Die Reise nach Westen führt die Trails entlang nach Colorado, der einzige nennenswerte Halt unterwegs ist die florierende Stadt Pueblo. Das sind satte 170 Meilen, also mindestens fünf Tage im Sattel. (Für geübte Cowboys kein Ding, aber meine Wild Cards haben allesamt
Riding nur auf W4.) Nach Pueblo ist es nicht weit bis Colorado Springs, und von dort kann mein Aufgebot die Eisenbahn nach Denver nehmen, ohne Angst vor allzu vielen Häscherinnen von Black River zu haben. (Die Gleise gehören an diesem Punkt bereits der Denver Pacific-Eisenbahn, die nicht in die Great Rail Wars verwickelt ist.)
Denver ist ihrer aller vorläufiges Ziel, und sie müssen dort entscheiden, ob sie gemeinsam weiterreisen werden, und was sie sich als nächstes vornehmen.
Ich gebe meinem Aufgebot noch keine neue Queste, das sollte warten, bis sie Denver erreicht haben. Es ist wohl mal Zeit für ein bißchen mehr Charakterisierung, und meine Wild Cards haben ja auch viel zu besprechen, und jetzt gerade viel Zeit, um das zu tun!
Reisetag 1Ich erwürfle einen GM Move und bekomme Foreshadow Trouble. Aha, sehr gut, einer meiner Lieblings-Moves!Außerdem ziehe ich eine Karte für Reisebegegnungen wie im Deadlands-Regelwerk beschrieben (Seite 97). Nur Hofkarten bedeuten Encounter, und ich bekomme eine Kreuz vier. Alles was heute passiert, ist demnach folgendes:In den sandigen Hügeln bei Syracuse wirbeln Reiter Staub auf, den man von Ferne sehen kann. Sie reiten in gemessenem Tempo, als hätten sie es nicht sehr eilig. Die Staubwolke bleibt aber konstant auf derselben Höhe, den ganzen Tag lang. Vielleicht nur Zufall, aber vielleicht werden meine Wild Cards auch verfolgt, von Hombres, die das Jagdttempo erst erhöhen wollen, wenn ihre Ziele schön weit weg von der Siedlung sind ...!
Zur Mittagszeit sucht meine Gruppe sich ein schattiges Wäldchen am Wegrand, und Byrd macht sich freudig daran, aus Gemüsekonserven und Pökelfleisch etwas am Lagerfeuer zu kochen.
Joycelyn wirkt reichlich jammerig, sie fühlt sich nicht eben wohl mit der Perspektive, eine Woche im Sattel zu verbringen, immerhin war ihre letzte solche Reise (bei ihrer Flucht aus Barricade) ein Desaster. Am Feuer sortiert sie ihre Einkäufe, die sie in Syracuse gemacht hat: "Unfasslich, dass diese Dinge die Gesamtheit meines derzeitigen irdischen Besitzes repräsentieren! Und ich dummes Ding hatte schon in Barricade gedacht, ich sei schlecht ausgestattet, aber da hatte ich immerhin noch meine ganzen Koffer! Wenn ich geahnt hätte, was als nächstes auf mich wartet ..."
"Warum schleppen Sie überhaupt all diese Sachen mit?", traut sich May B. zu fragen, und hält fünf verschiedene Größen von schimmernden Hornkämmen hoch. Sie gibt sich nach wie vor Joycelyn gegenüber etwas schafhaft.
Diese seufzt tief: "Ach Miss Wickett, ich wünschte, ich hätte Ihre Haare. Sie sind unverwüstlich. Sehen Sie mal, ich habe ja nicht einmal eine Lockenschere in Syracuse kaufen können! Ich werde binnen weniger Tage aussehen wie ein Wischmopp."
May betrachtet Joycelyns Klimbim fasziniert, aber traut sich nicht, weitere Fragen zu stellen.
"Wenn wir endlich,
endlich Denver erreichen, werden die Leute dort glauben, ich bin ein Waisenmädchen, eine Bettlerin", seufzt das Showgirl, und beendet ihre kleine Bestandsaufnahme.
"Dann entschuldige ich mich jetzt schon einmal für das nicht standesgemäße Mahl, Miss Lancaster! Habe immerhin so viel Majoran rein getan wie ich hatte!", verkündet Byrd.
"Machen Sie Witze, Mister Byrd? Das riecht
großartig, was Sie da kochen!", säuselt Joycelyn, sie hat ganz schön Kohldampf.
Byrd rührt mit breitem Schmunzeln in seinem Topf und denkt sich seinen Teil, der Schürzenjäger.
May B. wirft ihm einen genervten Blick zu, und rückt unwillkürlich etwas näher an Joycelyn heran, beginnt ihr energisch zu helfen dabei, ihre Handspiegelchen und Schminkdöschen und so weiter wieder in ihrer Satteltasche zu verpacken, die Hexe wirkt beinahe ein wenig besitzergreifend, irgendwie als sei die Sängerin ihr Privateigentum.
Der Rest des Tages vergeht ereignislos. Natürlich teilen Shadrack, Byrd, und Wickett Schichten ein für die Nachtwache, denn sowohl das Getier der Wildnis als auch die ominösen Verfolger könnten die Dunkelheit nutzen, um zuzuschlagen. Machen sie aber nicht, zumindest nicht heute.
Reisetag 2Die heutige Encounter-Karte ist eine Pik vier, also wieder alles ruhig. Dann und wann passiert das Aufgebot ein einsames Farmhaus oder überholt ein Fuhrwerk.
Joycelyn hat die Nacht über schlecht geschlafen in ihrem ungewohnten Schlafsack, und ist heute noch langsamer zu Pferde als gestern. Das blöde Vieh scheint auch so gar nicht so zu wollen wie sie will. Noch dazu nieselt es heute, und allen ist kalt. Als Joycelyn endgültig runter ist mit den Nerven, verlangt sie lautstark nach May B., und diese hat schließlich Erbarmen, steigt wortlos ab, und führt ihrer beider Pferde eben an den Zügeln.
"Aber Miss Wickett, so kommen wir doch auch nicht voran!", ruft Byrd nach einer Weile, "Sie müssen schon wieder aufsteigen! Sonst dauert die Strecke ja noch viel länger!"
"Lassen Sie mich in Ruhe! Es geht halt gerade nicht anders, sehen Sie doch!", gibt May wütend zurück.
Kalter Nieselregen tropft von den Hutkrempen der vier. Shadrack reitet ein Stück vor, um auf einer Anhöhe zu versuchen, einen genaueren Blick auf die Verfolger zu erhaschen. Byrd lässt sich schließlich so weit zurückfallen, dass er wieder neben den Pferden der beiden Frauen her reiten kann. Joycelyn ist in sich gekehrt, sie scheint vollends mit dem Gedanken daran beschäftigt zu sein, dass sie für solche Strapazen nicht gemacht ist. May B. stapft stoisch dahin mit den Zügeln der beiden Gäule in der Hand. Byrd nutzt das langsame Tempo, um im Sattel auf seiner Mundharmonika zu üben, er spielt echt schlecht, aber immerhin leise.
Schließlich wendet May B. sich nach Byrd um, und will wissen: "Was hatte das eigentlich vorgestern zu bedeuten? Abends in der Hamilton Street, meine ich. Warum wollten Sie, dass die Städter doch noch die Wahrheit hören? Und warum sollte ausgerechnet Joycelyn erzählen?"
Byrd schaut sie offen an und hört auf, Quietschtöne zu produzieren: "Miss Lancaster ist eben diejenige von uns mit dem größten Showtalent! Außerdem, wenn ich mich vor die Leute gestellt hätte, wäre ich nur ins Prahlen gekommen! Das geht ruck-zuck bei mir, schon schweife ich ab, ich kann nicht anders! Und Miss Lancaster hat das weltspitzenklasse gemacht, müssen Sie zugeben."
"Ja, aber was sollte das überhaupt? Sie reisen hier mit einer Hexe, und Shadrack und Sneyers sind Huckster. Die normalen Leute wissen nicht, was Manitous und die Ewigen Jagdgründe sind, die halten uns einfach für Teufelsanbeter. Wenn das schlecht gelaufen wäre, hätten die Leute in Syracuse uns in dieselbe Schublade gesteckt wie Fast-Shuffle Jones, den sie für ein Ungeheuer gehalten haben! Haben Sie nicht gehört, wie viele Fälle von Lynchjustiz es in den letzten Jahren hier draußen im Weird West gab?"
Byrd hebt die Schultern, und sagt, "Hatten Sie denn nicht das Gefühl, die armen Tröpfe in Syracuse hatten ein Recht darauf, zu erfahren, was vorgestern wirklich geschehen ist? Na ja, nicht unbedingt, was unser Aufgebot betrifft, oder ihren Bürgermeister ... das ist ja zugegeben in der Tat ein wenig figilinsch ... Aber zumindest, was Sundowns untote Horde betrifft ...?"
"Bah, wegen mir ist das unerheblich. Je mehr die Menschen die Kraft des Okkulten fürchten, desto stärker sind meine Hexenkünste."
"Aber Sie haben ja gesagt, Sie wollen Ihre Hexerei jetzt gegen das Reckoning einsetzen, Miss May! Weiß ich noch ganz genau. Sie sagten, Sie wollten versuchen, sie umzulenken."
"Und Sie sehen da einen Zusammenhang?"
"Na was weiß denn ich? Sagen Sie's mir! ... Aber wie fanden Sie das denn neulich, Miss Lancaster? Hat Ihnen Ihr kleiner Auftritt gefallen?"
Joycelyn schaut nun doch auf, und sagt sofort: "Ja, natürlich! Haben Sie gesehen, wie die Saloongäste mich angeschaut haben, nachdem ich zu Ende berichtet hatte? Als wäre ihnen allen ein riesiger Stein vom Herzen gefallen! ... Haben Sie mitbekommen, dass die später noch Samuel und Joe und Mister Hoover und die anderen Hilfssheriffs auf ihren Schultern die Hauptstraße hinauf getragen haben, wie in einem Festumzug? Das hätten sie wahrscheinlich sogar mit Mister Sneyers gemacht ... wenn der nicht so ein Dickerchen wäre!", und sie kichert.
Byrd strahlt May B. an: "Sehen Sie, Miss May? Ende gut, alles gut. Und niemand ist dabei aufgeflogen, oder gelyncht worden."
☆
Reisetag 3Weiterhin kommt kein Encounter laut Kartenziehung. Mein Aufgebot erreicht Colorado, ein neugegründeter Staat, auf den sowohl die Union als auch die Konföderation Anspruch erheben, aber bevor nicht der Bürgerkrieg entschieden ist, wird auch diese Frage ungeklärt bleiben.
Das Wetter ist gestern Abend wieder besser geworden, und auch Joycelyn und ihr Pferd scheinen sich aneinander gewöhnt zu haben. Heute kommen die Wild Cards wieder zügiger voran. Noch etwas schläfrig reiten die vier unter dem rötlichen Sonnenaufgang dahin.
Joycelyn hält sich weiterhin an May B.s Seite, und schaut hilfesuchend in Richtung der Hexe, wann immer es auch nur bedrohlich im Unterholz am Wegrand knackt.
"Haben Sie heute Nacht besser geschlafen, Joycelyn?"
"Puh, es war grauslich! Feucht und kalt, und alle paar Stunden kreucht irgendetwas im Gebüsch zum Lagerfeuer und macht Lärm! Wie haben Sie's nur ausgehalten auf dem Hügel bei Barricade in ihren Zelten? Das einzige, was mich derzeit bei Laune hält ist die Perspektive, dass in Pueblo und Colorado Springs Hotelbetten auf uns warten!"
May B. denkt an das Zeltlager der Wichita Witches zurück. Eigentlich fand sie es da ziemlich nett, zumindest, wenn nicht Ivanka Darrow gewesen wäre.
"Was mache ich denn mit Ihnen, wenn wir Denver erreicht haben?", fragt sie, und fügt unsicher hinzu: "Sie können nicht einfach zurück in Ihr voriges Leben in Chicago. Black River wird Sie dort erneut kontaktieren, und dann geht für Sie alles von vorne los."
Joycelyn hebt verächtlich ihre Stupsnase: "Ich muss ja keinen neuen Tournee-Vertrag mit ihnen unterschreiben! Und dafür, dass der alte Vertrag geplatzt ist, können die Damen mich kaum belangen. Es ist ja nun nicht meine Schuld, dass ein Wirbelsturm meinen Einsatzort weggefegt hat."
"Sie stellen sich das ... etwas einfacher vor, als es ist, glaube ich. Erinnern Sie sie daran, wie boshaft Miss Darrow war, wenn wir anderen nicht gespurt hatten?"
"Dieses Biest, mit Verlaub!"
"Ganz genau. Aber gegen Violet Esperanza und die anderen Chefinnen war Miss Darrow lammfromm. Die häuten Sie und rösten Sie auf kleiner Flamme, wenn Sie aussteigen wollen, Miss Lancaster."
Joycelyn wirft May B. einen erschütterten Blick zu. May beißt sich auf die Zunge, sie hätte vielleicht nicht ganz so bildhaft werden müssen. Nicht, dass es so weit hergeholt war.
"Sie beschützen mich doch, während wir miteinander unterwegs sind, Miss Wickett?", haucht Joycelyn eingeschüchtert.
May nickt schnell: "Ja, natürlich. Sie können sich auf mich verlassen."
"Ach, ich bin so froh. Ehrlich gesagt, dachte ich, dass ich in ein großartiges Abenteuer aufbreche, als ich Black River zugesagt hatte, für sie in Kansas aufzutreten. Großartig, und lukrativ! Hinaus in den Weird West, von dem so viel in den Zeitungen zu lesen ist. Bisher war jedoch das meiste von dieser Reise ein einziges Schrecknis! Sie, May, sind mein einziger Lichtblick dabei gewesen."
May B. hofft, dass sie nicht errötet, und fragt schnell, "Aber jetzt, nachdem Ihr Abenteuer nicht sehr lukrativ war, was wollen Sie denn jetzt?"
Joycelyn zögert, und sagt schließlich, "Mir weiterhin einen Namen machen. Aber es ist eigentlich nicht so wichtig, wo. Ehrlich gesagt bin ich mir unsicher geworden, ob ich tatsächlich in das Showgeschäft im Back East zurückkehren will, oder vielleicht tatsächlich hier draußen bleiben. Es muss ja nicht gleich die Wildnis sein wie hier gerade! ... Aber wie ist Denver denn so? Ich habe viel Gutes darüber gelesen!"
May zuckt nachdenklich die Schultern: "Alle Schienen führen nach Denver, heißt es. Das Eisenbahnrennen wird sich vielleicht dort entscheiden. Black Rivers verdeckte Agentinnen werden jetzt schon da sein. Mit ähnlichen Machenschaften, wie wir sie vor hatten in Barricade! Ich muss noch weiter weg, mal sagen, Kalifornien. ... Das Land, wo Gold und Ghost Rock auf der Straße liegen!"
Die beiden wechseln einen Blick.
"... Wenn Sie wollen, nehme ich sie mit dahin!", endet May.
☆
Reisetag 4Die Encountertabelle gibt nach wie vor nichts her, Colorado wird langsam hügeliger, erscheint weitgehend ausgestorben. Auch die unbekannten Verfolger haben seit Tagen nicht von sich hören gemacht ...
Shadrack und Byrd stehen nebeneinander in den vertrockneten Büschen und pissen.
"Hab' lange nicht mehr so viele Tage hintereinander auf 'nem Gaul gesessen! Oho, urinieren Sie mal nicht auf diesen Ast da, der passt gut in meine Liege! Den baue ich gleich mit ein!"
"Sie haben meiner Ansicht nach schon genug Zeit damit verplempert, an Ihrem Sattel rumzubasteln, Mister Byrd. Sie sollen auf dem Gaul reiten, nicht drauf liegen!"
"Am besten wäre eine Trage, die kann der alte Zosse einfach ziehen. Hatte ich mal, das war prima. Da konnte ich ordentlich Schlaf nachholen auf längeren Reisen! Das geht aber nur, wenn das Pferd den Weg genau kennt."
"Trage, ach Du meine Fresse. sehen Sie zu, dass Sie nicht runterfallen aus diesem dämlichen Liegestuhl, den Sie sich da zusammenbasteln. Das Ganze hier dauert schon lange genug. Wenn Sie diesen Ritt durch Ihre Possenreißerei noch mehr in die Länge ziehen, lasse ich Sie zurück."
"Ich find's wunderbar, wenn nur nicht die wunden Waden wären! Und wir haben ja sogar was Hübsches zum Gucken, Shadrack, während wir durch die malerische Landschaft ziehen!"
"So hübsch diese Gesichter auch sind, Byrd! Vergessen Sie nicht, Miss Lancaster verlangsamt uns alle durch ihre schlechten Reitkünste und ihre fortwährenden Befindlichkeiten. Und wenn Miss Wickett nicht wäre, hätten wir nicht die Black River-Truppen zu fürchten, und die Rothäute, mit denen sie sich in Barricade angelegt hat! Wer weiß, welche von ihren Feinden es sind, die uns seit Syracuse mit Abstand nachfolgen."
Sie hören auf zu pissen und gehen zu den Pferden zurück, Byrd kramt noch den Ast hervor, um ihn in seinen Liegestuhl mit einzubauen, dann holt er zu Shadrack auf:
"Och, jetzt seien Sie aber nicht unfair, Chefchen. Könnten auch welche von unseren Feinden sein! Der Court, Späher von Bayou Vermillion, möglicherweise gar Überbleibsel der Varville-Gang!"
Bevor sie aufsitzen, wechseln sie einen Blick.
"Da hilft keine falsche Bescheidenheit, Mister Shadrack ...!"
"Wollen Sie sagen, wir waren insgesamt erfolgreich damit, viele von den Machtgruppen, die wir hassen, ordentlich zu ärgern?"
Byrd grinst breit: "Yup! Hand auf's Herz und ganz ehrlich: Ist doch irgendwie gut!"
Sie lachen, und und schwingen sich in die Sättel.
Reisetag 5Wieder kein Encounter laut Tabelle, was ist da los. Dann mache ich mal wieder einen GM Move: Reveal a New Detail Hm! Was für ein Detail ist das denn? Mein Kartenorakel sagt dazu, a Large Plot Arc, also einer der größeren Handlungsbögen.Mittlerweile war es tagelang wieder trocken, und mit derselben Abstand wie nach Syracuse sieht man im Verlauf von Tag fünf erneut die Staubwolke der Verfolger über dem sandigen Trail aufsteigen. Während einer Rast sitzt Shadrack auf einem felsigen Hügel in seinem Sattel und versucht verdrossen etwas hinter ihnen auszumachen. Er mischt gedankenverloren dabei seine Spielkarten, wahrscheinlich hat er seine Sinne verstärkt. Die anderen drei warten darauf, dass das Wasser für den Kaffee auf dem Lagerfeuer zu kochen beginnt, und kommen ihm nach.
"Irgendwas entdeckt, Chefchen?"
"Hätten wir mal ein verdammtes Fernglas dabei", murrt er, "keine Ahnung, was das für welche sind. Jedenfalls sind sie immer noch hinter uns, mit demselben Abstand wie ursprünglich. Das passt mir nicht."
May B. späht ebenfalls hinunter zwischen die spärlich begrünten Hügel, und wirft einen Benny ab, um ihre Gabe zu aktivieren. Sofort zuckt sie zusammen. Shadrack und Byrd sehen sie alarmiert an.
"Was ist denn da?", raunt Byrd, "sehen Sie etwa wieder was, was wir nicht seh'n?"
"Manitous!" keucht May B. erschrocken, "Wie eine bleiche Wolke ... sie umschwärmen diese Reiter. Wie als wären sie ganz heiß darauf, von denen beschworen zu werden! Sowas habe ich schon gesehen, an Orten, wo viel Aufruhr in der Geisterwelt ist, zum Beispiel in Wichita ..."
"Also Huckster! Dann hat Amblin seine Männer schneller zusammengetrommelt als erwartet, und wir müssen nur auf sie warten, um sie in die Mangel zu nehmen!", grummelt Shadrack, seine Stimme klingt entschlossen.
"Huckster, oder Wichita Witches, oder gar Sioux-Schamanen!", zischt May B. und zwingt sich, den Blick von den fliegenden, gespenstischen Leibern abzuwenden, "und zwar nicht irgendwelche. Ernest Amblin hat keine Wolke von Manitous um sich versammelt, und nicht einmal Otavana. ... Es muss jemand sein, der jetzt gerade für sie ... eine konstante Quelle von Möglichkeiten ist! Wie ... ein Fahrkartenverkäufer für Zugreisende ..."
"Hübscher, thematischer Vergleich!", lobt Byrd, "also was, lauern wir ihnen auf?"
"Nein, nicht unter diesen Umständen", sagt Shadrack grimmig, aber seine Hände zittern, "wir brauchen eine Rückversicherung, und einen Plan. Wir müssen mindestens Pueblo erreichen, um zuschlagen zu können, oder noch besser, Denver."
☆
Am späten Abend treffen meine Wild Cards in Pueblo, Colorado, ein, ein niedliches Städtchen von knapp derselben Größe wie Syracuse. Es gibt keine Zuganbindung und daher sind die Eisenbahnkriege weit fern. Dafür müssen Güter mit der Postkutsche hergebracht werden, und dergestalt sind die Preise für Waren aller Art ordentlich gesalzen.
Byrd und Wickett sind seit Barricade total blank, und beschließen, in eine der spätabendlichen Pokerrunden einzusteigen, um ihre Reisekasse aufzubessern. (Papa Shadrack hat auch klar gemacht, dass er nicht gedenkt, weiterhin die Hotelkosten für die ganze Reisegruppe zu tragen, der Geizkragen.) Dafür nehme ich die
Gambling-Regeln aus der Skill-Beschreibung (SWADE-Grundbuch, Seite 30). Byrd kommt auf eine fünf, May B. hat richtig Schwein und erreicht 17. Die Kartenhaie im Casino haben einen W8, aber unterbieten beide Resultate. Bei einem Einsatz von 10 Dollar gewinnt Byrd 30, und May B. geht mit 150 Dollar vom Pokertisch weg. Das hat sich gelohnt! Nun hat sie aber den Nachteil
Outsider, und Pokerspieler im Weird West stehen leider nicht im Ruf, eine solche Schlappe mit Anstand hinzunehmen, noch dazu von einer Anfängerin. Um die anschließenden Vorwürfe der Falschspielerei abzuwiegeln, muss sie
Persuasion würfeln (ihr -2 für Outsider und +2 für
Very Attractive heben sich dabei gegenseitig auf). Sie kommt auf eine neun, was ein
Raise ist. Byrd verfolgt verschmitzt das Schauspiel, wie May B. freundlich aber bestimmt alle Vorwürfe und Fremdenfeindlichkeiten von sich weist — und die Herren dabei in honigsüßer Stimme auch noch beleidigt, ohne dass sie es merken.
Und wo wir grade beim Aufbessern der Reisekasse sind, Joycelyn tut selbiges im Saloon um die Ecke, mit einem
Performance-Wurf (SWADE-Grundbuch Seite 32). Sie ist clever genug, unter falschem Namen aufzutreten, um keine leicht nachvollziehbare Spur für Verfolger zu hinterlassen, verzichtet also auf den Bonus von ihrem
Fame-Vorteil. Mit einem Erfolg verdient sie 50 Dollar in Gage und von Spenden aus einem Hut der herumgereicht wird, und noch dazu ein paar Blumen und einen (übermäßig spontanen, aber von Herzen kommenden) Heiratsantrag eines Angetrunkenen.