Kaufe ich mir ein englischsprachiges Buch, habe ich die Sicherheit, auch die weiteren Neuerscheinungen in der englischen Originalausgaben kaufen zu können. Kaufe ich die deutsche Übersetzung, muss ich damit rechnen, dass diese mies übersetzt und/oder lektoriert ist (z.B. bei den Bänden aus Ulisses zweitem V20-CF), der Verlag nur einzelne, vermeintlich verkaufsträchtige Bände übersetzt (z.B. BattleTech bei Ulisses), einzelne Bände wegen vermeintlicher Konkurrenz zu eigenen Produktlinien ausgelassen werden (z.B. die Mars-Publikationen für HEX wegen Space: 1889 bei Uhrwerk), die Reihe wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit eingestellt wird (demnächst mehr zu diesem Thema bei Uhrwerk) oder der deutsche Verlag plötzlich und überraschend die Lizenz verliert (z.B. D&D 4E damals bei Feder & Schwert).
Mehr als genug Gründe, bei Spielen, die einem besonders am Herzen liegen, die englische Originalversion zu kaufen. Und als Bonus-Häppchen sind die Bücher meist auch im Original billiger und deutlich früher zu haben.
Von daher ist es völlig klar, dass der deutsche Markt zumindest für Übersetzungen kleiner ist als eine prozentuale Übertragung der amerikanischen Zahlen auf Deutschland.
Jim Raggi hat mir einmal erzählt, er habe ein Angebot eines deutschen Verlages bekommen, der gerne Lamentations of the Flame Princess auf deutsch herausbringen wollte. Jim hat abgelehnt. Beim Online-Shop von Raggi machen Bestellungen aus Deutschland wohl einen großen Teil des Umsatzes aus, und Jim befürchtete, der Rückgang der Direktverkäufe nach Deutschland würde ihn mehr Geld kosten als ihm die Lizenzgebühren einbringen würden.
Auf Dauer erwarte ich eine Verschärfung der Vierteilung der deutschen RPG-Verlagslandschaft:
- Verlage, die ein eigenes Rollenspiel als Ankersystem haben und dazu Übersetzungen kleinerer fremdsprachiger Systeme machen (Z.B. Ulisses mit DSA und Uhrwerk mit SM)
- Klein(st)verlage, die vor allem Übersetzungen kleinerer fremdsprachiger Systeme machen (Z.B. Truant und System Matters)
- Deutsche Übersetzungen direkt durch den Originalverlag (wie aktuell bei 5E)
- Verlage, bei denen Rollenspielprodukte eher als Hobby mitlaufen (Pegasus).
Zum Vergleich der Kickstarter-Zahlen aus den USA und Deutschland: Betrachtet man die Anzahl der Teilnehmer an den TDE-Crowdfundings, sieht man, das deutschstämmige Rollenspiele in englischer Übersetzung ein vergleichbares Backer-Verhältnis zwischen Heimatland- und Auslands-Crowdfundings haben wie deutsche Übersetzungen amerikanischer Rollenspiele.