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Cyberpunk-Community-Projekt: Das Setting

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BBB:
Hallo liebes Tanelorn,

freut mich, dass ihr euch hierher verirrt habt.
Dies ist mein Versuch ein Community Cyberpunk Rollenspiel Projekt aufzuziehen. Wie es dazu kam, was der Grundgedanke ist, findet ihr in folgendem Thread:

https://www.tanelorn.net/index.php/topic,124317.0.html

Meine Überlegungen zu den Regeln findet ihr hier: https://www.tanelorn.net/index.php/topic,124869.0.html


In diesem Diskussionsfaden möchte ich mit euch ausschließlich zum Setting diskutieren – und natürlich eure Ideen abgreifen ;)

Deswegen, am allerwichtigsten: Bringt euch ein! Wenn ihr Ideen habt, her damit. Wenn ihr eine Idee weiter ausarbeiten wollt – sehr gern. Wenn ihr sogar etwas verfassen wollt: be my guest, würde mich sehr freuen!


Und damit ihr ein bisschen Inspiration habt, hier schonmal meine ersten Ideen zum Setting… auch wenn es nicht wirklich viel ist.

Das Setting

Den derzeit aktuellen Stand der Überlegungen findet ihr hier: https://www.tanelorn.net/index.php/topic,124408.msg135125529.html#msg135125529

Ausgangspunkt meiner Überlegungen ist der gleiche wie von wahrscheinlich jedem Cyberpunk Setting ever, nur eben begonnen im Jahr 2022 und von da aus weiter gesponnen:

Wie sieht die Welt wohl in ein, zwei Generationen aus, wenn bestimmte Entwicklungen so anhalten, wie sie gerade sind?

Klassischer Weise bezieht sich das auf Themen wie:
- (Turbo-)Kapitalismus
- Urbanisierung
- Bevölkerungswachstum
- Klimakrise
- Digitalisierung
- Mensch-Maschine-Interaktion/Verschmelzung
- Technologie
- Datenschutz
- usw.

Und eigentlich ist es immer eine Dystopie.

Die meisten Settings, die ich kenne, starten im Wesentlichen mit der Prämisse, dass die Schere zwischen Arm und Reich viel weiter aufgegangen ist, Staaten faktisch kaum noch Macht haben und der Privatsektor übermächtig geworden ist. Angestellte sind kaum mehr als moderne Sklaven des Betriebs und oft sind es japanische Konzerne, die hier die Vormachtstellung haben – was glaube ich der Tatsache geschuldet ist, dass die meisten Settings in den 90ern entstanden sind, als Japan der wichtigste Tech-Lieferant gewesen ist. Außerdem haben die meisten Settings, die ich kenne, eine sehr US zentrische Sicht – wiederum weil sie dort entwickelt wurden, nehme ich an.

All diese Punkte finde ich sehr spannend. Ich würde dem ganzen aber eventuell ein paar leichte Spins geben, die das Setting damit vielleicht ein bisschen interessanter und frischer machen:

1. Mir schwebt eine europäische Perspektive und vor allem eine extreme Lokalisierung vor. Zum einen, weil die Vielstaatlichkeit (sagt man das so?) viel mehr Möglichkeiten für Konflikte gibt, zum anderen aber auch, weil Europa sich schon heute im Spannungsfeld zwischen den USA und China/Russland/Asien befindet, wodurch interessante Konstellationen zustande kommen. Da eröffnen sich neben den „Runner gegen böse Corporate“ Plots auch reichlich Spionage und politische Abenteuer. Und da ich vorhabe das Spiel erstmal auf Deutsch zu machen, sind Europäer sowieso unsere Zielgruppe ;)
Das ermöglicht unter Umständen auch sehr spannende lokale Szenarios. Das ist das, was ich mit Lokalisierung meine. Zum Beispiel Sabotageakte, damit der neue Großauftrag endlich wieder nach Ostdeutschland und nicht wieder in den Westen geht ;)
Ich fänd es sehr spannend sich Gedanken darüber zu machen, wie ganz konkrete, vielleicht auch heute unbedeutende Orte von der weiteren Entwicklung profitieren – oder darunter leiden. Ein Beispiel hatte ich schon in meiner Persona Beschreibung genannt: Was heißt es für Hamburg, wenn der Meeresspiegel wegen Klimawandel extrem steigt? Aber, um mal in die andere Richtung zu gehen: Was heißt es für Mainz, wenn Biontech weiterhin weltweit so erfolgreich ist?

2. Der Turbokapitalismus, wie er oft in Cyberpunk Settings dargestellt wird, basiert meiner Lesart nach meist auf einer westlichen Perspektive und der Annahme einer Trennung von Staat und Privatsektor. China zeigt uns aber, dass diese Trennung gar nicht notwendig ist. Was wäre, wenn der Turbokapitalismus nicht von Privatkonzernen, sondern Staatskonzernen getrieben würde? Stichwort Projekt neue Seidenstraße? Wenn sich China (weiterhin?) in internationale kritische Infrastruktur einkauft? Das böte viel Platz für interessante Konflikte und Abhängigkeiten…

3. Stärkerer Nationalismus. In den letzten Jahren/Jahrzehnten haben wir gesehen, dass der Nationalismus wieder erstarkt. America First. AfD. Usw.
Ich glaube, das ist eine direkte Folge verschiedener Entwicklungen, unter anderem der immer größeren Schere zwischen Arm und Reich, sowie der Globalisierung.

4. Computertechnologie. Ich hatte es im anderen Thread schon gesagt, eine der Entwicklungen, die ich zu dieser Idee inspiriert hat, ist die Entwicklung von Quantencomputern und der Tatsache, dass wir sie immernoch nicht wirklich verstehen, sie aber offenbar wahnsinnig große prädiktive Rechenpower haben. Wenn ich ehrlich bin, hat mich das echt ein bisschen an Minority Report erinnert.
Ich weiß nicht, ob wir hier im Forum eine paar Quantum Experten haben. Ich kenne zwar ein paar, die sich professionell mit Quantencomputern auseinandersetzen und da ziemlich viel wissen, aber meine Gespräche mit ihnen waren bisher nicht so richtig fruchtbar in Bezug auf Spielentwicklung.
Vielleicht fällt hier ja jemandem etwas ein.

5. DAS Thema unserer Zeit ist sicherlich die Klimakrise. Auch da bin ich kein Experte, aber es gibt ja spannende Vorhersagen was passieren könnte, wenn wir die gesetzten Ziele nicht erreichen – wonach es ja sehr aussieht.
Auch das würde ich gern zum Bestandteil des Spiels machen.


Und das wars erstmal.
Bin gespannt auf eure Meinungen und Rückmeldungen… und dankbar für jede weitere Idee.

Waldviech:

--- Zitat ---China zeigt uns aber, dass diese Trennung gar nicht notwendig ist. Was wäre, wenn der Turbokapitalismus nicht von Privatkonzernen, sondern Staatskonzernen getrieben würde? Stichwort Projekt neue Seidenstraße? Wenn sich China (weiterhin?) in internationale kritische Infrastruktur einkauft? Das böte viel Platz für interessante Konflikte und Abhängigkeiten…
--- Ende Zitat ---

China hat momentan allerdings, nicht nur wegen Zero Covid, so einige Problemchen. Da wäre zu überlegen, ob dieser Punkt nicht eventuell genauso verdammt schnell altern könnte weiland "Japan kauft die USA".

Aedin Madasohn:
es gibt ja zwei Arten von "Spannend" in unserem Sektor

"Spannende" Pseudohistorie als Lesestoff

"Spannend" im Sinne eines Settings, in dem die Spieler agieren können

überspannte Vollüberwachungs near future Dystopie lässt den Spielern wenig Platz. Ruck zuck sind sie "im Bilde" und eine automatisierte KI-Fisagenauswertung später latente Überwachungsfälle (da der Score mehr als Durchschnitt wird) und zack, steht die Omnipotente Bullerei auf dem Platz.
Kosten&Effektivität von "Sicherheit" sind ein Thema, das der typische Dystopiespieler vollkommen unrealistisch sieht: nämlich Kosten vernachlässigbar und Effektivität haushoch. Da kommt dann nur Heist und Neue-frankfurter-Schule bei raus.

setzt man eine (gebremste) Postapokalytische Komponente (etwa klassischer Staatsbankrott der überschuldeten Staaten von Europa samt folgenden Staatszusammenbruch durch schiere Unfähigkei zu regieren),
kann in den Sprawls etwa dankbar mit britischen Pfund und schweizer Franken bezahlt werden, Euroscheine sind hingegen billiger Klopapierersatz und auch sonst können Spieler (und ihre Herausforderungen) viel mehr "machen".

A
Konzerne als einzige Möglichkeit, produktive Arbeit zu leisten (Mehrwert zu erwirtschaften) sind plötzlich mächtig. Haben ja Güter, Energie und funktionierende Prozesse.
In ihrem Blickfeld sind sie mächtig...
gleich drei Ecken weiter muss ihnen schon jemand warm ans Bein pinkeln, damit die sich rühren (müssen/wollen)...

B
überall und nirgends waren ja Windkrafträder und Balkonsolaranlagen hingestellt. Kleinteilige Selbstversorger mit erstaunlich vielen Servern im Keller sind möglich, ohne dass das omnimächtige BRD durch KI-Durchforstung der Stromabrechnungen die (Hanf wird so identifiziert)plantagen frei Haus geliefert bekommt

C
verbeamtete Polizei war gestern, wer Geld hat, kauft sich bei einem Polizeidienstleister, was er braucht (und will)
stell dir ein Reichenressort lauter drogenaffiner Mittelständler vor, wo der Stararchitekt durch simples "nichteinkaufen" der Dienstleistung "Drogenkriminalisierung" seine Privatplantage bewahrt
alleine damit kann man echt viel Dystopie auf die Beine stellen  ;)
Quasi kauft sich die tonangebende Clique mit den Geldern dieser Community ihren eigenen Rechtsraum.
"not my job"-Contractor kann echt krass aufgezogen werden

D
eine umfassende Justiz gibt es nicht mehr (bezahlt ja keiner mehr irgendwelche dahergelaufenen Richter).
also kann sich auch kein Punk irgendwo beschweren, wenn er von den Polizeidienstleistern etwas auf die Mütze bekam.
Konzerne regeln das dann über ihre Schiedsgerichte.
Große mehr als Kleine. Wo ein paar große Konzerne kooperativer sind (Japaner), bekommen sie plötzlich deutlich mehr Macht, als sie ursprünglich wollten (setzen Standards), daher ist die Durchsetzung dieser Richtersprüche auch nicht immer hoch.

aber (selbst gebremstes) Postapokalyptisches-Anarcho ist in diesem Land nur schwer vermittelbar und rutscht dann in Peinlichkeiten wie einem offenen Kannibalen-Restaurant in Berlin ab  ::)

BBB:

--- Zitat von: Waldviech am  8.12.2022 | 10:08 ---China hat momentan allerdings, nicht nur wegen Zero Covid, so einige Problemchen. Da wäre zu überlegen, ob dieser Punkt nicht eventuell genauso verdammt schnell altern könnte weiland "Japan kauft die USA".

--- Ende Zitat ---

Ja, klar, absehen kann das niemand.
Aber da die Verflechtungen Chinas mittlerweile doch immens sind (und die USA wohl auch finnaziell ziemlich abhängig), würde ich doch erstmal bei China bleiben. Da ergibt sich einfach viel mehr Spielraum.

Und gerade die Spielart des "kommunistischen Kapitalismus", die da aufgebaut wird, findet sich ind er Art doch nirgendwo sonst...

BBB:

--- Zitat von: Aedin Madasohn am  8.12.2022 | 18:35 ---es gibt ja zwei Arten von "Spannend" in unserem Sektor

"Spannende" Pseudohistorie als Lesestoff

"Spannend" im Sinne eines Settings, in dem die Spieler agieren können

--- Ende Zitat ---

Absolut. Und wir wollen definitiv das letztere! ;)


--- Zitat von: Aedin Madasohn am  8.12.2022 | 18:35 ---überspannte Vollüberwachungs near future Dystopie lässt den Spielern wenig Platz. Ruck zuck sind sie "im Bilde" und eine automatisierte KI-Fisagenauswertung später latente Überwachungsfälle (da der Score mehr als Durchschnitt wird) und zack, steht die Omnipotente Bullerei auf dem Platz.

--- Ende Zitat ---

Ja, das ist definitiv ein Punkt, über den ich auch schon nachgedacht habe.
Da wird es sicherlich interessant sein, einen guten Mittelweg zu finden. Denn einerseits finde ich den Überwachungsaspekt mega interessant, auf der anderen Seite verändert er das Spiel aber massiv, da gebe ich dir Recht.


--- Zitat von: Aedin Madasohn am  8.12.2022 | 18:35 ---setzt man eine (gebremste) Postapokalytische Komponente (etwa klassischer Staatsbankrott der überschuldeten Staaten von Europa samt folgenden Staatszusammenbruch durch schiere Unfähigkei zu regieren),
kann in den Sprawls etwa dankbar mit britischen Pfund und schweizer Franken bezahlt werden, Euroscheine sind hingegen billiger Klopapierersatz und auch sonst können Spieler (und ihre Herausforderungen) viel mehr "machen".

--- Ende Zitat ---

Interessante Idee, daran hatte ich bisher nicht gedacht.
Müsste man in meinen Augen gut begründen, damit das glaubwürdig bleibt.
Wenn überhaupt würde ich eher in die Richtung gehen, dass die EU trotz übergeordnetem Apparat in Kleinstaaterei verfällt und sich gegenseitig lahmlegt. Ähnlich wie man es in Deutschland im Falle von Corona erlebt hat.
Jeder Staat hat seine eigenen interessen, Veränderungen werden ausgebremst, die Entscheidungsgewalt liegt zwar auf EU Ebene, erfordert aber 2/3 Mehrheiten oder so.
Dann hätte man nicht ein ganz so großes Chaos und die Runner sind wirklich gezwungen, zumindest etwas in den Schatten zu agieren.
Muss ich aber auch nochmal in Ruhe drüber nachdenken.


--- Zitat von: Aedin Madasohn am  8.12.2022 | 18:35 ---Konzerne als einzige Möglichkeit, produktive Arbeit zu leisten (Mehrwert zu erwirtschaften) sind plötzlich mächtig. Haben ja Güter, Energie und funktionierende Prozesse.
In ihrem Blickfeld sind sie mächtig...
gleich drei Ecken weiter muss ihnen schon jemand warm ans Bein pinkeln, damit die sich rühren (müssen/wollen)...

--- Ende Zitat ---

Das finde ich auf jeden Fall gut. Vor allem finde ich gut, dass man so zwischen den Corporates einen gewissen Grad an Kooperation erzwingt, was wiederum "hinter dem Rücken Aktionen" ermöglicht, die aber auf gar keinen Fall auf die Corporates zurückfallen dürfen.


--- Zitat von: Aedin Madasohn am  8.12.2022 | 18:35 ---überall und nirgends waren ja Windkrafträder und Balkonsolaranlagen hingestellt. Kleinteilige Selbstversorger mit erstaunlich vielen Servern im Keller sind möglich, ohne dass das omnimächtige BRD durch KI-Durchforstung der Stromabrechnungen die (Hanf wird so identifiziert)plantagen frei Haus geliefert bekommt

--- Ende Zitat ---

Das finde ich auch eine sehr gute Idee.
In die Richtung hatte ich auch schonmal gedacht. Dezentralierung von kritischer Infrastruktur macht es zwar schwerer diese lahmzulegen, aber es macht eben auch die Überwachung deutlich schwieriger.


--- Zitat von: Aedin Madasohn am  8.12.2022 | 18:35 ---verbeamtete Polizei war gestern, wer Geld hat, kauft sich bei einem Polizeidienstleister, was er braucht (und will)
stell dir ein Reichenressort lauter drogenaffiner Mittelständler vor, wo der Stararchitekt durch simples "nichteinkaufen" der Dienstleistung "Drogenkriminalisierung" seine Privatplantage bewahrt
alleine damit kann man echt viel Dystopie auf die Beine stellen  ;)
Quasi kauft sich die tonangebende Clique mit den Geldern dieser Community ihren eigenen Rechtsraum.
"not my job"-Contractor kann echt krass aufgezogen werden

--- Ende Zitat ---

Ich würde die verbeamtete Polizei nichtmal komplett rausnehmen. Aber jeder, der schonmal mit der Polizei zu tun hatte, weiß: Die sind einfach unterbesetzt, unterbezahlt und mit der schieren Masse an Straftaten überfordert.
Das kann man noch ein bisschen auf die Spitze treiben.
Und wenn man dann fähige Polizisten hat - können die im Privaten "Sicherheitssektor" schlicht das doppelte verdienen. Also Überforderung + Unterbezahlung = no bock attitude.
Von den großen Firmen würde sich ja schon heute niemand mehr auf die Polizei verlassen, die haben alle private Sicherheitsdienstleister.

Den rest kann man dann über eine perfide definierte "Hausordnung" regeln. Das muss ja nichtmal ein komplett rechtsfreier Raum sein, es reicht eine hinreichend große Drohkulisse im Falle von non-compliance und hinreichend (monetäre) Incentivierung von Compliance. Wenn das alle machen, wird es schon richtig sein.

Gefällt mir.


--- Zitat von: Aedin Madasohn am  8.12.2022 | 18:35 ---eine umfassende Justiz gibt es nicht mehr (bezahlt ja keiner mehr irgendwelche dahergelaufenen Richter).
also kann sich auch kein Punk irgendwo beschweren, wenn er von den Polizeidienstleistern etwas auf die Mütze bekam.
Konzerne regeln das dann über ihre Schiedsgerichte.
Große mehr als Kleine. Wo ein paar große Konzerne kooperativer sind (Japaner), bekommen sie plötzlich deutlich mehr Macht, als sie ursprünglich wollten (setzen Standards), daher ist die Durchsetzung dieser Richtersprüche auch nicht immer hoch.

--- Ende Zitat ---

Auch hier würde ich die Justiz nicht komplett abschaffen. Reicht ja das gleiche Argument wie bei der Polizei: Zu teuer, zu langsam, und die fähigen Einzelrichter werden halt rausgekauft.

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