Autor Thema: Macht detaillierte Vorbereitung unflexibel?  (Gelesen 5365 mal)

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Offline Jiba

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Re: Macht detaillierte Vorbereitung unflexibel?
« Antwort #75 am: 21.11.2022 | 13:29 »
Ja, der Krimi ist aber ein Genre, das hard worldbuilding per se erfordert. Es sei denn natürlich wir zählen zum Beispiel sowas wie "Twin Peaks" als Krimi.

Aber du gestehst doch auch zu, dass die "Suspension of Disbelief" eine sehr schwammige Kategorie ist, die durch Tagesform, Genrekonventionen und Spielerpersönlichkeit massiv beeinflusst wird. Es gibt ja auch Settings mit beinhartem Worldbuilding, die müssen wir trotzdem nicht plausibel finden.
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“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline tartex

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Re: Macht detaillierte Vorbereitung unflexibel?
« Antwort #76 am: 21.11.2022 | 13:42 »
Die größten Meisterwerke der Science Fiction (Schöne neue Welt, Foundation, I Robot, Es stirbt in mir, Gattaca, Altered Carbon,...) versuchen ein solches Element einzuführen und durchzudenken. Damit ist ein für gewöhnlich hochintelligenter Autor, der viel Zeit da reinsteckt, schon voll ausgelastet. Der Versuch, beispielsweise die Auswirkungen des gesamten D&D-Spellbooks (oder eben der ganzen Harry-Potter-Magie) auf eine Welt tatsächlich abzuschätzen, ist natürlich völlig zum Scheitern verurteilt.

Es sei den man wählt das Mittel der Dekonstruktion. Andere Meisterwerke - z.B. Watchmen oder Neon Genesis Evangelion - nehmen so einen Kosmos dann auseinander und lassen beim Erkennen der Dissonanz und ihrer Überwindung den Groschen fallen.
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Re: Macht detaillierte Vorbereitung unflexibel?
« Antwort #77 am: 21.11.2022 | 13:46 »
Grundsätzlich: Wenn ich einen Plot (wie die klassische Suche nach dem Mörder), der sich auf die Gegebenheiten der realen Welt verläßt, um zu funktionieren, in ein fiktives Setting (wie etwa eine D&D-Welt) verpflanze, das ganz offensichtlich nach anderen Regeln tanzt, und diese Unterschiede dann aber nicht berücksichtige...dann liegt der Fehler natürlich allein bei mir und ich verdiene die Haue dafür. ;) Ein D&D-Attentäter, der ein hochrangiges Opfer wirklich ausschalten will, muß sich eben mehr Mühe geben als einfach nur "Anschleichen und Abstechen" -- und vielleicht auch die Hoffnung auf völlig unerkanntes Entkommen von vornherein aufgeben (Kleriker: "Okay, ich frage mal kurz meinen Gott...") und statt dessen gleich Maßnahmen gegen die Vergeltung von Leuten treffen, die einfach schon wissen, hinter wem sie her sind.

Offline Zed

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Re: Macht detaillierte Vorbereitung unflexibel?
« Antwort #78 am: 21.11.2022 | 15:28 »
Ich bin mit der Definition nicht einverstanden.
Wenn etwas für den Plot relevant ist, kann es per se nicht irrelevant sein.
Der klassische Hitchcock'sche McGuffin ist zum Beispiel ein Koffer undefinierten Inhalts. D.h. der Koffer ist plotrelevant, weil sein Inhalt (undefinierte) Konsequenzen hätte. Der Inhalt wird aber dem Zuschauer nicht mitgeteilt, weil er und die Konsequenzen nicht relevant für den eigentlichen Plot des Films sind.

Diese Definition eines MacGuffin wird von Filmwissenschaftler:innen nicht geteilt:
Zitat
Ganz leer ist der MacGuffin aber nicht: Er muss die funktionalen Bestimmungen erfüllen, die im Kontext auf ihm liegen. Er muss z.B. rar sein, gefährlich, teuer oder in anderem Sinne wertvoll. Er vermag die Motivation des Helden zu begründen und gibt ihm schließlich ein explizites Ziel.

Nun ist Rollenspiel bekanntlich kein Kinofilm. Daher lehne ich derartige McGuffins im Rollenspiel entschieden ab. Gutes Worldbuilding setzt voraus, dass der SL weiß, was bspw. in dem gejagten Koffer ist. Gutes Worldbuilding ermöglicht dem DM, die Konsequenzen des Inhalts im Kampagnen-Milieu umzusetzen.

Der Inhalt eines Dungeons ist definiert und sehr relevant.
Goldmünzen in AD&D werden benötigt, um zu trainieren (aufzusteigen). Für den Kauf von Ausrüstung. Um Armeen anzuheuern. Um Gefolgsleute zu entlohnen. Für die Herstellung magischer Gegenstände. Usw. usf. Das ist alles höchst relevant.
Definitiv keine McGuffins.

Auch wenn ich Deinem ersten Satz hier zustimme, so denke ich, dass der Begiff nicht automatisch deplatziert ist. Meine Gruppe zB steigt bedingungslos alle 7 Spieltage auf, sie haben mittlerweile alles, um ein reiches Leben zu führen, und trotzdem sind einigen von ihnen Schätze noch immer wichtig. Gier kann also MacGuffins kreieren.

Ja, wichtig ist, dass die Gruppe ein Ziel hat. Wenn das Ziel für die Kampagne ohne Bedeutung ist (wohl aber für mindestens eine Person aus der Gruppe), dann kann man es durchaus MacGuffin nennen.
« Letzte Änderung: 21.11.2022 | 15:31 von Zed »

Offline ghoul

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Re: Macht detaillierte Vorbereitung unflexibel?
« Antwort #79 am: 21.11.2022 | 15:43 »
Diese Definition eines MacGuffin wird von Filmwissenschaftler:innen nicht geteilt:

Das ist aber ziemlich nah an meiner Definition.

Wenn du im Rollenspiel den Auftrag vergibst, "Beschafft Objekt XY für Auftraggeber Z, weil Flavor-Fluff" und die Funktionen von XY sind nicht genau bekannt und können von den Personnagen nicht aktiviert werden und Z wird die Kampagne nie wieder mit Hilfe von XY beeinflussen, dann ist das für mich ein McGuffin.
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Offline ghoul

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Re: Macht detaillierte Vorbereitung unflexibel?
« Antwort #80 am: 21.11.2022 | 15:46 »
Wenn ein Spieler Objekt O errungen haben und dessen Fähigkeiten jederzeit einsetzen kann, dann ist O automatisch spielweltrelevant ausdefiniert und kein McGuffin.

Gold ist ein Zahlungsmittel und damit in den meisten Welten hochrelevant. Kein McGuffin. Wer anders denkt, kann mir gerne sein diesweltliches Gold vermachen. Ich nehme sogar Fiatgeld!
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Offline Jiba

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Re: Macht detaillierte Vorbereitung unflexibel?
« Antwort #81 am: 21.11.2022 | 15:54 »
Wenn du im Rollenspiel den Auftrag vergibst, "Beschafft Objekt XY für Auftraggeber Z, weil Flavor-Fluff" und die Funktionen von XY sind nicht genau bekannt und können von den Personnagen nicht aktiviert werden und Z wird die Kampagne nie wieder mit Hilfe von XY beeinflussen, dann ist das für mich ein McGuffin.

Und all diese Dinge, die du da aufführst, sind weder bei tartex Beispiel noch in, ich lehne mich mal aus dem Fenster und sage, 85% aller Rollenspielkampagnen gegeben, die so gespielt werden.

Zitat
Gold ist ein Zahlungsmittel und damit in den meisten Welten hochrelevant. Kein McGuffin.
Und sobald ich mich nicht um Gold schere, spiele ich das Spiel nicht mehr, weil Gold nun einmal zusätzlich eine Metaressource ist. Das Spiel legt mir vor "dein Charakter soll Gold wollen und zwar aus Gründen, die nicht inhärent in diesem Gold begründet liegen". Die von Zed hinterlegte Quelle sagt sogar:

Zitat
Vergleichbar dem mittelalterlichen Gral lässt der MacGuffin den Helden ausziehen in die Fremde, die angestammte Heimat verlassen, den Kampf mit Drachen aufnehmen oder auch sich verlieben.
DAS ist doch der Urmythos, der auch D&D oder dem Dungeoncrawl zugrundeliegt: Es erwarten euch Reichtümer! Dass es Reichtümer sein müssen, damit man aufsteigt ist überhaupt nicht relevant. Das Lösen der Spielerfahrung vom Gold weg zur reinen Metaressource der Erfahrungspunkte ist wahrscheinlich eine der besten Veränderungen von oD&D zu den Nachfolgern, denn sie machen das Spiel offener. Und lösen es von dieser mechanistischen Spielergängelei.  :P
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Offline tartex

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Re: Macht detaillierte Vorbereitung unflexibel?
« Antwort #82 am: 21.11.2022 | 15:56 »
Die McGuffin-Diskussion sollte ausgelagert werden.
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Offline ghoul

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Re: Macht detaillierte Vorbereitung unflexibel?
« Antwort #83 am: 21.11.2022 | 16:02 »
Die McGuffin-Diskussion sollte ausgelagert werden.

Die Diskussion ist in den relevanten Teilen mit der Eingangsfrage zum Worldbuilding im Rahmen der Vorbereitung von Rollenspiel-Sessions verknüpft.
Von daher wäre es besser neu Threads zu eröffnen, für diejenigen, die sich weiter über die Definition von McGuffins oder Worldbuilding unterhalten möchten.
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Offline ghoul

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Re: Macht detaillierte Vorbereitung unflexibel?
« Antwort #84 am: 21.11.2022 | 16:05 »
@Deine Meinung sei dir belassen, hat aber tatsächlich wenig mit der Frage nach Vorbereitung vs Flexibilität zu tun. Daher werde ich mich nicht weiter zum Thema Gold äußern (da sind wir schon sprachlich zu weit auseinander).
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Online Maarzan

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Re: Macht detaillierte Vorbereitung unflexibel?
« Antwort #85 am: 21.11.2022 | 18:33 »
Es kommt halt darauf an, was vorbereitet worden ist:
Wenn mit Schwerpunkt in das Legen von Strukturen und den grundsätzlichen Zusammenhängen investieret worden ist, kann das als Basis für Improvisationen die Flexibilität deutlich erhöhen.

Wird in einen vorgedachten Plot und einzelne Schneeflocken investiert, ist man sonst entsprechend nackt und erst recht motiviert starr am Erarbeiteten dann festzuhalten.

Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Offline Alexandro

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Re: Macht detaillierte Vorbereitung unflexibel?
« Antwort #86 am: 21.11.2022 | 19:01 »
Kommt drauf an.

Ein Übergewicht von vorgedachten Strukturen im Hintergrund, ohne Gedanken an die Spielerperspektive, sind auch Kacke. Eine gewisse Schnittstelle zum "Erleben" am Tisch sollte schon da sein.

Generell sollte die Vorbereitung irgendwie strukturiert sein, einfach nur stream-of-consciousness-mäßig Ideen runterschreiben bringt einen in der Regel nicht weiter, egal wie umfangreich man das macht.
Wer beim Rollenspiel eine Excel-Tabelle verwendet, der hat die Kontrolle über sein Leben verloren.

Offline tartex

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Re: Macht detaillierte Vorbereitung unflexibel?
« Antwort #87 am: 22.11.2022 | 09:54 »
Meiner Ansicht nach haben Mystery-Boxen (und McGuffins sind ja auch welche) in improvisierter Generierung einen berechtigten Platz.

Man muss halt manchmal staffeln und delegieren können, um besten Output zu erreichen.

Freue mich natürlich für die Tausendsassa, die alle vorbereiten können und trotzdem die Spielerfreiheit nicht einschränken.

Natürlich soll nicht alles Mystery Box sein und der scheinbare vollkommene Widersprüche oder das langweilige Klischee haben alle ihren Platz beim Improvisieren. (Der spontane Genieblitz natürlich sowieso. 8)) Aber ich bin dankbar für jedes zusätzliche Werkzeug in der Kiste.

Ansonsten gibt es vielleicht anzumerken, dass man die Konstruktionspläne für eine Maschine vielleicht nicht unbedingt gleich Maschine nennen sollte.
« Letzte Änderung: 22.11.2022 | 10:00 von tartex »
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