kreatur, wo es uns aus einer absoluten Verrücktheit anblickte. In ihrer Rechten trug sie ein riesengroßes Beil, wie das Beil eines Henkers, wo ich noch Blut herabtropfen sehen konnte. Vielleicht das Blut all der Wesen die sie geköpft hatte? Ich wagte es nicht die Gestalt länger anzublicken und senkte mein Haupt auf den Boden, doch ich erkannte sie aus den Gebeten von Bargh und von Neire. Dies war der Dämonenprinz Vocorax'ut'Lavia, der Henker der letzten Einöde und ein Bote von Jiarliare, vielleicht sogar ein Teil von ihr selbst.

Der Anblick musste für Ortnor einfach zu viel gewesen sein, er wollte nur noch weg, doch nicht ohne seinen Preis. Er sprang nach vorne, mit dem Ziel den Stecken zu ergreifen, der mittlerweile von unserem Blut bedeckt war. Halbohr reagierte einen Moment zu spät. Zwar zuckte sein Dolch auf und versuchte seine Hand aufzuspießen, doch Ortnor war schneller und legte seine schmierigen Finger auf den Stecken. Er begann zu murmeln und wollte sich wohl durch Zeit und Raum davonstehlen, doch der Henker erhob sein Beil und hieb damit in die Luft. Es war, als hätte der Schlag Raum und Zeit selbst durchschnitten. Für einen kurzen Moment spürte ich, dass Flamme und Schatten sich trennten. Es lag irgendetwas dort… etwas Machtvolles, Geheimnisvolles… war es das Urchaos? Mein Geist war wie gelähmt und ich wagte nicht aufzuschauen. Eine Welle von unsterblicher Macht rollte über uns hinweg. Die Zeit selbst schien langsamer zu laufen, doch dann bemerkte ich, dass es nur für uns der Fall war. Ortnor stand dort, die Hand immer noch nach dem Stecken ausgestreckt und war wie eingefroren. Langsam aber unaufhaltsam schritt der Henker auf Ortnor zu und erhob sein Beil. Man konnte die Boshaftigkeit der Klinge spüren, als sie sich senkte und mit einem sauberen Schnitt den Hals von Ortnor durchschlug. Ortnor rührte sich immer noch nicht, obwohl sein Kopf nicht mehr am Hals fest war. Der Henker drehte sich zu Halbohr und auch hier erhob er seine Henkersaxt. Doch Halbohr drehte seinen Kopf, langsam, aber er bewegte ihn. Vielleicht war es das, was den Henker davon abhielt sein Urteil auch bei Halbohr zu vollstrecken. Er ließ seine Axt sinken und griff nach dem Stecken der Götter. Dann hörten wir ein Meer von Stimmen in unserem Kopf, wie tausende Nadelstiche und starker als der kreischende Wind, der im Antlitz der Urmacht verstummt war, doch konnten wir sie verstehen: “Ihr habt euch verdient gemacht. Es wird das Gleichgewicht, das es nicht gibt, nicht verändern. Aber es wird dem aufsteigenden Chaos des Abgrundes dienen. Unsere Herrin ist dankbar.” Er warf drei kleine schwarze Edelsteine in die Luft die dort, sobald sie seine Hand verließen auch in der Zeit einfroren. “Greift nach der Macht von Flamme und Düsternis!”

Bargh, der sein Haupt in Ehrfurcht auf den Boden geneigt hatte, sprach: “Das Portal nach Euborea ist geöffnet. Nehmet den Stein.” und hielt ihm einen der Steine hin, der die geheime Türe zu dem Portal öffnete. “Es ist der Zugang in unsere Welt, für euch, für Jiarliare”. Wir konnten die Zustimmung des Henkers spüren und er nahm den Stein sowie den Stecken an sich: “Es werden Diener folgen, denn eure Taten waren groß.” Mit diesen Worten wurde es wieder dunkel. Ich fühlte, wie sich ihre Auren entfernten und wir waren wieder alleine. Der Körper von Ortnor stand noch für einen Moment neben uns, dann fiel sein Kopf mit einem Poltern auf den Boden und der kleine Wicht brach in sich zusammen. Das Kreischen des Windes setzte wieder ein. Ich blickte an mir hinab und stellte fest, dass ich am ganzen Körper zitterte. Ich schaute zu Bargh und sah in seinen Augen einzig Entschlossenheit. Langsam erhob er sich und half mir auf. Schweigend musterten wir uns und Halbohr schritt ehrfürchtig und bedächtig durch den transparenten Stein. Wir kamen zurück in unsere Heimat und wir ebneten den Weg unserer Herrin. Auf dass sie Flamme und Düsternis nach Euborea brächte.

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