DM Scotty ist auf YT dafür bekannt, aus Pappabfällen, Klopapier und viel Heißkleber Dungeon Tiles zu basteln. Außerdem ist er ein ziemlich verrückter Kerl Marke Weird Al, nur dass er nicht Akkordeon sondern Rollenspiele spielt.
Und mit der Veröffentlichung von **EZD6** ist er nun auch ein Autor.
Auf rund 100 DIN-A5-Seiten beschreibt er, wie man mit minimalen Regeln und "maximum fun" spielt. Sein System hat Oldschool-Feel, ohne aber D&D nachzubauen, sondern ist eher ein Erzählspiel, in dem ab und zu gewürfelt wird, damit die Geschichte weitergeht. Ich mag sowas.
Ich finde allerdings unnötig, bestehende Begriffe umzudefinieren. Statt _Rabble Rouser_ bleibe ich daher bei SL und statt _Pushers & Shovers_ bei SCs. Sorry, Scotty.
Zum Spielen muss man nur diese Regel kennen: Steht etwas auf dem Spiel, muss ein SC eine Probe bestehen, indem mit 1W6 größer-gleich einer SL-vorgegebenen Schwierigkeit von 2-6 gewürfelt wird.
SCs können einen Bonus bekommen und zusätzliche W6 würfeln und das beste Ergebnis werten. Ein Malus zieht stattdessen W6 ab. Würde man keinen W6 mehr haben, würfelt man 2W6 und nimmt das schlechtere Ergebnis.
Bonus und Malus wird von der SL vorgegeben (oder vom Spieler eingefordert "Mein Waldläufer kennt sich beim Spurenlesen aus, bekomme ich einen Bonus?"), genau wie die Schwierigkeit, wo 2 einfach, 3 normal, 4 schwer, 5 sehr schwer und 6 verdammt schwer ist.
Karma-Punkte erlauben ein bisschen Taktik: Damit auch Versagen Spaß macht, bekommt man für misslungene Proben je 1 Punkt Karma. Dieses kann man einsetzen, um Würfel hochzudrehen und so doch noch Erfolg zu haben. Die SL kann Karma auch für Aktionen, die allen Spaß machen (dieses ominöse "gute Rollenspiel" von dem sie alle reden) verteilen oder wenn ein Meilenstein erreicht wurde oder nach sonst einem abgesprochenen Verfahren.
Fertigkeiten oder Attribute gibt es keine. Auch keine Stufen. Charaktere haben allerdings drei "Strikes" genannte Lebenspunkte. Eine erfolgreiche Angriffsprobe bedeutet einen Strike und nach drei Strikes sind sie "raus" und die SL interpretiert, ob das nun tot oder bewusstlos oder gefangen oder was auch immer bedeutet.
In aussichtslosen Situationen, etwa wenn über dem SC eine Höhle zusammenstürzt, darf als letzte Rettung ein "Wunderwürfel" geworfen werden. Eine 6 erlaubt dem Spieler, eine Wendung zu erzählen, warum der SC mit einem verbleibenden Strike doch überlebt. Nette Idee.
Eine gewürfelte oder hochgedrehte 6 im Kampf ist ein kritischer Treffer und man kann den Würfel nochmal würfeln, um vielleicht nochmal Erfolg (mit oder ohne Karma-Einsatz) zu haben. Das kann natürlich wieder eine 6 sein und dann kann man's nochmal wiederholen und theoretisch so auch Drachen mit einer Angriffsprobe umhauen.
Zauberer und Priester können Magie oder Wunder wirken. Dazu beschreiben sie, was sie erreichen wollen. Die SL legt dann fest, mit wie viele W6 eine Schwierigkeit vorgelegt wird, die dann der SC mit wahlweise 1-3W6 überkommen kann. Mehr Würfel machen das wahrscheinlicher, doch jede gewürfelte 1 lässt entweder den Zauber scheitern oder kostet einen Strike. Und man darf kein Karma einsetzen.
Dies braucht ein Beispiel: Odan will vier Goblins in dem Raum mit einem Schlafzauber kampfunfähig machen. Die SL würfelt 4W6 und legt 2, 3, 4 und 6 vor. Odan seufzt ob der 6 und riskiert das Maximum von 3W6 und würfelt 3, 4, 5. Es hat nicht geklappt. Wäre es 3, 5, 6 gewesen, würden nun alle vier Goblins bewusslos zu Boden sinken. Wäre es 1, 3, 6, wäre der Zauber gescheitert, außer Odan akzeptiert einen Strike.
Eine Sonderregel habe ich bislang noch nicht erwähnt: Jeder SC hat einen Heldenwürfel, den er einmal benutzen kann, um einen Würfelwurf zu wiederholen. Danach kann man den Heldenwürfel für fünf Karma neu kaufen.
Was die Regeln sonst noch bieten sind neun einseitige Heldenpfade, die zwei bis vier Sonderregeln pro "Charakterklasse" definieren, etwa dass der "Friar" genannte Kleriker einen Strike gegen andere auf sich übertragen kann. Außerdem eine Seite, die Elfen, Zwerge und Halblinge erwähnt, was ich aber nicht der Rede wert finde. Das hätte man sich auch in 30 Sekunden selbst ausdenken können. SCs haben schließlich noch 2 oder 3 Talente ("inclinations"), die ebenfalls Sonderregeln definieren, etwa das man so gut im Schlösser öffnen ist, dass man nur noch mit 1W6 würfeln muss, wie lange es dauert (eine 1 ist ein Fehlschlag). Was für Zeitabschnitte gemeint sind, erwähnen die Regeln nicht weiter, das muss man sich, wie vieles in dem System, denken – vermutlich Kampfrunden. Ich zähle 27 Talente.
Man soll sich außerdem noch zwei Aspekte ausdenken, die den SC näher beschreiben. Zum Beispiel ein emotionsloser Gladiator oder ein weitbekannter Zuckerbäcker. Mit solchen Aspekte kann man dann für Bonusse argumentieren. Und die sind auch ein Weg, wie Charaktere "besser" werden. Denn explizite Steigerungsregeln gibt es keine. Stört mich nicht, denn das Zero-to-Hero mag ich nicht sonderlich.
Das war so ziemlich alles, was auf den ersten 40 Seiten über die Regeln und die Charaktererschaffung zu erfahren ist. Die restlichen Seiten enthalten dann Tipps für die SL (14 Seiten), 40 Monster (30 Seiten), 100+ magische Schätze (20 Seiten) und Tabellen sowie Index (8 Seiten).
Monster werden durch zwei Zahlen (Anzahl ihrer Strikes und Schwierigkeit für Treffer) definiert, sowie eine Beschreibung, die Sonderregeln enthält. Eine magieverformte Riesenfledermaus etwa zieht einen Gegner nach einem Treffer hoch in ihr Nest um das Opfer dort zu verspeisen. Dem Schrei eines solchen Tiers kann nur widerstehen, wer erfolgreich einen Wunderwürfel würfelt. Solche Dinge.
Ein Thema, was sich durch das ganze Buch zieht ist, dass die SL keinerlei verbindlichen Regeln unterliegt und walten und schalten soll und kann, wie immer es der Geschichte dient. Die üblichen Dinge wie "sei kein Arsch, sei Fan der Spieler, sei fair und unparteiisch, usw." gelten natürlich. Wenn aber die Spieler kein Vertrauen in die SL haben, wird ein Spiel mit EZD6 scheitern. Falls aber doch, kann man sich fallenlassen und einfach machen, was immer einem einfällt, es gibt keinerlei Einschränkungen außer dem, was der Gruppe und/oder der SL nicht angemessen erscheint.
Somit ist EZD6 wie eigentlich alle regelleichte Systeme eher etwas für langjährige Spieler, die mehr Freiheit haben wollen, keine komplizierten Regeln memorieren wollen, und über einen Fundus an Regelmischmasch auf diversen Systemen verfügen, auf den man dann "intuitiv" zugreifen kann.
Außerdem erfordert das Spiel aktive Spieler, die das Spiel mit gestalten und nicht nur Ploteisenbahn fahren wollen, denn sie sind es, die den Plot erst definieren. Somit ist EZD6 wie die meisten Erzählspiele eigentlich etwas für eine Gruppe von SLs, die alle Lust haben, gemeinsam eine Geschichte zu erzählen. Das ist nicht für jeden etwas, aber genau der Stil, der mir am meisten Spaß macht.
Ach ja, das Buch enthält keinerlei Setting, ist damit eigentlich universal, die Heldenpfade und Talente haben aber alle ein Fantasy-Thema. Ich vermute doch stark, dass da mit der Zeit Erweiterungen für andere Settings kommen. So, wie es vorliegt, eignet es sich für jede Klischee-Fantasy-Welt. Eigentlich müsste man damit aber auch auf Aventurien spielen können. Vielleicht sind dafür allerdings die Charaktere dann etwas zu kompetent. Müsste man ausprobieren. Und man müsste halt gemeinsam in der Gruppe festlegen, was nun Andergaster Ritter oder Havenische Kaufleute für besondere Talente haben, ohne sich in DSA-typischer Kleinteiligkeit zu verlieren. Besser funktioniert daher denke ich der DCC-Ansatz, wo ein komplexes Setting nicht weiter wichtig ist, weil man ja Spaß mit dem Dungeon haben will.