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[Deadlands] Savage West Solo Play

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--- Zitat von: Weltengeist am 27.06.2023 | 19:49 ---Du weißt halt nicht, wie megalomanisch ich bin... ~;D

Ich gebe aber zu, dass ich es eher nur für mich schreiben würde. Ich teile hier im Tanelorn zwar viele Dinge, aber das würde wohl aus verschiedenen Gründen nicht dazugehören.

--- Ende Zitat ---

Verstehe ich. Gerade den Aspekt des Einstellens im Forum gefällt mir aber echt gut. Irgendwie ist das schöner für mich als Sachen für die Schublade zu produzieren, was ich früher schon recht viel gemacht hab.   :think:

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Im Sichtschutz einen verlassenen Planwagens am Wegesrand nehmen die Wild Cards Deckung. Gepäckstücke liegen im Sand herum, die Zugpferde scheinen in Einzelteilen ins trockene Gebüsch geschleppt worden zu sein. Verzweifelt zielen die drei Pistoliere auf die Straße vor sich und hinter sich. Der Gestank des toten Fleisches nähert sich merklich aus beiden Richtungen. Jederzeit kann ein Angriff kommen, wenn die kannibalische Horde in Sicht kommt. Und jetzt bricht das Dunkel herein.
"Wir haben nicht unbegrenzt Munition dabei!", zischt May B. angespannt.
"Och, das reicht schon", knurrt Byrd tatendurstig, "sehen Sie einfach zu, dass jeder einzelne Schuss ein Treffer ist!"
Joycelyn raunt mit zitternder Stimme: "Das sind wirklich tote Männer, und sie leben! Wie in Ihren Erzählungen! Die dürfen uns nicht kriegen! Das hier darf nicht unser letztes Stündlein sein!!"
Shadrack presst zwischen gefletschten Zähnen hervor, "Wir werden unsere Haut jedenfalls so teuer verkaufen wie es geht!"
Byrd fügt hinzu, beinahe leichtmütig, "Und ich habe noch nicht mal einen Kuss von Miss Lancaster abgestaubt ...! Und sei es ein ganz kurzer, auf die Backe ..."
"Hier kommen Sie, machen Sie sich bereit! Wir schießen uns frei!", schnarrt Shadrack, und hebt beide Pistolen.
Joycelyn beugt sich unvermittelt hinüber zu Byrd, und küsst ihn auf die Wange.
Er dreht sich nach ihr um, und zieht erfreut die Augenbrauen hoch: "Donner und Doria! Wenn ich gewusst hätte, dass ich einfach nur etwas jammern muss ...!"
"Genau wie bestellt, oder nicht?", fragt die Sängerin, etwas schafhaft.
"Na ja, der war auf die Wange, ich hatte ja eigentlich gesagt ..."
May B. raunt: "Shadrack, haben Sie nicht einen Kartentrick dafür, uns beim Reiten zu unterstützen? Oder irgendwas gegen wundgerittene Stellen? Dann könnten wir wieder aufsitzen und einen Weg durch die Felsen suchen mit den Gäulen! Die gottverdammte Straße scheint mittlerweile von den Stinkstiefeln zu wimmeln, in beiden Richtungen!"
Shadrack murrt, "Ja, das könnten wir versuchen. Aber wenn sich ein Pferd die Beine bricht abseits der Straße, haben wir ausgespielt, genau wie Lancaster heute Vormittag zu den Soldaten gesagt hat!"
Byrd lacht auf: "Ja, da sagen Sie was, altes Haus! Warum spannen wir die Hottis nicht einfach vor die Kutsche hier, und bleiben auf der Straße? Wir trampeln die Walkin' Dead einfach ungespitzt in den Boden!"
Alle zögern kurz.
"Zur Hölle, ja!", ruft schließlich Shadrack, "das ist durchgeknallt genug, dass es funktionieren könnte, Mister Byrd!"
May B. sieht prüfend die alte Kutsche an: "Dürfen Sie denn auf der fahren, John? Das Ding haben ja Weiße zusammengezimmert!"
John knurrt, "Wasichu, ja, aber immerhin nicht deren Maschinen! Besser als jetzt zu reiten!"



Die Wild Cards machen die Zügel ihrer aufgeregt tänzelnden Pferde in Windeseile wieder von der Kutsche los, und spannen sie in die Zuggeschirre des Fuhrwagens ein. Wir fragen die Orakelwürfel, ob das Gefährt überhaupt noch fahren wird, und sie sagen gerade so, ja! Verzweifelt treiben sie die Rösser an und Byrd und Bloody Knife schieben mit aller Kraft von hinten, und der Wagen löst sich aus dem Gebüsch am Wegesrand, und rumpelt mit einem Ächzen zurück auf den Sand der Straße! Alle klettern hektisch an Bord, helfen sich gegenseitig, um Halt zu finden. Mit panischem Wiehern finden die fünf eingespannten Klepper Halt auf dem Sand, gerade als graue Zombiearme sich nach den Wagenrädern und den Seitenrändern der Kutsche recken. Eine Kampfrunde wird durchgestanden werden müssen, um überhaupt Fahrt aufzunehmen.

May B. drängt auf dem Kutschbock Shadrack beiseite und greift die Zügel: "Ich mach' das, Sie konzentrieren sich aufs Feuern und Ihre Kartentricks! Wehe, wenn Sie mich hängen lassen, Shadrack, ich hab' noch nie einen Karren gelenkt, schneller als in Schrittgeschwindigkeit!"
Für ihren ersten Driving-Versuch jedenfalls nicht schlecht, May B. erzielt (trotz ihrem W4-2) einen Erfolg, und die Pferde nehmen Tempo auf. Shadrack mischt seine Karten und beschwört einen unsichtbaren Manitou, und boostet May B.s Driving, durch sein Fatigue und seine Phobie ist das Ergebnis kein Raise mehr, also erhält sie einen W4 als Skillwürfel. Immerhin.
John Bloody Knife tritt schwankend zum Heck des schneller werdenden Fuhrwerks, holt weit mit seinem beidhändigen Kriegsbeil aus, und verwendet Sweep, um alle untoten Verfolger niederzumähen. Er trifft mit einem Fighting-Resultat von 20! Spektakulär enthauptet er mit dem einen Streich drei Walkin' Dead und macht einen Shaken durch eine klaffende Wunde an der Schulter. Sein heiserer Kriegsschrei durchschneidet die Nacht.
Byrd kauert mit gezogenem Peacemaker hinter May B. und Shadrack, und supportet die Wagenlenkerin mit lautem Schnalzen und "Hüah!", um die Pferde auf Zack zu bringen.
"Sie können das, Miss Wickett! Sie sind unsere einzige Chance!", haucht Joycelyn, und steigert durch ihren Persuasion-Wurf den Support-Bonus auf +2.
Der verbleibende Zombie erholt sich von seinem Shaken, gefühllos, wie er ist, sprintet schneller, und versucht gierig, John zu packen, aber wird von dessen herumwirbelndem Axtstiel abgewehrt.

Schalten wir von der regulären Kampfrunde mal lückenlos in einen Dramatic Task. Alles mögliche kann passieren: Eine zu dichte Traube aus Leibern kann sich um das Fluchtgefährt bilden, den Pferden kann die Puste ausgehen, und der ganze alte Karren kann sich unter den Ärschen unserer Helden in Kleinholz auflösen. Wir werden verdammt nochmal dreißig Task Tokens in vier Runden zusammenbringen müssen, um binnen der ersten Nachtstunden aus dem Gebiet zu entkommen. Jede Driving-Aktion tötet 1W4 Walkin' Dead pro Erfolg, als die trampelnden Hufe der entsetzten Pferde und die mahlenden Wagenräder über sie hinweg donnern.

Im Licht der baumelnden Laternen ist ein weiterer Wegweiser zu sehen, der die Sandstraße hinauf nach Norden zeigt, mit den deutlichen Aufschriften "Devil's Armpit" und "Gomorra". Die Meilenangabe unter Gomorra ist mit roter Farbe übertüncht, so dass da jetzt steht, "Fuckin keep away!!". Die Kutsche rattert jetzt so schnell, dass man die Zahlen im Laternenschein sowieso nicht erkennen hätte können. Die entmenschten Schreie der vertrockneten Kehlen der Untoten in ihrer Raserei hallen über die einsame Straße.

Soundtrack: Ghoultown, Phantom Moon https://www.youtube.com/watch?v=ssCAdUgkr5A

Runde 1
May B. nutzt ihren von Shadracks Kartentechnik generierten W4 bei Driving auch direkt, um mit einem wütenden Schrei direkt auf die heranstürmenden Grüppchen aus grauen Leibern zu zu halten, und einen Schlenker zu beschreiben, nicht um sie zu umgehen, sondern um möglichst viele zu erwischen! Die Pferde wiehern und ihre Mäuler schäumen, das Gefährt wankt. Dank dem Support-Bonus aus der regulären Kampfrunde eben erzielt die Hexe ein Raise — sieben auf einen Streich! Ein ausgetrockneter Unterkiefer mit Goldzähnen und mehrere Fingerknöchelchen fliegen am Kutschbock vorbei! Gleichzeitig wird die Kutsche noch schneller. Zwei Task Token für die Bank.
"Oh ha! Hart aber gerecht, Miss May! Jetzt rechts rüber, da kommen die nächsten!", ruft Byrd, seinen Hut auf den Blondschopf drückend im Fahrtwind. May erhält einen neuen Support-Bonus.
John manövriert sich auf die Seite des Fuhrwerks, und lässt sein Beil auf die Untoten niederfahren, die May B. verfehlt hat. Leider hat seine Aktionskarte die Farbe Kreuz, also geschieht eine Komplikation: Mehrere der zerschmetterten Leiber unter den Rädern lassen das Gefährt in dem Moment auf der Seite hüpfen! Wenn der Indianer von Bord geschleudert werden sollte, muss die Kutsche anhalten! Trotz aller Abzüge bekommt er dank Benny-Ausgabe jedoch ein Raise bei Fighting hin, und er macht erneut drei Untote nieder, und bringt uns zwei Task Tokens ein!
Shadracks Karte gibt ebenfalls eine Complication an; während der Karren wie eben beschrieben seinen Hüpfer macht, ballert der Hexslinger auf die heckseitigen Verfolger. Dennoch schießt er erfolgreich in die Meute und erledigt den einen oder anderen, und spielt uns das fünfte Task Token ein.
Joycelyn tut es ihm gleich und schießt mit ihrem Derringer aus nächster Nähe einem der Monster in die Fratze, und verdient uns ein Task Token.

Runde 2
Diesmal bekommt Luca Byrd eine Complication: "Warten Sie, ich helf' Ihnen", ruft er enthusiastisch, und macht einen todesverachtenden Hechtsprung vom Kutschbock in den Sattel eines der galoppierenden Pferde! Just in dem Moment passiert der Wagen hinter einer Biegung die tief hängende Äste eines vertrockneten Laubbaums (dies ist die Complication!). Byrd kracht im Sprung durch das Totholz, und landet in Schräglage im Sattel des wiehernden Zugpferdes! Er holt dadurch Task Token Nummer sieben.
John schlägt bach diversen vorbeisausenden Zombieköpfen, aber erzielt trotz großzügiger Benny-Ausgabe nur einen einzelnen Erfolg wegen seinem Exhausted-Zustand. Also ein einzelnes Task Token.
Shadrack ist unzufrieden mit seinem Hex eben, lässt ihn fallen, und führt ihn mit Karten hantierend neu aus. Ein Raise erzeugt diesmal einen W6 für May B. als neuen Driving-Skill, und zwei Task Tokens.
Dann ist das Halbblut auch an der Reihe, ihrerseits mit einer Kreuz-Karte: Eins der ursprünglichen Zugpferde der Kutsche taucht im Laternenlicht auf der nächtlichen Straße auf, wo es von den Walkin' Dead zerrissen wurde. Die Hexe flucht verbissen, und gibt fast all ihre Bennies aus für ihren Driving-Wurf. Sie vermeidet die Kollision mit dem Kadaver im allerletzten Moment, und räumt nebenher noch zwei menschliche Wiedergänger ab.
"Gut gemacht! Wir bleiben auf Kurs!", schreit Joycelyn mit qualmendem Derringer, und erzeugt einen neuen +2-Support-Bonus für May.

Runde 3
Noch 19 Task Tokens, und es hagelt diese Runde Kreuz-Karten!
Byrd schaut sich im Sattel des galloppierenden Zugpferdes überrascht nach hinten um, fast selbst erstaunt, dass der Ast ihn nicht weggefegt hat. Dann beruhigt er das beinahe panische Pferd, und hindert es am Versuch, auszubrechen. Sein Raise bei seinem Riding-Wurf bringt zwei Task Tokens.
Joycelyn lädt mit fahrigen Handbewegungen ihren Derringer mit Muni aus ihrem Handtäschchen nach, und ballert mit unverhoffter Präzision in die untote Horde. Wir sind nun bei 15 Task Token!
Shadrack schießt vom Kutschbock aus in die Dunkelheit, der fliegende Dreck dort vorn sorgt für eine Complication mit schlechter Sicht. Sein neuer Vorteil Legendary Trait senkt die Abzüge so weit, dass sein Wurf gerade so noch ein Raise ist! Er ballert mehrere Walkin' Dead nieder und verdient uns zwei Task Tokens!
John Bloody Knife wird von der Sandwolke ebenfalls eingehüllt, wie er so an der Flanke des Fuhrwerks steht. Hackend und schlagend erzielt er immerhin einen Erfolg, und heimst das siebzehnte und achtzehnte Task Token ein.
May B., ebenfalls mit Complication, sieht im fliegenden Sand und Kies fast nichts mehr, während sie um die nächste Biegung brettert, aber hat den Support-Bonus, sie gibt zwei Bennies aus, um ein dringend benötigtes Raise zu erhalten. Nächste Runde müssen die Wild Cards zehn Task Token verdienen!

Runde 4
Die wilde Fahrt dauert nun schon bestimmt eine halbe Stunde. Ein weiterer Wegweiser saust vorbei, die Kutsche hat mittlerweile eine mörderische Geschwindigkeit erreicht. Erneut ist keine Meilenangabe zu entziffern, jemand hat darüber gepinselt, "Sweetrock, go to Hell".
May B. ist als erste dran, und sie treibt mit lauten Schreien die Zugpferde weiter an. Jede Aktion unserer Helden muss diese Runde ein Raise sein, um den Dramatic Task noch zu schaffen! May B.s Driving-Wurf zeigt gerade jetzt die gefürchteten Schlangenaugen! Ein Kritischer Misserfolg! Dies senkt den Fortschritt um eins, und macht es unmöglich, den Dramatic Task noch zu gewinnen. Sie steuert das rasende Gefährt mit den wahnsinnigen Gäulen in die nächste Traube von nahenden Zombies — und eins der Vorderräder wird dabei mit lautem Knall vom morschen Holz abgesprengt und fliegt im hohen Bogen davon!

Während die Kutsche seitlich kippt, werden alle Wild Cards herunter geschleudert. Alle schaffen einen Agility-Wurf, um unversehrt zu bleiben als sie im Sand landen.

Machen wir mal einen Failure Move dafür wie im One Page Solo Engine beschrieben. Wir bekommen Offer a Choice. Das kann ja in dem Fall bedeuten, sie haben die Wahl zwischen einem großen Kampf, oder Rettung durch eine zwielichtige Gruppe! Au ja, das machen wir:

Knurrend und ächzend rücken die Walkin' Dead heran, schon ist wieder ein gutes Dutzend in Sicht, als stinkende Silhouetten im Mondlicht. Auf den Felsen über der Sandstraße treten in dem Moment weitere Schattenumrisse hervor, Männer mit breitkrempigen Hüten und Staubmänteln, und Gewehren im Anschlag.
"Kommt sofort hier hoch, Ihr gottverdammten Greenhorns! Ihr habt die Freude, heute höchstpersönlich von uns ausgenommen zu werden wie verschissene Weihnachtsgänse! Oder wir überlassen Euch den Walkin' Dead!"
Perplex sehen sich die fünf Wild Cards gegenseitig an. Byrd spuckt einen Mundvoll Sand aus. Jetzt müssen sie entscheiden, und sie haben nur Sekunden dafür. Ausgenommen werden wie verschissene Weihnachtsgänse wollen sie nicht, aber von den Untoten gesnackt werden wollen sie umso weniger.

Also klettern sie eilig die Felsen hinauf, während die Desperados das Feuer auf die Walkin' Dead eröffnen. Das Orakel bestimmt, dass sie bequem die Felsen hinauf kommen, und nicht einmal ihre Pferde verlieren, denn die armen Zossen sind noch an die gebrochene Deichsel der umgekippten Kutsche gespannt und können nicht fliehen. Bevor die Horde sie erreicht, wird diese vom Feuer der Winchester-Gewehre zersiebt.

Kaum ziehen die Wild Cards sich keuchend über die Kante auf die Felsbrocken hinauf, halten einige der Banditen ihnen auch schon Pistolen- und Gewehrläufe unter die Nasen. Alle von ihnen haben schwarze Halstücher vor die Gesichter gebunden.
"Willkommen im Gomorra Valley ...!", sagt einer in zynischer Stimme über das Krachen der Schüsse, Röcheln der Zombies, und Wiehern der Pferde hinweg.

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Die nächsten zwei Stunden über reiten die Wild Cards vor der Gang aus acht Desperados her. Ihre Hände sind mit Stricken gefesselt, so dass sie zwar die Zügel ihrer Pferde führen können, aber keine 'plötzlichen Dummheiten versuchen' können. Natürlich haben die Maskierten die Gefangenen vor dem Losreiten genauestens durchsucht: Über Shadracks gravierte Smith & Wessons und Byrds Gatling Pistol haben sie sich besonders gefreut, über Joycelyns Derringer haben sie sich ordentlich beömmelt. Byrd hat wie selbstverständlich mitgelacht und sein großes Maul aufreißen wollen, aber Mal um Mal von den Bewaffneten die Redeerlaubnis entzogen bekommen. Die Gangster mit den schwarzen Tüchern vor den Gesichtern haben klar gemacht, dass erst im Bandenversteck weiter geredet wird. Aufgrund von Shadracks und Joycelyns Kleidung haben sie möglicherweise den Schluss gezogen, die Reisenden seien feine Pinkel, und dass es möglich sein könnte, irgendwo dickes Geld für ihre Freilassung einzufordern. Joycelyn ist blass um die Nase und zittert in ihrem Sattel vor sich hin. May B. würde ihr gern versichern, dass sie und Shadrack im Ernstfall überhaupt keine Schießeisen brauchen, um die acht Gangster zu zerlegen, aber sie will es nicht riskieren, mit ihr zu flüstern; die Desperados reiten genau hinter ihnen her und haben ihre Waffen gezogen, tragen sie locker in Händen. Sie scheinen sich auf ihr mörderisches Geschäft hier draußen in der Einöde genau zu verstehen.



Mit Missmut haben die Wild Cards registriert, dass im Laternenschein keine weiteren Wegweiser in Richtung ihres Zielortes mehr in Sicht gekommen sind, die Reiter haben mittlerweile auch die Straße nach Norden verlassen, und navigieren auf Zickzack-Pfaden durch die nächtliche Wildnis. Die Schurken sind nervös und leuchten immer wieder um sich, der Zusammenprall mit den Walkin' Dead hat viele von ihnen offensichtlich mächtig verstört.


Als ein verschlafenes, bräunliches Morgenlicht bemerkbar wird, betreten unsere fünf Helden ein windschiefes Holzhaus auf einem verwilderten Farmgelände, irgendwo im Nirgends, ringsum nur verwahrloste Äcker, verdorrte Sträucher, und jede Menge Felsen. Die einstige bäuerliche Stube ist nicht ganz verlassen, auf einer alten Eckbank sitzt kraftlos ein sehr großer, sehr beleibter Mann im Anzug, und hat die Wurstfinger vor der Stirn gefaltet. Auch seine Hände sind gefesselt, die dünnen Stricke schneiden ins Fett. Er flennt vor Angst, und versucht es zu verbergen. Er scheint ein recht emotionaler Typ zu sein, aber ist nicht ansprechbar. Er nuschelt nur hinter seinen Pranken, "quei diavoli avidi!", ganz verzweifelt.



Im Halbdunkel sitzen die Gefesselten nun dumm rum. Die Tür wurde von außen abgeschlossen, und alle Fenster sind mit Holzbrettern vernagelt.
"Qual è il problema, brav'uomo?", hört man Byrd halblaut sagen, zu dem dicken Typen.
"Hanno tutti i miei beni! Quei maledetti banditi!", ächzt der Dicke, zumindest heult er jetzt nicht mehr heimlich, nun wo die Maskierten wieder weg sind.
Byrd klopft dem Fremden mitfühlend mit beiden Händen auf die Schulter.
"Na das ist ja mal eine Überraschung, Mister Byrd!", sagt Shadrack gedämpft, "Hat nicht Marlon Varville Sie einen Itaker genannt, kurz bevor wir ihn bei Wyatt Earp abgeliefert haben? Hat das am Ende etwa gestimmt?"
"Mein Italienisch ist nicht besonders", sagt Byrd, "parlo solo un po' di italiano!", und er wendet sich wieder an den Dicken, und sagt, "Ihre Ware haben die Strauchdiebe sich also gekrallt? Hatten Sie Güter für Gomorra?"
Der große Kerl nickt und streicht sich seinen dicken, schwarzen Schnauzer mit den gefesselten Händen, "Si si, iche binne Handelsreisender! Iche 'abe zwei große Koffer voll wertvoller Antiquitäten ausezuliefern! Die Banditi haben mir gestern Abend auf der Straße aufgelauert, unde seitdem sitze iche hier!"
Seine Stimme ist tief und pathetisch, wie ein sprechendes Walross.
Shadrack ignoriert ihn und raunt zu seinen Mitreisenden: "Wir können hier jederzeit raus, vergessen Sie das nicht. Ich habe Mittel und Wege, um die Stricke zu lösen. Das Problem ist nur, dass wir rauskriegen müssen wohin die Kerle unseren Krempel gebracht haben. Ich habe keinen von hier weg reiten hören von dem Gelände, also sind die alle noch in der Nähe. Wir brauchen das Zeug zurück, und unsere Pferde, bevor wir jemanden von ihnen umlegen und die Situation dadurch dynamisch wird. Haben alle verstanden?"
May B. zischt: "Wie lange wollen Sie denn hier auf dem Arsch sitzen?"
Shadrack versetzt kühl, "Wir beobachten noch eine Weile. Vorhin waren sie zu acht, und feuerbereit, das wäre sehr riskant gewesen. Vielleicht legen sich aber jetzt welche aufs Ohr nach der durchgemachten Nacht, dann wird ihre Übermacht geringer. Und wir müssen ein Überraschungsmoment abwarten, das wir mit voller Härte ausnutzen können. Die werden uns nicht ewig warten lassen, bestimmt spielen sie im Verlauf des Morgens ihre Karten aus. Ich gebe Ihnen das Zeichen, wenn der Moment der rechte ist, und Sie treten dann sogleich in Aktion."
May B. grummelt leise, "Und Sie sind natürlich der Anführer, weil Sie so oberschlau sind und wie immer alles am besten beurteilen können."
Shadracks Stimme klingt bedrohlich, obwohl sie so leise ist: "Natürlich! Keine Diskussionen jetzt, dafür ist die Lage zu brenzlig! Kapiert?"
"Sie Arsch!", faucht May.
Plötzlich klingelt ein Schlüsselbund, und die Tür geht wieder auf! Eine Handvoll der Maskierten kommt wieder herein. Alle Gefangenen spannen sich unwillkürlich an. Einer der Desperados ist ein riesiger Hüne, reichlich brutal und gleichzeitig bescheuert aussehend. Er gibt sich nicht mal die Mühe, sein schwarzes Halstuch vor dem Gesicht zu tragen, scheinbar ist er furchtlos, seine dümmliche Fresse würde außerdem sowieso jeder wiedererkennen. Er hantiert mit gleich zwei schweren Gatlingpistolen, mit einem der Bündelläufe kratzt er sich die schmierige Schläfe.

"Die sind ja auch alles halbe Portionen! Die hätten nich' ma' die bekackten Walkin' Dead ganz gefress'n! Die hätten die halben Portionen gleich wieder ausgespuckt, wenn se die gekriegt hätt'n! Lohnt sich ja nich' ma', da überhaupt rein zu beißen, nich' ma' wenn man 'nen verdammter rumlaufender Kadaver is'."

Dieses Gespräch kann sehr anders verlaufen, wenn die Banditen wissen, dass Joycelyn berühmt ist. Befragen wir mal das Orakel danach. Es sagt nö, niemand der Verbrecher erkennt sie von ihren Plakaten oder aus der Zeitung. Schwein gehabt.

Ein drahtiger Maskierter mit langen, braunen Haaren ergreift das Wort: "Ohne uns wären Sie jedenfalls allesamt Zombie-Frass geworden vergangene Nacht! Sie verstehen, dass Sie uns was für die Rettung zurückzahlen müssen, Damen und Herren. Sie sind hier mitten in unserem Revier, und haben uns verdammt nochmal ordentlich Arbeit gemacht!"
"Sie sind nur vermaledeite Strauchdiebe, nichts weiter!", entfährt es May B. unvermittelt.
"Schnauze, Püppchen!", grollt der Riese mit den Gatlingpistolen.
Der Maskierte wiegelt ab, "Wir sind hier draußen die einzige Macht, die es gibt! Das mag Euch nicht passen, aber die Trails des Gomorra Valley gehören uns. Wenn wir nicht wären, würden die Sklaventreiber aus der Stadt sich alles einverleiben. Also werden Sie, Damen und Herren, was beitragen müssen. ... Frage an die fünf Neuen: Was wollen Sie in Gomorra? Sind Sie Revolverhelden?"
Byrd lächelt freundlich: "Wir sind Naturkundler! Die Damen haben ihr Summa Cum Laude von ihrer Bostoner Universität, wir Herren beschützen sie ritterlich. Die kalifornische Flora interessiert ungemein! Leider sind die vielen schönen Skizzenbücher und Käferproben vom Karren gefallen bei der Flucht letzte Nacht — und mir nichts, Dir nichts, von einem Zombie verspeist worden! Die Damen werden in Gomorra von Neuem beginnen müssen, um etwas Gelehrtes vorweisen zu können daheim! Sonst wäre das ja wie, 'der Hund hat meine Schularbeiten gefressen', Sie verstehen. Nur schlimmer natürlich. Weil der Hund ja ein Zombie war."
Ein anderer Maskierter schnarrt, "Was die Damen jetzt erst mal machen müssen, ist auf die gute Seite von unserem Boss kommen. Der wird vermutlich gleich hier sein. Die Blonde fängt an. Sie werfen sich dafür besser mal in Schale."
Er lässt eins der luftigeren Bühnenoutfits aus Joycelyns durchwühlten Satteltaschen vor die Füße der Gefangenen in den Dreck fallen.
Die Sängerin schaut empört darauf hinab, und wieder in die Augen der Maskierten: "Das kann ich nicht anziehen, meine Hände sind gefesselt!"
Der Langhaarige scheint hinter seinem vorgebundenen Halstuch zu grinsen: "Hat auch keiner gesagt, dass Sie sich umziehen sollen. Wir ziehen Sie um, Holdeste."
"Incredibile, questi brividi!", jammert der große Dicke, mehr zu sich selbst.
"Ich beiß' Euch Eure verdammten Köpfe ab und spucke sie wieder aus!", braust May B. auf, Hass funkelt in ihren Augen.
Shadrack registriert, dass sie unwillkürlich bereits ihre Hexengeste mit den Fingern macht, Daumen, Zeigefinger und kleine Finger beider Hände sind abgespreizt.
Schnell ergreift er das Wort: "Immer eins nach dem anderen, Gentlemen! Wir sind neugierig auf diesen Anführer, von dem Sie sprechen, wir wollen zuerst wissen, wer das ist."
Der Langhaarige entgegnet in dumpfer Stimme, "Der gefährlichste Mann in Caine County, Sie Narr, oder sagen wir mal, in dem, was das Große Beben von Caine County übrig gelassen hat. Sie wollen als Personenschützer in Gomorra unterwegs sein, oder als Revolvermann, oder was auch immer? Dann werden Sie seine Regeln anerkennen müssen, ob Sie wollen oder nicht. Hier draußen hat Jackson P. Jackson das Sagen. Nicht die Sweetrock Mining Company, nicht die beschissenen Law Dogs."
"Was ist das für einer?", fragt Shadrack, "ich hab' den Namen womöglich schon mal gehört, ganz am Rande irgendwo. Vom Eindruck her ist mir so, als hätte ich Lutschern vom selben Kaliber wie dem alle paar Tage mühelos in die Ärsche getreten."
"Sie schulden Jackson P. Jackson Ihr Leben, Sie Lackaffe, und Sie sind ein doppelter Narr, wenn Sie glauben, das auf die leichte Schulter nehmen zu können. Wenn es einen Mann mit einem Elefantengedächtnis gibt im Gomorra Valley, und einen, der sich darauf versteht, verdammt nochmal einen Groll zu hegen, dann ist es Jackson P. Jackson. Ihre Waffen und Pferde sind schon mal nicht schlecht als kleiner Tribut an ihn. Was können Sie nun noch anbieten? Geld, Gold, Ghost Rock? Besitzurkunden von Claims? Informationen über unsere Feinde? ... Seien Sie erfinderisch, Damen und Herren, jedes Bißchen kann Ihnen den heutigen Tag erleichtern!"
Byrd wechselt einen verschmitzten Blick mit Shadrack, dem Hexslinger ist gar nicht zum Lachen, er hat plötzlich eine nervöse Schweißperle auf der Stirn. Byrd hat noch die Apfelsaft-Kasse bei sich, die Scheinbündel sind in seinen Kleidern versteckt. Shadrack aber hat noch das Kopfgeld von der Union Blue von Varvilles Ergreifung, wenn man das bei ihm findet, sind hunderte von Dollars futsch!

Würfeln wir mal einen GM Move, um zu sehen, ob die Situation sich von selbst ändert, oder unsere Wild Cards in der Zwickmühle bleiben! Es wird: Advance a Plot! Na dann:

Draußen erklingt Hufgetrappel, es wiehern Pferde, und leise Worte werden gewechselt. Die anwesenden Banditen werden sofort nervös, man merkt es an ihrer Körpersprache.
"Ah, da ist er schon! Jetzt haben Sie uns die ganze Zeit vollgelabert, und das Blondchen und die kleine Klapperschlange hatten noch gar keine Gelegenheit, ihre Fummel zu wechseln. Wie sollen sie dem Boss da gefallen, die sehen ja noch aus wie als hätten sie im Sandkasten gespielt?", frötzelt einer der Maskierten.
Die Tür geht auf, und alle Anwesenden fahren leicht zusammen. Zwei Reiter sind im Morgengrau zu sehen, aber die Person im Ledermantel, die die Haustür aufgestoßen hat, ist kein Mann. Sie trägt ebenfalls ein schwarzes Halstuch vor das Gesicht gebunden, in diesem Moment bläst sie noch letzten Rauch aus von ihrer Zigarre, deren Überreste sie im Eintreten am Türrahmen ausdrückt. Ihre Stiefelsporen machen dumpfe, klirrende Geräusche auf den morschen Dielen.
"Was zur Hölle machst Du denn hier, Neue, wir dachten, Jackson kommt persönlich!"
Die große Frau knurrt, "Geh' zur Hölle. Der Boss hat zu tun, ich bin stattdessen hier, um mir den Fettwanst anzusehen. Du Idiot nennst den Boss doch wohl nicht beim Namen in Gegenwart von Fremden!"
Der ölige Riese grunzt unbekümmert: "Jackson P. Jackson hat doch kein' Schiss vor so kleinen Hackfressen wie den' hier! Wenn die lebend inne Stadt komm'n sollt'n, und da die Mäuler aufreiß'n über das hier, kann der Boss immer noch sag'n, die Schweine lügen! Und die  Scheiß-Städter glaub'n eher dem Boss, als so'n paar dreckig'n Fremd'n!", und er lacht dröhnend.
Einer der anderen Maskierten lenkt ein: "Es sind mittlerweile neben dem Fettwanst noch fünf andere, Neue! Die Walkin' Dead haben so einiges aufgescheucht in den letzten Tagen! Die verdammten Monster werden richtig gierig!"
"Das sehe ich", sagt die Fremde abschätzig, und schaut auf das rüschige Etwas, das vor Joycelyns Stiefelspitzen auf dem Boden liegt, "und was wird hier gerade gespielt?"
"Die beiden Maiden in Nöten sollten sich ein bißchen aufhübschen ... die eine hatte die irrsten Fummel im Gepäck!", sagt ein Bandit, etwas defensiv.
"Der Boss vergeht sich nicht an wehrlosen Weibern", knurrt die Gangsterin angewidert, "sollte Euch eigentlich klar sein, ihr Kanalratten. Ihr wolltet doch nur selber was zum Gucken haben."
May B. zischt in eisiger Wut, "Wehrlos, ja? Macht mir die Fesseln ab und gebt mir meine Waffen wieder, und ich wische hier drin den Boden mit Euch!"
Der langhaarige Maskierte knurrt, "Die Klapperschlange, der Lackaffe, und der weiße Modecowboy waren gerade drauf und dran, uns zu erklären, wie sie uns zurückzahlen wollen für unsere Hilfe. Das Gepäck von dem Fettwanst wird nebenan grade noch gesichtet, ist einiges an komischem Plunder dabei. Scheint weitestgehend wertlos, wahrscheinlich müssen wir ihn damit wieder ziehen lassen."
Fassungslos stammelt der Händler, "Senza valore, incredibili! Questi sono tesori d'arte inestimabili!"
"Na na, Sie bekommen Ihre Kunstschätze ja wieder, Signore", tröstet Byrd, und sagt dann zu der Neueingetroffenen: "So, dann geben Sie uns doch mal schön zehn Minuten, damit wir uns in Ruhe besprechen können, okay? Das muss schließlich genauer überlegt werden, was unsereins Euch Desperados so anbieten kann."
Die Frau entgegnet: "Nein, Ihr habt schon genug Zeit zum Palavern gehabt. Ihr könnt Euch direkt besprechen, und wir hören zu. Wir müssen sicher gehen, dass Ihr nicht eigentlich von Sweetrock angefordert worden seid um deren Privatarmee noch weiter zu vergrößern. ... Oder auf die helle Idee kommt, Euch erst noch unter Vertrag nehmen zu lassen, wenn Ihr in der Stadt seid. Dies hier ist ein Krieg."
"Potzblitz, ich höre immer Krieg! Sie haben wohl so richtig was gegen diese Jungs von Sweetrock Mining, was?", will Byrd wissen.
Der langhaarige Maskierte sagt, "Keine Fragen stellen, Kasperkopp. Wir warten auf Euer Angebot."
Byrd sagt eifrig: "Ja klar, und hier ist es: Meine reizende Mitreisende, die Squaw Jane Halbe-Weiße-Feder, hat bereits auf der Hinfahrt hierher gesagt, mit der Sweetrock würden auch wir sicher über kurz oder lang so aneinander geraten, dass es nur so scheppert!"



Die geheimnisvolle Fremde, wie die Wild Cards sie nicht zu Gesicht bekommen, ohne Maske und Zigarre


Ich würfle für Byrds Persuasion, und er hat eine sieben, und da diesmal sein Gegenüber weiblich ist, bekommt er seinen Attractive-Bonus! Sie würfelt dagegen mit einem W8 plus Wild Die, und unterbietet deutlich, Byrd hat ein Raise! Nicht nur glauben die Gangster ihm seine Bereitschaft, ihre Sache zu unterstützen, Sie erklären sich auch bereit, ihnen all ihr Zeug zurück zu geben.
"... Immer wieder ein Spaß, neue Mittäter zu finden!", knurrt schließlich die Banditenanführerin, als alles ausgehandelt ist und zückt eine neue Zigarre, "dann haben wir jetzt genug gelabert! Allesamt aufsitzen!"

Schalter:
Gomorra, Kalifornien
Doomtown — Furcht-Level 4



Hinter den Desperados sitzen die sechs Gefangenen in den Sätteln von deren Pferden, immer noch mit zusammengebundenen Händen. Über Felsen und Trampelpfade geht es eine Stunde lang auf die Küste zu. Schließlich eröffnet sich der Blick auf eine offene Ebene: Die staubige, breite Zufahrtstraße in die Stadt, und direkt dahinter die Hangkante, wo das Große Beben eine titanische Kluft in die trockene Landschaft gerissen hat. Jenseits des Abgrundes ragen die endlosen Felseninseln des Great Maze auf, eine zerschmetterte Küste, völlig unwirklich.

Die Reitergruppe trabt noch bis in Sichtweite des Ortsschilds, dann machen die Maskierten Halt.
"Ende der Straße", knurrt einer der Schurken, "Ihr seid angekommen!"
Unvermittelt werden die fünf Wild Cards und der große Italiener aus den Sätteln geworfen oder getreten, und landen hart im Kies. Ihre Satteltaschen und Waffengurte werden neben sie geworfen, inklusive Shadracks Hex Guns und Byrds Gatlingpistole.
"Diese Patronen sind ja alle mit irgendwelchen Figürchen bekratzt!", macht einer der Desperados befremdet, als er Rex Shadracks Munitionsgurt prüft, und ihn ebenfalls in den wirbelnden Staub wirft, "Du musst ja wohl das abergläubischste Arschloch unter der Sonne sein!"
Shadrack knurrt, während er sich aufrichtet.
Byrd pflanzt sich seinen Hut wieder auf den Kopf, und fragt gutmütig: "Danke für den unbequemen Ritt! Was ist denn jetzt eigentlich mit unseren eigenen Pferden?"
Einer der Maskierten feixt, "Die behalten wir erstmal als Leihgabe von Euch. Die Gang braucht dringend neue Pferde!"
"Ja, haha, ah so", macht Byrd, und hebt ohne Eile sein Bowiemesser auf, um die Handfesseln durchzuschneiden.
"Hüaahh!", macht einer der Desperados, und die Gang prescht davon.


"Ich hatte ja gedacht, das ist nur ein besseres Zeltlager, nach allem, was wir auf dem Weg hierher gehört haben", sagt May B., als die sechs Neuankömmlinge von Staub und blauen Flecken überzogen auf den Ortseingang zu laufen.
"Es ist eine reiche Boomtown", knurrt Shadrack, "die Gebäude schießen wahrscheinlich derzeit wie Pilze aus dem Boden!"
"Schaffe, schaffe, Häusle baue'!", freut sich Byrd, und sieht sich mit blitzenden Augen um.
Der Ortseingang ist ein großes, hohes Tor, zusammengesetzt aus trockenen Holzplanken, Ästen, und dicken Tierknochen, 'Gomorra' steht in kunstvoll ausgesägten Ägyptienne-Buchstaben darauf. Reste von Stacheldraht umgeben den Ortseingang, und vereinzelte Zaunpfeiler einer Umzäunung, die so oft niedergetrampelt wurde, dass man sie irgendwann aufgegeben hat.



Soundtrack: Marcin Przybylowicz, Welcome to the Hard West https://www.youtube.com/watch?v=cxrk4Xy5kBg




Das Rauschen der Wogen ist von weit her zu hören, von jenseits der Abhangkante am Ende der Siedlung, aber gedämpft. Es riecht kaum nach Salz, die Gerüche der umgebenden Prärie nach trockenem Holz und Kakteenblüten sind hier stärker, mischen sich mit dem von Pferdemist und von Nutztieren, Arbeiterschweiß, und Lagerfeuern. Es sind auch keine Möwen zu hören, als die Wild Cards unter dem Ortsschild hindurch gehen, aber Krähen und Geier krächzen durcheinander. Der Town Square ist schon deutlich zu erkennen in dem, was bald der Stadtkern sein wird, und Dutzende Gebäude aus Holz oder sogar Backstein sind darum her bereits errichtet. Die Außenbezirke bestehen immer noch aus Reihe um Reihe aus provisorischen Zelten, die meisten sind Behausungen, viele sind improvisierte Verkaufslager, Glücksspielbuden, Badehäuser, und sogar Schnappszelte mit Preistafeln davor.

Die Fremden marschieren schweigend die breite Hauptstraße hinauf und sehen sich staunend um, die Satteltaschen auf den Schultern, klopfen sich dabei den Staub von den Kleidern oder reiben sich die wunden Handgelenke. Eine lärmende, fröhliche Menschenmenge umgibt sie immer dichter. Zahllose Planwagen und überladene Maulesel bringen Material zu den vielen, wimmeligen Baugrundstücken. Auf den Balkonen der Holzgebäude darüber stehen Scharen von barbusigen Dirnen und kokettieren für die Menge. Einige stolzieren auf grob zusammengezimmerten Holzbrücken zwischen den Gebäuden hin und her, hoch über den geschäftigen Sandstraßen. Betrunkene prosten sich mit vollen Whiskeyflaschen vor den Schnappszelten und Bretterbuden zu, dass die Glaspullen nur so klirren, ungeachtet der Tageszeit, es ist erst kurz vor Mittag. In einem erhöhten Ring verdreschen zwei muskelbepackte Preisboxer sich gegenseitig, umringt von einer johlenden Menschentraube. Bei dem hellen Marmorgebäude am Ende der Stadt steigen plötzlich zwei Feuerbälle in den Himmel, und es stinkt nach Ghost-Rock-Qualm. Irgendwo zwischen den Gebäuden krachen in dem Moment Pistolenschüsse, und Schaulustige schreien in einer Mischung aus Schreck und Übermut: Wahrscheinlich ein spontanes Duell zwischen zwei Hitzköpfen.



Vor dem beeindruckenden, hölzernen Uhrenturm am Town Square wurde eine improvisierte Plattform zusammengezimmert, wo ein Galgen mit drei frisch geknüpften Galgenstricken steht, und grimmige Gewehrschützen mit überlangen Bärten, nebst einem Geschäftsmann in dunklem Anzug, der gerade verkündet, "... dank dem Durchgreifen des Bezirksrichters können dieser Tage im Eilverfahren sicherlich erneut einige der vielen Feinde des Fortschritts dieser wachsenden Stadt zur Strecke gebracht werden: Dies soll eine Lehre sein für alle, die sich gegen Recht, Gesetz, und freie Märkte wenden, so wie jene Galgenvögel es getan haben, die hier alsbald baumeln werden! Fortschritt hat in Gomorra einen Namen, für Fortschritt steht unser aller Freund und Gönner, Howard Findley!"
Auch hier ertönt Jubel, und die vereinzelten Buhrufe verstummen, als die Wachposten ihre Gewehre in Anschlag nehmen und grimmig in die Richtung zielen.
"Howard Findley, was?", fragt Byrd neugierig.
"Howard Findley", knurrt May B. mit einem bedächtigen Nicken.
"Dumme, verfackte, weiße Männer!", sagt John.
"Kommt Freunde, wir gehen jetzt in den nächstbesten dieser ganzen Saloons, ein Schnäppschen trinken auf die ganzen Schrecken!", fordert Byrd auf.



Die fünf steigen die breite Holztreppe des größten Saloons hinauf. Sie bahnen sich ihren Weg durch die lachende, scherzende Menge zur Mittagessenszeit und durch Zigarettenrauch, der so dicht ist, dass man ihn schneiden könnte. Es riecht nach Räucherschinken, billigem Tabak, und dem Harz in den dicken Holzbohlen. Der lange Tresen liegt im hinteren Tail des halbdunklen Schankraums, auf einer kleinen Empore. Schädel von Rindern und Pferden stieren aus leeren Augenhöhlen von den Wänden darauf herab. Vor der Bar machen sie Halt.
"Guter Mann: Whiskey!", verlangt Byrd.
Die anderen bestellen der Reihe nach:
"Whiskey!"
"Whiskey!"
"Wasser!", sagt Bloody Knife.
"Wasser, und zwar mit etwas von diesem künstlichen Eis, wenn Sie das haben!", sagt Shadrack.

Schalter:


Die leicht bekleideten Bardamen sehen die Fremden nur süffisant an und rauchen weiter, sie fühlen sich nicht angesprochen, sie scheinen nur sowas wie Dekoration zu sein. Ein zwergenhafter Mann läuft auf großen, geschickten Füßen über die Tresenfläche auf die fünf Neuankömmlinge zu, zwischen leer gesoffenen Shot-Gläsern und Aschenbechern hindurch.
"Aber aber, kleiner Mann, Sie sollten sich wohl von der Bar runter scheren, würde ich meinen!", sagt Joycelyn, gleichzeitig amüsiert und leicht pikiert.
"Von der Bar runter? Dann gibt's aber nichts zum Saufen für die trockenen Kehlen!", entgegnet er, wobei er in die Tasche seiner fleckigen Schürze greift, und wie beiläufig drei klimpernde Schnapsgläser auf die Tresenplatte wirft. Zu seinen nackten Füßen landen sie genau vor den Whiskey-Bestellern. Der haarige Liliputaner holt eine Pulle hervor, und gießt im Stehen drei Kurze ein, kein Tropfen geht daneben. Er ist eine ziemliche Häßlette: Schwarze Haare fallen fettig seinen Rücken hinab, oben hat er eine Stirnglatze, seitlich einen indianischen Zopf. Das Gesicht sieht aus, als hätte er mal eine Stagecoach damit gestoppt, unter der wulstigen Stirn sitzen kleine, dunkle Augen, die jedoch hellwach blicken. Seine eine Hand ist deformiert und hat keine einzelnen Finger, sie sieht eher wie eine Krabbenschere aus.
"Was ist mit unserem Wasser?", fragt Shadrack nüchtern.
"Ja gleich, Compadre, zuerst kriegen hier diejenigen was, die richtige Getränke bestellt haben."
Daraufhin springt er von der Theke auf einen Barhocker, holt zwei Wassergläser hervor und gießt aus einem großen Krug ein.
Schnaps und Wasser spülen den Wild Cards aufs Angenehmste den Staub aus den Rachen.
"Neu in der Stadt, wie ich sehe!", grunzt der kleinwüchsige Barkeeper, während er mit den Zehen Shotgläser aufhebt, sich selbst in die Hände anreicht, und sie mit seinem Geschirrhandtuch zu polieren beginnt.
"Wer sagt Ihnen das?", schmunzelt Byrd und schiebt seine Hutkrempe höher, "vielleicht sind wir nur so schmutzig, weil wir Baustellenarbeiter sind!"
Der Barkeep schüttelt den Kopf: "Nein Sir, Sie sind ein Schnacker, Sir. Ich kenne alle Gesichter hier."
"Sehr nützlich", meint Shadrack, "und wer sind Sie?"
"Charlie Landers", antwortet der Liliputaner, "willkommen in Gomorra, die werten Reisenden. Sieht aus, als wäre wohl der Hinweg für Sie fünf schweine-anstrengend gewesen."
Shadrack erwidert: "Das will ich meinen. Ist ein Badehaus zu empfehlen, am besten keins von den pestulenten Zelten, in welche einfach Zuber mit Regenwasser geschafft wurden, sondern eins, das seinen Namen auch verdient? Wir sind gerade hier vom Pferd geworfen worden."
Landers zieht sinnierend die Augenbrauen hoch: "Ihr stummer, halbnackter Begleiter passt ulkigerweise auf die Beschreibung des indianischen Blutsport-Champions, der gerade aus Salt Lake City verschwunden sein soll. Und Sie sind Shadrack ... der Revolverheld aus Utah! Na, haben Sie und Mister Byrd ihren prominenten Gejagten wieder aus den Augen verloren nach Dodge City, diesen Varville? ... Dann sind Sie der andere Revolvermann, der Spinner ganz in weiß", stellt er fest, an Byrd gewandt.
Byrd grinst, "Nee, Varville hat längst am Seilende gebaumelt. Stand doch bestimmt in allen Zeitungen!"
Landers macht eine wegwerfende Handbewegung mit der Klauenhand, "Wenn Sie wüssten, was die gebräuchlichste Verwendung für Zeitungspapier hier draußen in Kalifornien ist! Ein Hinweis, es fängt mit Scheißhaus- an, und es endet mit -papier. Aber Sie beide sind das jedenfalls, kein Zweifel."
"Vielleicht, kommt ganz drauf an, wer fragt! Aber ein klein wenig Schnacker sind Sie doch auch, oder etwa nicht?", fragt Byrd.
"Das ist mein Beruf. Und die bezaubernden Grazien hier sind dann die große Joycelyn Lancaster aus Chicago, und ... wie war Ihr Name, Miss? Mir ist so, als wenn ich Gerüchte gehört habe aus Kansas, auch über Sie. Das Halbblut."
"May B. Wickett", lächelt die Hexe mit charmantem Augenaufschlag.
"Genau, der exzentrische Künstlername!"
"Exzentrisch?!", fragt May verwirrt.
"'Maybe Wicked', oder was soll das heißen? Dass ich nicht lache, Miss! Wem wollen Sie denn damit Angst machen? Und wofür steht das B., vielleicht für Babsi?"
May entgegnet halb belustigt, "Sowas ist mir noch nie gesagt worden, seit ich mir das einfallen lassen habe. Sie sind ganz schön frech, kleiner Mann!"
Landers nickt bestätigend, mit gestrengem Blick.
"Wie, Sie heißen gar nicht Wickett mit Nachnamen, Miss Wickett?", will Byrd wissen.
"Nee, habe ich Ihnen doch schon mal erzählt. Der frühere Name ist aber auch Vergangenheit! So wie auch die Machenschaften, die den aktuellen Namen hervor gebracht haben. In diesem Sinne! Geben Sie uns mal noch so eine Runde Getränke, Mister Landers!"
Shadrack fragt ihn, als ausgeschenkt wird, "Sweetrock Mining ist hier wohl omnipräsent, wie?"
Der Barkeep runzelt die wulstige Stirn: "Wir sind dabei, die reinste Company Town zu werden, Mister. Aber kommen Sie mir hier drin ja nicht mit Anti-Sweetrock-Geschwätz ..."
"So ...?", fragt May B., plötzlich irgendwie lauernd.
"... oder mit Pro-Sweetrock-Geseier! Meine besten Kunden arbeiten für die Sweetrock! Andere meiner besten Kunden sind unabhängige Schürfer, die im Clinch mit denen sind. Ein paar meiner noch anderen besten Kunden reiten vermutlich heimlich mit den Blackjacks. Dies aber ist der Fat Chance Saloon, Herrschaften! Der versteht sich als neutraler Boden, und damit basta! Wohl dem, der das rechtzeitig begreift, bevor er einen fatalen Fehler macht!"
"Und diese Blackjacks, wer sind die?", fragt Rex interessiert, "womöglich eine Gang, draußen im Gomorra Valley?"
"Die größte der hiesigen Banden, Mister. Aber die findet man nicht nur draußen auf den Trails, die gehen auch hier in der Stadt ein und aus. Sie geben sich nur zu erkennen, wenn sie ihre schwarzen Tücher vor die Gesichter binden, und dann natürlich nur, um Schandtaten zu begehen! Jeder Hombre draußen auf den Straßen könnte insgeheim ein Blackjack sein. Oder eigentlich nicht jeder — nur solche, die Sweetrock hassen!"
Byrd hakt nach, "Und gibt's da womöglich eine große Zigarrenraucherin, die neuerdings eine von den Oberräubern ist?"
Landers kratzt sich am Hinterkopf, "Hatte diese Zigarrenraucherin denn ein Pik-Symbol im Dekolleté tätowiert? Da reden Sie womöglich von der berüchtigten Rachel Sumner!"
Byrd sagt bedauernd, "Oh schade, wir durften ihr leider nicht in den Ausschnitt gucken."
Shadrack knurrt, "Gehen Sie bloss nicht jetzt zurück um das nachzuholen, Sie Tölpel."
Landers sagt, "Dann stimmt es also, Sie wurden von den Blackjacks überfallen auf dem Hinweg. Darum sehen Sie auch so mitgenommen aus. Sie armen Schweine! Nun, sie sind in bester Gesellschaft, so ergeht's vielen, die nach Gomorra reiten. Und immerhin sind Sie mit ihrem Leben davon gekommen. Hier, Kopf hoch, ich gebe Ihnen noch eine Runde, wenn Sie die noch zahlen können."
Joycelyn zieht eine goldblonde Augenbraue hoch: "Entschuldigung, habe ich eben richtig gehört? Haben Sie uns gerade dazu eingeladen, noch eine Runde zu bestellen und zu zahlen?!"
Landers nickt mit fröhlichem Grinsen, und sagt: "So geht's nunmal zu im Great Maze!"
Byrd schmunzelt breit: "Gutes Geld für guten Spaß, das soll mir recht sein, und die Apfelsaft-Kasse ist immer noch voll! Also noch so eine Runde, Mister Landers! Außer Mister Shadrack und unserem roten Champion hier wird das ewige Wassersaufen langweilig."
"Dieses Wasser ist so klar, das wird mir nie langweilig!", knirscht Rex willensstark hinter gefletschten Zähnen.
"Was werden Sie in Gomorra unternehmen, Pardners? Doch nicht etwa die Pistolen an den Nagel hängen und anfangen, Geldgeschäfte zu tätigen?", fragt Landers, während er erneut ausschenkt. Als dabei auf halbem Wege seine Whiskeypulle alle ist, wirft er sie zielsicher über die Schulter in eine Kiste hinter der Bar, und fängt ohne hinzugucken eine neue Volle auf, die eine der leichtbekleideten Bardamen ihm zuwirft.
"Wow. Versteht sich das eigentlich noch als Getränkeausschank, oder schon als artistische Darbietung, was Sie hier machen? Sollten wir applaudieren?", lobt Joycelyn.
Landers winkt ab: "Bloss nicht! Im Zirkus früher war ich der Unglaubliche Krabbenjunge, da hab' ich genug Beifall für's ganze Leben geerntet."
"Wurde über Sie womöglich ein Fluch verhängt, Mister?", fragt May B., Schnaps und Neugier lockern ihre Zunge.
"Puh, Sie haben aber reichlich Fantasie, Miss! Flüche, ach was. So hat der zornige Leib meines Muttchens mich eben ausgespieen."
"Vielleicht hätte ich nicht fragen sollen. Entschuldigen Sie, Unglaublicher Krabbenjunge!"
Charlie Landers grinst: "Jeder bekommt in Gomorra eine Chance, beispielsweise auf einen Neuanfang! Wenn man hartgesotten genug ist dafür, und man kein Problem hat mit Hitze, Hetze, und heißem Blei!"
Alle heben die Gläser.
"... Womit Sie Ihre Frage nach unseren Vorhaben hier eigentlich selbst beantwortet hätten, Mister Landers", kommentiert May B. und kippt ihren Whiskey herunter, "ein Neuanfang klingt verlockend. Bauprojekte planen wollen wir nicht, aber wir sind praktisch ... Kunstschaffende mit den Sechsschüssern."
"Das haben Sie aber schön gesagt", meint Byrd und lächelt May B. glücklich an.
"Na, dann ist das hier eine gute Stadt für Sie", sagt der Barkeeper, und läuft weiter die Tresenplatte entlang, um weitere Gläser der Durstigen aufzufüllen.

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