The Hidden Shrine of Tamoachan ist ursprünglich 1980 erschienen und wurde als Teil der Abenteuersammlung „Tales of the Yawning Portal“ für D&D5 neu aufgelegt. Das Ding enthält derart gravierende Schnitzer, dass ich einerseits etwas Dampf ablassen will und euch andererseits davor warnen möchte, eure Zeit zu verschwenden. Hinweis an zufällig mitlesende Spieler: Ich werde das Abenteuer wahrscheinlich trotz seiner Mängel in modifizierter Form leiten, daher bitte nicht weiterlesen.
Es fängt schon damit an, dass ich lange keinen so dünnen Abenteueraufhänger mehr gelesen habe. Tamoachan ist eine alte Ruinenstadt, in der es einen Schrein geben soll, der dem Vampirgott der Unterwelt geweiht ist. Nur wenige Gelehrte kennen die Legende aber wo der Ort liegt, weiß niemand. Außer der mystische Fremde, der im „Yawning Portal“ (der Taverne in Tiefwasser, die der Sammlung ihren Namen verdankt) auftaucht und es natürlich den Charakteren erzählt. Ich zitiere mal, was als nächstes kommt: „Adventurers who catch wind of the place are likely to find its lure irresistible.”
Die Charaktere machen sich also auf nach Tamoachan. In der Ruinenstadt angekommen, bricht der Boden unter ihren Füßen ein und befördert sie an die tiefste Stelle des Schreins. Kann man hassen (hartes railroading, passt gut zum Dünnbrettaufhänger) oder lieben (direkt in medias res, passt ebenfalls gut zum Dünnbrettaufhänger) – ich persönlich bin hier hin und her gerissen. Um das Abenteuer zu überleben, müssen die Charaktere nun zurück an die Oberfläche und sich dabei durch den ganzen Schrein – der einer Pyramide einer mesoamerikanischen Hochkultur nachempfunden ist – kämpfen. Das Abenteuer ist in der D&D5 Version für 4-5 Level 5 Charaktere ausgelegt. Der gesamte Dungeon strotzt nur so von Fallen & Gegnern - auch solchen, die mangels Nahrung & Wasser schon lange tot sein müssten. Friedliche Lösungen sind nur selten möglich und Verbündete lassen sich überhaupt nicht gewinnen, von rivalisierenden Fraktionen, die sich gegeneinander ausspielen lassen, ganz zu schweigen. Außerdem ist ein Großteil des Dungeons mit giftigem Gas gefüllt, der pro Stunde 1d6 Schaden verursacht und es besteht jede Stunde eine 8,3% Chance, auf wandernde Monster zu treffen.
Aus diesem Setup ergeben sich aus meiner Sicht zwei mögliche Szenarien: Erstens, ein Charakter beherrscht den Zauber „Leomund’s Tiny Hut“. Dann ist der Dungeon viel zu leicht, denn die Charaktere können ihre „Ressourcen“ nach Belieben auffüllen. Dieses Problem ist zugegebenermaßen eines, das auch am Zauber liegt und außerdem lässt sich debattieren, ob die Hütte vor Gasen schützt. Kommen wir also zu Szenario zwei, nämlich dass die Charaktere eher früher als später an der Unzahl von Fallen & Gegnern sterben. Mit anderen Worten: Der Dungeon ist viel zu schwer. Auch besteht keine Möglichkeit, gefallene Charaktere zu ersetzen – wir sind ja mitten im Nirgendwo in den Boden eingebrochen und kennen den Weg raus nicht.
Wie zur Hölle haben sich die Autoren das vorgestellt? Fünf Leute setzen sich an einen Tisch, nach 1 Stunde ist der erste tot, nach 20 Stunden der letzte. Zwischendrin erfreuen sich alle am schönen mesoamerikanischen Flair des Tempels und den zahlreichen Schätzen, bevor dann wieder der nächste drauf geht? Der einzige Kontext, in dem das Abenteuer Sinn macht, scheint mir das „D&D-Turnierspiel“ von anno dazumal. Also nach dem Motto: Wir werfen möglichst viele Gruppen in diesen Fleischwolf und wer am weitesten kommt, hat gewonnen. Dazu würde auch der Hinweis passen, dass das Abenteuer-Debut 1979 auf der Origins game convention im Rahmen der „official D&D competition“ stattfand.