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[Deadlands] Savage West Solo Play
Kurna:
Hi Schalter,
wollte nur mal erwähnen, dass ich deine Solo-Kampagne mit Interesse verfolge. Ich gebe zu, dass ich eigentlich nur eingestiegen war, weil ich hoffte, dass ein paar nicht zu weirde Western-Szenarien als Inspiration dienen könnten für meine Abenteuer 1880-Runde, falls es die mal wieder in den Wilden Westen verschlägt. Als plötzlich Sprünge in die Zukunft und andere Abweichungen kamen, wollte ich es erst überspringen, weil für mich nicht so relevant. Aber jetzt bin ich doch gehooked und lese brav jedes Update, auch wenn Rex und May B. sonst wo im All rumdümpeln. :D
Das ist wirklich alles mit sehr viel Liebe gemacht. :d
Schalter:
Hallo Kurna! Schön, dass Du mitliest, und danke für die Nachricht! Ja, klassische Western-Szenarien wo die Weirdness überschaubar bleibt, sind wohl nicht das Hauptmerkmal dieses Thread. ;) Aber hey, Lost Colony ist ja auch ein Western, nur eben im Weltraum! ... Trotzdem wird's aber natürlich im Weird West weitergehen, spätestens, sobald ich unsere beiden Verschollenen dahin zurück-erzählt gekriegt habe. Mal sehen, wie smooth das geht, da haben ja auch die Orakelwürfel ein wenig mitzureden.
Schalter:
Die Explosivo im Orbit, würdevoll benannt nach diesem einen Song von Tenacious D, einer Band aus der Zeit vor der Weltraumkolonisierung
Die EXFOR führt im Orbit so viele Kontrollen durch wie ihre derzeitigen Ressourcen es zulassen. Es scheint eine Reihe Hauptflugrouten zu geben für die kleinen Frachtschiffe, die raus in den Asteroidengürtel wollen, zu den Ghost-Rock-Minen dort.
„… Natürlich vermuten die, dass unter Spacern wie uns auch ein Batzen Schmuggler zu finden ist, flüchtige Gesuchte, Reaver, und andere Fieslinge!“, erklärt Fourth Wall lapidar.
„Ich dachte, die Reaper treiben nur unten auf Banshee ihr Unwesen?“, fragt May.
„Ja, nee, da unten gibt’s die Armee der Reaper, zwischen den Sternen gibt’s einzelne Reaver! Raumpiraten, verstehste? Eigentlich das gleiche, aber unpolitisch. Wenn Du ein Schürfer bist da unten, dann rauben mit Pech die Reaper Dich aus, halten Dir einen moralisierenden Vortrag und erklären Dir, warum sie im Recht sind, und ballern Dir anschließend ‘ne Kugel durch den Kopf. Wenn Du hier draußen im Dunkel Schürfer bist, dann rauben mit Pech die Reaver Dich aus, und ballern Dir ohne viel Gewese ‘ne Kugel durch den Kopf! Jetzt muss man sich als Kolonist nur noch entscheiden, welche Variante man besser findet!“, und er lacht.
„Verwirrend“, kommentiert May ratlos.
„Na ja, hey, wir Kolonisten sind nicht deswegen hierher gekommen, weil wir bekannt waren für unseren übergroßen Einfallsreichtum! Auch was Namen für all diese neuen Dinge hier betrifft. Wir sind wegen dem ganzen Ghost Rock hergekommen! Die Konzern-Fuzzis beispielsweise, die sich die Namen für die beiden Hauptkontinente einfallen lassen haben, die heißen einfach One und Two!“
„Verstehe …“
„Das hast Du natürlich auch noch nicht gewusst, Death Metal Queen …!“
May schweigt defensiv.
Fourt Wall fügt hinzu, „Hängt das vielleicht mit diesen heidnischen Ritual-Superkräften zusammen?“
„In gewissem Sinne. Ich bin tief verstrickt in das, was wir auf der Erde den okkulten Untergrund nannten.“
„Hah, im Faraway-System gibt’s auch einen okkulten Untergrund, was denkst denn Du? Hier draußen im Dunkel natürlich größtenteils online, man trifft ja nur alle paar Wochen auf andere Spacer, wenn man mal einen verfackten Asteroiden-Truckstop oder eine Raumstation erreicht oder so. Hatte aber selber nie Zeit, mich mit den ganzen Hobby-Verschwörern zu beschäftigen.“
„Interessiert Dich nicht, was das alles möglicherweise zu bedeuten hat?! … Ist Dir das Reckoning ein Begriff …?“
„Reckoning, Schmeckoning! Ich habe hier einen millionenschweren Klein-Frachter zu betreiben und den, verdammich noch eins, in Schuss zu halten! Und das bedeutet, konstant an Aufträge herankommen. Wenn diese Antriebe auch nur zwei Wochen lang nicht laufen, machen Kinraide und ich ein Minusgeschäft, dann können wir uns gehackt legen! Da haben wir leider keine Zeit, um mit den Reapers über die anarchistische Befreiung zu philosophieren, oder mit General Warfield und der EXFOR über Demokratie! Oder mit Euch Schwurblern im okkulten Untergrund über Verschwörungstheorien.“
„Ich bin kein Schwurbler, was auch immer das für ein Wort sein soll.“
„Ja, ja. Fazit ist jedenfalls: Am Monatsende müssen ordentlich Tofuwurst und ein paar Sixpacks Bier auf dem Tisch stehen, und noch Brennstoff in den Antrieben sein. Allein schon dieser Trip raus nach Tunnel Station ist nicht billig!“
„Entschuldige die Umstände.“
Fourth Wall winkt ab, „Brauchst Dich doch nicht zu entschuldigen! Tunnel Station ist ein super Ort, um neue Aufträge abzugreifen. Wenn wir auch den Hinflug als Freundschaftsdienst machen, werden wir auf dem Rückflug schon wieder bezahlt werden! Wirst schon sehen! HI hat immer irgendwelchen neumodischen Krempel auszuliefern!“
Daraufhin gibt’s einen GM Move: Foreshadow Trouble!
Die Konsolen am Pilotensitz piepen, und Fourth Wall öffnet einen Funkkanal. In leichtem Sendeschnee erscheint das Gesicht einer EXFOR-Funkerin, die den Namen und die Kennziffern der Explosivo nochmals abfragt.
„… Sie waren bis gestern für uns tätig in den Great Wastes!“, stellt die gestrenge Dame fest.
„Jupp! Dachte mir schon, dass Ihr nochmal heiße News von mir wollt. Sollt Ihr natürlich haben, Leute!“
„Was ist Ihre Flugroute, Explosivo?“
„Raus nach Tunnel Station mit Bleifuss, sobald unser Kaffeekränzchen fertig ist! Damit wir ja nicht das Wochenend-Halligalli da an Bord verpassen!“
„… Den Bleifuss können Sie vergessen, Explosivo. Das dauert hier deutlich länger.“
Uppsi. Fragen wir die Orakelwürfel: Haben die EXFOR-Schiffe auf 12 Uhr wohl schon Meldung über May B. bekommen, und fahnden jetzt nach der Flüchtigen? In den allgemeinen Wirren nicht sehr wahrscheinlich, aber gewiss nicht unmöglich ...
Fourth Wall wiegelt ab, „Ja, ja. Ich gebe Euch einen schönen Bericht von meinen Heldentaten! Die Koordinaten dieses Umschlagplatzes der Reaper habe ich Euren Kollegen ja schon übermittelt!“, und er überspielt seine Nervosität gekonnt mit Großspurigkeit.
„Sie haben gemeldet, dass die einen Skinny hatten. Wir werden alle Personen bei Ihnen an Bord genauer befragen müssen. Stellen Sie sich auf einige Wartezeit ein, Explosivo. Over“, sagt die Soldatin, und beendet die Verbindung.
„Dreck“, sagt Fourth Wall, „daher weht also der Wind.“
„Was ist los?“, fragt May B. aufgescheucht.
„Na, die Anouk-Rebellen sind doch der Grund, warum General Warfield hergerufen wurde, von der UN. Der hält eisern fest an seinem ursprünglichen Auftrag, die alle platt zu machen! Die verbleibenden Skinnies sind immer noch seine Erzfeinde! Die Honks glauben vermutlich, wir könnten deren Marionetten geworden sein ...“
„War ich ja auch, aber das ist doch längst wieder vorbei!“, raunt die Hexe.
„Ja, aber das wissen die hier oben ja nicht. Die haben jetzt vermutlich Angst, dass jemand von uns von dem Skinny eine Hirnwäsche reingedonnert gekriegt hat, und jetzt heimlich auf deren Befehl hin irgendwas bewerkstelligen soll, draußen in Tunnel Station.“
„Ich glaube nicht, dass deren Art der Hexerei so funktionieren kann …“
„Egal, was Du glaubst, die EXFOR glaubt was anderes, und die haben leider nun mal das Sagen. Die werden uns psychologisch durchleuchten wollen. Im Krieg hätten sie ihre Syker dafür gehabt, aber die Legion ist nun mal weg. Wahrscheinlich schicken sie also stattdessen mondäne Seelenklempner bei uns vorbei.“
May B. sagt zitterig, „Ich will mit denen nichts zu tun haben! Ich habe viel zu viel, über das ich unbedingt schweigen muss!“
Fourth Wall sieht sie besorgt an: „Ja, schon klar. Müssen die ja nicht wissen, dass Du auch von dort kommst, oder dass eigentlich Du diese Person warst, die ich unbedingt bei den Reapers raushauen wollte, nach meiner eigenen Befreiung. Wir erzählen denen, die Gerettete hätten wir längst im Fertile Crescent abgesetzt. Und Du wärst bloss eine einfache Passagierin, die mit dem ganzen Scheiß nix zu tun hat.“
Sieht aus, als müsste unser Spacer demnächst mal was würfeln. Hier sind schonmal Spielwerte für ihn:
🌵Dan „Fourth Wall“ Hickins
Attributes: Agility d8, Smarts d6, Spirit d8, Strength d6, Vigor d8
Skills: Athletics d6, Common Knowledge d8, Electronics d4, Fighting d4, Notice d6, Persuasion d8, Piloting d8, Repair d6, Shooting d6, Stealth d4, Taunt d4
Pace: 6; Parry: 4; Toughness: 6
Hindrances: Habit (Minor: Live the old school heavy metal life), Loyal, Obligation (Minor: Get freelance jobs for his spaceship)
Edges: Ace, Gravitic Acclimation
Gear: Revolver and ammo, Stunner gun, flight goggles, energy cells, palmcoder, medkit, radio, the small transport ship Explosivo, filled with lots of random stuff, beercans, and countless old heavy metal and space rock audio files.
Wer kommt denn da an Bord, um für die Armee nach möglicher Skinny-Gehirnwäsche zu suchen? Das Kartenorakel für dessen Identität sagt, technical Commoner. Das wird dann ein hundsgewöhnlicher EXFOR-Offizier mit einem Lügendetektor sein. Nicht mal ein richtiger Psychologe, geschweige denn ein übrig gebliebener Syker. Das lösen wir mit einem Quick Encounter:
Fourth Wall übernimmt das Reden, als die fünf EXFOR-Dudes über eine Luftschleuse an Bord geklettert kommen. Er scheint viel Erfahrung zu haben mit solchen Situationen, er hat sogar ausnahmsweise seine klassische Metal-Musik leise gedreht. Seine saloppe Art scheint den Offiziellen zwar gehörig zu stinken, aber ihn gleichzeitig auch in ihren Augen wie einen harmlosen Spacken erscheinen zu lassen. Genau das, was er will. May B. hält sich ganz zurück, sie konzentriert sich darauf, heimlich Kräuter zwischen den Fingerspitzen zu zerreiben und die Argumentation ihres Verbündeten mit ihren Hexenkünsten zu verstärken. Ihr Spellcasting-Resultat wird (dank Reroll) eine 27. Der Pilot kommt mit seinem Persuasion-Versuch selber auch auf einen Erfolg, er staunt selber, mit welch verblüffender Leichtigkeit ihm die ganze Zeit über seine Argumente in den Sinn kommen …
Die Soldaten nehmen alles haarklein zu Protokoll, lassen sich eine sehr genaue Beschreibung der angeblich im Fertile Crescent abgesetzten Geretteten geben. Versichern, dass binnen kürzester Zeit die Reapers ihren Fußhalt in diesem Teil der Great Wastes verlieren würden, und dass Mister Hickins, Fourth Wall, seinen aufrechten Beitrag zur Befriedung der Kolonie getan habe. Dann trollen sie sich endlich wieder. Hat alles „nur“ vier Stunden gedauert …! Beide Wild Cards bekommen einen Benny für diesen Erfolg, das hätte auch ganz anders ausgehen können.
Als die Luftschleusen wieder abgebaut und die Schotts verriegelt sind, schaut Fourth Wall seine Passagierin an, und sagt grinsend, „Na, das war doch ein Klacks! Freie Bahn, Leute, nächster Halt, Tunnel Station!“
Schalter:
„Warte erst, bis wir in Portal sind, Death Metal Queen! Da gibt’s ordentlich was zu gucken! Und nicht nur so Weltraumnahrung, sondern auch anständige Sachen zu futtern!“, kündigt Fourth Wall beschwingt an.
„Na, der Vorsehung sei Dank! Ich kapier' auch nicht, wie Ihr all dieses Zeugs essen könnt. Diese komischen Keks-Klötzchen sind noch schlimmer als das wabbelige Pudding-Zeug.“
„Du meinst Tofu! Is' aber ziemlich nahrhaft. Wird aus Sojabohnen gemacht.“
„Mal wieder 'ne Pfanne richtiger Bohnen wär‘ mir deutlich lieber. Alles bei Euch schmeckt entweder nach überhaupt nix, oder viel zu sehr!“, murrt die Zeitreisende, während sie noch einmal probeweise an einer der geöffneten Chips-Tüten schnuppert. Die synthetisch anmutende Geschmacks-Explosion der Taco-Chips geht gänzlich gegen ihren Gusto, sie ist ja in einer Welt der Hausmannskost aufgewachsen, ohne Geschmacksverstärker, „Irgendwie unecht, schwer zu beschreiben … jedenfalls nicht ganz so wie richtiges Essen. Ich hab‘ draußen in der Banshee-Wüste neulich einen Chiraka gegessen, so nennt Ihr doch diese Affen-Lurche, oder? Aufgespießt mit einem spitzen Stock! War immer noch besser als das hier.“
„Na, dann kannst Du Dich ja schon mal auf die Annehmlichkeiten in Portal freuen!“, lächelt Fourth Wall zufrieden, nach einem ordentlichen Schluck aus seiner neuen Bierdose.
„Warum denn jetzt überhaupt Portal, ich dachte, dieser Ort heißt Tunnel Station?“, fragt seine Passagierin.
„Ja, die ganze Raumbasis heißt Tunnel Station, klaro. Aber das ursprüngliche Besucherzentrum dort drinnen, das hatte natürlich einen majestätischeren Namen. Ein bisschen mehr schicki-micki. Da kamen ja hoffnungsfrohe Siedler und reiche Geschäftemacher von allen verfackten UN-Staaten zusammen! Denen sollte ja die neue Welt als das lukrativste Ding aller Zeiten verkauft werden! Der Bereich heißt daher Portal. Heute ist da der Handelshafen drin. Die meisten Konzerne sind ja pleite gegangen oder backen nur noch kleine Brötchen, so ganz ohne Kontakt zur Erde, und alle möglichen Allrounder haben seitdem Einzug gehalten. Spacer wie wir! Da wollen wir hin, da gibt’s Fachpersonal, das Du ganz dezent nach Deinen Infos befragen kannst, und da gibt’s Aufträge für Kinraide und mich. Süße, süße Credit Dollars! Und ansonsten empfehle ich generell das Thai-Essen, und außerdem im Speziellen die Pizza bei ‚Portocrosso‘. Entschädigt einen für Wochen der tristen Weltraumnahrung.“
„Was ist Pizza? Ist das nicht dieses komische, italienische Brot?“, fragt May.
„Hat sie grade nicht gefragt, oder?“, fragt Kinraide ungläubig, an Fourth Wall gerichtet, über seine Konsolen hinweg.
„Hat sie nicht gefragt!“, meint dieser, „Meine Fresse, Miss Ortega. Halt‘ Dich bloss nur immer in unserer Nähe, wenn wir auf der Station sind, und lass‘ Dir nix anmerken! Da sind überall misstrauische Techniker von HI, und schnüffelnde Colonial Rangers! Wenn Du nicht weißt, von was die Spacer grade reden, dann einfach konsequent die Schnauze halten! Immer auf Nummer sicher gehen! … Wir sind im Übrigen fast da. Seht Ihr, hinter den Asteroiden dort …?“
In der Unendlichkeit des Dunkels sind mittlerweile komplex angeordnete Blinklichter erschienen, die hinter den Asteroiden in Sicht kommen. Tunnel Station besteht aus einem riesenhaften Metallring, der einmal der Interspace Tunnel war, und an dem heutzutage nur noch träge Signallichtlein flackern. Man kann hindurch sehen, und May B. begreift, dass sie unbewusst ein wirbelndes, nebelhaftes Portal dort erwartet hat, wie in der Top of the World Lode, und der Wild Dog Gorge. Nur größer, so dass ganze Sternenschiffe hindurch passen. Der Interspace Tunnel wirkt tatsächlich wie ein blosses Relikt, und auf seiner anderen Seite ist auch nur dasselbe Dunkel zu sehen wie um ihn her. Er ist integriert in die Raumstation selbst. Diese ist alles andere als trübsinnig: Hunderte kleiner und größerer Schiffe umschwärmen sie. Das futuristische Logo des Konzerns HI prangt weißlich über vielen der Schotts. Im Landeanflug sind auch andere Markennamen zu sehen, ihre Logos nur noch flackernd oder gänzlich unbeleuchtet, alles Firmen, die zu May B.s eigener Zeit noch nicht existiert hatten, und deren Produkte und Bedeutung auch wieder aus den Warenregalen und den Köpfen verschwunden sind.
May B. sieht sich mit fasziniertem Schrecken in der weiten Docking-Halle um. Donnernd und dampfend landen und starten Raumschiffe aller möglicher Arten, und verschiedenster Grade der Verwahrlosung. Von einem der Fluggeräte sprühen Funken, während es von seinem Wartungsgestell freigegeben wird, Crewmitglieder hangeln sich erschrocken weg davon, um nicht eins auf den Pelz gebrannt zu bekommen. In der stark reduzierten Schwerkraft der Halle haben ihre Bewegungen für May B. etwas Traumwandlerisches.
„Wie lange werden wir hier sein?“, fragt sie etwas verunsichert.
Fourth Wall winkt ab, „Wir docken hier, bis wir einen Lieferauftrag abgegriffen haben. Das dauert ein paar Stunden, oder maximal ein paar Tage. So lange hast Du Zeit, Dich einzugewöhnen. Vielleicht findest Du sogar Deine Infos innerhalb dieser Zeit, mit ganz viel Glück geht das wohl ... Aber Du musst dafür wahrscheinlich einiges an speziellen Freigaben kriegen von den Voll-Nerds von HI. Könnte 'n bisschen dauern. Kommt, wir sichern das Baby, und gehen zu Portocrosso!“
May B. fühlt plötzlich Panik in sich aufsteigen: „Was soll das heißen, Fourth Wall? Dass Ihr mich binnen der nächsten Stunden hier alleine lasst?!“
„Nee nee, Miss Ortega, wo denkst Du hin? Wir machen erstmal ein paar kleine, örtliche Lieferflüge, vielleicht zum Belt. Wir mieten Dir so lange ein Zimmerchen in einem der Hotels. Wir sind dann nur zwischendurch mal weg.“
„Ich weiß nicht, ob ich das durchstehe …“
„Du willst doch ziemlich komplizierte Sachen herausbekommen aus den Datenbanken hier …“, gibt Fourth Wall zu bedenken, „da muss man ein wenig Wartezeit einplanen!“
Kinraide hangelt sich zwischen den beiden hindurch, sein großer, schwerfälliger Leib sieht in der schwachen Schwerkraft äußerst gewandt aus, und er wirft ein, „Außerdem habe ich die Vermisstenmeldung fertig! Wenn wir das von hier aus über die entsprechenden Kanäle laufen lassen, erreicht das früher oder später mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Deinen verlorenen Kumpan, unten auf dem Planeten. Hier ist der beste Treffpunkt für Weitgereiste und verlorene Seelen in ganz Faraway, abgesehen vielleicht von Temptation!“
„Ihr glaubt, Rex könnte hierher finden?!“, fragt May B., während sie sich Kinraide hinterher nach draußen hangelt. Ihr Hut beginnt dabei, schwerelos zu entschweben, und sie drückt ihn sich zurück auf den Kopf.
Fourth Wall betätigt ein paar schwere Kippschalter, und sagt, „Klar, wenn er es nach Temptation oder Crosstown schafft, kostet der Raumflug hier raus 'nen Appel und 'n Ei! Komm Kinraide, wir zeigen der Death Metal Queen jetzt, was Pizza ist!“, und sie lachen amüsiert.
☆
Rex Shadrack lauscht gedankenvoll den gutturalen Klängen, die jetzt zum dritten Mal wiederholt werden.
„Ich verstehe fast nichts davon“, knurrt er kopfschüttelnd, „mag schon sein, dass da irdische Worte mit drin stecken. Vor allem klingt es nach Zahlen, in englischer Sprache. Aber nicht wie ein Lied.“
Maiqarooba blinzelt ihn zögerlich an, und holt tief Luft, als wenn er den merkwürdigen, monotonen Singsang ein weiteres Mal ausstoßen wolle. Dann sieht er Zamantha Muroa an, und sagt etwas auf seinem komplizierten Asai-Dialekt.
Nach einigen Rückfragen übersetzt Zamantha unsicher: „Er besteht weiterhin darauf, dass es ein Lied von Terra ist, wenn ich ihn richtig verstehe. Terraner scheinen es ihm beigebracht zu haben.“
„Verdammt und zugenäht, ich habe eine Mitstreiterin, die könnte alles was er sagt übersetzen! ... Sie hat eine ungewöhnliche Sprachbegabung. Wenn die nicht verloren gegangen wäre, dann könnte sie das Rätsel für uns lösen!“
Zamantha reckt das Kinn vor, und versetzt, „Wenn Du sagst, ‚für uns‘, Shaddrakk, so meinst Du vermutlich ‚für Euch‘. Also uns hier im Dorf. Die Thra’Door-Anouks werden Nutznießer dieser Schatzjagd sein, und im weiteren Sinne ich natürlich. Dann Napster Rawley, den ich gerade so weit beteiligen werde, dass meine Schuldigkeit bei ihm abgegolten ist."
Shadrack hebt die Schultern, und sagt, „Ich kann mir nach wie vor vorstellen, diesen Hombre in die Wüste hinaus humpeln zu lassen, und ihn dort abzuknallen wie einen tollwütigen Hund. So wie der mich anguckt, wartet er nur darauf, dass ich das mache.“
„Und nach wie vor untersage ich derartige Gewalt, Shaddrakk. Wir brauchen seine regelmäßigen Besuche als Tauschhändler. Und wir können es nicht zulassen, dass irgendetwas Vertrauliches über die Lage dieses Dorfes an die Reaper durchsickert. Ich werde mich friedlich und schuldlos von Napster Rawley verabschieden, nachdem wir das Rätsel gelöst und den Schatz gehoben haben.“
Der massige Thra’Door-Häuptling Yoxoon sitzt in Denkerhaltung auf seinem steinernen Thron im Hintergrund, und sagt nun, „Nun, Erdmenschen, Ihr müsst beide gehen. Wir bewachen so lange Napster Raw-Lee. Er darf erst fort, wenn Ihr mit dem Fund zurück seid.“
Die Stammesprinzessin schaut verwundert auf, und entgegnet, „Aber Häuptling, ich kann nicht ohne weiteres den Canyon verlassen! Die Erdmenschen hier brauchen mich!“
Er schüttelt den breiten Kopf, „Zamantha — so lange Du im Thra’Door-Dorf bleibst, ist es erpressbar durch Raw-Lee aufgrund der Schuld, in der Du bei ihm stehst. Also geht Ihr. Ihr müsst Euch von mir nachts weg schmuggeln lassen, ohne dass es viel Aufsehen gibt. Wenn Ihr zurückkehrt, habt Ihr den Fund, wir zahlen Raw-Lee seinen Teil, und behalten den Rest. Shaddrakk — bevor Ihr geht, lehrst Du mich Deine geheime Technik mit den Pistolen! Wenn ich sie beherrsche, gebe ich sie an jene Anouks weiter, die würdig dafür sind.“
„Häuptling, auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen“, beginnt Rex.
„Anschließend geben wir Dich frei! Du darfst Deines Weges ziehen. Außer, Zamantha Muroa will Dich zum Mann nehmen, dann darfst Du bleiben.“
Rex wirft Zamantha einen forschenden Blick zu.
„Es ist schon in Ordnung, er ist der Häuptling des Clans, ihm werden von allen Seiten her Informationen zugetragen“, sagt Zamantha, „und Besuche in meiner Hütte werden außerdem selten übersehen.“
Ich mache an der Stelle einen GM Move. Es ist: Reveal a New Detail!
„… Es ist ein Code!“, sagt plötzlich Kaenan, der im Schneidersitz neben Zamantha auf dem Steinboden sitzt und bisher nur gegrübelt hat.
„Wie meinst Du das?“, fragt sie.
„Dieses terranische Lied, das Maiqarooba auswendig gelernt hat. Es ist kein traditionelles Volkslied, sonst wären nicht so viele englische Worte darin. Ich glaube, ich verstehe es … viele der Laute sind Anouk-Laute, die englische Silben nachahmen, glaube ich. Ich kann nur nicht verstehen, was dieser Code bezeichnet! Aber wenn es ein Code ist, dann gibt es KIs, die das können!“
„Dann steht nun auch Euer Weg fest, Erdmenschen. Ihr verlasst das Dorf, und Ihr geht mit Maiqarooba dorthin, wo es solche Kah-Iihs gibt!“, ordnet Yoxoon an.
☆
Draußen vor der Häuptlingshaus tobt ein neuerlicher Sturm, dunkle Wolkenberge ziehen schnell über den Himmel.
Rex nimmt den Faden wieder auf: „Was für ein Brauchtum habt Ihr denn, was Hochzeiten betrifft, meine Dame?“
Zamantha lacht, und sagt, „Keine, für die Du Dich sonderlich interessieren müsstest, Shaddrakk! Ich habe voriges Jahr eingewilligt, den künftigen Anführer eines nahen Digger-Stammes zu heiraten!“
„Oh“, sagt der Hexslinger, ungewohnt betreten, „was für ein Völkchen sind die denn nun wieder? Digger?“
„Sandwühler. Viele leben als Outlaws in der Wildnis, in Freundschaft zu den Anouks. Nicht unähnlich den Reapers. Einige ihrer Stämme sind recht einflussreich. Daher bin ich bereit, eine Allianz zu schmieden. Mein Zukünftiger ist recht gutaussehend, und er wird in wenigen Jahren die Nachfolge als deren Häuptling antreten. Unsere Dörfer können gemeinsam ihr Gebiet teilen.“
„So. Und, wenn ich fragen darf, meine Dame, wie komme da ich ins Spiel?!“
„Wer sagt, ich dürfe mich nicht amüsieren, bevor ich heirate?“, fragt sie.
„Der Anstand gebietet es!“, schnarrt Shadrack, etwas heftiger als gewollt.
„Blödsinn! Das ist wieder eine dieser mittelalterlichen Ansichten!“
„Was heißt hier mittelalterlich! Ein Affront! Das Mittelalter war längst vorbei, als ich … nun, als ich meinerzeit als frommer Kirchgänger erzogen wurde.“
„Ich kenne viele Christen. Keiner ist so altmodisch wie Du.“
„Wie dem auch sei, Zamantha. Willst Du diese Reise unternehmen?“
„Du hast doch die Entscheidung des Häuptlings gehört. Und leider hat er Recht: So lange ich hier bin, ist das Dorf erpressbar. Unwahrscheinlich, dass Napster Rawley nicht fieberhaft über seinen nächsten Winkelzug grübelt, während er in der Verletzten-Hütte liegt. Wir werden Maiqarooba nach Temptation bringen. Wenn es ein Informatik-Code ist, den sein Lied nachahmt, dann gibt es dort Rechner, die es interpretieren können. Wahrscheinlich gibt es eine verborgene Botschaft darin. Du begleitest mich?“
„Hinaus aus dem Dorf? Große Güte, ja. Dann muss ich keine Tricks verwenden, um von hier zu fliehen!“
„Wir können versuchen, doch noch einen Besuch in der Schimmernden Höhle für Dich zu erbitten, damit die Priester Dein Gedächtnis zurück bringen können. Wir müssten uns jetzt nur sehr damit beeilen.“
Shadrack winkt ab, „Oh, ich werde schon genug Zeit darauf verwenden müssen, Yoxoon zu erklären, warum ich ihn mein Revolverhandwerk nicht lehren kann.“
„Warum kannst Du’s denn nicht tun? Yoxoon ist ein Meisterschütze, wie viele der Thra‘Door-Krieger. Und eine Affinität zum Arkanen haben die Anouks auch.“
„Ich habe versprochen, meine okkulten Einblicke streng geheim zu halten.“
„Wem?“
„Meinem damaligen Lehrer!“
„Also wird diese Technik mündlich überliefert. Und was hindert Dich daran, Shaddrakk, jetzt selbst ein Mentor zu sein?“
Schalter:
Ja, was sollte ihn eigentlich davon abhalten? Was ist schon ein weiterer Hexslinger, irgendwo draußen im Niemandsland? Vor allem, wenn’s ein Anouk ist, im Jahr 2094. Wie sollte dadurch das Weltgefüge daheim auf Terra verschoben werden? Dann aber wird Rex Shadrack von seiner Paranoia eingeholt. El Toro Blanco hat ihm eingeschärft, nicht leichtfertig mit diesen Geheimnissen umzugehen, die er Rex gelehrt hat. Und was könnte denn noch leichtfertiger sein, als dieses Geheimwissen einer außerirdischen Spezies weiterzuvermitteln, die er nicht einschätzen kann, auf einer ihm unbekannten Welt mit unbekannten Naturgesetzen, in einer fernen, absurden Zukunft? Überhaupt, wie soll das gehen; Doc Hollidays Hexslinger-Techniken zu erlernen dauert mindestens Monate, und sie haben bestenfalls ein paar Tage dafür Zeit! … Er muss dem Anouk-Häuptling ein Rätsel stellen, das dieser nicht lösen kann. Wie ein mythologischer Test. Nicht zu offensichtlich. Nichts, das Yoxoon nicht wissen kann, dann sieht es so aus wie ein abgekartetes Spiel. Etwas, das durchaus wie etwas klingt, auf das der andere Mann kommen könnte, aber für das es in Wirklichkeit keine Antwort gibt!
Wie geht dieser Gewissenskonflikt aus? Das muss ich nicht selbst entscheiden, das bestimmen die Orakelwürfel: Gibt es tags darauf eine Möglichkeit für den Hexslinger, sich rhetorisch aus der Affäre zu ziehen, oder sich von einer Verkettung der Ereignisse retten zu lassen? Die Würfel sagen, ‚ja, und außerdem‘! Also:
Die Dorfpriesterschaft untersagt zwischenzeitlich Häuptling Yoxoon und seinen Waffennarren, sich an den arkanen Künsten des Erdlings zu versuchen, denn es hat sich herausgestellt, dass jene unsichtbaren Mächte, mit denen der Erdmensch im Bunde steht, die Manitous, den vielgestaltigen Steinen bereits bekannt sind. Die Priester der Anouks haben ausgiebig ihre Kristalle befragt, und sind nun ausdrücklich dagegen, dass der Erdling ihren Anführer in die Lehre nimmt. Yoxoon berichtet dies unter vier Augen seinem Gefangenen, wenn auch mit einem merklichen Groll. Rex für seinen Teil fällt sozusagen ein Banshee-Stein vom Herzen.
☆
Zamantha, Rex und Maiqarooba werden nun zu Fuss durch die Great Wastes nach Norden wandern müssen, bis sie das sogenannte Fertile Crescent erreichen, das begehrte Siedlungsland des Kontinents One. Dort gibt es zahllose einstige Boomtowns und menschliche Siedlungen, wo sie einen Flug zur Raumhafenstadt Temptation ergattern können. Und in Temptation gibt es Bibliotheken, und Netzwerk-Terminals der Firma HI, wo Maiqaroobas rätselhaftes Lied ausgewertet werden könnte.
Außerdem interessiert mich natürlich die in FlexTale beschriebene Regel: Ist Rex‘ gefundenes Filmmodul (‚Gomorra, 1879’) aus dem geplünderten Hovercraft ein Unlinked Clue? Das Orakel bestätigt das, und ich setze den Unlinked Clue mit auf die Liste. Mal sehen, bei welcher späteren Queste der hilfreich sein wird.
Ich frage daraufhin die Orakelwürfel, ob das Trio es unbehelligt nach Temptation schaffen kann. Die sagen, ja:
Von Yoxoons Leuten werden die drei in der darauffolgenden Nacht ungesehen auf einem von Chanouks gezogenen Karren aus dem Dorf gebracht. Kaenan Benu ist mit von der Partie, dadurch erhalten sie Gelegenheit, sich draußen in der nächtlichen Wüste von dem alten UN-Diplomaten zu verabschieden.
„… Miss Muroa sehe ich wieder, wenn Eure Schatzjagd erfolgreich war. Aber was ist mit Dir, Mister Shadrack? Ihr bleibt doch wohl zusammen, oder? Das Thra‘Door-Dorf kann Dich auch in Zukunft gebrauchen. Es könnte auch Deine Heimat werden!“
„Danke für den Zuspruch, Sir. Und danke für all Ihre Hilfe während ich hier war!“, antwortet Rex, „aber ich gehöre ganz gewiss nicht hierher. So verpasse ich wohl die Hochzeitszeremonie von Miss Muroa und dem Edelmann aus der Wüste nächstes Jahr, ein Jammer. Es gibt aber viel zu viele Spuren, denen ich nachgehen muss. Es ist so viel geschehen in der Welt, seit … meiner Reise auf der Vostros.“
Kaenan nickt verständnisvoll, haut Rex freundschaftlich auf den Oberarm. Zamantha und er umarmen sich zum Abschied.
„Bis zu unserem Wiedersehen!“, sagt sie leise, unterdrückt die Aufregung in ihrer Stimme.
Kaenan Benu und die Anouks wenden sich zum Gehen, auf Kaenans Gesicht liegt dabei ein etwas seltsamer Blick, als würde er ein wenig bezweifeln, dass dies nur ein vorläufiges Lebewohl ist, auch was Zamantha betrifft. Aber er stellt keine weiteren Fragen, und wendet sich den vielen Schutzbefohlenen zu, die ihn im Dorf erwarten.
☆
Soundtrack: Michael Wyckoff, Dust Quest
https://www.youtube.com/watch?v=v4OOkfgT5mk
Zu Fuss durchwandern die drei die Einöde der Great Wastes. Shadracks wachsende Survival-Fähigkeiten werden von Zamantha und Maiqarooba unterstützt, welche beide recht wüstenfest sind. Er kann noch einiges von ihnen dazu lernen. Der Hexslinger beäugt seine neue Flamme mit höflicher Vorsicht: Ob sie sich nun wieder von dem Erdling distanzieren wird, nachdem ihre bevorstehende Eheschließung mehrmals erwähnt wurde …? Es scheint jedoch während dieser Reise, als wäre Rex weit mehr besorgt wegen dieser Angelegenheit, als Zamantha es ist, sie scheint keinerlei Skrupel zu haben bezüglich des ihr Versprochenen, immerhin sind die beiden ja noch nicht verheiratet. Unser Gentleman-Revolverheld ist auf der Erde etwas aus der Übung gekommen was Romanzen betrifft, und versucht seine gelegentliche Ratlosigkeit weiterhin mit Galanterie zu überspielen. Zamantha ist zwar weiterhin zu hochmütig, um es zuzugeben, aber dies gefällt ihr ausnehmend gut.
Schließlich erreichen sie die Zivilisation, in Form einer früheren Boomtown von Ghost-Rock-Schürfern. Auf der verrosteten metallenen Ortstafel auf der Zufahrtsstraße steht ein Name auf Chinesisch, untertitelt mit ‚Prosperous Diamond of the Hills‘. Mehrere Firmenlogos waren darunter ursprünglich aufgeführt, aber sind mittlerweile zur Unkenntlichkeit korrodiert. Jüngst hat außerdem jemand mit Anstreichfarbe diesen Ortsnamen durchgestrichen, und ersetzt gegen ‚Diehard Town‘.
„Gefällt mir irgendwie“, lächelt Rex grimmig, als sie die Zufahrtsstraße hinauf schlendern, die Daumen in seinen Gürtel gesteckt wie ein Cowboy.
Zamantha sieht sich etwas defensiv in den staubigen Straßen um, die Siedler hier sind von einem sehr anderen Menschenschlag als die Leute im Thra‘Door-Dorf; sie misstrauen allem, was in der Wildnis ist, und mustern den Anouk Maiqarooba und die Banshee-Geborene mit unverhohlener Ablehnung. Auch die Kolonisten hier stammen von allen möglichen irdischen Kontinenten, und es ist offensichtlich mitnichten Zamanthas Hautfarbe, an der sie sich stören, sondern ihr Clans-Schmuck, ihr Tarjik-Schild, und ihre Atax-Wurfscheibe. Was Maiqarooba betrifft, scheint es nichts an seiner Erscheinung zu geben, woran die Kolonisten nicht Anstoß nehmen. Sein gewohntes, gutmütiges Lächeln ist noch breiter geworden, während er sich umsieht, vermutlich setzt er dieses Lächeln absichtlich auf, um auf die untersetzten Erdlinge nicht bedrohlich zu wirken. Die gewünschte Wirkung bleibt dabei leider aus, im Gegenteil, seine Mimik hat dadurch nun in Augen der skeptischen Städter obendrein etwas Zwanghaftes. Unbewaffnete weichen vor dem massigen Anouk feige in Häusereingänge zurück.
Hier ist schon mal sein Profil, für den Fall, dass es hart auf hart kommt:
🌵Maiqarooba
Attributes: Agility d6, Smarts d4, Spirit d6, Strength d12, Vigor d10
Skills: Athletics d6, Common Knowledge d6, Fighting d6, Intimidation d4, Notice d6, Persuasion d6, Repair d4, Shooting d6, Stealth d4, Survival d4, Trade (Junk trader) d4
Pace: 6; Parry: 5; Toughness: 11 (1)
Hindrances: Hesitant (Constantly stops to think about stuff), Loyal (Very positive and supportive), Outsider (Minor: Anouk among humans), Tongue-Tied (Speaks only a very rare Asai dialect)
Edges: Brawler, Brawny
Special Abilities: Low Tech, Size +1
Gear: Leather armor (Armor 1), flint knife, tool belt for working with stone, bone, and scrap metal
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Sie essen in einer der schäbigen Bars am Stadtrand. Am staubigen Flugplatz von Diehard Town wird wenig später ein kleiner Transportflieger mit Kisten beladen. Sein Ziel ist Temptation, die größte verbleibende Raumhafenstadt auf dem Planeten. Zamantha kostet es nicht viel mehr als einen charmanten Augenaufschlag, um auszuhandeln, dass die Wild Cards spontan mitkommen dürfen, noch dazu für kleines Geld. Der Flug wird nur wenige Stunden dauern.
„... Was ist das für ein Ort, dieses Temptation?“, fragt Shadrack, als sie an Bord sind, „klingt gewissermaßen verrucht, dieser Name, eine Stadt der Versuchungen?“
„Die größte verbleibende Stadt, seit die Hauptstadt Unity Landing zerstört wurde“, entgegnet Zamantha, „ich war selber noch nie so weit weg vom Canyon der Thra’Door, ich kenne nur Geschichten darüber. Ich denke, die Versuchungen, die in Temptation warten, sind vielerlei Art. Aber die meisten Menschen berichten von politischen Versuchungen. Das Faraway-System ist mit all seinen Bodenschätzen immer noch schwer reich, vergiss’ das nicht, trotz der Abschottung von Terra, und trotz des Ausnahmezustandes, den General Warfield verhängt hat. Die mächtigsten Allianzen werden in Temptation geschmiedet, heißt es. … Und die Gefährlichsten.“
„Hm! Dann bin ich ja gespannt, welcher Art Ruf uns erreichen mag, während wir dort sind!“, sagt Rex und pafft gedankenvoll an seiner Pfeife.
Und er soll Recht behalten, aber anders als er denkt.
☆
May B. hält ihren Cowboyhut auf den Kopf gedrückt, damit er sich in der schwachen, künstlichen Schwerkraft nicht löst, und schreit aufgeregt über die Köpfe der Menge hinweg, „Rex Shadrack!“, und winkt wie wild in die Richtung seines Zylinderhuts. Die Passagiere des kleinen Raumschiffs in der Hangar-Halle haben gerade ihren Fuß auf Tunnel Station gesetzt, und versuchen sich im Gewimmel zu orientieren.
Die beiden arbeiten sich durch die schmuddeligen Spacer aufeinander zu, man merkt May an, dass sie sich in den letzten zwei Wochen bereits an die künstliche Schwerkraft der Station gewöhnt hat. Wie bei ihrem kurzen Wiedersehen an Bord des EXFOR-Bergungsschiffs fallen sie sich um den Hals.
„Auf einer Reise mit vielen Déjà-vu-Gefühlen ist dies das Erfreulichste!“, sagt Shadrack.
„Ich hätte niemals gedacht dass Kinraide Recht behält, und wir uns hier wiedersehen!“, japst May B. glücklich, „Rex, ich muss Dir so viel erzählen! Dieses Faraway ist ein einziger Hexenkessel!“
Rex lacht, und spart sich die Anspielung, was Hexerei betrifft, „Lass‘ Dich ansehen, junges Fräulein! Nun, keine neuen Narben, und offensichtlich recht akklimatisiert an die Verhältnisse hier oben!“
„Ganz recht! Und seit vorhin endlich ausgestattet mit Zugangscodes für die Archive von Tunnel Station! Sobald Ihr angekommen seid, können wir dort hin gehen, und Antworten auf alles finden, was sich zugetragen hat seit unserer Zeit! Du siehst auch gut aus, jedenfalls besser als vorher, irgendwie weniger hohlwangig! Geht das zurück auf Deine Begleitung?“, fragt May B., beinahe spitzbübisch, sie hat den forschenden Blick von Zamantha bemerkt, die sich hinter Shadrack hält.
„Ja, darf ich Dir meine Reisegesellschaft vorstellen, May B., die reizende Zamantha Muroa, Stammesprinzessin des Thra’Door-Dorfes. Und Maiqarooba, dessen Gedächtnis uns sehr nützlich sein wird.“
„Meine Fresse, Rex!“, grinst May B., „ich und Joycelyn hatten daheim schon gedacht, Du wärst vielleicht Abstinenzler geworden! Dann bist Du also endlich über Deine Theodora Francisco hinweg! … Freut mich, Euch kennenzulernen, Ihr beiden! Howdy!“
Zamantha blickt etwas verwirrt drein, jetzt wo sie gleich zwei Leute um sich hat, deren Vokabular aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Sie schenkt der Hexe ein huldvolles Nicken.
Rex sagt ungeduldig, „Wir sollten eigentlich gleich zu diesen Datenbanken, ohne auch nur eine weitere Sekunde zu verschwenden! Etwas Unfassliches ist offensichtlich auf der Erde geschehen binnen der letzten 218 Jahre!“
„Außerdem sind diese Rechner der Schlüssel zum Wohlergehen meines Dorfes“, fügt Zamantha hinzu, „ich bin sicher, die KIs der alten Baureihe, die wir suchen, gibt es hier oben noch.“
May B. nickt enthusiastisch, „Ja, klaro. Man muss leider verdammt nochmal alles erbetteln und endlose Formulare ausfüllen, die Arschkrampen von HI nehmen alles echt genau, aber die haben alles noch hier oben, was sie je gebaut haben. Zumindest wegen dem Museumswert!“
Rex schultert wieder die Rucksäcke von sich und Zamantha, und sagt dabei, „Wofür steht das eigentlich, HI? Ich nehme an, gemeint ist damit nicht diese merkwürdige Grußformel, die hier manche Spacer verwenden, oder?“
May B. wendet sich zum Gehen, um die Neuankömmlinge zum Hotel zu führen, und antwortet, „na, Hellstromme Industries!“
Shadrack hält inne, und knurrt ungläubig, „Sag‘ das nochmal …!“
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