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[AD&D 2.5E] Von Feuer und Düsternis – Erzählungen aus Euborea

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Jenseher:
Die infantile Gestalt starrte Neire mit einer Mischung aus Schrecken und Unverständnis an. Es war der größte in der Gruppe der noch jungen Abkömmlinge der Riesen. Fast instinktiv hatte er seine Hände ausgebreitet und drängte die anderen zurück. Neire erkannte, dass die teils kleineren, missratenen Bälger den Anweisungen der Gestalt Folge leisteten und sich wie eine Herde ängstlicher Lämmer in die Ecke drückten. In der Größe des Schlafgemachs machte dieses Spiel einen unwirklichen Eindruck auf Neire. Doch je genauer er sie musterte, desto mehr wurde ihm klar, dass die Gestalten in ihrer Schwachsinnigkeit kein Spiel spielten. Es war mehr wie ein instinktives Verhalten, das ihre Unterwürfigkeit zur Schau stellte und ihnen so ein Überleben sichern sollte. Neire strich sich die gold-blonden Locken zurück und lächelte das zweieinhalb Schritt große Kind an. Er beobachtete auch die anderen dieses Gezüchts genau. Sie waren bereits von seiner Körpergröße und einige überragten ihn teilweise um mehrere Köpfe. Bei den größeren und älteren Gestalten hatten sich Fettansätze gebildet. Neire konnte bei diesen Kreaturen die Ähnlichkeit zu ihren Eltern erkennen. Dünne Arme und stämmige Beine; ein rundlicher Schädel mit fliehender Stirn, platter Nase und kleinen bräunlichen Augen. Gutturale Laute und ein schwachsinniges Wimmern waren von ihnen zu hören. Es mussten auch einige weibliche Exemplare unter ihnen sein, doch Neire konnte den Unterschied nicht erkennen. Von allen ging jedoch ein penetranter Schweißgeruch aus. Ob sie wohl die überlegene Schönheit erkennen können, die ihnen gegenübergetreten ist? Was sie wohl mit mir machen würden, wenn sie nur ihre Furcht überwinden könnten? Würden sie aus Wut auf das Ästhetische, mein Gesicht zerreißen, meinen Körper schänden? Für einen Augenblick ließ Neire die Gedanken schweifen und erinnerte sich an Nebelheim. Was die Platinernen Priester mit den missratenen und missgestalteten Sklavenkindern gemacht hatten. Wie sie der Göttin geopfert wurden. Neire zeigte seine perfekten Zähne, während er lächelte und konzentrierte sich. Die Umgebung um ihn herum nahm langsam andere Farben an. In rötlichen Tönen sah er die Baumstammwände, die kleineren Nachtlager und die achtlos verteilten Stöcke und Holzplanken - von geringer handwerklicher Kunst und wie Schwerter geschnitzt. Neire versuchte die gutturale Sprache zu imitieren und brachte kehlige Rülps- und Grunzlaute hervor. „Ich Freund, gekommen als Freund… ihr folgen… große Halle. Dort Essen für euch.“ Er bemerkte ungläubiges Staunen, große aufgerissene Augen, doch der Schrecken und die Furcht wich. Neire spürte die Macht durch ihn fließen. Er blickte weiter in die Augen und vollführte freundliche Gesten dazu. Nun ließ der Größte der Riesenbrut die Arme sinken und lächelte ihm zu. In seinem, von einem Unterbiss geprägten, Gesicht offenbarten sich grobe, stumpfe Zähne, die bereits Ansätze von Fäulnis zeigten. Dann löste sich eine kleinere Gestalt und kam auf ihn zu. Der Gang der Kreatur, die fast genauso groß wie Neire war, sah noch stolpernd und unbeholfen aus. Fast wie ein Kind, das gerade erst gelernt hatte zu laufen. Die Gestalt reichte ihm ein hölzernes Schwert und blickte ihn blödsinnig grinsend an. Als wollte sie ihn zum Spiel auffordern. Neire nahm das Stück Holz entgegen, drehte sich um und sprach. „Folgt mir… folgt mir. Habt keine Angst. Wir wollen ein Spiel spielen, doch zuerst sollt ihr gefüttert werden.“ Aus den Augenwinkeln sah er, dass sich der Tross des widerlichen Gezüchts in Bewegung setzte.

Die Halle tat sich vor Neire auf, so wie sie sie verlassen hatten. Der Geruch von Schweiß, Fleisch, Rauch und Alkohol erfüllte zwar noch schwer die Luft, wurde aber überdeckt vom Geruch des Todes. Der groteske Haufen von fleischigen Körpern brachte den Gestank von geöffneten Eingeweiden und von geronnenem Blut. In den langen Schatten der Fackeln wirkten die, im Tode von Hass zerfressenen Gesichter wie fratzenhafte, leere Hüllen. Neire erinnerte sich zurück. Sie hatten sich nach dem Kampf zu einer kurzen Ruhe niedergelassen. In der großen Halle war Zussa auf einen Tisch hinaufgeklettert und hatte zu meditieren begonnen, während Bargh die Spieße der Rinder weitergedreht hatte. Nach einiger Zeit hatte Bargh aber Geräusche gehört und in einem kleinen Gang die Brut der Riesen gesehen, denen sie dann nachgegangen waren. Insbesondere hatte sie Zussa darauf hingewiesen, die Bälger zu töten, damit sie weiter ungestört meditieren konnte. Als Neire die Kreaturen jetzt in die Halle führte, erwachte Zussa wie aus einer Trance. Neire konnte erkennen, dass Zussa den Mund geöffnet hatte, als würde sie dem Schauspiel nicht ganz trauen. Bevor Zussa reagieren konnte, drehte sich Neire den Kreaturen zu. Die ersten hatten den Fleischberg von Leibern erkannt. Sie betrachteten mit fixierten, aufgerissenen Augen und offenen Mäulern die Szenerie. Sie waren anscheinend nicht fähig, die Lage zu begreifen. „Kümmert euch nicht um eure Eltern. Sie schlafen nur. Sie schlafen nur kurz und sind bald wieder wach. Sie haben heute Abend etwas zu viel getrunken.“ Neire unterstrich seine Worte mit den Gesten vom Trinken und von Schlaf. Er lachte nicht bei seinen Worten und sie schienen ihm zu glauben. Doch hinter sich hörte er Zussa glucksen. Neire und Bargh führten die Kreaturen jetzt zum Feuer und wiesen sie an, sich dort niederzulassen. Sie begannen das Gezücht mit der Bärenkette und einem Seil zu fesseln. Neire zischelte wieder Worte von Erklärungen, doch er spürte ihr blindes Vertrauen. Dann wies Neire Bargh an die Kreaturen zu füttern. Er musste sich um seine schwarze Kunst kümmern. Für das Spiel mit den Bälgern sollte später noch Zeit sein.

Sie standen vor großen Stufen, die hinab in die Dunkelheit führten. Von unten stieg ein Geruch von Moder und Stein auf. Sie hatten nach ihrer kurzen Rast den Rest des oberirdischen Teils der Feste abgesucht. Bargh hatte zuvor die Brut der Riesen mit dicken Stücken Fleisch gefüttert, die er aus den Rindern geschnitten hatte. Die Abkömmlinge hatten sie dann, gefesselt und größtenteils schlafend, zurückgelassen. Auf ihrer Durchsuchung waren sie auf keine weiteren Kreaturen gestoßen. Mehrere Schlafgemächer und Vorratsräume hatten sie gefunden. Unter den Schlafgemächern waren auch das des Anführers und das der Kriegerin gewesen, die Bargh getötet hatte. Neben einer Reihe von Edelsteinen und Geschmeiden, hatten sie im Gemach des Nomrus ein Stück Pergament mit den Buchstaben einer Riesensprache entdeckt. Sie hatten die Sprache zwar nicht entziffern können, jedoch hatte Neire ein interessantes Wappen auf dem Pergament entdeckt, das er als Insignie eines dunkelelfischen Hauses deuten konnte. Es war das Abzeichen des Hauses Eil’Serv, das drei Linien innerhalb eines gleichschenkligen Dreiecks darstellte. Die Linien waren orthogonal zu jeder Seite des Dreiecks und trafen sich, jeweils als Streckenhalbierende, im mittleren Punkt. Neire hatte von diesem Haus bereits gehört, konnte sich aber nicht mehr an viele Details erinnern. Das Haus existierte wohl schon mehrere tausend Jahre und hatte, je nach Zeitalter, mal mehr oder mal weniger mehr Macht innegehabt. Bemerkenswert war aber, dass Haus Eil’serv sich wohl von der Spinnengöttin Lolth abgewandt hatte und jetzt einem Gott des elementaren Bösen diente. Obwohl Neire auch diesen Namen kannte, schien sich der Gott in Obskurität zu verbergen. Neire hatte Zussa und Bargh von seinen Erkenntnissen berichtet und sie waren sich einig gewesen, der weiteren Durchsuchung der Festung den Vorzug zu geben. Neben einem alten, verzauberten Runenschild mit einem mittigen Dorn, das durch die Macht der Illusionen verborgen wurde, hatten sie dann eine Geheimtür entdeckt, die ihnen eine Treppe in die Tiefe offenbart hatte. Als sie sich sicher waren, dass sie alle anderen Räume der Festung durchsucht hatten, waren sie an den Ort dieser Treppe zurückgekehrt. Jetzt lauschten sie in die Tiefe. Bargh hatte Klinge und Schild erhoben und begann Stufe für Stufe hinabzusteigen. Die Luft hier unten war etwas kälter. Sie konnten das geschliffene Felsgestein des Jotenwalls erkennen, in das sie die Treppe hinabführte. Der Stein war glatt und geradlinig bearbeitet worden, nur hier und dort ließen ausgebesserten Stellen eine fehlende Handwerkskunst erkennen. Schließlich kamen sie in einen breiten Gang, dessen Decke ein halbes Dutzend Schritt über ihnen aufragte. An die Wände waren dicke Baumstämme gelehnt, die sich auf Querbalken abstützten und die Decke wie eine Art Spitzdach trugen. Sie hörten keine Geräusche und drangen weiter vor, in die Dunkelheit. An einer Ecke deutete Zussa plötzlich auf die nackte Stelle von Felsgestein. „Dort, schaut. Ein Stein in der Wand zeichnet sich vom Rest ab. Seht ihr die Linien und Konturen?“ Bargh hielt augenblicklich inne und drehte sich zur Wand. Tatsächlich konnte er den Stein sehen. Nach einer kurzen Untersuchung, reichte er hinauf und drückte den Stein in die Wand. Sie hörten das metallene Klicken eines Mechanismus. Ein Teil der Konstruktes ließ sich jetzt verschieben und glitt knirschend hinter den Stein der restlichen Wand. Es offenbarte sich ihnen ein breiter und hoher Tunnel, aus dem abgestandene, faulige Luft drang. Ihre geübten Augen konnten die Dunkelheit durchdringen und sie sahen, dass der Gang sich in eine tote Felskammer eröffnete. Einige Kisten und ein zerstörtes Fass waren dort zu sehen. Vorsichtig bewegten sie sich vorwärts, in Richtung der geheimen Kammer. Gerade betrachtete Neire den gelblichen Flechtenbewuchs, der in einer Ecke der Kammer zu sehen war, da hörten Bargh und Neire hinter sich ein Knacken. Der steinerne Boden unter Zussa begann Risse zu bilden und mit einem Mal brach sie hinfort in die Tiefe. Neire schnellte herum. Er versuchte noch nach Zussa zu greifen. Seine Hand reichte in die Tiefe und er selbst suchte seine Balance, gefährlich nah am Abgrund. Im letzten Moment griff Zussa nach seiner Hand. Neire fühlte den Ruck durch seinen Arm gehen, als Zussa gegen die Felswand unter ihm schlug. Er schrie nach Bargh: „Helft mir Bargh, zieht sie hinauf.“ Zussa, sich kaum der Gefahr der Situation bewusst, schaute hinauf zu Neire. Sie hörte das Geräusch von klingendem Ne’ilurum, als Bargh sein Schild in Ortnors Mechanismus verstaute. Dann beugte sich das verbrannte Gesicht mit dem roten Rubin im rechten Auge zu ihr hinab. Ruckhaft wurde ihr Arm von einer übermenschlichen Kraft nach oben gezogen. Erst jetzt – und erst als sie hinter sich die metallenen Spitzen von Speeren am Boden der Fallgrube sah – wurde sie sich der Todesgefahr bewusst, in der sie gesteckt hatte. „Habt Dank Bargh, für meine Rettung“, sprach sie in Richtung des gefallenen Paladins, doch Bargh schüttelte mit dem Kopf. „Dankt nicht mir, Zussa. Dankt Neire.“ Zussa betrachtete Neire und dankte ihm. Ein beleidigter Ausdruck im Gesicht des Jünglings, begann sich langsam in ein Lächeln zu ändern. „Es war das Mindeste, was ich tun konnte, Zussa. Wir alle sind Kinder Jiarliraes, sind wie Brüder und Schwestern. Ist es nicht das, was Brüder und Schwestern für einander tun sollten? Wir sollten bereit sein, unser Leben für den anderen zu geben.“ Zussa wiederholte den Satz für sich, indem sie jedes Wort im Geiste nachsprach. Ja, Neire hatte recht. Sie fühlte sich geborgen und bestätigt in ihrem Glauben. Nur die Königin von Feuer und Dunkelheit, nur die Dame des abyssalen Chaos, konnte Neire dazu angeleitet haben, sie zu retten. Und sie würde das Gleiche für Neire oder Bargh tun. So drehten sie sich um und schritten weiter in Richtung des geheimen Raumes. Jetzt war der vorangehende Bargh besonders vorsichtig und prüfte den Boden vor ihnen. Sie gelangten unbeschadet in den Raum und begannen die Kisten zu untersuchen. Dies war anscheinend die geheime Schatzkammer des Nomrus. Sie fanden säckeweise Gold, Platinum sowie Edelsteine und Geschmeide. Nomrus hatte ein Vermögen gestohlen und hier angehäuft. Zudem konnte Neire zwei weitere Illusionen enttarnen, die Gegenstände verbergen sollten. Die gelbe Flechte stellte sich als getarnter Bereich heraus, in dem kostbare magische Waffen versteckt waren. Auch das beschädigte Fass war eine Attrappe. In ihm war eine Kiste aus schwarzem Kristall verborgen, in der sie eine Karte, eine Kette aus schwarzem Metall und ein Schriftstück in der Sprache der Riesen fanden. Das Schriftstück hatte das Muster einer Art Aufzählung und endete mit einer großen 8. Die Karte stellte in primitiver Art und Weise die Umgebung des Jotenwalls und der Kristallnebelberge dar. Dort waren einige Orte markiert. Besonders tat sich ein Markierungszeichen inmitten der Kristallnebelberge hervor. Gebannt starrten sie auf die Karte und die schwarze Kette. Um sie herum war das Glitzern von Gold, Silber und Juwelen.

Jenseher:
Für einen Augenblick verharrten sie hier und atmeten die modrige Höhlenluft. Die unterirdische Felsenkammer war in völlige Dunkelheit gehüllt. Durch die große Höhe hatte der geheime Schatzraum etwas Beengendes. Wie sich wohl die Riesen gefühlt haben mochten, als sie die Schätze hier anhäuften? Wenn sie überhaupt in der Lage gewesen waren, etwas zu fühlen. Neire erhob sich langsam und nahm einen weiteren tiefen Atemzug der fauligen Höhlenluft. Er verwarf die Gedanken an den Anführer der Rasse dieser abscheulichen Kreaturen. Zussa hatte ihn getötet und jetzt gehörten die Schätze ihnen. Sie hatten den letzten Sack mit Platinumstücken hinter dem dunklen seidenen Vorhang verstaut, hinter dem sich der würfelförmige Raum mit Ortnors Labor verbarg. Neire raffte mit einer geschickten Bewegung die Seide zusammen und faltete sie. Der Vorhang hing, wie von Geisterhand getragen, in der Luft, doch an den richtigen Stellen berührt, ließ er sich bewegen und zusammenfalten. Mit dem gefalteten Stoff verschwand auch das Portal im Rucksack von Neire und in ihm die Schätzte des Nomrus. Neire ließ seinen Blick über die Wände schweifen. Große eichene Baumstämme stützten hier und dort das dunkle Gestein, das die Spuren einer alten Bearbeitung trug. Der dunkelgraue Fels war wie von Meisterhand geformt und glattgeschliffen worden. Nur an einigen Stellen zeigten plumpe Ausbesserungen eines helleren Mörtels fehlende Handwerkskunst. Gerade wollte sich Neire Bargh zuwenden, da hörte er die unruhigen Schritte von Zussa. Sie hielt einen Edelstein in der Hand, den sie lustlos und desinteressiert drehte. Ihre langen roten Locken umspielten ihr weißes Gesicht, in dem Sommersprossen zu sehen waren. Nervös kaute sie auf ihren Lippen und machte schlaksige Bewegungen, als sie den Edelstein nach oben warf, um ihn dann wieder zu fangen. „Ihr habt einiges erlebt auf eurer Reise mit Bargh. Ich erinnere mich noch, wie wir euch auf der Tempelinsel aus dem Kerker befreiten,“ sagte Neire. Zussa schaute in diesem Moment zu ihm auf. Ihre grünlichen Augen funkelten wach, als sie ihr Desinteresse ablegte. Dann, wie in Erinnerungen schwelgend, begann sie zu lächeln. „Ja, ich wusste damals noch nicht viel. Ich wusste nicht das, was ich heute weiß und ich hatte Angst, das Feuer zu beschwören. Angst, das Feuer in Richtung der Fässer zu schleudern.“ „Doch ihr habt es getan. Ihr habt das Feuer beschworen und den Tempel des schwachen Gottes entzündet.“ Zussa lächelte bei diesen Worten und wollte gerade zu einer Antwort ansetzten, da fragte Neire weiter: „Sagt Zussa, als ihr noch in eurem Dorf wart. Als sie euch noch nicht vertrieben hatten. Was war das Merkwürdigste, was ihr jemals dort gesehen habt?“ Zussa legte ihre Hand auf den Griff des Säbels, den sie im Gürtel trug. Sie ließ einen Moment den Kopf sinken, als dächte sie nach. Dann wirbelte ihr feuerrotes Haar herum und sie lachte auf. „Die Nachbarn brachten einmal ein Kind zu Welt. Einen Säugling der nur ein Bein hatte. Das war komisch…“ Sie kicherte in ihr Sprechen hinein, so dass sie kaum zu verstehen war. „Was haben sie dann gemacht mit dem Säugling? Zussa,“ fragte Neire, der Zussa mit großen Augen anschaute. „Was haben sie wohl mit ihm gemacht… natürlich haben sie ihn im Fluss ertränkt. Was sollte er denn auch machen mit einem Bein?“ Neire blickte Zussa, die immer noch in sich hineinlachte, fast etwas traurig an. Auch Bargh hatte in das Lachen von Zussa eingesetzt. Die Aura von Düsternis, die vom übermenschlich großen Krieger Jiarliraes ausging, hüllte sie ein. „Ich finde es schade, Zussa. Das Kind, der Säugling. Was für eine Verschwendung… In Nebelheim gab es ein Geschlecht von inzestuösen, menschlichen Sklaven. Sie wurden von den Platinernen Priestern zur Paarung gezwungen. Viele Säuglinge hatten Missbildungen. Mal fehlte ein Bein, mal ein Arm oder mal ein paar Finger. Sie wurden geopfert im Inneren Auge. So konnten sie wenigstens unserer großen Herrin dienen, mit ihren schwachen Seelen.“ Neires gespaltene Zunge war zu erkennen, als er sich in dem Satz in einen zischelnden Singsang fremder Akzentuierung hineinsteigerte. „Ihr habt recht Neire.“ Jetzt brachte sich Bargh in das Gespräch ein und der rote Rubin funkelte in seinem verbrannten Schädel. „Ihr habt recht, doch horcht her. In Zussas Geschichte geht es um einfachen Pöbel, schwache Geister, die entbehrlich und schnell ersetzbar sind. Ich kann mich an andere Geschichten erinnern. Aus Fürstenbad. Dekadente, reiche Adelige, die ihre missratenen, kleinwüchsigen Bälger aufzogen, anstatt sie zu ertränken. Sie werden schnell weinerlich, nehme ich an. Sie konnten es nicht übers Herz bringen… waahh.“ Bargh spuckte bei diesen Worten aus. „Einigen dieser Zwerge wurden gar Ränke zugeschachert. In der Armee und im Rat der Stadt. Ich würde gerne zurückkehren dorthin. Mit Glimringshert und einer kleinen Armee unserer Herrin.“ Bargh hielt bei den Worten sein schwarzes, Schatten-blutendes Schwert in die Höhe, über dessen düstere Klinge sich Venen, wie ein verzweigtes Geflecht, zogen. Jetzt trat Neire näher heran und nickte Bargh und Zussa zu. „Bedenkt, Zussa und Bargh. Ihr seid wie Schwester und Bruder für mich und ich litt mit euch, als ihr das Blutopfer für Vorcorax’Ut’Lavia – geheiligt sei sein Name - vollbracht habt. Doch ich bin Jiarliraes Prophet in Euborea und IHRE Stimme spricht nur durch mich. Wir werden eine Armee benötigen. Doch wer weiß, ob Fürstenbad unser Ziel ist? Wer weiß, was uns das Schicksal bringen wird? Wir müssen Halbohr diese Schätze bringen. Damit er den Schrein des Jensehers schützen kann. Damit er die Mittel hat, die stämmige Rasse der Minenstadt von Unterirrling für seine Dienste zu erkaufen.“ Bargh und Zussa lauschten seinen Worten, doch als Neire von Halbohr sprach, war beiden Widerwillen und ein latenter Hass anzusehen. Zussa stieß verächtlich die Luft aus. „Halbohr, traut ihr ihm etwa, diesem Bastard? Wir hätten ihn damals töten sollen, als er die Made des Jenreiches in sich trug.“ Neire blickte seine Mitstreiter an und fragte sich, was Halbohr ihnen wohl angetan hatte. „Ich traue ihm nicht Zussa. Doch es gab einen Grund, wieso ihn Lieressandre in meinen Dienst gestellt hat. Es war das Schicksal, die Vorsehung unserer Herrin, dass wir nach meiner Flucht aus Nebelheim zusammenkamen und aus dem Unterreich flohen.“ Neire bemerkte, dass zuerst Bargh und dann auch Zussa zustimmend nickte. „Und bedenkt… ihr habt mir davon erzählt, Bargh. Halbohr will seinen Namen in dieser Welt klingen hören und er trägt das Brandmal unserer Herrin, das ihr ihm gabt. Auch wenn er es vielleicht nicht wahrhaben will, so dient er bereits unserer Herrin. Er tat es bereits auch damals, als ich ihn im Unterreich traf. Jetzt bewegt er sich wie Linnerzährn, als glühendes Feuer auf seinem Weg durch die Dunkelheit. Doch wenn ihr recht habt, dann wird das Schicksal wollen, dass er verschwindet. Vielleicht wird er auch einst wieder auftauchen. Wie die glühende Träne des Drachens, wie Linnerzährn es tat: In und aus den Geheimnissen der Flamme und der Düsternis unserer Herrin, die uns umgeben.“

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Bargh warf sich gegen das sechs Schritt hohe Portal und begann das grobe, schwere Holz nach vorne zu drücken. Hinter der Türe hatten sie Stimmen in Form eines fast menschlichen Bellens und Knurrens gehört. Ein Bellen und Knurren, dass sich in seinen Lauten sowie seiner Akzentuierung änderte und einer primitiven Sprache glich. Bargh blickte sich ein letztes Mal um, bevor er durch die sich öffnende Türe drängte. Hinter ihm sah er die riesige steinerne Kammer, die hier und dort von Fackellicht erhellt wurde. Er hörte die Formeln des Gebetes, den disharmonischen Choral, den Zussa sang. Er spürte die Macht durch sein Schwert pulsieren, er spürte Zuversicht. Zuvor hatten sie die Schatzkammer des Nomrus verlassen und waren weiter dem Tunnel gefolgt. In einer unterirdischen Halle hatten sie ein Gatter entdeckt aus dem der Geruch von Urin und Fäkalien, nassem Tierfell sowie verrottendem Brot und Fleisch hervordrang. Hinter dem Gatter waren die Geräusche zu hören gewesen, die sie schon in der Schatzkammer vernommen hatten. Auf ihrem Weg zu diesem Gatter hatten sie einen weiteren falschen Stein in der Felswand entdeckt, der ihnen den Zugang zu einer geheimen Tür offenbart hatte. Einen breiten, hohen Gang hatten sie dahinter entdeckt. Dieser Gang war an einer, auf der anderen Seite liegenden Geheimtüre geendet. Zudem waren an einer Steinwand zwei große, verrostete Räder erkennen gewesen, von denen, nach einer kurzen Prüfung, eines das Gatter öffnen konnte. Sie hatten sich weiter auf das Gatter zubewegt und in einem dahinterliegenden Kerker vier große, muskulöse Kreaturen entdeckt, die ein Raubkatzen-ähnliches Aussehen hatten. Die Gesichter der Kreaturen waren als Fratzen, halb menschlich und verzehrt von Hass, zu erkennen gewesen. Eine löwenartige Mähne und breite Fledermausflügel hatten die Kreaturen ausgezeichnet, die sich an den verrotteten Essensresten in der Mitte des Kerkers gelabt hatten. Dabei waren ihre Schwänze wie in einen ekstatischen Tanz verfallen. Neire hatte aus der Dunkelheit seiner Unsichtbarkeit den Kampf eröffnet und rötlich glühende, schattenhafte Geschosse beschworen, die eines der Wesen schwer verletzten. Die stärkste der Gestalten war dann, wie vom Wahnsinn erfasst, in ihre Richtung gelaufen und hatte ihren Kopf gegen die eisernen Stäbe gerammt. Ein kurzer und intensiver Kampf war siegreich für sie verlaufen, doch sie hatten den Segen von Jiarlirae auf ihrer Seite gehabt. Die Kreaturen hatten aus ihrem Rücken und Schwanz knöcherne Splitter auf sie geschossen, die sie nur unter Schmerzen aus ihrem Körper lösen konnten. Doch Bargh hatte sich hinter sein Schild aus Ne’ilurum geduckt und den Hagel von Splittern abgewehrt. Danach hatten sie das Gatter geöffnet und die Kreaturen ihres wertvollen Pelzes wegen gehäutet. Sie hatten zudem eine zweite Schatzkammer gefunden, in der sie neben weiteren Edelsteinen, säckeweise Münzen aus Bernstein entdeckt hatten. Sie hatten die Schätze geplündert und waren durch den geheimen Gang in die große Halle gekommen, von der mehre Gänge und eine Treppe nach oben hinfort führten sowie drei Türen zu sehen gewesen waren. Eine dieser drei Türen hatte Bargh gerade geöffnet. Bargh sah vor sich einen Raum, der mit ledernen Tierfellen ausgelegt war. Eine Reihe von Kreaturen hatte sich an einer großen hölzernen Tafel niedergelassen, auf die sie Humpen und Krüge gestellt hatten. Im Fackellicht waren die muskulösen Silhouetten der humanoiden Gestalten zu sehen, die von einem rötlich schimmernden Fell bedeckt waren. Ihre Gesichter waren raubtierhaft. Sie hatten spitze Ohren und ihr Züge erinnerten an eine ferne Verwandtschaft zu Bären. Ihre Sprache war die eines Grunzen und Knurren. An ihre Schemel und an die hölzerne Tafel hatten sie ihre Waffen gelehnt. Zu sehen waren Speere, Äxte und Morgensterne. Die Kraft des disharmonischen Chorales stachelte Bargh an. Er stürmte in den Raum und ließ die Klinge Glimringshert tanzen. Der ersten Kreatur stach er von hinten durch die Brust und durch ihr Herz. Der zweiten hackte er fast den Kopf ab. Feine Bluttropfen durchsprühten die Luft und benetzten sein Gesicht. In der Überraschung des Angriffs hatten die Gestalten sich kaum bewegt und so rammte er der dritten sein Schild aus Ne’ilurum ins Gesicht. Er hörte das Knacken des Jochbeins und sah, wie sich die Zähne der linken Kauleiste über den Tisch verteilten. Bargh wollte gerade auf die andere Seite des Tisches stürmen, da erblickte er die Welle von Feuer, die sich dunkelrot und fächerhaft ausbreite. Drei der Gestalten schrien auf und wandelten als lebende Fackeln durch den Raum. Weit kamen sie nicht, denn das rötliche Feuer hatte sich wie eine brennende Flüssigkeit über ihr Fell ausgebreitet. Als die Schreie verstummt waren, hörte Bargh durch den Singsang von Zussa weitere Geräusche. Ein Poltern und ein lautes Bellen waren aus einem Gang zu hören, der sich aus dem Gemach öffnete. Und es waren Antworten zu vernehmen. Kehlige Grunzlaute, die dem Bellen ähnlich klangen. Bargh machte einige Schritte zurück, auf die Tür zu. Er schrie Zussa an, sie möge sich hinter ihn stellen. Das Mädchen gehorchte und so baute er sich in seiner Verteidigungshaltung auf. Er erwartete den Gegenangriff der felligen Kreaturen: Und sie kamen aus dem Gang. Sie bewegten sich rasch, doch geordnet. Der Hass war in ihren dunklen Augen zu sehen, aber er war einer eisernen Disziplin untergeordnet. Zum Vorschein kam ein Anführer. Fast so groß wie Bargh selbst, war er gekleidet in einen Lederpanzer, der von schweren eisernen Nieten besetzt war. Er trug ein großes, schartiges Bastardschwert. Für einen Augenblick, in dem Bargh in seiner Position wartete, kam ihm alles so langsam vor und er wollte voranstürmen, wollte die Kreaturen niedermachen. Doch tief in ihm wahrte er die Instinkte seiner militärischen Ausbildung. Die endlosen Stunden im Tempel von Fürstenbad. Die kommandierten Krieger trugen Teile von Rüstungen über ihrem rot-braunen Fell. Der Gestank von räudigem Bären verdrängte jetzt den Geruch von verbrannten Haaren und Fleisch. Sie bildeten bewaffnete Paare, mit Speeren und Streitkolben, Morgensternen und Äxten. Fast zwei Dutzend Kreaturen waren jetzt in den Raum vorgedrungen. Dann rief der Anführer zum Angriff. Bargh konnte die Worte nicht verstehen, aber er erkannte den militärischen Befehl. Die Kreaturen zucken nach vorn, doch es war zu spät. Keiner von ihnen sah den glühenden Funken, den Neire von der anderen Seite des Raumes warf. Bargh wusste was das bedeutete und hob das Schild höher. Die Explosion, die den Raum erschütterte, war heftiger als jede vorherige. Magmaflammen zuckten über sein Schild hinweg, für einen Moment hörte er nur noch ein hohes Fiepen. Bargh wurde zurückgeschleudert und drückte Zussa nach hinten. Als sich die Flammen legten sah er vor sich zerfetzte Leiber. Finger, Arme und Beine waren durch die Explosion abgerissen worden. Der Boden der Halle war von brennenden Leichen bedeckt. Durch das Fiepen hörte Bargh ein Schreien, eine vertraute Stimme. „Bargh, dreht euch um. Er kommt. Hinter euch.“ Es war Zussa die ihn anrief, die an seiner Rüstung zerrte. Bargh drehte sich um und sah, was dort kam. Eine der Türen hatte sich hinter ihm geöffnet und dort waren drei Kreaturen erschienen. Eine gewaltige Gestalt, hässlicher anzusehen, dennoch ein Artgenosse des Nomrus. Kratz- und Bissnarben bedeckten seinen Körper. Er hatte einen Buckel und trug ein Kettenhemd. Graues, schütteres Haar fiel in Büscheln von seinem Kopf und aus seinem linken, weißlichen Auge rann Eiter heraus. Mit der Gestalt waren zwei menschengroße, abscheuliche Affen erschienen, die bereits auf allen Vieren auf sie zu rannten. Ihr jaulendes Brüllen erfüllte die große Halle. Bargh drückte Zussa hinter sich und erwartete den Angriff. Er sah, dass das mongoloide Gesicht des alten Riesen anfing zu grinsen, als er sich in Bewegung setzte. Er stürmte heran und hob seine Axt. Als die Kreaturen schon fast bei ihm waren, hörte Bargh das Knallen eines Donnerschlages und sah die invertierte Schattenmagie, die in elektrisch zuckender Düsternis die Gestalten durchfuhr. Den Affen schälte der Blitzschlag aus schwarzem Licht die Haut von Gesicht und sie waren sofort tot. Der Riese schrie vor Schmerz und sein Grinsen wandelte sich in dümmlichen Hass. Für einen Moment konzentrierte sich der Riese auf den Blitz. Bargh schnellte schräg nach vorn und schnitt der Kreatur durch den Unterleib. Glimringshert glitt wie durch Butter und die Gedärme des Ungeheuers ergossen sich über den Boden. Im Lauf schwankte der Alte und krachte mit dem Kopf gegen die Felswand. Es gab ein unschönes Knacken, als sein Genick an der Steinwand brach und die Kreatur, wie ein nasser, gewaltiger Sack Fleisch, zu Boden sank.

Jenseher:
Vor ihnen offenbarte sich der dunkle Tunnel, aus dem sie ein Hämmern und ein Klingen von Metall hörten. Bargh, Zussa und Neire betraten den hohen Gang, der von der größeren und emporragenden Halle hinfort führte. Hinter ihnen und in einiger Entfernung, sahen sie die drei Anhänger Jiarliraes den massiven Leichnam des buckligen Axtschwingers, der die, von Neires schwarzem Blitz verbrannten, Affenkreaturen unter sich begraben hatte. Nach dem Kampf hatten sie, schwer atmend, eine Zeit innegehalten und sich zwischen den zerfetzen und verbrannten Leichnamen der Grottenschrate niedergelassen. Sie hatten gebetet und Neire hatte in seinen Büchern der schwarzen Kunst studiert. Dann hatten sie die Gemächer der Grottenschrate und die Behausung des Axtschwingers durchsucht. Die Behausung des Axtschwingers war mit vielen verschiedenen Fellen ausgelegt gewesen, zwischen denen Neire drei besonders wertvolle Felle entdeckt hatte. Am Eingang in die Behausung des Axtschwingers hatten sie dann die Geräusche aus dem nahegelegenen Tunnel gehört, denen sie jetzt nachgingen. Sie folgten dem, in den Stein des Jotenwalls geschliffenen, unterirdischen Weg, der sie um Ecken führte. Auch hier war die Decke an einigen Stellen mit dicken Eichenstämmen abgestützt worden. Sie bewegten sich langsamer und so leise wie möglich, als das Klingen der Hämmer lauter wurde. Als sie an eine Ecke kamen, konnten sie in eine große Halle blicken, die augenscheinlich aus dem Stein gebrochen wurde. Die Luft war von einem nebelhaften Steinstaub erfüllt. Sie sahen zwei riesenhafte, drahtige Gestalten - muskulös, haarlos und von gräulicher Haut. Die Gestalten trugen Meißel und Hämmer und brüllten ab und an Befehle in der gemeinen Zunge. Die Empfänger dieser Befehle waren ausgemergelte, doch kräftige Kreaturen. Sie hatten etwa Neires Größe, doch sie waren in Lumpen gekleidet. Eine grünliche Haut war von einer Staubschicht bedeckt. Sie hatten dunkles, zotteliges Haar, wulstige Gesichtszüge und Hauer, die aus ihren Mäulern hervorragten. „Grabt dort, schneller!“ Die Stimme eines der Riesen schallte durch die Kammer. Die Gestalten hatten Bargh noch nicht bemerkt, da sie ihm den Rücken zugedreht hatten. Zudem trug der heilige Krieger die Düsternis Jiarliraes, die Glimringshert um ihn verbreitete. „Bewegt euch!“ Die Stimme donnerte jetzt wütend und die kleineren Kreaturen zuckten in Furcht davon. Wie wahnsinnig fingen sie an zu graben, hievten große Steinbrocken hinfort. Bargh sah jetzt die zwei Peitschen, die in einer offenen Kiste lagen. Er konnte zudem die teils noch blutigen Striemen auf der Haut der Sklaven erkennen. Der Krieger Jiarliraes hob sein Schild und wartete auf den Angriff von Neire. Lange musste er nicht harren, denn ein glühender Funken von Magma bewegte sich rasend über ihn hinweg. Eine Explosion von rötlich-orangenem Feuer erfüllte die Kammer vor ihm. Er wurde von der Druckwelle zurückgeworfen. Einige der Sklaven wurden augenblicklich zerfetzt, doch in den Flammen der Explosion drehten die Riesen sich herum und zogen ihre Hämmer. Bevor Bargh angreifen konnte, zuckte Zussas weißlich-bläulicher Blitz durch die hünenhafte Gestalt vor ihm. Er stach zu und Glimringshert fällte den gewaltigen Leib. Auch die zweite, vom Feuer verletzte, Kreatur konnte er mit einem schnellen Angriff töten. Er wendete sich zu Neire und Zussa um. Warnend war sein Ausruf, als er auf den Tunnel zeigte. „Dort ein weiterer Riese. Seid auf der Hut.“ Schwere, donnernde Schritte kamen näher. Bargh positionierte sich am Eingang, um die Kreatur zu überraschen. Dann erschien die fast sechs Schritt große Gestalt, die wie ihre Artverwandten von steinerner Haut war. Der Riese trug einen Steinbrocken, von der Größe eines kleineren Pferdes. Jetzt hievte er den Felsklotz über die Schultern, um ihn auf Bargh zu schleudern. Bargh schnellte hervor und ließ Glimringshert tanzen. Blut spritze über ihm auf. Mit zwei tiefen Schnitten öffnete er die Bauchdecke der Kreatur. Die Magie von Neire und Zussa tat ihr übriges. Neires schattenhaft glühende Kugeln schlugen in den Schädel des Riesen, der augenblicklich zu wanken begann. Wie ein gefällter Baum, brachen einst lebende Knochen und Muskelmassen zu Boden.

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In der Hitze und im Licht der Schmiedeessen blickten sie hinab auf zwei weitere Leiber gewaltiger Kreaturen. Die beiden Toten hatten muskulöse, aber gedrungene Leiber. Ihre Haut war dunkel wie Kohle. Ihre Gesichter hatten selbst im Tode ihren grimmigen Ausdruck behalten. Beide Antlitze hatten harte, reliefreiche Formen und eine hohe Nase. Jedoch war ihnen eine niederträchtige Intelligenz anzusehen gewesen. Während ein Leichnam glatzköpfig war, zeichnete den anderen Toten rotes kurzes Haar aus. Der Kampf war, wie zuvor der Kampf gegen die Steinriesen, kurz und mit einer tödlichen Gewalt geführt worden. Bargh hatte sich, so gut es ging, vorgeschlichen. Neire und Zussa, aber, hatten den Kampf eröffnet und ihre schwarzen Künste entfesselt. Nachdem Bargh die erste Kreatur getötet und die Hammerschläge der zweiten mit dem Schild abgewehrt hatte, war der Krieger Jiarliraes siegreich gewesen. Bargh hatte dem letzten Feuerriesen seine dunkle Klinge in den Oberschenkel gerammt und so fast sein Bein abgehackt. Danach hatte Zussa, getrieben von einer zuvor noch nicht dagewesenen Mordlust, die orkischen Diener getötet. Einige der ausgemergelten Essenhelfer hatten versucht zu fliehen und waren von Zussa aufgespießt worden. Die letzten beiden der acht Diener hatten sich nun vor ihnen in den Staub geworfen. Zussa trat mit einem diabolischen Grinsen hervor. Ihr rotes Haar glitzerte im Feuerschein, als sie den Säbel hob. „Halt! Ihr stark, wir stark. Ihr Herren und wir Sklaven. Wir gute Diener… euch.“ Die gutturale Stimme des Knieenden war im Knistern des Feuers zu hören, als er zitternd in einer, nur Neire bekannten, primitiven Zunge sprach. Zussa, die Worte nicht verstehend, setzte zum tödlichen Hieb an. „Wartet… wir wissen. Wissen wo andere. Andere sich haben gewehrt, gegen Riesen.“ Jetzt hob Neire den verbrannten Arm und wie aus dem Nichts tauchte sein Gesicht im Feuerschein auf. „Haltet ein Zussa. Er sagt, dass er von anderen Kreaturen weiß. Kreaturen, die sich gegen die Riesen gewehrt haben sollen.“ „Wäah, dieses schwache Gesindel von Sklaven lügt. Lasst mich sie töten Neire,“ sprach Zussa voller Verachtung. Zussa dachte zurück an die Gemächer der Steinriesen. Sie hatten die orkischen Sklaven, die sie in diesen Gemächern getroffen hatten, niedergemetzelt. Bereits hier hatte sich Zussas Mordlust gezeigt. Nachdem sie die Schätze der Steinriesen an sich genommen hatten, waren sie unerforschten Tunneln gefolgt. Hinter hölzernen, haushohen Türen, die von außen verrammelt waren, hatten sie weitere orkische Stimmen gehört. Auch eine verlassene, doch kürzlich genutzte, Folterkammer hatten sie entdeckt. Schließlich waren sie dem Geräusch des Hämmerns gefolgt. So waren sie in die unterirdische Schmiedekammer gelangt, an deren Wänden eine Vielzahl von Speeren, Äxten, Schwertern und Schilden - alle in übermenschlicher Größe - aufgereiht waren. Neire legte bei den Worten Zussas den Kopf schief und dachte nach. Sein Tarnmantel verbarg ihn größtenteils, so dass nur sein Lockenschopf und seine linke Hand zu sehen war. „Vielleicht lügt er Zussa, vielleicht aber auch nicht. Wir werden unser Spiel mit ihm spielen,“ sprach Neire, der auf die andere Gestalt zeigt und eine Bewegung des Kehledurchschneidens machte. Zussa grinste erneut und führte ihren Säbel an die Kehle des stummen Orks. Neire sprach jetzt in der fernen Zunge auf die Kreatur ein. „Ihr lügt doch. Ihr sagt uns nicht die Wahrheit. Wer hat sich gewehrt gegen die Riesen und wo sind sie? Wie viele sind es?“ Die sehnige, abgemagerte Kreatur versuchte anscheinend zu zählen, doch Neire bemerkte, dass sie nur die Zahlen Eins, Zwei und Vier in ihrem Wortschatz hatte. Für einen Augenblick musste auch Neire schmunzeln. Dachte er doch an das Spiel, dass sie mit dem schwachsinnigen Walfor in Kusnir gespielt hatten. Bevor der Ork antworten konnte, zog Zussa ihren Säbel zurück und schnitt der anderen Gestalt die Kehle auf. In einem Röcheln von Blut versuchte sich der Ork aufzurichten, doch er verkrampfte in seinen Mühen. Mit einem dumpfen Geräusch brach der noch zuckende Körper zu Boden. „Ihr Meister, könnt töten, ja… Meister stark. Ich Meister sagen, nicht lügen. Waren vier von uns. Sie von unserer Rasse. Sie kämpfen gegen Riesen. Sie versteckt, hinter Steinen im Tunnel.“ Tatsächlich hatten sie zuvor einen Tunnel entdeckt, der erst kürzlich von Geröll blockiert worden war. Er war sich sicher, dass der Ork die Wahrheit sprach und berichtete Bargh und Zussa. „Lasst uns ihn töten. Er ist wertlos für uns,“ war die kurze Antwort von Zussa und auch Bargh nickte bei ihren Worten. „Vielleicht könnte er uns noch nützlich sein. Doch wir werden unser Spiel mit ihm spielen.“ Neire hatte sich bereits hinabgekniet, richtete mit seiner linken Hand sanft den Kopf des Sklaven auf und schaute ihm in die Augen. Der rötliche Schein des Feuers wurde zu einem Farbenmeer aus violetten Tönen, als er die Kraft der Linsen des Jenseher beschwor. Er sprach in lispelnder, schlangenhafter Weise, als er die Kreatur herausforderte. „Ja, ihr seid stark mein Freund, doch schaut euch an. Jetzt seid ihr schwach. Ausgehungert und ausgemergelt. Sie haben euch belogen und sie haben euch schlecht behandelt.“ Neire reichte dem Sklaven einen Dolch, als er in dessen Augen schaute. „Ihr habt sicher Hunger und die Augen eines Riesen sind eine Delikatesse. Schneidet sie heraus und esst sie!“ Einen Moment sah Neire einen Widerstand. Zuckende Gesichtszüge und ein latentes Grauen. „Ich, nein, oh nein… mag nicht… Auge von Riese. Ich essen Kuh. Ich essen Schwein, ja...“ Neire lächelte dem Ork zu und er hörte Zussa und Bargh lachen. Er blickte die Kreatur weiter an und sah den Widerstand schwinden. „Ja, ihr Freund und ihr Meister. Ich Hunger… Hunger groß.“ Schon stand der Sklave auf und begann ein Auge des Riesen herauszuschneiden. Sie lachten, als sie das Schauspiel sahen. Gierig begann die Kreatur zu schlingen. Blut und Gallerte flossen an seinem Hals hinab. Sie hörten ein Knacken von Knorpel, ein Schmatzen und ein Rülpsen. Doch er machte sich bereits über das nächste Auge her. Mit jedem weiteren Bissen war da auch ein spastischer Würgereiz, der stärker wurde. Doch noch war der Hunger größer und die Kreatur verschlang Stück um Stück, Auge um Auge.

Jenseher:
Zussa betrachte das abgemagerte Wesen voller Ekel. Die grunzende Kreatur war kaum größer als Neire. Sie unterhielt sich mit dem Kind der Flamme in ihrer merkwürdigen Sprache. Die Laute waren harsch und guttural, tierisch und primitiv. Doch der ehemalige Sklave der Feuerriesen schien Neire jetzt zu gehorchen. Er folgte jedem seiner Befehle und senkte sein wildes, von Hauern besetztes, Gesicht, während er sprach. Nachdem der Ork, dessen Name Gorlag war, die Augen der Riesen gegessen hatte, war er über die Eingeweide seines ehemaligen Herrn hergefallen. Doch der bereits einsetzende Würgereiz war schließlich größer gewesen und so hatte sich Gorlag mehrfach erbrochen. Dieser Anblick hatte Zussa bereits geekelt und sie hätte das Wesen am liebsten getötet. Sie waren dann aufgebrochen und hatten den Kerker des Nomrus über die Treppe verlassen. In der großen Halle hatten sie das gefesselte Gezücht der Riesen so angefunden, wie sie es verlassen hatten. Das große Feuer der Schale war zu einem rötlichen Glimmen heruntergebrannt und das Fackellicht war erloschen. Einige der menschengroßen Bälger – geistig kaum weiterentwickelt als Säuglinge – saßen in ihrem eigenen Urin und in ihren Fäkalien. Auch die älteren Kinder, die bereits von Barghs Größe waren, hatten sich eingenässt. Der Gestank des grotesken Haufens fleischiger Leichen überdeckte jedoch den Geruch, der von den Bälgern ausging. Neire hatte Gorlag befohlen die dümmlichen Sprösslinge zu reinigen. Der Ork hatte sich daraufhin einige alte Felle herbeigeholt. Er begann gerade die Lendenschürze der gefesselten Kinder herunterzureißen und sie mit einem der Felle abzuwischen. Die Kreaturen, die zuvor mit Knochen des Rinds ein Fechtspiel ausgetragen hatten, fingen an zu weinen, als sie unsanft behandelt wurden. Zussa bemerkte, dass Gorlags Mühen zwar energisch, aber ungeschickt wirkte. Der Ork hatte anscheinend noch nie derartige Arbeiten durchgeführt. Sie wendete sich ab und suchte sich einen weiter entfernten Ort, an dem sie ungestört beten konnte. Sie widmete sich ihren Versen und Reimen, die sie den Geheimnissen von Flamme und Düsternis reichte. Allerdings wuchs ihre Wut, als sie immer wieder um ihre Ruhe gebracht wurde. Gorlag hatte mittlerweile große Bierkrüge von den noch intakten Tischen geholt. Er begann den Zöglingen das abgestandene Gebräu einzuflößen, auch wenn sie sich weinend und schreiend dagegen wehrten. Von den Jüngsten waren bereits zwei Gestalten bleich geworden und mussten sich gerade übergeben. Verkrampft versuchte sich Zussa ihren Gebeten zuzuwenden. Sie dachte immer wieder an ihre Maske. Neire hatte sie darauf angesprochen, als sie hinaufgestiegen waren. Sie hatte sich noch nicht entschieden, welche Form ihre Maske haben sollte. Es war eine wichtige Entscheidung, das wusste sie. Doch sie wollte auch keinen Fehler machen. Sie wollte die Gunst Jiarliraes erlangen. Ihre Gedanken kreisten um ihre Göttin. Die Maske musste Flamme und Düsternis ausdrücken. Doch was sollte sie sein, was würde sie wählen?

„Schaut, Zussa, Bargh. Es sind Anweisungen in der Sprache der Riesen. Eine Aufforderung zum Angriff auf menschliche Städte. Ein Aufruf zu Plünderungen. Ich sehe die Namen Gornar, Lastweg und Flein. Allesamt Städte der Stiurmark. Doch die Schrift… sie ist seltsam. Viel feiner, als es eine von diesen schwachsinnigen Kreaturen hätte schreiben können.“ Sie lagerten noch um das Feuer der Schale, das Bargh während ihrer Rast entfacht hatte. Nach seiner Nachtwache und dem Schlaf, hatte sich Neire dem Studium der schwarzen Kunst hingegeben. Dann hatte er nochmals versucht die Schriftzeichen zu entziffern, die sie in Nomrus‘ Gemach gefunden hatten. Diesmal war er erfolgreicher gewesen und er hatte den Text übersetzten können. „Was meint ihr Neire? Wieso sollten sie es nicht selber geschrieben haben? Wer sonst könnte es für sie schreiben? Vielleicht ein Sklave?“ Zussa runzelte die Stirn, als sie Neire antwortete. Für den Augenblick war ihr Desinteresse verschwunden. „Ein Sklave oder ein Gefangener. Das könnte sein. Aber in den Worten liegt eine Bestimmtheit, die unmöglich von ihnen stammen kann. Vielleicht haben auch jene, deren Hauswappen auf diesem Schreiben zu sehen ist, ihre Finger im Spiel. Vielleicht ist es das Haus von Eil‘Serv.“ Neire sah Zussa und Bargh nachdenken. In der Gesprächspause war das Knistern des Feuers zu hören, dessen Geräusche vom Weinen der Riesenkinder durchdrungen wurde. „Und wenn es so wäre, Neire. Was würde es ändern?“ Jetzt erkannte Neire das Interesse von Zussa schwinden. „Nun, es würde sehr viel ändern. Was sollten diese Dunkelelfen für ein Interesse an der Oberwelt haben. Außer längst vergangener Rachegelüste. In den alten Schriften der Bibliothek von Nebelheim habe ich von ihrer Geschichte gelesen. Von einer Verbannung für ihre Taten, in die ewige Nacht des Unterreichs. Seitdem leben sie dort unten und spinnen ihre Racheintrigen.“ „Ja, sie dienen ihrer Spinnengöttin, deren Name Lolth ist,“ antworte Zussa und fuhr in flüsterndem Ton fort. „Ich habe davon gehört. In den Küstenlanden gab es alte Sagen, die von geraubten Kindern erzählten. Kinder die unter die Erde gebracht wurden und für immer verschwanden.“ Neire verkniff sich ein Grinsen. Er dachte an die Geschichte, die er Bargh erzählt hatte, als er ihn damals in der verlassenen Jagdhütte getroffen hatte. Er nickte Zussa und Bargh zu und strich sich die gold-blonden Locken zurück. „Und Aschwind wird nicht erwähnt. Was merkwürdig ist. Für die Riesen wäre Aschwind ein nahegelegenes Opfer gewesen. Doch in Aschwind war diese Sphäre der Dunkelheit.“ „Seht ihr da einen Zusammenhang, Neire?“ Jetzt sprach Bargh, der Zussa und ihn zuvor ruhig betrachtet hatte. „Ich weiß es nicht. Wir wissen zu wenig, um Weiteres zu erraten. Doch vielleicht finden wir in den unerforschten Bereichen des Kerkers Geheimnisse, die uns helfen.“ Bargh nickte und antwortete. „Ja, lasst uns wieder hinabsteigen. Ich bin das Warten leid.“ Auch Zussa fand an Barghs Worten gefallen und sprang schon auf. Neire nickte und wendete sich zu Gorlag. „Wacht über das Gezücht der Riesen, Gorlag. Es darf ihnen nichts zustoßen. Ihr seid mein Freund und werdet mich nicht enttäuschen. Falls ihr Eindringlinge in diese Hallen bemerkt, kommt zu uns hinab und ruft uns zur Hilfe.“ Der orkische Sklave verzerrte sein Gesicht zu einem schweinischen Grinsen. „Nennen mich Gorlag, Freund ihr, großer Freund.“ Neire nickte ihm zu. „Gebt ihnen zu essen und zu trinken. Und ja… wir haben ihnen erzählt, ihre Eltern schliefen nur. Und sie glaubten uns.“ Beim letzten Satz starrte ihn Gorlag verständnislos an. „Eltern von Abschaum nicht schlafen, Eltern aufgeschlitzt… ja… aufgeschlitzt.“

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Bargh spürte die Kälte, die das unterirdische Wasser gebracht hatte. Er beugte sich nach vorn und hustete das kühle Nass aus seinen Lungen. Der Trank, den er und Neire zu sich genommen hatten, war wirkungsvoll gewesen. Sie waren durch den unterirdischen Tunnel getaucht und hatten Wasser wie Luft geatmet. Bevor sie in diesen Bereich des Kerkers gekommen waren, hatten sie weitere unterirdische Gemächer erkundet. Sie hatten einige Lagerräume entdeckt, die allerlei Werkzeuge zur Steinbearbeitung enthielten. Hinter zwei verschlossenen Portalen, hatten sie ein Weinlager gefunden. Der liebliche Geruch des Rebensaftes war in dem Gewölbe gewesen, in dem Fässer gestapelt worden waren. Eine Anzahl von 13 kleineren Fässern hatte Neires Aufmerksamkeit gewonnen. Die hölzernen Gebinde waren nicht sehr groß, doch ihren Inhalt hatte er als besonders gehaltreich und kostbar erkannt. Sie waren mit einem Wachs versiegelt gewesen, das einen eingelassenen Totenkopf trug. Ein lichtloser Tunnel hatte sie dann zu einer Halle geführt, die in ihrer gesamten Größe eine unterirdische Zisterne darstellte. In dem tiefen, klaren Wasser hatten Neire und Bargh dann den Tunnel entdeckt, der dort hinwegführte. Nach einer kurzen Beratung hatten sie sich entschieden diesem Tunnel zu folgen, der sie in eine natürliche unterirdische Höhle mit einem Fluss gebracht hatte. Die Strömung des Quellflusses war nicht besonders schnell gewesen und so hatten sie sich an einem Ufer hinaufgezogen. Als Bargh sich aufrichtete, sah er, dass Neire bereits den seidenen Vorhang von Ortnors Labor entfaltet hatte, aus dem Zussa hervorlugte. Sie hatten keine lange Überredung gebraucht, da war Zussa bereits in den merkwürdigen Raum gestiegen. Die Erwähnung des kühlen Wassers hatte ihr Übriges getan. Bargh richtete sich auf und versuchte ein Zittern, so gut wie es ging, zu unterdrückten. Er blickte sich um in der Dunkelheit. An einigen Stellen hatten sich Stalaktiten gebildet. Das gräuliche Gestein des Jotenwalls schimmerte nass in der Feuchtigkeit des unterirdischen Flusses. Bargh beugte sich immer wieder hinab, um nach Spuren zu suchen. Er durchschnitt die Höhle langsam. Hinter einem Felsbrocken und in der Nähe der Wand wurde er fündig. Es waren Löcher im Felsen und in der Erde. Er erinnerte sich an die Spuren, die er beim Verlassen der Irrlingsspitze gefunden hatte. Und diese Spuren waren sehr ähnlich. Bargh dachte zurück an die Angriffstaktiken der Wesen und blickte instinktiv in Richtung der Decke. Dort sah er sie. Raupen-ähnliche Kreaturen, drei Schritt lang. Von chitinernem, wellenförmigem Panzer, der halb transparent schimmerte. Die Wesen tasteten mit mehreren fleischigen Tentakeln, deren ekstatische Zuckungen jetzt zunahmen. Bargh schrie auf und warnte Neire und Zussa. Keinen Augenblick zu spät. Die Kreaturen ließen sich auf sie hinabfallen und ein wilder Kampf entbrannte. Bargh hieb und stich um sich herum und tötete eine der Kreaturen. Doch weitere stürzten hinab und ließen ihre Tentakel vorschnellen. Bargh hörte magische Geschosse schmatzend in den Körpern der Kreaturen explodieren. Er sah Neires Feuer, das die Wesen verbrannte. Einmal spürte ein brennendes Gefühl, als zwei Tentakel seine Haut berührten. Doch Bargh biss die Zähne zusammen und kämpfte weiter. So konnten sie schließlich auch die letzte Kreatur töten. Tief atmete er auf und blickte sich um. Er sah keinen Gegner. Nur Neire und Zussa, die beide unverletzt geblieben waren. Sie nickten sich zu und begannen die Höhle zu durchsuchen. Viel fanden sie nicht und so kehrten sie durch den Wassertunnel zurück.

Geifer lief vom Maul der Gestalt, die an eine Kreuzung von einem Menschen und einem Wildschwein erinnerte. Die Augen des Orks zuckten verrückt und er brabbelte wirres Zeug. Neire beugte sich hinab und blickte dem Wesen in die Augen. Was hatte er wohl hinter dem Altar gesehen? Was hatte er gesehen, als er dort in die Nische blickte? Neire dachte einen Moment nach. Was diese Kreaturen wohl tun würden, in dieser Situation. Neire erinnerte sich an erste ihre Begegnung. Sie waren wieder zu den Türen zurückgekehrt, hinter denen sie die Stimmen der Orks gehört hatten. Von dort war jetzt ein lautes Hämmern gekommen. Neire hatte die Rufe. „Meister, wir hier. Nicht vergessen uns. Wir stark… können dienen. Wir dienen Meister,“ gehört, denen eine fortschreitende Verzweiflung anzuhören war. Neire hatte Bargh die von außen durch einen Bolzen verschlossene Tür öffnen lassen. Er hatte seinen Tarnmantel zurückgezogen und sein lockiges, noch nasses Haar nach hinten gestrichen. Dann war er in den Raum geschritten, der sich in der Dunkelheit auftat. Er hatte gelächelt und die silberne Krone mit dem bläulichen Diamanten hatte gefunkelt. „Ich bin Neire von Nebelheim, Prophet von Jiarlirae und euer Befreier,“ hatte er sie in ihrer Sprache begrüßt. „Jiarlirae wird eure Göttin sein. Sie ist von Flamme und Düsternis, Trägerin der Geheimnisse. Kniet nieder und betet zu ihr oder kämpft und sterbt.“ Die Kreaturen hatten seinen Worten gelauscht. Doch sie waren verzweifelt und ausgemergelt. Ihr Anführer war hervorgetreten und hatte gesagt, sie würden das Kämpfen vorziehen. Neire hatte ihn betrachtet und war sich unsicher geworden. Doch dann war Bargh hinter ihn getreten und die Angst war den Kreaturen anzusehen gewesen. „Ihr seid der Anführer? Dann kämpft. Mann gegen Mann. Dem Sieger wird die Gunst Jiarliraes zuteil. Gewinnt Bargh, werdet ihr niederknien und Jiarlirae anbeten. Gewinnt ihr… nun ja. Dann seid ihr frei. Das soll unser Spiel sein und wir spielen es jetzt und hier.“ Der etwas größere und stärkere Anführer hatte ihn daraufhin abfällig angesehen und geantwortet: „Wir kämpfen, doch kein Spiel. Kampf und Sieg ist Stärke. Wahres Leben, kein Spiel. Leben von Ork ist Stärke.“ Neire hatte Bargh die Worte übersetzt und Bargh hatte gelächelt. Doch der orkische Anführer wähnte seine Gefolgsleute hinter sich. Er forderte sie zum Kampf gegen Bargh auf. Neire hatte sie dann angeschaut, mit rötlich glitzernden Augen. Er hatte die Macht des Jensehers gespürt und mit lispelnder Schlangenzunge gesprochen. Auf dass sie zurücktreten mögen – und sie waren zurückgetreten. Dann hatte Bargh dem Anführer die kostbare Axt aus Ne’ilurum hingeworfen, die den Namen Bewacher hatte und die sie Waergo von Naarbein in Unterirrling abgenommen hatten. Der Orkanführer hatte die Waffe aufhoben und sich kampfbereit gemacht. In seinen Augen war Angst und Verzweiflung zu sehen gewesen, doch mit der Waffe in der Hand auch eine Hoffnung auf den Sieg. Bargh war nach vorn geschritten und hatte unbarmherzig und schnell zugeschlagen. Göttliche Kräfte hatte der Krieger Jiarliraes aus der Düsternis beschworen. Sein in Flammen gehülltes Schwert hatte die Kreatur der Länge nach in zwei Teile gespalten. Fleisch und Blut waren in der Hitze kauterisiert. Beide Hälften waren danach auseinandergefallen. Bargh, mit glühendem Rubin im rechten Auge, hatte das flammende Schwert Glimringshert getragen und die Orks waren auf die Knie gefallen. Neire hatte mit ihnen gebetet und sie in seinen Bann gezogen. Danach waren sie zu den anderen Gefängnisgewölben geschritten und hatten weitere Orksklaven befreit. Auch diese hatte Neire bezaubert. So waren sie schließlich mit einem Trupp von fast vier Dutzend Sklaven aufgebrochen. Sie hatten die Orks die Steine in dem zugeschütteten Gang entfernen lassen. Dann waren sie in das vorgedrungen, was sich dort hinter befand. Die Höhle, die sie dort entdeckt hatten, hatte ein seltsames Gefühl, wie eine latente Panik, in ihnen erzeugt. Ein unterirdischer Tempel war dort im Felsen gelegen, dessen Gewölbe grünlich schimmerte und von vier Steinsäulen getragen wurde. Auf einer Anhöhe war ein gelblich schimmernder Altarstein zu sehen gewesen und eine dunkle Nische dahinter. Neire hatte einen Ork zum Altar geschickt, doch die Kreatur war in Panik und Furcht davongelaufen. Neire hatte einen weiteren Sklaven geschickt, doch diesmal war nichts dergleichen passiert und auf dem Altar war ein Anhänger mitsamt Halskette aus schwarzem Metall erschienen. Die Kette hatte einen Käfer dargestellt. Neire hatte den Orksklaven die Kette einsammeln lassen und war zur Truppe zurückgekehrt, die den Sklaven, aus dessen Maul Schaum lief, zu Boden drückte. Jetzt stand Neire auf, als er feststelle, dass der Geist nicht mehr zu retten war. „Was macht ein Ork mit ihm. Ihm, der verrückt geworden ist,“ fragte Neire die Gestalten. „Wir töten. Er sterben. Er schwach. Kein Ork mehr. Wir Orks, wir stark,“ war die gegrunzte Antwort. Neire nickte und sprach: „So tut es.“ Es sah, wie einer der Orks seinen Kameraden zu würgen begann. Neire sah Mordlust und Genugtuung in den Augen der Kreatur.

Jenseher:
Sie folgten dem Gang durch die Dunkelheit. Hinfort von der seltsamen unterirdischen Halle, deren Anblick bei ihnen ein geistiges Kribbeln und eine Gänsehaut hervorgerufen hatte. Zussa schritt hinter Bargh. Sie glaubte Neire neben sich zu spüren, doch er war durch den Schattenmantel verborgen. Sie drehte sich gerade um und betrachtete mit Abscheu den Tross der Kreaturen, die ihnen folgten. Jetzt waren die Orks glücklicherweise hinter ihr, doch als sie im Gang gewartet hatten, war der Gestank von Schweiß und schlimmeren Körperausdünstungen fast unerträglich gewesen. Zudem konnten einige der Kreaturen nicht aufhören, in ihrer niederen Sprache von Grunzlauten zu brabbeln. Zussa sah in den Kreaturen nicht mehr als Abschaum. Wertlose Sklaven, die sie gerne brennen sehen würde. Sie malte sich bildlich aus, wie sie einen nach dem anderen anzünden würde. Sie konnte ihre Schreie schon hören. Zussa hatte ihr Anliegen schon mehrfach geäußert, aber Neire schien andere Pläne mit ihnen zu haben. Und sie erlaubte es sich nicht, die Stimme von Jiarlirae anzuzweifeln, mit der Neire sprach. So drehte sie sich um, blickte nach vorn und fragte sich, wohin dieser Tunnel führen würde. Neire hatte zuvor angedeutet, dass auf der Karte der Riesen eine Sackgasse eingezeichnet war. Sie waren jedoch auf kein Ende gestoßen. Auch hier war der Tunnel in den Felsen des Jotenwalls geschliffen worden. Von riesiger Höhe, stützten eichene Baumstämme den grauen Stein. Plötzlich war da ein Schimmern in der Dunkelheit. Wie der Schein eines fernen Feuers. Neire mahnte zischelnd Schweigsamkeit und die orkischen Sklaven verstummten. Je weiter sie fortschritten, desto breiter wurden die Wände. Bis sie schließlich auf natürlich geformtes Höhlengestein stießen. Vor ihnen eröffnete sich eine unterirdische Grotte, in die der Gang sie führte. Sie sahen im Licht einer entfernten Feuerstelle Tropfsteinzapfen schimmern, die gleichermaßen an Decke und Boden zu sehen waren. Doch da war auch Bewegung in der Höhle. Zwischen bräunlichen Pilzen, deren Modergeruch zu ihnen strömte, bemerkte Zussa Kreaturen, die sich hinter Tropfsteine duckten. Einige hatten von ihnen Notiz genommen. Andere gingen ungestört ihren Tätigkeiten nach oder saßen am Feuer. Die Gestalten, die hier lebten, waren ausgemergelt und drahtig. Sie waren in Lumpen gekleidet. Ihre Haut schimmerte blass und hatte eine Spur von einem Grünton. Die Köpfe der menschengroßen Kreaturen zeigten eine Verwandtschaft mit wilden Ebern. Große, spitze Ohren standen von hässlichen Schädeln ab und Hauer waren in den Gesichtern zu sehen. Bargh verlangsamte seine Schritte und Neire tauchte aus dem Nichts auf, als er seinen schattenhaften Umhang zurückzog. Zussa verstand nicht die Worte, die Neire zu den befreiten Orksklaven hinter ihnen sprach. Doch wie Neire sich in der Zunge ausdrückte, hörte sich seltsam an. Viel zu melodisch, zischelnd war der Singsang des Jünglings. „Sie sagen, dass es ihre Brüder sind. Orks, die aus der Sklaverei der Riesen geflohen sind. Sie haben sich hier versteckt. Aber sie wissen nicht, wer ihr Anführer ist.“ Zussa hatte Neire aus dem Augenwinkel beobachtet. Sie spürte ihren Herzschlag, das Adrenalin und ließ die Höhle nicht unbeobachtet. Doch noch war keine Regung zu erkennen. Jetzt sah sie, dass Neire Bargh zunickte. Der große Krieger Jiarliraes, den eine Aura von Dunkelheit umgab, nahm sein Schwert und stieß es rhythmisch gegen sein Schild. Helle Klänge von Ne’ilurum drangen durch die Höhle und augenblicklich sah Zussa hektische Bewegungen in den langen Schatten, die das Feuer warf. Um sie herum begannen sich die Orks der Höhle zu sammeln. Sie trugen schartige Waffen oder einfache Werkzeuge, doch sie blickten sie feindselig an. Neire wechselte einige Worte mit ihnen, aber ihre dunklen Augen starrten sie weiter feindselig und hasserfüllt an. Dann waren drei Orks erschienen, die größer und muskulöser als alle anderen waren. Auch entdeckte Zussa bei ihnen weder Wunden, noch Narben von Folter. Die drei waren jeweils mit einer Schlachtenaxt, einem langen, Macheten-ähnlichen Messer und einem Krummsäbel bewaffnet. Zussa bemerkte, dass Neire etwas zitterte bei ihrem Anblick. Doch Bargh baute sich vor Neire auf und gab ihm Sicherheit. Neire unterhielt sich eine Zeit mit den Orks. Dann hatte das Kind der Flamme einen Monolog in der Sprache der Kreaturen gehalten und seine Augen hatten rötlich geschimmert. Der Anführer und seine Gefolgsleute hatten die Waffen gesenkt und sie waren ihnen gefolgt. Die beiden Unteroffiziere des Anführers waren aber feindselig und misstrauisch geblieben. Neire hatte einen Befehl gegeben und sie waren wieder aufgebrochen. Auf dem Rückweg durch den Tunnel hatte Zussa Neire gefragt. „Was habt ihr mit ihnen gesprochen und wann werden wir sie endlich los?“ Neire hatte sie daraufhin unverständnisvoll angeblickt. „Ich habe sie begrüßt und ihnen von ihrer Befreiung durch Jiarlirae berichtet. Ich habe verlangt, mit ihren Anführern zu sprechen. Dann habe ich mit ihrem Anführer, Odzor, gesprochen. Ich habe ihm erzählt, von Nomrus. Dass wir ihn getötet haben und...“ Zussa unterbrach Neire bei diesen Worten. „Ihr habt wohl vergessen, dass ich Nomrus getötet habe“, brachte sie lachend ein. „Ja, ihr habt ihn getötet. Doch sie waren nicht überzeugt. Sie glaubten uns nicht. Sie wollten sogar die Sklaven töten, die wir aus den drei Kammern befreit hatten. Ich erklärte ihnen, dass man manchmal dienen muss um zu töten. Doch sie verstanden es nicht. Also habe ich sie überzeugt, durch die Augen des Jensehers. Jetzt gehorchen sie mir… bis auf Gruk und Urzul, die beiden Unteroffiziere. Sie sollen ihr Schicksal selbst bestimmen.“ Zussa nickte und verbiss sich ihre Wut. Sie hatte eigentlich gehofft die Kreaturen alsbald loszuwerden, doch sie ahnte, dass Neire etwas mit ihnen vorhatte. Sie waren bereits in den zentralen Bereich des Kerkers zurückgekehrt und standen jetzt vor den drei verschlossenen Gefängniszellen, aus denen sie stöhnende Laute und einen Gestank von verwesendem Fleisch und Fäkalien vernehmen konnten. Die Menge der Kreaturen begann bereits unruhig zu werden, als sie die Rufe ihrer Artgenossen aus den Zellen hörten. Bargh hob Neire hinauf zu einem Schloss, das, für sie unerreichbar, in einer Höhe von drei Schritt befestigt war. Neire zog einen langen Schlüssel hervor und begann mit beiden Händen das Schloss zu öffnen. Als Bargh das riesenhafte Portal aus Baumstämmen aufzog, stürmten die ersten Kreaturen hervor. Teils von grässlichen Wunden bedeckt, humpelten sie heran. Der Gestank wurde dadurch nicht weniger und Zussa biss sich wütend auf die Zunge. Sie dachte an Feuer und Dunkelheit. An die schönen Stunden der Reise und ihren Kampf. Barsch war ihr Ausruf, der ihr Ungemach unterstrich. Und Neire erhörte sie. So wandte sie sich um und verließ den Kerker. Sie wollte in der Halle des Nomrus verweilen und sich ihrer Göttin zuwenden. Sie tat, wie ihr gewiesen wurde und dachte an ihre Maske, an Flamme und Düsternis. Sie dachte an Neires Gebete aus Nebelheim. Wann würde sie die okkulte Sprache von ihm lernen?

Neire hatte sich nicht die Mühe gemacht, die Kreaturen zu zählen, die Odzor nach oben führte. Der Anführer schrie beständig grunzende Befehle in Richtung seine Gefolgsleute. Doch er wendete sich auch zu Neire, um ihm wieder und wieder die gleichen Fragen zu stellen. „Ihr Freund. Guter Freund. Ich auch Freund. Wo tote Riesen, wo Bastard… genannt Nomrus. Ihr zeigen gemordeten Nomrus. Freund versprechen mir.“ Neire nickte und lächelte Odzor an. Der Anführer der Orks war fast einen Kopf größer als er selbst. Sein Schädel war breiter und schweinischer, als die seiner Artgenossen. Eine Glatze zeigte sich hinter der fliehenden Stirn. Die Kreatur wirkte furchteinflößend auf Neire, doch er spürte die schwarzen Kräfte des Jensehers wirken. „Habt Geduld Odzor. Ihr werdet es schon bald sehen.“ Der Anführer gab sich mit seiner Antwort zufrieden, wie ein kehlig-nasales Gurgeln erkennen ließ. Als Neire und Bargh die Halle betraten, empfing sie der Gestank der Leichen, die im Eingangsbereich aufgetürmt waren. Hinter ihnen brach augenblicklich ein Tumult aus. Jubelschreie und tiefes Grunzen zeigten die Freude der Orks, als sie ihre aufgeschlitzten Meister sahen. Im Haufen der Kreaturen brachen sich chaotische Wellen von Hass ihre Bahn. Orks stießen andere um und kletterten auf den Haufen von Leichen. Sie schlugen mit ihren einfachen Hämmern auf Köpfe und rissen Gedärme heraus. Neire war mit Bargh bereits etwas vorgegangen. Er sah, dass Zussa sich im Bereich des verbrannten Thrones niedergelassen hatte, ihn jedoch beleidigt und entrüstet anschaute. Zudem hörte er ein Weinen und Schreien von den gefesselten Zöglingen der Riesen. Ein weiblicher Säugling, wohl kaum älter als ein Jahr, doch bereits so groß wie ein erwachsener Mensch, hatte sich in einen Schreikrampf gesteigert und ihre Stimme war deutlich durch die lärmenden Orks zu hören. Zussa brachte das Schreien aus der Fassung und Neire sah, wie sie auf die Kreatur zuschritt. Sie brüllte dem Kind etwas zu, doch das Schreien wurde dadurch nicht weniger. Zuerst begann Zussa das Riesenmädchen zu Ohrfeigen, doch als das keine Wirkung zeigte, schlug sie mit der Faust zu. Erst als das debile Geschöpf mit blutender Nase nach Luft schnappte, ließ Zussa ab. Die Orks waren mittlerweile in die Halle des Nomrus gestürmt und hatten sich an den Bänken verteilt. Es war ein heilloses Chaos ausgebrochen, als sich einzelne Sklaven um Essens- und Bierreste stritten. Erst als Neire Odzor zu sich rief und ihn aufforderte für Ruhe zu sorgen, ließen sich die Kreaturen nieder. Neire begann seine Worte an sie zu richten. Er sprach von der Schlacht gegen die Riesen und vom Ruhm Jiarliraes. Doch Neires Worte waren auch fordernd. Sie hatten Vorbereitungen zu treffen. Er wusste, dass die Orks ihm Folge leisten würden. Ein Fest zu Ehren der Göttin musste vorbereitet werden. Ein Fest, das keiner von ihnen jemals vergessen sollte.

Sie hatten sich alle an den Vorbereitungen beteiligt. Bargh, Zussa und Neire. Die Orks hatten zu Anfang zwei einfache Befehle erhalten. Die Köpfe der Riesen abzuhacken und die Leiber in die Vorhalle zu schaffen sowie die Küche und die Vorratskammer zu plündern. Bargh hatte derweil das Feuer der großen Schale wieder entfacht und Neire und Zussa waren mit einigen Orks in die Höhlen hinabgestiegen. Dort hatten sie nach Heilkräutern gesucht. Bis auf einige Giftpilze hatten sie jedoch keine Kräuter finden können. Vor einem entfernten Bereich der natürlichen Grotten hatten die Orks sie gewarnt. Dort würden sich gefährliche Kreaturen aufhalten. Sie waren daraufhin zurückgekehrt und hatten sich um die verwundeten Orks gekümmert. Bargh hatte einen Kessel mit Wasser heranschaffen lassen, in dem sie Leinentücher ausgekocht hatten. Dann hatten sie die teils vereiterten Wunden der Orks behandelt. Zussa hatte derweil den Bereich um den alten Thron mit kostbaren Fällen aus Nomrus‘ Gemächern ausgelegt und sich um Sitzgelegenheiten gekümmert. Vor den Stufen der Erhöhung hatte sie zudem die Köpfe der Riesen - etwa drei Dutzend Stück – hinschaffen lassen, die Zussa jetzt wie kleine Säulen ausgerichtet hatte. Bis auf die Kriegerfrau des Nomrus waren alle Leichen geköpft und herausgeschafft worden. Um die brennende Feuerschale saßen die weinenden Bälger der Riesenrasse. Dort hinter waren die Vorräte aufgetürmt. Große Käseräder und zwei mannshohe Kessel mit Suppe. Lange Wurstketten und Räucherfleisch. Riesige Brote und einige der gebratenen Rinderhälften. Hölzerne, eisenbeschlagene Fässer mit Bier, Met und Wein. Das Fest hätte beginnen können, wäre da nicht Gruk gewesen. Während der Vorbereitungen hatte er sich grölend auf eines der Käseräder gestürzt, hatte andere Orks aufgefordert es ihm gleich zu tun. Doch keiner war ihm gefolgt. Selbst Urzul, der bereits einen Schritt in die Richtung der Käseräder gemacht hatte, war zurückgeblieben. Zu groß war seine Verunsicherung gewesen, hatte er doch bemerkt, dass niemand Gruk gefolgt war. So hatte sich Neire abermals an Odzor gewandt. Der Anführer hatte Gruk niedergerungen. Sie wollten ihn hier und vor den Augen aller totgeschlagen haben, doch Neire hatte das abgelehnt. So hatten sie Gruk gefesselt und zu dem Gezücht der Riesen gelegt. Sein Schicksal musste entschieden werden, bevor das Fest begann. Neire war aufgestanden und hatte Odzor um Ruhe befohlen. Es sollte der Anfang sein.

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