Autor Thema: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu  (Gelesen 5331 mal)

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Offline Takur

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[Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« am: 25.11.2023 | 18:17 »
Die folgende Kampagne spielt auf dem Kontinent Takasadu und vor allem in dem vom Bürgerkrieg zerrissenen Kaiserreich Zhoujiang (das vom mittelalterlichen China inspiriert ist) und dem benachbarten Kintai, dem Reich der Schwertalben, das von der "Lebenden Göttin" Myuriko regiert wird (und stark vom irdischen Japan in der Spätzeit des sengoku-jidai und vor allem dem Tokugawa-Shogunat inspiriert ist). Später sollen die Abenteurer aber vielleicht auch noch andere Regionen des Kontinents Takasadus (wie etwa das seit Jahrhunderten in Kleinreiche zerfallene Zhoujiang-Provinz Sadu) führen. Die meisten Abenteuer sind selbstgeschrieben (die Spieler wechseln sich beim Leiten ab), bauen aber teilweise auf offiziellen Abenteuer wie etwa besonders "Der Tempel der tausend Tore" auf. Dieses Abenteuer wurde sogar (eher zufällig) zu einem zentralen Element der Kampagne, da viele weitere Abenteuer auf den Ereignissen im Tempel der tausend Tore aufbauten. Von daher schon einmal eine große SPOILER-Warnung im Voraus.
Ansonsten wird unter anderem der Bürgerkrieg in Zhoujiang eine gewisse Rolle spielen.


Die an der Kampagne beteiligten Charakter sind:

Takeda Akira: schwertalbischer Krieger aus Kintai (Hintergrund: https://forum.splittermond.de/index.php?topic=1685.msg153456#msg153456)

Xi Luo: menschliche Schattenklinge aus Zhoujiang, Bastard-Cousin von Ji Ren

Ji Ren: menschliche Magierin aus Zhoujiang, Cousine von Luo Xi
(Hintergrund für beide unter https://forum.splittermond.de/index.php?topic=1685.810)

Takur Matal Tezcatl: Fährtenleser aus dem Jaguardschungel (Hintergrund: https://forum.splittermond.de/index.php?topic=1685.810)

Xiang Hao: gnomische Priesterin des Affengottes


Anmerkung: Die Namensgebung der Zhoujiangischen und Kintari-Charakter folgt der Regel, dass der Familien/Klan-Name vor dem Personennamen steht.
« Letzte Änderung: 27.11.2023 | 19:05 von Takur »

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #1 am: 25.11.2023 | 18:17 »
Der gestohlene Kranich
Timog, Kranichprovinz, Zhoujiang (Akira, Luo, Ren, Takur)

Es ist die Zeit des Kranichfestes in Timog, der Hauptstadt der Kranichprovinz. Dabei ist es Brauch, dass Jugendliche ins umliegende Sumpfland aufbrechen, um einen Kranich zu fangen, der eine besondere Rolle in der Zeremonie einnimmt und anschließend wieder freigelassen wird. Das Ritual soll für das kommende Jahr die Gunst des Kranichgottes versichern. Doch diesmal kommt die ausgesandte Gruppe arg ramponiert zurück – sie sind überfallen worden, der Kranich ist verschwunden.

Ren, Luo, Takur und Akira, die zufällig in der Stadt weilen, gehen der Sache nach. Sie finden Spuren, die in die Wildnis führen. Auf der Reise werden sie von einer Finsterschwinge, einem abscheulichen Fledermauswesen, angegriffen. Das Untier wird von Takur, Akira und Luo erschlagen, wobei Luo schwere Wunden davonträgt.
Es stellt sich heraus, dass ein örtlicher Adliger den Kranich gestohlen hat, um ihn in einem Ritual zu verwenden, welches statt der Provinz ihm selbst Glück und Reichtum sichern soll. Es gelingt den vier Abenteurern, den Dieb durch gut gewählte Argumente zu überzeugen, das Tier herauszugeben, anstatt einen Kampf und vor allem einen Skandal zu riskieren – woran vor allem Ren großen Anteil hat. Der Kranich wird nach Timog zurückgebracht und die Feier kann wie geplant stattfinden, wobei den Helden ein gewisser Ehrenplatz zukommt.
« Letzte Änderung: 2.12.2023 | 02:19 von Takur »

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #2 am: 25.11.2023 | 18:18 »
Der Tempel der tausend Tore
Miari/Kamioku-Wald, Kintai (Akira, Takur, Luo, Ren)

Akira, Ren, Luo und Takur begleiten einen Händler zum Lichterfest nach Miari (eine Stadt, für die sich Ren auch wegen ihrer Nähe zur Geisterwelt interessiert). Das Fest findet jedes Jahr zur Sommersonnenwende (im gnomischen Heumond) statt. Die Stadt ist ein wenig in Aufruhr, weil es letztlich einige (bisher noch kleine) Erdbeben gegeben hat – was etliche Bewohner als übles Omen deuten. Auf dem Fest – das unter anderem begleitet ist von exzellenten Schattenspiel-Vorstellungen, welche sowohl die Besucher unterhalten als auch die Geister im nahen Wald besänftigen sollen – lernen die vier einen Alben namens Kaito kennen, mit dem sie sich ein wenig anfreunden. Sie entdecken, dass er verfolgt wird, als er das Fest verlässt. Luo hilft ihm zu entkommen. Es stellt sich heraus, dass Kaito und sein Bekannter, der Gelehrte Tadashi Uome (ebenfalls ein Alb, off. weitläufig mit dem Uome-Clan verwandt) in Gefahr sind. Es gibt einen Angriff auf Tadashis Haus, und die Gruppe findet ihn wie tot. Eine genaue Untersuchung durch Ren enthüllt aber, dass er vergiftet und gelähmt ist, doch nicht tot. So kann Hilfe gefunden und er gerettet werden.
Offenbar droht dem Tempel der tausend Tore Gefahr, der drei Tagesreisen im Kamioku-Wald und ein altes Übel gefangen hält. Bei der nahen Sonnenfinsternis besteht eine Gefahr, dass es befreit wird. Um den Tempel überhaupt zu finden sind einer von zwei Schlüsseln nötig, von denen Kaito und Tadashi je einen besitzen – wobei der in Tadashis Besitz gestohlen wurde. Dort am Tempel kann man eingreifen und das eingesperrte Übel entweder befreien oder seine Gefangenschaft weiterhin sichern, doch dafür benötigt man zwei Artefakte, die im Tempel aufbewahrt werden.

Die vier begleiten Kaito in den Wald, doch ist die Reise mühsam, aufreibend und nicht frei von Gefahren: schwer passierbare Wege und gefährliche Wesen wie große Raubvögel und wilde Spinnendämonen (Zhu-Yao) erschweren das Vorankommen. So trifft die Gruppe tragischerweise mit Verspätung am Tempel ein. Die dortigen Priester – ein gutes halbes Dutzend Anhänger der alten Tiergötter, namentlich Fangschrecke und Drache(?), und deshalb bar jeder Hilfe durch die Behörden Kintais – sind bereits ermordet, Spinnendämonen patrouillieren das Gelände. Schon zuvor war die Vermutung aufgekommen, eine Spinnenfrau (eine Zhu-Niang) könne hinter dem Angriff stecken.
Es gelingt, an den Dämonen vorbei ins Innere des Tempels vorzudringen. Dort finden sich drei Türen: eine die das alte Übel birgt, sowie eine zu einem Reich der Totengeister und eine zu einem Reich von Feenwesen(?). In diesen beiden sollen die Schlüssel für das Tor zu dem alten Übel liegen.

Im Reich der Totengeister gelingt es, den Wächter des Schlüssels der Dunkelheit (einen zhoujiangischen General) durch ehrerbietiges Verhalten und ein Brettspiel von der Würdigkeit der Gruppe zu überzeugen. Drei Spinnendämonen greifen den Turm des Wächters an, werden aber in einem kurzen, harten Kampf erschlagen.
Die fünf Abenteurer betreten daraufhin das andere Tor, wo sie zwei Frauen im magischen Kampf überraschen: eine schwarzhaarige Albin namens Hitomi und eine albenähnliche Frau mit kirschfarbigen Haar namens Sakuri (wie sich später herausstellt eine Kirschbaum-Dryade). Es ist zunächst nicht klar, wer hier eigentlich der Schuldige für den Angriff auf den Tempel ist (Sakuri ist verdächtig, weil Spinnenfrauen angeblich oft merkwürdige Haare/Augen haben). Als Hitomi entdeckt, dass die Abenteurer zunehmend sie zu verdächtigen beginnen, enthüllt sie, dass Kaito kein Alb, sondern ein Hengeyokai (Tierwesen) ist. Ihr Zauberspruch (den Ren zwar entdeckt, aber nicht verhindern kann) bringt Akira so auf, dass er Kaito mit flacher Klinge angreift. In kurzem Kampf wird Hitomi erschlagen (vor allem von Luo und Takur) und enthüllt im Tode ihre wahre Gestalt als Spinnenfrau. Ren scheitert dabei, Sakuri zu heilen, richtet aber zumindest keinen schweren Schaden an (ist aber tief beschämt, ähnlich wie Akira, weil er Kaito übel verprügelt hat).
Sakuri, die sich als Wächterin des zweiten Schlüssels herausstellt, übergibt diesen als Dank für die Hilfe gegen Hitomi – eine Kugel des Lichtes. Beide Artefakte zusammen öffnen die Tür zu dem alten Übel, schaffen aber zugleich im Raum vor dem Tor ein Zwielicht, das den riesigen, machtvollen Diener der alten, bösen Göttin verwundbar macht. Nur während einer Sonnenfinsternis kann er versuchen auszubrechen, wobei er die Ketten seines Kerkers, die alten Wachen und ggf. die Verteidiger des Zwielichtraumes überwinden muss.

Wie sich rasch herausstellt, ist von den alten Wächtern nur noch Fujitora am Leben, ein riesiger einhändiger Oni. Seite an Seite mit ihm stellt die Gruppe sich im Zwielichtraum dem Dämon Kokumo. Das Wesen ist eine abscheuliche, hausgroße Kreatur, eine Mischung aus drachenähnlichen, insektoiden und krebsartigen Merkmalen mit sechs Laufbeinen und zwei krallenbewehrten Armen (es ähnelt etwas einem Nithalas mit einem zusätzlichen Beinpaar).
Der Kampf ist brutal und überaus hart, denn der Feind ist extrem schwer gepanzert. Alle, die im Nahkampf eingreifen (Akira, Fujitora, Kaito, Luo) werden schwer verwundet. Akira ist so gut wie tot und auch Luo scheint dem Tode nah. Ren kann nicht viel beitragen, doch ihr Schutz des Wassers lindert zwei Angriffe deutlich und ein Feuerstrahl richtet etwas Schaden an. Am Ende kann der Feind ausreichend lange hingehalten werden, dass der Schatten sich von der Sonne hebt, und der Dämon in sein Gefängnis zurückgeschleudert wird.
Fujitora stabilisiert Akira, und Ren kann (mit einiger Mühe) Luo heilen – beide behalten aber deutliche Narben zurück. Der Oni tritt seine Wache erneut an, und man scheidet unter Ehrerbietung voneinander. Allerdings ist klar, dass die nächste Sonnenfinsternis mehr Verteidiger und auch Schutz nach außen brauchen wird, und vielleicht auch eine Ablösung für den Oni-Wächter.
Die restlichen Spinnendämonen sind geflohen und ohne die Kontrolle ihrer Herrin vermutlich wieder zu halbwilden Bestien degeneriert. Die Gruppe verbrennt die ermordeten Priester und tritt die Rückreise an. In Miari empfängt man das Lob und die Dankbarkeit Tadashis, der all sein Geld zusammenkratzt und jedem der vier Helden eine reiche Belohnung von 30 Lunare anbietet. Ren und Akira verzichten auf die Hälfte ihrer Belohnung.
« Letzte Änderung: 2.12.2023 | 02:20 von Takur »

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #3 am: 25.11.2023 | 18:18 »
Lose Enden
Miari/Kamioku-Wald, Kintai (Hao, Akira, Takur, Luo und Ren)

Die Überlebenden des Abenteuers beim Tempel der tausend Tore erholen sich in Miari. Akira widmet sich u. a. der Kontemplation und dem Gebet. Er meditiert und trainiert mit den Kriegern der Garnison. Außerdem versucht er, mit dem Gestaltwandler Kaito ins Reine zu kommen, den er während des letzten Abenteuers unter einem Zauberbann stehend angegriffen und verletzt hat. Kaito nimmt das freilich nicht so schwer, merkt aber an, dass er irgendwann noch einmal auf die Hilfe Akiras und der anderen Abenteurer zurückkommen könnte, um die Sicherheit des Tempels der tausend Tore zu gewährleisten und vielleicht neue Wächter zu finden. Idealerweise sollten das nicht nur sterbliche Wesen, sondern am besten auch Feenwesen oder Wesen aus der Geisterwelt sein. Auch wenn Akira bei dieser Aussicht ein wenig mulmig wird, verspricht er sofort, bei so einem Unternehmen helfen zu wollen.
Takur, der seine ferne Heimat im Jaguardschungel verlassen hatte, um den Dieb eines kostbaren Artefakts zu jagen, erkundigt sich erfolglos, ob dieser oder Takurs verschollene Gefährten in Miari vorbeigekommen sind.

Wichtiger ist, dass Akira und Ren sich der Aufgabe widmen, die Ereignisse beim Tempel der tausend Tore – und den Ausbruchsversuch des dort eingekerkerten Dämons – weiter zu melden, damit man bei der nächsten Sonnenfinsternis besser auf die drohende Gefahr vorbereitet ist. Sie wollen die lokalen Behörden informieren, obwohl ihre Gefährten des Abenteuers, der Hengeyokai Kaito und der Gelehrte Uome Tadashi, skeptisch sind. Außerdem wollen sie Botschaften nach Zhoujiang schicken, da im Phönixreich im Gegensatz zu Kintai die Tiergötter noch als die Hauptgötter verehrt werden (wenn auch nicht mehr der Drache) und sie deshalb hoffen, dass man von dort Unterstützung zur Bewahrung des Tempels organisieren kann.
Sie finden bei ihrem Vorhaben Unterstützung durch Xiang Hao, einer gnomischen Priesterin des Affengottes, die vor kurzem mit einer Gesandtschaft aus der Affenprovinz in Miari eingetroffen ist. Hao, eine sehr fähige Heilerin und Wildniskundige, zeigt sich sehr interessiert an der Geschichte um den Tempel.

Es erweist sich schnell, dass es nicht einfach ist, die offiziellen Stellen, namentlich die junge Adlige Uome Oichi (entfernt mit Uome Tadashi verwandt), für die Sache zu interessieren – vor allem da Tadashi das alles über so viele Jahre geheim gehalten hat. In Oichis Augen hat die Geheimhaltung Tadashis dazu beigetragen, dass (wenn er die Wahrheit erzählt) beinahe ein gefährlicher Dämon freigelassen wurde. Dieser hätte die Gegend verheeren und zahlreiche Untertanen der Kaiserin töten können, was auch dem Ansehen des Uome-Clans großen Schaden zugefügt hätte. Dementsprechend zäh gestalten sich die Verhandlungen: Oichi, die zudem gewisse Zweifel am Wahrheitsgehalt der Geschichte, will mehr Beweise und Informationen, bevor sie etwas unternimmt oder gar die Fürstin von Miari behelligt.

Deshalb machen sich die Abenteurer daran, den Unterschlupf der Spinnenfrau zu finden, die den Dämon zu befreien versuchte. Dort könnten sich zusätzliche Informationen finden: über den Dämon, über die Pläne der Spinnenfrau oder über ihre eventuellen Verbündeten – irgendetwas, was Clan Uome überzeugt, die Angelegenheit ernst zu nehmen.
Dank Akiras fundierten Wissens über Spinnenfrauen (er erinnert sich an eine Reihe alte Sagen und Mythen) vermuten die Abenteurer, dass die Spinnenfrau einen abgelegenen Unterschlupf haben muss – aber vermutlich zusätzlich auch ein Haus oder ein Zimmer in Miari. Sie kannte sich offenbar in der Stadt aus und hatte Helfer und lokale Kontakte.
Die Abenteurer fragen an den Stadttoren, in den Teehäusern, Gaststätten und auch in den eher zwielichtigen Vierteln der Stadt herum. Schließlich wird Luo fündig: offenbar hatte die Spinnenfrau Kontakte zu der Besitzerin eines Schlachthauses namens Nakome Kiari, der man Kontakte zur Unterwelt nachsagt.
Gegen das Versprechen von Verschwiegenheit können die Abenteurer den Kontakt der Spinnenfrau zum Kooperieren zu bewegen. Die Schlachterin leugnet, etwas über die kriminellen Ambitionen oder die wahre Natur der Spinnenfrau zu wissen. Sie kannte diese nur als eine wohlhabende Albin mit wechselnden Namen und merkwürdigen Eigenarten, der sie gelegentlich einen Unterschlupf, Lebensmittel und andere Ressourcen beschaffte. Vor allem aber erfahren die Abenteurer, dass die Spinnenfrau offenbar in dem kleinen Dorf Nango lebte, etwa einen Tag von Miari entfernt.

Am nächsten Tag machen sich die Abenteuer auf den Weg nach Nango. Akira hat sich zuvor ein offizielles Beglaubigungsschreiben von Uome Oichi besorgt, um den örtlichen Dorfvorsteher zur Kooperation bewegen zu können. Im Gegensatz zu Takur (der sich in dem Wald nicht zurechtfindet) erweist sich Hao als fähige Wildnisführerin und kann sogar einen Bären beruhigen, dem die Gruppe überraschend begegnet.

Nango, das die Abenteurer am späten Nachmittag erreichen, wirkt ärmlich und die Einwohner (viele von ihnen kastenlose Nichtalben) erscheinen teilweise wenig vertrauenserweckend. Luo entdeckt an einigen Häusern Symbole der Spinnengottheit Gagamba. Das ist – in Kombination mit dem vernachlässigten Zustand des örtlichen Myuriko-Schrein – ungewöhnlich für Kintai. Immerhin scheint der Dorfvorsteher gastfreundlich und die Nacht (einer der Abenteurer hält immer Wache) verläuft ruhig. Als die Helden am nächsten Tag mit dem Grund ihres Herkommens herausrücken, ist der Dorfvorsteher irritiert. Die Spinnenfrau (deren wahre Identität auch er nicht zu kennen versichert und die die Dörfler unter dem Namen Lady Kuraiko kannten), galt als eigenbrötlerisch, hat den Dörflern aber immer wieder mit Geld und mit ihren magischen Fähigkeiten geholfen. Dass sie eine Verbrecherin gewesen sein soll…

Kuraiko soll abseits der Siedlung in einem kleinen Anwesen an einem Berghang neben einem großen Wasserfall gelebt haben. Die Gebäude standen längere Zeit leer, weil es dort angeblich spukte. Die Abenteurer können ungehindert in das anscheinend verlassene Anwesen eindringen. Sie finden nur wenige Vorräte, Kleidung oder sonstigen Besitz – in einem Nebenhaus aber frische Blutspuren, die sie dann auch bei einer nachlässig getarnten Geheimtür im Haupthaus finden, die in den Berg hinter dem Haus führt. Die Helden vermuten, dass sich im Dunkel Diener oder ‚Kinder‘ Kuraikos verbergen könnten – vielleicht auch noch eines ihrer Opfer.

Bei der Erkundung der Höhlengänge stoßen die Helden bald auf drei Spinnendämonen: zwei werden erschlagen, der dritte kann fliehen. Hier finden die Helden zudem die angefressene Leiche eines einfach gekleideten Mannes – vermutlich das letzte Opfer der Spinnenfrau.
Beim weiteren Vordringen in den Berg stoßen die Helden  auf eine leere Kerkerzelle und dann eine Abfallgrube, in der die Reste der Mahlzeiten der Spinnendämonen entsorgt wurden: ein widerliches Durcheinander von Tier- und Humanoiden-Knochen.
Ein schmaler Gang führt zu einem Ausgang, der hinter dem Wasserfall neben Kuraikos Anwesen endet. Den Spuren zufolge ist der dritte Spinnendämon über diesen Ausgang geflüchtet.
Bei der weiteren Untersuchung des unterirdischen Verstecks finden die Helden sodann eine Art ‚Trophäenkammer‘: an der Wand hängen der Panzer und das Schwertpaar eines Uome-Adligen sowie die Robe und Schwertlanze eines Kantioki-Mönches, schließlich das Schreibzeug (Tusche, Papier und Malpinsel) und einige Werke eines Kaligraphen – frühere Opfer der Spinnenfrau? Im Raum hängen an mehreren Stellen lange Seile von der Decke herab, die mit Krähenfüßen bestückt sind. Der Zweck dieses Arrangements ist unklar: dienten sie für Kampfübungen oder um Opfer der Spinnenfrau zu fixieren?
Außerdem befindet sich neben der Tür in den nächsten Raum ein schwarzer Metallgong (wie sich später herausstellt, aus Totenerz).

Als die Helden die Tür zum nächsten Raum öffnen, ertönt auf einmal der Gong. Die durchscheinende Gestalt eines halb skelettierten Mannes materialisiert sich, wird aber sofort wieder unsichtbar. Auf einmal beginnen die Seile mit den Krähenfüßen durch den Raum zu peitschen und verletzen Ren. Die Helden haben offenbar eine Falle ausgelöst. Während Ren und Hao – die keine geeigneten Waffen haben – in Deckung hechten, kappen Akira, Takur und Luo die Seile mit ihren Klingen. Der immer noch unsichtbare Geist greift erneut an, doch mit vereinten Kräften können die Helden ihn bezwingen.
 
In dem Raum, den der Geist bewacht hat, finden die Helden das Quartier der Spinnenfrau. Hier liegen zahlreiche Schriftstücke:
-   Eine Reihe apokrypher religiöser Texte zur Spinnengöttin Gagamba als eine Art Fruchtbarkeitsgöttin. Der Dämon Kokumo, der im Tempel der Tausend Tore gefangen gehalten wurde, ist diesen Texten zufolge ihr Diener, dessen Verwüstungen Platz für neues Leben schafft.
-   Ein Tagebuch Kuraikos, in dem sie über ihre Taten und Opfer berichtet. So erfahren die Helden, dass die Rüstung und Schwerter im Nachbarraum offenbar dem Adligen Uome Tojo gehörten, von dem Kuraiko wohl von Uome Tadashi und dem Tempel der tausend Tore erfahren hat.
Der Kantioki-Mönch, dessen Waffe und Robe Kuraiko aufbewahrt hat, stieß anscheinend bei seiner Jagd auf Ungeheuer auf Kuraiko, erkannte zu spät ihre wahre Natur und wurde von ihr getötet.
Die Kaligraphien stammen von einem Künstler, den Kuraiko gefangen nahm, zu ihrem Amüsement eine Weile behielt und später ermordete.
Offenbar hatte Kuraiko in den letzten Jahren zudem begonnen, den Dorfbewohnern ihre obskure Variante des Glaubens an die Spinnengöttin Gagamba nahezubringen.
-   Ein unvollständiges Tagebuch der Hofdame Sakuma Hoshi, voller pikanter Geheimnisse, Intrigen und (mit recht expliziten Zeichnungen illustrierten) Affären. Ein Abgleich mit Kuraikos Tagebuch lässt zu dem Schluss kommen, dass die Spinnenfrau die Hofdame aushorchte, über sie an Uome Tojo herankam und Sakuma als potentielle Zeugin ermordete (indem sie es wie ein Selbstmord aussehen ließ).
In dem Raum bewahrt Kuraiko zudem auch den Schmuck der ermordeten Hofdame auf, sowie einige Geldvorräte und Kleider.

Die Helden bergen alles Wertvolle und kehren in das Dorf Nango zurück. Besonders auf Drängen von Hao und Akira werden die Dorfleute umfassend über die Missetaten ihrer ‚Wohltäterin‘ Kuraiko informiert.  Akira – obwohl selber nicht mit allen Aspekten der kaiserlichen Politik restlos einverstanden – verbindet das mit einem flammenden Appell über die Weisheit der göttlichen Myuriko. Im Dorf erfahren die Helden auch, dass der unbekannte Tote in dem Versteck wohl ein vor einiger Zeit verschwundener Händler war. Wie erfolgreich die Appelle Haos und Akiras waren, bleibt abzuwarten. Der Dorfvorsteher bittet jedenfalls inständig, das Dorf nicht bei den Behörden zu sehr anzuschwärzen. Er hat Angst vor einer Überreaktion der fürstlichen Verwaltung.

Der Rückweg nach Miari verläuft ohne größere Probleme. Allerdings muss aufgrund eines durch Steinschlag verschütteten Wegabschnittes ein größerer Umweg gemacht werden, weshalb Miari erst in der Nacht erreicht wird. Nach einigem Hin und Her lassen die Wachen die Helden in die Stadt.

Am nächsten Tag beraten sich die Helden mit ihrem Bekannten Tadashi, wie man mit den Dokumenten verfahren soll. Letztendlich werden die Tagebücher an Uome Oichi weitergegeben und ihr auch die religiösen Schriftstücke vorgelegt. Auf Haos Drängen wird allerdings nahegelegt, diese (oder zumindest Abschriften) auch nach Zhoujiang zu schicken, um dort Unterstützung für die Instandsetzung des Tempels der Tausend Tore zu mobilisieren.
Uome Oichi sagt dies bereitwillig zu und gibt angesichts der Dokumente ihre bisherige Ablehnung vollständig auf. Später bittet sie Akira und Tadashi sogar feierlich um Vergebung für ihre Zweifel. Sie verspricht, dass die Sache direkt an die Fürstin gehen wird. Es soll eine richtige Expedition zum Tempel der Tausend Tore geschickt werden. Auch Haos Vorgesetze Mo Pai, die zu der nach Miari entsandten Gesandtschaft gehört, verspricht ihre Unterstützung. Allerdings ist sie der Meinung, dass das Ganze keine Sache für die Kirche des Affengottes. Sie verspricht aber, die Informationen gerne an andere Kirchen weitergeben – etwa an die Kirche der Fangschrecke, die ursprünglich für den Tempel der Tausend Tore (mit-)verantwortlich war.

Waffen und Rüstung von Uome Tojo gehen an dessen Familie, die Robe und Naginata des ermordeten Mönches an seinen Orden, und der Schmuck der von Kuraiko ermordeten Hofdame an deren Familie. Eigentlich hätte auch ihr brisantes Tagebuch an die Familie gehen sollen, aber dieser Einwand Haos kommt leider zu spät für Akira, der – voreilig – das Tagebuch mit all seinen Geheimnissen Uome Oichi ausgehändigt hat. Das Bargeld und der einfachere Schmuck Kuraikos und andere geringere Beutestücke stellen dennoch eine nicht zu verachtende Ausbeute dar – den Gong aus Totenerz behält Akira, der sich eine Rüstung aus dem Metall fertigen lassen will.

Zwei der Helden haben infolge des Abenteuers mit einer gewissen Glaubenskrise zu kämpfen: Luo, der die Spinnengöttin Gagamba als Hauptgöttin seiner Heimatprovinz eigentlich verehrt, sucht bei Hao religiösen Rat. Die Konfrontation mit der Spinnenfrau und ihrer Version des Gagamba-Glaubens hat ihn zutiefst verstört. Hao schildert die Vorzüge ihrer Gottheit im Vergleich zu der eigenbrötlerischen und geheimnisvollen Gagamba, will aber auch nicht gegen eine anerkannte Göttin predigen (sie ist sich sicher, dass Kuraiko nur Vertreterin einer irregeleiteten Splittergruppe war).
Akira hingegen hat ein schlechtes Gewissen wegen den heimlichen Zweifeln an Myuriko, die er bisher gehegt hat. Wenn die offensichtlich böse Spinnenfrau versucht hat, den Glauben an die Kaiserin zu unterminieren, ist das nicht ein Beweis für die Wichtigkeit und Richtigkeit des Glaubens an den Göttlichen Kranich? Außerdem treibt ihn um, dass in den Schriftstücken Kuraikos mehrmals der Kabila-Fluss erwähnt. An diesem Grenzfluss zwischen Kintai und Sadu liegen  die Ländereien von Akiras Familie. Sein Vater wurde vor einigen Jahren von Rebellen ermordet, die aus dem zersplitterten Sadu über den Kabila nach Kintai vorstießen. Und es heißt, dass etliche Rebellengruppen in Sadu die Spinnengöttin Gagamba verehren…
« Letzte Änderung: 2.12.2023 | 02:20 von Takur »

Offline teddypolly

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #4 am: 26.11.2023 | 21:07 »
Um es mal gesagtezu haben:
Vielen ﹰDank für deine Berichte. Das ist für mich als Spielleitung in Takasadu eine anregende Lektüre. Übernehme da gerne die eine oder andere Idee. ﹰ

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #5 am: 29.11.2023 | 17:47 »
Die Rabenwacht
Miari/Kamioku-Wald, Kintai (Hao, Ren und Luo)

Nach der Rückkehr aus Nango und nach den erfolgreichen Verhandlungen mit der Obrigkeit scheinen sich die Dinge für eine künftige Sicherung des Tempels der tausend Tore gut zu entwickeln. Einige der Abenteurer nutzen die Zeit, um ihre eigenen Agenden voranzutreiben. Während Akira trainiert, aber auch seine sozialen Kontakte poliert (etwa indem er weiterhin Umgang mit Uome Oichi hat), versucht Takur sich von Ren einiges in Sachen Heilkunst abzuschauen.

Luo hört sich nach einem guten Bogner um und es gelingt ihm tatsächlich, eine gute Waffe mit deutlichem Preisnachlass zu erwerben. Vor allem verbringt er Zeit mit den Soldaten der zhoujiangischen Gesandtschaft aus der Affenprovinz. Er will mehr über sie und ihre Vorgesetzten erfahren – ein paar Kontakte in der Hauptstadt ihrer Provinz, die zum Machtbereich von General Wu gehört, können eines Tages vielleicht noch nützlich sein…
Die Wachen begegnen ihm mit Misstrauen, tauen aber recht schnell auf. Luo erfährt, dass Hauptmann Lei Fang als Offizier von General Wu und Mo Pei als Priesterin des Unggoy sich nicht eben grün sind, da es Spannungen zwischen Kirche und Staatsmacht gibt. Die Soldaten ihrerseits langweilen sich, und dass Lei sie in strenger Zucht hält, kommt auch nicht gut an.

Ren – die ihre Vorbehalte gegenüber Mo Pei und Lei Fang als Gesandte aus General Wus Machtbereich bei den gelegentlichen Kontakten weiterhin gut verschleiern kann – versucht sich unter den schwertalbischen Adligen in Miari umzuhören, um die Möglichkeit eines Einsatzes von Kintai-Söldnern in Zhoujiang zu erfahren. Sie hofft, dass die Kaiserlichen so eventuell schlagkräftige Hilfe im Bürgerkrieg erhalten könnten. Akira hilft ihr mit seinen Kontakten und lokalen Kenntnissen, auch wenn er Rens Idee für wenig aussichtsreich hält. Sie hat leichte Probleme, da sie als Ausländerin nicht ganz für voll genommen wird, kann aber einiges erfahren. Die hiesige Gegend ist wegen der großen Entfernung nach Zhoujiang für ihr Vorhaben allerdings denkbar ungeeignet. Die Uome und viele ihrer Vasallen konzentrieren sich eher auf den Umgang mit Geistern, und „überflüssige“ Söhne und Töchter treten eher in den Dienst des Himmlischen Kranichs (etwa als Kantioki-Mönche), als ihr Glück im Ausland zu suchen. Zudem hat man hier eine eher distanzierte Haltung zu den Ereignissen in Zhoujiang, auf die man mit einer gewissen Selbstgefälligkeit blickt.
Auch die Angehörigen von Clan Momoku haben Gerüchten zufolge mit Söldnerdiensten wenig zu schaffen. Sie sind eher dann zur Stelle, wenn es gilt ein Monster zu erschlagen. Ranku als der Kriegsführung verschriebener Clan, der Kriegsdienst im Ausland mitunter als Training für die jungen Adligen betrachtet, wie auch die diplomatisch versierten Suguri (die dem Vernehmen nach u. a. mit der Organisation und Finanzierung von Söldnern in Sadu zu tun haben) wären die besten Ansprechpartner, vor allem falls sich die beiden Klans nicht gerade gegenseitig blockieren.
Generell könnte man zu dem Thema wohl eher in den nahe der Grenze zu Zhoujiang gelegenen Regionen Kintais erfahren. Die meisten Kintari-Söldnertrupps sind allerdings ohnehin meist klein, mit ein paar Dutzend bis selten mehr als 100 Mitgliedern, davon maximal etwa ein Fünftel „echte“ Schwertalben.
Es gibt Mutmaßungen, dass die Ranku und besonders die Suguri mit den albischen Exilgemeinden im Ausland Kontakte halten, möglicherweise auch mit Gruppen wie der Triade der 13 Blätter, die u.a. auf dem Jadeband und dem Maishi-See als Piraten gefürchtet ist. Allerdings sehen das manche auch nur als gezielte Verleumdung.
Die Magierin ergänzt zudem ihren Vorrat an Heilkräutern und -tränken.

Eines Nachmittags trifft in der von den Abenteurer frequentieren Herberge eine wertvolle Reisekutsche ein. Der Insasse Ishi Aoi, ein älterer, hagerer Alb, reist in Begleitung seines albischen Sekretärs Ren, zwei Bediensteten (ein Gnom und ein Mensch) und zwei Vargen-Wächtern. Herrn Ishi geht es offensichtlich nicht gut, er wird in die Herberge getragen und sein Sekretär sucht nach Heilern. Hao und Ren erbieten sich, zu helfen. Es wird schnell klar, dass ihr Patient Vorbehalte gegenüber Ausländern UND gegenüber Nichtalben hat, doch die Bezahlung ist gut. Haos Untersuchung enthüllt, dass Herr Ishi nicht vergiftet oder krank ist, sondern lediglich an einer handfesten Reisemigräne leidet, für die es gute Hausmittel gibt. Während Herr Ishi sich erholt, rekrutiert sein Sekretär die Abenteurer für einen wichtigen Auftrag:
Offenbar ist sein Herr im Auftrag von Clan Zakur unterwegs, um für einen jungen Adligen eine prachtvolle Klinge für die Einführung bei Hofe zu beschaffen. Miari ist deshalb eine gute Anlaufstelle, weil manche der hiesigen Schmiede „jenseitige“ Materialien aus dem Geisterwald beschaffen und besondere Fähigkeiten bei ihrer Bearbeitung haben sollen. Geld spielt keine Rolle. Allerdings ist Eile geboten, da das Schwert termingerecht in die mehr als 500 Meilen entfernte Hauptstadt muss.

Die drei Helden nehmen den Auftrag an: Luo, weil eine Menge Geld dahintersteckt, Hao aus Neugier und Langeweile und Ji Ren, weil sie sich ausrechnet, dass ihr nützen kann, dem mächtigen Zakur-Klan einen Gefallen zu tun. Den Vorschlag der Helden, ihren Kameraden Akira hinzuzuziehen, lehnt Herr Ishi ab. Akira ist ein Gefolgsmann des Klans Ranku und offenbar gibt es Spannungen zwischen den Ranku und den Zakur.
Während Hao erfolgslos nach besonderen Materialien für eine Waffe spürt, hört sich Luo nach den besten Schmieden der Stadt um. Besonders bekannt ist offenbar Masuta Hagane (Kintial für „Meister Stahl“). Der Alb hat allerdings einen leicht beunruhigenden Ruf: manche sagen, er sei „schon immer“ hier, habe vielleicht Feenblut – und es gibt auch einige nicht ganz kinderfreundliche Geschichten über seine „Tochter“, die…merkwürdig sein soll. Des Meisters heftiges Temperament und sein ruppiger Umgang mit Kunden wie Gesellen ist weithin bekannt. Zugleich ist zu erfahren, dass eine Waffe von ihm im örtlichen Haupttempel Myurikos als Weihegeschenk liegt – eine Möglichkeit, seine Fähigkeiten zu beurteilen.

Währen Ji Ren, der Sekretär von Herrn Ishi und Hao den Tempel besuchen, versucht Luo noch mehr über den Schmiedemeister zu erfahren. Details erfährt er freilich kaum, da der Meister und die Seinen für sich bleiben. Luo hört freilich noch einige Geschichten über die Reizbarkeit des alten Meisters. Momentan gibt es wohl nur einen Lehrling (Dan, Mensch) und einen Gesellen (Hoseki, Zwerg) sowie die „Tochter“ des Meister, Yori deren Mutter niemand zu kennen scheint. Er macht sich auch mit der Lokalität der Werkstatt vertraut – ein mehrstöckiges Gebäude, dessen Türen und Räume merkwürdig niedrig wirken.
Im Tempel können die anderen Helden inzwischen das Weihegeschenk des Schmiedemeisters besichtigen. Selbst unter den zahlreichen anderen Weihegaben des wichtigsten Tempels Myurikos in Miari sticht das Kintaina-Wakizashi-Paar hervor. Die kunstvoll geschmiedeten Klingen leuchten in einem eigenen Licht, das es schwer macht, sie anzuschauen. Auch wenn die Letztentscheidung bei Herrn Ishi liegt (der immer noch seine Migräne auskuriert), scheint „Meister Stahl“ eine sehr gute Wahl.

So unternehmen die Abenteurer und Sekretär Ren am nächsten Tag einen Besuch in der Werkstatt. Sie treffen den Meister (einen uralten Alben mit kahlem Kopf und schütterem langen Bart) an, wie er gerade seinen Lehrling herunterputzt. Seine „Tochter“, eine muskulöse Albin(?) mit silbernem kurzem Haar und merkwürdig metallfarbenen Augen ohne Pupillen, verteidigt den unglücklichen Lehrling und verhindert, dass ihr „Vater“ handgreiflich wird. Die junge Albin ist es auch, mit der sich die Besucher schließlich unterhalten, nachdem der Meister sich wutentbrannt entfernt hat. Sie erfahren, dass Hagane ein volles Auftragsbuch hat und dass er zwar Wünsche seiner Kunden anhört, am Ende aber selber entscheidet, was für eine Waffe er fertigt. Erschwerend für die Annahme eines Auftrages – und der Grund für den Wutausbruch des Meisters - kommt hinzu, dass sein zwergischer Geselle Hoseki verschwunden ist. Seine Eltern behaupten, nicht zu wissen wo er sein könnte. Hoseki zu finden würde den Meister günstig stimmen, den Auftrag von Herrn Ishi vorzuziehen.

Ji Ren und Hao besuchen daraufhin die Familie Hosekis, die eine Grobschmiede in einem schlechteren Viertel betreibt. Sie erfahren schnell, dass es zwischen Hosekis Familie und Masuta Hagane böses Blut gibt. Angeblich soll er – zu dem Zeitpunkt nur ein Geselle – kurz nach der Errichtung des Kaiserreiches (also vor über 400 Jahren) die Familie fälschlicherweise des Verrates und der Verschwörung bezichtigt haben. Daraufhin wurden die Vorfahren Hosekis inhaftiert und entgingen nur knapp der Verbannung oder gar Hinrichtung. Am Ende verloren sie ihre Schmiede, die der frühere Geselle übernahm. Seit drei Generationen lebt die Familie Hosekis nun in Abhängigkeit von ihrem ehemaligen Gesellen, denn sie muss eine hohe finanzielle Schuld bei ihm abzahlen. Hoseki war offenbar besessen von diesem Unrecht. Ren und Hao bezweifeln insgeheim die Wahrheit der Geschichte etwas. In letzter Zeit soll Hoseki besonders wütend und rastlos gewesen sein und ist möglicherweise in schlechte Gesellschaft geraten.

Luo hilft unterdessen dem Schmiedelehrling Dan beim Kohleschippen und findet in groben Zügen dasselbe heraus wie seine Kameradinnen. Hoseki fühlte sich von seinem Meister „bestohlen“, er hatte wohl tw. nicht den besten Umgang und trieb sich in eher zwielichtigen Vierteln Miaris herum, vermutlich schuldete er den falschen Leuten Geld. Der Zwerg äußerte einmal, „der Fuchs werde ihn noch zum Verhängnis werden“. Jedenfalls ging er eines Tages weg und kehrte nicht wieder. Da einige seiner Sachen fehlen, ist er wohl nicht entführt worden. Luo durchsucht zudem die Stube, die sich Hoseki und Dan teilten. Er findet eine Schuldenliste, die Hosekis finanzielle Schwierigkeiten bestätigt und nach einigem Suchen eine Kupfermünze, die einen Fuchs zeigt. Luo mutmaßt, dass diese Münze als Eintrittszeichen  in einem Halbwelt-Spiellokal fungierte.

Die gewonnenen Erkenntnisse und weitere Erkundigungen in der Stadt führen schließlich zum Gasthaus „Zum Fuchs“. Dies liegt in einem Viertel, das vor allem von Nichtalben und Kastenlosen frequentiert wird (in der Nähe befand sich auch das Schlachthaus, in dem die Spinnenfrau Kuraiko ihr Versteck hatte). Es ist offenkundig, dass das Lokal eher am Rande der Gesellschaft existiert. Schon das Bild an der Außenwand, das einen Fuchs mit zwei Schwänzen im Kartenspiel mit einem dicklichen Alben zeigt, der fast alle seine Kleider verloren hat, veranschaulicht, dass man hier die Loyalität zur schwertalbischen Oberschicht nicht hoch bewertet.
Luo kann den Helden durch Vorzeigen der „Fuchsmünze“ Zutritt verschaffen. Das Innere entspricht den Erwartungen: Spieltische, leichtbekleidete Bedienstete (die wohl auch für andere Dienstleistungen zur Verfügung stehen als zum Servieren) und allerlei Waren zweifelhafter Legalität… Das Publikum ist sehr bunt und stammt eher aus Mittel- und Unterschicht.
Das Kellergeschoss und der erste Stock sind abgetrennt, offenbar finden dort Spiele um höhere Einsätze statt wie auch andere, eher privatere „Unterhaltungen“.
Im Hinterhof werden Faustkämpfe und Hahnenkämpfe veranstaltet, auf die gewettet wird. Hao ist von dieser Zurschaustellung von Gewalt sichtlich abgestoßen.

Die Nachforschungen gestalten sich kompliziert. Ji Ren, die hofft, mit ihrem Können ein paar Kontakte zu knüpfen, verpatzt einen Heilzauber für einen verletzten Kampfhahn und fällt erst einmal aus. Hao probiert aus Neugier „Geistertränen“ (einen starken Schnaps mit „Zusatz“) und ist durch intensive Trugbilder und die anschließenden schweren Kopfschmerzen ausgebremst.
Der straßenerfahrene Luo hingegen kann nach ein paar Spielchen und etwas Herumfragen mehr erfahren: Hoseki war tatsächlich öfter im Lokal. Er war geizig beim Trinkgeld, spielte viel, aber mit sehr wechselhaftem Erfolg. Er machte wohl auch krumme Geschäfte. So verkaufte er kleine Mengen an kostbaren Metallen, die er wohl bei Meister Hagane unterschlagen hatte, übernahm Aushilfs-Schmiedearbeiten „nebenher“ und stand er auch zur Verfügung wenn jemand Hilfe brauchte um z. B. ein „gefundenes“ Schmuckkästchen zu öffnen. Doch war er bei alledem nicht sehr erfolgreich und sammelte zusehends Schulden bei Herrn Lu an, dem Besitzer des Lokals, vor dem die Leute großen Respekt (oder eher Angst) haben.
Hoseki traf sich zudem in letzter Zeit mehrmals mit einem maskierten, verkrüppelt wirkenden Varg und sprach öfters mit den „Sammlern“ – überwiegend gnomischen Waldläufern und Jägern, die im Geisterwald nach kostbaren Materialien suchen. Man hat ihn aber seit einigen Tagen nicht mehr gesehen. Von den Sammlern erfährt Luo, dass Hoseki sich nach einer Route in den Kamioku-Wald hinein erkundigte. Keiner weiß allerdings, wo er genau hinwollte und was er suchte. Der maskierte Varg, mit dem sich Hoseki traf, nannte sich Tanto (vermutlich ein Tarnname). Er war nur ein sehr sporadischer Kunde, der aber anscheinend ebenfalls mit Herrn Lu Umgang hatte.
Der Versuch, direkt mit Herrn Lu zu sprechen, führt zunächst zu einer Warnung, ob man das wirklich riskieren wolle.

Luo betreibt an diesem Abend noch einige erfolglose Nachforschungen in der Stadt, bei denen er das Interesse einiger zwielichtiger Gestalten weckt. Er kann seine „Schatten“ aber abschütteln. Am folgenden Tag bereitet vor allem die wildniskundige Hao die Expedition vor, indem sie die Ausrüstung revidiert. Luo kann bei unserem Auftraggeber ein kleines Handgeld herausschlagen und mietet ein Maultier. Er informiert die Schmiedegehilfin Yori über die Ergebnisse (verschweigt aber Hosekis Diebstähle) und horcht noch einmal Dan aus, der aber von einem potentiellen Ziel Hosekis im Wald nichts mitbekommen hat. Somit bleibt „Herr Lu“ die beste Chance, mehr über Hosekis Ziel zu erfahren und so die Suche einzugrenzen. Da Hoseki schon einige Tage unterwegs ist, empfiehlt sich Eile…
Luo versucht, mehr zu „Tanto“ herauszufinden. Außerdem fragt er an den Toren, ob und wann man diesen und Hoseki beim Verlassen der Stadt sehen. Seine Nachforschungen verlaufen ergebnislos. Ren versucht ihren Bekannten Kaito als Wegführer für den Kamioku-Wald zu rekrutieren, doch hat auch sie Pech: der Gestaltwandler ist erst einmal untergetaucht, weil ihm die geballte Aufmerksamkeit der Behörden (insbesondere von Uome Oichi) nicht behagt.

Am Abend besuchen Hao und Luo noch einmal das „Gasthaus zum Fuchs“. Sie werden (ohne Waffen) zu Herrn Lu vorgelassen – einem schlanken, rotfelligen Varg mit nur einem Auge. Hao kann von ihm erfahren, dass Hoseki hohe Schulden hatte, diese aber von Tanto ausgelöst wurden. Außerdem meint Lu, dass besagter Tanto gar kein Varg sei. Er trüge zwar eine Vargenmaske, doch riecht er laut Lu ganz anderes. Lu macht einige düstere Witze, dass Tanto Hoseki vielleicht nur als Mittagessen wollte...
Gegen die Zusicherung, dass Hao gelegentlich aushelfen wird, die Kämpfer im Hinterhof des Gasthauses zu verarzten (Lu lässt einem seiner Schuldner drei Finger brechen, den Hao „zur Probe“ fachmännisch verarztet), erzählt der Varg, dass Hoseki von ihm Hilfe wollte, um ins Archiv von Miari hineinzukommen, wobei ihm der Gasthofbesitzer aber nicht recht helfen konnte.
Mit Uome Tadashis Hilfe, der als Bibliothekar und Gelehrter im Archiv wohlgelitten ist, kann am nächsten Tag ermittelt werden, dass Hoseki im Archiv Karten über die Erkundung des Kamioku-Waldes suchte. Hao findet heraus, dass er sich speziell für eine Karte interessiert hat, die den Weg ins „Rückgrat“ zeigte, eine Hügelkette einige Tagesmärsche im Wald (eine Richtung, die sich mit den Fragen Hosekis bei den Waldläufern deckte). Dort liegen alte Wachturmruinen, die einst in dem vergeblichen Versuch geschaffen wurden, den Wald besser zu kontrollieren. Da es unwahrscheinlich ist, dass das Ziel zeitnahe noch viel besser eingegrenzt werden kann, brechen Hao, Ji Ren und Luo gegen Mittag auf. Insgesamt hat die Nachsuche bisher etwas über fünf Tage gedauert.
« Letzte Änderung: 2.12.2023 | 02:20 von Takur »

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #6 am: 29.11.2023 | 17:47 »
Der Marsch durch den Wald der zehn Millionen Geister gestaltet sich als anstrengend. Wiewohl Hao eine gute Pfadfinderin ist, führt der Weg sie zeitweilig in die Irre und eine Schlucht muss umgangen werden. Ein Nachtlager muss in fliegender Hast aufgegeben werden, weil es auf einmal von aggressiven Ameisen wimmelt. Zumindest zeigen sich die übernatürlichen Wesen und gefährlichen Bewohner des Waldes zunächst nicht. Luo hört während seiner Nachtwache zwar ein fernes Heulen, wie ein wütender Wind (obwohl Luftstille herrscht), denkt sich aber nicht viel dabei.
Glücklicher erscheint eine Beobachtung, die er am Folgetag macht: ein feurig schimmernder Falke – vermutlich ein kleiner Phoenix - beobachtet die Gruppe eine Weile und lässt beim  Auffliegen eine Feder fallen. Luo sichert sich die Feder. Er und besonders Ren sehen diese Begegnung als gutes Omen.

Nach einigen Tagen erreichen die drei das Rückgrat – langsam drohen die Lebensmittel  knapp zu werden. Sie folgen den steilen Hügeln, die an den Rückenkamm eines gigantischen, versteinerten Drachen erinnern. Dabei entgeht die Gruppe nur knapp einem Steinschlag. Es lässt sich nicht feststellen, ob da jemand nachgeholfen hatte.
Am Abend erreicht die Gruppe eine alte Lagerstätte. Offenbar haben hier vor kurzem zwei Personen gerastet. Zudem findet sich eine merkwürdige Feder, die laut Ren möglicherweise von einem Tengu stammen könnte.
Tatsächlich entpuppt sich die Analyse als korrekt, als die Gruppe sich bald darauf von drei bewaffneten Tengu umzingelt sieht. Kurz droht eine Eskalation, aber die Zurückhaltung der Reisenden und das Eingreifen eines vierten Tengu – es handelt sich offenbar um „Tanto“, der hier seinen wahren Namen Arashi führt – verhindern Schlimmeres.

Die Tengu verhalten sich misstrauisch, stimmen aber schließlich zu, die Gruppe mitzunehmen, als sie von deren Ansinnen erfahren. Sie verbinden den Helden die Augen, auch wenn sie ihre Waffen behalten dürfen.
Als man ihnen die Augenbinden abnimmt, sehen sie vor sich einen imposanten Turm (von dem vorher keine Spur zu entdecken war), Kern einer großen, wenn auch verfallenen Anlage. Hier scheinen bis zu 30 Tengu zu leben, die Hälfte davon im wehrfähigen Alter, die alle bewaffnet sind und emsig trainieren. Man weißt den Reisenden ein Quartier an und behandelt sie nicht feindselig, aber mit Misstrauen.
Es wird schnell klar, dass die Tengu auf einer Art Wachemission sind, allem Anschein nach schon seit grauer Vorzeit. Sie behaupten die „Schlafende“ behüten, um dereinst mit ihr in den Kampf gegen die „jenseitige Feindin“ zu ziehen. Sie nehmen diese Aufgabe und ihr Versprechen ungemein ernst. Deshalb sind sie so wehrhaft, und deshalb benötigen sie einen Waffenschmied. Die Erdbeben in der letzten Zeit und die kürzliche Sonnenfinsternis sehen sie als Zeichen, dass der befürchtete Tag nahe sein könnte. All dies erklärt, warum sie Hoseki als zwangsrekrutiert haben, nachdem sein „Vorgänger“ vor einiger Zeit verstorben ist. Offenbar hat Arashi – der von seinen Mit-Tengu offenbar als eine Mischung von nützlichem Sendbote in die Menschenwelt und als Nervensäge betrachtet wird – den Zwerg von seinen Schulden „freigekauft“, ihm aber vorenthalten, was die Gegenleistung sein würde. So ist Hoseki, der  einen Vertrag mit seinem Blut unterzeichnen musste – zu seinem Missfallen als Waffenschmied mit unklarer Dienstzeit verpflichtet worden. Nicht, dass er an seinen Meister mit Begeisterung zurückdenkt, aber hier im Wald mit den Tengu ist er noch unglücklicher.

Luo, der eine Verbindung zwischen dem Feind der Tengu und dem im Tempel der tausend Tore eingesperrten Dämon vermutet, dessen drohendes Entkommen ja auch mit den kürzlichen Erdbeben und der Sonnenfinsternis zusammenhing, bemüht sich Arashi zu überzeugen, dass das uralte Böse erst einmal wieder gebannt sei. Er wählt aber wohl die falschen Worte oder trägt zu dick auf, jedenfalls weißt ihn Arashi am Ende brüsk zurück.

Hao nimmt das nicht so schwer, da sie die Mission eher als ein Abenteuer sieht. Mit Hoseki hat sie zwar Mitleid, doch denkt sie auch, dass er sich seine Situation selbst zu verdanken hat. Luo und Ren hingegen zermartern sich den Kopf, wie sie das Blatt noch wenden können. Gewalt scheidet aus – selbst wenn sie mit Hoseki fliehen könnten, gejagt von den Tengu den Kamioku-Wald zu durchqueren erscheint als keine realistische Option. Zudem sind die Rabenwesen ja nicht wirklich der Feind und ihre Wacht dürfte in der Tat wichtig sein.
Luo bemüht sich, den verärgerten Arashi zu besänftigen. Der boshafte Tengu fordert ihn daraufhin zu einer Mutprobe auf: die Schattenklinge muss mit verbundenen Augen über einen Balken hoch oben auf einer Mauer balancieren und dabei beteuern, er habe nicht gelogen. Luo unternimmt tatsächlich dieses törichte Wagnis – erfolgreich. Er protestiert nur, als ihn der Tengu amüsiert auffordert, den Rückweg auf einem Bein hüpfend zu absolvieren.
Dies hat zumindest Arashi wieder gnädig gestimmt und Luo kann ihn mit der Schilderung des im Tempel der tausend Tore eingesperrten Ungetüms Kokumo beeindrucken – offenkundig bringt das bei dem Tengu eine Saite zum klingen. Hao hat den rettenden Einfall, Arashi und den übrigen Tengu den Vorschlag zu unterbreiten, einen der ihren nach Miari zu schicken, um das Schmiedehandwerk zu erlernen. Bis der oder diejenige genug gelernt hat, um künftig selber die Waffen der Tengu zu warten, könnten vielleicht einige der Schmiede in Miari überzeugt werden, den Tengu zu helfen. Es geling tatsächlich, die Rabenwesen zu überzeugen, diesen Versuch zu unternehmen.

Und so brechen schließlich die Abenteurer, Hoseki, Arashi und die junge Tengu Xi (als Schmiedelehrling in spe) auf, von den Tengu großzügig mit Lebensmitteln versorgt. Zuvor freilich sichert sich Arashi eine Locke von Hosekis Bart, lässt ihn die Hände auf einen Amboss legen und einen heiligen Schwur leisten, zurückzukehren um seine Schuld abzuleisten, falls die Idee der Helden scheitern sollte. Dabei rezitiert der Tengu eine kryptische Beschwörungsformel und fuchtelt drohend mit dem Hammer. Ren, die schon seit einiger Zeit einen gewissen Verdacht bezüglich der magischen Fertigkeiten des Tengu hat, hegt, ist sich freilich sicher, dass das alles nur Theater und kein echter magischer Pakt ist. Sie klärt ihre Kameraden aber erst später und Hoseki (von dem sie nicht viel hält) überhaupt nicht auf…

Der Rückmarsch verläuft zunächst vergleichsweise glatt. Luo nutzt die Zeit, um Hoseki zuzureden, sein Schicksal zu akzeptieren.
Gegen Ende der Reise freilich nimmt diese um ein Haar eine katastrophale Wende. Das Heulen, das Luo auf dem Hinweg vernommen hatte, ist mit einmal wieder zu hören, und diesmal erscheint es viel näher. Arashi stößt den Alarmruf „Geisterwind!“ aus, und schreit, man müsse die Ohren bedecken. Während Ren und Luo dies rechtzeitig schaffen, wird Hao von blinder Panik erfüllt. Die gnomische Priesterin rennt wie von Sinnen in den Wald. Glücklicherweise kann Luo sie einholen und zu Boden ringen. So schnell wie der Geisterwind hereingebrochen ist, zieht er auch wieder vorbei.
Damit aber hat der Kamioku-Wald offenbar seine Schrecken ausreichend demonstriert und die Gruppe erreicht ohne weitere Fährnisse Miari. Die Tengu werden zwar am Tor misstrauisch beäugt, aber dann doch eingelassen. Offenkundig waren die Reisenden in der Menschenwelt nur fünf Tage fort, nicht gut zwei Wochen wie sie meinten.
Während Xi und Arashi einen eigenen Unterschlupf ansteuern, bringen die drei Abenteurer Hoseki zu seiner Familie zurück. Die ist natürlich überglücklich ob seiner Rückkehr.

Am nächsten Morgen begleiten die drei Hoseki und die beiden Tengu zu Masuta Hagane. Es gelingt, die Wogen zwischen Meister und Geselle zu glätten, und Hagane zeigt sich überraschend zuvorkommend gegenüber den Tengu. Angesichts der Gerüchte über seine Herkunft und seine Tochter ist es allerdings vielleicht doch nicht so überraschend… Tatsächlich ist der alte Alb bereit, Hoseki zurückzunehmen und Xi auszubilden. Einige der Tengu-Waffen will er wohl selber reparieren, und er und Yori (die, wie sich später herausstellt, schnell Zugang zu Xi findet) werden helfen, weitere Schmiede in der Stadt dafür zu rekrutieren. Zwar werden die Tengu dafür vielleicht als Bezahlung einige ihrer Waffen oder andere Güter des Kamioku-Waldes hergeben müssen, aber Arashi ist bereit, das zuzusichern.

Um ein Haar scheitert noch das eigentliche Ziel der ganzen Suche, als sich Hagane und Ishi darüber in die Haare geraten, ob der Meisterschied für den Zakur-Adligen nun ein Kintaina anfertigen soll (wie Ishi es fordert) oder ein Wakizashi oder Dschiahn (wie Hagane kategorisch postuliert). Am Ende aber setzt sich der Meister durch und Ishi steckt zurück.
Ob Hoseki auf Dauer seinen Frieden mit seinem Meister machen kann, bleibt abzuwarten, ebenso wie es Xi ergehen wird. Arashi jedenfalls verschwindet kurz darauf wieder aus der Stadt. Luo nimmt sich vor, zumindest in den nächsten Tagen der jungen Tengu zu helfen sich zurechtzufinden. Hao ihrerseits erfüllt schweren Herzens die Vereinbarung mit Herrn Lu und kuriert in den folgenden Tagen ramponierte Faustkämpfer im „Gasthof zum Fuchs“, wobei ihr die Kampfhunde der Schaukämpfe mehr leidtun als die menschlichen Kombattanten.

Die Abenteurer erhalten von Ishi eine reiche Belohnung in Form von 20 Lunaren pro Person – und als Dreingabe ist Yori bereit, jedem eine Waffe anzupassen. Im Falle Rens (die sich ein Dschiahn zugelegt hat) wird lediglich der Griff angepasst und mit Fischhaut bezogen. Haos treuer Kampfstab erhält einen Griff aus Büffelleder und an einem Ende einen Knauf in Form eines Affenkopfes, ausbalanciert durch eine verstärkte Kuppe am anderen Ende.
Für Luos Klinge – ein Dschiahn namens Vipernzahn, das er vor Jahren bei einem Kampf gegen Banditen erbeutet hat – sind jedoch mehr Arbeiten nötig. Yori stellt fest, dass die Waffe schon einmal angepasst wurde. Der Griff war früher wohl nicht für eine Alben- oder Menschenhand gedacht und die Waffe hatte einen ungewöhnlichen Schwerpunkt. Der Griffbezug aus Haihaut und die darunter liegenden Holzteile sind neueren Datums. Zudem wurde der ursprüngliche Knauf mit einer Metallhülle überzogen - ob um den ursprünglichen Knauf  zu verbergen oder wegen dem veränderten Schwerpunkt, ist unklar.
Diese Veränderungen verbargen ein Wappen oder Meisterzeichen in Form eines Amboss vor einem stumpfen, von Flammen gekrönten Kegel (ein Vulkan?). Darum herum findet sich die Inschrift: „Hand/am Heft/Still meinen Durst/Ich schenke dir tausend Siege“.
Auf dem Knauf war zudem eine gravierte Inschrift in Form eines Kreuzes oder vierzackigen Sterns verborgen: im Zentrum den Namen Li Sao, von dem vier Inschriften abgehen – als ob der Name für jede der Anfangspunkt sei: „die unschuldig gemordete/die aus den Schatten zurückkehrende/tausend Jahre Leben/führe meine rächende Hand“.
Luo, der sich schon immer gedacht hat, dass die Klinge eine längere Geschichte besitzt, nimmt sich vor, ein paar Nachforschungen anzustellen und auf jeden Fall auch mit seiner in Sachen Artefaktanalyse und magischen Dingen beschlagenen Cousine Ji Ren zu sprechen.

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #7 am: 29.11.2023 | 17:48 »
Der Schatten der Spinnenfrau
Miari und Umgebung, Kintai (Akira, Takur)

Während Ren, Hao und Luo mit dem Auftrag von Herrn Ishi und der Suche nach dem verschwundenen Schmiedelehrling beschäftigt waren, erlebten Akira und Takur ihr eigenes Abenteuer.
Der Jaguarkrieger Takur hatte immer noch etwas Schwierigkeiten, in Miari Anschluss zu finden, obwohl er dabei war, die Sprache des gemeinen Volkes zu lernen (Xienyan) und obwohl die Stadt aufgrund ihrer Nähe zum „Geisterwald“ merkwürdige Besucher gewohnt war. Dennoch fiel eine zwei Schritte große, aufrecht gehende Raubkatze ziemlich auf. Fern seiner Heimat im Jaguarschungel und eher das Leben in der Wildnis gewöhnt, blieb er isoliert.
Wenig erfolgreich versuchte er, den Gelehrten Tadashi zu überzeugen, ihm den in dessen Besitz befindlichen drachlingischen Gedankenkristall zu überlassen. Der Diebstahl eines solchen Artefakts durch einen Abenteurer war es gewesen, was Takur aus seiner Heimatstadt Huatla fortgebracht hatte. Ein ähnliches Relikt nach Huatla zu bringen, wäre natürlich eine ganz besondere Leistung.
Tadashi war begreiflicherweise zurückhaltend gegenüber diesem Ansinnen. Takur erhielt etwas Unterstützung durch Akira, der ihm allerdings eher aus Kameradschaft half, statt wirklich von der Idee überzeugt zu sein. Trotz allem, was die Helden für Tadashi getan hatten, blieb die Antwort des Gelehrten sehr ausweichend. Er versprach aber, es in Erwägung ziehen, sobald der Tempel der tausend Tore umfassend gesichert sei.

Die junge Beamte Uome Oichi, bei der die Helden Bericht über die Vorkommnisse beim „Tempel der tausend Tore“ und die Intrigen der Spinnenfrau Kuraiko erstattet hatten, war inzwischen damit beschäftigt, einen umfassenden Bericht für die Fürstin von Miari zu erstellen. Nachdem ihre anfängliche Skepsis verflogen war, setzte sie jetzt ihren Ehrgeiz daran, ein möglichst umfassendes Dossier inklusive einer detaillierten Schilderung des „Tempels der tausend Tore“ zu erstellen. Die zeichnerisch begabte Oichi befragte dazu intensiv die Helden und fertigte Bilder aller Beteiligten an.
Akira war ihr bei ihren Recherchen gerne behilflich, auch in der Hoffnung, über Uome Oichi Kontakte zu höherrangigen Mitgliedern des Fürstenhofs von Miari zu erhalten.

Kurz darauf trat Oichi an Akira und Takur mit der Bitte heran, ihr bei den abschließenden „Aufräumarbeiten“ im Versteck der Spinnenfrau Kuraiko behilflich zu sein: möglicherweise seien noch etliche der „Kinder“ Kuraikos am Leben und diese Spinnendämonen würden eine Gefahr für die Gegend darstellen. Zudem müssten die Überreste von Kuraikos Opfern geborgen und der Schlupfwinkel noch einmal gründlich durchsucht werden. Oichi war nicht gewillt, diese Aufgaben dem Dorfvorsteher von Nango zu überlassen. Überhaupt wollte sie die Bevölkerung des Dorfes an ihre Pflichten gegenüber der Gottkaiserin erinnern.
Da diese Angelegenheit politisch delikat und für Haus Uome nicht unbedingt schmeichelhaft war, wollte Oichi auch nicht, dass die anderen Abenteurer mitkamen. Sie wollte die Affäre möglichst unauffällig abschließen. Bei Akira (der ein Untertan der Gottkaiserin Myuriko war) glaubte sie sich seiner Verschwiegenheit sicher sein zu können. Und der „Exot“ Takur zählte aufgrund seiner Isoliertheit nicht. Die Affenpriesterin Hao oder die aus einer angesehenen und weit verzweigten Beamtenfamilie stammende Ren wären heikler gewesen…

Takur führte die Truppe, die außer ihm und Akira aus Uome Oichi, zwei Soldaten sowie fünf Geistlichen bestand (drei auf die Jagd nach Ungeheuern und bösen Geistern spezialisierten Kantioki-Mönchen, einem alten Priester und einer betagten Wandermönchin) sicher nach Nango.
Die Einwohnerschaft des kleinen Dorfes reagierte eingeschüchtert auf die Ankunft der Expedition. Offenbar fürchteten sie ein behördliches Strafgericht. Deshalb waren wohl auch zwei Einwohner geflohen, die sich vermutlich besonders anfällig für die Einflüsterungen Kuraikos gezeigt hatten.
Dass einer davon der Sohn des zwergischen Dorfvorstehers Hanzo Tusaka war, nahm Oichi nicht gerade für den Vater des Flüchtigen ein. Obwohl sie – auch auf Akiras Einwirken hin – auf drastische Strafen verzichtete, war klar, dass Hanzo sein Amt bald los sein würde. Die junge Beamtin richtete einen flammenden Appell an die Dorfbewohner, in Zukunft wachsamer und Pflichtbewusster zu sein. In den nächsten Tagen wurden die Dörfler auch noch durch den Priester „bearbeitet“, der angesichts des sehr lax gewordenen Bekenntnisses der Bewohner Nangos zur Gottkaiserin viel Arbeit vor sich sah. Der vernachlässigte Schrein der Gottkaiserin wurde instandgesetzt. Akira unterstützte die Bekehrungsarbeit nach Kräften, obwohl er selber insgeheim gewisse Zweifel an der Gottkaiserin hegte. Er war froh, dass Hao diesmal nicht dabei war: Die junge gnomische Affenpriesterin hätte wenig Gefallen an den strikten Vorstellungen von Pflicht und Ehre gefunden, die das Leben in Kintai bestimmten.

Neben dieser psychologischen „Aufräumarbeit“ galt es, sich um die physischen Überreste von Kuraikos Untaten zu kümmern. Die Expeditionsteilnehmer durchsuchten noch einmal Kuraikos Anwesen, doch hatten die Spinnendämonen ihr altes Nest inzwischen aufgegeben. In Kuraikos Zimmer fand Takur beim nochmaligen Durchsuchen ein mit einer Falle gesichertes Geheimversteck, indem einige Halbedelsteine und eine Kodierungstafel für Briefnachrichten verborgen waren. Oichi ließ eine Kopie der Codetafel erstellen und Akira sah sich in seiner Vermutung bestärkt, dass die Spinnenfrau Teil einer regelrechten Verschwörung gewesen sein könnte.
Die in der „Abfallgrube“ der Spinnendämonen liegenden Knochen ihrer Opfer zu bergen, war eine mühselige und belastende Aufgabe. In den dahinterliegenden Gängen waren früher offenbar Halbedelsteine gebrochen worden. Takur konnte sogar noch einige Steine finden, auch wenn das wegen der drohenden Einsturzgefahr gefährlich war.

Nachdem die Durchsuchung von Kuraikos Anwesen abgeschlossen war, blieb noch die Spurensuche nach den überlebenden Spinnendämonen. Die Expedition teilte sich dazu in zwei Gruppen und begann mit dem Durchstreifen der Nango umgebenden Wälder.
Leider versagte Takur bei der Spurensuche: der von ihm geführte Trupp stolperte praktisch über vier Spinnendämonen, die nur deshalb nicht aus dem Hinterhalt zuschlagen konnten, weil sie bei ihren eigenen Angriffsvorbereitungen ebenfalls gepatzt hatten.
So entwickelte sich die Begegnung in ein unorganisiertes, kurzes aber brutales Gefecht. Akira und Takur konnten eines der Monster rasch ausschalten. Doch die verbliebenen machten ihnen schwer zu schaffen. Beide Kämpfer wurden verletzt. Auch wenn sie und die sie begleitende Geistliche zwei weitere Spinnendämonen ausschalten konnten, konnte der vierte entkommen.

Trotz dieses unvollständigen Sieges war Oichi zufrieden mit dem Erreichten. Nachdem der schwer verletzte Takur wiederhergestellt war, entschied sie, dass der Großteil des Expeditionstrupps nach Miari zurückkehren könne. Der Priester sollte, unterstützt von zwei der Kantioki-Mönche, noch etwas in Nango bleiben um die Dorfbewohner zu „erziehen“. Die Kantioki sollten ihn beschützen und nach dem verbliebenen Spinnendämon Ausschau halten. Die junge Beamtin war sichtlich daran interessiert, die Angelegenheit rasch für erledigt erklären zu können.
Wohl nur halbernst fragte Oichi Akira, ob er vielleicht Interesse hätte, den voraussichtlich bald freiwerdenden Vorsteherposten von Nango zu übernehmen (und das Anwesen Kuraikos mit seiner…pittoresken Einrichtung und Geschichte). Der junge Schwertalb war tatsächlich kurz versucht. Das hätte ein nicht allzu glamouröses Leben verheißen, wäre aber für den nachgeborenen Sohn einer wenig vermögenden Schwertvasallenfamilie der östlichen Grenzlande ein guter Karrierestart gewesen. Doch nach einigem Überlegen versicherte er Oichi, dass er sein Schicksal woanders sähe…

Der Rückmarsch nach Miari verlief ohne Probleme. Dort setzte Akira seine Bemühungen fort, am Hof Kontakte zu knüpfen. Freilich verlief das nicht reibungslos. Der junge Schwertalb sah sich der Opposition der jungen Adligen Ikki Shinobu gegenüber, deren Vater von der Spinnenfrau Kuraiko erpresst worden war. Als dessen Verfehlungen im Zuge der Ermittlungen zu Kuraikos Taten ans Tageslicht gekommen waren, hatte ihm das seinen Posten am Fürstinnenhof gekostet. Seine Tochter machte nun Akira (und Oichi) für die Schande ihrer Familie verantwortlich und kritisierte offen Akiras Fähigkeiten, seine Manieren und seine Herkunft aus der „barbarischen“ östlichen Grenzregion Kintais. Unter anderen Umständen hätte Akira sie vermutlich gefordert. Aber er hatte ein schlechtes Gewissen wegen dem Unheil, das die im Zuge der Ermittlungen zu Kuraiko gefundenen Informationen teilweise angerichtet hatten. Also schluckte er seine Verärgerung hinunter. Dank seiner Beherrschung, seinen diplomatischen Fähigkeiten und ein wenig Glück schaffte er es tatsächlich, seine Kontrahentin etwas zu beschwichtigen.
Am Hof konnte Akira wertvolle Kontakte zu der bestens vernetzten Hofdame Matsura Sosa und zu Uome Kagechiko knüpfen, einem höherrangigen Mitglied der Fürstinnenfamilie und Offizier der Garnison von Miari. Auch wenn ihm das keine unmittelbaren Vorteile einbrachte, könnte sich dies in der Zukunft vielleicht noch einmal als nützlich erweisen.
« Letzte Änderung: 2.12.2023 | 02:21 von Takur »

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #8 am: 2.12.2023 | 02:22 »
Der Tempel der ersten Pflaumenblüte (kleine Spoiler für Abenteuer „Tempel der tausend Tore“)
Miari und angrenzende Berggebiete am Rande des Kamioku-Waldes (Hao, Akira und Takur)

Nach ihren letzten Abenteuern hatten die Helden ein paar Tage Ruhe. Takur fand ein wenig Anschluss bei den Fährtensuchern, Jägern und Prospektoren, die den Geisterwald durchstreifen. Für diese hartgesottenen Männer und Frauen war eine aufrechtgehende Raubkatze nichts, was sie aus der Ruhe bringen konnte. Daneben verdingte er sich gelegentlich bei Jagden der Oberschicht als Gehilfe – wobei sein exotisches Äußere vermutlich dazu beitrug, dass er angeheuert wurde.
Die Affenpriesterin Hao – die sich aus den politischen Aspekten der Mission ihrer Vorgesetzten Mo Pei heraushielt – wurde von dieser beauftragt, den örtlichen Jugendlichen bei der Organisation des „Festes der Freuden“ zu helfen (einem geheimen Fest für Jugendliche und junge Erwachsene, das am 23. Erntemond – in Zhoujiang Affenmond stattfand). Neben der Myuriko-Kirche wurden in Kintai – besonders von den Mittel- und Unterschichten sowie Eingewanderten – immer noch die Tiergötter Zhoujiangs verehrt. Da es bei dem Fest allerdings oft recht „wild“ herging, wurde es üblicherweise ohne das Wissen der Eltern organisiert – eine Tradition, die sich offenbar auch unter der Gottkaiserin Myuriko erhalten hatte (auch wenn standes- und verantwortungsbewusste Eltern vermutlich auf DIESE Tradition hätten verzichten können). Problematisch war, dass die Jugendlichen sich nicht wie andernorts außerhalb der Stadt treffen konnten – nicht nur galten die Mauern und Tore von Miari als gut bewacht, das Umland war nachts aufgrund der Nähe des Geisterwaldes auch nicht wirklich sicher.
Mit etwas Unterstützung von Takur (der das Ganze sehr amüsant fand), konnte Hao ein Lagerhaus anmieten und die nötigen Lebensmittel, Getränke sowie Musikanten organisieren. Der Waldläufer Takur gab den Jugendlichen auch ein paar wertvolle Tipps, wie sich ungesehen zu dem Fest schleichen konnten. Das Fest war ein voller Erfolg, ohne dass es zu sehr ausartete.

Bald allerdings beschäftigen die Helden erneut die Nachwirkungen ihres Abenteuers beim „Tempel der tausend Tore“ und ihre Begegnung mit dem dort eingesperrten Dämon:
Unter der Anleitung der Beamtin Uome Oichi wurde eine Expedition vorbereitet, die den im Geisterwald liegenden „Tempel der tausend Tore“ noch einmal untersuchen und die Möglichkeiten seines Erhalts und künftigen Sicherung feststellen sollte (wobei zwei der Helden – Ren und Luo – als Beratende fungieren würden). Im Zuge der Vorbereitungen gewährt Uome Tadashi den Beteiligten Zugriff zu seinem Gedankenkristall. Hao (mit Hilfe von Ren) kann freilich keine besonderen Zusatzinformationen herausfinden. Die Priesterin und die Magiekundige gewinnen jedoch ein tieferes Verständnis für die Nutzung und Erkennung solcher Artefakte, die vielleicht künftig noch einmal von Nutzen sein kann.
Zusätzlich sollten die anderen Helden (Hao, Takur und Akira) einen Bericht über die im „Tempel der tausend Tore“ eingesperrte Gefahr zu einem nahegelegenen Myuriko-Tempel bringen. In diesem Kloster – dem „Tempel der ersten Pflaumenblüte“ – sollte sich eine umfangreiche Bibliothek befinden, aus der sich Oichi zusätzliche Informationen über die Angelegenheit erhoffte. Zudem sollten sie den Rat der Geistlichen einholen. Allerdings galt der „Tempel der ersten Pflaumenblüte“ als recht eigenbrötlerisch. Das Kloster stand traditionell den Uome nahe, ohne ihnen blindlings zu gehorchen. Es wurde vor über 400 Jahren gegründet, kurz nachdem der Stählerne Kranich sein Reich erobert hatte, zu der Zeit, als die Uome die Herrschaft in der Region übernahmen.

Die mehrere Tage während Reise entlang des Gebirges am Ostrand des Kamioku-Waldes zum Kloster verlief ereignislos. Die Helden passierten nur wenige Dörfer, und die Einwohner waren zurückhaltend. Einmal tauchte am Himmel eine Drachenschlange auf, ohne jedoch näherzukommen. Takur nahm den beeindruckenden Anblick des fliegenden Feenwesens zum Anlass, den Göttern von seinem Blut zu opfern. Hao animierte dies, den Jaguarkrieger eingehend zu dem Glauben und den Göttern der Ma’Ua zu befragen. Die Affenpriesterin was fasziniert aber auch ein wenig schockiert von der blutigen Glaubenswelt der Jaguarkrieger.
Von Hao (mit Unterstützung Takurs) souverän über die Bergstraße geführt, erreichte die Gruppe das Kloster früher als erwartet.

Die Anlage erwies sich als weitläufig und von einer hohen Mauer umgeben. Der riesige Pagodentempel war reicht geschmückt. Man sah dem Kloster sein Alter an. Über das Tal verteilt fanden sich einzelne Gehöfte und kleine Häusergruppen der Bauern, die dem Kloster untertan waren. Überraschend war die große Anzahl von Okodama (Feenwesen in Gestalt von maskentragenden Blumen, Sträuchern und Bäumen), die das Kloster umgaben. Ihre große Anzahl und prächtiger Wuchs legten Zeugnis von dem Alter und der moralischen Makellosigkeit des Klosters ab – enervierten allerdings Akira, der in seiner Kindheit ziemlich gruselige Geschichten über die „Geisterbäume“ gehört hatte.   
Die Helden kamen erst einmal in dem örtlichen Gasthaus unter, welches als Quartier für diejenigen fungierte, die Einlass ins Kloster begehrten. Offenbar gab es zwei Möglichkeiten, vorgelassen zu werden:
Zum einen konnte man auf unbestimmte Zeit vor dem Klostertor meditieren, bis die Mönche Einlass zu gewähren bereit waren. Die Wartezeit konnte dabei zwischen einigen Stunden und mehreren Wochen dauern. Die – schnellere aber riskante – Alternative war, sich einer Reihe von Herausforderungen zu stellen. Nach kurzer Beratung beschlossen die Helden, es erst einmal mit Warten zu versuchen, auch wenn sich dies als eine ziemliche Geduldprobe erwies – vor allem, als das Wetter schlechter wurde. Doch am zweiten Abend wurde die Geduld belohnt und ihnen wurde Einlass gewährt.

Das weitläufige Kloster war bereits durch das schweigsame Auftreten der Geistlichen durch eine seltsame Atmosphäre geprägt, die bei Einbruch der Dunkelheit noch unheimlicher wurde, da nun zahlreiche Geister durch die Klostermauern streiften, ohne dass sich die Mönche an ihnen störten.
Auch wenn Hao, Akira und auch Takur aus Kulturen stammten, in denen Geister verehrt wurden, waren sie doch etwas verunsichert durch die geballte ‚geistige‘ Präsenz.
Immerhin wurde ihnen nun eine Audienz bei Äbtissin Mikawa Tomoe gekommen: eine junge Frau mit alten Augen und einem ziemlich ausgeprägten Charakter, die von geisterhaften Schemen flankiert wurde. Von Hao unterstützt erstatte Akira umfassend und ungeschönt Bericht über die Ereignisse beim „Tempel der tausend Tore“, über den dort eingesperrten Dämon und die Ränke der Spinnenfrau Kuraiko.

Die Äbtissin hatte einige harsche Worte bezüglich der Geheimhaltung des „Tempels der tausend Tore“ durch den Gelehrten Tadashi, war aber mit dem Handeln der Helden zufrieden. Sie erklärte sich bereit, dem Ersuchen nach Recherchen nachzukommen. Die lesekundigen Helden (Hao und Akira) durften die Nachforschungen in der Tempelbibliothek unterstützen. Diese beinhaltete Schriften zu Feenpakten, Geistern und Dämonen, die teilweise deutlich älter als das Reich des Himmlischen Kranichs waren und die man offenbar hier zusammengetragen hatte. Besonders Hao erwies sich als hervorragende Rechercheurin. Das Stöbern in den Archiven erbrachte Hinweise auf die Kämpferin Na Mong, die früher (offenbar noch in den Tagen der Drachlingsherrschaft und mit diesen gemeinsam) gegen das im „Tempel der tausend Tore“ eingesperrte Untier gekämpft hatte.
Leider fanden sich in den Schriften nur wenige Hinweise zu ihr, weshalb Tomoe vorschlug, den Geist der Kriegerin zu beschwören. Auch dabei sollten die Helden helfen, nicht zuletzt weil zwei von ihnen gegen das Untier gekämpft hatten. Während Hao sich bei der Vorbereitung und Recherche der passenden Rituale nützlich machte, unterstützte Takur die Suche nach geeigneten Kräutern als Paraphernalia für das Ritual. Er war durchaus erfolgreich, allerdings stolperten er und ein älterer Mönch bei der Suche beinahe über eine Herde von Wildrindern. Sie konnten sich allerdings zurückziehen, bevor die mächtigen Tiere angriffen.
Die Halbedelsteine, die Takur bei seinem zweiten Besuch in Kuraikos Versteck gefunden hatte, begannen nach einigen Tagen im Tempel zu leuchten. Hao vermutete, dass sie schwach magisch seien und eventuell auf die magische „Hintergrundstrahlung“ des Tempels reagierten.

Während die Vorbereitungen des Rituals Fortschritte machten, beanspruchte bald eine andere Angelegenheit die Aufmerksamkeit der Helden: Mitten in der Nacht wurden sie durch ein leises Wimmern geweckt und fanden einen verletzten Schneemakaken, der sich in ihre Unterkunft geschleppt hatte. Das Tier verhielt sich eigenartig, was besonders Hao (als Priesterin des Affengottes) überzeugte, dass mehr hinter der Sache steckte. Das Tier wurde verarztet. Seine Wunden schienen von einer großen Katze zu stammen.
Nachfragen bei den Mönchen ließen die Helden zu dem Schluss kommen, dass das Tier möglicherweise von dem bei dem nahebei gelegenen Ort Bizen befindlichen „Affenfelsen“ kam, einem alten Heiligtum des Affengottes, das inzwischen von den Einwohnern gemieden wurde. Hao war überzeugt, der Sache nachgehen zu müssen und die anderen Helden beschlossen, sie zu begleiten. Tomoe war zwar irritiert, da aber ohnehin noch auf eine für das Beschwörungsritual günstigere Stern- und Mondkonstellation gewartet werden musste, hatte sie keine Einwände.

In Bizen stellten die Helden schnell fest, dass etwas merkwürdig war: die Leute schienen sehr schweigsam und gingen ihnen (die von dem geheilten Affen begleitet wurden) aus dem Weg. Nach einigem Herumgefrage konnte Hao den Grund erfahren:
Seit einigen Monaten waren immer wieder Nutztiere verschwunden. Die Spuren hätten auf eine Raubkatze hingedeutet. Doch der Versuch, das Tier zu erlegen, hätte in einer Katastrophe geendet. Ein Jäger sei getötet, weitere verletzt worden. Offenbar sei das Tier zu mächtig für die Jäger gewesen – und mehr als ein Tier, denn es hätte gesprochen und die Verletzten mit einer bedrohlichen Warnung heimgeschickt. Allem Anschein nach hatten die Dorfbewohner und die Bestie kurz darauf eine „Übereinkunft“ gefunden, die das Dorf vor weiteren Angriffen bewahrte.
Die Dorfbewohner wollen nicht genau sagen, wie man sich mit dem Untier geeinigt hat. Die Helden vermuteten, dass die Dörfler das Raubtier vielleicht auf den Affenfelsen hingewiesen hatten, damit er dort leichte Beute finden konnte.
Hao wollte unbedingt etwas unternehmen. Weitere Fragen bei den Dörflern ergaben nichts. Die Menschen blieben verschlossen. Immerhin wiesen sie den Weg zum Affenfelsen und erwähnen, dass dort der alte Einsiedler Makashi lebe, der möglicherweise weiterhelfen könnte, allerdings seit einigen Wochen nicht mehr im Dorf gewesen war.

Bevor die Helden zum „Affenfelsen“ aufbrachen, suchten sie den für das Dorf Bizen verantwortlichen Schwertvasallen auf, der in einem befestigten Anwesen nahe dem Dorf residierte. Matsuma Takata war ebenso wenig wie die Dorfleute erpicht darauf, über die Angelegenheit zu sprechen, doch Akira konnte ihn überzeugen, etwas mehr zu erzählen.
Der Schwertvasall war der Meinung, dass irgendwelche Maßnahmen nicht nötig seien. Das Wesen würde sich nun an den Affen schadlos halten, die für die Dorfbewohner ohnehin ein Ärgernis gewesen waren. Jetzt etwas gegen den Panther unternehmen zu wollen, bürge im Fall eines Scheiterns nur die Gefahr, dass sich dieser an dem Dorf rächen würde. Bei seinem Verhalten spielte zweifellos eine Rolle, dass die Menschen am Rande des Kamioku-Waldes Abkommen mit übernatürlichen Wesenheiten und eine fragile Koexistenz gewöhnt waren und davor zurückschreckten, ein solches Übereinkommen zu gefährden. Nichtsdestotrotz blieben die Helden bei ihrem Vorhaben.

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #9 am: 2.12.2023 | 02:25 »
Nach mehreren Stunden Fußmarsch erreichten die Abenteurer den „Affenfelsen“ und den dort gelegenen, verlassenen Tempel des Affengottes. Nahe dem Eingang fanden die Helden zahlreiche Kratzspuren an den Bäumen. Das Wesen hatte offenbar sein Revier markiert und außerdem die Schädel mehrerer getöteter Affen in Astgabeln platziert.
Die überlebenden Affen hatten sich in den Tempel zurückgezogen und waren wachsam und ängstlich, aber nicht feindselig (auch wenn sie der Anblick des Jaguarkriegers Takur eindeutig beunruhigte). In dem alten Tempel fanden die Helden den Leichnam eines alten Vargen, der offenbar vor kurzem von der Bestie getötet worden war – vermutlich der Einsiedler, von dem die Dörfler gesprochen hatten. Die Affen hatten die Leiche mit Blumen geschmückt.
 Die erneute Bluttat des Panthers bestärkte die Helden in der Absicht, etwas zu unternehmen. Das Wesen im Urwald zu jagen, könnte sich allerdings als schwierig erweisen. Die Helden wollten deshalb versuchen, das Wesen zu provozieren, in den Tempel zu kommen. Um den Panther herauszufordern, entfernten die Helden die in den Astgabeln platzierten Affenschädel und Takur zerkratzte die an den Bäumen gesetzten Krallenmarken mit seinen eigenen Klauen. Tatsächlich ertönte in der Nacht nahe des Tempels das Gebrüll einer großen Raubkatze, aber obwohl Takur eine Herausforderung zurückbrüllte, war das Wesen nicht so dumm, sich in den Tempel zu wagen.

Am nächsten Tag fanden die Abenteurer vor dem Tempel einen getöteten Rehbock, von dem eine deutliche Spur ins Unterholz führte. Die Gruppe wagte einen Vorstoß in den dichten Nadelwald, auch wenn die Sichtverhältnisse ungünstig waren und sie jeden Augenblick mit einem Angriff aus dem Hinterhalt rechnen mussten.
Doch schon nach kurzem stieß die Gruppe auf den Panther, der sie bereits erwartete und ihnen arrogant und selbstsicher entgegentrat. Tatsächlich konnte das Tier nicht nur sprechen, es zeigte eine sehr hohe, wenn auch grausame Intelligenz. Hao vermutete, dass der Panther entweder aus einer Feenwelt stammte oder von Feenwesen beeinflusst worden war. Das Wesen drohte mit Vergeltung gegen Bizen, da es mit dem Eintreffen der Helden den vor kurzem geschlossenen „Vertrag“ gebrochen sah, demzufolge ihm die Dörfler freie Hand bei der Jagd auf die Affen ließen, wenn er im Gegenzug Bizen verschonte. Den Einsiedler hatte der Panther getötet, weil er ihm bei seiner Jagd in die Quere gekommen war.
Besonders Hao als Affenpriesterin war nicht gewillt, diesen „Vertrag“ anzuerkennen, und die anderen Helden unterstützten sie. Das verbale Hin und Her endete damit, dass Akira den Panther zu einem Zweikampf herausforderte. Allerdings rechnete sich der junge Schwertalb wenige Chancen aus. Doch zur allgemeinen (auch seiner eigenen) Überraschung gelang es Akira, den Panther zu besiegen, auch wenn der Schwertalb selber ebenfalls verwundet wurde. Grollend versicherte der überwundene Panther, sich an die Übereinkunft zu halten und verschwand im Unterholz.
Die Helden begruben den alten Einsiedler und Hao unternahm ihr Bestes, den alten Affentempel wieder herzurichten, auch wenn sie wusste, dass das nicht lange vorhalten würde. Zur allgemeinen Überraschung erhielten die Helden von den Affen des Tempels einige Schmuckstücke und Münzen überreicht, vermutlich Überreste des alten Tempelschatzes. Das irritierend intelligente und wenig ‚tierhafte‘ Verhalten der Affen bestärkte die Helden und besonders natürlich Hao in der Ansicht, dass ihr Handeln dem Affengott Ungoy wohlgefällig gewesen war.
In Bizen war die Reaktion der Dörfler auf die Neuigkeiten allerdings eher zwiespältig. Vermutlich befürchteten sie, dass der Panther irgendwann wiederkehren könnte und sahen in dem Agieren der Helden eine unnötige Einmischung, zumal die Affen des „Affenfelsen“ bei den Dörfler wegen ihrer gelegentlichen Raubzüge in die Felder und Gärten unbeliebt waren.

Die Rückreise zum „Tempel der ersten Pflaumenblüte“ verlief ereignislos. Im Kloster waren die Vorbereitungen zu dem geplanten Beschwörungsritual inzwischen abgeschlossen. Nach einer Reinigungszeremonie waren die Helden bereit, an dem Ritual teilzunehmen.
Die Geisterbeschwörung fand bei einbrechender Dunkelheit in einem kleinen Pavillon außerhalb des Klosters statt und weckte rasch die Aufmerksamkeit der das Kloster umgebenden Okodame-Geisterbäume und verschiedener Geisterwesen. Leider wurden auch einige feindselige Geister angezogen und die Helden mussten den Angriff mehrerer schemenhafter Hunde zurückschlagen.
Letztlich war das Ritual erfolgreich und der beschworene Geist der Kriegerin Na Mong konnte einiges über den im „Tempel der tausend Tore“ gefangenen Dämon Kokumo erzählen. Auch wenn sie nicht wusste, in wessen Dienst er stand, konnte sie mitteilen, dass er wohl mit einem „Kult des Strahlenden Schattens“ zusammenhing und es sowohl Drachlinge als auch Mitglieder der „Dienerrassen“ gegeben hätte, die den Dämon unterstützt hätten oder sich seiner bedienen wollten. Vermutlich könnte man in den Kaiserlichen Archiven in Palitan mehr dazu finden. Na Mong war wenig begeistert davon, dass der „Tempel der tausend Tore“ und die in ihm eingesperrte Gefahr derart in Vergessenheit geraten war. Sie war der Meinung, dass der Tempel unbedingt wieder verstärkt und bemannt werden sollte.
Äbtissin Tomoe schlug unterstützt von den Helden vor, dass sich Na Mong vielleicht auch selber den Wächtern des „Tempels der tausend Tore“ anschließen könnte. Die Geisterkriegerin versprach, dies in Erwägung zu ziehen.
Auch Tomoe erklärte bereit, den Erhalt des „Tempels der tausend Tore“ zu unterstützen. Um der Angelegenheit das nötige Gewicht zu verleihen, begleiteten sie und zwei ihrer Untergebenen die Helden nach Miari.

Verlief der Rückmarsch anfangs ereignislos, änderte sich dies, als die Helden einen Tagesmarsch von Miari entfernt eine schmale Brücke über eine Gebirgsschlucht erreichten. Im letzten Augenblick entdeckten sie einen dort gelegten Hinterhalt. Offenbar hatten sich zwei oder mehr Bewaffnete auf der anderen Seite der Brücke verborgen, die nun mit Fernkampfwaffen angriffen. Tomoe wurde durch einen Pfeil schwer verwundet, aber Hao konnte der Äbtissin mit ihrer Magie stabilisieren. Während die beiden Tomoe begleitenden Mönche bei der Verletzten blieben, fanden die Helden eine Möglichkeit, über einen schmalen Stieg ungesehen die Schlucht zu überqueren. Auf der anderen Seite angekommen, versuchten sie, ihrerseits die Angreifer zu überraschen. Das gelang nur teilweise und es entspann sich ein wütender Kampf. Obwohl nur zu zweit, leisteten die Angreifer – ein Zwerg und ein Varg – verbissenen Widerstand. Während Takur den Zwergen relativ schnell überwältigte, konnte der Varg Akira schwere Wunden zufügen. Der junge Schwertalb verdankte sein Leben einer Begleiterin Tomoes, die den Varg mit einem grandiosen Weitschuss  tötete.
Während die Mönche rätselten, weshalb zwei Räuber eine zahlenmäßig überlegene und gut bewaffnete Gruppe angreifen sollten, hatte Akira einen anderen Verdacht: das Äußere der Angreifer passte zu der Beschreibung von zwei Sympathisanten der Spinnenfrau Kuraiko aus dem Dorf Nango, die nach deren Tod verschwunden waren. Die Leichen der beiden Räuber wurden geköpft und ihre Körper in die Schlucht geworfen.

In Miari angekommen, wurden die Köpfe der Verbrecher öffentlich zur Schau gestellt und die Toten rituell verflucht. Ihre in Nango lebenden Familien wurden ihres Standes beraubt, enteignet und verbannt. Die Gerichtsbarkeit des Kaiserreiches kannte wenig Gnade mit Häretikern, die eine hochrangige Priesterin Myurikos angriffen. In diesem Fall fühlte sich auch keiner der Helden berufen, gegen den Urteilsspruch Protest einzulegen.
Spätere Nachforschungen Luos und Akiras ergaben, dass die beiden Kuraiko-Anhänger sich wohl in Miari eingeschlichen und den Helden nachspioniert hatten. Das schien für einen geplanten Racheakt zu sprechen – aber war es dann nur ein unglücklicher Zufall, dass sie beinahe die Äbtissin Tomoe getötet hatten?

Den Helden brachten ihre Erfolge in den letzten Wochen die Teilnahme an einer Audienz bei Fürstin Uome Satsume ein. Die Fürstin äußerte sich lobend über die Taten der Helden, befürwortete die Instandsetzung des „Tempels der tausend Tore“ sowie weitere Nachforschungen und versprach Unterstützung – mahnte aber gleichzeitig Diskretion und Vorsicht an. Die Helden erhielten zudem eine Belohnung in Form von Geld und Ausrüstung aus der Waffenkammer der Fürstin.

Akira wandte sich etwas später in eigener Sache an seinen Kameraden Luo, der aufgrund seiner Halb- und Unterweltkontakte über ein beachtliches Netzwerk an Informationsquellen verfügte. Aufgerüttelt durch die Intrigen der Spinnenfrau Kuraiko und ihrer Gefolgsleute wollte Akira seine bisher vergeblichen Nachforschungen nach den Mördern seines Vaters wieder aufnehmen. Dieser war vor einigen Jahren nahe der Grenze von Sadu in einem Hinterhalt ums Leben gekommen, als dessen Verursacher Akira die der Spinnengöttin Gagamba nahestehenden transkabilischen Guerillas verdächtigte. Vielleicht gab es da ja irgendwelche Verbindungen zu den Intrigen Kuraikos, die anscheinend einer Abspaltung des Gagamba-Kultes anhing?
Luo versprach, seine Kontakte zu aktivieren, auch wenn die Sache wenig aussichtsreich schien. Die beste Spur war möglicherweise das kostbare Schwert von Akiras Vater, eine alte Familienwaffe Clan Rankus namens Rakurai (Blitzschlag). Die Klinge aus Jadeeisen wies einen rotschwarzen Griff und eine rote Scheide auf. Die Waffe war bei dem Hinterhalt verlorengegangen, in dem Hiroshi Ranku  ums Leben gekommen war, und vielleicht würde sie ja irgendwo auf dem Schwarzmarkt auftauchen…

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #10 am: 2.12.2023 | 02:27 »
Rückkehr zum Tempel der tausend Tore (Spoiler für Abenteuer „Tempel der tausend Tore“)
Miari der Kamioku-Waldes (Ren und Luo)

Ren und Luo bereiteten sich derweil auf die zweite Expedition zum „Tempel der tausend Tore“ vor. Sie nutzten die Zeit auch, um die kürzlich entdeckte Inschrift auf Luos Schwert zu abalysieren. Ren – die solide Kenntnis in Sagen und Legenden besaß – konnte Hilfe von Uome Tadashi im Archiv von Miari einiges herausfinden:
Der Name Li Sao auf der Kling verwies auf eine lange verstorbenen Kaiserin Zhoujiangs. Sie regierte etliche Jahre zusammen mit ihrer Zwillingschwester Li Sui, bevor sie von dieser ermordet wurde. Dies löste den Krieg der Zwillingskaiserinnen aus, der zehn Jahre währte. Das Ende kam, als Li Sui im Angesicht einer Niederlage dunkle Mächte heraufrief, die sie und ihre Feinde gleichermaßen vernichteten. Offenbar wurde die Inschrift auf dem Schwert nach einer bestimmten Reimkadenz gestaltet, von der man seinerzeit glaubte, dass sie die Macht von Artefakten stärken würde. Das Siegel deutete auf eine Schmiede von Li Sao-Loyalisten hin, möglicherweise im Guaiwulinshan-Gebirge (d.h. im Osten der Salamander- oder Westen der Krebsprovinz). Diese Waffen hatten einen eher bedenklichen Ruf. Zusätzliche Informationen sollten sich in den kaiserlichen Archiven in Palitan finden lassen. Es erschien ratsam, die Herkunft der Waffe nicht zu offen zu thematisieren, da dies unliebsame Aufmerksamkeit wecken könnte.
Ren untersuchte auch die Feder, die Luo im Kamioku-Wald gefunden hatte. Offenbar stammte sie tatsächlich von einem niederen Phönix. Solche Artefakte waren zwar nicht sehr mächtig (es war nicht die Feder, die beim Tod eines solchen Vogels zurückblieb und aus der er wiedergeboren werden konnte), könnte aber die Herstellung eines feuermagischen Artefaktes unterstützen oder als Glücksbringer fungieren – und war einige Lunare wert. Luo behielt die Feder erst einmal.

Ren und Luo wurden von Uome Oichi für die Vorbereitung der Expedition herangezogen, da sie den Tempel schon einmal besucht hatten. Vor allem aber stützte die junge Beamtin sich auf Kaito und Tadashi, mit denen sie freilich nicht immer gut zurechtkam. Neben diesen würde Mo Pei als Vertreterin der zhoujiangischen Kulte, zwei Ashigaru und der Kriegermönch und geübte Wildläufer Hoja die Expedition begleiten. Über Oichi erfuhren Ren und Luo, dass es in der Myuriko-Kirche Meinungsverschiedenheiten gab, wie man mit der Angelegenheit mit dem Tempel umgehen sollte: immerhin war dieser den alten Tiergottheiten geweiht, die im Reich des Himmlischen Kranichs seit Jahrhunderten in den Hintergrund treten mussten, und die man nicht „aufwerten“ wollte. Manche in der Myuriko-Kirche neigten dazu, die Angelegenheit den Kantioki-Kampfmönchen zu überlassen, da es lediglich um den Schutz vor dem im „Tempel der tausend Tore“ eingeschlossenen Dämon ginge.
Dazu kamen weitere politische Aspekte. Die Gagamba-gläubige Spinnenfrau Kuraiko hatte versucht, den Dämon zu befreien. Die Gagamba-Kirche war in Zhoujiang immer noch sehr stark, auch wenn der dortige Zweig nicht so offen Kintai-feindlich war wie die Sekten in den transkabilischen Wäldern Sadus. Die Angelegenheit drohte Kreise ziehen, und es war bereits eine Reihe von Briefen an höhere Stellen unterwegs.
Als die Gruppe aufbrach, tauchte überraschend der Tengu Arashi auf, der sich der Gruppe anschließen wollte. Es war ein Rätsel, woher er über die Expedition erfahren hatte. Oichi war wenig erbaut, ließ sich aber von Luo überreden, den Rabenmenschen mitzunehmen. Arashi übernahm zusammen mit Kaito und Hoja die Führung. Dies garantierte zwar große Kompetenz, bedeutete aber gleichzeitig, dass sich die drei Wildnisführer argwöhnisch beäugten.

Deshalb war die Stimmung am abendlichen Lagerfeuer teilweise angespannt, auch wenn sich Luo darum bemühte, die Stimmung aufzulockern. Die Reise durch den Kamioku-Wald verlief überraschend reibungslos. Am Abend des dritten Tages erreichte man das Feentor zu dem Tal des Tempels der tausend Tore. Jenseits davon zeigte sich, dass Weg und Tore in gutem Zustand waren, als würde die Feenwelt (oder jemand in ihr?) sie pflegen. Auch der Tempel wirkte wie erst kürzlich verlassen (und nicht schon vor etlichen Wochen).
Abgesehen von gelegentlichen schemenhaften Bewegungen schien die Umgebung des Tempels verlassen. Die Besucher waren sich klar, dass Vorsicht, Achtsamkeit und Respekt angebracht waren. Es fiel auf, dass der Himmel nachts keinen Mond und nur unbekannte Sterne zeigte.

Die Untersuchung konzentrierte sich anfangs auf die Außenbereiche des Tempels: das Torhaus, die Priesterquartiere, ein Wirtschaftsgebäude und schließlich das Haus der Vorsteherin. Dabei fiel auf, dass die Torsäulen wie die Ziegelmauer um die Tempelanlage mit zhoujiangischen Schriftzeichen in einer unbekannten Sprache beschrieben waren. Keiner konnte sie entziffern, doch wurden Abschriften angefertigt. Im Torhaus gab es eine kleine Waffenkammer mit wenigen, aber hochwertig gefertigten Stücken, die man aber aus Respekt vor den Toten und für Nutzung unangetastet ließ. Die Gruppe kampierte im ehemaligen Priesterquartier, das einst ca. 20-30 Personen Platz geboten hatte. Von den ermordeten Mönchen waren nur ein paar kärgliche Besitztümer zurückgeblieben: Kleidung, Gebetsrollen, einfache Brettspiele und dergleichen. Offenbar ermutigte der Tempel seine Bewohner, auf Besitz, Luxus oder Kontakte zu ihrem alten Leben zu verzichten. Nicht jeder war damit zurechtgekommen: Luo entdeckte Briefe eines Mönches, die dieser an eine Geliebte geschrieben aber nie abgeschickt hatte.     
Die Vorratskammer enthielt nur vegetarische Lebensmittel und diese erschienen selbst angesichts der geringen Belegschaft vor dem Angriff Kuraikos als sehr knapp. Das Essen stammte offenbar aus einem angrenzenden Klostergarten, der aber nur noch zum Teil genutzt worden war. Etliche der Pflanzen zeigten Blüten und Früchte zur selben Zeit.

Im Haus der Vorsteherin fanden sich religiöse Schriftrollen, vor allem mit Bezug zum Krebsgott Jausei und der Fangschrecke Tanglang, aber kaum etwas zu anderen Tiergöttern. Es gab zudem einige historische Romane, Sagensammlungen zum Kamioku-Wald und ein wenig schöngeistige Literatur. Ein Tagebuch der Vorsteherin Momoko gab Hinweise, dass diese (wiewohl Mensch) wohl mindestens 120 Jahre gelebt hatte (obwohl ihre Leiche keineswegs wie die einer so alten Frau ausgesehen hatte). Gerade in den letzten Jahren hatte sie sich Sorgen um die Sicherheit des Tempels gemacht, was sie mit kryptischen Worten umschrieb: „Etwas regt sich in der Dunkelheit, Etwas verbirgt sich im Licht“. Der Tempel schien freilich niemals mit der Versorgung oder Krankheiten Probleme gehabt zu haben.
Leider fand sich keine umfassende Chronik des Tempels.

Die Schriften berichteten, dass die Perlen, mit denen man die Zugänge zu den Nebenglobulen öffnen konnte, nach einer Anwendung erst bei den Wächtern „aufgeladen“ werden mussten, beschrieben die Wächter und gaben einige vage Hinweise auf die Feenwelten jenseits der Tore des Hauptgebäudes. Das Tor der Untergehenden Sonne führte in ein Geisterwelt-Abbild des Schlachtfeldes, auf dem der Dämon Kokumo vor weit über 1000 Jahren besiegt und gefangengesetzt worden war. Das Tor der aufgehenden Sonne hingegen führte vermutlich in eine Feenwelt, die von der Welt des Tals eigens zur Bewahrung der Perle abgespalten worden war. Die Dryade Sakuri war offenbar die Herrin dieser kleinen Welt, und möglicherweise würde sie sich sogar im Falle ihres Todes erneuern, solange die Perle zurückgebracht wurde. Angaben ob es eine feeische Herrin oder Herren des Tempeltals gab, fehlten. Der Kerker Kokumos wurde nur vage beschrieben, zumal die Gegenwart des Dämons ihn wohl zusätzlich verzerrt hat – in jedem Fall sollte ein Besuch tödlich sein. Es fand sich auch eine Beschreibung Kokumos und seiner Fähigkeiten. Hier bezeichnete man ihn als Kreatur Gagambas, der  aber möglicherweise von ihr abgefallen war.
Im Haus der Vorsteherin fand sich ein Spiegel, der sich bei einer eingehenden Untersuchung durch Ren als Kommunikationsmittel mit den Perlen-Wächtern jenseits der Tore entpuppte. So konnte sie Gespräche mit Geistergeneral Shi und der Kirschdryade Sakuri führen. Dies brachte aber keine neuen Erkenntnisse. Es war deutlich zu spüren, dass Sakuri sich in ihrer Globule einsam fühlte, weshalb Ren anregte, dass künftige Bewohner des Klosters mit ihr Kontakt halten sollten.

Arashi war von den Informationen enttäuscht – zweifellos hatte er sich mehr Informationen erhofft, die den Tempel der tausend Tore mit dem Turm Rabenwacht der Tengu verbanden. Auch Tadashi hätte sich wohl eine Tempelchronik oder genauere Angaben zu Kokumos Herkunft und Zielen gewünscht. Kaito beschloss, noch eine Weile im Tempel zu bleiben, während der Rest der Reisenden sich auf den Rückweg machte. Trotzdem sie einen Wegkundigen weniger hatten, erreichten sie Miari ohne Probleme. Oishi war sich nicht sicher, ob die Errichtung eines dauerhaften Außenpostens im Tempel möglich sein würde – die Anlage lag tief im Kamikou-Wald, was jeden Besuch erschwerte. Ohne die Schlüsselmünzen, die Zugang zum Tal gewährtem, sollte ein Betreten schwer möglich sein, so dass das Risiko eines Angriffs überschaubar schienen. Allerdings gab es angeblich Rituale, Artefakte und Wesen, die unter bestimmten Bedingungen Tore in Feenwelten öffnen konnten…

In den Tagen nach ihrer Rückkehr widmeten sich Luo und Ren dem Kontakt zur örtlichen Zhoujiangi-Exilgemeinde. Scheinbar selbstlos brachten sie Neuigkeiten aus der alten Heimat und boten sich an, Botschaften zum Maishi-See und den angrenzenden Provinzen zu befördern. Insgeheim suchten sie zugleich (im Falle Rens mit einigem Erfolg), Stimmung gegen die Triaden und General Wu zu machen. Im Fall Luos dienten seine Bemühungen auch der Pflege und dem Ausbau seines Kontakte-Netzwerkes.

Es wurde deutlich, dass die Kintari-Oberschicht über den Umgang mit der aufgrund des Bürgerkriegs zunehmenden Zahl von Exilanten aus Zhoujiang unsicher war. Das Problem war in Miari noch nicht so akut, aber in den näher an den Grenzen zu Zhoujiang gelegenen Regionen war es wohl schon zu Spannungen gekommen, zumal manche Fürsten und Adlige mit Skepsis auf die Zuzügler blickten. Manche fürchteten, dass ihre Präsenz in den Grenzregionen den Bürgerkrieg nach Kintai bringen könnte. Mancher Lord dachte wohl darüber nach, die Flüchtlinge lieber in spärlich bewohnten Gebieten fern der Grenzen anzusiedeln. Es war übrigens auch zu spüren, das Hao und Mo Pei wegen ihrer Hilfe für die Jugendlichen beim Fest der Freuden von einigen Einwohnern nicht eben geschätzt wurden.
Ein eher unerwartetes Ergebnis der „Netzwerkarbeit“ war, dass eine örtliche Heiratsvermittlerin über Mo Pei vorfühlen ließ, ob Ren als Kandidaten für eine Einheirat in eine örtliche Familie zur Verfügung stünde. Doch sie war im Augenblick an dergleichen nicht interessiert und verneinte höflich.

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #11 am: 7.01.2024 | 07:45 »
Übergänge
Miari, Banjaku-Provinzen und Kochoji-Ebenen (Hao, Luo, Ren)

Die Abenteurer, zurückgekehrt aus dem Kamioku-Wald (Luo und Ren) bzw. von ihrer Reise zum „Tempel der ersten Pflaumenblüte“ (Hao, Akira und Takur) hatten nur relativ wenig Zeit sich über ihre Erlebnisse auszutauschen. Wenige Tage, nachdem sie wieder in Miaria eingetroffen waren, wurden diejenigen, die aus Zhoujiang stammten (Hao, Ren und Luo) eilends zum Palast beordert. Offenkundig war eine wichtige Reisegruppe unter dem Banner von Klan Ranku eingetroffen und wollte die Gäste aus Zhoujiang sehen.
Man führte die Abenteurer in einen Saal, wo sich bereits die Priesterin Mo Pei und Hauptmann Lei Fang als die Anführer der in Miari weilenden Gesandtschaft der Affenprovinz befanden. Auch Uome Satsuma, die Fürstin von Miari, war anwesend. So repräsentativ wie möglich wartete man, die Abenteurer etwas zurückgesetzt hinter Mo Pei und Lei Fang. Hao war nervös, weil sie einige wüste Gerüchte über die kriegswütigen Ranku gehört hatte. Schließlich traten fünf gerüstete Schwertalben ein.
Anführerin der Gruppe war eine dunkelhaarige Albin mit markantem Gesicht in einer schwarzen Lamellenrüstung. Eine furchteinflößende Gesichtsmaske baumelte an ihrem Gürtel, während der ausladende Kriegshelm in ihrer Armbeuge ruhte. Die Kriegerin wurde als Ranku Kane, eine „Protektorin der östlichen Grenzlande“ und eines der „Schwerter des Göttlichen Kranichs“ vorgestellt. Bei den Begleitern der Kanes handelte es sich offenbar um ihren Knappen Ranku Nobunaga, den erfahrenen Krieger Tadanishi Hiro, dessen fremdartiger Dialekt eine Herkunft aus den Grenzlanden oder vielleicht auch dem Ausland nahelegte und die praktisch nicht auseinanderzuhaltenden Schwestern Nishida Akira und Nishida Kari. 

Zunächst beschränkte sich das Gespräch auf diplomatisches Hin und Her. Hao realisierte schnell, dass zwischen der Fürstin und der Generalin eine gewisse Anspannung herrschte. Auch im weiteren Verlauf des Gespräches wirkte viel von der geäußerten Höflichkeit und Freude etwas gekünstelt. Die Generalin lobte die guten Beziehungen der Uome zu den Nachbarn (d. h. Zhouhjiang, speziell zur Affenprovinz), und erklärte, man wolle seitens Haus Ranku diese Bestrebungen gerne unterstützen und den Gesandten ein ehrenvolles Geleit auf dem Rückweg geben (sogar Ren und Luo, die nicht dieselbe Menschenkenntnis wie Hao hatten, mutmaßten, dass dies nicht aufrichtig gemeint war).
Die Fürstin nahm das Angebot höflich an, auch Mo Pei und Lei Fang äußersten sich freudig. Zum Abschied ihrer Gäste würde die Fürstin ein Fest ausrichten. Die Begeisterung der Generalin darüber hielt sich in Grenzen.
Das ca. eine Stunde andauernde folgende Gespräch drehte sich vor allem um höfliche Nichtigkeiten, doch kamen nun auch die Abenteurer gelegentlich zu Wort und Ren konnte dank ihrer rhetorischen Fähigkeiten einen guten Eindruck machen.

Vor dem Fest am Abend des Folgetages überprüften die Abenteurer – Akira und Takur würden sie auf das Fest begleiten, doch waren sie nicht wie die Zhoujiangi ‚eingeladen‘, sich von Ranku Kane zur Grenze eskortieren zu lassen – natürlich ihr Aussehen, um möglichst präsentabel zu sein.
Luo hörte sich in der Stadt nach Informationen über die Generalin um und erfuhr eine ganze Menge. Kane, die auch als „der Schwarze Tod“ bekannt war, galt als erfahrene und fähige Kommandeurin. Geboren um 910 LZ, hatte sie bisher vor allem an der Grenze Kintais mit Sadu gedient. Sie galt als Befürworterin einer expansionistischeren Außenpolitik und ihre Anwesenheit hier im Nordwesten sorgte bei den Uome-Untertanen für Gerede. Wie Luo später erfuhr, hatte Kane sich im Laufe der Jahre mehrere Angehörige des Hauses Momoku zu persönlichen Feinden gemacht. Fast ebenso auffällig wie die Generalin selbst war ihr Reittier – ein prachtvolles, silbergraues Quirin. Man sagte der Generalin nach, dass sie sich eher zu Frauen hingezogen fühlte (was freilich nicht als anrüchig galt).

Am Abend versammelten sich ca. 100 Gäste in einem großen Saal der Burg. Ein halbes Dutzend Musikanten und etwa dieselbe Zahl Tänzerinnen (die einen anmutigen aber formellen Tanz mit Seidenbändern aufführten) boten gesittete Unterhaltung. Man hatte die Zhoujiangi etwas weiter oben an der Tafel platziert, nahe bei Lei Fang und Mo Pei. In unmittelbarer Nähe der Abenteurer saßen vor allem die Begleiter der Generalin, dazu ein relativ junger Priester Myurikos namens Shinzo, der die Gesandtschaft begleiten würde.
Die Generalin, die Fürstin und andere Vertreter der höchsten Elite saßen ein Stück weiter weg. Entgegen aller Befürchtungen unterlief keinem der Abenteurer ein Etikette-Fauxpas und man genoss das exzellente Essen (vor allem Gemüse und Fisch in mannigfaltiger Zubereitung). Ren (und auf ihr Einwirken auch Luo) hielten sich beim Trinken zurück, während Hao sich den Reiswein und -schnaps schmecken ließ. Luo ermutigte Hauptmann Lei Fang, mehr zu trinken – er und Ren wollten natürlich verhindern, dass der Gefolgsmann General Wus (der wie die aus pragmatischen Gründen Wu unterstützende Mo Pei keine Ahnung hatte, dass Ren und Luo im Bürgerkrieg auf einer anderen Seite standen) einen guten Eindruck hinterließ. Natürlich sahen sich alle Zhoujiangi einer gewissen Herablassung seitens der schwertalbischen Elite ausgesetzt.
Bedauerlicherweise war es allerdings Takur, der weiter unten am Tisch in ein verbales Fettnäpfchen trat, weshalb er (und Akira, der die Wogen zu glätten versuchte) relativ früh gingen.
Ren bemühte sich, bei der Generalin einen guten Eindruck zu hinterlassen, hatte aber nur begrenzten Erfolg. Das Gespräch drehte sich unter anderem um den Bürgerkrieg in Zhoujiang. Wohl hielten sich Ren und Luo mit eigenen Loyalitätsbekundungen zurück, unterminierten aber subtil Lei Fangs Lobhudelei auf General Wu und seine Erfolge, etwa indem sie auf Rückschläge gegen die Triaden hinwiesen (Mo Pei war generell in ihrem Lob für Wu zurückhaltender). Lei Fangs gesteigerter Alkoholspiegel mochte dazu beitragen, dass seine Bemühungen nicht eben erfolgreich waren, aber generell reagierten die hohen Adligen nicht begeistert auf das Lob Wus (auch wenn sie seine Leistungen als Militär anerkannten). Dies mochte daran liegen, dass Wus Auflehnung gegen seine Kaiserin nichts war, was bei ihnen hoch im Kurs stand. Insgeheim verspottet eine der beiden Schwestern aus dem Gefolge der Generalin die großsprecherischen Tiraden Lei Fangs hinter seinem Rücken mit sarkastischen Gesten und Mienen.
Man erfuhr während des Festes, dass die Reise zunächst durch das Gebirge am Ostrand des Kamioku-Waldes führen würde, dann durch die nördlichen Ausläufer der Banjaku-Provinzen und schließlich durch die feuchten und fruchtbaren Kochoji-Ebenen südlich des Maishi-Sees das westliche Jadeband entlang. Hao merkte an, dass einige Reisende sich eventuell am Maishi-See von der Gesandtschaft trennen würden (weder sie noch Ren und Luo waren ursprünglich aus der Affenprovinz oder einem anderen Gebiet in Wus Machtbereich gekommen). Die Generalin lehnte das zwar nicht ausdrücklich ab, schien es aber vorzuziehen, wenn die Ausländer vorerst beieinanderblieben. Vermutlich traute sie ihnen nicht und unterstellte ihnen (nicht zu Recht) eine verdeckte Agenda.
Als Abschiedsgeschenk erhielt Mo Pei einen kunstvoll verzierten Wanderstab und Lei Fang einen prunkvollen Helm.

Direkt nach der Rückkehr in ihre Herberge teilte man den Abenteurern mit, dass ein unbekannter Bote eine Nachricht für sie abgegeben hatte. Das Schreiben war nicht unterzeichnet und der Verfasser bat, es anschließend zu verbrennen. Er/Sie warnte, dass die Abenteurer in gefährlichen Gewässern segelten. Warum sei eine Ranku-Generalin, die sonst im Osten stationiert sei, auf einmal an einer Gesandtschaft Zhouhiangs interessiert? Und wäre Diplomatie nicht eher die Domäne von Klanlan Suguri? Ren (die dem Schreiben im Grunde beipflichtete) mutmaßte, dass die Botschaft von Fürstin Uome oder aus ihrem Umfeld kommen könne – schließlich waren die Häuser Kintais nicht für ihre Harmonie bekannt. Sie versteckte das Schreiben in einem Geheimfach ihres Schriftrollenbehälters.

Nach letzten Reisevorbereitungen brach die Reisegruppe – über 30 Bewohner Kintais und fast ebenso viele Zhoujiangi – am zweiten Morgen nach dem Fest auf. Akira und Takur würden nicht mitkommen. Offenkundig hatten sie einen Kurier- und Botenauftrag übernommen, deren Details jedoch noch im Unklaren blieben. Vermutlich hatte Ranku Kano gegenüber Akira die ‚Loyalitäts‘-Karte ausgespielt, war Akiras Klan doch den Ranku zugeschworen.. Hao konnte auf einem zur Verfügung gestellten Reitpferd reisen. Luo und Ren, die beide keine guten Reiter waren, blieben auf die Wagen angewiesen. Natürlich konnte Ren, die über ein gewisses Ansehen und Stand verfügte, in der prunkvollen Kutsche fahren, in der außer ihr nur gelegentlich Mo Pei und vor allem der Priester Shinzo saßen, während Luo bei den Dienern landete.

Das Umland der Stadt war vergleichsweise trocken, so dass Getreidefelder und Viehzucht den Reisanbau überwogen. Generell dominierten in der Banjaku-Provinz weite, vergleichsweise trockene Grasflächen, was die wenigen Gebirgsflüsse und seltenen Seen umso wichtiger machte. Nur gelegentlich unterbrachen Nadel- und Mischwaldflecken das offene Land. Da Zelte und die Kutsche als Quartiere zur Verfügung standen, war die Reise vergleichsweise bequem, zudem war die Küche ausgezeichnet. Die Bevölkerung zeigte überall große Ehrerbietung gegenüber der Generalin, auch wenn sie einem mit den Uome nicht unbedingt immer in Harmonie lebenden Klan angehörte.
Es fiel den Abenteurern auf, dass sie wie auch die anderen Zhoujiangi von den Leuten der Generalin wachsam beobachtet wurden.
Die Generalin auf ihrem prachtvollen silbergrauen Quirin präsentierte sich unübersehbar als Zentrum der Gruppe. Sie nutzte die erste Woche der Reise um besonders Hao und Ren intensiver nach ihren Heimatprovinzen zu befragen. Ren sprach eher über die Kranich- und Flussdelphin-Provinz, in der sie die letzten Jahre verbracht hatte. Kane befragte alle (auch Luo) eingehend zu den Ereignissen beim „Tempel der tausend Tore“. Die Abenteurer antworteten ihr offen. Es fiel auf, dass die Generalin eher an der Kultistin Kuraiko (wegen ihrer Verbindungen nach Sadu?) interessiert war, auch wenn sie die übernatürlichen Elemente der Ereignisse und die Bedrohung durch den Dämon nicht abtat. Hao und Ren versuchten, die Generalin für sich einzunehmen, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven. Hao war von dem Quirin Kanes fasziniert – dass die Generalin ein solch edles Tier besaß (von dem man sagte, dass es keine Falschheit dulde), besserte ihre Ansicht über die Ranku erheblich. Die gnomische Priesterin konnte die Generalin sogar überreden, dass sie eines Abends außerhalb des Lagers eine kurze Runde auf dem Quirin drehen durfte. Ren hingegen ging es darum, eine mächtige Kintari (die möglicherweise in der Grenzregion zu Zhoujiang eine Rolle spielen könnte) für sich einzunehmen – wobei sie gewisse Erfolge erzielte.
Luo konzentrierte sich eher auf die vier Schwertalben im Gefolge der Generalin. Er beteiligte sich an den Wachen, trainierte mit ihnen und tauschte Reise- und Abenteuergeschichten aus. Der alte und kampferfahrene Tadanishi blieb eher zurückhaltend und sprach generell wenig, doch bei den jüngeren Alben hatte er mehr Glück, und konnte auch in Punkto Waffenfähigkeiten durchaus mithalten.

Schließlich erreichte die Gruppe einen größeren Fluss, den eine imposante Holzbrücke überspannte. Sie wäre jedoch noch beeindruckender gewesen, wenn nicht in ihrer Mitte ein gutes Stück gefehlt hätte. Bauern arbeiteten (eher lustlos) an dem Bauwerk, bewacht von Milizionären, die sowohl die Arbeitskräfte als auch den Fluss im Auge behielten. Wie die Gruppe bald von der Dorfvorsteherin Tanabe (einer in Kanes Gegenwart sichtlich nervösen Menschenfrau mittleren Alters) erfuhr, gab es bei der erst vor relativ kurzen Zeit im Auftrag der Uome errichteten Brücke Probleme mit einer Sippe Kappa (Feenwesen in der Form aufrecht gehender „Schildkrötenmenschen“, die Meister der Wassermagie waren). Dies hatte sich von Streichen zu echter Sabotage gesteigert. Tanabe klagte, die Bauern wären abergläubische Feiglinge, und die Wachmänner (als Einheimische) nicht viel besser…
Natürlich könne man die alte Furt nutzen, aber solange die Kappa verstimmt waren, sei dies nicht ohne Risiko. Während die Generalin zu einer „direkten“ Lösung tendierte, argumentierte Hao mit Luos Unterstützung für einen diplomatischen Ansatz.
Die Debatte wurde durch Shinzo unterbrochen, der die Generalin zurück zum Lager rief. Dort war ein Utsuro aufgetaucht, ein Mann mit leerem Gesichtsausdruck, einem zerlumpten braunen Priestergewand und Wanderstock. Um den Hals trug er eine Glocke mit umwickeltem Klöppel. Utsuro nannte man Bewohner Kintais, die eine so schwere Schuld auf sich geladen hatten, dass sie diese gegenüber der Gottkaiserin nur durch die vollständige Aufgabe ihres Selbst sühnen konnten. Als (zumeist) von jedem Stück ihrer alten Identität entleerte Gefäße des göttlichen Willens durchstreiften sie die Lande und bekämpften Störungen der Harmonie. Shinzo sah in der Präsenz des Utsuro ein Zeichen Myurikos. Die Generalin reagierte eher genervt, bezeichnete den Utsuro abfällig als „Marionette“ und hatte an dem angeblichen Fingerzeig des Göttlichen Kranichs offenbar ihre Zweifel. Dennoch stimmte sie zu, eine Rast einzulegen.

Die Abenteurer bemühten sich, mehr über die Kappa von der Furt herauszufinden. Sowohl Ren, die die Bauarbeiter befragen wollte, als auch Hao (die sich im Dorf umtat) kamen nicht recht weiter. Luo, der in seiner Kindheit einige Geschichten über Kappa gehört hatte (und so auch wusste, dass man sie mit rotem Stoff, Spielzeug und Leckereien gnädig stimmen konnte), hatte etwas mehr Erfolg. Die Einheimischen erzählten, dass die Schildkrötenmenschen schon immer hier gelebt hätten. Sie verhinderten Hochwasser und sorgten dafür, dass weder Dorfbewohner noch Reisende ertranken. Der Bau der Brücke habe sie wohl zornig gemacht, doch die Aufseherin (die erst kürzlich ihre korrupte Vorgängerin ersetzt hatte) sah nur ihre Befehle und die Abgaben. Die alte Kan Ri (eine Gnomin – wohl die einzige im Dorf, in dem sonst Menschen, Varge und einige Rattlinge lebten) habe immer vermittelt, aber sie habe sich mit Tanabe gestritten und sei verschwunden. Luo bekam allerdings nicht heraus, wohin Kan Ri gegangen war. Aber er konnte ein paar Spielzeuge bekommen.   

Die Abenteurer und Shinzo schickten die Wachen vom Flussufer weg und der Priester platzierte das Spielzeug und einige Süßigkeiten, die er vom Koch der Reisegruppe erhalten hatte, in kleinen Körben. Dann rief er nach den Kindern des Wassers. Der Utsuro beobachtete alles emotionslos, was ziemlich an Haos Nerven zehrte, die das Konzept der Utsuro zutiefst beunruhigend fand.
Tatsächlich tauchten mit einmal mehrere Kappa auf. Leider war es weder Shinzo noch den Abenteurern möglich, sich mit ihnen zu verständigen, da sie eine unbekannte Zeichensprache benutzten – was vermutlich erklärte, warum nur Kan Ri sie verstanden hatte.
Mit einiger Mühe überzeugten die Abenteurer und Shinzo die Generalin, noch etwas Zeit zu investieren, obwohl sie nicht recht einsehen wollte, was sie die Probleme der Uome mit aufrecht gehenden Schildkröten angingen.
Die Nachtruhe wurde nur leicht gestört durch den Utsuro, der einen absonderlichen Stocktanz ausführte, was nicht dazu beitrug, Hao zu beruhigen.

 Am nächsten Morgen war zu erkennen, dass die Arbeit an der Brücke nur sehr schleppend voranging. Die Bauern arbeiteten zögerlich und die Wachen trieben sie nur zurückhaltend an. Es schienen auch einige Bauern und Soldaten zu fehlen. Wie sich herausstellte, versuchte Tanabe, Kan Ri auf die Spur zu kommen, indem sie mehrere Bauern mit Stockhieben verhören ließ. Die Abenteurer gingen möglichst diplomatisch dazwischen, um sie nicht vor den Bauern zu beschämen. Schließlich gelang es, die Aufseherin zu überzeugen, wenigstens den Versuch einer friedlichen Lösung zu wagen und etwas Geduld zu zeigen.
Unter diesem Zeitdruck machten sich die Abenteuer mit erneuertem Eifer daran, im Dorf nach Kan Ris Aufenthaltsort herumzufragen. Dank Haos guten sozialen Fähigkeiten und Luos Vorarbeit vom Vortag bekamen sie tatsächlich eine Auskunft - gegen das Versprechen, die Gnomin nicht zur Aufseherin zu schleifen. Die alte Frau war offenbar nur zwei Wegstunden entfernt „ins Exil gegangen“.

Versehen mit einer Wegbeschreibung war es nicht schwer, das Domizil von Kan Ri zu finden. Die alte Frau lebte in einer kleinen Hütte mit Kräutergarten an einem Teich. Sie zeigte sich freilich nicht sehr hilfsbereit, da sie keine Lust hatte, sich bei ihrer Rückkehr von Tanabe festsetzen zu lassen. Die Abenteurer konnten sie schließlich überzeugen sie zu begleiten, als eine unerwartete Wendung zum Dramatischen eintrat. Offenbar hatte Tanabe ihre Zusage nicht aufrichtig gemeint, denn sie musste drei Milizionäre auf die Fährte der Abenteurer gesetzt haben. Diese waren den Helden heimlich gefolgt, um die alte Gnomin festzunehmen. Es gelang Ren und Hao jedoch, den Bewaffneten dies auszureden, indem sie ihren Auftrag durch die ungleich höher stehende Generalin verwiesen. So setzte sich die deutlich angewachsene Gruppe in recht angespannter Stimmung in Bewegung.
Kan Ri klärte die Abenteurer auf, dass die Kappa schon vor Myurikos Ankunft, ja schon vor Zhoujiangs Entstehen dagewesen seien und es immer eine Art Abkommen gegeben hatte. Für ihren Schutz erhielten Abgaben in Form von Essen und anderen kleinen Gaben, holten sich mitunter auch ein Haustier, das durch die Furt getrieben wurde oder sich am Fluss herumtrieb. Tanabe hatte dieses Miteinander gestört und die Brücke bedeutete für die Kappa einen Bruch der alten Abkommen.

Bei der Rückkehr zur Brücke kam es erneut zu einer recht angespannten Situation. Tanabe war natürlich ergrimmt, dass die Milizionäre ihren Befehl nicht befolgt hatten. Es gelang aber die Situation so weit zu beruhigen, dass Kan Ri ein Gespräch mit den Kappa suchen konnte. Nach einem kurzen „Gespräch“ in Zeichensprache präsentierte die Gnomin die Forderungen der Feenwesen: die Bewahrung der alten Absprachen, den Schutz ihrer Botin (also Kan Ri) und das Versprechen, künftig wieder Geschenke zu entrichten, auch für den Verkehr über die Brücke.
Tanabe war wenig erbaut, doch Hao und Ren präsentierten die Vorteile recht überzeugend – nicht nur ein Ende der Sabotage, sondern auch den Schutz vor Hochwasser, was die Brücke und das Dorf vor kostspieligen Reparaturen bewahren könnte. Schließlich konnte ein vorläufiges Abkommen ausgehandelt werden, das freilich noch in Miari abgesegnet werden musste. Die Abenteurer hofften, dass die Uome angesichts ihrer eigenen Erfahrungen mit Feenwesen die Sinnhaftigkeit einsehen würden. Kan Ri – die am liebsten Hao als Nachfolgerin rekrutiert hätte, suchte sie doch eine Schülerin – schenkte der Affenpriesterin einen Heiltrank zum Abschied. Der Priester Shinzo fügte dieser Belohnung noch ein paar Lunare hinzu. Als Zeichen ihrer guten Willens, vielleicht auch als subtile Erinnerung an ihre Macht, ließen die Kappa das Wasser an der Furt so stark sinken, so dass die Reisegruppe problemlos passieren und ihre Reise fortsetzen konnte.

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #12 am: 7.01.2024 | 07:45 »
In den Tagen nach der Überquerung des Flusses änderte sich die Landschaft schrittweise. Sie wurde feuchter, fruchtbarer und damit auch reicher. Die Anzahl und Größe der Siedlungen und Reisfelder nahm zu. In den Wäldern dominierten nunmehr Laubbäume, auf den Wiesen waren immer mehr Blumen zu sehen. Auch Obstbäume waren in wachsender Zahl zu finden, die teilweise in (auch magisch gehegten) Wäldchen wuchsen. Auf Straßen waren immer mehr Händler und Bauern zu sehen, die der Reisegesellschaft ehrerbietig Platz machten.

Ren versuchte weiterhin ihre Bekanntschaft mit der Generalin zu kultivieren, kam aber nicht wirklich weiter. Luo hatte bei den Schwertvasallen der Ranku auch nicht viel mehr Erfolg. Ranku Oda stand sozial zu deutlich über ihm, Tadanishi blieb zurückhaltend und es gelang Luo nicht einmal, die beiden Schwestern verlässlich auseinanderzuhalten.
Die Gesellschaft passierte wiederholt größere Anwesen, die wohl auch niederen Schwertvasallen als Sitz dienten, doch lagen auch einige kleine Burgen am Weg. Die Straßen schienen zunehmend besser gepflegt und ausgebaut, was auch für die Gasthäuser galt.
Der Utsuro begleitete die Reisegesellschaft weiterhin, was Hao etwas nervös machte, und vollführte jede Nacht seine eigentümlichen Übungen. Der Myuriko-Priester Shinzo achtete darauf, dass die Bediensteten sich auch um den Utsuro kümmerten, da der Mann aus eigenem Antrieb bestenfalls die elementarsten Bedürfnisse erfüllte. Durch die Fürsorge nahm der Utsuro etwas an Gewicht zu, und auch seine Kleidung sah nun gepflegter aus. Teils aus Interesse, teils aus Berechnung beteiligte sich auch Ren an diesen Bemühungen, etwa indem sie den Zauber „Katzenwäsche“ auf den Utsuro anwandte.
Als unerwarteter Zuwachs stießen Akira und Takur wieder zu den anderen. Akira erstattete freilich zunächst Ranku Kane Bericht und blieb verschlossen, was er in der Zwischenzeit gemacht hatte.

Wenige Tage darauf tauchte am Horizont eine gewaltige Struktur aus, die aus der Ferne fast wie ein Berg wirkte, sich beim Näherkommen sie sich jedoch als eine große Burg mit mehreren Festungsringen in aufsteigenden Terrassen und einem massiven Burgfried entpuppte. Die über ihr fliegenden Banner verkündeten die Macht von Klan Ranku. Pulverrauch und Donner kündeten, dass die „Renzan“ (=„Bergzug“) genannte Feste auch über Kanonen verfügte. An die hundert Bewaffnete strömten aus dem Tor des untersten Festungsrings, überwiegend mit Lanzen, Bögen oder Drachenrohren bewaffnete einfache Soldaten, dazu eine Handvoll albische Schwertvasallen in ihren prunkvollen Panzern und Gesichtsmasken. Trommeln und Segensrufe für den Göttlichen Kranich begrüßten die Neuankömmlinge.
Während die Affenpriesterin Mo Pei gelassen blieb, war Hauptmann Lei Fang etwas nervös – freilich schienen auch die Generalin und Akira etwas angespannt. Hao (die sich von der allgemeinen Nervosität und all den politischen Implikationen und Untertönen verunsichern ließ) und Ren kamen in einem gemeinsamen Zimmer unter, als man der Gesandtschaft ihre Quartiere anwies – dies geschah auf Rens Betreiben, die nicht gerne das deutlich geräumigere Quartier von Mo Pei teilen wollte. Sie traute der Affenpriesterin wegen ihrer Herkunft aus einer Provinz in General Wus Einflussbereich nicht. Hao und Rens gemeinsames Zimmer war einfach aber gediegen eingerichtet, Luo wurde hingegen deutlich einfacher einquartiert. Alle konnten sich (getrennt nach Geschlechtern in einem Badehaus) erfrischen, was Ren als Kind einer wohlhabenden Familie nach den vielen Tagen auf der Straße natürlich genoss. Luo sah sich aufmerksam in der Burg um und bemerkte rasch, dass man ihn und seine Mitstreiter im Auge behielt.

Das abendliche Mahl war kein Festessen, aber doch überdurchschnittlich – zahlreiche kleine, doch sorgfältig zubereitete Portionen verschiedener Gemüse- und Fischgerichte. Es nahmen etwa 20 Personen teil: die hochrangigen Mitglieder der zhoujiangischen Gesandtschaft, die Abenteurer, Generalin Ranku mit ihren direkten Vasallen, der Burgvogt Ranku Hanzo (recht jung und wenig bedrohlich wirkend), seine Ehefrau Hien (aus niederem Adel stammend, Kommandeurin der Bogenschützen der Feste) sowie einige Garnisonsoffiziere und zivile Respektpersonen. Einmal mehr hielten sich Ren und Luo beim Trinken zurück. Mo Pei erwies sich als aufmerksamer und angenehmer Gast, der es sogar gelang den zurückhaltenden Burgvogt und seine Frau aus der Reserve zu locken. Die Priesterin spielte recht gut auf einer Flöte die sie sich geben ließ. Lei Fang betrieb einmal mehr Werbung für General Wu und dessen Erfolge gegen die Jogdaren, was durchaus auf Interesse traf. Ren gab Kontra und verwies auf einzelne deutliche Niederlagen von Wus Truppen gegen die Triaden, gefährdete mit dieser Wühlarbeit aber ihre Tarnung als „Neutrale“ und verärgerte den Offizier. Hao plauderte mit Hanzo über Feenwesen. Luo hielt sich eher an die niederen Ränge und schlug ein (kampf-)sportliches Kräftemessen vor, was auf Zustimmung traf – wobei er freilich rasch merkte, dass die von den Ashigaru (einfachen Soldaten) genutzten Drachenrohre nicht als vollwertige Waffen für solchen Zeitvertreib angesehen wurden, da die Alben höherer Stände auf sie herabblickten.
Bereichert wurde der Abend durch den Auftritt einer reich geschminkten Tänzerin/Musikantin namens Tenja, die sich auch nach den Ereignissen in Miari erkundigte. Hao und Ren blieben erst einmal vage und erzählten lieber über den Zwischenfall mit den Kappa, von der Tengu-Schmiedegesellin in Miari und ähnlich unverfängliche Dinge. Von einem uralten Dämon in einem verborgenen Tempel sollten und wollten sie nicht so frei sprechen. Aufmerksamen Beobachtern mochte auffallen, dass Tenja ein offenkundiges Interesse an der Generalin zeigte.

Am nächsten Morgen erklangen schon früh Trommeln und Hornsignale. Als die Abenteurer nachsahen, konnten sie beobachten wie nahezu die gesamte Garnison angetreten war, möglicherweise verstärkt durch zusätzlich angerückte Truppen. Es handelte sich um mehr als 500 Bewaffnete. Zumeist waren es Ashigaru zu Fuß – doch waren unter den Truppen auch einige Dutzend Schwertvasallen sowie einige leichte Reiter, zumeist Gnome, die auf leichten Pferden oder Zhu-Schreitern saßen.
Begleitet von Mo Pei und Lei Fang sowie dem Burgvogt ließ die Generalin Ranku Kane die Truppen exerzieren – eine nicht sehr subtile Botschaft für die Untertanen von General Wu. Während Hao wie ihre Mitpriesterin gelassen blieben, zeigte sich Hauptmann Lei Fang (von der Generalin aufmerksam beobachtet) sichtlich beunruhigt.

Die Offiziere und (von ihnen getrennt) auch die Soldaten demonstrierten zudem ihr Können mit dem Stock, dem Bogen und der Klinge. Während einige der Kampfübungen am Trainingspfahl ausgeführt wurden, traten besonders die Offiziere auch in unblutigen Übungsnahkämpfen gegeneinander an.
Hao entschloss sich beim Stockkampf mitzumachen, Luo beim Kampf mit der Klinge und dem Bogenschießen. Die gnomische Priesterin hatte das Pech, in Kari (oder ihrer identisch aussehenden Schwester Akira?) auf eine mehr als kompetente Gegnerin zu treffen. Obwohl sie ihr Bestes gab, wurde Hao schnell besiegt und trug etliche blaue Flecken davon. Luo hatte war zwar nervös angesichts des hochkarätigen Publikums, bewährte sich aber. Bei einem von einem reichlichen Dutzend Schützen durchgeführten Bogenwettbewerb schaffte er es auf den dritten Platz. Glänzen konnte er auch im Nahkampf. Sein Gegner Kurida Taruk hatte ihm einiges an Erfahrung voraus, aber Luo profitierte von seinen blitzartigen Reflexen und konnte zwei schwere Treffer landen, ehe der Schwertalb zum Gegenschlag ausholte. Doch wo der erste Schlag des Alben ein solider Treffer war, wurde der anschließende Klingenwirbel zu einem Patzer, was Luo die Chance auf einen dritten heftigen Treffer eröffnete. Sein Gegner musste zähneknirschend aufgeben. Das brachte der Schattenklinge eine Menge Respekt ein.
Einige Offiziere und Schwertvasallen bewiesen ihr beeindruckendes Können im berittenen Bogenschießen, einer Disziplin, bei der keiner der Abenteurer mithalten konnte.
Ren beobachtete unterdessen nicht so sehr das Treiben der Kämpfer sondern die Zuschauer – namentlich die Tänzerin Tenja. Irgendwie traute sie der Frau nicht – wurde aber nicht aus ihr klug. Dieses Misstrauen entging der Albin nicht, doch es schien sie wenig zu kümmern. Sie unterhielt sich mit Mo Pei, Lei Fang und dem Burgvogt, warf aber immer wieder der Generalin Blicke zu.

Als sich die Abenteurer vor dem Abendessen wieder im Badehaus entspannten, wurden Ren und Hao von Tenja abgepasst, die einen Zuber in der Nähe besetzte. Sie war offenbar entschlossen, möglichst viel aus den Abenteurerinnen über die Ereignisse in Miari herauszuholen, und ihre Überredenskünste ließ die beiden mehr erzählten, als sie preisgeben wollten. Diese Stunde Geschwätz besänftigte Rens Misstrauen deutlich. Hao kümmerte sich anschließend ausgiebig um ihren Tiergefährten, ein (magisches) Eichhörnchen namens Hozhou, das sich inzwischen mit dem Quirin der Generalin angefreundet hatte.

Das Abendessen war weniger reichlich als am Vortag, aber immer noch besser als das, was man auf Reisen sonst geboten bekam. Luo wurde inzwischen mit deutlich mehr Respekt behandelt. Sogar der schweigsame Tadanishi äußerte sich knapp aber lobend, Ranku Oda befragte Luo zu seinem Bogen und auch die beiden Nishida-Schwestern zeigten sich beeindruckt.
In der Konversation führte Lei Fang erneut das große Wort über General Wus Heldentaten, womit er durchaus Eindruck bei der Generalin hinterließ. Mo Pei war von der Propaganda etwas genervt, griff aber nicht ein (und behielt Ren, deren Ablehnung gegenüber Wu sie offenbar durchschaute, wachsam im Auge). In noch höherem Maße als Lei Fangs Geschichten fesselten die wortlosen Avancen von Tenja die Aufmerksamkeit von Generalin Ranku Kane. Was jedoch keinem außer Luo aufzufallen schien, vielleicht auch weil die starke Schminke es schwer machte, ihre Mimik zu deuten – die Tänzerin lächelte stets nur mit dem Mund. In ihren Augen blieb hingegen immer ein kalter, lauernder Ausdruck, wenn sie die Ranku-Generalin musterte. Beunruhigt zog Luo nach dem Mahl eine der beiden Nishida-Schwestern beiseite und warnte sie, dass die Tänzerin möglicherweise etwas verberge. Ob sie nun eine Spionin sei oder Schlimmeres – die Generalin solle sich in jedem Fall vor ihr in Acht nehmen.

Zurück in den Quartieren informierte er auch seine Kameradinnen. Hao regte an, sich über die Tänzerin umzuhören, und sie erfuhren bald, dass Tenja vor einigen Wochen in der Burg eingetroffen war. Zuvor hatte sie dem Vernehmen nach in einem Haushalt einer Seitenlinie der Ranku gedient. Es gab einiges Gerede unter den einfachen Leuten über sie. Teja galt als hochnäsig und mancher unterstellte ihr, sie versuche hochrangige Persönlichkeiten zu umgarnen. Die Abenteurer erfuhren auch, wo sie ihre Quartiere hatte. Luo schlug vor, das Quartier zu überwachen – wobei er dabei alleine blieb, da seine Kameradinnen sich nicht unbedingt als gute Schleicherinnen einschätzten. Die Schattenklinge konnte die immer noch auf die Helden angesetzten Beobachter aus der Dienerschaft relativ gut abschütteln. Getarnt durch einen Schattenzauber schlich er sich zum Zimmer der Tänzerin, vor dem er sich in einer dunklen Nische auf eine Nachtwache vorbereitete. Lange Zeit war nichts zu hören, doch dann näherten sich leise Schritte. Eine der Nishida-Schwestern, in zivilen Kleidungsstücken aber bewaffnet, klopfte kurz an den Rahmen der Schiebetür – als niemand antwortete legte sie die Hand auf das Heft ihres Schwertes und trat ein. Im selben Augenblick gellte der Schrei „Feuer!“ von draußen – das Zimmer der Tänzerin aber war leer. Luo schloss sich der jungen Albin auf dem Weg zum Burghof an.

Auch die übrigen Abenteurer hatten den Schrei gehört und fanden, nachdem sie sich notdürftig angezogen hatten, dass eines der Burggebäude in Flammen stand. Nun galt es die Pferde aus dem benachbarten Stall zu holen, beim Organisieren der Eimerkette zu helfen (Hao), Verwundeten zu heilen (Ren) oder dem Feuer mit Wasser und Werkzeugen zu Leib zu rücken (Luo, Akira und Takur). Das Löschen gelang, dennoch dauerte es zwei bis drei Stunden, ehe die Lage unter Kontrolle war. Glücklicherweise gab es keine Schwerverletzten oder Tote, das niedergebrannte Gebäude war „nur“ ein Vorratslager für Pferdefutter gewesen.
Es überraschte wenig, dass Tenja verschwunden war. Offenbar hatte die Generalin vorgehabt, trotz oder gerade wegen der Warnung die Musikanten in ihr Gemach einzuladen um ihre Intentionen herauszufinden Doch die Tänzerin war niemals erschienen. Vermutlich hatte sie mitbekommen, dass sie verdächtigt wurde und hatte zur Ablenkung auf ihrer Flucht Feuer gelegt.
Lei Fang bezichtigte mit mehr Leidenschaft als guten Argumenten die Triaden, hinter der Tänzerin zu stecken, mochte aber niemanden zu überzeugen. Die Schwertalben hatten vermutlich einen anderen Verdacht. Anscheinend verfolgte Ranku Kane sogar eine konkrete Theorie – die sie jedoch niemandem mitteilte…
Sie vernahm noch einmal Luo, aber er konnte ihr ehrlich versichern, nichts von irgendwelchen Intrigen zu wissen – allein das Verhalten der Tänzerin hatte sein Misstrauen geweckt.

Ob Tenja nur spioniert oder gar vorgehabt hatte, die Generalin zu ermorden, blieb unklar. Die Durchsuchung ihres Zimmers brachte keine neuen Erkenntnisse.
Die Glück glimpflich verlaufenden Ereignisse dieser Nacht hatten jedenfalls eine überraschende Auswirkung: die Generalin erklärte, die Gesandtschaft fürderhin ziehen zu lassen (anscheinend hatte sie auf einmal Wichtigeres zu tun).

Es folgte noch ein letztes gemeinsames Abendessen, auch wenn die Atmosphäre angespannt blieb. Mo Pei spielte wieder die Flöte und konnte die Spannung etwas lindern. Luo hatte sich jedenfalls in der Achtung der Kintari deutlich verbessert. Die Generalin übergab der Gesandtschaft zum Abschied einige Geschenke. Lei Fang erhielt ein wertvolles Dschiahn für die Fürstin der Affenprovinz, welches sich seit „über 400 Jahren im Familienbesitz befand“ – mit anderen Worten eine Kriegsbeute aus den Reichsgründungskriegen Myurikos gegen Zhoujiang war, eine nicht sehr subtile Botschaft für die Nachbarn im Norden. Mo Pei erhielt eine alte Teeschale, die bei einem Erdbeben zerbrochen, aber mit Silberleim zusammengefügt worden war und nun schöner denn je zuvor erschien. Sicherlich sollte dies auch eine symbolische Botschaft sein. Alle höherrangigen Mitglieder der Gesellschaft (einschließlich Hao, Ren und Luo) erhielten gut gearbeitete Festtagsgewänder aus Spinnenseide. An Luo erging zudem das Angebot, sich dem Gefolge der Generalin anschließen, was er höflich ausschlug.

Gemeinsam entschlossen die Abenteurer, sich von der Gesandtschaft zu trennen und direkt in Richtung Maishi-See weiterzuziehen. Mo Pei nahm insgeheim ihre Mitpriesterin Hao beiseite und warnte sie vor ihren Gefährten. Sie solle achten, sich nicht in die Politik hineinziehen lasse – wichtig sei, dass es dem einfachen Volk gutgehe und die Provinzen sicher seien.
Offenbar war es Mo Pei nicht entgangen, dass Haos Gefährten Ren und Luo immer wieder gegen General Wu agitiert hatten und sie wollte nicht, dass Hao sich da hineinziehen ließ. Mo Peis Worte hätten überzeugender gewirkt, wenn sie nicht selber im Dienste ihrer Fürstin (und damit indirekt im Sinne General Wus) als Gesandte in Kintai gewesen wäre. Hao blieb unverbindlich, auch weil sie selber nicht sicher war, wo ihre Weggefährten in dem Bürgerkrieg in Zhoujiang eigentlich standen:
Luos und Rens Abneigung gegenüber Wu und ihre geringe Meinung von den Triaden legte nahe, dass sie der kaiserlichen Fraktion angehörten, aber sie hatten dazu noch nichts Genaues geäußert.
Akira schien als adliger Schwertalb mit aristokratischer Geringschätzung auf die Triaden herabzublicken. Bezüglich der anderen Bürgerkriegsfraktionen Zhoujiangs hatte er sich aber noch nicht wirklich positioniert. Vermutlich blickte er auf das Ganze ohne große innere Beteiligung.
Takur war der Bürgerkrieg in Zhoujiang egal. Er war ein Außenseiter, der abgesehen von seinen Weggefährten niemanden in dem Konflikt kannte, der ihm etwas bedeutete. Wie der Jaguarkrieger spöttisch in Bezug auf die Bürgerkriegsparteien anmerkte, würden ihm „alle gleich gut schmecken“.
Hao selber wollte sich aus den politischen Wirren ihrer Heimat heraushalten. Ihr ging es eher um das Wohl der einfachen Leute, die allzu leicht zwischen die Fronten gerieten.

Anmerkung: Was die Abenteurer erst später nach und nach erfuhren – aber schon vermutet hatten - war, dass sie und die Gesandtschaft offenbar in die Rivalitäten der verschiedenen Klans Kintais hineingeraten waren. Klans Ranku und Suguri waren im Moment lose verbündet, während zwischen Ranku und Momoku respektive Uome und Suguri lang anhaltende Rivalitäten bestanden. Verkompliziert wurde die Situation durch die verschiedenen Fraktionen der einzelnen Klans. So gab es bei den Ranku Kreise, die eine Kooperation mit General Wu erwogen, während andere eher Prinzessin Yi zuneigten. Klan Suguri wiederum folgte einem sehr pragmatischen Ansatz und sollten Gerüchten zufolge auch mit verschiedenen Söldnereinheiten und Verbrecherbanden in Zhoujiang Kontakte halten.

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #13 am: 13.01.2024 | 06:35 »
Von Renzan nach Tsusaka
Kintai, nördliche Kochoji-Ebenen südlich des Maishi-Sees (Hao, Akira, Takur)

Als die Abenteurer Burg Renzan verließen, sahen sie das letzte Mal den Utsuro, der sie mit ausdrucklosem Gesicht beobachtete. Luo hatte für einen kurzen Moment den Eindruck, dass etwas hinter den Augen des Utsoku hervorblitzte, was nicht menschlich war und die Helden aufmerksam musterte…

Die Weggefährten waren sich einig, erst einmal das am Südufer des Maishi-See gelegene Tsusaka zu erreichen, um von dort nach Zhoujiang überzusetzen. Sie waren sich allerdings nicht sicher, welches Ziel sie dann ansteuern wollten.
Das vage Vorhaben, neue Wächter für den „Tempel der tausend Tore“ zu finden und dabei auch mehr über den Tempel und die Intrigen der Spinnenfrau Kuraiko zu erfahren, die den dort eingesperrten Dämon zu befreien versucht hatte, bot mehrere Optionen:
- Nachforschungen in den kaiserlichen Archiven in Palitan und Inani oder
- Kontakt mit Tempeln und Klöstern in Zhoujiang aufnehmen, die aufgrund ihrer Tradition vielleicht bereit sein würden, den „Tempels der tausend Tore“ zu unterstützen oder Informationen zu dem dort eingesperrten Übel besaßen.
Erstaunlicherweise war es ausgerechnet Akira – und keiner der aus Zhoujiang stammenden Helden – dem ein mögliches Ziel einfiel: In den Geschichten seiner weitgereisten Urgroßtante Takeda Kimiko hatte er von dem Gebirgskloster der „eisernen Lotosblüte“ gehört. Das am Oberlauf des Rabenflusses in den „Türmen der Tengu“ in der Fangschreckenprovinz Zhoujiangs liegende Kloster war bekannt dafür, dass seine Mönche sich auf den Kampf gegen jenseitige Ungeheuer verstanden. Vielleicht würden dort nützliche Informationen zu finden sein – oder gar Freiwillige für die Wache im „Tempel der tausend Tore“.

Daneben hatten die Helden eigene Ziele:
- Luo wollte mehr über das Schwert in Erfahrung bringen, welches er vor einigen Jahren erbeutet hatte und das eine weitaus ältere und düstere Vergangenheit zu haben schien, als bisher gedacht. Möglicherweise würde sich in den kaiserlichen Archiven dazu etwas finden.
- Akira war entschlossen, nach den Mördern seines Vaters zu suchen. Er hatte zwar momentan keine konkreten Spuren, verdächtigte aber die Gagamba-Kirche oder vielmehr einen Ableger.
-  Takur hatte ebenfalls seine eigene Queste: die Suche nach einem Artefakt, dass der „Göttin“ seiner fernen Heimatstadt gestohlen worden war. Zudem suchte er nach seinen beiden verschollenen Ma’Ua-Gefährten, die wie er während der Jagd nach dem Artefakt gefangengenommen und vermutlich auf den Sklavenmärkten des Südens verkauft worden waren. Allerdings ging Takur allmählich auf, wie gigantisch Lorakis war und wie gering seine Chancen, das Artefakt oder seine früheren Gefährten zu finden.
Letztendlich entschied die Gruppe, erst einmal nach Tsusaka zu reisen und dann über das weitere Vorgehen zu entscheiden.

Der erste Teil der Reise verlief ereignislos. Die Gegend schien fruchtbar, relativ wohlhabend und ruhig.
Nach einigen Tagen erreichte die Gruppe die an einem Fluss gelegene Kleinstadt Kuwagasaki. Die vor allem durch Flößer und Holzfäller geprägte und vom Klan Momoku regierte Stadt wirkte recht „rau“. Gerüchte über Truppenbewegungen der benachbarten Klans kursierten und machten die Bewohner nervös. Akira, dessen Familie den Klan Momoku in Rivalität gegenüberstehenden Ranku zugeschworen war, versuchte kein Aufsehen zu erregen. Er wusste zwar, dass die kürzlichen Truppenzusammenziehungen der Ranku vor allem dazu gedient hatten, zhoujiangische Gesandte zu beeindrucken. Aber es wäre vielleicht nicht klug zu erwähnen, dass Akira dabei beteiligt gewesen war…

Die Gruppe kam in einem Gasthaus unter, in dem auch eine Reihe Klan Suguri zugehöriger Händler eingekehrt waren. Da auch dieser Klan und die Momoku nicht immer gut miteinander zurechtkamen, wäre es in der angespannten Lage beinahe zu einer Schlägerei zwischen den Händlern und einheimischen Gästen gekommen. Akira schaffte es, die Lage zu entschärfen. Die Helden kamen mit den Händlern in Gespräch und erfuhren, dass diese nach Tsusaka unterwegs waren und gegen zusätzliche Begleitung nichts einzuwenden hatten.
Allerdings würden nur Hao, Akira und Takur den Handelszug begleiten: Ren war von einer hier lebenden Händlerfamilie aus Zhoujiang um ärztliche Hilfe gebeten worden, weshalb sie und Luo in Kuwagasaki verweilen würden. Die Helden verabredeten, sich in Tsusaka wieder zu treffen.

Die Reise mit dem kleinen Handelszug verlief anfangs weitestgehend ereignislos. Die Helden beteiligten sich am Wachdienst und machten sich mit ihren neuen Weggefährten bekannt. Angeführt wurde der Zug von zwei Schwertalben: Umeo war der Wortführer der Händler und damit praktisch der Ranghöchste in dem Handelszug, direkt hinter ihm kam Ken Suguta, der Kommandeur des kleinen Söldnerkontingentes. Umeo war relativ jung, Ken hingegen ein hartgesottener Veteran, möglicherweise ein Ronin, und die beiden kannten sich erst seit kurzem – ein Umstand, der noch eine Rolle spielen sollte.
Hao glänzte bei der Wegeführung und erwies sich einmal mehr als hervorragende Wildniskundige, was Takur ein wenig neidisch machte. Hao freundete sich mit der zum Händlerzug gehörenden menschlichen Tierbändigerin Yoko an. Offenbar interessierten sich allerdings auch andere Mitglieder der Karawane für die junge Frau. Zwischen Suguta Ken und Umeo kam es im Wettstreit um die Aufmerksamkeit Yokos immer wieder zu Streitigkeiten.
Hao hielt sich aus dem Ganzen heraus. Akira war hingegen der Meinung, dass die beiden Albenmänner sich mit ihren Eifersüchteleien lächerlich machten und die Sicherheit der Karawane gefährdeten. Einmal mehr sah sich der – eigentlich selber noch ziemlich junge – Alb veranlasst, den „Erwachsenen im Raum“ zu spielen. Er versuchte, ernste Zusammenstöße zwischen den beiden Männern zu verhindern. Akira hatte partiell Erfolg, die Situation blieb aber angespannt.

Eine interessante Begegnung am Wegesrand stellte die Sichtung eines kapitalen Krallenkarpfen dar: dieses ein Meter große Geschöpf, das wie ein Fisch auf vier Beinen aussah, galt in Zhoujiang und bei der einfachen Bevölkerung Kintais als Leckerbissen. Viele Schwertalben lehnten allerdings den Verzehr ab, da das Tier in ihren Augen gegen die göttliche Ordnung und Anmut verstieß.
Hao und Takur machten sich auf die Pirsch. Allerdings patzte der Jaguarkrieger bei seinem Speerwurf und landete wenig elegant im Schlamm, weshalb das Erlegen des Tieres zum größten Teil auf Hao ging. Der Krallenkarpfen bereicherte den bisher eher vegetarischen Speiseplan für mehrere Tage. Takur musste sich ob seines Missgeschicks etliche Sticheleien anhören.
Dass die hiesige Fauna echte Gefahren barg, wurde der Reisegesellschaft nur wenige Tage später demonstriert, als einer der Wagenknechte von einer Giftschlange gebissen wurde und einen schweren Schock erlitt. Ein von Hao herbeigerufener Heilungsgeist schloss die Wunde und neutralisierte das Gift, was die Affenpriesterin weiter in der Achtung ihrer Weggefährten steigen ließ.

Bei einer der nächsten Wegstationen, dem Dorf Tohira, wurde die Reisegesellschaft wieder an die Klanfehden Kintais erinnert: das kleine Dorf hatte in den letzten Jahren mehrfach den Besitzer gewechselt und lag jetzt im Niemandsland zwischen den Einflussgebieten der Klans Ranku und Momoku. Eine Räuberbande machte sich den Bauern zufolge die unsichere Lage zunutze, terrorisierte das Dorf, überfiel Reisende auf der Straße und entführte gelegentlich Mädchen und junge Frauen.
Hao schlug vor, etwas dagegen zu unternehmen und stieß bei Akira und Takur auf offene Ohren. Akira sah sich als schwertalbischer Samurai in der Pflicht, den Bauern zu helfen, zumal diese aufgrund der wechselnden Herrschaftsverhältnisse ja zumindest zeitweise unter der Herrschaft von Klan Ranku gestanden hatten, dem Akiras Familie zugeschworen war. Takur ging das Elend der Bauern weniger nahe, er hoffte aber auf einen guten Kampf und Beute. Weniger begeistert von dieser Verwicklung waren die Händler, vor allem da die Helden gerne einige der Wachleute mitgenommen hätten. Letztlich konnten Akira und Hao sich gegenüber Umeo durchsetzen und ein fünfköpfiger Stoßtrupp machte sich auf den Weg zum angeblichen Versteck der Räuber. Die Händler würden im Schutz der Siedlung zurückbleiben, was freilich eine Reiseverzögerung von einem Tag bedeuten würde.
Der Abstecher entpuppte sich als Reinfall: die einsame Hütte im Wald war schon seit langem verlassen. Frustriert kehrten die Helden nach Tohira zurück, wo sie sich besonders von Umeo einiges wegen der unnötigen Verzögerung anhören mussten.

Als die Gruppe am nächsten Tag aufbrach, stellten die Helden allerdings bald fest, dass die Karawane offenbar beobachtet wurde. Scheinbar war doch etwas dran an den Gerüchten über die Banditen. Die Verfolger einfach zu ignorieren schien riskant, falls sie auf Verstärkung oder eine günstige Gelegenheit zum Angriff warteten. Einfach auf sie loszustürmen wäre allerdings wenig aussichtsreich gewesen. Zum einen war nicht sicher, ob es sich wirklich um Feinde handelte. Zum anderen würden die Beschatter im Fall eines direkten Angriffs vermutlich einfach im Unterholz verschwinden.
Takur schlug vor, die Havarie eines Wagens vorzutäuschen und einige Kämpfer „nach Hilfe“ zu schicken, die dann einen Bogen schlagen und sich an die Verfolger anpirschen sollten. Es war nicht einfach, Umeo zu überzeugen, dieses Risiko einzugehen. Aber letztlich setzte sich Akira noch einmal durch – wieder einmal seinen Status als adliger Schwertalb auspielend – und kurz darauf waren er und Takur unterwegs.
Tatsächlich konnten sie sich ungesehen an die Verfolger anpirschen. Offenbar handelte es dabei um zwei Späher, die die Karawane im Auge behielten, und etwas dahinter vier weitere Bewaffnete, die außer Sicht blieben. Den halblauten Gesprächen nach waren es eindeutig Räuber, die über ihre Chancen für einen Angriff berieten.

Kurz entschlossen griffen Akira und Takur die größere Gruppe Bewaffnete an, in der Überzeugung, dass die Kampfschreie und der Waffenlärm den Rest der Reisegruppe herbeirufen würden. Tatsächlich erwies sich das Manöver als Erfolg. Takur konnte seinen Schnitzer mit dem Landkarpfen auswetzen und handhabte seine Speerschleuder mit fürchterlicher Effizienz. Er und Akira schalteten den Anführer der Räuber aus, noch ehe der Kampf richtig begonnen hatte. Ein weiterer Räuber floh, die beiden anderen wurden nach kurzem Kampf gefangengenommen bzw. auf der Flucht gefällt.
Den beiden feindlichen Spähern erging es gegen den Rest der Reisegruppe ähnlich: einer der Räuber wurde mit Pfeilen getötet, der zweite flüchtete. Bei den Helden und ihren Gefährten gab es nur zwei Verletzte: Akira und Suguta Ken. Hao war aufgrund ihrer geringeren Geschwindigkeit diesmal nicht in der Lage gewesen, in den Kampf einzugreifen. Sie kümmerte sich aber um die Verletzten.

Die Sieger sammelten die (überschaubare) Beute an Waffen, Rüstungen und Bargeld ein. Akira köpfte die getöteten Räuber, um ihre Häupter den Behörden zu bringen. Takur trieb die Sache etwas weit, als er den Bräuchen seines Volkes folgend vom Blut des erschlagenen Räuberhauptmanns kostete und sein Gesicht mit dem Blut zeichnete. Das barbarische Verhalten des Jaguarkriegers befremdete seine Weggefährten und erschreckte den gefangenen Räuber zutiefst, der schon durch den Tod und die anschließende Enthauptung seiner Kameraden höchst verunsichert war.
Akira verhörte den demoralisierten Gefangenen, einen älteren, wettergegerbten Mann. In Todesangst gab er schnell die Lage des Räuberverstecks preis. Außerdem verriet er, dass auf den getöteten Räuberhauptmann ein Kopfgeld ausgesetzt gewesen war. Laut seinen Worten war das Verhältnis der Räuberbande zu den Bauern komplexer, als man den Helden erzählt hatte: die Räuber hatten angeblich etliche Verbündete im Dorf und hätten die Bauern im mehr oder weniger erzwungenen Austausch für Informationen und Lebensmittel meist in Ruhe gelassen. Die den Helden im Dorf erzählten Geschichten von Misshandlungen und entführten Frauen seien schon lange nicht mehr vorgekommen, nachdem die Räuber klar gemacht hätten, wer hier das Sagen habe. Außerdem – so die Logik des Räubers – sei dies ja auch nichts anderes gewesen, als das Verhalten mancher neuernannter Lords, die ihre Untergebenen einschüchtern wollten. Bei Akira kam diese Analogie nicht gut an.
Der Gefangene berichtete außerdem, dass die Bauern die Helden absichtlich zu dem angeblichen Räuberversteck geschickt hatten. Der Plan sei gewesen, so den Begleitschutz des Wagenzuges zu schwächen und einen Überfall zu ermöglichen. Das Vorhaben war daran gescheitert, dass weniger Wachen als erhofft die Helden zu dem angeblichen Banditenversteck begleitet hätten und die Händler im Dorf auf die Rückkehr der Helden gewartet hätten, wo ein Angriff als zu riskant erschien. Der Gefangene flehte vergeblich, laufengelassen zu werden. Keinesfalls wollte er den Behörden ausgeliefert oder den Bauern überlassen werden. Offenbar gab es doch etliche Dörfler, die einen Groll gegen die Banditen hegten, auch wenn der Gefangene behauptete, selber an keinen Übergriffen beteiligt gewesen zu sein.
Das Lager der Banditen bestand aus einigen ärmlichen Erdhütten, die rasch durchsucht wurden. Die Helden fanden einige Vorräte und Waffen, ein offenbar kürzlich erbeutetes Maultier mit einer Ladung Spinnenseide, aber nur wenig Geld und Schmuck.

Auf Akiras Veranlassung marschierten die Helden mit dem Gefangenen und den Köpfen der getöteten Räuber in das Dorf Tahia zurück. Akira hielt den Dörflern eine flammende Rede und warnte sie davor, sich mit derartigen Übeltätern einzulassen. Ob er damit bei den Bauern durchkam, blieb aber zweifelhaft. Dem Dorfvorstehe ging es vor allem darum, Strafmaßnahmen oder ein Anschwärzen bei den Behörden zu vermeiden. Letztendlich entschieden sich die Helden, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Ihren Gefangenen übergaben sie dem Dorfvorsteher, der darüber wenig erbaut war. Vermutlich fürchtete er die Rache der überlebenden Banditen und ihrer Freunde, falls er den Mann bestrafen ließ. Ihn laufenzulassen, würde ihm jedoch den Zorn derjenigen zuziehen, die unter den Räubern gelitten hatten. Und falls das den Behörden zu Ohren kommen sollte…
Der Gefangene verfluchte die Helden lautstark, als sie das Dorf verließen.

Trotz der Verzögerung von etwa anderthalb Tagen, die durch die Angelegenheit mit den Räubern entstanden war, veranstalteten die Händler am Abend ein kleines Fest. Immerhin würde diese Räuberbande sie auf künftigen Fahrten nicht mehr behelligen. Die Söldner des Begleitschutzes waren ebenfalls zufrieden, da die Helden vereinbart hatten, dass diese ein Drittel der Beute erhalten würden. Angesichts der Tatsache, dass die Helden den Großteil der Kämpfe bestritten hatten, war das eine großzügige Vereinbarung. Es wurde – auch dank der erbeuteten Vorräte – reichlich gegessen und getrunken, gesungen und Geschichten erzählt.
Akira hielt sich etwas zurück, immer bedacht, dem Ideal eines schwertalbischen Kriegers gerecht zu werden. Er schaffte es aber, der albischen Söldnerin Arisa, mit der er sich in den letzten Tagen ein wenig angefreundet hatte, ihre Geschichte zu entlocken. Offenbar war die zynische Bogenschützin mit dem vernarbten Gesicht mit ihrer Familie ein Kollateralschaden einer Klan-Fehde geworden, die sich ausgerechnet an einer Beleidigung während einer Partie des sehr zeremoniellen Kintari-Fußball entzündet hatte. Seitdem hielt sie offenbar wenig von Adligen und ganz besonders nichts von dem Klan Ranku, dessen Geschütze sie vernarbt und mehrere Familienmitglieder getötet hatten. Dennoch war sie bereit zuzugeben, dass Akira für einen Ranku-Vasallen gar nicht so schlecht sei.
Dass die Tierbändigern Yoko und der Anführer der Händler Umeo während des Festes miteinander anbandelten, sorgte für erneute Spannungen zwischen Umeo und dem Söldnerführer Suguta Ken. Akira hatte in den nächsten Tagen zu tun, damit der Streit zwischen den beiden Männern nicht eskalierte. Akiras sichtliche Frustration über das Gehabe der beiden Männer amüsierte Hao, die Vermutungen anstellte, dass der junge Schwertalb selber wohl noch nie verliebt gewesen sei.

Wenig später erreichte der Zug ein größeres Dorf, in dem sich gerade eine Patrouille des Klans Momoku aufhielt. Offenbar war man bei den Momoku immer noch wegen der Gerüchte über angebliche Truppenbewegungen des Klans Ranku alarmiert. Besonders die Präsenz von Generalin Ranku Kane, in deren Gesellschaft die Helden einige Zeit gereist waren, machte die Momoku nervös. 
Die Helden wurden eingehend zu eventuellen Truppenbewegungen der Ranku befragt, konnten aber wenig sagen. Besonders Akira gab eher nichtssagende Antworten, fühlte er sich als Gefolgsmann von Klan Ranku doch diesem verpflichtet. Er hatte Glück, nicht in Schwierigkeiten zu geraten.
Immerhin konnten die Helden das Kopfgeld für den getöteten Banditenhauptmann kassieren und dann weiterreisen.

Die folgenden Tage verliefen ereignislos. Nachdem die Gruppe die zwischen den Klans umstrittenen Gebiete verlassen hatte, wurden die Lande wieder sicherer und reicher, die Straßen besser.
Kurz vor Tsusaka begegnete den Helden ein kompletter Heerzug von über 1.000 Kämpferinnen und Kämpfern der Momoku. Es war ein beeindruckender Anblick, zumal neben hunderten einfachen Soldaten auch zahlreiche schwertalbische Kriegsadlige und sogar mehrere Kanonen zu der Armee gehörten. Auch die Ausrüstung mit Handfeuerwaffen war gut. Angeführt wurde das Heer von einer noch jungen Adligen des Hauses Momoku. Wie die Helden später erfuhren, handelte es sich um Momoku Eiko, die Halbschwester des Lords von Tsusaka. Sie war zwar erst um die Dreißig, hatte aber in Kämpfen gegen verfeindete Klans, Banditen und Ungeheuer schon einigen Ruhm erworben. Akira konnte sich gegenüber seinen Kameraden freilich nicht die Bemerkung verkneifen, dass die junge Momoku eine Überraschung erleben würde, falls sie mit den Ranku-Streitkräften und Generalin Kane die Klingen kreuzen wollte.
Am Abend versuchte der junge Schwertalb, seiner Weggefährtin Hao die komplexen politischen Verhältnisse in Kintai erklären. Die Affenpriesterin konnte nicht verstehen, warum die Gottkaiserin mit ihrer absoluten Macht den Klans ihre gegenseitigen Machtspiele, Intrigen und sogar (begrenzten) Kriegszüge gestattete. Akiras subjektive Ausführungen über Traditionen, Ehre und den Wettkampf der Klans stellten die junge Gnomin nur partiell zufrieden.

Am nächsten Tag erreichte der kleine Handelszug Tsusaka. Die Einwohnerzahl der mittelgroßen Stadt am Maishi-See war in den letzten Jahren infolge der Krisen, Invasionen und des Bürgerkrieges im benachbarten Zhoujiang offenbar deutlich gestiegen, weshalb unter anderem rinr städtische Kanalisation im Bau war.
Die Stadt wies eine klare Gliederung auf: eine chaotische Vorstadt, in der vor allem die Unterschicht lebte, innerhalb der Mauern ein großes und lebhaftes Hafenviertel sowie die Bezirke der angeseheneren Schichten und des Adels. Gekrönt wurde die Stadt durch die beeindruckende Schlossanlage von Fürst Momoku Masajuro. Etwas außerhalb der Stadtmauern lag Neu-Tsusaka, das vor allem von Flüchtlingen und Händlern aus Zhoujiang bewohnt wurde. Auch wenn das Viertel recht ungeordnet erschien, war es weniger rechtlos und heruntergekommen als die eigentlichen Vorstädte.
Wachen waren in Tsusaka relativ selten zu sehen (in den rechtlosen Vororten fast gar nicht) – vermutlich, weil ein Großteil der Garnison mit der Halbschwester des Fürsten gen Süden marschiert war. Sie wurden partiell durch eine Art Hilfspolizei aus Zivilisten unterstützt.
Die Helden kamen im Hafenviertel im „Glücklichen Kappa“ unter, einer guten wenn auch nicht billigen Herberge. Nach einem ausgiebigen Bad nutzten sie den Abend für ein kleines Abschiedsmahl mit ihren Weggefährten. Takur hatte dazu eine junge vargische Köhlerin namens Hanaka eingeladen, die er auf den letzten Meilen vor der Stadt kennengelernt hatte. Auch wenn die Reise nach Tsusaka nicht ohne Probleme und Spannungen verlaufen war, verlief der Abend harmonisch. Es wurde gut gegessen, getrunken und Geschichten erzählt. Dabei zeigte Hao deutlich mehr Talent als Akira, dessen Darbietungsfertigkeiten verbesserungswürdig waren.

Die Nacht brachte allerdings wenig Ruhe, da die Helden von Unruhe auf den Straßen und einem merkwürdigen Gefühl der Unruhe geweckt wurden. Irgendetwas flog über den Himmel über der Stadt, begleitet von einem Geräusch wie zahllose Schwingen, anscheinend eher ein…Ding…als ein Lebewesen, von dem ein seltsam beunruhigendes Gefühl auszugehen schien.
Dass die Helden nicht die einzigen waren, die von diesem Ereignis geweckt worden waren, zeigte sich am nächsten Morgen: Die Stadt brummte vor Gerüchten, trotz einer offiziellen Verlautbarung, dass nichts Gefährliches vorgefallen sei. Manche meinten, das Flugobjekt sei ein Feenwesen gewesen, andere vermuteten eine Waffe einer der zhoujiangischen Bürgerkriegsparteien oder gar einen Drachling. Zumindest letzteres konnte Takur für sich ausschließen: seine Heimatstadt im fernen Jaguardschungel wurde von einer Drachlingin regiert. Er war sich sicher, dass das…Ding…über Tsusaka keine Ähnlichkeit mit einem Drachling gehabt hatte.
Die Menschen auf den Straßen waren jedenfalls verunsichert, auch weil der Vorfall sich in einer ohnehin angespannten Situation ereignet hatte. Der Abzug des fürstlichen Heeres und die Gerüchte von Truppenbewegungen des Klan Ranku ließ viele Einwohner den Ausbruch von Kämpfen fürchten. Der Handel auf dem Maishi-See hatte in letzter Zeit unter Piratenangriffen gelitten, bei denen Gerüchten zufolge nicht alles mit rechten Dingen zuging. Möglicherweise würde es für die Helden schwierig werden, eine Überfahrt zu finden…

Am nächsten Tag verkauften die Helden die von den Banditen erbeuteten Waffen und Rüstungen. Außerdem wollten sie das Angebot Uomes annehmen, über einen seiner Kontakte das Maultier und die Rohseide, die sie im Banditenversteck gefunden hatten, an deren rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben. Takur war zwar der Meinung, dass man diese Beute behalten sollte, aber sowohl Hao als auch Akira vertraten einen anderen Standpunkt.
Der Kontakt des Händlers entpuppte sich als eine junge Schwertalbin namens Nakama Haruko, die gerade in ein Ehrenduell mit einem Schwertalbenkrieger verwickelt war. Offenbar hatte dieser die Ehre von Klan Suguri beleidigt, was Haruko als Suguri-Gefolgsfrau nicht hinnehmen konnte. Zu Takurs Begeisterung und Akiras Anerkennung besiegte die junge Kriegerin ihren erfahrenen Gegner mit Leichtigkeit. Hao, die von dem Duell wesentlich weniger beeindruckt war, verarztete den Verletzten. Nachdem die Helden die Rohseide gegen einen anständigen Finderlohn losgeworden waren – offenbar gehörte sie einem zhoujiangischen Händler – teilten sie ihre Gewinne mit den Söldnern des Händlerzuges und man trennte sich in Freundschaft.

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #14 am: 20.01.2024 | 05:56 »
Feuer und Wissen
Kintai, südlich des Maishi-Sees (Ren, Luo)

Ren und Luo waren zeitweise bei der Familie Gan untergekommen: Händlern, die in der zweiten Generation in Kintai lebten und recht angesehen waren. Die ehemalige Familienmatriarchin, Großmutter Tai, litt an der Schlafkrankheit. Da sie den heimischen Ärzte immer misstraut hatte, hatte ihre Familie sich lieber an Ren gewandt. Ren übernahm in den folgenden gut zwei Wochen die Pflege von Frau Tai, hatte aber sehr damit zu kämpfen, die alte Frau auf den Weg der Besserung zu bringen. Die Familie bestand sonst noch aus dem momentanen Oberhaupt, Frau Chi, deren zweiten Ehemann Ling, sowie der sechsjährigen Tochter Wen. Die Familie war während des versuchten Abfalls der südlichen Provinzen Zhoujiangs nach Kintai exiliert (vermutlich hatte sie auf Seiten der Separatisten) gestanden. Die Bezahlung für die letztlich erfolgreiche Heilung war mit 12 Lunaren nicht schlecht, allerdings erregte Ren die Aufmerksamkeit des örtlichen Magistrats. Das lag wohl nicht zuletzt am Eintreten ihrer Mitstreiter für die Suguri-Kaufleute. Jedenfalls musste sie eine „Gebühr“ zahlen und durfte keine weiteren Patienten annehmen.

Luo, der nur wenig zu tun hatte, hörte sich derweil nach guten Feuermagiern um, da er wusste, dass eine Cousine ihre magischen Fähigkeiten verbessern wollte. Dies war nicht so einfach, weil die Elementarmagie in Kintai nicht so eifrig geübt wurde wie in Zhoujiang, wo die fünf Elemente (Feuer, Wasser, Erde, Luft, Metall) eine wichtige Rolle in der Magielehre spielte. Luo erfuhr, dass im Umland ein erfahrener Diener des dem Element Feuer nahestehenden Phönixgeistes namens Zha Bu zu finden sei. Die Schattenklinge konnte eine brauchbare Wegbeschreibung zu dem verlassenen Kloster erhalten, wo der wandernde Meister untergekommen sein sollte. Die mehrtägige Reise verlief glatt, auch weil die beiden sich zeitweilig mit einem wandernden Kampfmönch (einem jungen Zwergen namens Haruko) zusammentun konnten.
Das „Kloster“ erwies sich als eine verfallene Einsiedelei, bestand sie doch nur aus zwei halb verfallenen Gebäuden und einem kaum noch erkennbaren Glocken- oder Gongturm. Eines der Gebäude war notdürftig ausgebessert worden, und eine kleine Rauchsäule verriet die Anwesenheit der neuen Bewohner.

Ein junger Gnom namens Tsung, offenbar ein Schüler von Zha Bu, begrüßte die beiden Reisenden argwöhnisch, brachte sie aber zu seinem Meister. Dieser erwies sich als ein älterer Mann mit dünnem grau-weißen Bart und Haaren. Die schwarzen Augen wirkten misstrauisch, aber er war bereit, Rens Bitte anzuhören. Tatsächlich gewährte er ihr die Möglichkeit, ihre Entschlossenheit (und Aufgeschlossenheit gegenüber dem Feuer) unter Beweis zu stellen – indem sie ihm folgen sollte, als er durch ein Feld aus glühender Holzkohle schritt. Während die reine Selbstüberwindung kein Problem für Ren darstellte, wäre sie körperlich an der Herausforderung beinahe gescheitert – bewältigte sie aber mit einigen Brandwunden. So qualifizierte sie sich für eine Unterweisung.

In den folgenden Tagen lernte sie einiges von dem verschlossenen Meister, der offenbar (anders als sein Schüler) aus einer besseren Familie oder sozialen Schicht stammte. Zha Bu vertrat einen ganzheitlichen Ansatz mit Meditationen, Selbstbeherrschungs- und Konzentrationsübungen. Obwohl seine religiöse Magie ein wenig anders funktionierte als Ren gewohnt war, konnte er Ren vieles beibringen.
Es war klar, dass Rens Lehrer (und sein Schüler) einiges für sich behielten. Politisch schien er kein Freund von General Wu zu sein und hielt auch von den Triaden nicht viel. Begeisterte Lobeshymnen auf das Kaiserhaus waren von ihm aber auch nicht zu hören. Zha Bu widerstand auch Rens Versuchen, ihn etwas in diese Richtung zu manipulieren.
Luo beschäftigte sich derweil mit kleinen Hilfsaufgaben, blieb aber generell wachsam. Er versuchte sich etwas mit dem Schüler anzufreunden. Laut ihm war Zha Bu aus Zhoujiang verbannt worden - ob von Wu oder der letzten Kaiserin.

Dass der Meister Grund für sein Misstrauen hatte, bewies sich etwa eine Woche nach Ankunft der beiden Reisenden. Luo bemerkte, dass sie die heimlich beobachtet wurden. Er entfernte sich unauffällig und konnte sich unbemerkt in den Rücken des Beobachters schleichen. Kurz entschlossen griff die Schattenklinge an – achtete freilich dabei darauf, nur die flache Klinge zu nutzen. Der überraschte Gegner versuchte nach zwei schweren Treffern zu fliehen, ging aber nach einem weiteren Treffer zu Boden. Bei dem Besiegten handelte es sich um einen wettergegerbten Mann in Wildniskleidung. Luo alarmierte Ren sowie ihren Meister und Mitschüler und fesselte den Bewusstlosen, bevor er ihn durchsuchte. Dabei fand er einen gesiegelten Steckbrief, der einen Solar für den auslobte, der einen wegen Hochverrats, Majestätsbeleidigung und Aufstachelung zur Unzufriedenheit gesuchten Xao Xi auslieferte. Das Gesicht auf dem Papier glich bemerkenswert dem des alten Phönixgeist-Priester. Ren hatte den Namen schon einmal gehört: als einen hochrangigen Berater  der letzten Kaiserin und  Mitglied des Konventes der Mönche und Priester, einen hochrangigem Gremium, das in unregelmäßigen Abständen zusammentrat. 
Ren und Luo verschoben die Klärung der durch diese Enthüllung entstandenen Fragen, da der Spion bestimmt nicht alleine war. Luo wollte seinen Feind nicht einfach töten, brach ihm aber auf Hinweis von „Zha Bu“ das Bein. Dann flüchteten die Helden und ihre Begleiter, wobei sie ihre Spuren so gut als möglich verwischten.

Erst am Abend fand sich die Zeit für ein klärendes Gespräch. Wenig überraschend bekannte der Priester, dass sein Name in der Tat einstmals Xao Xi gewesen war, Hochabt des Klosters des „Feurigen Falken“. Er war beteiligt gewesen, die vorletzte Kaiserin abzusetzen und hatte deren Tochter beraten, bis er wegen allzu offener Kritik während der „Drei-Reiskörner-Hungersnot“ vor einigen Jahren verbannt wurde. Trotz dieses Konflikts mit der Kaiserin hatte er auch aus seiner Abneigung gegen General Wus Staatsstreich kein Geheimnis gemacht. Das Kopfgeld auf ihn war deshalb nicht nur aufrechterhalten, sondern angeblich sogar noch erhöht worden. Der ausgeschaltete Kundschafter gehörte vermutlich zu einem Trupp Kopfgeldjäger.
Luo und besonders Ren waren zwar kaiserliche Loyalisten, doch sogar sie waren bereit zuzugeben, dass weder die vorletzte noch die letzte Kaiserin perfekt gewesen waren. So beschlossen sie, dem Meister auf dem Weg gen Tsusaka zu helfen. Tatsächlich schafften sie es, möglichen Verfolgern zu entgehen. Ehe man sich trennte, bot Ren an, sich für eine mögliche „kaiserliche“ Begnadigung einzusetzen.
Natürlich handelte sie nicht selbstlos. Sollte es gelingen Xao Xi doch noch für die Sache von Prinzessin Yi zu gewinnen, würde es den Kaiserlichen nicht nur einen fähigen Feuermagier verschaffen, sondern auch ihre Legitimität stärken. Ob man das in Sentatau auch so sehen würde, blieb allerdings abzuwarten.

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #15 am: 28.01.2024 | 06:57 »
Piraten im Nebel
Tsusaka und Umland, Nord-Kintai und Maishi-See (Akira, Takur, Luo, Ren)
 
Nachdem Akira, Takur und Hao in Tsusaka eingetroffen waren, wurde rasch klar, dass es nicht leicht werden würde, weiterzureisen – zumindest auf dem Seeweg. Der Handel über den Maishi-See stagnierte, was die Stadt und ihre Bewohner wie die hier festsitzenden Auswärtigen beunruhigte.
Es war nicht leicht für Takur und Akira, Genaueres herauszufinden. Der Jaguarkrieger war ein Exot, der den Umgang mit den Angehörigen anderer Völker nur begrenzt beherrschte, und Akira hatte zwar gute höfische Umgangsformen, aber in einer Momoku-Stadt nützten ihm dies als Ranku-Vasall nicht sehr viel. Und für den Umgang mit dem einfachen Volk war er kaum besser geeignet als sein Freund. Immerhin erfuhren sie, dass die Unterbrechung des Handels durch eine Reihe ungewöhnlich brutaler Piratenangriffe verursacht wurde. Manche munkelten, die in Tsusaka seit einigen Jahren aktive Triade der Lotosfalken wissee mehr oder stecke gar hinter den Angriffen.

Takur fand dank seines „exotischen Flairs“ einen allerdings bestenfalls halblegalen Nebenverdienst: er nahm an heimlich organisierten Schaukämpfen teil, an denen die Triaden zweifellos mitverdienten. Kämpferisch war er exzellent, verstand es aber nicht, sich bei den Zuschauern beliebt zu machen. Er traf sich noch ein paar Mal mit der Vargin Hanaka, bevor die Köhlerin (die eine passable Feuerzauberin war) wieder in ihr Dorf zurückkehrte.
Hao hatte ihre eigenen Projekte. Sie half aus Zhoujiang stammenden Flüchtlingen, von denen es in Tsusaka eine wachsende Gemeinde gab, die mehrheitlich außerhalb der Stadt am Seeufer lebten, ihre priesterlosen Tiergötterschreine zu pflegen – was nicht illegal, aber nicht von allen Einwohnern Kintais (und einige assimilierten Zhoujiangi) gerne gesehen wurde.
 
Als Ren und Luo in Tsusaka eintrafen, brachte man sich auf den neusten Stand. Luo – ausgestattet mit einiger Erfahrung in den Straßen verschiedener Städte – führte die Nachforschungen im Hafen fort. Allem Anschein war „Irukas Atem“, der mysteriöse magische Nebel, der dem Willen des Flußdelphin-Tiergottes folgen sollte und immer wieder über dem See hing, an Gefährlichkeit zugenommen. Früher war er berechenbarer gewesen, doch nun tauchte er viel häufiger auf. Und im Nebel lauerten die Piraten von Kapitän Jiang Biehe. Nicht nur seine Brutalität verängstigte die Seefahrer, denn Gerüchten zufolge griff zeitgleich mit seinen Angriffen irgendetwas im Wasser die Schiffe an und schlug sie leck. Einige Überlebende sprachen von krebsartigen Ungeheuern. Andere behaupteten zudem, dass auch mache der Piraten selber halbe Ungeheuer seien. Allerdings sollte es einige Kapitäne geben, die dennoch durch den Nebel segelten und den Piraten auszuweichen verstanden.

Luo beschloss, sich auch bei den Triaden umzutun. In Tsusaka dominierten die Lotosfalken das organisierte Verbrechen, die besonders unter den zhoujiangischen Flüchtlingen Einfluss besaßen. Schmuggel war freilich weniger ihr Metier. Stattdessen überließen sie diesen ihren „Kollegen“ von den Lotosmessern, die ihrerseits in harter Konkurrenz mit dem örtlichen Ableger der Roten Karpfen standen. Genauere Informationen zu diesem diffizilen Beziehungsgeflecht waren allerdings nicht zu erlangen.
Luo suchte zunächst Kontakt mit den Lotosfalken. Takur konnte ihm dabei über seine Kontakte zu den halblegalen Schaukämpfen helfen. Der vargische Organisator war bereit, ein Treffen zu arrangieren. Luo besorgte sich ein angemessenes Geschenk und traf sich mit Akira als Auftraggeber in einer Teestube mit einer „Madame Chie“, die mittlerer Führungsebene der Lotosfalken zählte. Es wurde schnell klar, dass die Lotosfalken (respektive ihre Kontakte bei den Lotosmessern) keine Überfahrt nach Timog anzubieten hatten. Auch ihre Versuche, die Piraten oder die Ursachen für Kapitän Jiang Biehes Erfolg ausfindig zu machen, waren erfolglos geblieben. Sie hatten bisher weder seinen Unterschlupf noch eine Spur der von ihm erbeuteten Waren gefunden, um die Behörden auf den Störenfried anzusetzen. Akira die Hilfe der Helden: seine Möglichkeiten als Mitglied der  Kintari-oberschicht, Ren und Haos magisches und mythisches Wissen und Luos weitverzweigte Connection. Dieses Angebot stieß tatsächlich auf Interesse. Die Lotosfalken wollten herauszufinden, ob ähnliche Kriseen schon einmal vorgekommen waren. Doch da sie weder am lokalen Fürstenhof  noch bei der lokalen Myuriko-Kirche oder generell der alteingesessenen Bevölkerung gut angesehen waren,  gingen ihnen etwas die Optionen aus.
Als gewinntüchtige Geschäftsfrau war Chie allerdings sehr knauserig mit ihren eigenen Informationen, etwa bezüglich der Gerüchte, dass manche Kapitäne eine Möglichkeit gefunden hatten, die Bedrohung durch die Piraten und den Nebel zu umgehen. Falls Akira, und seine Gefährten aber ihrerseits wertvolle Informationen hätten…

Akira und Ren begannen ihre Ermittlung in dem berühmten schwimmenden Myuriko-Tempel von Tsusaka. Das prunkvoll bemalte Holzgebäude war für seine wunderbaren Bodenfenster bekannt, die direkten Blick in die Unterwasserwelt und angeblich manchmal sogar in die Domänen der Seegeister boten. Dort wusste man einiges über den Maishi-See und seine überirdischen Gefahren. Laut den Priestern beherrschte der Flussdelphin Iruka den Maishi-See nicht direkt, auch wenn sein „Atem“ den See prägte. Stattdessen war der See vor allem das Reich des Feen-Molchkönigs Ginleizhu, der mit großem Gefolge in einem Schloss auf dem Grund residierte. Zu seinem Gefolge gehörten zahlreiche Krebswesen, wie sie angeblich auch die Piraten unterstützten. So war etwa Ginleizhus oberster Mandarin und Hofwesir ein gigantischer Krebs. Doch galt der Molchkönig eigentlich weder als grausam, feindselig oder als leicht bereit, sich von Sterblichen für ihre Verbrechen einspannen zu lassen. Laut den Myuriko-Priestern hatte der Göttliche Kranich im Zuge ihrer Eroberungen mit dem Molchkönig ein Abkommen geschlossen, das seit über 400 Jahren Bestand hatte. Früher hatte es in Tsusaka auch einen Ginleizhu-Kult gegeben, der sich allerdings inzwischen wohl aufgelöst hatte. Die beiden Abenteuer konnten Zugang zur Bibliothek erlangen, um zusätzliche Informationen zu erlangen und eventuell Hinweise zu finden. Allerdings blieben ihre Recherchen vorerst erfolglos.
Gleichzeitig horchte Luo die Fischer aus. Auch diese verwiesen auf Ginleizhu und seine Diener und erinnerten sich an den Kult des Molchkönigs. Angeblich hatte sich der zentrale Zeremonienschrein des Kultes in der Nähe Tsusakas gestanden, doch blieben die Hinweise auf den Standort vorerst sehr vage.

Akira bemühte sich, auch am Fürstenhof Informationen einzuholen. Aufgrund seiner Gefolgschaft zu dem mit Haus Momoku rivalisierenden Haus Ranku hielt man ihn allerdings auf Abstand. Offenkundig liefen die Vorbereitungen für einen Einsatz der kleinen Kriegsflotte von Tsusaka, die den Piraten aufstöbern sollte. Die Momoku suchten zudem nach den Händlern, die einen Weg gefunden hatten, Nebel und Piraten zu umgehen. Bezüglich des alten Molchkönig-Kultes verwies man Akira kurzerhand erneut an den Tempel, doch blieb auch eine erneute Nachsuche in dessen Archiven ergebnislos.
Nachforschungen nach den Überlebenden der Piratenangriffe brachten nur wenige Erkenntnisse, abgesehen von erneuten Geschichten von Seeungeheuern, die die Piraten unterstützten. Nur von wenigen Augenzeugen bestätigt, wurden die Gerüchte über magisch veränderte Piraten: Männer und Frauen mit Schwimmhäuten, Schuppen, seltsamen Augen oder deformierten Gliedmaßen. Interessant war, dass Jiang Biehe laut einigen Kapitänen zwar schon früher die Gegend heimgesucht hatte, doch damals weder besonders erfolgreich oder grausam bekannt gewesen war. Irgendetwas mochte ihn verändert haben. Hatte er einen Pakt mit jenseitigen Mächten geschlossen oder vielleicht einen Fluch auf sich gezogen?
Akira suchte mit Rens Hilfe auch nach den Kapitänen, die angeblich trotz der Gefahren immer noch in See stachen. Offenbar handelte es sich nur um eine Handvoll, die angeblich über machtvolle Amulette verfügten, die sie vor dem Nebel und den Piraten warnten oder beschützten. Und es waren angeblich die Roten Karpfen gewesen, die die Amulette zu einem unverschämten Preis beschaffen konnten. Die Roten Karpfen gehörten zu dem Zweig der Triaden, die bevorzugt auf mehr oder weniger legale und halblegale Geschäfte setzten. In den letzten Jahren expandierten sie allerdings auch im Schmuggelgeschäft. In Tsusaka waren sie allerdings wohl relativ wenig präsent, lag doch das Zentrum ihrer Operationen in Zhojiang und vor allem in der Spinnen- und Kranichprovinz.
Nach einigem Herumfragen erfuhren die Helden den Namen einer lokalen Kontaktperson der Roten Karpfen-Triade: Tie Nantiang.

Ehe die Helden dieser Spur nachgingen, hatten Luos Erkundigungen nach dem alten Schrein des Ginleizhu-Kultes Früchte getragen. Laut den etwas unpräzisen Wegbeschreibungen lag er nur einen halben Tagesmarsch von der Stadt entfernt im sumpfigen Uferbereich des Maishi-Sees. Die Helden folgten der Beschreibung und fanden nach einigem Herumwaten tatsächlich die vergessene Kultstätte. Die erhaltenen Teile des Schreins umfassten lediglich ein kleines Gebäude mit wenigen Räumen. Die Reliefs an den Wänden zeigten zumeist Ginleizhu bei seinem segensreichen Werk – in seinem Gefolge auch krebsartige Diener, die aber nicht als Ungeheuer dargestellt wurden. Im Schrein fanden sich zudem alte Talisman-Papiere, laut denen der Kult – und nach ihm eine Weile auch noch Priester der Myuriko - hier eine…Macht oder Fluch (?) festgehalten oder kontrolliert hatten. Außerdem fand sich eine alte Tempelchronik. Den Spuren zufolge war das Gebäude vor etwa einem Jahr gewaltsam aufgebrochen und etwas vom Altar gestohlen worden.

Ren und Akira machten sich nach der Rückkehr an das Studium der gefundenen Aufzeichnungen, die ebenso ausführlich wie trocken über das Wirken des alten Kultes und seinen schrittweisen Niedergang berichteten. Offenbar war der Schrein vor gut 200 Jahren in Einvernehmen mit der Myuriko-Kirche nach dem Tod des letzten örtlichen Ginleizhu-Priesters versiegelt worden. Interessant war, dass im Schrein anscheinend der legendäre Zerrspiegel aufbewahrt wurde, unter dessen Einfluss Ginleizhu einstmals seine Ehefrau in sieben Takte Magie verwandelt hatte, was zu seiner Vertreibung aus der Feenwelt geführt hatte und ihn bis heute mit unsterblicher Trauer erfüllt. Ein Teil des Textes war verschlüsselt, doch unter großen Mühen und manchen Rückschlägen konnten Ren und Akira auch diese Aufzeichnungen entziffern. Dort hieß es, dass der Spiegel eingesetzt werden konnte, um die Aufmerksamkeit des Seeherren zu wecken und diese zu kanalisieren. Da es sich dabei aber eher um seine negativen Gefühle handelte, konnte man wohl seinem Zorn in diesem Fall nicht auf Dauer entgehen. Es gab jedoch ein Ritual (bestehend aus dem Spielen der Melodie, in die Ginleizhu seine Frau verwandelt hatte) welches den fokussierten Zorn verfliegen lassen konnte. Ren fand diese Informationen sehr interessant und war entschlossen, sie nach Zhoujiang zu bringen. Die Helden vermuteten zudem, dass die Mordlust der Piraten wie ihre monsterhafte Verwandlung eine ungewollte Folge der Verwendung des Spiegels durch die Piraten war, da  die Seeräuber nicht um das Besänftigungsritual wussten.

Die Abenteurer überlegten, ob sie diese Informationen an die offiziellen Stellen übergeben sollten. Sie entschieden sich, zunächst einmal Kontakt mit den Roten Karpfen zu knüpfen. Diese verfügten offenbar über eine Methode, sich vor den Piraten und Ungeheuern zu schützen. Die Delden trafen sich mit der lokalen Kontaktperson der Roten Karpfen in einem Teehaus, wobei Akira als angeblicher Auftraggeber auftrat. Ren begleitete den Schwertalben zu dem Treffen mit Tie Nantiang, Takur und Luo fungierten als Rückendeckung.
Die Konversation mit der Triadenoffizierin brachte an den Tag, dass die Roten Karpfen es verstanden, aus den Silbernen Tränen, die der Lurchkönig über seine verlorene Ehefrau weinte und die gelegentlich im Maishi-See gefunden wurden, eine Art Schutzamulett zu fertigen. Da die Tränen aber sehr selten waren, besaßen sie jedoch nur sehr wenige Schutzartefakte. Eventuell – so war zu erfahren – würde das Amulett auch bei einer Konfrontation mit den Piraten den Einsatz der Seeungeheuer verhindern. Die Abenteurer erzählten im Gegenzug Tie Nantiang, was sie im Tempel herausgefunden hatten.
Die Roten Karpfen waren einer Kooperation mit den Momoku nicht abgeneigt, fehlte ihnen doch die militärische Stärke, selber gegen die Piraten vorzugehen. Allerdings wollten sie für ihre Unterstützung handfeste Vorteile: einen stärkeren Einfluss beim Fürsten oder aber den Spiegel selber. Tie Nantiang schlug vor, dass Akira als adliger Alb ein solches Bündnis mit den Momoku vermitteln könne. Vorerst trennte man sich allerdings ohne eine Vereinbarung.

Die Abenteurer berieten sich. Während Luo die Kooperation mit den Roten Karpfen für erwägenswert hielt, lehnte Ren dies aufgrund ihrer Loyalität zur Fraktion von Prinzessin Yi ab. Während Takur indifferent blieb, neigte Akira aufgrund eigener Vorurteile gegenüber den Triaden dazu, Ren beizupflichten. Die Helden beschlossen, sich direkt an den örtlichen Momoku-Fürsten zu wenden und die Rote Karpfen-Triade aus den Verhandlungen herauszuhalten.
Mit viel Mühe arrangierte Akira eine Audienz bei dem jungen Fürsten Momoku Masajuro (Oberhaupt der örtlichen Momoku-Linie). Zu ihrer Überraschung erwies sich der politisch eher gemäßigte Masajuro als durchaus offen für die Vorschläge der Helden, vor allem da die Abenteurer die Unterstützung des örtlichen Myuriko-Tempels gewinnen konnten.
Der Fürst ließ sich überzeugen, einen Trupp Spähmagier zusammenzustellen und ein Kriegsschiff auszurüsten, um die Piraten aufzuspüren und zu stellen. Er war ein wenig überrascht, dass die Abenteurer keine Versuche machten, die Führung bei dem Unternehmen an sich zu reißen und auch nicht darum rangen, dass der Ruhm vor allem ihnen gebühren sollte. Auf Vorschlag der Helden arrangierte der Fürst zudem über einen Strohmann den Erwerb eines der kostbaren Schutzsiegel der Roten Karpfen.

Wenige Tage später stach ein mit Soldaten besetztes Kriegsschiff unter dem Kommando von Lord Towada Mizuki in See. Mit an Bord waren die Helden und mehrere Magier, die das Aufspüren der Piraten übernehmen sollten. Tatsächlich gelang es, die Piraten mithilfe magischer Späher zu finden und ihr Schiff stellen. Schnell wurde klar, dass einige der Piraten tatsächlich abnorm verändert waren: mit Scheren anstatt Händen, Schuppenhaut und ähnlichen monströsen Deformierungen. Es entbrannte ein erbittertes Gefecht.
Während der Großteil der Kämpfer das gegnerische Schiff enterte, manövrierte ein kleines Kommando mithilfe eines Beibootes ans Heck des Piratenseglers und schlich sich an Bord, um den Spiegel zu finden und das Ritual abzuhalten und so den Piraten ihre magische Waffe zu nehmen. Mit dabei waren Akira und Luo – allerdings nicht Ren, die sich bei einem fehlgeschlagenen Zauber verletzt hatte. Sie unterstützte das Enterkommando mit einem beschworenen „Höllenhund“.
Mit einiger Mühe fand der Stoßtrupp den Spiegel, der von drei erfahrenen Piraten verteidigt wurde. In einem harten Kampf konnten diese besiegt und das Ritual durchgeführt werden. Zusammen mit dem Einsatz der anderen Kämpfer entschied dies den Kampf: als der Spiegel besänftigt war, ließ die Kampfkraft und Entschlossenheit der Piraten schlagartig nach und etliche suchten ihr Heil in einem Sprung über Bord. Ihr Kapitän fiel den Schwertern der kintarischen Soldaten zum Opfer.
Die Verluste der Seesoldaten und Matrosen der Momoku waren relativ gering. Das gekaperte Schiff erhielt eine Prisenmannschaft und man segelte zurück nach Tsusaka. Auf der Heimfahrt drängten sich die Magier um den Spiegel. Auch Ren beteiligte sich an der Untersuchung. Gemeinsam kam man zu dem Schluss, dass der Spiegel mehr ein Fokuspunkt denn ein aus eigener Macht bedeutsames Artefakt war, dessen Wirkung wohl an die Nähe zum See gebunden war. Ren bedauerte es, den Spiegel nicht Prinzessin Yi sichern zu können, aber sie war einfach nicht in der Position, ihn für sich fordern zu können. Zudem hielt sie das Artefakt für zu mächtig, um es gezielt einzusetzen. Letztlich blieb es in der Hand der Kintari, auch wenn Ren im Privaten spöttelte, dass die Diener des Himmlischen Kranichs eine Angewohnheit hatten, alte Tempel, Kulte und Bedrohungen zu vergessen. Ren regte an, den Stützpunkt der Piraten ausfindig zu machen und auszuheben, um die Gefahr endgültig auszuheben. Die gefangenen Piraten zu verhören und ihre Geständnisse auszuwerten, würde freilich noch ein paar Tage dauern. Aber der Seeweg über den Maishi-See war nun wieder frei – abgesehen von „normalen“ Sommerstürmen, Seeungeheuern, Piraten und Freibeutern. Das bot den Abenteurern die Möglichkeit, in naher Zukunft nach Timog aufzubrechen.

In jedem Fall hatten die Abenteurer Eindruck gemacht und der Fürst von Tsusaka kündigte eine baldige erneute Audienz an, bei der die Helden ihre Wünsche für eine Belohnung würden äußern können. Die Wünsche der Abenteurer erwiesen sich teilweise als etwas ungewöhnlich:
Akira fühlte sich durch seine noble Herkunft verpflichtet, auf eine materielle Belohnung zu verzichten, sah er sich doch als ein Repräsentant des Klan Ranku. Stattdessen betonte er, dass ihm die Dankbarkeit des Fürsten genug sei, äußerte jedoch die Hoffnung, dass dieser angesichts der jüngsten Spannungen mit Klan Ranku eventuell einen Ausgleich suchen könne.
Ren versuchte, Fürst Masajuro für die Sache von Prinzessin Yi zu gewinnen. Sie bat ihn untertänig, Vorsicht beim Umgang mit den Triaden und General Wu zu beweisen und wenn möglich ein offenes Ohr zu haben, falls die Kaiserlichen Kontakt mit ihm aufnehmen würden.
Allerdings waren sowohl Ren als auch Akira recht skeptisch, ob der Fürst derart wichtige Entscheidungen aufgrund der Bitte von Auswärtigen entscheiden würde, die ihm nur einen mäßig wichtigen Dienst erwiesen hatten.
Luo schließlich bat um Fürsprache beim Myuriko-Tempel von Tsusaka, damit man ihm dort die Zukunft weissagen könne, denn die Priester von Tsusaka waren berühmt für ihre Meisterschaft der Schicksals Magie.
Takur hatte hingegen eine eher mundane Bitte: Er brauchte Geld für eine verbesserte Waffe.
« Letzte Änderung: 28.01.2024 | 16:12 von Takur »

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #16 am: 3.02.2024 | 07:02 »
Wellen auf dem Maishi-See
Tsusaka, Maishi-See und Timog (Hao, Ren und Luo)

Die Abenteurer hatten mit ihrem Beitrag zur Öffnung der Schifffahrtsrouten von Tsusaka einige Verdienste erworben. Der erbeutete Spiegel des Molchkönigs wurde feierlich dem Fürsten Tsusakas übergeben, der ihn ebenso formell (und mit einer prunkvollen Prozession) dem örtlichen Tempel der Myuriko zur Aufbewahrung übergab. Bei der Siegerehrung stand freilich erst einmal der Kommandeur der Expedition, Lord Towada Mizuki, im Mittelpunkt. Die fremdländischen (Ren, Luo) beziehungsweise aus einem rivalisierenden Klan (Akira) stammenden Abenteurer wurden in die Zeremonie eingeschlossen, aber nicht besonders herausgehoben. Vermutlich hätte es schlecht ausgesehen, wenn der Eindruck vermittelt worden wäre, dass die Momoku die Hilfe Auswärtiger (und eines Halb-Ranku) benötigt hatten. An Ansehen hatten die Abenteurer aber auf jeden Fall gewonnen, was Luo auch nutzte, um sich in der Stadt ein wenig zu brüsten.
Ihnen allen wurde zudem eine informelle Audienz beim Fürsten in Aussicht gestellt.
Hao, die an den Ereignissen um die Piraten und den Spiegel von Ginleizhu nicht direkt involviert gewesen war, widmete sich weiterhin der örtlichen Gemeinde exilierter Zhoujiangi. Die Priesterin des Affengottes zelebrierte Andachten für die Exilgemeinde und half mit Ren zusammen bei der medizinischen Versorgung der ärmeren Exilanten. Hao war  im Haus eines der Ältesten der von zhoujiangischen Flüchtlingen bewohnten Vorstadt Neu-Tsusaka untergekommen. Jen Fu war ein würdevoll wirkender Gnom, der seit einem halben Jahrhundert in Kintai lebte. Er hatte seit Ausbruch des Bürgerkrieges viele Verwandte in das sichere Tsusaka gerufen.
Luo hörte sich derweil nach Neuigkeiten um. Offenbar war der mithilfe der Helden überwundene Jiang Biehe nicht der einzige Pirat, um den man sich Sorgen machen musste. Generell hatte die Piraterie auf dem Maishi-See in den letzten Monaten zugenommen. Manche meinten, dass der Grund dafür Rivalitäten zwischen den Triaden seien. Einen besonders schlechten Ruf hatten die 13 Blätter: mehrheitlich Kintari-Exilanten, die sich mitunter brutale Gefechte mit Wachschiffen ihres alten Heimatlandes lieferten.
Eine vermutlich noch größere Rolle spielte aber General Wus verstärkter Einsatz von Freibeutern und Kriegsschiffen.
In dem Versuch, sich aus den Unruhen des Nachbarreiches herauszuhalten, hatte der Fürst von Tsusaka Kriegsschiffen aller Parteien verboten, in der Stadt anzulegen. Nur einmal hatte ein beschädigtes Kriegsschiff General Wus unter strenger Quarantäne Reparaturen durchführen und seine Verwundeten versorgen dürfen. Es gab in Tsusaka nur eine einzige diplomatische Vertreterin Zhoujiangs namens Gao Dia. Sie diente der Fürstin der Kranichprovinz, die – angeblich widerwillig – den Triaden Gefolgschaft leistete.

Ren und Luo wurden eines Abends von Haos Gastgebern eingeladen. Bei dem reichhaltigen Essen lernten sie eine weitere Älteste von Neu-Tsusaka kennen: die noch recht junge Albin Nai Ming, deren goldene Haare und Augen sie zu einer auffälligen Erscheinung machten. Im Gegensatz zu anderen Exilanten war sie offenbar bemüht, sich nahtlos in die Kintari-Gesellschaft zu integrieren: Sie trug Kintari-Kleidung und folgte deren Sitten und Essgewohnheiten. Nach einer Runde Smalltalk kam man zu ernsteren Dingen. Nai Ming sprach von ihrem Plan, eine Schule für Flüchtlingskinder aufzubauen. Es wurde rasch offenkundig, dass es diesbezüglich Konfliktstoff gab. Nai Ming, die sich voll und ganz assimiliert hatte, hatte andere Ansichten als Jen Fu, der die Bräuche und Kultur der alten Heimat bewahrt sehen wollte. Hao und Ren nahmen eine moderate Position ein: Es konnte nicht schaden, sich die Bräuche der neuen Heimat anzueignen. Grundsätzlich hielten sie die Schule für eine gute Idee. Luo war weniger überzeugt: selbst des Lesens und Schreibens unkundig, erachtete er dergleichen als nicht so wichtig. Dennoch spendete er (und Ren deutlich mehr) für das Projekt. Ren versprach zudem Nai Ming, ihr bei der Einwerbung von Mitteln zu helfen.
Die albische Älteste hatte ein weites Anliegen. Im Auftrag des Fürsten von Tsusaka lud sie die Abenteurer zu einem seiner geselligen Treffen ein. Nai Ming nahm offenbar häufiger an solchen Veranstaltungen teil, zu denen der intellektuell veranlagte Fürst nicht nur Adlige, sondern auch interessante Nichtadlige und sogar Ausländer einlud – vor allem Gelehrte, Magier und Künstler.
Bei dieser Gelegenheit würden die Helden Gelegenheit haben, ihre Wünsche zu äußern, ohne dass der Fürst sie in einer formellen Audienz empfing. Nai Ming bat darum, bei dieser Gelegenheit ihr Schulprojekt zu unterstützen. Allerdings wählte sie ihre Worte ungeschickt, so dass sie ungewollt sowohl die Abenteurer als auch Jen Fu beleidigte. Ren besänftigte den gnomischen Ältesten etwas. Sie half in den nächsten Tagen, das Schulprojekt in der zhoujiangischen Gemeinde zu bewerben. Dabei sprach sie gelegentlich auch die Bitte der alten Gnomin an, die sie auf der Reise nach Tsusaka kennengelernt und die zwischen den Kappa und den Menschen vermittelt hatte. Vielleicht ließ sich ja unter den Flüchtlingen eine geeignete Schülerin finden?
Hao und Luo hörten sich über die Treffen des Fürstens um. Die Gäste setzten sich im Normalfall zur Hälfte aus albischen Adligen und zu Hälfte aus „Gemeinen“ und Ausländern zusammen. Es ging in der Regel recht zwangslos zu, aber natürlich wurde gutes Benehmen und angemessene Kleidung erwartet. Die Gäste diskutierten und präsentierten Gedichte, Musikstücke und Gemälde. Seltener fanden Schaukämpfe oder Bogenschießen statt, denn dergleichen Zeitvertreib interessierte den Fürsten nur wenig, trotz der kriegerischen Traditionen seines Klans.
Hao war ein wenig nervös, wie sie sich präsentieren sollte. Sie war nicht wirklich eine Buchgelehrte, und anders als ihre Kameraden hatte sie auch keine Gelegenheit gehabt, bei der Beseitigung des Piratenproblems zu glänzen.

Am Nachmittag des Treffens holte Nai Ming die Abenteurer, die sich so gut als möglich herausgeputzt hatten, in zwei Sänften ab. Das Fest fand im Garten der Burg von Tsusaka statt, von dem man einen guten Blick auf den See hatte. Wie erwartet bestanden die Gäste aus einer bunten Mischung aus Angehörigen der Mittel- und Oberschicht sowie einigen Ausländern. Es war auffällig, dass nur wenig Krieger anwesend waren. Auch die Wachen hielten sich zurück. Akira und Takur waren ebenfalls eingeladen worden. Die Abenteurer, die sich gegen die Piraten bewährt hatten, erhielten die Gelegenheit, mit dem Fürsten zu sprechen und konnten ihre Wünsche vorbringen. Während Akira seine Hoffnung auf eine Entspannung zwischen den Häusern Momoku und Ranku gekonnt formulierte und Ren sich ebenfalls zu präsentieren wusste, waren Luo und besonders Takur etwas unbeholfener. Man schien ihnen das aber nicht wirklich nachzutragen. Takur bat um Geld für eine bessere Waffe und Luo um Fürsprache, beim Tempel der Myuriko eine Prophezeiung erhalten zu können. Ren überreichte dem Fürsten eine Petition, in der sie für die Sache von Prinzessin Yi und gegen General Wu und die Triaden einzunehmen. Verbal unterstützte sie zudem Nai Mings Projekt, das allerdings offenbar ohnehin bereits die Billigung des Fürsten besaß.

Danach bot sich die Gelegenheit, sich unter die Feiernden zu mischen. Das Fest war für Kintari-Gebräuche recht zwanglos. Eine Albin gab ein Gedicht über die Tierwelt des Maishi-Sees zum Besten, das mit spöttischen Anspielungen auf lokale Persönlichkeiten gespickt war. Andere Teilnehmer traten im Brettspiel gegeneinander an, maßen sich im sehr formellen Kintari-Fußball, bei dem man sich in Hofkleidung einen Ball  zuspielte und versuchte, diesen möglichst lange in der Luft zu halten. Einige Gäste übten sich auch im Bogenschießen. Während Hao bei ihren Gesprächsrunden etwas aneckte, konnte sich Ren bei einer Diskussion zu den magischen Eigenschaften des kürzlich von den Piraten zurückgewonnenen Spiegel des Ginleizhu behaupten. Luo beteiligte sich in der Runde um die spott-dichtende Albin, und schnitt passabel ab.
Hao und Ren fanden sich schließlich in einer Gesprächsrunde mit dem Fürsten wieder. Er befragte sie, wen sie auf einen Posten berufen würden: einen fähigen Neuaufsteiger oder jemanden, den der Posten aus Tradition und Familiengründen zustand? Während Hao eher auf Meritokratie setzte, folgte Ren der Tradition. Der Fürst ließ sie daraufhin in einem Streitgespräch den jeweils entgegengesetzten Standpunkt vertreten. Hao erwies sich als die klare Siegerin und erhielt einen gut gearbeiteten Silberring.
Auch Luo sollte sich beweisen und den Kintari die Kampfkunst Zhoujiangs demonstrieren. Sein Gegenüber war eine junge zhoujiangische Menschenfrau, gekleidet in eine leicht gewagte Mischung aus farbiger Seide und leichten Panzerteilen, die mit Dschiahn und Kriegsfächer bewaffnet war. Es war aber nicht ihr Outfit, das ihn wie ein Schlag traf – sondern der Umstand, dass er sie kannte. Vor ihm stand Sun Lin, mit der er mehrere Jahre bei ihrer Tante Sun Chen das „Handwerk“ einer Schattenklinge erlernt hatte. Er war damals in Lin verliebt gewesen, was diese freilich nicht erwidert hatte.
Während Luo etwas perplex und nervös war, schien Lin nicht überrascht, ihm gegenüberzustehen. Im Zweikampf mit flachen Klingen erwies sich Luo als der Bessere. Das war freilich nicht die Art Wiedersehen, die er erhofft hatte, auch wenn er vom Fürsten mit einer Kette aus Silbermünzen belohnt wurde.
Lin schien jedoch nicht ernsthaft verstimmt. Sie spottete, dass sie sich das Wiedersehen genauso ausgemalt hatte und ließ sich den Mitstreitern ihres Jugendfreundes vorstellen. Dieser wollte natürlich wissen, wie es Lin ergangen war. Die Kämpferin hatte in den letzten Jahren entlang des Jadebandes zwischen Inani und Palitan als Geleitschutz, Leibwächterin und Kopfgeldjägerin gearbeitet. Aus dem Bürgerkrieg hatte sie sich nach Möglichkeit herausgehalten. Ihr letzter Auftraggeber hatte sie in Tsusaka entlassen, als er wegen des Nebels und der Piraten seine Reise unterbrechen musste. Jetzt hatte sie einen neuen Auftraggeber gefunden und wollte die Abenteurer als zusätzliche Sicherheit eine Fahrt über den Maishi-See rekrutieren.
Hao und Ren warben noch etwas für Nai Mings Schule. Das Fest endete erst spät in der Nacht, während magische Lampen die Feste erhellten.

Am nächsten Tag trafen sich die Abenteurer mit Lin. Deren Auftraggeber, ein gewisser Shu, war zwar an zusätzlichen Wachen interessiert, hatte aber gewisse Vorbehalte gegenüber Akira. Dies erwies sich freilich als kein Problem, da Akira und Takur ohnehin noch für eine Mission in Tsusaka benötigt wurden.
Lins Auftraggeber war offenbar ein Händler aus Timog, der mit Metall handelte. Er suchte nun nicht nur zusätzlichen Geleitschutz, sondern auch einen erfahrenen Kapitän für eine größere Ladung. Es hatte den Anschein, dass die Sache nicht ganz astrein war. Hao wunderte sich, dass Ren keine Probleme mit dem Auftrag hatte. Aber die ließ sich von Luo beeinflussen, der seine Jugenfreundin nicht enttäuschen wollte. Außerdem hielt Ren nicht allzu viel von der Obrigkeit in Timog, da diese mit den Triaden kooperierte. Deshalb war es ihr relativ gleichgültig, ob Shus Geschäfte nicht ganz legal waren. Letztlich sagte dann auch Hao zu. Die Bezahlung sollte 50 Telare für die Zeit in Tsusaka sowie 1 Lunar pro Tag für die Überfahrt betragen.

Luo konnte tatsächlich einige geeignete Schiffe finden. Besonders passend schien die Hai Lang von Kapitän Hong zu sein – zumindest wenn man nicht zu hohe Ansprüche an die Integrität des Kapitäns stellte. Hong hatte den Ruf schnell und sicher zu segeln. Er war sogar auf Fahrt gegangen, als die Piraten und der Nebel Tsusaka blockiert hatten, was für seinen Wagemut und Geschick sprach. Seine Persönlichkeit war aber weniger beeindruckend. So wurde gemunkelt, dass er zhohoujiangische Flüchtlinge auf der Passage nach Kintai ausgeplündert und sich möglicherweise sogar an den Frauen und Töchtern seiner Passagiere vergangen hatte. Luo und Lin waren sich jedoch einig, notfalls mit dem Kapitän fertig werden zu können, falls er irgendetwas versuchen sollte.

Lin, Hao und Luo knüpften den Kontakt mit Hong. Sein Schiff war  eine ca. 20 Schritt lange und fünf Schritt breite, zweimastige Dschunke. Auffällig war die Bugfigur einer halbnackten blauhaarigen Frau. Die Crew und besonders der Kapitän waren ein weniger angenehmer Anblick. In der Crew fehlten Alben oder Gnome (offenbar hatte Hong zumindest gegenüber Gnomen gewisse Vorurteile), dafür gab es neben Menschen auch Rattlinge und den einen oder anderen Vargen. Hong selbst war ein Mensch mit  ergrauendem Haupthaar und Bart. Er behandelte Hao unfreundlich und machte Lin plumpe Avancen, die diese ignorierte. Schließlich willigte er ein, Shu und seine Fracht zu übernehmen. Die Reisenden würden auf Deck schlafen müssen, Verpflegung mussten sie selber besorgen.

Nachdem die grundlegenden Verhandlungen abgeschlossen waren, wollte Lin die Abenteurer ihrem Auftraggeber vorstellen. Sie holten Ren ab und trafen Shu, einen noch recht jungen Alben, der eine Mischung aus Kintai- und Zhoujiang-Tracht trug. Er teilte mit, dass die Fracht übermorgen eintreffen werde. In der verbliebenen Zeit setzte sich Ren noch einmal für Nai Mings Schule ein. Luo kaufte zusätzlichen Proviant, eine Zeltplane, und ähnliche Kleinigkeiten für die Überfahrt.
Als Shus Waren eintrafen, wurden sie durch eine Zöllnerin kontrolliert, die von einigen Milizionären begleitet wurde. Sie ließ einige Kisten öffnen, die teils Metallschrott, teils Metall in Form von Barren und Stangen enthielt und schien weder an der Fracht noch den Papieren Shus etwas auszusetzen zu haben. Beim Beladen war es an Luo, mit anzupacken. Hao und Ren hatten nicht wirklich die Muskeln und Ausdauer für die schweißtreibende Arbeit. Die Abenteurer sollten sofort mit der Bewachung anfangen, was ihr Misstrauen weckte. Rohmetall und Metallschrott waren nichts, was einfach gestohlen wurde, auch wenn das Schiff in einem zwielichtigen Teil des Hafens lag. Von der Crew blieben am Abend nur zwei Mann zurück, die es mit der Wachsamkeit nicht genau zu nehmen schienen. Hao und Ren übernahmen die erste Schicht. Hao nutze einen Kontrollgang unter Deck, um zu spionieren. Allerdings zerbrach sie ihre improvisierten Werkzeuge an dem Schloss einer der Frachtkisten und gab ihr Vorhaben auf.
Die Wacht war schon fortgeschritten, als Ren bemerkte, dass sich eine schattenhafte Gestalt dem Schiff näherte. Die Magierin bereitete einen Einfrieren-Zauber vor, beging aber den Fehler, einen Alarmschrei auszustoßen, um auch Hao aufmerksam zu machen. Noch ehe sie den Zauber auslösen konnte, war der Unbekannte außer Reichweite des Zaubers. Hao setzte nach, war aber zu langsam. Zumindest waren die Matrosen nun wach. Für einen Augenblick hatte es den Anschein, als ob sich auch im Wasser neben dem Schiff etwas tat, aber war im Dunkel unmöglich genau erkennen. Der Rest der Nacht verlief ereignislos.

Als Kapitän Hong am nächsten Morgen von dem Vorfall erfuhr, war er wütend, dass man ihn nicht sofort alarmiert hatte und schlug einen der Wachmänner nieder. Die Stimmung zwischen ihm und Shu war gespannt. Im Laufe des Tages traf der Rest der Fracht ein: billige Güter, die Hong auf die Schnelle hatte organisieren können, um seinen verbliebenen Laderaum zu füllen. Auch der Schiffsproviant wurde aufgefüllt – und wieder mussten Luo und Ling anpacken. Hongs Führungsstil war effektiv aber rabiat. Noch an diesem Nachmittag legte das Schiff ab, nachdem die Abenteurer sich von Akira und Takur verabschiedet hatten, die bald nach Timog nachkommen wollten.
« Letzte Änderung: 3.02.2024 | 10:14 von Takur »

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #17 am: 3.02.2024 | 07:03 »
Die Helden hatten eine Strecke von mindestens 50 Wegstunden über den See vor sich, wobei auffällig war, dass die Hai Lang nicht wie üblich erst einmal der Küstenlinie folgte, sondern einen direkten Nordkurs steuerte.
Luo nutzte die Zeit bis zum Abend, um Lin über die letzten Jahre auszufragen. Sie erzählte von ihren Erfahrungen entlang des Jadebandes, und erkundigte sich ihrerseits nach den Erlebnissen der Abenteurer.

Am Abend wurde ein Treibanker ausgeworfen und die Segel gerefft. Luo nutzte das Abendessen, um sich ein wenig mit der Crew anzufreunden. Die Hai Lang hatte einen unerwarteten Begleiter bekommen: einen Flussdelphin, der das Schiff umspielte. Diese Tiere galten als dem Flußdelphingott Iruka heilig. Luo kaufte eigens einen Fisch vom Bordproviant um ihn dem Tier zuzuwerfen. Auffällig war, dass die Crew und besonders der Kapitän eher gleichgültig reagierten – ein etwas merkwürdiges Verhalten für gläubige Zhoujiangi. Des Nachts schlief die Crew auf dem Vorschiff oder unter Deck. Nur zwei Mann wachten, und auch die Abenteurer hielten paarweise Wache. Ganz schwach war so etwas wie eine Melodie über dem Wasser zu hören – vielleicht aus einem der treibenden Badehäuser des Maishi-Sees, vielleicht aus einer weniger harmlosen Quelle…

Am nächsten Tag fiel Hao auf, dass das Schiff den Kurs leicht nach Westen geändert hatte. So würde es nicht direkt Timog ansteuern, sondern das die Stadt umgebende Schilfmeer. Sie teilte das ihren Kameraden mit und Luo informierte Shu. Er merkte, dass der Händler weder erstaunt noch beunruhigt wirkte. Das legte nahe, dass an der Ladung wirklich etwas illegal war, und sie außer Sicht der Zöllner Timogs gelöscht werden sollte.
Gegen Mittag wurde in der Ferne ein Segel gesichtet. Wie sich herausstellte gehörte es zu einem flachgehenden, schlanken Ruderschiff. Der Flußdelphin war wieder da und umkreiste aufgeregt das Schiff, schlug einmal kräftig mit der Schwanzflosse und tauchte ab. Luo und Ren werten das als eine Warnung, doch zum Ausweichen wäre es ohnehin zu spät gewesen. Hong hisste einen schwarz-gelben Wimpel – vielleicht ein Schutzzeichen der Triaden? Aber dies war umsonst. Als die Hai Lang ein Ausweichmanöver versuchte, setzte man auf der anderen Seite ein schwarz-rotes Banner mit der Aufschrift „Sieg oder Tod“. Zweifellos handelte es sich um Piraten.

Das verfolgende Schiff holte schnell auf. Die Crew schien aus gut zwei Dutzend Menschen und Alben, sowie einigen Varge, Gnomen oder Zwergen zu bestehen. Die meisten führten Klingenwaffen, nur wenige hatten Schusswaffen. Die Kampfvorbereitungen auf der Seite der Verfolgten verliefen hektisch – Hao verletzte sich bei einem Sturz, Ren verpatzte zunächst die Beschwörung eines Feuerwesens. Doch schließlich schafften es alle, sich bereitzumachen. Hao segnete Luo und Ren beschwor einen Huodou, einen „Höllenhund“. Luo, der bei den Kampfvorbereitungen half und auch einige Pfeile absandte, entging nur knapp einem Treffer. Alle Bemühungen, das Piratenschiff abzuhängen, waren vergeblich. Schließlich flogen Enterhaken und eine Horde von tätowierten Kämpfern stürmte das Deck. Die Hautbilder legten nahe, dass sie zu den 13 Blättern gehörten, einer als Piraten bekannten Triade.
Die Abenteurer (außer der wenig nahkampfgeübten Ren) standen mit Shu und Lin in vorderster Front und schlugen sich gut, während die Crew mit Ausnahme des Kapitäns deutlich mehr Probleme hatte. Rens „Höllenhund“ hielt zwei Piraten beschäftigt und verletzte einen schwer. Luo und Lin schlugen je einen erfahrenen Gegner zurück und auch Hao wehrte gekonnt einen Piraten ab. Ohne Rens Wasser-Schutzzauber und die besonderen Fähigkeiten der Splitterträger wäre Luo aber mit Sicherheit schwer verwundet, wenn nicht gar getötet worden.
Als es kurz gelang, den Feind zurückzudrängen, brüllte Kapitän Hong einen Befehl – und plötzlich schien das feindliche Schiff Probleme zu bekommen: es erbebte im Wasser, die Enterhaken-Taue bis zum äußersten gespannt. Crew und Abenteurer kappten die Taue und konnten ihr Schiff freibekommen, zumal auch die feindlichen Ruderer Probleme zu haben schienen.
In der Crew der Hai Lang hatte es einen Toten und etliche Schwerverletzte gegeben. Hao und Ren stabilisierten zwei Todgeweihte. Natürlich waren die Abenteurer neugierig was ihnen die Flucht erlaubt hatte und fragten herum. Doch die Crew erwies sich als recht verschlossen und Kapitän Hong fuhr jedem über den Mund, der zu reden gewillt war. Offenbar glaubten die Matrosen aber fest an Hongs Glück. Ein Matrose murmelte etwas von „Iruka“, der Flussdelphin-Gottheit, bevor der Kapitän ihm barsch zu schweigen befahl.
Generell schien der Kapitän wenig glücklich zu sein. Am Abend stritt er sich heftig mit Shu. Luos Versuch, die beiden zu belauschen, missglückte. Diese Nacht stoppte der Segler nicht, sondern segelte weiter. Der Kapitän wanderte unruhig auf und ab und murmelte vor sich hin.

Die Stimmung am nächsten Morgen war angespannt. Hao war sich sicher, dass man weiter in Richtung Schilfmeer lief – und tatsächlich kam dieses gegen Mittag in Sicht: eine schier endlose Fläche aus Schilfrohr und brackigem Wasser, unterbrochen von Mangrovenhainen und kleinen Inseln.
Der Kapitän ließ erneut den schwarz-gelben Wimpel setzen, schien aber weiterhin nervös. Einige Stunden später näherten sich zwei ähnlich beflaggte Schiffe. Mit ihren  flachen Rümpfen, zahlreichen Riemen und gut bewaffneten Crew glichen sie beunruhigend den Piraten vom Vortag. Offenkundig hatte eine drahtige Fuchsvargin das Kommando. Eines der Schiffe ging längsseits. Die Vargin kam an Bord und nach einem kurzen Wortwechsel mit Hong und Shu wurde eine Teil von Shus Ladung übernommen: alles Kisten, die mit ungeraden Nummern beschriftet waren. Es wurde schnell klar, dass in ihnen unter dem Metallschrot Waffen verborgen worden waren: Schwerter, Speerspitzen, Pfeile, Bolzen, sogar Drachenrohre. Insgesamt reichte das Material, um mindestens 200 Kämpfer auszurüsten. Shu zahlte Hong und die Abenteuer großzügig aus und merkte an, man würde sich vielleicht noch einmal wiedersehen. Er warnte die Helden allerdings auch, über die Einzelheiten der Überfahrt zu schweigen und stieg auf eines der anderen Schiffe um. Er nahm den schwarz-gelben Wimpel mit sich.

Hao war erleichtert, dass es nicht zu einem Kampf mit Wachschiffen Timogs gekommen war. Sie vermutete, dass es bei den ‚Abnehmern‘ von Shus Waffen eher um Rebellen als um Schmuggler handelte. Die Abenteurer waren ein wenig nervös, ob sie Kapitän Hong trauen konnten, und blieben wachsam. Doch am Abend erreichten sie ohne weitere Vorfälle Timog, die „Schwebende Stadt aus Silber“.
Der Abschied von Crew und Schiff war kurz und wenig herzlich, und die Abenteurer machten sich auf, ein Quartier zu finden. Lin setzte sich ab, um sich nach Shu umzuhören. Auch wenn sie die Ereignisse philosophisch nahm, wollte sie mehr über den Hintergrund ihres Auftraggebers herausfinden.

Timog war zum Großteil auf dem Wasser errichtet worden. Viele Gebäude erhoben sich auf Plattformen und Stelzen über dem See. Überall fanden sich Kanäle und Wasserwege. Auch die Straßen verliefen oft über oder entlang des Wasser. Man nie weit vom See entfernt – und das ermöglichte es, dass den Abenteurern etwas im Wasser folgte: der Flußdelphin, der in den letzten Tagen wiederholt aufgetaucht war. Das Tier verhielt sich sehr eigenartig. Sobald er sah, dass er die Aufmerksamkeit der Helden hatte, tauchte er kurz unter, erschien wieder, schleuderte der Gruppe ein dünnes Stück Holz zu, dass er im Maul trug und verschwand dann. In das Holzstück hatte jemand eine Skizze der Docks gekratzt und eine Stelle markiert. Der eingravierte Sonnenstand konnte von Hao als Morgengrauen identifiziert werden.

Das Morgengrauen des Folgetages sah Luo als Rückendeckung in einem Versteck an den Docks, während Ren und Hao zum anvisierten Treffen gingen. Am Dock erwartete sie eine vermummte Gestalt in einem feuchten, zerschlissenen Umhang. Sie stellte sich als eine junge und hübsche Frau heraus – sehr wahrscheinlich kein Mensch, denn nicht nur ihre Augen, sondern auch ihre Haare waren blau. Das fließende Gewand unter dem Umhang wechselte beständig die Farbe, und ihre Schönheit wirkte seltsam fremdartig. Faszinierenderweise glich ihr Gesicht der Galionsfigur der Hai Lang. Sie zeigte Zeichen einer Schwangerschaft. Die Verständigung war schwierig, da sie kein Wort sprach. Ihre Gesten ermöglichten den Abenteurer jedoch zu schlussfolgern, dass sie an Kapitän Hong gebunden war, vermutlich mit dem Amulett, dass dieser trug und das wohl eine Haarlocke von ihr enthielt. Sie bat offenbar darum, von  dieser Fessel befreit zu werden. Ganz offenkundig WAR sie der „Flussdelphin“, vielleicht eine Gestaltwandlerin, eine Nymphe oder etwas Vergleichbares.
Angesichts der Verbindung der Flußdelphine mit dem Tiergott Iruka und dem bisherigen Verhalten des Kapitäns hatten die Abenteurer kaum Bedenken, ihr zu helfen. Hao achtete jedoch darauf, kein Versprechen zu machen (um sich nicht an ein Feenwesen zu binden). Deshalb nahmen sie auch nicht die leuchtende Perle an, die die junge Frau anbot. Die Fremde verdeutlichte, dass die Hai Lang noch etwa fünf Tage im Hafen bleiben würde. Das erschien logisch, denn das Schiff war beim Piratenangriff beschädigt worden, musste den Rest der Ladung loswerden und neue finden. Es blieb also etwas Zeit. Der Kapitän war vermutlich selten an Bord: er betrank sich und trieb andere Dinge, die die Fremde mit einer obszönen Geste andeutete.

Der Tag brachte wenig Ergebnisse. Hao beschattete die Hai Lang. Vom Kapitän war nichts zu sehen. Offenbar war er in der Stadt unterwegs. Die Ausbesserungsarbeiten liefen schleppend und die Crew war alles andere als eifrig. Luo zog bei seinen Nachforschungen in den schlechteren Vierteln die Aufmerksamkeit von zwei Schlägern der Roten Karpfen auf sich, konnte diese aber abschütteln. Ren erledigte andere Aufgaben: sie informierte die örtlichen Tempel des Kranichs und des Flußdelphins von den Ereignissen in Tsusaka. Dies brachte ihr einiges Lob, wobei freilich der Verbleib des Feen-Spiegels in der Hand der Momoku für wenig Freude sorgte. Sie leitete zudem diverse Nachrichten von Exilanten aus Miari an deren hiesige Familien weiter, wie sie es versprochen hatte, und ebenso Nachrichten an ihre kaiserlichen Verbündeten.
Etwas anderes, das sie erfuhr, verärgerte sie freilich sehr: Offenbar waren die Waffen, welche die Hai Lang geschmuggelt hatte, für die Anhänger von General Wu gedacht gewesen. Seine Farben waren Schwarz und Gelb (wie auf den Wimpeln, die Shu und seine Kunden genutzt hatten), und angeblich operierten mehrere seiner Kaperschiffe in der Kranichprovinz unter einer Fuchsvargin, die man die „Wasserdrachin“ nannte. Da die Bekämpfung General Wus eines der Hauptziele Rens war, fühlte sie sich von dem Gedanken, ihm geholfen zu haben, gedemütigt. Hao hatte mit ihren ursprünglichen Bedenken Recht gehabt, und Ren hatte sich von Luo leichtfertig überreden lassen, der seinerseits durch den Wunsch geblendet gewesen war, mehr Zeit mit Lin zu verbringen. Die Magierin nahm sich vor, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um den angerichteten Schaden wieder gut zu machen. In der nächsten Zeit war ihr Verhältnis zu Luo und Lin etwas angespannt…

Am nächsten Tag übernahm Ren die Überwachung der Hai Lang, bei der sich freilich wiederum nicht viel tat. Luo setzte seine Nachforschungen fort. Er konnte mit etwas Geldeinsatz den Kapitän aufspüren, der sich in einem Badehaus, das nebenher als Bordell diente, amüsierte. Die Abenteurer besuchten das Haus und Hao beschaffte ihnen durch Bestechung Zugang zu Hongs Kleiderschrank – doch leider hatte er das Amulett nicht abgelegt. Luo stahl das wertvolle Dao des Kapitäns – nicht nur aus Habgier, sondern weil er sich die Option offenhalten wollte, den Kapitän beim Verlassen des Etablissements anzugreifen und ihm das Amulett gewaltsam abzunehmen.
Tatsächlich verließ Hong einige Zeit später (und nach einiger Schreierei) sichtlich wütend das Badehaus. Obwohl er nur von einem Matrosen begleitet wurde, plädierte Hao gegen einen direkten Angriff. Es war noch nicht dunkel und nicht auszuschließen, dass bei einer Auseinandersetzung die Stadtwache oder andere Augenzeugen eingreifen würden. So folgte Luo ihrem Ziel geschickt bis zum Schiff, wo Hong seine schlechte Laune an den anwesenden Crewmitgliedern abreagierte. Auf Luos Vorschlag hin warteten die Abenteurer bis in die tiefe Nacht. Während Hao und Ren unter einem Vorwand die beiden Wachen in ein Gespräch verwickelten, schwamm die Schattenklinge durch das nächtliche Hafenbecken, klettere an Bord und schlich in Hongs Kajüte. Es gelang ihm tatsächlich, unbemerkt das Amulett zu stehlen und zu verschwinden.

Am nächsten Morgen übergaben die drei das Amulett mit der Haarsträhne an die blauhaarige Frau. Befreit von dem Bann, der ihr verboten hatte, ohne Erlaubnis von Hong mit anderen zu sprechen, konnte sie sich ihnen nun vorstellen. Ihr Name war Aonami in Kintial, Hai Lang in Xienyan (was beides „Welle“ bedeutete). Sie hatte ihre Haarlocke an einen hilfsbereiten Seemann verschenkt. Doch dieser von Hong ermordet worden, der das Haar zu einer Fessel für die Nymphe gemacht hatte. Aonami sprach nicht viel über ihre Knechtschaft, aber Ren fürchtete, dass Aonamis ungeborenes Kind von ihrem zeitweiligen Sklavenhalter war. Es war klar, dass sie nun auf Rache sinnen würde. Die Nymphe dankte den Helden, die getreu ihrem Wort das machtvolle Bindeamulett aus der Hand gegeben hatten und belohnte sie großzügig mit fünf blauen und zwei blaugrün leuchtenden Perlen. Zudem versprach sie, den Abenteurern wenn möglich zu helfen, sollten sie einmal Beistand benötigen. Die drei wünschten ihr Glück, und sahen ihr nach, als sie im See verschwand.

Was aus Kapitän Hong und der Hai Lang (dem Schiff) wurde, erfuhren sie jedoch nicht, denn einige Tage später war das Schiff ausgelaufen, und Luos Nachforschungen nach Hong brachten ihm nur ein Verhör bei der Stadtgarde ein, da angeblich ein anderer Kapitän Hong als Pirat verhaftet worden war. Die Schattenklinge konnte sich aus der unangenehmen Lage herausreden. Doch wie Ren sagte, an Stelle Hongs würde sie die nächsten Jahrzehnte vom Wasser fern bleiben. Ob der Seemann freilich so weise war, blieb zu bezweifeln.
Hao erhielt eine der grünblauen und eine blaue Perle, die anderen gingen an Luo und Ren. Luo fasste eine blaue Perle in einen Ring. Die zweite ließ er ebenfalls in einen Ring einarbeiten und schenkte sie Lin. Diese nahm das Geschenk an, schien aber etwas unsicher, da das Verhältnis zwischen ihr und Luo ungeklärt geblieben war – immerhin war es ein recht wertvolles Schmuckstück, und Luo hatte die Inschrift „Ein Licht in den Schatten von einem Freund in den Schatten“ im Ring bewusst vieldeutig abfassen lassen, was die Art der Freundschaft anging.
« Letzte Änderung: 3.02.2024 | 10:16 von Takur »

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #18 am: 10.02.2024 | 09:46 »
Ein Friedensangebot
Tsusaka und Südufer des Maishi-Sees (Akira und Takur)

Während Ren, Luo und Hao ihre etwas dubiose Überfahrt nach Timog vorbereiteten, war Akira anderweitig gebunden: sein Appell, die aktuellen Differenzen zwischen Klan Momoku und Klan Ranku beizulegen, war bei dem Fürsten von Tsusaka nicht auf taube Ohren gestoßen. Akira durfte den Momoku-Fürsten bei einem Ausritt begleiten, bei dem der Fürst ihn eingehend befragte. Akira bewältigte dies gut, obwohl er sich ein Pferd leihen musste und sehr begrenzte Reitfähigkeiten besaß.
An den Ausritt schloss sich eine Audienz an. Zu Akiras Überraschung war nicht nur Haruko Nakama, eine Repräsentantin des Klan Suguri anwesend, sondern auch ein Verwandter Akarias: sein Onkel Takeda Arashi, der wegen seiner flexiblen Moral einen eher zwiespältigen Ruf hatte. Dass er nun im Dienst von Haus Momoku stand – Rivalen von Klan Ranku, dem die Takedas zugeschworen waren – nahm Akira nicht für seinen Onkel ein.

Die Audienz verlief in einer angespannten Atmosphäre, da Arashi und Nakama immer wieder aneinandergerieten. Akira schlug sich auf die Seite der Suguri-Repräsentantin. Er kannte die junge Kriegerin erst seit kurzem. Aber sie hatte den Helden geholfen, war eine fähige Schwertkämpferin und recht hübsch, weshalb Akira nicht ganz unvoreingenommen war.
Letztlich hörte der Fürst von Tsusaka auf Akiras und Nakamas Argumente, die die momentanen Spannungen der Momoku mit den Ranku und Suguri abschwächen wollten. Als Teil der Friedensdiplomatie sollte eine Botschaft, die neben Geschenken auch den magisch konservierten Kopf des kürzlich getöteten Piratenkapitäns Jang Bienhe umfasste, an Suguri Aya gehen, Herrin einer 50 Meilen westlich von Tsusaka am Ufer des Maishi-Sees gelegenen Burg. Da sie eine halbe Momoku war, sollten über sie Vermittlungen zwischen den Klans initiiert werden. Zudem hatten Verhöre ergeben, dass das Versteck der aufgeriebenen Piratenbande Jang Bienhes auf ihrem Territorium lag. Ein gemeinsames Vorgehen gegen die verbliebenen Piraten würde sich vertrauensbildend auswirken – jedenfalls eher als ein unangekündigter grenzüberschreitender Alleingang der Momoku.

Die Gesandtschaft bestand aus Akira, seinem Onkel Arashi sowie Haruka Nakama, wobei die Atmosphäre zwischen ihr und Arashi angespannt blieb. Akira tat sein Bestes, die Lage zu beruhigen. Er fragte sich allerdings insgeheim, warum ausgerechnet er den „Erwachsenen“ spielen musste. Auch Takur war mit von der Partie, hielt sich aber leicht amüsiert aus den Streitigkeiten heraus. Arashi verhielt sich seinem Neffen gegenüber freundlich, doch dieser traute ihm nicht. Er vermutete, dass sein Onkel eigennützige Motive verfolgte.
Abgesehen von den verbalen Geplänkeln zwischen Arashi und Nakama verlief die eintägige Seereise zu der Suguri-Burg ereignislos. Die Festung erhob sich mitten in dem das Ufer des Maishi-See bedeckenden Schilfgürtel und wirkte sehr wehrhaft.

Die mit 15 Jahren noch sehr junge Suguri Aya empfing die Gesandtschaft an der Seite ihres Onkel Haruki, der offenbar großen Einfluss auf die Entscheidungen der Burgherrin hatte. Er begegnete der Friedensbotschaft des Fürsten von Tsusaka mit einer gewissen Skepsis. Dennoch konnten Nakama und Akira mit ihren Argumenten für eine friedliche Kooperation zwischen den Klans punkten. Dass sich Akira bei der Diskussion teilweise gegen seinen Onkel positionierte, verbesserte das Verhältnis zwischen den beiden nicht. Das Angebot, gemeinsam mit Tsusaka gegen die Reste der Piratenbande vorzugehen, verwarf Suguri Haruki als zu langwierig. Stattdessen würden die Suguri-Truppen sofort losschlagen. Die Gesandten erklärten sich bereit, an der Aktion teilzunehmen – als Zeichen des guten Willens, aber auch aus Abenteuerlust. Takur, der bisher im Schatten seiner „höher geborenen“ Weggefährten gestanden hatte, erhielt zu seiner Belustigung eine zusätzliche Audienz bei Suguri Aya. Die junge Adlige wollte mehr über ihren exotischen Gast und seine Heimat erfahren. Der Jaguarkrieger erzählte bereitwillig über die Gebräuche seines fernen Heimatlandes, auch wenn ihn das insgeheim mit etwas Heimweh erfüllte.

Die Planung für das Ausheben des Piratenstützpunktes waren rasch abgeschlossen: während die Hauptstreitkräfte das auf einer Doppelinsel gelegenen Versteck direkt angreifen würden, sollte Akira mit einer Drachenrohr-Schützeneinheit den Fluchtweg ins Schilfmeer abschneiden. Da die Einheit aus Rattlingen bestand, war Akiras Onkel nicht daran interessiert, den Befehl zu übernehmen. Er werte das angebotene Kommando – vermutlich zu Recht – als einen wenig subtilen „Scherz“ der Suguri. Akira stimmte ihm insgeheim zu, wollte aber das Angebot nicht ablehnen und das Beste aus der Sache machen. Takur hingegen entschloss sich, wie Arashi lieber beim Sturmangriff auf den Piratenstützpunkt teilzunehmen. Er wollte einen richtigen Kampf. Akira blieb wenig Zeit, sich mit seinen Untergebenen vertraut zu machen. Doch diese wussten es anscheinend zu schätzen, dass er sie nicht so sehr von Oben herab behandelte.

Der Hauptstreitmacht gelang es nicht, die Piraten zu überraschen. Doch da verbliebenen Piraten zahlenmäßig unterlegen, von ihrer jüngsten Niederlage demoralisiert und schlecht organisiert waren, flackerte nur punktueller Widerstand auf – zumal Takur den Elementarmagier der Piraten mit einem Wurfspeer verwunden konnte. Beim Stürmen der Siedlung geriet der Jaguarkrieger mit einem Unteranführer der Piraten aneinander, den er nach kurzem, blutigem Zweikampf tötete. Kurz darauf brach der Widerstand zusammen. Ein Gutteil der flüchtenden Piraten und Zivilisten wurden von Akiras Einheit gestellt und gefangengenommen. Der von Takurs Wurfspeer verwundete Magier wurde sofort hingerichtet. Akira bot an, diese Aufgabe zu übernehmen und erfüllte sie mit großer Präzision. Die übrigen Piraten wurden gebunden mitgenommen. Die Einwohner des kleinen Dorfes, das die Piraten als Unterschlupf genutzt hatten, blieben unbehelligt. Allerdings mussten sie einige Kinder als Geiseln stellen, da sie in den Augen der Suguri etwas zu bereitwillig mit den Kriminellen kooperiert hatten. Die Beute bestand aus einigen Waffen und aus Waren der geplünderten Schiffe. Zudem fand sich im Haus des getöteten Piratenkapitäns eine kleine Kiste mit Münzen.

Die Gesandtschaft blieb noch einige Tage auf der Burg, auch weil Takur seine Wunden auskurieren musste, was Suguri Aya nutzte, um ihn weiter über den Jaguardschungel auszufragen. Als kleinen Dank erhielt er eine Halskette mit einer leuchtenden Perle. Die Suguri-Adlige sagte zu, die Friedensofferte des Momoku-Fürsten zu unterstützen und schickte einen Teil der Piratenbeute nach Tsusaka. Mit dieser kehrte die Gesandtschaft nach Tsusaka zurück, wo sie Vollzug meldete. Der Fürst schien mit dem Ergebnis zufrieden. Takur erhielt etwas Silber und Takur ein gut geschmiedetes Tanto aus der Waffenkammer der Burg.
Akira bandelte derweil mit Nakama an, auch wenn die beiden die Sache recht locker hielten, da sie beide wussten, dass die gemeinsame Zeit begrenzt sein würde.
Tatsächlich wandte sich Nakama schon wenige Tage später mit einem Auftrag an Akira: Aus der Hauptstadt Kintais war die Nachricht eingetroffen, dass die Gottkaiserin einen ihr als Weihegeschenk bestimmten Wurfspeer gen Zhoujiang geschleudert hatte. Niemand wusste den Grund oder was dies für die Beziehungen zu Zhoujiang bedeuten mochte. Manche meinten, es wäre eine Warnung für den Molchkönig des Maishi-Sees gewesen, dessen Spiegel es dem Piraten Jian Bienhe ja kürzlich ermöglicht hatte, die Küste Tsusakas zu terrorisieren. Klan Suguri wollte den Speer jedenfalls unbedingt finden. Offenbar hatte es sich bei dem seltsamen Objekt, das wenige Wochen zuvor über den Himmel von Tsusaka geflogen war, um fraglichen Wurfspeer gehandelt. Vermutlich war das Weihegeschenk in der Gegend um Timog gelandet. So schnell wie möglich suchte sich Akira ein Schiff und brach mit Takur auf.

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #19 am: 17.02.2024 | 10:41 »
Mondstahlsuche (Spoiler für das Abenteuer Mondstahlsuche!)
Timog und Maishi-See (Akira, Takur, Hao)

Ren, Luo und Hao nutzten ihre Zeit in Timog unter anderem, um ihre Kontakte zu in der Stadt lebenden Bekannten und Verwandten zu erneuern. Hao musste freilich feststellen, dass manche ihrer Bekannten sich aus unbekannten Gründen zurückhaltend verhielten, was die junge Unggoy-Priesterin verunsicherte. Allerdings blieb nicht viel Zeit zum Grübeln, da sie sich aufopferungsvoll in die Arbeit des lokalen Unggoy-Tempels einbrachte, der unter anderem in der Gesundheitsfürsorge tätig war und ein Lazarett für Kranke und Verletzte unterhielt. Aufgrund der zahlreichen Kriegsflüchtlinge gab es genug zu tun. Zudem hatte in letzter Zeit die Zahl der geistig verwirrten Einwohner zugenommen. Timog hatte schon immer den Ruf einer „Stadt der verwehten Seelen“ gehabt. Legenden machten dafür einen unter der auf Pfählen errichteten Stadt liegenden Schrein von Yuzui „der in die Seelen kriecht“ verantwortlich. Hatte vielleicht die durch die Aktivitäten des Piraten Jiang Biehe verursachte zeitweilige Zunahme des Nebels etwas mit dieser Entwicklung zu tun?

Ansonsten erschien Timog geschäftig wie früher – umso mehr, da der Handel mit Tsusaka wieder florierte. Luo ließ es sich nicht nehmen, die Verdienste der Abenteurer bei der Bezwingung Biehes herauszustreichen, der mehrere Monate lang den Seeweg nach Tsusaka blockiert hatte.
Es fiel auf, dass die Militärpräsenz in Timog deutlich zugenommen hatte. Man munkelte von einer drohenden Offensive der Truppen von General Wu gegen die Flussdelphin- und die Kranich-Provinz. Neben fürstlichen Truppen waren in Timog zahlreiche Triaden-Söldner wie die „Tigeraugen“ und die „Feuerhornissen“ anzutreffen. Die Söldner waren weder bei den Einwohnern noch bei den fürstlichen Soldaten beliebt. Weniger umstritten war der Besuch eines der kampfstarken und mit mehreren Kanonen bestückten „Eintausend-Li-Schiffs“, einer durch zahlreiche Schaufelräder getriebene gepanzerte Kriegsmaschine aus der benachbarten Flussdelphinprovinz. Das Motiv dieses Besuchs war allerdings unbekannt, da sich die Flussdelphinprovinz im Bürgerkrieg bisher strikt neutral verhalten hatte. 

In diese angespannte Lage fiel die Ankunft Akiras und Takurs. Zunächst einmal überbrachte Akira seinen Gefährten Briefe vom Fürstenhof von Tsusaka. In erstaunlich formlosen Ton dankte der Fürst Ren und Luo noch einmal für ihre Rolle bei der Bezwingung des Piraten Jiang Biehe und kam zudem auf die Wünsche zu sprechen, die die Helden ihm gegenüber geäußert hatten:
Ren, die die Hoffnung geäußert hatte, dass der Fürst bezüglich des Bürgerkrieges in Zhoujiang eher Prinzessin Yi statt General Wu oder die Triaden befürworten würde, erhielt die Antwort, dass ihre Worte im Gedächtnis bleiben würden, insbesondere falls die Prinzessin sich selbst an den Fürsten wenden sollte. Allerdings müsse Tsusaka immer zuerst den Willen der Göttlichen Myuriko und den Schutz seiner Einwohner bedenken. Und dies würde manchmal dazu zwingen, einen schwierigen Weg einzuschlagen. Neben diesem nicht sehr ermutigenden Bescheid erhielt Ren ein Empfehlungsschreiben, welches Beamte und Gesandte Kintais bat, der Besitzerin mit Wohlwollen zu begegnen.
Luo, der eine Weissagung seiner Zukunft durch den für Prophezeiungen berühmten Tempel Tsusakas erbeten hatte, erhielt tatsächlich eine Prophezeiung zugesandt. Ihr Inhalt war freilich kryptisch: Die Mönche warnten vor dem Blutvergießen und der Zwietracht, die Luos Heimat bedrohe und in der er und seine Gefährten leicht zwischen die Linien geraten könnten. Gesichter und Namen würden täuschen und hinter einer Maske könne sich Freund und Feind verbergen. Tödlich sei der Kampf der drei Tiergeister. Doch es gäbe andere Mächte, die sich noch nicht in den Krieg eingemischt hätten. Wenn dies geschehe…
Sicherlich meinten sie damit den in Zhoujiang tobenden Bürgerkrieg.
Persönlicher war der zweite Teil der Botschaft, der Luo warnte, dass er einen blutigen Schatz suche. Luo solle sich vor dem Blute Shi Yaos (was „Basilisk“ oder „Schlangendämon“ bedeutete) hüten. Die Spur, der er folge, könne Dinge enthüllen, die besser verborgen bleiben sollten…
Luo bezog die letzten Worte auf seine Nachforschungen zu der Herkunft seines Schwertes „Vipernzahn“. Er ließ sich jedoch nicht entmutigen.
Der an Hao gerichtete Brief war weniger kryptisch. Der Fürst äußerte noch einmal ein Kompliment für Haos rhetorische Fähigkeiten, die er hatte erleben können und schickte ihr ein Buch mit Kintari-Geschichten über den Affenkönig. Hao erkannte schnell, dass in den Sagen das Wirken dieses größten Heiligen der Kirche Unggoys letztendlich immer den Interessen der göttlichen Myurikos entgegenkam. Sie interpretierte das Geschenk als eine Anspielung, war aber nicht beleidigt.

Da Luo und Ren momentan durch ihre eigenen Belange und Nachforschungen abgelenkt waren, besprach Akira erst einmal nur mit Hao den heiklen Auftrag, den er bei seiner Abreise aus Tsusaka erhalten hatte: Er sollte nach dem magischen Wurfspeer Myurikos suchen, der angeblich bei Timog eingeschlagen war.
Die gnomische Affenpriesterin war von der Geschichte von dem Artefakt fasziniert, welches die Göttin gen Zhoujiang geschleudert hatte. Sie äußerte den Wunsch, die Waffe genauer in Augenschein zu nehmen, warnte allerdings auch vor möglichen politischen Komplikationen. Ein solch mächtiges Artefakt könnte das Interesse verschiedener Machtgruppen wecken. Alleine die Tatsache, dass die Gottkaiserin eine Waffe gen Zhoujiang geschleudert hatte, könne sich zu einer politischen Krise entwickeln. Auf was (oder wen?) mochte sie gezielt haben? Akira stimmte Hao zu und spekulierte halb im Spaß, ob die Gottkaiserin vielleicht beschlossen hätte, dass die Grenzen Kintais nach fast 500 Jahren Stagnation einer Erweiterung bedürften. Die Affenpriesterin fand diese Idee wenig amüsant.
Aufgrund der politisch heiklen Natur der Mission und da Akira sich unsicher war, ob die in den Bürgerkrieg in Zhoujiang involvierte Ren nicht eigene Pläne für ein derart mächtiges Artefakt haben könnte, beschloss er, erst einmal auf Hilfe durch Ren und Luo zu verzichten. Der junge Samurai hatte deswegen ein schlechtes Gewissen, aber letzten Endes sah er seine Loyalität nun einmal in erster Linie bei seiner Heimat…

Um Unterstützung zu finden, suchten Hao, Akira und Takur die in Timog gelegene Kintari-Gesandtschaft auf. Sie wurden umgehend von Botschafterin Suguri Hanako und ihrem Ehemann Suguri Kenji empfangen. Offenbar kursierten in Timog bereits Gerüchte über den Speer, obwohl die Botschaft anfangs davon ausgegangen war, dass der Wurfspeer in den Wellen des Maishi-Sees verschwunden sei.
Während Fürstin Liu Luli offiziell den Vorfall ignorierte, hatten sich offenbar schon verschiedene Personen für den Speer zu interessieren begonnen. Namentlich erwähnte die Botschafterin einen Kintari-Samurai namens Rokaku Jun. Dieser stellte auf eigene Faust Nachforschungen an und hatte angeblich kürzlich einen zu redseligen Untergebenen getötet. Die Botschafterin traute dem Mann nicht, der offenbar eigene Ziele verfolgte.
Hanako betonte, dass der Speer unbedingt gefunden werden müsse. Wenn eine der Bürgerkriegsparteien ihn in die Hände bekäme, könne diese ihn als politisches Druckmittel einsetzen oder gar verkaufen, was Kintai und den göttlichen Kranich brüskieren oder eine diplomatische Krise heraufbeschwören würde. Schnelligkeit sei bei der Suche ebenso wichtig wie Diskretion.
Die Helden überlegten, wie sie potentielle Konkurrenten auf eine falsche Fährte locken könnten. Akira schlug vor, das Gerücht zu verbreiten, dass der Speer bereits von der Botschaft gefunden worden sei. Das würde andere Interessenten vielleicht bei ihrer Suche entmutigen. Dies lehnte der Ehemann der Botschafterin allerdings ab, da ein solches Gerücht seine schwangere Frau zu einem Ziel machen könnte.
Weniger riskant erschien es, das Gerücht zu verbreiten, der Speer sei im Schilfmeer heruntergekommen – einem unübersichtlichen Wirrwarr aus Schilf, kleinen Inseln, Schlamm und flachen Wasserarmen nahe Timog. Um das plausibler zu machen, sollte die Botschaft eine „Suchexpedition“ ins Schilfmeer schicken. Hoffentlich würde dies potentielle Konkurrenten ablenken, während die Helden unauffällig weitere Nachforschungen nach dem Wurfspeer anstellten. Man vereinbarte, dass Suguri Kenji und Akira über einen örtlichen Myuriko-Tempel unauffällig Kontakt halten sollten.

Während Akira sich in den „besseren“ Kreisen umhörte, recherchierte Hao bei der einfachen Bevölkerung nach Gerüchten, die auf den Speer und Zeugen seines Einschlages hindeuteten. Zwar wurde schnell deutlich, dass den Helden das Kontaktnetzwerk ihres Gefährten Luo fehlte, doch letztlich wurde Hao fündig. Angeblich hatte eine Fischerin etwas über ein merkwürdiges Objekt oder Wesen erzählt, das auf einer Insel niedergegangen sei.
Weitere Nachforschungen zu dieser Spur brachten den Helden den Namen und die Beschreibung der Fischerin: Hong Ni gehörte zu den Fischvargen, einer am Maishi-See lebenden Unterart der Varge, die bekannt für ihre Schwimmkünste und ihre Kenntnisse der Ufer- und Sumpflandschaften war. Die Suche nach Hong Ni wurde verzögert, als die Helden auf eine jener Unglücklichen stießen, denen Yuzui „der in die Seelen kriecht“ den Verstand geraubt hatte. Auch wenn gerade Takur und Akira von der Begegnung verunsichert waren (Hao hatte bereits Erfahrungen mit diesen Unglücklichen gesammelt), sorgten die Helden dafür, dass die Kranke zu einem Heiler geschafft wurde. Ob man der Zwergin allerdings würde helfen können…

Endlich war die Suche nach Hong Ni erfolgreich. Die fuchsartige Vargin, die wie viele Fisch-Varge Schwimmhäute zwischen Fingern und Zehen aufwies, gab – widerwillig – Auskunft. Sie hatte in der Tat beim Fischen „Etwas“ auf einer Insel niedergehen sehen, was ihr einen ziemlichen Schrecken eingejagt hatte. Da auf der Insel zudem Harpyien hausten, hatte sie von einer Untersuchung abgesehen. Akira schlug Hong Ni vor, die Helden gegen Bezahlung zu der Insel zu fahren (auch um die Vargin so anderen Suchenden zu entziehen).

Dass Akiras Befürchtungen nicht unbegründet waren, zeigte sich, als Takur, der während der Verhandlung außerhalb der Fischerhütte Wache hielt, Alarm gab: Es näherten sich drei Bewaffnete, darunter ein hochgewachsener, muskulöser Schwertalb mit einer zweihändigen Klinge. Offenbar war Rokaku Jun ebenfalls auf die Spur Hon Nis gestoßen.
Es kam zu einer Konfrontation, die in ein Blutvergießen zu eskalieren drohte. Akira war nicht bereit, Jun den Weg frei geben und ihm Hong Ni zu überlassen und Jun wollte auf keinen Fall zurückzustecken.
Rokaku Jun versuchte, die Helden einzuschüchtern, indem er darauf verwies, im Auftrag des mächtigen Daimyo Gankoda Saburo zu handeln. Dieser Fürst gehörte zwar nicht zu einem der großen Kintari-Klans (Zakur, Uome, Suguri, Ranku, Momoku), stellte aber einen wichtigen Machtfaktor an der nordöstlichen Grenze Kintais dar. Er kontrollierte weite und fruchtbare Ländereien in der Nähe von Atasato und gebot über eine große Zahl von Soldaten und Vasallen. Der stolze und willensstarke Fürst war sehr auf seine Unabhängigkeit im Machtspiel der großen Klans bedacht, auch wenn ihm niemand mangelnde Loyalität gegenüber der Gottkaiserin nachsagen konnte. Gerüchten zufolge war er ein entschiedener Expansionist und würde Palitan und das nördliche Umland gerne als Teil des Kranichreiches sehen. Er sah in Myurikos Wurfspeer wohl ein Werkzeug, um Spannungen mit Zhoujiang zu schüren und einen Vorwand für eine militärische Intervention zu schaffen. Angesichts dessen wollte Hao auf keinen Fall, dass die Waffe in die Hände Rokakus geriet. Ihr Heimatland hatte schon genug zu leiden. Ein Krieg mit Kintai…
Akira war zwiegespalten. Eigentlich befürwortete er eine offensivere Außenpolitik Kintais (wenn auch nicht unbedingt gen Zhoujiang). Er konnte die Argumente Rokaku Juns nachvollziehen, der die Bequemlichkeit und Stagnation Kintais kritisierte. Doch da Akira geschworen hatte, den Speer Klan Suguri zu übergeben und weil er Hao nicht in den Rücken fallen wollte, hatte er keine Wahl, als Jun weiter den Weg zu verwehren.
Zu Haos (und seiner eigenen) großen Überraschung konnte Akira Rokaku Jun durch seine geschickte Argumentation dazu bewegen, erst einmal zurückzustecken. Vermutlich schätzte Jun seine Chancen in einem Kampf gegen die drei Helden als ungewiss ein. Außerdem befürchtete er wohl, dass ein Gefecht zu viel Aufsehen erregen würde und wollte nicht, dass andere Parteien bei der Jagd auf den Speer erfolgreich waren, weil Jun und die Abenteurer sich gegenseitig ausschalteten. Im Zweifelsfall bevorzugte er es wohl, dass der Speer durch Akira wieder in Kintari-Hände überging, statt dass er in die Hände einer der Bürgerkriegsparteien Zhoujiangs geriet. Grollend entfernte sich der Samurai deshalb mit der Warnung, dass sich die Helden Feinde gemacht hätten.

Nach dieser spannungsgeladenen Begegnung hatten die Helden Mühe, Hong Ni zu beruhigen (die tatsächlich versuchte, sich schwimmend davonzustehlen). Sie verfluchte den Tag, an dem sie den Speer hatte niedergehen sehen. Die Helden brachten sie in einem sicheren Quartier unter und planten, so schnell wie möglich Hong Nis Geschichte von dem auf der Insel eingeschlagenen Objekt zu überprüfen.
Hao und Akira nutzen den Abend, um an dem Aschefest teilzunehmen, das an die Selbstverbrennung des Phönixgottes Hüengs erinnerte. Das Fest war eindrucksvoll, wenn auch eher besinnlich als ausgelassen und partiell überschattet durch die politischen Fronten des Bürgerkriegs. Immerhin war Hüeng der Schutzpatron des Kaiserhauses.
Takur leistete währenddessen Hog Ni Gesellschaft, der nach dem Zusammenstoß mit Rokaku Jun der Sinn nach Festlichkeiten vergangen war. Takur fand die Vargin attraktiv und wollte sie zudem vor dem möglichen Zugriff anderer Parteien schützen – allerdings auch dem Risiko vorbeugen, dass sie kalte Füße bekam und sich absetzte. Hong Ni fand den rauen Humor des Jaguarkriegers gewöhnungsbedürftig, aber die beiden kamen gut miteinander zurecht.

Um etwaigen Konkurrenten keine Gelegenheit zum Aufholen zu geben, wollten die Helden schon am nächsten Tag aufbrechen. Sie besorgten sich Verpflegung sowie zwei Schleudern (als zusätzliche Vorkehrung gegen die angeblich auf der Insel nistenden Harpyien), hinterließen der Kintari-Botschaft eine Nachricht über ihr weiteres Vorgehen und stachen in See. Der kleine Fischerkahn Hong Nis war mit vier Personen schon sehr gut gefüllt. Die Helden unterstützten die Fischvargin nach Kräften und obwohl keiner von ihnen viel Ahnung von Seefahrt hatte, kamen sie gut voran. Die Fahrt verlief ereignislos, nur einmal wäre das Boot beinahe auf einen im Schlamm versunkenen Baumstamm aufgelaufen.
Gegen späten Nachmittag kam die mangrovenbestandene Insel in Sicht, auf der laut Hong Ni der Wurfspeer Myurikos (oder zumindest „Etwas“) heruntergekommen war. Im Schutze einer kleinen Nachbarinsel spähten die Helden ihr Ziel aus. Schnell erkannten sie, dass Hong Ni bezüglich der Harpyien recht gehabt hatte: mehrere dieser Wesen kreisten in der Luft. Die Helden beschlossen, in der Nacht einen Vorstoß zu wagen, wenn die Ungeheuer hoffentlich schliefen. Bei der Beobachtung fiel außerdem auf, dass die Harpyien immer wieder um einen alten Baum kreisten, dessen Standort sich laut Hong Ni ungefähr mit dem Einschlagort des von ihr beobachteten Objektes deckte.

Im Schutze der Dunkelheit brachte Hong Ni das Boot nahe genug an das Ufer heran, sodass die Helden an Land waten konnten. So leise wie möglich schlichen sie in Richtung des alten Baums, wo sie den Wurfspeer vermuteten. Tatsächlich ließ ein von dem Baum ausgehendes schwaches Leuchten und eine seltsame…Aura in der Luft vermuten, dass das Ziel der Suche in greifbarer Nähe war. Um die Harpyien nicht aufzuschrecken, blieben Hao und Akira zurück, während Takur die letzte Strecke alleine zurücklegte. Jetzt machte sich bezahlt, dass der Jaguarkrieger durch die harte Lebensschule seiner fernen Dschungelheimat gegangen war: fast unsichtbar und beinahe lautlos pirschte er sich an den Baum heran.
Die Helden hatten richtig vermutet: der Wurfspeer Myurikos hatte den Stamm praktisch gespalten und steckte tief im Holz. Die Waffe war von beeindruckender Eleganz und ein silbriges Leuchten ging von ihrer Spitze aus. Vorsichtig lockerte Takur die Waffe und tatsächlich konnte er sie unbemerkt aus dem Holz lösen und sich davonschleichen, ohne dass eine der schlafenden Harpyien erwachte. So leise wie möglich kehrten die Helden zum Ufer der Insel zurück, wo Hong Ni mit dem Boot auf sie wartete.

Obwohl alle übermüdet waren, war an Rast nicht zu denken. Wenn die Harpyien erwachten, würden sie das Verschwinden des Speers bemerken. Die Helden wollten nicht direkt nach Timog zurückfahren, um eventuell sie verfolgende Harpyien – oder in Timog wartende Konkurrenten – zu verwirren und hielten sich bei ihrer Rückfahrt so gut wie möglich im Schutz kleiner Eilande und Inseln.
Tatsächlich hatten sie Glück: auch wenn sie einige Harpyien sichteten, wurde das Boot offenbar nicht bemerkt. Im Schutz einer größeren Insel hatten die Helden dann endlich die Muße, die Weihegabe an Myuriko genauer in Augenschein zu nehmen. Die Spitze der Waffe bestand aus Mondsteinstahl und war wie der kunstvoll gedrechselte Schaft mit anmutig-filigranen Kranich-Gravuren überzogen. Alleine die Waffe auch nur zu berühren, flößte ein Gefühl der Ehrfurcht ein. Wie Takur etwas zweideutig bemerkte, war die Waffe zweifellos einer Göttin würdig (er meinte damit die „lebende Göttin“ seiner Heimatstadt Huatla). Der Jaguarkrieger stellte sich kurz vor, wie viel Ehre und Würde ihm winken könnten, wenn er dieses großartige Geschenk nach Hause bringen würde. Aber er wusste, dass seine Kameraden dem niemals zustimmen würden und dass die Waffe einer anderen „lebenden Gottheit“ – nämlich Myuriko – gebührte. Es fiel ihm dennoch schwer, den Speer aus der Hand zu legen…
Hao bewunderte vor allem die Kunstfertigkeit und Macht des Artefaktes. Sie überlegte immer noch, warum der Göttliche Kranich solch ein prachtvolles Geschenk fortgeschleudert hatte. Sei das eine Warnung oder Botschaft gen Zhoujiang gewesen – oder würde vielleicht ein Fluch auf der Waffe liegen?
Akira, der leichte Hemmungen hatte, eine Waffe zu berühren, die die Göttliche Myuriko in den Händen gehalten hatte, versicherte im Brustton der Überzeugung, dass kein simpler Fluch die Berührung durch den Göttlichen Kranich überstehen würde. Er vermutete in dem Wurf Myurikos eher eine Botschaft. Welchen Wortlaut diese freilich haben mochte…
Nachdem sich die Helden nach der Anstrengung der letzten Tage etwas ausgeruht hatten und die in der Ferne kreisenden Harpyien verschwunden waren, machten sich die Helden auf die letzte Etappe ihrer Fahrt.

Dass ihre Vorsicht nicht unbegründet war, zeigte sich beim Erreichen des Hafens. Von Ferne sichteten die Helden ein Undare (ein elementares Wasserwesen), welches sich zwischen den einlaufenden Fischerbooten herumtrieb. Einen magischen Spion fürchtend, wichen die Helden dem Wesen so gut wie möglich aus und konnten das Elementarwesen in der Tat umgehen. Die zahlreichen Kanäle der auf Pfählen errichteten Stadt ausnutzend, schafften es die Abenteurer bis in die Nähe der Botschaft, wo sie Hong Ni auszahlten und verabschiedeten. Akira überzeugte sie, über die ganze Angelegenheit vorerst Stillschweigen zu bewahren.
Noch war der Wurfspeer Myurikos freilich nicht in Sicherheit, denn den Helden fielen mehrere Bewaffnete auf, die die Umgebung der Kintari-Botschaft aufmerksam beobachteten. Jetzt kam den Helden die gedrängte Bauweise Timogs und das lebhafte Straßenleben zugute: Im Schutze der Passanten konnten sie die Beobachter umgehen und das Tor der Botschaft erreichen, bevor diese einen letzten Versuch unternehmen konnten, den Speer an sich zu bringen. Wie die Abenteurer später erfuhren, war ihr Gegenspieler Chiu Hu, ein Söldner und Schläger mit Triadenverbindungen, der dem Speer wohl auf eigene Faust hinterherjagte.

In der Botschaft wurden die Abenteurer sofort von Botschafterin Suguri Hanako empfangen, der Akira feierlich den Wurfspeer überreichte. Natürlich war die Botschafterin hoch erfreut und sparte nicht mit Lob – zumal die Helden den Wurfspeer ohne größeres Aufsehen oder gar Blutvergießen zurückgebracht hatten, was die diplomatische Beilegung der Angelegenheit erleichtern würde.
Entsprechend großzügig war die Belohnung: Die Helden erhielten nicht nur etliche Lunare, sondern ihnen wurde zudem die Möglichkeit angeboten, sich eine materielle Belohnung aus den Schatzkammern und Werkstätten eines Myuriko-Tempels (etwa des Tempels in Tsusaka) zu wünschen oder in der Gunst von Klan Suguri aufzusteigen. Akira entschied sich für letzteres, hoffte er doch, so sein Ansehen (und damit das seiner Familie) zu erhöhen.
Hao – die sich nicht in die komplizierten Machtkonflikte und Beziehungsnetzwerke der Kintari-Politik verwickeln lassen wollte – entschloss sich für eine handfestere Belohnung. Sie erbat sich Wandelndes Holz, einem kostbaren, aus dem Stamm der gefährlichen Dämmerweiden gewonnenen Rohstoff. Auch Takur folgte einem eher praktischen Ansatz und erfragte Unterstützung bei der Fertigung einer verbesserten Waffe.

In den folgenden Tagen beschäftigten sich die Helden mit ihren jeweils eigenen Projekten. Takur verbrachte noch etwas Zeit mit Hong Ni, da er Gefallen an der sarkastischen Vargin gefunden hatte, was diese erwiderte. Akira hingegen unterstützte die Botschaft bei der Bewachung des Wurfspeers Myurikos. Er befürchtete, dass eine der anderen Interessensgruppen von dem Fund des Speers erfahren und einen Angriff auf die Botschaft versuchen könnte. Seine Aufmerksamkeit wurde allerdings abgelenkt, als er von Luo erfuhr, dass dessen Halbweltkontakte möglicherweise auf eine Spur des verschwundenen Katanas von Akiras Vater gestoßen waren: Angeblich hatte ein rothaariger zwergischer Triadensöldner von einer ähnlich aussehenden Waffe erzählt. Die Spur, die vielleicht zu den Mördern von Akiras Vater führen mochte, war zwar schwach, aber sie war es sicherlich wert, verfolgt zu werden…

In einer ganz anderen Angelegenheit trafen sich Ren und Hao zu einem gemeinsamen Essen. Die Magierin, die aus ihrer Abneigung gegenüber den Triaden und ganz besonders gegenüber General Wu kein großes Geheimnis gemacht hatte, wollte ihrer Weggefährtin reinen Wein einschenken. Sie gab zu, im Bürgerkrieg fest auf Seiten von Prinzessin Yi zu stehen und versuchte die Affenpriesterin von ihrem Standpunkt zu überzeugen.

Tatsächlich fielen ihre Argumente teilweise auf fruchtbaren Boden. Hao stimmte ihr zu, dass General Wus brutale Machtpolitik und wenig durchdachte Reformversuche der schlechteste Weg für Zhoujiang waren. Bezüglich der sehr heterogenen Triaden war Haos Meinung weniger eindeutig. Sie sah die Händler und Kriminellen ganz gewiss nicht an der Spitze des Staates, konnte aber einigen ihrer Argumente für mehr Rechte für Händler und Handwerker und mehr Autonomie für die einzelnen Regionen durchaus etwas abgewinnen. Und was Prinzessin Yi anging, so war diese noch sehr jung und unerfahren…

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #20 am: 24.02.2024 | 04:35 »
Alte Bekannte
Timog (Ren und Luo)

Während Akira, Hao und Takur im Auftrag der Suguri nach dem Wurfspeer der Myuriko suchten, waren Ren und Luo mit weniger weltbewegenden Dingen beschäftigt.
Luo nahm die Neuigkeiten, dass er ungewollt General Wus Leuten geholfen hatte, nicht so schwer wie Ren, war aber ebenfalls nicht glücklich. Auf Anregung von Ren begann er Nachforschungen anzustellen. Er wollte einen besseren Eindruck von den Machtstrukturen in Timog gewinnen, erfahren wer hier das Sagen hatte und wie die militärische Situation war.

Es fiel ihm nicht schwer, einige Soldaten und Unteroffiziere des örtlichen Jun (Provinz-Bannerheeres) zum Reden zu bringen. Er hörte unter anderem, dass der gefürchtete Jadedrache – ein Elitekämpfer Wus, der angeblich mit dem General gebrochen hatte – in der Nähe Timogs einen Beamten ermordet haben sollte. Die Berichte blieben vage. Generell war der Jadedrache eine Gestalt mit zwiespältigem Ruf. Manche nannten ihn einen brutalen Mörder und Vergewaltiger, andere einen Helden. Manche seiner angeblichen Taten hatten sich an so weit voneinander entfernten Orte zugetragen, dass kaum ein und derselbe Mann verantwortlich sein konnte. Die Triaden und die mit ihnen verbündeten Fürsten hatten jedenfalls ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt, auch wenn die Angaben über die Höhe schwankten.
Währenddessen kam Lin mit ihren Nachforschungen zu ihrem ehemaligen Auftraggeber Shu nicht weiter. Vielleicht zeigte der Alb sich selten in Timog und kaufte die Waffen für seine Verbündeten nur in Tsusaka oder anderen weiter entfernten Orten.

Bezüglich der Machtkonstellationen in Timog und der Kranichprovinz war es ein offenes Geheimnis, dass Fürstin Liu Luli nur notgedrungen mit den Triaden kooperierte. Sie favorisierte gemäßigtere Triaden wie die Roten Karpfen und den Fließenden Stein. Allerdings waren angeblich auch die gewalttätigen 13 Blätter im Aufstieg begriffen. Timog hoffte vermutlich, sich durch Kooperation mit den als Piraten berüchtigten 13 Blättern vor deren Angriffen zu schützen und diese gleichzeitig gegen andere Piraten und die Kaperer und Kriegsschiffe von General Wu mobilisieren zu können, die zunehmend vom Westende des Sees her Druck ausübten. Angeblich strebten die 13 Blätter nach direktem Einfluss auf die fürstliche Flotte. Sowohl am Fürstenhof als auch unter den Händlern sahen das manche mit Sorge. Was würden die 13 Blätter mit einer solchen Macht anfangen? Zudem überfielen sie regelmäßig Schiff des benachbarten Kintai - und diese mächtige Militärmacht zu ärgern erschien wenig weise…

Drei der wichtigsten örtlichen Triadenzweige wurden von Frauen geführt:
Die Gnomin Chen Jiah fungierte Gerüchten zufolge als die lokale Anführerin der Roten Karpfen. Seitdem sich die Provinz den Triaden angeschlossen hatte, war die Beamtin am fürstlichen Hof zudem zur Ministerin für Finanzen und Handel aufgestiegen. Dass die seit 40 Jahren in der Verwaltung tätige Jiah korrupt und tief in die Schmuggelaktivitäten der Roten Karpfen verstrickt war, war ein offenes Geheimnis – ohne dass man ihr bisher etwas hatte nachweisen können. Ihr Verhältnis zu der jungen Fürstin Liu Luli galt als angespannt. Jiahs Verwandter Chen Tsu fungierte als Ältester der Alchimistengilde und besaß angeblich beträchtlichen Einfluss bei den örtlichen Heilkundigen, Kräuter- und Exotika-Händlern.
Rätselhafter erschien die als Yeying („Nachtigall“) bekannte Tengu, die den lokalen Ableger der Triade des Fließenden Steins kontrollierte. Das schwarzgefiederte Feenwesen dominierte seit einem Jahrzehnt das Vergnügungsviertel der Stadt. Man sagte ihr nach, vor allem auf Absprachen, Intrigen, Bestechung und wohldosierte Erpressung zu setzen. Angeblich hatte sie gute Kontakte zum fürstlichen Hof und war für ihre großzügigen Spenden für öffentliche Feste, die lokalen Tempel und die Armen Timogs bekannt.
Eher gefürchtet war hingegen Toryu („Drachentöterin“), die den lokalen Ableger der Triade der 13 Blätter kommandierte. Die als rücksichtslos und jähzornig berüchtigte Albin mit den markanten Brandnarben auf der rechten Gesichtshälfte, Hals und Oberkörper stammte wie viele Mitglieder der 13 Blätter aus Kintai. Ihren Namen verdankte sie ihrem Einsatz gegen General Wus Flotte. Toryus wahre Abneigung galt aber angeblich ihrer alten Heimat. Manche hielten sie für eine verstoßene Kintari-Adlige, eine in Ungnade gefallene Samurai oder eine ehemalige Woku-Piratin. Angeblich kommandierte Toryu bis zu 800 Bewaffnete und etwa zwanzig Schiffe, was sie zur mächtigsten Piratenfürstin des Maishi-Sees machte. Neben der Piraterie waren die 13 Blätter in Timog auch im Schmuggel, dem Menschenhandel und der Schutzgelderpressung aktiv.

Zu den weiteren mächtigen Personen Timogs gehörte Sima Yu. Der Zwerg hatte schon der Großmutter und Mutter Liu Lulis als Kanzler und Minister für städtische Gesundheit, öffentliche Sicherheit und Kanalwesen gedient. Unter anderem kontrollierte er die städtische Polizei und Zollbehörde, die Gerichte und das Stadtgefängnis. Yus Einfluss war angeblich maßgeblich für die Entscheidung der Fürstin gewesen, sich mit den Triaden zu arrangieren. Ob er selber einer Triade angehört, war umstritten.
Ein weiterer Vertrauter der Fürstin war ihr Verwandter Liu Jang, der Kommandeur des fürstlichen Heeres. Der junge General galt als mutig und taktisch versiert. Seine logistischen und administrativen Fähigkeiten waren allerdings ausbaufähig und sein Verhältnis zu den in der Kranichprovinz operierenden Triaden-Söldnern nicht frei von Differenzen.
Deutlich niedriger in der Gunst der Fürstin stand Admiral Tung Li, der Befehlshaber der fürstlichen Flotte. Der frühere Verwaltungsoffizier kommandierte die Marine der Kranichprovinz, seit sein Vorgesetzter zu General Wu übergelaufen war. Angesichts der Bedrohung durch General Wu und die zahlreichen unabhängigen Piraten, die auf dem Maishi-See operierten, befürwortete Li eine enge Kooperation mit der Triade der 13 Blätter, um die maritime Schlagkraft Timogs zu erhöhen.

Es waren dann aber persönliche Angelegenheiten, die beide Schattenklingen von ihren Nachforschungen ablenkten. Vor Jahren hatte zwischen Luo (der in Lin verliebt gewesen war) und Lin (die Luo nur als Freund sah) vor allem auch der gutaussehende, junge Schwertkämpfer Sung Bei gestanden. Luo hätte sich damals beinahe ein Duell mit Bei geliefert. Seine Meisterin hatte ihm jedoch den Abschied gegeben, ehe die Lage eskalierte. Wie auch immer Beis und Lins Beziehung ausgesehen hatte, sie war nicht von langer Dauer gewesen. Inzwischen hatte der Krieger die Nichte eines Silberschmiedes aus Timog geheiratet. Glücklich war er mit dieser guten Partie allerdings nicht geworden, wurde er doch momentan als angeblicher Insider bei einem Einbruch bei der Familie seiner Frau gesucht. Lin wollte ihrem alten Vertrauten/Geliebten helfen. Zwar hegte Luo keinerlei freundliche Gefühle für Sung Bei, doch er wollte Lin helfen und so auch verhindern, dass sie in Schwierigkeiten geriet.
Dank Luos Halbweltkontakte gelang es den beiden Schattenklingen, Sung Bei zu finden. Er verbarg sich in der heruntergekommenen Taverne „Wus Eintopf“ (nicht nach dem General benannt). Der Wirt schuldete Sung Bei wohl einen Gefallen. Der junge Schwertkämpfer beteuerte seine Unschuld (was Luo ihm nicht so recht abnahm), wollte aber keine Konfrontation mit dem Gesetz riskieren. Seine Frau und die wenige Monate alte Tochter mochte er aber ebenfalls nicht im Stich lassen. Luo überzeugte ihn, sich erst einmal abzusetzen – vielleicht in Richtung der Flussdelphinprovinz und von dort eventuell nach Tsusaka. Als Kämpfer konnte er sicher eine Anstellung finden, und seine Frau als geschickte Silber-Tauschiererin ebenso. Beis Frau und das kleine Kind würden besser erst später nachkommen, schließlich war das Mädchen noch klein. Sung Bei sah ein, dass dies klüger war, wollte sich aber erst von seiner Frau verabschieden (und benötigte für einen Neuanfang zudem Geld). Wohl oder übel stimmten die Abenteurer zu, ihm dabei zu helfen. Es war freilich zu befürchten, dass das Anwesen und die Werkstatt der Familie Yang von den Behörden beobachtet wurden.

Es fiel Luo nicht schwer, einen Fischer zu finden, der Sung Bei aus Timog herausschmuggeln konnte.  Ren knüpfte als angebliche Kundin (sie wollte ohnehin ihre blaugrüne „Nymphenperle“ in ein Diadem fassen) Kontakt mit Yang Tia, Sung Beis Ehefrau. Die junge Frau war offenbar gewillt, zu ihrem Ehemann zu stehen. Als junges Familienmitglied lebte sie in einem außen gelegenen Raum des Familienanwesens, das in der Tat von einem Spion der Stadtgarde im Auge behalten wurde. Ein paar geschickte Ablenkungen durch Lin und Luo (ein Schaukampf, den Luo erneut für sich entschied) und Ren (die etwas dramatisch mit ihrem beschworenen „Höllenhund“ vorbeispazierte) sorgten dafür, dass niemand Beis Kommen und Gehen bemerkte. Es gelang auch, Sung Bei anschließend aus Timog herauszuschmuggeln. Lin wollte weiterhin ein Auge auf seine Ehefrau und Kind haben und Luo hoffte inständig, nie wieder etwas von Sung Bei zu hören.

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #21 am: 2.03.2024 | 19:57 »
Festvorbereitungen
Timog und Weihei-Schilfmeer westlich der Stadt (Hao, Luo, Ren)

Dank Luos Kontaktenetzwerk konnte Ren einige Informationen an ihre Verbündeten in den von den Kaiserlichen kontrollierten Provinzen weiterleiten. Sie schlug vor, diplomatische Kontakte zwischen den Kaiserlichen und den Momoku in Tsusaka zu etablieren. Das mochte zunächst zwar nichts Konkretes bringen, vielleicht würden sich die Dinge ja irgendwann ändern. Zudem berichtete sie über den Waffenschmuggel aus Kintai an die Verbündeten Wus. Sun Lin war derweil beschäftigt, der Familie ihres ehemaligen Freundes zu helfen. Im Anschluss daran führte sie ein eigener Auftrag ins Umland von Timog heraus. Sie versprach Luo aber, dass es nicht wieder Jahre dauern würde, ehe man sich wiedersah.

Ren und Luo waren sehr beeindruckt von dem Bericht ihrer Gefährten über die Jagd nach dem Speer. Besonders Luo bedauerte, nicht dabei gewesen zu sein. Doch die Helden vergaßen darüber nicht ihr Ziel, in den kaiserlichen Archiven in Palitan zum Tempel der Tausend Tore zu recherchieren. Es waren vor allem die zhoujiangischen Abenteurer, die sich auf die Reise nach Osten vorbereiteten. Hao und Luo konnten aus eigenem Wissen bzw. durch Herumfragen einige Informationen zusammentragen. Die kaiserlichen Archive Palitans waren bedauerlicherweise nicht einfach zugänglich. Die Leiterin My-Mei war zugleich Vorsteherin des Händlerrates und Anführerin der Triade des Fließenden Steins, die angeblich je nach Bedarf den Zugang erschwerte. Gerade bei exotischen, heiklen oder sehr lange zurückliegenden Themen war der Zugriff aber auch grundsätzlich teuer und langwierig.
Allerdings gab es mögliche „Abkürzungen“, beispielsweise wenn ein hochrangiger Gönner, die Anfragen unterstützte. Denkbare Kandidaten dafür waren die regionalen Adels- und Handelshäuser, aber auch wichtige Tempel, Botschaften u. ä. Persönlicher Zugang zu den Archiven selbst wurde freilich nur selten gewährt. Meist blieb dieser renommierte Forscher vorbehalten, die über gute Kontakte zum Archiv verfügten. Angeblich konnten solche Experten teilweise angeheuert werden – was allerdings wiederum recht teuer sein konnte.
Die Abenteurer beschlossen, ihre finanziellen Reserven in den nächsten Tagen und Wochen aufzustocken und nach gut bezahlten Aufträgen zu suchen. Luo setzte zudem seine Kontaktversuche beim örtlichen Militär fort, jetzt auch in Hinblick auf mögliche Aufträge.
In Timog war wohl auch weiterhin einiges im Argen. Es hieß, dass einige der „verwehten Seelen“ (eine örtliche Bezeichnung für psychisch Kranke) verschwunden waren. Man munkelte „Etwas“ riefe sie auf den Grund des Sees…

Unmittelbar vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs hatte Ren ein Jahr in Timog gelebt, um ihre Ausbildung in Wassermagie zu vervollkommnen. Sie hatte in der Zeit bei Ji Dao gewohnt, einem entfernten Verwandten, der im Justizministerium tätig war. Der familiäre Frieden hatte seinerzeit darunter gelitten, dass Ji Dao nach Wus Putsch den Neutralitäts-/Triadenkurs der Fürstin seiner Provinz unterstützt hatte, während Ren eine überzeugte Anhängerin Prinzessin Yis war. Sie und Luo hatten sich seinerzeit mit anderen Loyalisten unter erheblichen Gefahren nach Norden durchgeschlagen. Deshalb hatte sie keinen direkten Kontakt mit ihrem Verwandten gesucht, als sie nach Timog zurückgekehrt war. Allerdings war es nun Ji Dao, der den Kontakt wieder aufleben lassen wollte. Vermutlich hing dies auch damit zusammen, dass Ren eine gewisse Bekanntheit errungen hatte und mit recht aufsehenerregender Begleitung reiste. Er lud Ren und ihre Begleiter ein, im Anwesen der Familie zu wohnen. Neben etlichen Bediensteten bestand der Haushalt aus Ji Daos Ehefrau Ji Xi sowie den Kindern des Paares. Da war Su, mit Jahrgang 970 die älteste Tochter, eine fähige Heilerin und Heilmagierin, die im Gesundheitswesen der Stadt tätig war (eine Berufswahl, die nicht ganz die Zustimmung ihrer Eltern fand), sowie die 14jährigen Zwillingstöchter Jao und Jan. Su sollte in naher Zukunft Zhafeng Bei heiraten, einen nachgeborenen Sohn einer lokalen Adelsfamilie, der einen Stabsposten in der Flotte der Kranichprovinz innehatte. Dies war eine gute Partie für die Tochter eines mittleren Beamten. Ren hatte allerdings den Eindruck, dass die Eltern zufriedener waren als die Braut.

Das Zusammenleben gestaltete sich weitgehend harmonisch, auch weil Ren und das Gastgeberpaar politische Diskussionen vermieden. Hao und Ren beteiligten sich gerne an der Organisation des Hochzeitfestes, das wohl auch dazu dienen sollte, Stand und Reichtum der Familie zu demonstrieren. Luo, der von dem Ji-Ehepaar allerdings eher wie ein Untergebener behandelt wurde, nutzte seine Straßenkontakte für die kostengünstige und schnelle Beschaffung verschiedener Vorräte für das Fest. Hao bemühte sich, Su durch einige Ratschläge auf die Ehe vorzubereiten und ihr etwas die Nervosität zu nehmen. Die junge Braut heiratete anscheinend eher aus Pflichtbewusstsein als aus Liebe, empfand allerdings auch keine Abneigung gegenüber ihrem Zukünftigen, der wohl ebenfalls vor allem heiratete, weil seine Familie es so wollte.

Allerdings ergab sich bald ein akutes Problem bei dem die Gäste helfen sollten. Die Ji hatten bei einem gewissen Meister Zhan einen Shunkou-Hecht und Waraneier für die Hochzeit bestellt. Der Händler, der zu der von den Roten Karpfen dominierten Gilde der Alchemisten gehörte, hatte eine erhebliche Anzahlung erhalten, war aber nun unauffindbar. Ji Dao wollte nicht glauben, dass er einem Betrüger zum Opfer gefallen war. Er machte den Helden die Suche nach Zhan schmackhaft, indem er andeutete, dass dies vielleicht helfen könnte, deren Spannungen mit den Roten Karpfen (die noch aus ihrem Abenteuer in Tsusaka herrührten) zu lindern. Da diese „Queste“ nicht wirklich gefährlich klang, beschlossen die Abenteurer, Akira und Takur erst einmal nicht zu bemühen, zumal beide in die Bewachung des Myuriko-Speers eingebunden waren. Zudem begegneten die Jis Takur mit leichtem Argwohn. Der jaguargestaltige Ma’Ua war ein etwas gewöhnungsbedürftiger Anblick…

Hao, Ren und Luo suchten den Stand von Meister Zhan auf, der am Rande eines der städtischen Tiermärkte lag. Hier wurden in einem bunten Durcheinander von Geräuschen, Farben und (nicht immer angenehmen) Gerüchen Tiere und tierische Produkte aller Art gehandelt. Zhans Stand war gegenwärtig nicht geöffnet. Nach einigem Herumfragen ließ sich ermitteln, dass Meister Zhan seit einigen Tagen verschwunden war. Das war an sich nichts Ungewöhnliches, da gelegentlich seine Lieferanten aufsuchte. Freilich vermochte keiner zu sagen, wohin er genau aufgebrochen war. In seiner Abwesenheit kümmerte sich ein Gnom namens Xu um Stand und Tiere. Allerdings hatte in den letzten Wochen ein gefährlich wirkender Fischvarg nach Zhan gefragt. Die Abenteurer warteten bis zum Abend, wobei sie eine misstrauische Marktwache abwimmeln mussten, die sich aber von Hao beschwichtigen ließ. Der Markt kam auch bei Sonnenuntergang nicht zur Ruhe. Wie gehofft tauchte Xu auf, um die Tiere zu füttern. Es gelang, sein Misstrauen zu besänftigen und er erzählte, dass Zhan vor gut zwei Wochen aufgebrochen war, um sein Sortiment aufzufüllen – sicher auch wegen des Liefervertrags mit den Ji. Üblicherweise reiste er auf seinen Fahrten in das Schilfmeer mit einem örtlichen Fischer, entweder dem menschlichen Fischer Rong oder dem Fischvarg Wen. Die Abenteurer beschlossen dort anzusetzen und warnten Xu, sich vor dem möglichen Verfolger in Acht zu nehmen.

Nachdem sie die Familie Ji über die (bescheidenen) Fortschritte informiert und Proviant eingepackte hatten, brachen die drei am nächsten Morgen auf, um die Fischer abzufangen, bevor sie auf den See hinaus fuhren.
Tatsächlich gelang es, Rong ausfindig zu machen. Der Mann mittleren Alters war etwas misstrauisch, doch die Abenteurer konnten ihm zum Reden bringen. Er gab zu, Zhan gelegentlich zu den Dörfern der Fischvarge und Kranichgnome im Schilfmeer gebracht zu haben. Er hatte keine hohe Meinung von Wen, mit dem Zhan häufiger unterwegs war. Rong schilderte den Tierhändler als etwas absonderlich. Angeblich hätte er früher in einer der nordwestlichen Provinzen Zhoujinangs als Person von Stand gelebt. Die Abenteuer heuerten den Fischer an, um sie ins Schilfmeer zu bringen. Sie brachen noch am selben Tag auf, nachdem sie ihre Vorräte und Ausrüstung ergänzt hatten. Zunächst wollten sie das nächstgelegene Fischvarg-Dorf namens Sairan ansteuern. Der Fischer Wen war dort gebürtig, so dass Sairan für ihn und Zhan ein logisches Ziel wäre. Die Fahrt würde zwei Tage dauern und gen Westen führen. Rongs Boot erwies sich als nicht gerade groß – mit den drei Abenteurern und Rong konnte es bestenfalls noch ein oder zwei weitere Passagiere aufnehmen. Ein kleines Stoffsegel trieb es an, auch wenn man im Schilfmeer meist rudern oder staken musste. Haos Wildniskunde erwies sich von großem Nutzen, da sie ein Auge auf das Wetter behalten und Rong bei der Orientierung helfen konnte.

Die Fahrt verlief glatt, auch wenn nur Luo kräftig genug war, Rong beim Staaken zu helfen und die Schattenklinge sich dabei nicht allzu geschickt anstellte. War der See nahe Timog noch voller Fischer, Handelsschiffe und einzelner Einheiten der Provinzflotte, so ließ das bunte Treiben nach wenigen Stunden nach. Entlang des Schilfmeers waren bald nur noch hin und wieder kleine Fischerdörfer in der Ferne zu entdecken. Fischer und Jäger gingen ihrem Broterwerb nach. Am Abend fand sich ein Lager am Ufer, wo bereits einige Fischer Rast gemacht hatten. Man kam gut miteinander zurecht und tauschte Geschichten aus. Luo nutzte die Gelegenheit, um Rong im Auge zu behalten. Immerhin waren seine Gefährtinnen und er dem Fischer ausgeliefert, den sie kaum kannten. Doch nach seiner Einschätzung mochte der Fischer zwar geldgierig oder für eine kleine Betrügerei zu haben sein, war aber keine Bedrohung.
Auch am zweiten Tag folgte man dem Rand des sich immer weiter ausdehnenden Schilfmeers. Bald war das feste Land nur noch in der Ferne zu erahnen. Und schließlich tauchte das Boot in das Schilfmeer ein. Von nun ab hing viel von der Ortskundigkeit Rongs ab, wäre es doch ein leichtes, sich in dem Schilfdickicht zu verirren.
Glücklich erreichten die Abenteurer abends Sairan. Das Dorf lag auf einer flachen Insel und bestand aus einem halben Dutzend ärmlicher, auf Stelzen errichteten Hütten. Am Ufer lagen kleine Boote, und die vargischen Bewohner wirkten wachsam, aber nicht feindselig. Meister Zhan war ihnen bekannt (wie natürlich auch Wen). Beide waren vor ca. zwei Wochen hier gewesen, dann aber weitergefahren, weil in Sairan weder ein Silberhecht noch Waraneier zu haben gewesen waren. Gerade die Hechte waren wegen ihrer eifrigen Bejagung offenbar schon recht selten geworden. So blieb nichts übrig, als die Fahrt fortzusetzen.
Das nächste Ziel war Geko, ein weiteres Fischvarg-Dorf, das zwei Tage entfernt lag. Rong war darüber nicht ganz glücklich, weil er bisher nur selten so weit ins Schilfmeer vorgestoßen war. Zudem warnten die Dorfbewohner, dass gefährliche Leute in der Gegend unterwegs wären, bei denen es sich möglicherweise um Piraten oder Rebellen handelte. Vor ca. zehn Tagen war ein größerer Trupp unter Führung eines Sumpfbewohners gesehen worden. Die Fischer erzählten auch Geschichten von natürlichen Gefahren – Raubhechten, Donnerwelsen, manchmal sogar Haien. Die Abenteurer blieben eine Nacht in Sairan. Hao gewann die Herzen der Leute, indem sie eine Andacht abhielt, während Luo herumfragte, um die Fischvarge als potentielle Kundschafter für Timog oder für künftige Operationen der Kaiserlichen einschätzen zu können. Es war aber offenkundig, dass die Fischer sich aus der Politik heraushalten wollten.

Am folgenden Morgen setzte Rongs Boot die Fahrt fort. Je tiefer die Reisenden in das Schilfmeer eintauchten, desto fremdartiger wirkte die Landschaft. Die Luft wurde zunehmend stickiger, das Schilf immer dichter. Die Abenteurer blieben wachsam. Es waren Luo und Hao, die bemerkten, dass irgendwo vor ihnen etwas Großes durch das Schilf brach. Die Reisenden wichen zur Seite aus, und Luo begann durch das schlammige Wasser in Richtung der Geräusche zu schleichen. Bald erkannte er, dass es sich um einen jungen Varg in abgerissener Kleidung handelte. Die Schattenklinge brachte ihn zum Boot der Gruppe.
Ruo – so der Name des Vargs – war ein Flüchtling aus Geko, das offenbar von einer Bande Banditen übernommen worden war. Er war geflohen, hatte dabei aber einen Streifschuss am Arm erhalten, den Hao gekonnt verarztete.
Verfolger waren Ruo auf den Fersen, und die drei Abenteurer improvisierten einen Hinterhalt. Während sich Hao und Ren – unterstützt durch einen beschworenen „Höllenhund“ – dem Feind frontal stellten, schlug Luo einen Bogen, um sie in der Flanke zu fassen. Rong und Ruo blieben beim Boot zurück, was freilich auch bedeutete, dass die Abenteurer zu Fuß in halbhohem Wasser kämpfen mussten, was den Verfolgern in ihrem kleinen Fischerboot einen Vorteil verschaffte.
Es handelte sich um zwei Menschen und einen Rattling. Der Angriff traf sie überraschend und nach kurzem aber heftigem Kampf wurden sie überwunden und gefangengenommen. Nachdem ihre Wunden notdürftig verarztet worden waren, setzten die Abenteurer aus dem Bericht Ruos und dem Verhör der Gefangenen das Geschehen in Geko zusammen.

Offenkundig hatte etwa ein Dutzend Banditen die Siedlung besetzt, weil sie im Sumpf nach etwas suchten – offenbar nach dem Wurfspeer Myurikos… Sie hatten jeden Widerstand niedergeprügelt, plünderten die Dörfler aus und zwangen sie, ihnen bei der Suche im Schilfmeer zu helfen. Offenkundig hatten die Banditen noch nicht gehört, dass der Speer bereits gefunden worden war und sich in der (relativen) Sicherheit der Kintai-Botschaft in Timog befand. Gut möglich, dass die gezielt in die Welt gesetzten Gerüchte, der Speer sei im Schilfmeer niedergegangen, Anteil an der Besetzung Gekos hatte. Die Bande wurde von einem Fischvarg namens Tang angeführt. Dieser war wohl kein echter Räuberhauptmann, sondern hatte die anderen angeheuert. Offenbar führte er ein strenges Regiment. Allerdings war es wohl ihm zu verdanken, dass sich die Übergriffe der Banditen in einem gewissen Rahmen hielten. Ruo hatte für einen der Suchtrupps als Ortskundiger fungiert und die Gelegenheit zur Flucht genutzt. Unter den Gefangenen im Dorf waren auch Zhan und Wen. Tang hatte angelegentlich „den Bleichen“ als seinen Auftraggeber erwähnt, doch sagte der Spitzname weder den Fischern noch den Abenteurern etwas.
Nun war zu entscheiden, wie man mit den Banditen verfahren sollte. Sie als Gefangenen mitzuführen erschien gefahrvoll, denn die Abenteurer planten Geko zu helfen. Sie einfach zu töten wäre andererseits Anmaßung der fürstlichen Gerechtigkeit gewesen, und sie schienen auch bisher keine schweren Verbrechen begangen zu haben. So schüchterte Luo sie gehörig ein, während Hao ihnen ins Gewissen redete. Dann ließ man sie laufen – mit ihrem Proviant und ihren Dolchen, aber ohne das Boot und ihre anderen Waffen. Ihre Chancen im Schilfmeer waren nicht die allerbesten, aber das lag nun bei ihnen.
Im Anschluss setzten die Abenteurer ihre Reise fort. Das Boot der Banditen – offenbar ein Fischerboot aus Geko – nahmen sie in Schlepp. Rong hätte die Expedition am liebsten aufgegeben, ließ sich aber von Luo überreden. Am Abend wurde unter erhöhten Vorsichtsmaßnahmen ein Lager aufgeschlagen, und am nächsten Morgen ebenso vorsichtig die Reise fortgesetzt. Am frühen Abend näherte man sich dem Dorf.

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #22 am: 2.03.2024 | 19:58 »
Luo schlich (nach einem unglücklichen Auftakt, bei der er sich durch einen Zauberpatzer leicht verletzte) nach Geko. Das Dorf bestand aus einem knappen Dutzend Pfahlhäuser.
An diesen vertäut lagen Boote, einschließlich des größeren Gefährts der Banditen. Zwei  Männer hielten Wache, während fünf weitere um ein Lagerfeuer saßen, unter ihnen ein gefährlich wirkender Varg – offensichtlich der Anführer. Die anderen Hütten wirkten leblos, aber ein oder zwei waren offenbar von außen verbarrikadiert worden. Die Schattenklinge schlussfolgerte, dass die Dorfbewohner in diesen Hütten eingesperrt worden waren. Kurzentschlossen pirschte er in einem Bogen um das Dorf herum und näherte sich in einer dieser Hütten. Es gelang ihm, sich mit den Männern im Inneren zu verständigen. Er instruierte sie, sich bereitzuhalten, um im Fall einer Befreiung gegen die Banditen zu kämpfen. Dann kehrte er zu den anderen Abenteurern zurück.
Die Helden überlegten ihr weiteres Vorgehen. Ein Angriff auf die Banditen schien riskant, aber Hilfe zu holen würde Tage dauern. Und die Gesetzlosen zu überzeugen, dass ihre gesuchte Beute bereits gefunden worden war, erschien wenig aussichtsreich. Mit Hilfe der Dörfler schien ein Sieg möglich, wenn auch gewagt. Es hieß rasch zu handeln, denn es war möglich, dass jene Banditen, die noch auf der Suche nach dem Speer waren, zurückkehrten und ihre Kameraden verstärkten – oder dass die Räuber, die die Helden laufengelassen hatten, nach Geko zurückkehrten. Ruo und Rong würden nicht mitkämpfen. Sie sollten Lärm schlagen, um den Eindruck zu erwecken, dass die Angreifer zahlenmäig den Banditen überlegen waren. Nachdem sich die Abenteurer auch magisch auf den Kampf vorbereitet hatten, schlugen sie im Morgengrauen zu.

Es gelang ihnen, sich ungesehen anzuschleichen. Die meisten der Banditen hatten sich in der Hütte des Dorfältesten schlafengelegt. Luo spielte mit dem Gedanken, die Tür zu verriegeln und die Hütte anzuzünden, doch Hao fürchte, dass dabei möglicherweise auch Unschuldige zu Schaden kommen könnten. So blieb man beim ursprünglichen Plan. Luo konnte lautlos die von den drei im Schilfmeer besiegten Banditen erbeuteten Waffen in die Hütte der Dorfbewohner schmuggeln. Der Ärger begann, als Ren ihren Höllenhund beschwor, was nicht lautlos abging. Die Wachen bei den Booten wurden aufmerksam. So wurde der Angriff überhastet begonnen. Luo brach die Tür der Gefangenenhütte auf und hetzte die Fischer auf die beiden Wachposten, um sich dann seinen Kameradinnen anzuschließen.
Die schlafenden Banditen wurden von dem Lärm geweckt, hatten aber natürlich weder ihre Waffen zur Hand noch ihre Panzer angelegt, als die Abenteurer über sie herfielen. Mit Ausnahme ihres Anführers schien es sich auch nicht um geübte Kämpfer zu handeln. Unterstützt durch den Höllenhund konnten die gut ausgerüsteten Abenteurer die Oberhand gewinnen und die fünf Banditen in der Hütte mit Magie und Stahl niederkämpfen. Während Hao die Gefangenen bewachte und sicherstellte, dass die zwei Schwerstverwundeten nicht starben, kamen Luo und Ren den befreiten Dörflern zu HilfeTrotz ihrer Überzahl waren etliche von ihnen schwer verwundet worden. Das Eingreifen der beiden Abenteurer wendete den Kampf. Ein weiterer Bandit wurde überwunden, der zweite floh. Die verwundeten Dorfbewohner wurden verarztet, dann die Banditen gefesselt und gründlich durchsucht. Damit waren Geko und seine Bewohner frei. Freilich waren mindestens noch zwei oder drei weitere Banditen mit einem Dorfbewohner auf der Suche nach dem Speer Myurikos unterwegs. Und es galt zu entscheiden, was aus den gefangenen Banditen werden sollte. Die Dorfbewohner hätten am liebsten zur Selbstjustiz gegriffen, aber Hao unterband dies. Freilich wollten ihre Gefährten die Banditen diesmal nicht einfach laufenlassen, sondern sie der Gerechtigkeit überantworten.
Unter den Befreiten waren auch Zhan und Wen, die überglücklich über ihre Rettung waren.

Abgesehen von etwa 20 Lunaren an Geld und Tangs Ausrüstung waren die Waffen und Panzer der Banditen von schlechter Qualität.
In Tangs Besitz fand sich zudem ein sehr interessantes Beutestück: ein aus einem Tierhorn geschnitztes Signalhorn. Es war außen mit Schriftzeichen in „Proto-Xienyan“ geschmückt, wobei die Sprache freilich keinem der Abenteurer etwas sagte. Eine Analyse von Ren erbrachte, dass das Horn magisch war. Hao mit ihrer guten Naturkunde mutmaßte, das Artefakt könne aus dem Horn eines Chi Hu gefertigt sein, einer magischen Bestie aus der Tigerprovinz. Eine gründliche Analyse musste erst einmal warten.
Die Abenteurer erlaubten den Einwohnern, einen Gutteil der Waffen für sich zu behalten. Vielleicht konnten sie sich so besser wehren, wenn sie das nächste Mal Probleme hatten. Die Magierin legte zugleich Wert darauf, dass die Dörfler erfuhren, wer sie befreit hatte, waren sie und ihr Cousin doch in die Kranichprovinz gekommen, um Ansehen und Respekt zu gewinnen und diesen hoffentlich irgendwann im Sinne der Kaiserlichen nutzen zu können. Sie sammelte zudem die Aussagen der Dörfler gegen die Banditen, um damit deren Bestrafung in Timog gewährleisten zu können. Zudem verschenkte sie einen Großteil ihres Anteils an dem erbeuteten Geld an jene, die besonders unter den Banditen gelitten hatten.

Ein potentielles Problem stellten die drei Banditen da, die noch mit einem Dörfler auf der Suche nach dem Speer waren. Sie würden wahrscheinlich in absehbarer Zeit zurückkommen, doch wann und aus welcher Richtung war unklar. Luo bemühte sich mit Hilfe der befreiten Dörfler das Dorf so „normal“ wie möglich herzurichten. Allerdings krankte die Scharade daran, dass nur eine Handvoll Nichtvarge als falsche Banditen zur Verfügung standen. Ob es nun an der mangelnden Verkleidungskunst lag oder an der Aufmerksamkeit der Banditen – als diese am späten Nachmittag tatsächlich eintrafen, rochen sie den Braten und traten die Flucht an. Zwar wurden zwei von ihnen durch Magie und Pfeile verwundet, eine Verfolgung per Boot scheiterte aber. Zumindest konnte der bei dem Suchtrupp befindliche Dörfler befreit werden, als die Banditen ihn einfach über Bord warfen. Luo sorgte sich, dass die versprengten Banditen sich zusammentun und Rache am Dorf nehmen könnten, doch Hao meinte, dass sie in verschiedene Richtungen geflohen und teilweise verwundet waren, was einen Vergeltungsangriff unwahrscheinlich machte. 

Die Abenteurer hatten nicht vergessen, was sie ursprünglich in den Sumpf geführt hatte: die Suche nach Zhan um Waraneier und einen Shunkou-Hecht für die Ji-Hochzeit zu besorgen. Und die Dörfler wie auch der Tierhändler waren gerne bereit, zu helfen. Zumindest Waraneier ließen sich vor Ort beschaffen – auch wenn man dazu in den Sumpf hinausfahren und den aggressiven Tieren ausweichen musste. Tatsächlich konnten Luo und Hao zwei Nester  plündern.
Nachdem dies erledigt war, beschlossen die Helden aufzubrechen. Sie hatten die Gastfreundschaft der Dörfler lange genug beansprucht, die zwar gerne die Helden mit Lebensmittel versorgt hatten, aber nur sehr ungern die Gefangenen. Inzwischen glich die Reisegruppe einem recht absonderlichen Konvoi: Rongs Fischerboot, Zhan und Wens Boot sowie das Boot der Banditen, auf dem diese gefesselt mitgeführt wurden. Man beschloss, die Boote aneinanderzubinden, und so setzte sich die Expedition langsam in Bewegung.
Luo, der die Gefangenen bewachte, versuchte Tang zu verhören, kam aber trotz einiger Drohungen nicht weit. Die anderen Banditen waren redseliger, hatten freilich außer Unschuldbeteuerungen nicht viel anzubieten. Sie wussten nicht viel über ihren Auftrag und waren von Tang als Muskeln angeheuert worden. Vor diesem hatten sie alle großen Respekt, ja sogar Angst. Angeblich war er gut vernetzt und galt zudem als ein gefährlicher Kämpfer, der für seine rücksichtslose Art bekannt war. Manche sagten, er diene General Wu oder einer Triade. Einige der Banditen sprachen ihm übernatürliche oder magische Fähigkeiten zu.
Ren achtete darauf, dass die Wunden der Banditen sich nicht infizierten, aber Hao und sie mühten sich nicht, deren Genesung voranzutreiben, und die Versorgung der Gefangenen war ärmlich. Zudem achtete Luo darauf, dem Varg zusätzlich die Augen zu verbinden und ihn zu knebeln.
Ren unterhielt sie während der Fahr etwas mit Zhan, der sich als eigenartiger aber über den Maishi-See wohl informierter Begleiter mit vielen Geschichten über die Tiere und Pflanzen der Gegend entpuppte.

Aufgrund der langsamen Fahrt brauchte man mehr als zwei Tage bis Sairan. Die Reise verlief weitgehend glatt. Zwar versuchte die gefesselten Banditen sich eines Nachts zu befreien, stellten sich aber zu ungeschickt an. In Sairann erregten die Abenteurer mit ihren Gefangenen natürlich Aufsehen. Zudem erwartete die Helden hier eine angenehme Überraschung: die Dörfler hatten in ihrer Abwesenheit einen kleinen Shunkou-Hecht gefangen. So konnten die Gefährten den gewünschten Beitrag zum Fest zu leisten. Freilich war es nur Hao zu verdanken, dass die Reise keine dramatische Wendung nahm: die Affenpriesterin, versiert im Überleben in der Wildnis, ahnte rechtzeitig einen näherkommenden Sturm voraus. So verbrachten die Abenteurer einen zusätzlichen Tag in Sairan – wo sie die hochgehenden Wellen und die heftigen Windböen, die eine der Hütten abdeckten, glimpflich überstanden. Glücklicherweise erwies sich der Sturm als eine nur kurze Unterbrechung, dann präsentierte sich das Wetter wieder freundlicher. Und so erreichte man nach zwei weiteren Tagen wieder Timog, wobei die Abenteurer nach anderthalb Wochen im Schilfmeer etwas verwahrlost waren…
Wenig überraschend erweckten die drei Boote mit einem guten halben Dutzend Gefangenen Aufsehen, und schnell waren einige Wachen zur Stelle. Gestützt auf Wen und Zhan’s Aussage gelang es Hao schnell, die Wachen von ihrer Version des Abenteuers zu überzeugen. Die Banditen wurden unter Mitnahme der von Ren aufgenommenen Aussagen der Dörfler inhaftiert. Auch das Boot der Banditen wurde als „Beweisstück“ beschlagnahmt. Luo versuchte vergeblich, Anspruch auf diese Beute zu erheben.

Die Ji waren froh, ihre Gäste wiederzusehen und die erwarteten Bestandteile der kulinarischen Festattraktionen zu erhalten. Sie waren von der Geschichte der Abenteurer angemessen beeindruckt. Die Abenteurer ihrerseits waren froh, sicher und unversehrt zurückgekehrt zu sein, sich waschen zu können und wieder in richtigen Betten zu schlafen…
Zhan war den Abenteurern sehr dankbar und zahlte ihnen eine ordentliche Belohnung. Er war zudem bereit, ihnen in Zukunft zu helfen, falls sie Materialien aus dem See und Umland suchten.

In den nächsten Tagen halfen Hao und Ren erneut bei der Vorbereitung des Festes und auch Luo nutzte seine Kontakte. Die Abenteurer lernten zudem den Bräutigam kennen.
In anderer Hinsicht waren die Neuigkeiten weniger erfreulich. Während die einfachen Banditen samt und sondern in einer Strafarbeitskompanie landeten, in der sie die Kanäle Timogs säubern und ausbauen mussten, wurde ausgerechnet ihr Auftraggeber Tang auf „Kaution“ entlassen. Offenkundig war er wirklich gut vernetzt. Das beunruhigte Luo. Er fürchtete, dass der Varg auf Rache aus sein würde, oder zumindest danach gierte, sein magisches Artefakt zurückzuerhalten. Die Schattenklinge versuchte, mehr über den ominösen „Bleichen“ herauszubekommen, den Tang seinen Männern gegenüber erwähnt hatte. Allerdings brachten diese Nachforschungen nichts zutage.
Ren und Hao versuchten, das von Tang erbeutete Horn zu analysieren und zogen dafür einen örtlichen Magier namens Kang zurate. Doch selbst mit dessen Hilfe bekamen sie vorläufig nur heraus, dass es sich um einen relativ mächtigen Strukturgeber handelte Aufgrund dessen und des seltenen Materials, aus dem das Artefakt bestand, schätzte Hao, das der Wert einen Solar betragen mochte. Ren schlug halb im Scherz vor, das Artefakt der Fürstin zu schenken, denn so könne man deren Wohlwollen erringen und entferne eine Zielscheibe vom eigenen Rücken. Wozu etwas behalten, was einem vielleicht sowieso wieder abgenommen werden würde? Doch Hao wollte unbedingt herausbekommen, was das Artefakt bewirkte, und Ren ließ sich überzeugen.

Derweil war der Tag der Hochzeit herangekommen. Die Jis hatten ein wahrhaft opulentes Fest organisiert. Über 200 Gäste waren zugegen, oft in glückbringendes Rot gewandet. Die Zeremonie begann mit der traditionellen Ankunft des Bräutigams. Er erschien mit mehreren Freunden. Bevor er seine Zukünftige zu sehen bekam, musste er einige symbolische Aufgaben erfüllen, etwa Holz hacken und ein Gedicht über die Braut und ihre Familie rezitieren. Der nächste Punkt freilich, eine Laterne auf dem höchsten Giebel des Hauses zu entzünden, war ein wenig heikel, und da dies gestattet war, übernahm Luo diese Aufgabe. Dann erst durften sich Braut und Bräutigam offiziell sehen. Keiner von beiden schien außer sich vor Freude, aber unglücklich wirkten sie auch nicht. Beiden war es wohl etwas unangenehm, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen (von den suggestiven Bemerkungen und Geschenken der Gäste ganz zu schweigen). Anschließend wurde der Ehevertrag verlesen. Die Abenteurer lernten dabei auch die Angehörigen des Bräutigams kennen: die energische Matriarchin Zhafeng Zhi, Zhafeng Shara, die etwas zurückhaltende älteste Schwester der Bräutigams sowie Tran, den Bruder der beiden. Die Hochzeitsgeschenke waren teilweise von beträchtlichem Wert und beinhalteten unter anderen exzellenten Silberarbeiten. Hao erwies sich der Aufgabe, die Zeremonie der Eheschließung durchzuführen, als gewachsen und ihre Worte machten einen tiefen Eindruck.
Nachdem das junge Ehepaar vor dem Hausalter Räucherkerzen entzündet hatte, schloss sich das prunkvolle Festessen an, bei dem auch exotische Speisen nach Art des fernen Selenia serviert wurden. Die Gäste waren bunt gemischt. Zu Luos Freude hatte sich seine Mitschülerin (und nicht so heimliche Liebe) Sun Lin selbst eingeladen.
Weit weniger froh war Ren über einen Gast, den sie sehr gut kannte: Gardistenhauptmann Qui Ruan war unmittelbar vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs Rens erste (und bisher einzige) Liebe gewesen, die aber früh an ihren divergierenden politischen Ansichten gescheitert war. Beide junge Leuten hielten Abstand voneinander, peinlich berührt über das Zusammentreffen.
Ein allgemein bewunderter, vielleicht von einigen aber auch gefürchteter Ehrengast war Kanzler Sima Yu. Der Zwerg hatte schon mehreren Fürstinnen der Kranichprovinz gedient, und nicht wenige sahen in ihm den Drahtzieher von Liu Lulis Allianz mit den Triaden.

Die meisten Gäste amüsierten sich gut. Die Kinder spielten Fangen oder Ratespiele, die Erwachsenen improvisierten Gedichte oder übten sich in Geschicklichkeitsspielen vom Jonglieren bis zum Tanzen auf den Tischen. Hao und Ren hielten sich zurück, während Sun Lin und Luo sich bei den Geschicklichkeitsspielen beteiligten. Das Fest währte bis in die Dunkelheit. In einer Hinsicht war der Bräutigam freilich eine Enttäuschung, da er sich beim Zutrinken zurückhielt. Entweder er vertrug nicht viel oder wollte sich nicht lächerlich machen.
Nach Einbruch der Dunkelheit wurde ein Feuerwerk gezündet. Das Fest würde bei sicherlich im Gedächtnis bleiben, hatte allerdings auch ein großes Loch in die finanziellen Reserven der Jis gerissen. Der Prestigegewinn war natürlich beträchtlich. Ren begann zu überlegen, ob sie nicht in absehbarer Zeit ausziehen sollte, um ihren Verwandten nicht auf der Tasche zu liegen. Sie und Luo waren auf freie Kost und Logis nicht angewiesen.

Wenige Tage nach der Feier trafen Akira und Takur wieder in Timog ein, Sie hatten die Stadt während der Abwesenheit ihrer Kameraden verlassen, um, wie Akira mitteilte, ein „Paket“ abzuliefern. Gemeinsam begann man, die Abreise nach Palitan vorzubereiten, obwohl die Nachforschungen der Abenteurer in Timog Aufsehen erregt hatten…

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #23 am: 10.03.2024 | 10:38 »
Eine Frage der Diplomatie (kleine Spoiler für Mondstahlsuche)
Timog, Kranichprovinz von Zhoujiang (Akira, Takur)

Während Ren, Hao und Luo auf der Suche nach dem verschwundenen Händler waren, erlebten Akira und Takur ein weniger dramatisches Abenteuer. Der Schwertalb hatte sich freiwillig verpflichtet, der Kintari-Botschaft bei der Bewachung des Wurfspeers Myurikos zu helfen, den die Helden kurz zuvor geborgen hatten. Wie Botschafterin Suguri Hanako befürchtete auch Akira erneute Versuche anderer Interessengruppen, den Speer an sich zu bringen. Für die Bewachung des Speers konnte er seinen Freund Takur rekrutieren, auch wenn dem Jaguarkrieger die Angelegenheit weniger wichtig war.
Die Botschafterin stand vor der Frage, wie mit dem Speer verfahren werden sollte. Er konnte auf keinen Fall in Timog bleiben, da dies zu riskant und politisch heikel gewesen wäre. Allerdings sollte der Speer nach Meinung der Botschafterin auch nicht zu weit von dem Ort entfernt werden, an dem er gefunden worden war. Vielleicht hatte die göttliche Myuriko einen speziellen Grund gehabt, den Wurfspeer Richtung Timog und Maishi-See zu schleudern. Damit fiel eine Verschickung des Speers in die inneren Provinzen Kintais (oder gar zurück in die Hauptstadt) weg. Andererseits sollte der Aufbewahrungsort nicht nur sicher und relativ nahe liegen, sondern auch der Bedeutung des Artefakts angemessen sein.
Ein Transport des Speers nach Atasato, der nächstgelegenen Kintari-Großstadt, erschien aus mehreren Gründen unpassend: Die Stadt lag fast 250 Kilometer das Jadeband abwärts und damit zu weit entfernt vom Einschlagsort des Wurgspeeres. Außerdem wurde Atasato de facto von dem „Ring aus Jade und Eisen“ regiert – einem Zusammenschluss der lokalen Händler. Die Botschafterin war nicht gewillt, diesen Emporkömmlingen ein göttliches Artefakt zukommen lassen und sie dadurch politisch aufwerten. Zudem gehörte die Umgebung von Atasato teilweise zum Einflussgebiet des mächtigen Daimyo Gankoda Saburo. Dieser hatte schon einmal versucht, den Speer für seine expansiven Pläne zu instrumentalisieren. Es war besser, ihn nicht erneut in Versuchung zu führen.
Akira schlug vor, den Speer in das auf der anderen Seite des Maishi-Sees gelegene Tsusaka zu schicken. Damit könnte der Speer nur wenige Tagesreisen von seinem Fundort entfernt aufbewahrt werden. Zwar war Tsusaka nur eine Kleinstadt, doch ihr berühmter „schwimmender“ Tempel war seit Generationen ein Aufbewahrungsort für kostbare Artefakte. Nachteilig war freilich, dass Tsusaka von Klan Momoku regiert wurde, der Klan Suguri (und besonders Klan Ranku, Akarias Lehensherren) nicht gerade positiv gegenüberstand. Andererseits galt der Fürst von Tsusaka als besonnen und moderat. Er bemühte sich, gute Beziehungen mit Zhoujiang zu halten und auch die Spannungen mit anderen Kintari-Klans nicht eskalieren zu lassen. Es stand zu hoffen, dass er den göttlichen Wurfspeer nicht missbrauchen würde.

Erst einmal musste freilich ein sicherer Transport organisiert werden. Die Botschafterin sandte einen Brief nach Tsusaka und bat um ein Schiff und den nötigen Begleitschutz.
In der Zwischenzeit halfen Akira und Takur, die Bewachung des Speers zu organisieren. Dass andere an dem Speer interessierte Gruppen noch nicht aufgegeben hatten, war daran zu erkennen, dass die Botschaft immer noch unter Beobachtung durch einige zwielichtig wirkende Gestalten stand. Auf Akiras Vorschlag hin versuchte die Botschafterin, die Stadtwache auf diese Späher anzusetzen, indem sie Furcht vor einem Einbruch oder vor einem Anschlag auf die Botschaft vorschützte (den Speer jedoch unerwähnt ließ). Das Engagement der Stadtwache würde freilich davon abhängen, wie gut vernetzt die Späher und ihre schattenhaften Hintermänner waren. Akira und Takur beteiligten sich zudem an den nächtlichen Wachschichten und Akira empfahl, Besuchende und niederrangige Angestellte der Botschaft regelmäßig zu überprüfen. Er vermutete, dass die Triaden – in denen er eine der an dem Speer interessierten Gruppen vermutete – Mittel hatten, um sich die „Mitarbeit“ auch eigentlich Unbescholtenen sichern zu können.

Neben dem Schutz des Artefakts beschäftigte Akira aber auch eine persönliche Angelegenheit: Durch Luos Informationsnetzwerk hatte Akira von einer mögliche Spur zu dem Schwert seines Vaters erfahren, das bei dessen Ermordung verschwunden war. Vielleicht würde diese Spur zu den Mördern von Akiras Vater führen…
Dem Hinweis Luos folgend traf sich Akira mit dem zu den „Feuerhornissen“ gehörenden Söldner Su Tsa im „Vollem Netz“, einem zwielichtigen Gasthaus. Mithilfe einiger Freigetränke und etlicher Lunare konnte Akira den Zwergen zum Reden bringen. Su Tsa hatte in der Tat eine Waffe gesehen, auf welche die Beschreibung des gesuchten Schwertes passte. Sie war ihm in Silangan von einer Albin namens Zhan Ke zum Kauf angeboten worden, allerdings hatte der Preis über den Möglichkeiten des Söldners gelegen. Su Tsa konnte eine knappe Beschreibung der Besitzerin des Schwertes liefern: sie war noch recht jung, wirkte aber kampferfahren mit ihrem Speer und hatte blonde Haare und graue Augen. Außerdem war dem Zwergen ihr Akzent aufgefallen. Nach Akiras Meinung deutete dies daraufhin, dass die Albin eventuell aus Sadu kam – von wo Akira die Hintermänner der Mörder seines Vaters vermutete. Vielleicht wusste sie also etwas oder hatte gar Verbindungen zu den Verbrechern. Su Tsa berichte zudem, dass Zhan Ke vermutlich beabsichtigte, in Palitan einen Käufer für das Schwert zu suchen. Das war eine gute Nachricht: die Helden hatten ohnehin vor, die kaiserlichen Archive in Palitan aufzusuchen. Allerdings machte sich Akira keine Illusionen. Es würde nicht einfach sein, in der Metropole am Jadeband jemanden Bestimmtes zu finden. Und wer mochte wissen, ob Zhan Ke beim Eintreffen der Helden nicht bereits das Schwert verkauft hatte und weitergezogen war? Diese Überlegungen und die Erinnerungen an den Tod seines Vaters trübten die Stimmung des jungen Schwertalben.

Ablenkung brachte der Entschluss der Botschafterin, die Herrin der Kranichprovinz Liu Luli über die Angelegenheit mit dem göttlichen Wurfspeer zu informieren. Botschafterin Suguri Hanako war der Meinung, dass inzwischen zu viele Personen und Interessensgruppen von dem Speer wussten. Auch wenn der Fürstenhof bisher so getan hatte, als ginge ihn das Ganze nichts an, wollte Hanako die Fürstin lieber in Kenntnis setzen, statt einen ihrer gefürchteten Wutausbrüche zu riskieren oder die Beziehungen der Kranichprovinz mit Kintai zu belasten. Auf Einladung der Botschafterin nahm Akira an der Audienz teil, während Takur zurückblieb, da seine höfischen Umgangsformen zu wünschen übrigließen.

Aufgrund des sumpfigen Untergrundes von Timog, der dazu führte, dass praktisch die ganze Stadt auf Stelzen stand, war der Fürstinnenpalast ein nicht hohes, aber sehr weitläufiges Gebäude. Mit seinen kunstvollen Holzschnitzereien, silbernen Schmuckelementen und Einlegearbeiten und den zahllosen Ziervögeln in silbernen Käfigen sowie den ebenso prunkvollen wie gut trainierten Wachen bot der Palast einen beeindruckenden Anblick. Dennoch beschlich Akira bald ein unangenehmes Gefühl. Ein-, zweimal glaubte er in einem leeren Gang Schritte zu hören, meinte aus dem Augenwinkel huschende Bewegungen wahrzunehmen oder sah, wie sich Vorhänge bewegten, obwohl kein Wind ging. Möglicherweise hatte der Palast nicht nur sterbliche Bewohner – beunruhigend, aber in Zhoujiang mit seinen zahllosen Geistergeschichten nicht ganz unerwartet…
Fürstin Lui Luli empfing die Delegation zum Glück in ausgeglichener Stimmung. Von Akira unterstützt setzte Botschafterin Hanako die Herrscherin der Kranichprovinz über die Geschehnisse um den Wurfspeer Myurikos in Kenntnis. Liu Luli war nicht glücklich, dass sie erst jetzt offiziell über den Fund des Speers informiert wurde. Und sie empfand es als ungerecht, dass Tsusaka ein weiteres wertvolles Artefakt erhalten sollte, hatten die Helden doch erst vor kurzem geholfen, den Spiegel des Molchkönigs Ginleizhu aus den Händen von Piraten zu befreien und ihn zum Tempel von Tsusaka zu bringen. Botschafterin Hanako und Akira versuchten, den Unmut der Fürstin zu beschwichtigen. Zum Glück blieb ihnen einer der Wutausbrüche Liu Lulis – oder gar eine Beschlagnahmung des Speers – erspart. Es war aber offenkundig, dass Liu Luli für ihre Provinz ebenfalls ein machtvolles Artefakt begehrte. Angesichts der wachsenden Bedrohung durch General Wu war es freilich verständlich, dass sie nach übernatürlichem Schutz strebte.

Die temperamentvolle Fürstin der Kranichprovinz blieb allerdings nicht das einzige Risiko. Nur wenige Tage später wurde Takur bei seiner Nachtwache auf eine verdächtige Person aufmerksam, die sich in der Nähe des Botschaftstors zu schaffen machte. Der Jaguarkrieger rief den Fremdling an und überwältigte ihn nach kurzem Kampf – freilich nicht, bevor dieser eine kleine Sprengkugel am Tor der Botschaft zünden konnte.
Der Knall weckte Akira, der zum Tor eilte. Dass das ein Fehler war, erkannte er, als vom hinteren Teil des Botschaftsgebäudes ein weiterer lauter Knall erschallte. Mit einer düsteren Vorahnung rannte Akira zur Schatzkammer der Botschaft: tatsächlich waren die beiden dort postierten Wachleute außer Gefecht gesetzt worden. In der Wand der Schatzkammer klaffte ein Loch. Und ein muskulöser, kahlköpfiger Mann, der Akira bereits aufgefallen war, als die Helden den Speer zur Botschaft gebracht hatten, war gerade dabei, sich mit dem (in einer Truhe aufbewahrten) Speer aus dem Staub zu machen. Offenbar hatten die Diebe eine magische Brücke zum Botschaftsgebäude errichtet, die Wand durchbrochen und mit einem Zauber die Wachen ausgeschaltet. Wütend verfolgte Akira den Dieb, der durch seine Beute verlangsamt wurde, auf die unsichtbare Brücke. Über dem Wasser des Kanals stellte der junge Schwertalb den Dieb und es kam zu einem blutigen Schlagabtausch. Akira erwies sich rasch als der bessere Kämpfer. Doch noch bevor er seinen Gegner überwältigen konnte, löste sich die unsichtbare Brücke plötzlich auf und beide Kontrahenten landeten im Kanal. Da Akira damit beschäftigt war, sich über Wasser zu halten und nach der Speertruhe zu fischen, konnte der verwundete Möchtegerndieb wie auch seine Verbündeten entkommen. Immerhin hatten die Helden den Diebstahl verhindern können.

Der Mann, den Takur überwältigt hatte, erwies sich als ein als Ablenkung angeheuerter Handlanger, der wenig über seine Hintermänner wusste. Immerhin konnte er eine Beschreibung seines Auftraggebers liefern, die von der Botschafterin an die Stadtwache weitergegeben wurde. Akira machte sich angesichts der vermuteten Triadenbeziehungen der Diebe allerdings wenig Hoffnung auf einen Fahndungserfolg. Tatsächlich kam es zu keiner Verhaftung, aber auch nicht zu einem neuen Diebstahlversuch.
Einige Tage später traf das erwartete Kintari-Schiff ein, um den Speer abzuholen. Der Fürst von Tsusaka hatte eines seiner wenigen Kriegsschiffe geschickt: eine massive, kastenförmige Bune, mit dutzenden Schützen und Kämpferinnen an Bord. Die Überfahrt nach Tsusaka verlief unter diesem beeindruckenden Schutz ereignislos. Dort wurde der Speer in einem festlichen Umzug vom Fürsten persönlich zum Tempel gebracht. Irgendetwas schien freilich den Tempelvorsteher zu beunruhigen, der das Artefakt in Empfang nahm, damit es in auf einen würdigen Träger oder Trägerin warten sollte. Vielleicht hatte er Sicherheitsbedenken oder fragte sich, ob es wirklich der Willen der Göttlichen Myuriko war, den Speer nach Tsusaka zu bringen. Falls ihn die Sicherheit des Artefakts beunruhigte, waren seine Befürchtungen möglicherweise nicht unbegründet: In den nächsten Tagen wurden wiederholt große Vögel(?) am Himmel von Tsusaka gesichtet. Waren das vielleicht Späher der Harpyien, die nach dem Wurfspeer suchten, der ursprünglich auf ihrer Insel eingeschlagen war? Falls ja, dann hielten die Wesen vorerst Abstand. 

Akira und Takur verbrachten noch einige Tage in Tsusaka als ehrenvolle, wenn auch nicht prominente Gäste am Hof des Fürsten, bevor sie nach Timog zurückkehrten. Zu seiner großen Erleichterung erfuhr Akira, dass die jüngsten Spannungen zwischen Klan Momoku einerseits und Klan Ranku und Klan Suguri andererseits auch dank der Bemühungen des Fürsten von Tsusaka vorerst beigelegt worden waren. Damit war allerdings nicht jeder einverstanden. Gerade unter den jüngeren, kriegerischeren Adligen gab es offenbar etliche, die einen Schlagabtausch mit den Ranku befürwortet hätten. Dazu gehörte auch Momoku Eiko, die jüngere Halbschwester und Heerführerin des Fürsten von Tsusaka.  Vermutlich auch deswegen (und wegen Akiras Zugehörigkeit zu einem Vasallenhaus von Klan Ranku) verhielt sie sich ihm gegenüber recht abschätzig. Akira versuchte, die Fürstenschwester etwas milder zu stimmen, aber mit begrenztem Erfolg.
Persönlich hielt er wenig von den Kämpfen zwischen den Kintari-Klans. Akira wäre es viel lieber gewesen, wenn sie vereint eine aktivere Außenpolitik betrieben hätten – sei es bezüglich des Bürgerkrieges in Zhoujiang, gegenüber dem Kintai feindlichen Kungaitan und ganz besonders in dem zersplitterten Sadu. Da dergleichen allerdings der isolationistischen Politik des Kaiserreiches widersprochen hätte, behielt er seine Ansichten für sich.
Was Momoku Eiko anging, so bewunderte Akira sie zwar für ihre Heldentaten gegen Piraten und Untiere, hegte allerdings Zweifel, ob sie sich einer Generalin wie Ranku Kane gewachsen gezeigt hätte.
Akira ließ seine Bekanntschaft mit der Kriegerin und Suguri-Agentin Haruko Nakama wiederaufleben, mit der er bei seinem letzten Besuch in Tsusaka eine kurze Affäre gehabt hatte. Beide hielten das Ganze allerdings informell, da keiner an einer festeren Beziehung interessiert war. Takur hingegen nutzte die Zeit in Tsusaka, um sich von den Tempelhandwerkern eine exzellente Glefe fertigen zu lassen, was ihm einen Gutteil seiner Ersparnisse kostete.

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #24 am: 16.03.2024 | 09:22 »
Papierkram
Kranichprovinz, Timog und Umgebung (Akira, Takur, Luo, Ren)

In den Tagen nach der Ji-Hochzeit war Hao recht stark mit ihren priesterlichen Verpflichtungen beschäftigt, sei es in spiritueller Hinsicht oder als Heilerin. Sie und Ihre Gefährten erfuhren nach Akira und Takurs Rückkehr von dem erneuten Versuch, denSpeer Myurikos zu stehlen und dass die Waffe eine neue Heimat im Tempel von Tsusaka gefunden hatte. Akira hatte ein gesteigertes Interesse daran, die Reise nach Palitan vorzubereiten, nachdem er Hinweise erhalten hatte, dass sich die Waffe seines Vaters und jemand, der möglicherweise mehr zu seinem Tod wusste, in der Stadt befinden konnte. Er erzählte seinen Gefährten mehr über die Ereignisse an der Südostgrenze Kintais, wo ein langjähriger Kleinkrieg zwischen Insurgenten aus Sadu und den Schwertalben tobte, was unter anderem das Leben von Akiras Vater gekostet hatte.

Luo verbrachte etwas Zeit mit Sun Lin, vernachlässigte aber nicht seine Recherchen. Er versuchte, mehr über den fischvargischen Söldner Tang herauszufinden, der so schnell aus der verdienten Haft entlassen worden war. Doch seine Kontakte konnten ihm nicht viel Neues verraten. Der Varg war wohl schon längere Zeit in Timog aktiv, doch wusste niemand, wer seine Hintermänner waren, und ob er nun ein Schmuggler oder Pirat war  - oder beides. Auf jeden Fall sollte er Kontakte zu den Triaden haben. Er hieß, er hielte sich weiterhin in der Stadt auf. Die Abenteurer beschlossen, wachsam zu bleiben.

Die Recherchen Luos zu den Gesetzlosen in den Sümpfen waren ebenfalls von begrenztem Erfolg. Die Präsenz bewaffneter Gruppen im Schilfmeer war zwar allgemein bekannt, weniger klar war allerdings ihre politische Zugehörigkeit. Dass einige Wu folgten (wie die Abenteurer vermuteten), ließ sich nicht mit absoluter Sicherheit bestätigen. Nachforschungen unter den Fischern und Vogeljägern ergaben, dass es schon immer bewaffnete Banden im Sumpf gegeben hatte. Früher hatten mehrere Militäreinheiten die Banditen und Piraten in Schach gehalten, doch waren die Truppen während des letzten Jogdarenkrieges abgezogen worden. Der Provinz-Jun war nicht in der Lage, die fehlende Mannschaftsstärke zu kompensieren und die Fürstin überließ die Kontrolle des Schilfmeeres den Söldnern der Triaden. Diese galten als wenig besser als die Banditen und waren auch äußerlich oft kaum von diesen zu unterscheiden. Angeblich kooperierten manche der Söldner mit den Banditen oder waren von ihnen bestochen worden. Deshalb hielten die einfachen Leute zu allen Bewaffneten Abstand. Die Sumpfadligen mit ihren Gefolgsleuten konnten ihre eigenen Burgen verteidigen, aber kaum als Ordnungsmacht in Erscheinung treten. Auch bei ihnen munkelte man, dass manche Abkommen mit den Banden getroffen hatten.

Luos Nachforschungen blieben allerdings nicht unbemerkt und weckten das Interesse von Shan Leng. Dieser Militärbeamte war vor nicht allzu langer Zeit aus der Reichshauptstadt Inani angereist, die gegenwärtig unter der Herrschaft von General Wu stand. Theoretisch war er für alle überregionalen Sicherheitsbelange zuständig - einschließlich der Banditenbekämpfung. Allerdings wurde er wegen seiner Herkunft in dem den Triaden zugehörigen Timog konsequent geschnitten und „residierte“ relativ zurückgezogen und ohne echte Befugnisse in einem Gasthaus.
Ren und Luo interessierten sich für diese Angelegenheit, weil sie mehr über das Machtgefüge in der Provinz erfahren wollten, und auf Möglichkeiten hofften, um Geld und Einfluss zu verdienen. Sie hatten freilich Mühe, Akira zu motivieren, der lieber nach Palitan aufbrechen wollte. Schließlich gab ihm Ren zumindest gewisse Einblicke in ihre Loyalitäten und Beweggründe, was den Schwertalben veranlasste, sie wiederwillig zu unterstützen.

Ren nutzte ihr Ansehen und ihren Stand, um mit einigen der lokalen Sumpfadligen in Kontakt zu treten. Sie und Luo zögerten, mit Shan Leng zu sprechen. Immerhin stand er im Bürgerkrieg auf der anderen Seite und ein Kontakt mit ihm mochte ihrem Ruf abträglich sein. Viel erfuhr sie bei ihren Nachforschungen in der High Society nicht, doch gab es Hinweise, dass der Abzug der regulären Truppen vor einigen Jahren mit irgendeinem – sorgfältig maskierten – Skandal einhergegangen war. Auf diese Weise erfuhr sie zudem von Zuan Lihua. Die Beamte war die Vorgängerin von Shan Leng und inzwischen im Ruhestand. Sie war bereit sich mit Ren zu treffen, die Akira zu dem Treffen mitnahm. Vordergründig lief das Gespräch harmonisch. Die Frau mittleren Alters schien ihren Ruhestand zu genießen. Sie hatte aber keine hohe Meinung von ihrem Nachfolger und besaß noch zahlreiche Kontakte in der Gegend. Ihre Auskünfte blieben jedoch recht vage. Zuan Lihua zufolge war beim Abzug der Truppen nichts Ungewöhnliches vorgefallen. Akira hatte das sichere Gefühl, dass sie da nicht die ganze Wahrheit sagte. Interessant war ihr Hinweis auf einen aktuellen Konflikt, der mit der Entsendung Shan Lengs zu tun hatte. Es ging dabei um eine nicht unerhebliche Menge an Geisterseide:

Seit alters her wurden die Gewänder der hochrangigsten Beamten aus der kostbaren Geisterseide gefertigt, die nur in der Spinnenprovinz zu haben war. Für die Lieferanten galten traditionell einige Zusagen und Privilegien. Mit Ausbruch des Bürgerkriegs beanspruchten sowohl die Kaiserlichen als auch General Wu die bereits bezahlten Seidenlieferungen für „ihre“ Ministerien. Sie versuchten zudem, sich Exklusivrechte für künftige Lieferungen zu sichern. Die traditionellen Handelsprivilegien und Sonderrechte wollten die Konfliktparteien freilich nur für die jeweils gegnerischen oder neutralen Gebiete einräumen, um Geld zu sparen. Naturgemäß hatten die Triaden und Händler kein Interesse an solch leeren Zusagen und unprofitablen Geschäften. So wurden die anstehenden Lieferungen weitestgehend zurückgehalten. Die bereits bezahlte Seide war zwar nach Timog geschafft worden, doch ehe eine Entscheidung über die Richtung des Weitertransportes fallen konnte, war die Seide von Räubern gestohlen worden. Verantwortlich waren angeblich die „Sumpfspatzen“, eine ansonsten verdächtig inaktive Bande. Mit angeblich drei Dutzend Angehörigen zählte die Bande zu den größeren Banditengruppen, doch schien sie nur sehr selten aktiv zu werden. Akira und Ren vermuteten, dass der „Überfall“ inszeniert worden war und die Sumpfspatzen eine Pseudobande waren, die entweder gar nicht existierte oder nur im Bedarfsfall eingesetzt wurde. Ziel der Aktion war es vermutlich gewesen, die Seide erst einmal zu behalten, sie insgeheim zu verkaufen oder aber insgeheim an eine der Konfliktparteien liefern, ohne den jeweils anderen potentiellen Empfänger offen zu brüskieren.

Da die Abenteurer Grund hatten, auch beim Abzug der Schilfmeer-Truppen falsches Spiel zu vermuten, suchte Luo mehr herauszufinden: Gerüchte über besondere Vorfälle, familiäre Kontakte zu den Angehörigen der Soldaten und dergleichen mehr. Er stieß aber nur auf einen Wust wilder Gerüchte. Manche behaupteten gar, eine ganze Einheit sei in einer verfluchten Sumpfburg verschollen. In dieser Situation entschloss sich Ren, sich an ihren Verwandten Ji Dao zu wenden, der als Beamter des Justizministeriums einiges über die Gesetzlosen im Sumpf wusste. Von ihm erfuhr sie recht viel zu der Geisterseide. Von den Vorfällen zur Zeit des Truppenabzugs wusste er allerdings wenig, doch konnte er sich erinnern, dass die Familie Guo – einflussreiche Sumpfadlige, die den Triaden nahestanden – damals in die Vorgänge involviert gewesen war und wohl irgendetwas unter den Teppich gekehrt hatte. Die Familie bestand aus der Matriarchin, drei Kindern und einigen angeheirateten oder in andere Familie ausgeheirateten Verwandten. Hauptrivale der Guo waren die Ka, welche kaiserliche Loyalisten waren und den Triaden ablehnend gegenüberstanden. Ji Dao machte klar, dass in seinen Augen all diese Seidenlieferungen und begrabenen Skandale ein heikles Pflaster waren. Sollte Ren sich weiter umhören wollen, müsse sie vorsichtig sein. Zudem bat er sie, auch die Interessen ihrer Familie nicht zu vergessen, bevor sie zu tief grub.

Luo holte weitere Informationen zu den Familen Guo und Ka ein. Die Guo waren bestens vernetzt und unterhielten gute Beziehungen zur Fürstin und zum Hof. Sie galten als überaus wohlhabend – eventuell dank ihrer Triadenkontakte? Die Ka wiederrum waren sogar mit der Fürstin verwandte: die gegenwärtige (noch nicht sehr alte) Ka-Matriarchin war mit Liu Lulis Bruder verheiratet. Allerdings hatten die Beziehungen zum Hof unter den politischen Veränderungen gelitten. Zweifelsfrei waren die Ka die prominenteste Sumpfadligenfamilie, die sich zu Prinzessin Yi bekannte.
Ren und Akira entschlossen sich, das Wagnis einzugehen mit Shan Leng zu sprechen. Dieser war sofort bereit, sich mit den Abenteurern zu treffen. Er nahm an, dass sie wie er nach verschollenen Unterlagen suchen würden, die ins Archiv in Palitan gehen sollten – offenbar hatte er Luo, Haos und Rens Recherchen zu den kaiserlichen Archiven missverstanden. Während diese in den kaiserlichen Archiven Recherchen zu einer anderen Angelegenheit durchführen lassen wollten, ging es dem Beamten um Militärdokumente, welche die vor wenigen Jahren zur Jogdarengrenze verlegten Truppenkontingente betrafen. Von den eangeforderten drei Einheiten waren nur zwei an der Westgrenze angekommen. Eine dritte Einheit – immerhin ca. 400 Soldaten und Tross – blieb unauffindbar. Die Dokumente zu den Truppen waren angeblich auf dem Transport nach Palitan verloren gegangen – wieder bei einem Überfall der „Sumpfspatzen“. Ren und Akira rätselten, ob man die Truppen heimlich abgeworben und irgendwo im Sumpf versteckt hatte, was aber bei so vielen Leuten kaum möglich erschien. Luo fand zudem keine Hinweise auf mögliche Nachschublieferungen in den Sumpf. Die Einheit schien wie vom Erdboden verschwunden.
Ren unterließ es, dem Beamten konkrete Zusagen bezüglich eines Informationsaustausches zu machen. Als Wu-Loyalist stand er für Ren auf der Gegnerseite des Bürgerkrieges.

Die Helden diskutierten die Möglichkeit, die Guos zu infiltrieren. Luo hielt es für denkbar, jemand aus ihrem Haushalt umzudrehen – doch würde man jemand finden, der wichtig aber auch illoyal genug sein könnte? Dies schien ein gewagtes und sehr zeitaufwendiges Unterfangen. Deshalb entschlossen sich Akira und Ren, erst einmal bei den Ka als potentiellen Verbündeten und Informanten vorzufühlen. Dank Rens Ansehen und Stand sollte es nicht zu schwer sein, eine Audienz zu erhalten.

Akira hielt es angesichts der politischen Verwicklungen für ratsam, Suguri Hanako, die örtliche Botschafterin Kintais zu informieren und sie nach ihrer Meinung zu fragen. Die Botschafterin war an diesen brisanten Informationen sehr interessiert. Die Tochter der gegenwärtigen Ka-Matriarchin war aufgrund ihrer Verwandtschaft mit der Fürstin eine potentielle Erbin der bisher unverheirateten und kinderlosen Fürstin Liu Luli. Mehr über das Mädchen, die Ambitionen ihrer Eltern und den Einfluss der Familie zu erfahren, mochte sich noch als nützlich erweisen. Als Albin war die Suguri daran gewöhnt, langfristig zu planen und wollte anscheinend eine mögliche Alternative für die als recht launische und impulsiv geltende Liu Luli im Auge behalten.

Tatsächlich gelang es Ren, eine Audienz in der außerhalb von Timog gelegenen Sumpfburg der Ka zu arrangieren. Sie ging dabei das Risiko ein, ihre politischen Überzeugungen zu offenbaren und erwähnte auch ihre direkten Kontakte zu den Kaiserlichen. Glücklicherweise waren die Ka tatsächlich Loyalisten. Nachdem Ren für ihren kintaiischen Kameraden gebürgt hatte, kam rasch ein offenes Gespräch zustande. Ren schilderte die bisherigen Ergebnisse der Recherchen und deutete an, dass ihrer Meinung nach viele der recht mysteriösen Ereignisse zusammenhingen. Die Matriarchin Ka Yeiyan stimmte ihr zu. Sie glaubte, dass die ominöse „verschwundene“ dritte Einheit nicht mehr existierte. Die Truppe sei wahrscheinlich im Laufe der Zeit schrittweise immer mehr reduziert worden und hätte schließlich nur noch auf dem Papier bestanden, während das Geld für ihren Sold eingestrichen und die Lieferverträge manipuliert wurden. Sehr wahrscheinlich hatten die Guo eine Hand in der Sache gehabt. Als die Einheiten für den Krieg gegen die Jogdaren nach Westen verlegt wurden, hatten die Guo auf Zeit gespielt. Die Wirren des Bürgerkrieges hatten sie davor bewahrt, aufzufliegen. So hatten sie Zeit gewonnen, und als die inkriminierenden Papiere nach Palitan gehen sollten, hatten sie einen „Überfall“ arrangiert. Ob die Angreifer wirklich die „echten“ Sumpfspatzen waren oder einfach nur der Name benutzt wurde, ließ sich nicht sagen. Das Oberhaupt der Familie Ka glaubte, dass man eventuell die Diebe der Dokumente finden könne. Es habe damals unter den Banditen zweifelsfrei Verletzte gegeben, und der Zwischenfall lag nicht so lange zurück. Vielleicht hatten auch einige der Beteiligten über einen so absonderlichen Überfall geredet? Akira konnte bei dem Treffen ein wenig mehr über Ka Ji, die Nichte der Fürstin erfahren. Das Mädchen war gerade sieben Jahre alt und in den Augen ihrer Mutter weit weniger sprunghaft als die für ihr Temperament bekannte Fürstin. Die Ka planten, das Mädchen mit einem nachrangigen Sohn einer selenischen Grafenfamilie zu verheiraten. Der Schwertalb war ziemlich angewidert über die Korruption im zhoujiangischen Militär- und Beamtenapparat, die seine ohnehin vorhandenen Vorurteile verstärkte.

Indem Luo sein verzweigtes Netzwerk aus Kontakten nutzte, konnte er drei vermutliche Beteiligte an dem Überfall auf die Dokumentenkarawane  ermitteln: He, Kang und Fulong (zwei Menschen und ein Gnom). Während Kang verschollen und Fulong noch in Freiheit und aktiv war, verbüßte He eine Strafe – die er den Abenteurern verdankte, weil er zu der Banditen gehörte, die der Söldner Tang für die Suche nach dem Wurfspeer Myurikos rekrutiert hatte. Es fiel nicht allzu schwer, dank einer kleinen Bestechung ein Treffen mit dem Gefangenen zu arrangieren. He sprach recht offen über den Zwischenfall. Seine Truppe hatte in der Tat die Karawane überfallen. Allerdings war der Angriff ziemlich schlecht gelaufen. Sie hatten ernste Verluste erlitten. Auch ihr Anführer Bi sei getötet worden, der als einziger ihre Auftraggeber gekannt hatte. Deshalb hatten die etwas ratlosen Banditen die in ihren Augen wertlose Beute in einer verlassenen Sumpfburg versteckt und sich zerstreut. Wahrscheinlich waren die Unterlagen immer noch in ihrem Versteck. Wenn man seine Freilassung arrangieren würde, wäre er bereit den Ort zu beschreiben.
Luo malte dem Gefangenen aus, was mit ihm passieren würde, sollte er falsches Spiel treiben. Dann arrangierte er gegen eine Auslöse von 15 Lunaren die Freilassung von He. Nachdem der ehemalige Bandit das Versteck preisgegeben hatte, ließ man ihn ziehen.

Die Gruppe mietete ein Maultier, besorgte sich zusätzliche Ausrüstung für den Sumpfmarsch und brach auf. Fachkundig geführt durch Takur kamen sie relativ gut voran, auch wenn sie sich beim Lagern beinahe selber vergifteten, als sie das falsche Holz für das Lagerfeuer verwendeten. In der Nähe der Sumpfburg stießen sie dann allerdings auf beunruhigende Spuren, die auf einen, wenngleich kleinen, Drachen hindeuteten. Vorsichtig näherte sich die kleine Gruppe dem Ziel – einer verfallenden Palisade, hinter der mehrere verrottete Gebäude zu erkennen waren. Takur und Luo kundschaften voraus und überwanden lautlos die Hindernisse. Tatsächlich fanden sie die Unterlagen in einer etwas erhöht liegenden und deshalb trockeneren Hütte – die sich mit etwa zwei Karrenladungen als recht umfangreich entpuppten. Das Problem war, dass sich in einem anderen Gebäude tatsächlich ein kleinerer Flugdrache eingenistet hatte, der es zweifellos bemerken würde, wenn man versuchte, so viel Material unter seiner Nase herauszuschaffen.
Die Abenteuer beschlossen, dass Takur und Luo die verfallene Burg beobachten sollten, während die anderen und ihr Packtier in sicherer Entfernung warteten. Sollte das Raubtier nicht binnen der nächsten Tage ausfliegen, würden sie einen direkten Angriff vorbereiten. Tatsächlich flog der Drache am zweiten Tag der Wacht zu Jagd aus. Um ein Haar hätte er die Abenteurer entdeckt, doch mit einer guten Portion Glück konnten sie sich verbergen. Dann nutzten sie die Abwesenheit des „Burgherren“, um die Papiere zu bergen. Takur hätte zwar am liebsten dem Raubtier bei der Rückkehr aufgelauert, ließ sich aber überzeugen, dass der Ausgang des Kampfes zu ungewiss für die Abenteurer war.
« Letzte Änderung: 23.08.2024 | 07:29 von Takur »

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #25 am: 16.03.2024 | 09:22 »
Schwer bepackt, aber von Takur gut geführt, bahnten sich die vier ihren Weg aus dem Sumpf, auch wenn Takur selber beinahe in einem Sumpfloch geendet hätte. Reisenden wichen sie aus und boten nach Tagen im Sumpf keinen sehr vertrauenserweckenden Anblick. Die Helden beschlossen, die Papiere zu sichten, ehe sie über das weitere Vorgehen entschieden. Sie kamen vorerst in einem kleinen Dorf unter, auch wenn die Bewohner sie misstrauisch beäugten und möglicherweise selbst etwas zu verbergen hatten. In einer gemieteten Hütte werteten Akira und Ren die Papiere aus, während Luo und Takur - des Lesens unkundig - wechselseitig Wache hielten.
Die Auswertung der Unterlagen gestaltete sich als langwierig. Die Helden sahen ihre Vermutungen bestätigt: Im Laufe der Zeit waren die Soldaten der „verschwundenen“ Wacheinheit versetzt oder im Todesfall nicht abgemeldet worden, um den Sold, die Ausrüstung und Verpflegung zu unterschlagen.
Zwei inzwischen nach Westen versetzte Offiziere schienen die eigentlichen Schuldigen zu sein. Die Familie Guo war offenbar der Hauptprofiteur gewesen. Sollte General Wu davon erfahren, würde dies vermutlich dramatische Konsequenzen für die Offiziere und eventuell auch ihre Familien haben. Die Informationen machten sie damit manipulier- und erpressbar. Zuan Lihua, die letzte zuständige Militärbeamtin, hatte anscheinend versucht, die Ungereimtheiten zu untersuchen, war dann aber gekauft oder durch Drohungen überzeugt worden, bei dem Betrug mitzumachen.
Zusätzlich zu den administrativen Informationen fanden sich auch einige militärische Planungen. Diese waren zwar veraltet, gaben aber einen Einblick in die defensiven Vorbereitungen Zhoujiangs in dieser Region und Überlegungen für die Verteidigung im Fall eines Konflikts mit Kintai.

Die Abenteurer entschieden sich, die Informationen zu den Unterschlagungen an die Familie Ka weiterzugeben. Wenig überraschend war die Aufnahme in der Ka-Sumpfburg diesmal sehr entgegenkommend. Ren und Akira legten die neuen Informationen offen. Sie plädierten dafür, die Informationen zu nutzen, um die Position der Ka zu verbessern und die Guo in Verruf zu bringen, anstatt Fürstin Lui Luli zu diskreditieren. Lady Ka schien das ähnlich zu sehen. Sie ersetzte der Gruppe nicht nur ihre Ausgaben, sondern zeigte sich auch auf andere Weise erkenntlich:
Zum einen stellten sie der Gruppe ein Empfehlungsschreiben für ihre Recherchen in Palitan aus. Wegen der seitens der Ka geknüpften Verbindung nach Selenia hatten sie Kontakte in der Portalstadt. Takur erhielt ein Empfehlungsschreiben der Ka, das ihn vom Stigma des exotischen Fremden befreien sollte. Akiras Appell, die Kooperation mit Kintai zu verbessern, stieß ebenfalls auf bereitwillige Annahme. Ren und Luo hatten mit den Ka potentiell wichtige Verbündete gewonnen, die für die Sache der Kaiserin wirken würden.
Allerdings zeigte sich einmal mehr, dass auch die Abenteurer teilweise unterschiedliche Loyalitäten hatten. Akira gab die in den Dokumenten gefundenen militärischen Informationen insgeheim an die Kintai-Botschafterin Suguri Hanako weiter. Er überließ es ihr, die Ehre dafür einzufahren und sicherte sich damit ihre Dankbarkeit.
Ren ihrerseits nutzte die gewonnene Vertrautheit mit den Ka, um diese als potentielle Verbündete für einen noch vagen Plan zu gewinnen. Sie trat für die Idee ein, dass die Prinzessin Yi positiv gegenüberstehenden Adligen der Region Ehebündnisse mit schwertalbischen Familien anbahnen sollten. Vielleicht könnten auch nachrangigen Kintari-Adlige einzelne Sumpfburgen als Sitz angeboten werden – gerne auf Kosten von Adligen, die mit den Triaden verbündet waren. So würde man hoffentlich wertvolle Verbündete gewinnen. Sowohl die Triaden als auch General Wu mochten es sich zweimal überlegen, einen Konflikt mit Untertanen des mächtigen Kintai zu riskieren. Die Ka waren grundsätzlich interessiert, doch musste so etwas natürlich langfristig vorbereitet werden. Es galt geeignete Partner zu finden, und es musste sichergestellt werden, dass die isolationistische Kaiserin von Kintai dem keinen Riegel vorschob.

Hao erfuhr in den folgenden Tagen mehr über die beunruhigenden Gerüchte zu den „verwehten Seelen“ Timogs. Da in letzter Zeit die Zahl der geistig Verwirrten zugenommen hatte und etliche der Unglücklichen spurlos verschwunden waren, meinten manche, dass sich etwas unter der Oberfläche des Sees rege und dass der aus Kintai geschleuderte Speer Myurikos vielleicht eine Warnung oder Weckruf gewesen sei.
Mindestens ebenso beschäftigte Haos Kollegen in der Unggoy-Kirche allerdings das „Lachende Dutzend“: eine Gruppe Affenpriester, die in der Spinnen- und Katzenprovinz korrupte Beamte, Adlige und Triadenangehörige beraubten und demütigten. Einige von Haos Kolleginnen und Kollegen bewunderten die Bande, andere lehnten ihre Methoden und Vorgehensweise ab oder sahen in ihnen Aufschneider und Betrüger. Hao zählte sich zu den Skeptikern.
Zudem erfuhr sie, dass aus der Affenprovinz ein „Fahndungsaufruf“ an die Priesterschaft des Unggoys gegangen war, der von weiteren Differenzen innerhalb der Kirche zeugte. Gesucht wurde eine rothaarige Albin namens Quinma alias Quiam alias Quiang alias Quiguan alias Quin alias Qiu, die möglicherweise Probleme mit den Behörden hatte. Sie war unbedingt beim nächsten Tempel, aber nicht bei der Obrigkeit zu melden.
Luo, der seine Nachforschungen nach den bewaffneten Gruppen im Sumpf fortgesetzt hatte, konnte abschließend ermitteln, dass es sich bei der Vargin, welche die Abenteurer als mögliche Kommandeurin des Waffenschmuggels identifiziert hatten, möglicherweise um die gefürchtete „Wasserdrachin“ General Wus oder zumindest eine ihrer Kapitänin handelte. Die Bande sollte aus 200 bis 600 Kämpfern auf etwa einem Dutzend leichter Schiffe bestehen.

Dramatischer entwickelten sich die Nachforschungen zu dem magischen Horn, dass die Gruppe kürzlich erbeutet hatte. Eine vertiefte magische Analyse war momentan schwer möglich (zumindest mit den Fähigkeiten und finanziellen Möglichkeiten der Helden), aber Ren konnte eine Expertin finden, die die Inschrift des Horns übersetzte. Die Inschrift war in (fehlerfreiem) Ur-Xienyan verfasst, war aber erst in jüngerer Vergangenheit abgeändert worden - abermals in fehlerfreier Syntax und Rechtschreibung. Dies ließ vermuten, dass entweder ein sehr gebildeter Magiewirker oder aber vielleicht ein Untoter aus Esmoda bzw. jemand mit direktem Kontakt nach Esmodea oder einem alten Geist das Horn geschaffen (und modifiziert?) hatte. Die Inschrift war sehr ominös, ging es doch darum „den Schleier zu zerreißen“ und die gerufenen Geister zu unterwerfen. Die Inschrift endete mit einem unheilverkündenden Spruch:

Geist unterwirft sich dem Willen
Macht unterwirft sich dem Willen
Wille ist Macht
Wille ist Geist
Wille ist Alles
Und der Tod nur der Anfang des Dienstes.

Meisterin Yao Kun vermutete, dass das Artefakt einen Nekromantiezauber beinhaltete, vielleicht auch Teil eines Rituals war. Dies weckte natürlich die Besorgnis von Ren. Mit Nekromantie kannte sie sich nicht aus.  Sie hatte zwar von einigen mächtigen Nekromanten gehört, hielt jedoch keinen von ihnen für vertrauenswürdig, um ihn zu befragen. Auch Hao war sehr beunruhigt. Im Fall der Priesterin wurde ihre Sorge dadurch gesteigert, dass ihr magischer Eichhörnchen-Begleiter dem Horn stets fernblieb und über ihre diffuse telepathische Verbindung deutliche Abneigung gegenüber dem Artefakt übermittelte.

Hao wollte unbedingt herausfinden, was das Horn bewirken konnte, während Ren sich Sorgen machte, Tang oder seine ominösen Hintermänner könnten versuchen, es zurückstehlen.
Allerdings schienen die ursprünglichen Besitzer zunächst eine Verhandlungslösung anzustreben. Ein dunkelhaariger Alb suchte Hao und Ren auf.  Seine Tätowierungen legten nahe, dass er zu den 13 Blättern gehörte, einer auf Piraterie spezialisierten Triade, die mehrheitlich aus Exilanten aus Kintai bestand. Er nannte sich selbst Dschiahn, zweifellos ein Tarnname. Im Namen Tangs forderte er das Horn zurück und bot dafür 40 Lunare als Auslöse. Ren und Hao vertrösteten ihn und beschlossen, Rens ursprünglichen Vorschlag aufzugreifen und das Horn der Fürstin von Timog zu übergeben. Sicherlich würde diese über die Möglichkeiten verfügen, das Horn vor dem Zugriff seiner bisherigen Besitzer zu bewahren.

Es gelang den Helden allerdings nicht, eine direkte Audienz bei der Fürstin zu erlangen, und so landeten Hao und Ren bei Sima Yu, dem zwergischen Kanzler. Dieser nahm das Horn entgegen und dankte den Helden, auch wenn er anmerkte, dass sich das Horn leicht als zweischneidiges Geschenk erweisen könnte. Es blieb zu hoffen, dass Sima Yu und Liu Luli mit dem Horn weise umzugehen verstanden. Der Kanzler deutete an, dass die Abenteurer einen Gefallen offen hatten und belohnte sie mit 30 Lunaren. Sie konnten sich zudem mit „großen“ Siegeln (sprich, von einem hochrangigen Beamten) abgestempelte Passierscheine für ihre Reise nach Palitan sichern und erhielten eine Eskorte, die sie und ihre Gefährten aus Timog hinausbegleiten würde.
Noch ehe Dschiahn zurückkehrte, um die Antwort der Helden einzuholen, brachen die Hao, Takur und Akira gen Palitan auf, um einem möglichen Gegenschlag zu entgehen. Auch Ren und Luo verließen die Stadt, wenngleich nicht direkt nach Osten. Sie würden ein Postschiff auf der Fahrt von Osten nach Westen über den Maishi-See begleiten. Da sie auch auf der Rückreise den Wasserweg nehmen wollten, sollte es möglich sein, zu ihren Kameraden aufzuschließen, mit denen sie sich in Baoshi verabredet hatten, an der Ostgrenze der Kranichprovinz. Vorgeblich wählten die beiden diesen Umweg, um etwas zusätzliches Geld zu verdienen und um Spuren für mögliche Verfolger zu verwischen, insgeheim aber auch um eine Nachricht an eine Agentin der Kaiserlichen in Tangtu zu überbringen. Der überhastete Aufbruch erfolgte sehr zu Luos Leidwesen, der einmal mehr sehr überstürzt von seiner Bekannten (und nicht-so-heimlichen Schwarm) Sun Lin Abschied nehmen musste.

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #26 am: 6.04.2024 | 17:26 »
Begraben und besiegelt
Zhoujiang, Kranichprovinz (Hao, Akira, Takur)

Auch wenn die Helden eigentlich gemeinsam gen Palitan aufbrechen wollten, trennten sich ihre Wege mal wieder zeitweilig. Ren und Luo hatten noch eine persönliche Mission zu erledigen, über deren genaues Ziel sie sich jedoch nicht ausführlich äußerten. Akira vermutete, dass es etwas mit ihren Sympathien im zhoujiangischen Bürgerkrieg zu tun hatte. Vielleicht spielte aber auch eine Rolle, dass Qui Ruan, der junge Stadtgarde-Offizier, der die Helden aus Timog herausbegleitete, eine gemeinsame Geschichte mit Ren hatte, die beiden peinlich zu sein schien. Die Helden verabredeten, sich in Baoshi zu treffen und von dort die Reise nach Palitan fortzusetzen.

Baoshi sollte nicht nur Treffpunkt und Etappenziel für die Reise nach Palitan sein. In der Stadt lebte Ji Xai, eine weitere der zahlreichen Verwandten Rens, deren Ehemann Yuchi als erfahrener Historiker den Helden für ihre Recherchen in den Kaiserlichen Archiven wertvolle Hinweise und vielleicht auch ein weiteres Empfehlungsschreiben geben konnte. Allerdings warnte Ren, dass man bei der Familie ihren Cousin Luo besser nicht erwähnen sollte. Offenbar hatte er als Leibwächter der Tochter von Ji Xai und Yuchi dahingehend versagt, sie nicht am Umgang mit den „falschen Leuten“ gehindert zu haben. Möglicherweise wollten Ren und Luo auch deshalb erst einmal die anderen Helden „vorschicken“.
Bevor die Helden Timog verließen, verabschiedete sich Akira noch von der Kintari-Botschafterin Suguri Hanako, mit der er in den letzten Wochen ein gutes Einvernehmen entwickelt hatte. Sie gab den Helden ihre Glückwünsche auf den Weg und empfahl Akira, in Palitan Kontakt zur dortigen Botschaft Kintais aufzunehmen. Gleichzeitig warnte sie vor den Intrigen Palitans. Dort würde mit hohen Einsätzen und großem Risiko gespielt…
Als die Helden die Stadt verließen, konnte es sich Takur nicht verkneifen, Qui Ruan zu seinem früheren Verhältnis zu Ren auszufragen. Damit legte er freilich den Finger auf eine allzu frische Wunde. Der junge Offizier reagierte ungehalten auf die unsensiblen Fragen des Jaguarkriegers. Auch wenn Akira versuchte, die Lage zu entspannen, fanden sich die Helden bald alleine auf der Straße wieder.

Die nächsten Tage folgten die Helden der Dammstraße, die durch das Schilfmeer von Timog aus nach Osten führte. Der Bürgerkrieg und das Erstarken der Triaden belasteten den Handel: Überlandreisende, die die Provinzgrenzen passieren wollten, mussten Pässe mit sich führen. Reisende wurden an den Provinzgrenzen, an Wachstationen und durch Straßenpatrouillen kontrolliert. Der damit verbundene Aufwand und Zeitverlust wurde durch die wuchernde Korruption verschlimmert, die sich in „Sonder-“ und „Beschleunigungsgebühren“ für den Warentransport oder die Ausstellung von amtlichen Dokumenten niederschlug. Die Helden selber hatten damit allerdings kaum Probleme: dank ihrer Taten in Timog verfügten sie über gute Papiere und da sie mit leichtem Gepäck und wenig Prunk reisten, gab es bei ihnen nicht viel zu holen.
Allerdings war die Herrschaft der Triaden im Südosten Zhoujiangs offenbar nicht unangefochten: Es kursierten Gerüchte über maskierte Krieger in farbenfrohen Schuppenpanzern, die höherrangige Mitglieder der Triaden und Diener der Göttin Gagamba mit äußerster Brutalität angriffen. Da keiner der Helden den Triaden freundlich gegenüberstand und sie bezüglich der Gagamba-Kirche nach dem Zusammenstoß mit der Spinnenkultistin Kuraiko eine gewisse Skepsis hegten, beunruhigte dies die Abenteurer aber wenig.

Die Reise verzögerte sich für einen Tag, als sich die Helden entschlossen, einem in Not geratenen Händler zu helfen: sein Wagen war in den Sumpf geraten, Krokodile hatten den Zugochsen getötet und nun suchte er nach jemanden, der seine Waren bergen half.   
Die Helden folgten dem Mann zu der Unfallstelle. Tatsächlich fanden sie dort den havarierten Wagen und den Kadaver des Zugtiers. Hao beruhigte mithilfe ihrer Magie das an dem Kadaver fressende Krokodil, schnitt den toten Ochsen los und befestigte ein Seil an dem Wagen. Als ein weiteres Krokodil auftauchte, konnte Takur es mit einem gut gezielten Fackelwurf verscheuchen. Mit vereinten Kräften konnten die Helden den Wagen ein Stück aus dem Sumpf ziehen. Er war allerdings stark beschädigt. Die Helden fehlte das handwerkliche Können, um ihn wieder farbereit zu machen. Sie konnten nur die aufgeladenen Töpferwaren bergen und diese mithilfe von zwei ausgeliehenen Trageseln wegschaffen. Zur Belohnung erhielten sie jeder eine kunstvoll verzierte Teeschale.
Als die Helden an diesem Abend in einer Wegherberge rasteten, wären sie beinahe in eine Auseinandersetzung verwickelt worden: die auf die Triaden gemünzten Spottlieder einer vagierende Musikantin stießen bei einigen Gäste auf wenig Zustimmung. Aber Akira schaffte es mal wieder, die Situation zu entschärfen.

Nach einer Reise von etwa einer Woche erreichten die Helden ihr Etappenziel Baoshi. Die Stadt war etwa halb so groß wie Miari und lag an der Ausmündung des Jadebandes aus dem Maishi-See. Dies verlieh der Stadt wirtschaftliche und strategische Bedeutung. Die Triaden hofften offenbar, mithilfe der hiesigen Streitkräfte und Befestigungen zu verhindern, dass General Wu in das östliche Jadeband vorstoßen konnte. Deshalb hatten sie die Befestigungen Baoshis verstärkt und die Stadt zu einem Flottenstützpunkt ausgebaut. Als Zeichen der Macht – und vermutlich als Beobachtungsposten – schwebte über Baoshi weithin sichtbar ein Fesselballon.
Die Stimmung in der Stadt war lebhaft aber angespannt. Offenbar hatte es in letzter Zeit im Hafen Sabotageanschläge gegen, was die Stadtherrin Liu Xu erzürnt hatte. Die Bevölkerung war wegen des Bürgerkrieges, den zahlreichen Flüchtlingen und der starken Söldnerpräsenz beunruhigt. Aufgrund der Nähe zu Kintai war im Straßenbild zahlreiche Kintari zu sehen. Ungewöhnlicher waren die vielen Kungaitani. Wie die Helden später erfuhren, half Kungaitan den Triaden, die berüchtigten Schildkrötenschiffe zu kopieren. Kungaitanische Söldner verstärkten die Truppen der Triaden und Ausbilder schulten Matrosen in der Handhabung der gepanzerten Schiffe und im Einsatz als Seesoldaten. Alleine in Baoshi hielten sich bis zu 300 Kungaitani auf. Unter ihrer Aufsicht waren mindestens drei Schildkrötenschiffe in Bau. Ein viertes war kürzlich durch Sabotage vernichtet worden.
Viele der Fremdländer traten recht herrisch und arrogant auf, was zur Verärgerung der Einheimischen beitrug. Dazu kamen gelegentliche Spannungen zwischen den in Baoshi befindlichen Kintari und den Kungaitani, standen sich beide Länder doch misstrauisch gegenüber. Auch Akira war angesichts der Präsenz Kungaitans alarmiert. Er hegte wie viele seiner Landsleute mehr als nur leichte Vorurteile. Dass Kungaitan sich als Unterstützer der Triaden im östlichen Zhoujiang zu etablieren schien, war beunruhigend – zumal die Handelsnation auch in dem östlich von Kintai liegenden Sadu mithilfe von Söldnern und Agenten aktiv war. Schwebte den Kungaitani eine Einkreisung des Kaiserreiches Kintai vor? Seine Gefährten trieben solche Fragen weniger um, auch wenn Ren und Luo aufgrund ihrer Loyalitäten im Bürgerkrieg von dieser ausländischen Unterstützung für die Triaden sicher nicht begeistert gewesen wären.
Die Kungaitani betrieben zudem Werbung für das politische System ihrer Händlerrepublik. Die Stadtherrin hatte dies freilich bald unterbunden.

Vorerst kümmerten sich die Helden erst einmal um ihr eigentliches Anliegen: Sie suchten Ji Xai und ihren Ehemann Yuchi auf, um ihnen Grüße von Ren zu übermitteln und um Hilfe für die Recherchen in Palitan zu bitten. Zu letzterem war der Historiker Yuchi gerne bereit. Seine Ehefrau bremste den Enthusiasmus und hatte ihrerseits eine Bitte an die Helden: Ihre Tochter Tian arbeitete als Sekretärin im Bauministerium und stand vor der nur alle drei Jahre stattfindenden Auswahlprüfung für eine der begehrten Stellen als Inspektorin. Natürlich halfen die meisten Kandidaten mit dem ein oder anderen „Geschenk“ nach. Aber das Abschneiden bei den Prüfungen spielte dennoch eine Rolle. Die Helden sollten Tian bei den Prüfungen helfen. Derartige Unterstützung zu suchen was durchaus üblich, da man sich als Beamter auch dabei zu bewähren hatte, Helfer zu rekrutieren (ein Vorrecht des Bauministeriums). Der jungen Beamtin war das Ganze peinlich, aber die Helden willigten gerne ein – auch wenn Akira angesichts der in Zhoujiang wuchernden Korruption einmal mehr Mühe hatte, seine Verachtung zu verbergen. Yuchi sah das offenbar ähnlich, Tians Mutter hingegen hatte eine pragmatische Einstellung.
Die Helden konnten sich in dem geräumigen und gut eingerichteten Familienanwesen einquartieren. Sie waren nicht die einzigen Gäste: offenbar hatten etliche entfernte Verwandte der familie vor den Wirren des Bürgerkrieges in Baoshi Schutz gesucht.

Von Tian erfuhren die Helden mehr über die anstehenden Prüfungen: Diese beinhalteten einen theoretischen und einen praktischen Teil, wobei bei letzterem Baumaßnahmen überwacht oder die Sicherheit eines Gebäude abgenommen werden würde. Zwar hatten die Helden keine Bauerfahrung, aber sie würden Tian bei ihren Vorbereitungen und im Umgang mit renitenten Bauleuten oder Hausbesitzern helfen können – und ein Auge auf die Intrigen möglicher Konkurrenten haben. Die Prüfungen würden unter der Aufsicht der Magistratin Yuwen Lai stattfinden, einer Beamtin, die unter der Triadenherrschaft Karriere gemacht hatte und die – wie bei den Beamtenprüfungen üblich – dem Ritus-Ministerium angehörte. 

In den Tagen bis zum Beginn der Prüfung machten sich die Helden mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut: Sie versuchten einen Überblick von den Baumaßnahmen in der Stadt zu gewinnen. So hofften sie abschätzen zu können, was für eine praktische Aufgabe Tian gestellt werden könnte. Allerdings erregte ihr Herumgefrage wenig Zuneigung bei den Bauleuten.
Auch ein Besuch der Bibliothek verlief nicht ohne Zwischenfall: sie begegneten dort Guo Nan, einer der Hauptkonkurrentinnen von Tian sowie Guo Nans Onkel Guo Dan. Da dieser einen höheren Posten bei der Stadtwache hatte, verfügte er wahrscheinlich über Möglichkeiten und Kontakte, um den Wettbewerb im Sinne seiner Nichte zu beeinflussen…
Angenehmer war die Begegnung mit Tians Freund Rong Lu, einem jungen, gutaussehenden Musikanten – auch wenn Tians Eltern wohl wenig begeistert von dem Umgang ihrer Tochter waren.
Dass die angehende Bau-Inspektorin eine Gerichtsverhandlung gegen eine Architektin besuchte, erwies sich als schlechte Entscheidung: die Angeklagte wurde wegen Pfusch beim Bau von Befestigungsanlagen verbannt, ihr Gehilfe umgehend hingerichtet. Dieses Schauspiel war nicht dazu angetan, Tians Zuversicht zu stärken. Akira gab sein Bestes, um ihr Mut zuzusprechen und mit ihr das Zeremoniell für den folgenden Tag durchzugehen.

Am nächsten Tag wurden die Prüfungen im Palastbereich von Baoshi eröffnet. Neben den Prüflingen auf die verschiedenen offenen Stellen und deren Helfern waren auch zahlreiche Familienangehörige anwesend. Wie in Zhoujiang üblich, waren ein Großteil derer, die sich für die höheren Ämter bewarben, Frauen der Ober- oder Mittelschicht. Die Eröffnungszeremonie fand in Anwesenheit der Stadtherrin statt. Besonders beeindruckend waren die Priesterin Tanglangs, der göttlichen Gottesanbeterin, unter deren Schutz alle überlieferten Riten standen und die die Prüfung mit einem Segen eröffneten. Ihre fremdartigen Masken und Bewegungen faszinierten Akira. Sein Gefährte Takur – der aus seiner Dschungelheimat sehr viel blutigere Riten kannte – ließ sich weniger aus der Ruhe bringen.
Der erhabene Eindruck der Zeremonie wurde im Nachhinein beeinträchtigt, als Guo Dan, der Onkel einer von Tians Konkurrentinnen, versuchte, die Helden mit unverhohlenen Drohungen einzuschüchtern. Tian war wegen ihrer guten Leistungen und vor allem wegen der Vernetzung ihrer Familie offenbar eine der Favoritinnen für den Inspektorinnenposten und Gao Dan wollte diesem Risiko für die Kariere seiner Nichte vorbeugen.
Hao und Tian wurden etwas nervös, aber an Akira und Takur prallten die Drohungen ab. Die Vorurteile des Schwertalben bezüglich der in Zhoujiang (und besonders im Einflussbereich der Triaden) wuchernden Korruption erhielten freilich neue Nahrung – und sollten in den nächsten Tagen noch wachsen.

Die erste Aufgabe Tians war es, in der Bibliothek Material für ihre theoretische Prüfung zu sichten. Auf Vorschlag Akiras begleitete Hao die junge Bausekretärin. Die vermeintliche Routineaufgabe erwies sich schwerer als gedacht: jemand hatte „zufällig“ Teile der Berichte und Vorschriftentexte verlegt, mit denen sich die Prüflinge vorbereiten sollten. Hao half bei der Suche nach den fehlenden Schriftrollen, obwohl ihre eigene Schriftbildung nur durchschnittlich war. Dementsprechend dauerte es deutlich länger als erwartet. Auf dem Rückweg zum Familienanwesen wurden die beiden zudem von ein paar Straßenkindern belästigt und mit faulem Obst beworfen. Hao schaffte es, durch ein paar bissige Bemerkungen die Kinder von Tian abzulenken und dann den meisten der fauligen Wurfgeschosse auszuweichen. Hao und Akira halfen Tian bei dem Sichten der Dokumente. Akira vermutete, dass weitere Sabotageversuche folgen könnten. Während er aus seiner Frustration keinen Hehl machte, nahm Hao das Ganze gelassener. Immerhin handelte es sich nur um lästige Nadelstiche.

Am dritten Tag der Prüfung war die Zeit für die erste praktische Übung gekommen: Tian sollte eine Gerbergasse kontrollieren (einschließlich der dazugehörigen öffentlichen Latrine), die Einhaltung der Bau-, Hygiene- und Brandschutzvorschriften überprüfen und arbeitsfähige Bewohner für einen Einsatz des Bauministeriums rekrutieren. Offenbar wurden angehende Bau-Inspektorinnen nicht gerade auf Rosen gebettet. Die Prüfung sollte sowohl das korrekte Anwenden von Vorschriften als auch die Durchsetzungskraft testen, waren doch weder die Kontrollen noch die schlecht bezahlten staatlichen Arbeitseinsätze beliebt. Tian tat sich etwas schwer damit, bestimmend aufzutreten. Die Helden halfen bei dem Feststellen potentieller Mängel und beim Umgang mit renitenten Anwohnern. Sie machten sich dabei nicht beliebt, zumal Tian und ihre Helfer bei Regelverstößen nicht gegen eine „Aufwandsentschädigung“ durch die Finger sahen. Außerdem mussten sie erfahren, dass der Stadtgardeoffizier Guo Dan die Runde gemacht und die Stimmung gegen die Inspektion geschürt hatte. Langsam wurden seine Sabotageversuche lästig. Hao fand besonders bedenklich, dass Guo Dan so gut über die Aufgaben der Prüflinge informiert war. Besaß er Insiderinformationen aus der Prüfungsleitung?

Der nächste Tag beinhaltete den zweiten Teil der praktischen Übung: mithilfe der am Vortrag rekrutierten Arbeitskräfte sollte die Umfassungsmauer eines aufgegeben Tempels abgerissen werden. Sehr schnell stießen Tian und die Helden auf Schwierigkeiten. Etliche der am Vortag rekrutierten Helfer waren auf einmal „erkrankt“. Eine Untersuchung durch Hao enthüllte, dass die meisten nur simulierten. Leider konnte ausgerechnet der stärkste der Rekrutierten Hao austricksen, was die Leistung des kleinen Abbruchtrupps reduzierte. Beim Abholen der Werkzeuge und Wagen gab es das nächste Problem: einer der Fahrer hatte am Vorabend auf Einladung eines gewissen Stadtgardeoffiziers zu tief ins Glas geschaut und war kaum ansprechbar. Zum Glück sprang Hao als Wagenlenkerin ein, da sie gut mit Tieren umgehen konnte.

Der alte Tempel – eine frühere Kultstätte des kaum noch verehrten Drachenfisches – lag außerhalb der Stadt. Der halb überwucherte Weg zum Tempel wurde von dicken Spinnenweben eingerahmt, die einen etwas bedrohlichen Anblick boten. Die Anlage zeigte deutliche Anzeichen von Verfall. Ein gesigeltes Schreiben am Eingang des ummauerten Areals verkündete, dass der Tempel vom Ritenministerium kontrolliert und seine Umwallung für die Demontage freigegeben worden sei. Den Tempel selber sollte der Bautrupp in Ruhe lassen. Der neben dem Gebäude gelegene Friedhof wurde offenbar noch genutzt, vermutlich für Armenbegräbnisse, Hingerichtete und ähnlich Unerwünschte. Zur Beunruhigung aller hatte jemand – oder etwas? – einige Grabsteine umgestoßen oder zerkratzt. Die Leistung der Arbeiter wurde dadurch nicht gerade gesteigert und auch die Helden sahen sich immer wieder sichernd um. Akira half Tian bei der Koordination der Arbeiter, während Takur beim Abriss der Mauer mit Hand anlegte. Mit vereinten Kräften kamen die Arbeiten dann doch recht gut voran. Hao behielt derweil die Umgebung im Auge.

Es war Takur, dem der goldfarbige Vogel auffiel, der den Tempel von einem nahegelegenen Baum beobachtete. Hao identifizierte das Tier als einen Sonnenvogel. Den Legenden nach tauchten diese Tiere an Orten auf, an denen Unheil drohte, weshalb sie teilweise als Unglücksboten verschrien waren. Das war freilich ungerecht, weil sie das Unrecht nicht herbeiriefen, sondern im Gegenteil es meist zu verhindern suchten. Auf jeden Fall aber verhieß der Vogel eine nahe Gefahr…
Alle waren erleichtert, dass die Abbrucharbeiten an der alten Tempelmauer bereits am Nachmittag beendet werden konnten. Allerdings entschlossen sich die Helden, noch etwas vor Ort zu bleiben, um mehr über das anscheinend drohende Unheil zu erfahren und es vielleicht sogar zu verhindern. Hao musste freilich erst einmal mit dem Bautrupp nach Baoshi zurück, da sie ja einen der Wagen des Bautrupps übernommen hatte. Sie versprach, so bald wie möglich auf ihrem kürzlich erworbenen Zhu-Schreiter zurückzukehren. Tian wollte beim Ritenministerium über das Erscheinen des Sonnenvogels Bescheid geben. Ihren Kameraden war es nicht Recht, dass Hao den Weg zurück zum Tempel würde alleine zurücklegen müssen. Zum Glück gelangte der Bautrupp aber ohne Probleme nach Baoshi, und auch Haos Ritt zurück zum Tempel verlief ohne Probleme. Sie brachte die Rüstungen und Waffen mit, die die Helden in Baoshi zurückgelassen hatten.

Wieder vereint und besser ausgerüstet durchsuchten die Helden die Umgebung des Tempels und die Tempelruine. Sie fanden jedoch nichts Auffälliges. Die Helden beschlossen, am nächsten Morgen noch einmal eine gründlichere Suche vorzunehmen und schlugen ihr Nachtlager unter freiem Himmel auf. Allerdings kamen sie kaum zum Schlafen: der Sonnenvogel wurde nach Einbruch der Dunkelheit immer unruhiger. Und der Wind, der zwischen den Friedhofsteinen und durch das löchrige Dach des Tempels pfiff, erinnerte unangenehm an das Klagen verlorener Seelen. Endgültig war es um den Schlaf geschehen, als Akira und Takur auf dem Friedhof schattenhafte Bewegungen auszumachen meinten. Sie unternahmen allerdings erst einmal nichts, sondern warteten lieber bis zum Morgen.

Sobald es hell wurde, untersuchten die Helden noch einmal den Friedhof. Erst jetzt fiel ihnen auf, dass bei einem der Mehrfachgräber – vermutlich für Hingerichtete oder im Gefängnis verstobene Strafgefangene – die Erde nicht wie eigentlich zu erwarten eingesunken war, sondern aufgeworfen wirkte. Hao kehrte noch einmal auf ihrem Zhu-Schreiter nach Baoshi zurück, um Werkzeuge für eine Untersuchung der Gräber zu organisieren. Dort erfuhr sie von Ji Tian, dass diese wie versprochen beim Ritenministerium Meldung gemacht hatte. Sie war jedoch abgebügelt worden: Das Erscheinen irgendeines mythischen Vogels sei kein Grund zur Sorge. Der Tempel sei erst kürzlich ordnungsgemäß untersucht worden. Es gäbe von Seiten der Behörden keinen Grund für Untersuchungen oder weitere Maßnahmen. Die Helden waren also auf sich alleine gestellt.
Mit den von Hao organisierten Werkzeugen machten sich Akira und Takur ans Graben. Der Sonnenvogel flog näher und wirkte mit jedem Spatenstich wachsamer, was auch die Helden alarmierte. Der zuerst nur schwache Verwesungsgeruch wurde von Minute zu Minute stärker. Akira versicherte sich, dass sein Schwert locker in der Scheide saß, während Takur seine Glefe neben seinem Arbeitsplatz in den Boden rammte. Bald legten die beiden die erste Leiche frei: den kopflosen Körper des vor wenigen Tagen hingerichteten Baugehilfen. Seltsamerweise war sein Leib bereits extrem stark verwest. Wenige Augenblicke später bemerkte Akira, dass sich der Erdboden wellenartig bewegte, als ob sich darin etwas regte. Er schrie eine Warnung und die Helden griffen zu ihren Waffen – gerade rechtzeitig, bevor vier stark verweste Untote aus dem Erdboden brachen. Der abscheuliche Anblick brachte Hao aus der Fassung und auch die beiden Krieger waren verunsichert und verpatzten ihre ersten Angriffe. Binnen Sekunden musste der ungerüstete Akira einen hässlichen Biss kassieren, während Takur von einem anderen Untoten gepackt wurde. Die verängstigte Hao zögerte, direkt in den Kampf einzugreifen und half ihren in Not geratenen Kameraden mit einem Segensspruch. Nur mit knapper Not entging Takur einer Verwundung, während Akira einen weiteren heftigen Treffer kassierte. Ebenso hilfreich wie Haos Segen war das Eingreifen des Sonnenvogels, der einen der Untoten mit einem magischen Angriff fällen konnte.
Dadurch bekamen die Helden etwas Luft: die nächsten Hiebe Akiras waren zielsicherer und Takur konnte sich befreien. Zusammen mit Haos Eingreifen in den Kampf wendete sich das Blatt und die Angreifer konnten einer nach dem anderen niedergestreckt werden. Hao kümmerte sich um die hässlichen Wunden ihres schwertalbischen Kameraden. Sie befürchtete eine Infektion, gegen die ihre Heilzauber nicht viel ausrichten würden. Nachdem die gefällten Untoten zur Sicherheit alle geköpft und wieder verscharrt worden waren, machte sich die etwas erschütterte Gruppe auf den Weg nach Baoshi. Der Sonnenvogel begleitete sie in einigem Abstand. Offenbar sah er seine Aufgabe als erfüllt an.

In Baoshi machten die Helden bei den Behörden Meldung. Akira sollte sich im Ji-Anwesen isolieren und ein örtlicher Arzt die Wunden begutachten. Bald bestätigte dieser Haos Befürchtung: Akira hatte sich mit Blutfluss infiziert, einer ebenso gefährlichen wie langwierigen Krankheit. Mit Unterstützung eines hinzugezogenen Amtsarztes, Haos und später der in Baoshi eingetroffenen Ren konnte Akira die Krankheit besiegen, die ihn freilich mehrere Wochen niederstrecken sollte.
Damit fiel er auch als Unterstützung für Tian aus, deren Prüfungen inzwischen weitergingen. Hao tat ihr Bestes, die junge Frau zu unterstützten und moralisch aufzubauen.

Noch bevor die Prüfungsergebnisse bekannt wurden, erhielt die Familie Ji Besuch durch die Magistratin und Prüfungsleiterin Yuwen Lai. Diese befand sich in einer etwas unangenehmen Situation: Ihr Ministerium hatte nicht nur die Meldung Tians bezüglich des Sonnenvogels und der drohenden Gefahr ignoriert, sondern zuvor auch den Tempel kontrolliert. Das Erscheinen der Untoten drohte die Beamtin in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen.
Wenig überraschend hatte sie bereits eine Lösung für dieses Dilemma: Wenn die Helden die Situation in ihrem Sinne darstellen und ihren Bericht unterstützten, würden sie nicht nur eine Belohnung erhalten – ihre Kooperation und Tians Rolle dabei würden bei der Prüfungsbewertung „wohlwollend berücksichtigt“ werden. Yuwen Lai brauchte nicht auszuführen, was die Alternative für Tians Karrierehoffnungen wäre, falls die Helden sich als renitent erwiesen.
Wohl oder Übel – im Fall Akiras mit einem deutlichen Zähneknirschen – stimmten die Helden zu. Auch wenn ihnen diese Entscheidung eine Audienz bei der Stadtherrin, eine Belohnung und die Dankbarkeit der Ji-Familie einbrachten, hinterließ die Geschichte zumindest bei Akira einen bitteren Nachgeschmack. Seine gegenüber den anderen Helden unverhohlen geäußerte Verachtung für die Intrigen und Korruption in Zhoujiang verärgerten wiederum Ren. Auch wenn sie die Triaden ebenfalls verachtete, sah sie sich in ihrem Nationalstolz gekränkt und hielt Akiras Glaube an die moralische Überlegenheit Kintais und dessen schwertalbischer Oberschicht für ungerechtfertigt. Natürlich kümmerte sie sich trotzdem um ihren erkrankten Kameraden, aber es gab den einen oder anderen energischen Wortwechsel.

Hao interessierte sich vor allem auch dafür, WARUM die Untoten überhaupt aufgetaucht waren, doch erhielt sie darauf keine befriedigende Antwort. Magistratin Yuwen Lai merkte an, dass der Tempel schon vor einiger Zeit entweiht worden sei – ohne näher darauf einzugehen – und dies vielleicht böse Geister angezogen hätte. So blieb die Angelegenheit ein wenig rätselhaft…

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #27 am: 20.04.2024 | 07:26 »
Botschaften und Nebenwege
Maishi-See, Jadeband und Tangtou (Ren und Luo)

Die Aufgabe, ein Postschiff auf der Fahrt über den Maishi-See zu begleiten und zugleich Post für die kaiserlichen Agenten im Grenzbereich von General Wus Einflusssphäre zu schmuggeln, entpuppte sich für Ren Ji und Luo Xi als gefährlicher als vermutet. Die „Schwalbe“ unter Kapitän Hu wurde südlich von Jangmian von einem Piratenschiff angegriffen. Obwohl Luo, Ren und ihre drei Söldnerkollegen erbitterten Widerstand leisteten, wurde das Schiff einzig durch das Eingreifen der „Strahlenden Morgenröte“ gerettet. Dabei handelte es sich um eines der wenigen schweren Schaufelradkriegsschiffe der Kranichprovinz unter dem Kommando von Kapitän Fong. Die arg gerupften Piraten entkamen mit knapper Not. Die beschädigte „Schwalbe“ musste zunächst die eigenen Schäden ausbessern, ehe sie an eine Weiterfahrt denken konnte. Obwohl verwundet, packten die beiden Abenteurer mit an: Luo bei den Reparaturen und Ren, indem sie zwei Schwerverwundete stabilisierte. Nach einem kurzen Verhör der Augenzeugen drehte die „Strahlende Morgenröte“ ab und nahm einige Verwundete mit nach Jangmian, während die „Schwalbe“ ihre Fahrt fortsetzte. Kapitän Hu hatte es nicht nur wegen der Verspätung eilig. Er fürchtete auch, die Piraten könnten zurückkehren. So segelte er auch in der Dunkelheit weiter, bis er Einmündung des Jadebandes in den Maishi-See erreichte. Der hier bereits recht breite Strom war am Süd- wie am Nordufer durch ein Fort gesichert, das von Soldaten Kintais respektive Zhoujiangs (Fraktion Wu) besetzt war. Leuchtfeuer auf beiden Flussufern wiesen jenen den Weg, die töricht genug waren nachts zu segeln.

Die „Schwalbe“ wurde von einem Wachboot der Truppen Wus kontrolliert. Das schmale, flachgehende Segel-/Ruderboot mit ca. 30 Ruderern und Soldaten verfügte über einzelne Flammenlanzen als Bewaffnung. Der kommandierende albische Offizier, Leutnant Lang, überprüfte die Ladung und die Passagiere, ohne dabei – wie in den Triadengebieten üblich - zusätzliche „Gebühren“ oder Gefälligkeiten zu verlangen. Offenbar gab es allerdings eine längere Liste zu besteuernder oder gesperrter Güter. Der Offizier stellte die junge Fähnrich Kin Di mit fünf Soldaten als Begleitschutz bis Tangtou ab, gegen die Widerworte von Kapitän Hu und wohl auch zum Missfallen der Fähnrich. Die beiden Abenteurer überstanden das Verhör ohne Aufsehen zu erregen und wurden mit dem einzigen noch kampffähigen Söldner in den Wachdienst eingebunden. Am nächsten Tag setzte das Schiff die Reise fort. Bei Tage war zu erkennen, dass das Wachfort Platz für mehrere hundert Soldaten bot und mehrere Wachboote sowie eine Kriegsdschunke beherbergte. Zudem verfügte die Festung über mehrere Steinschleudern und ein oder zwei Kanonen.
Luo plauderte mit den beiden Soldaten seiner Wachschicht und erfuhr, dass es sich um frisch rekrutierte Kräfte handelte. Sie beschrieben ihren Kommandeur als kompetent, Kin als etwas pedantisch, und beneideten die Kaperer auf dem Maishi-See um ihren weniger eintönigen und aufgrund von Beuteanteilen auch lukrativeren Dienst.

Die Fahrt das Jadeband hinauf ging aufgrund der Gegenströmung und nur mäßigem Wind nur langsam vonstatten. Der Verkehr auf dem Fluss war rege: Fischerboote, Handelsschiffe und einige Kriegsschiffe passierten die „Schwalbe“. Während Luo in seiner Freiwache mit den Soldaten plauderte, die allerdings von Fähnrich Kin zu ständiger Bereitschaft ermahnt wurden, befragte Kin Ren zu Neuigkeiten aus dem Osten. Ren blieb vage und vermied brisante Themen. Ihrerseits erfuhr sie von der Offizierin einiges zu den Piratenaktivitäten auf dem Jadeband.
Ursprünglich hatte man darauf gehofft, bis zum Abend Tangtou zu erreichen, doch das Schiff lief auf ein Hindernis. Glücklicherweise schlug die „Schwalbe“ nicht leck, lag aber erst einmal fest. Luo nahm es auf sich, tauchend das Hindernis zu erkunden. Offenkundig war hier ein Boot versenkt worden. Da es mit Steinen beladen war, handelte es sich eventuell um eine gezielte Sabotage oder eine improvisierte Sperre. Es gab einige Verletzte an Bord, die Ren mit gemischtem Erfolg behandelte.

Während man erfolglos versuchte, andere Schiffe auf die Notlage aufmerksam zu machen, entschied Fähnrich Kin, einen Läufer um Hilfe loszuschicken. Luos Angebot, diese Aufgabe zu übernehmen, ging nach hinten los, weil er ungewollt die Unteroffizierin beleidigte. So wurde an seiner Stelle ein Matrose gesandt und er zu einer Doppelwache verdonnert. Er schluckte die Kränkung herunter und versah klaglos seinen Dienst, während Ren die Zeit nutzte, sich etwas mit dem Kapitän anzufreunden.
Luo erhielt die Chance, die Scharte auszuwetzen, als er in der Nacht die Schemen näherschleichender Bewaffneter gewahrte. Er alarmierte Fähnrich Kin und die Wachen, doch als die Soldaten sich kampfbereit machten, traten die potentiellen Angreifer sofort den Rückzug an. Luo schoss ihnen hinterher und traf. Eine Nachsuche am nächsten Morgen erbrachte keine eindeutigen Spuren. Luo war aber wieder im Ansehen gestiegen. Gegen Mittag traf ein Patrouillenschiff unter Kapitän Koda ein, welches der Läufer alarmiert hatte. In einem gekonnten Manöver wurde die „Schwalbe“ aus ihrer Notlage befreit. So erreichte das Postschiff endlich (wenn auch mit deutlicher Verspätung) Tangtou. An eine schnelle Rückreise war wegen der Verwundeten und Schäden erst einmal nicht zu denken. Luo und Ren erhielten ihre Bezahlung und machten sich auf, ihre Botschaft zu überbringen.

Tangtou war mit fast 40.000 Einwohnern nach Inani die zweitgrößte Stadt der Provinz der Geflügelten Schlange, die das Herz des Machtbereiches von General Wu darstellte. Wegen der überall verwendeten blauen Dachziegel nannte man sie die „blaue Stadt“. Sie war einerseits ein Wirtschaftszentrum, da sich hier große Schleusenanlagen befanden, um die Wasserfälle des Jadebandes zu überwinden. Zudem war die Stadt als ein künstlerisches Zentrum bekannt. Die kaiserliche Ausstellung und die durch Kreativität und Magie geformten lebenden Bilder wurden weithin gerühmt.
Kontaktfrau der Abenteurer war Liao Duan, eine Albin mit silbernem Haar und mädchenhaften Auftreten. Die Dichterin mit guten Beziehungen zur örtlichen Oberschicht- und Künstlerszene war anfangs etwas misstrauisch, ließ sich aber vom Losungswort und Rens Beredtheit überzeugen und bot den Helden Quartier an. Man tauschte Informationen aus der Kranichprovinz und dem Maishi-See (Ren und Luo) respektive der Provinz der Geflügelten Schlange aus. Wiewohl Loyalistin, konnte Liao nicht umhin, einige Erfolge General Wus anzuerkennen. In der Provinz herrschte Ordnung und die Versorgung war geregelt. Freilich konnten sich „unproduktive Elemente“ schnell im (Zwangs-)Arbeitseinsatz finden, und die verbesserte Schulbildung diente auch der Indoktrination. Detaillierte militärische Informationen besaß die Albin nicht. Die Werften Tangtous waren gut bewacht und so mancher Möchtegern-Spion oder Saboteur hatte angeblich ein schlimmes Ende gefunden. Die Gerüchte über die künftigen Pläne Wus waren widersprüchlich. Diplomatisch hatte Wu keinen Erfolg gegenüber Esmodas gehabt, auch Kintai blieb zurückhaltend – und die Jogdaren waren sein eingefleischter Feind. Zweifellos wurde viel Geld in den Ausbau der Flotte wie der Terrakottakrieger gesteckt, nur was Wu genau damit plante blieb offen. Manche meinten, er wolle gestützt auf moderne Waffen erneut gegen die Jogdaren losschlagen. Angeblich suchte er weiter nach ausländischer Hilfe, unter anderem angeblich in Jagodien, Dalmarien und dem Shahirat Shahandir. Andere mutmaßten, er wolle Druck auf die Fangschreckenprovinz ausüben, um die Grenze zu den Jogdaren zu sichern. Und manche vermuteten, er wolle gen Osten entlang des Jadebandes expandieren. Zwar war er auf dieser Achse bei einem früheren Vorstoß in der Schlacht am Blauen Felsen zurückgeschlagen worden, doch mit einer stärkeren Flotte mochte es diesmal anders laufen. Dafür sprach auch, dass die Oberschicht und das Militär keine hohe Meinung von den Triaden hatten. Behindert wurde Wus Aufrüstung allerdings durch ein Ausfuhrverbot von Feuerwaffen aus Kintai.

Die beiden Kuriere lebten im Haus der Künstlerin, und diese ging mehrfach mit Ren aus, um ihr die Sehenswürdigkeiten der Stadt zu zeigen. Die beiden Frauen freundeten sich ein wenig an. Luo trieb sich eher im Hafen und den einfacheren Vierteln herum. Mit Hilfe Liaos fand Luo eine günstige Transportmöglichkeit gen Osten.
Doch ehe sie diese Möglichkeit ergriffen, gab es beunruhigende Nachrichten:
Ein Agent der Kaiserlichen, ein Schreiber namens Rong Kao war verhaftet worden, als er unter falscher Identität im Umland unterwegs gewesen war. Unter Folter und Magie würde er sicherlich bald zu Reden anfangen. Deshalb galt es, seine Wohnung nach brisantem Material zu durchsuchen, dieses zu sichern oder, falls die Wohnung bereits unter Beobachtung stand, den Unterschlupf zu zerstören.

Liao Duan kannte Rong Kao nicht persönlich und wusste nur die ungefähre Adresse von Rongs Wohnung. Mit ihrer Unterstützung gelang es Luo aber, das Ziel auszumachen. Der Schreiber-Spion lebte nahe dem Hafen. Hier waren die Gassen kaum breit genug für einen Karren, die Häuserblocks vier Stockwerke oder höher und meist um einen Innenhof gebaut. Es wimmelte von kleinen Garküchen und Arbeiterquartieren.
Die Abenteurer verkleideten sich und observierten zunächst den Block, für den Fall, dass er bereit von Wus Geheimpolizei überwacht wurde. Es fand sich jedoch kein Anzeichen dafür. Natürlich mochte sich das schnell ändern und so schritten sie zur Tat. Luo übernahm den Einbruch. Angesichts des schlechten Wetters entschied er sich gegen einen Einstieg über das Dach, sondern schwindelte sich in das Gebäude hinein. Es kostete ihn einige Mühe (und beschädigte seine Dietriche), das Schloss an der Wohnungstür zu knacken. Die Zweiraum-Wohnung war nur kärglich eingerichtet und enthielt auf den ersten Blick nur Kleidung, Schreibutensilien, etwas Geld und ein paar Schriftrollen, darunter einige erotische Gedichte und Zeichnungen. Bei genauerer Nachsuche entdeckte Luo ein Geheimfach unter einer Diele. Bei der vorsichtigen Untersuchung stellte sich heraus, dass es mit einem Alarmdraht gesichert war. Luo entschärfte die installierte Brandkugel und barg den Inhalt: einige Lunare, ein Pass für einen Kao Feng (vermutlich ein Deckname) mit echt wirkendem Siegel, einige verschlüsselte Dokumente sowie die Signalements einiger Beamter und Offiziere. Luo nahm das Gefundene mit sich und entwich unbemerkt aus dem Gebäude.

Seine Funde übergaben die Abenteurer Liao Duan. Luo wollte sich nicht am Unglück eines Mitstreiters bereichern, so dass er nur die Brandkugel behielt. Kurz darauf traten Ren und Luo die Reise nach Osten an. Ein Schiff würde sie nach Baoshi bringen. Die beiden waren froh, Wus Einsatzgebiet unbehelligt verlassen zu können.

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #28 am: 5.05.2024 | 09:38 »
Begegnung am Wegesrand
Zhoujiang, Kranichprovinz (Hao, Luo, Ren)

Akiras Krankheit hielt die Abenteurer für mehrere Wochen in Baoshi fest. Der junge Schwertalb litt nicht nur unter der Krankheit selber, der Blutfluss war auch eine recht würdelos Krankheit. Zumindest verlief seine Heilung gut, sodass er bald in keiner unmittelbaren Gefahr mehr war.
Hao besichtigte die Sehenswürdigkeiten der Stadt. Als sie sich zu langweilen begann, entschloss sich die Affenpriesterin, mehr Zeit beim Training ihres Zhu-Schreiter zu verbringen. Sie sammelte Heilkräuter und half bei der Betreuung von Flüchtlingen. Ren unterhielt sich mit Yuchi, an dessen Forschungen zum Krieg der Zwillingskaiserinnen sie auch aus persönlichen Gründen Interesse hatte, führte ihr Cousin Luo doch eine Klinge, die damals gefertigt worden war. Luo selber schaute wohlweißlich nicht vorbei, da er sich bei seinem letzten Aufenthalt in Baoshi nicht im Einvernehmen von der hiesigen Ji-Familie verabschiedet hatte. Er stellte ähnlich wie zuvor Akira Nachforschungen zu den Kungaitanis in Baoshi an, um mehr über diese neuen Verbündeten der Triaden zu erfahren. Es war offenkundig, dass es sich nicht nur um Söldner handelte, sondern vielmehr um eine Art halbverdeckte Militärhilfe. Die Anwesenheit so vieler Auswärtiger (Söldner wie Flüchtlinge) stellte eine große Belastung für die Stadt dar. Die Preise waren auch aufgrund der Kriegsvorbereitungen deutlich gestiegen. Dinge wie Eisen und Textilien ließen sich kaum noch beschaffen. Zudem wurden die Quartiere knapp, und die Einwohner beklagten eine gestiegene Kriminalität. Die von staatlicher Seite sporadisch angeordneten Arbeitseinsätze der Bevölkerung, die neben öffentlichen Aufgaben auch für die Instandsetzung der Befestigungsanlagen herangezogen wurden, waren ebenfalls unbeliebt. Die Kungaitani traten arrogant auf und gerieten gelegentlich mit Besuchern aus dem nahen Kintai aneinander. Dazu kam die unterschwellige Angst vor Saboteuren und Spionen, ob diese nun aus Kintai oder von einer der feindlichen Bürgerkriegsfraktionen stammen mochten.

Im Laufe der nächsten Tage bekamen die Abenteurer das Gefühl, dass sie die Gastfreundschaft der örtlichen Ji-Familie langsam überstrapazierten. Sie waren länger geblieben als geplant, konnten sich aber auch nicht einfach andere Quartiere suchen. Zum einen, weil das in der überfüllten Stadt schwierig war, zum anderen wäre ein Auszug unhöflich gewesen. So nahmen Hao, Ren (und Luo, auch wenn der nicht bei den Jis wohnte) gerne das Angebot an, die inzwischen zur Inspektorin beförderte Ji Tian auf ihrer ersten Mission zu begleiten. Takur wollte Akira Gesellschaft leisten und rechnete auch nicht damit, dass auf der Reise seiner Kameraden irgendetwas Aufregendes passieren würde. Tian sollte ein halbes Dutzend Wagen und ein halbes hundert Arbeitskräfte – teils Flüchtlinge, teils Strafgefangene – zum „Turm des Silbernen Falken“ eskortieren. Diese Festung lag nordwestlich von Baoshi und bewachte die Einmündung des Lianxuhe in das Weihei-Schilfmeer. Da die Helden ohnehin nicht gen Palitan aufbrechen konnten, ehe Akira marschfähig war, würde der Abstecher keinen Zeitverlust bedeuten. Die Helden konnten sich bei den Gastgebern erkenntlich zeigen und ein wenig Geld verdienen. Die Reise würde etwa eine Woche dauern.

Während Hao mit mäßigem Erfolg versuchte, in ihrer Rolle als Priesterin die Teilnehmenden der Expedition zu ermutigen, half Luo bei der Organisation der Karawane. Weder die in Fesseln marschierenden Sträflinge, noch die rekrutierten Flüchtlinge wirkten enthusiastisch. Da nur ein halbes Dutzend Wachen zum Schutz der Kolonne abkommandiert worden war, kam die Verstärkung durch die Helden gerade Recht. Ren sorgte angelegentlich für einen dramatischen Auftritt ihres „Höllenhundes“, um fluchtwillige oder renitente Strafgefangene zu entmutigen. Hao führte die Karawane kompetent, und da das Wetter gut war, kam man gut voran. Reisende Bauern ließen sich gelegentlich frische Nahrungsmittel abhandeln, um die karge Reisekost aufzubessern. Luo und Ren halfen beim Wachestehen, und die Reisegesellschaft erreichte ihr Ziel planmäßig und ohne Zwischenfälle.
Der Turm des Silbernen Falken hatte definitiv schon bessere Tage gesehen. Die Festung war unterbemannt, die namensgebende weiße Bemalung der Mauern blätterte ab. Mit einem massiven Bergfried, Maueranlagen und Vorwerken (die freilich in einem schlechten Zustand waren) war die Anlage theoretisch recht wehrhaft, aber die zusätzlichen Arbeitskräfte wurden offenkundig dringend gebraucht. Luo, der sich ein wenig umsah, hatte den Eindruck, dass es auch mit der Moral der Besatzung nicht zum Besten stand. Es handelte sich nicht gerade um Elitetruppen. Tian verabschiedete sich freundlich von den Abenteurern und wünschte ihnen alles Gute. Angesichts des Zustandes der Verteidigungsanlagen würde sie eine Weile zu tun haben, und bei ihrer Rückkehr nach Baoshi würden die Abenteurer wahrscheinlich bereits abgereist sein. Dann machten sich die drei Abenteurer mit ein paar Lunaren Lohn auf den Weg zurück nach Baoshi.
Wie schon auf dem Hinweg erwies sich die Landstraße als relativ spärlich frequentiert. Selten waren Soldaten zu sehen, häufiger Bauern auf dem Weg zum Markt oder reisende Händler. Die auf der Kaiserstraße allgegenwärtige Korruption im Umgang mit Reisedokumenten, Zöllen und Kontrollen war hier nicht so dominant. Da die Abenteurer gute Pässe hatten und mit leichtem Gepäck reisten, kamen sie gut voran.

Eine ungewöhnliche Begegnung auf halber Stecke nach Baoshi stellte ein wandernder Priester Unggoys dar, der sich – erkenntlich an der braun-weißen Kleidung seiner Kirche – im Schatten eines Baumes niedergelassen hatte und eine Schar Affen fütterte. Xiao Houzi („Kleiner Affe“) war ein wahrer Hüne von Mann, mit langem, braun-blond gesträhntem Haar. Er plauderte ein wenig über seine Erlebnisse, zeigte aber vor allem großes Interesse an den Erlebnissen der Helden. Er lud die Abenteurer zu einem Rätselspiel ein, wobei er jeden Erfolg mit einer alten Silbermünze belohnte:

Was brennt ohne Feuer, Hitze und Nahrung?
Was beißt ohne Zähne, sticht ohne Nadel und Klinge,
und kann doch ewigen Schlaf schenken?
Die Antwort war „Frost“ oder „Kälte“

Dieser körperlose Geist antwortet in allen Sprachen der Welt.
Er lernt nie eine davon, er spricht sie ebenso gut wie ihr, doch nur zögernd antwortet er auf alles, was ihr sagt.
Die Antwort war „Echo“

Die Zeit zieht daran achtlos vorbei,
Holz bricht an ihm splitternd entzwei,
selbst Stahl vermag ihn kaum zu verwunden,
hab ihn gestern erst am Wegesrand gefunden.
Die Antwort war „Stein“

Was lässt dich die Welt erkunden, ohne einen Schritt zu tun?
Wo findest du Wälder ohne Bäume, Städte ohne Häuser, Straßen ohne Wagen?
Die Antwort war „Landkarte“.

Die Abenteurer schlugen sich gut, besonders Hao, die zwei der vier Rätsel beantwortete, während Luo und Ren je eines der Rätsel lösten. Auch bei einer Partie Weiqui zeigte sich, dass Xiao Houzi seine Kontrahentinnen Ren und Hao unterschätzt hatte. Allerdings war er mit dem Stab deutlich überlegen, wie ein kurzer Probekampf mit Hao bewies. Er warnte die Abenteurer auf der Straße wachsam zu bleiben und gab ihnen noch den ominösen Ratschlag „Wenn die Sonne sich aus dem Bett erhebt, grabt im Herzen der Stube“.
Während Hao trotz ihrer Niederlage im Stockkampf das Treffen mit einem Glaubensbruder zu schätzen wusste, war Luo misstrauisch. Er fragte sich, ob der wehrhafte Priester vielleicht Kontakte mit solchen fragwürdigen Elementen der Unggoy-Kirche wie dem lachenden Dutzend hatte. Und Ren war ob der alten Münzen des Priesters ein wenig verwundert.

Die Begegnung hatte die drei Abenteurer aufgehalten, und so setzten sie ihre Reise mit größerer Eile fort, um vor Nacheinbruch ein festes Quartier zu finden. Infolge der unsicheren Zeit waren so manche Weggaststätte und manches Dorf verlassen worden. Die Dunkelheit brach schnell herein. Immerhin ging es jetzt im späten Katzenmond, im Gnomenkalender Fruchtmond, deutlich auf den Herbst zu. Der aufkommende Nebel machte die Sache nicht besser.
Als in dieser Situation in der Ferne ein langgezogenes Heulen zu vernehmen war, fuhr allen der Schreck in die Glieder. Hao und Ren konnten sich zusammenreißen, Luo aber war ernsthaft verunsichert. Während Ren ihren „Höllenhund“ beschwor, bat Hao ihren magischen Eichhörnchenbegleiter Hozhou um Schutz. Die Helden setzten ihren fort. Sie waren aber noch nicht weit gekommen, als sie am Wegesrand etwas liegen sahen und ein schmerzerfülltes Stöhnen hörten. Zögernd wagten sie sich näher.
Auch wenn von ihrem Fund keine Gefahr ausging, der Anblick war beunruhigend: ein leichtes Reitpferd war zu Boden gegangen und hatte seinen Reiter, einen jungen Gnom, eingeklemmt. Er trug Kleidungsstücke, die auf eine Zugehörigkeit zur kaiserlichen Post hinwiesen. Sowohl der Gnom, der sich als Gu vorstellte, als auch das tote Pferd wiesen Pfeilwunden auf. Gus Bein war zudem beim Sturz lädiert worden. Hao erschien seine Behauptung, er sei von Banditen angegriffen worden, glaubhaft. Luo und Ren hatten gewisse Vorbehalte. Es erschien ihnen ungewöhnlich, dass Banditen einen Botenreiter angriffen, da die potentielle Strafe die Beute weit überstieg. Natürlich halfen sie Gu dennoch. Den Weg konnte man nur langsam fortsetzen, da der Verwundete sich nur mühsam auf den Zhu-Schreiter Haos setzen ließ. Der Vogel schien außergewöhnlich nervös – freilich waren die Tiere für ihr heikles Naturell bekannt.

Der mit der Dunkelheit aufgezogene Nebel nahm immer mehr zu. In dieser Situation wies der Verwundete auf ein Licht abseits des Weges. Die Abenteurer waren nicht sicher, ob sie dort Zuflucht finden würden. Bei diesem Wetter kamen ihnen all die unheimlichen Geschichten über verfluchte, von Geistern oder Schlimmeren bewohnte Weggaststätten in den Sinn. Aber mit einem Verwundeten und einer unbekannten Zahl von Feinden irgendwo im Dunkeln, sahen sie kaum Alternativen. Nur sehr zögernd öffnete sich die Tür, und ein hünenhafter Mensch ließ die Schutzsuchenden ein. Im Innern des zweistöckigen Hauses fanden sie eine einfache aber saubere Gaststube. Die zwergische Wirtin Xing hatte offenbar nur wenige Gäste oder Gesinde. Abgesehen von dem Hünen an der Tür war da nur ein hochgewachsener Varg mit einer Keule und eine zierliche Gnomin namens Chen Li, die neugierig mit den Neuankömmlingen plauderte. Die Abenteurer beschlossen, sich erst einmal auszuruhen. Besonders für Luo war die Ruhepause eine Erleichterung, denn so konnte er sich von dem Schrecken durch das geisterhafte Heulen erholen. Dennoch blieben er und Ren misstrauisch. Sie argwöhnten, dass etwas nicht stimmte. Es gelang Ren zudem nicht, die Beinwunde des Boten angemessen zu verarzten.

Die Ruhe sollte nicht lange währen. Schon bald war erneut Heulen zu hören, und dazu sich nähernde Stimmen. Die Abenteurer erwogen sich abzusetzen, aber dazu war es zu spät. Sie waren sich inzwischen sicher, dass die Verfolger kaum normale Banditen sein konnten. Tatsächlich gab der Bote jetzt zu, dass er von „Verrätern an der Krone“ verfolgt wurde. Es war aber nicht herauszufinden, zu welcher Bürgerkriegsfraktion er oder seine Feinde gehörten. Gleich darauf hämmerte es an die Tür.
Als Ren versuchte, die Identität der Verfolger Gus herauszufinden, wiesen sie sich als Männer der Silberschwerter aus. Das war entweder eine schlechte Lüge oder etwas wesentlich Schlimmeres – denn diese Einheit war vor mindestens drei Jahrhunderten aufgelöst worden. In den Abenteurern keimte der Verdacht auf, möglicherweise in eine Geistergeschichte geraten zu sein, in der der Bote, seine Verfolger und vielleicht auch die Insassen des Gasthauses ewige Protagonisten waren. Doch änderte dies nichts an der akuten Bedrohung, denn die Verfolger ließen sich nicht lange hinhalten. Sie versuchten die Tür aufzubrechen. Die Helden bereiten sich vor, in den ersten Stock zurückzuweichen, denn dort würden die Angreifer nur paarweise über die Treppe angreifen können.

Die Abenteurer rekapitulierten gedanklich, was sie über Geister wussten – was gerade bei Hao recht viel war, leider aber auch eine Menge widersprüchliche Dinge.
Geister waren in Zhoujiang allgegenwärtig. Manche klammerten sich an ihr früheres Leben und interagierten teils segensreich (etwa als Lehrer, Beamte und Handwerker), teils schadenbringend mit den Sterblichen. Andere steckten in endlosen Wiederholungen fest, die sie immer wieder durchlebten. Manche knüpften mit Sterblichen zarte Bande an, andere gierten nach dem Leben und dem Glück der Lebenden, oder stahlen ihre Körper.
Ebenso vielfältig waren die Dinge, die mit denen man Geister fernhalten konnte. Sie verabscheuten den Hahnenschrei als Zeichen des Morgens, und viele mieden Weiß (die klassische Begräbnisfarbe) – wenngleich andere davon angezogen wurden. Nicht ganz so logisch war ihre Angst vor Hundeblut, weshalb manchmal Hunde bluten oder gar sterben mussten, um Neugeborene und Türschwellen zu segnen. Zudem fürchteten Geister „wurzelloses Wasser“, wie etwa Regentropfen. Manche sagten auch, dass Bohnen sie zumindest verlangsamten. Pfirsichholz und Weidenzweige galten ebenfalls als wirksam, wie auch Spiegel, Gongs und besonders Feuerwerk. Die Barbaren im fernen Westen glaubten, dass Salz und kaltes Eisen sie abhielten. Leider waren die meisten potentiellen Gegenmittel nicht verfügbar. Die Abenteurer wagten es, sich schnell noch einmal umzuschauen – doch die Säcke in der Küche, die Bohnen enthalten sollten, waren leer. Regenwasser und Hahnenschrei ließen sich nicht magisch simulieren und die gesuchten Hölzer oder ein Spiegel waren ebenfalls nicht zu finden. So bewaffneten sich die Helden mit Töpfen und begannen Lärm zu schlagen. Das zeigte etwas Wirkung – die Versuche, die Tür aufzubrechen, stoppten für einen Moment. Freilich reagierten auch die Leidensgefährten im Gasthaus mit Abscheu. Es schien so, als ob es sich auch bei ihnen um Geister handelte…

Luo spähte aus einem der Fenster im ersten Stock. Im Schein der Fackeln der Verfolger sah er, dass es sich bei den Belagerern um etwa ein Dutzend Bewaffneter handelte. Dazu kamen einige Hunde, die von zwei Tierbändigern nur mühsam an der Leine gehalten wurden. Ein jung aussehender Alb in einem soliden Schuppenpanzer befehligte die Truppe. Die Schattenkling sandte einen Pfeil auf einen der Hundeführer, in der Hoffnung, dass die Tiere sich losreißen und Chaos anrichten würden. Doch trotz eines Treffers hielt der Mann die Leine fest. Luo tauchte vor einigen Pfeilen ab.
Auf Haos Vorschlag forderte Luo den Hauptmann zum Zweikampf um die Herausgabe des Boten heraus. Er präsentierte dabei seine Klinge (von der er wusste, dass sie sich aus der Zeit der Zwillingskaiserinnen stammte). Tatsächlich rief das eine heftige Reaktion hervor: wie sich herausstellte, trug der Hauptmann eine ähnliche Waffe und beschimpfte Luo wütend als Verräter.
Der Alb ging auf die Forderung ein, und Luo trat hinaus ins das Rund der Soldaten. Bald trafen die Klingen aufeinander, und für einen Moment sah es so aus, als würde Luo sich durchsetzen. Doch als der Hauptmann schwer verletzt zurücktaumelte, befahl der Alb seinen Untergebenen nicht etwa den Rückzug, sondern den Angriff. Nur dank seiner schnellen Reflexe konnte Luo sich in das Gasthaus retten. Mühsam wurde die Tür verbarrikadiert, doch bald schon brach sie entzwei…

Vor den in die Gaststube hereindrängenden Angreifern wichen die Abenteurer auf die Treppe zurück. Die anderen Insassen des Gasthauses waren keine Hilfe. Die junge Gnomin und das Wirtspaar hatten sich verkrochen. Gu und der Varg hielten Abstand, da Ren wieder begonnen hatte, auf ihrem improvisierten „Gong“ zu hämmern, was sie während des folgenden Gefechts auch durchhielt, und damit die Angreifer zumindest etwas ablenkte. Luo und Rens „Höllenhund“ verteidigten ihre vorteilhafte Stellung auf der Treppe mit Geschick und einer ordentlichen Portion Glück – unterstützt von der Magie von Haos magischem Eichhörnchen. Wohl kassierte Luo einen ordentlichen Treffer, doch schließlich zogen sich die Soldaten zurück, nachdem mehrere schwer verwundet und einer von dem Feuerhund getötet worden war.
Für eine Weile herrschte Ruhe. Als Luo erneut vorsichtig durch ein Fenster spähte, sah er, wie der verwundete Kommandant seine Leute für einen neuen Angriff instruierte. Mit einem zielsicheren Pfeil streckte er den Offizier nieder. Dies war keine ehrenhafte Handlung, aber nach dem Wortbruch während des Duells hatte Luo keine Hemmungen. Der heimtückische Schlag verzögerte den nächsten Angriff, doch die Soldaten knobelten eine neue Strategie aus. Es war Ren, die bemerkte, dass die Angreifer nun Feuer legen wollten. In fliegender Hast eilten die Abenteurer ins Erdgeschoss, wo sie Eimer mit Wasser und dünnen Bier füllten. Dann war es an Luo, das Nass aus einer Dachluke zu schütten, als geschleuderte Fackeln das Dach in Brand zu setzen drohten. Beständig mit neuer „Munition“ versorgt und trotz eines heftigen Pfeiltreffers gelang es ihm, die Brandherde zu löschen.
Die Abenteurer waren erschöpft, aber immer noch ungeschlagen, und den Soldaten fehlte offenbar die Entschlossenheit, einen neuerlichen Ansturm zu unternehmen. Und so sah Luo, wie sie eine in einen Mantel gehüllte Gestalt auf eines ihrer Pferde banden – vermutlich den gefallenen Anführer – und abzogen, als die ersten Sonnenstrahlen am Horizont zu sehen waren.
Und während die Abenteurer inbrünstig den Göttern dankten, wurde das Licht immer heller und heller, drang in strahlender Pracht durch die Fenster und bald auch durch die Wände, blendete die Helden und nahm ihnen für einen Moment die Sinne…

Die drei kamen in der Ruine eines Weggasthauses zu sich, das vor allermindestens 100 Jahren verlassen worden war. Der Grundriss war freilich nur zu vertraut. Dem Ratschlag des Mönches eingedenk, suchten sie in der ehemaligen Feuerstelle im Herzen der Gaststube und fanden eine kleine Schatulle. Hao sprach ein Gebet für die Geister der Toten, auch wenn eine gründliche Nachsuche keine sterblichen Überreste zu Tage förderte. Dann machten sie sich auf den Weg nach Baoshi, das sie ohne weitere Zwischenfälle erreichten.
Dort öffneten die Helden das Kästchen, das billigen Schmuck und alte Silbermünzen enthielt, die aus der Li-Dynastie stammten (die jüngsten aus den frühen Jahren der Zwillingskaiserinnen Li Sao und Li Sui). Reichtümer hatten sie also nicht gewonnen, wohl aber wertvolle Erfahrungen. Die drei teilten die Beute gerechnet, wobei Ren ihren Anteil an Yuchi verschenkte, der dankbar für diese antiken Stücke war. Die Abenteurer bemerkten, dass die Münzen dieselben Prägungen hatten wie jene, die der wandernde Mönch ihnen geschenkt hatte (nur waren seine wesentlich abgewetzter gewesen). Sie fragten sich, ob er auch ein Geist gewesen war.

Hao erstatte den örtlichen Vertretern des Ministeriums der Riten Meldung. Deren Begeisterung hielt sich in Grenzen, schienen die Abenteurer doch Schwierigkeiten geradezu anzuziehen. Man räumte aber ein, dass in der Vergangenheit mehrmals Reisende in der Gegend verschwunden waren – was natürlich auch Folge von Banditenangriffen gewesen sein mochte...
Das hinzugezogene Geisterministerium in Gestalt eines Inspektors Hung bestätigte dies. Laut einigen alten Geschichten war während des Krieges der Zwillingskaiser in einem Gasthaus ein Bote von den Wirtsleuten ermordet oder seinen Häschern übergeben worden, in der vergeblichen Hoffnung, diese gnädig zu stimmen. Die Geisterscheinungen waren angeblich besonders bei dichtem Nebel oder wie jetzt im Spätsommer/Herbst aufgetreten. Hung glaubte, dass der Bote die Schlüsselfigur war. Vielleicht mochte ja der Umstand, dass diesmal die Geschichte anders ausgegangen war, den Geistern Ruhe gebracht haben. In jedem Fall würde das Ministerium das Gasthaus und Umgebung noch einmal prüfen.

Da Akira inzwischen ausgeheilt war, konnte man nun an den Aufbruch denken. Die Abenteurer verabschiedeten sich von ihren Gastgebern, die ihnen zu einem Platz auf einem Flussschiff verhalfen. Flussabwärts und gestützt durch ein Segel ging die Fahrt zügig voran. Abends wurde stets geankert, wobei zu erfahren war, dass man plante, in regelmäßigen Abständen Schiffsstationen anzulegen, um die Transportroute nach Silangan auszubauen - und um die Händler davon abzuhalten, auf der anderen Flussseite ihr Geld in Kintai auszugeben.
Am dritten Tag erreichte man die Flussfeste Alter Mandarin, die den Übergang zum kintaiischen Atasato bewachte. Dies war eine gute Gelegenheit sich nach Gerüchten umzutun. Angriffe auf Triadenangehörige und Beamte gab es offenbar auch in der Spinnenprovinz, teils die harmloseren weil eher demütigend statt tödlichen des „Lachenden Dutzend“ (die in der einfachen Bevölkerung durchaus Bewunderer fanden), teils die extrem gewalttätigen und blutigen der unbekannten Magierkrieger in ihren bunten Schuppenpanzern.
Zur Nervosität trug auch die Unsicherheit über das weitere Verhalten Kintais bei. Es war ein offenes Geheimnis, dass mancher Daimyo Ambitionen nördlich des Jadebandes hegte.
Auch die zunehmende Stärke der 13 Blätter, einer besonders auch im Piratenwesen und Schmuggel tätigen Triade, die mehrheitlich aus Exilanten aus dem Kranichreich bestand, war beunruhigend. Manche hielten sie für eine verdeckte fünfte Kolonne Kintais, andere fürchteten, ihre Missachtung, ja teilweiseoffene  Feindschaft gegenüber ihrer alten Heimat könnte einen Konflikt heraufbeschwören.
Der Bürgerkrieg in Zhoujiang selber war für die meisten Menschen hier weit weg. Wie Hao und Luo erfuhren, war die Haltung der Bevölkerung zu denTriaden-Machthabern gemischt. Mancher litt unter der allgegenwärtigen Korruption. Insbesondere die Praxis, das Eintreiben der Steuern gegen eine Festsumme an Steuerpächter zu vergeben, führte unweigerlich zu Missbrauch. Generell waren die Preise und Abgaben gestiegen. Natürlich gab es auch Gewinner, namentlich unter den Händlern, die den schwindenden Einfluss des Adels und die…entgegenkommendere…Art der Beamten begrüßten. Handelshindernisse und Standesbeschränkungen waren zurückgefahren worden, was einige Traditionalisten verärgerte. Interessanterweise waren die Beziehungen zu Atasato (wo ebenfalls Händlerorganisationen einen Großteil der Tagesgeschäfte regelten) und zu Kungaitan deutlich besser als früher. Die freien Künste hatten an Ansehen gewonnen, auch wenn sie teilweise neue Gönnerinnen und Gönner suchen mussten. Zudem hatten die auf den Künstlern liegenden Reglementierungen stark nachgelassen. Die Triadenherrschaft hatte also sowohl Vor- als auch Nachteile.
Wenige Tage später kam das Delta der Rauschenden Seide in Sicht. Am Zusammenfluss dieses Stroms mit dem Jadeband erhob sich die Inselstadt Palitan, die zweitgrößte Metropole in ganz Lorakis.

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #29 am: 26.05.2024 | 03:00 »
Die Suche beginnt
Palitan, Spinnenprovinz (Akira, Takur, Ren, Luo)

Die fünf Abenteurer waren von der Großstadt Palitan und ihrem pulsierenden Straßenleben beeindruckt. Luo war der einzige, der sich bisher längere Zeit in der Stadt aufgehalten hatte. Während Akira sich im Viertel der Schwertalben einquartierte, fanden die anderen ein Gasthaus in der Altstadt, östlich des Kaiserlichen Archivviertels. Ihr zeitweiliges Domizil, der „Grüne Palast“ war recht komfortabel. Hier kamen Offiziere, Kapitäne, Künstler, Gelehrte und Kunsthandwerker unter. Das Gebäude wies das doppelte Ziegeldach vieler zhoujiangischer Gebäude auf. Die große Speisehalle war drei Etagen hoch, während die Zimmer um die Halle gruppiert waren. Das Gasthaus wurde von einer dunkelhäutigen Albin namens Altani betrieben, und die Küche bot sowohl einheimische als auch ausländische Gerichte. Seinen Namen verdankte das Gebäude seiner Farbgebung und der reichlichen Begrünung mit zum Teil exotischen Pflanzen. Luo und Ren witzelten, wie lange sie hier würden wohnen können, da sie schon öfter bei ihrem Aufenthalt in verschiedenen Städten in Schwierigkeiten geraten waren. Luo besuchte seine Großmutter Xi Fei, die die Küche eines Speisehauses in der Nudelgasse leitete. Sie war in seiner Kindheit weit mehr eine Bezugsperson gewesen als seine unstete Mutter.

Es galt nun, das weitere Vorgehen zu beraten. Der Zugang zu den Archiven war nicht leicht zu erlangen. My Mei, die Herrin der Archive, galt als zentrale Akteurin im Händlerrat und als Anführerin der Triade des Fließenden Steins. Keiner der Abenteurer war begierig, sich an eine so mächtige und zweifelhafte Person zu wenden. Dazu war das Thema der Recherchen zu heikel.
Wie die Helden rasch erfuhren, war die Archiv-Sicherheit erhöht worden, nachdem einige Fremde Chaos angerichtet und sogar ein Feuer verursacht hatten.
Palitan wurde seinem Ruf als Zentrum von Abenteuern, Handel, Diplomatie und Intrigen gerecht: Der kürzliche Besuch von Prinzessin Hui Amui und ihre überhastete Abreise hatten für viel Gerede gesorgt. Die ausgedehnten Gespräche der Tante von Prinzessin Yi mit der Botschafterin Kintais hatten die Gerüchte sprießen lassen. Nachdem die letzte Kaiserin die Büffelprovinz „an die Jogdaren verschachert habe“, glaubten manche, dass ihre Familie jetzt bereit sei, im Austausch gegen Waffenhilfe andere Reichsteile Myuriko anzubieten. Es erschien wahrscheinlich, dass diese Gerüchte gezielt von den Triaden oder von Gefolgsleuten Wus gestreut wurden.
Auch die Kabalen um die gestoppten Lieferung von Geisterseide an die Kaiserlichen und an die von Wu kontrollierten Reichsteile, von denen die Abenteurer in Timog erfahren hatten, trieben die Leute in Palitan um. Geisterseide war ein zentrales Exportgut der Spinnenprovinz. Nicht jeder konnte wie die Großhändler und die Triaden einfach abwarten. Die Entscheidung, an wen man die wertvolle Geisterseide liefern wollte, war zudem nicht nur eine wirtschaftliche und fiskalische, sondern vor allem auch eine politische Frage.
In der Straße der Wunder war angeblich kürzlich – mal wieder – eine Chimäre entlaufen, wobei es habe sogar Tote gegeben hatte. Und im Sumpf der 32.000 Lichter gab es angeblich wie so oft Probleme mit Geistern.

Hao gelang es nach einigen Tagen, mit Meisterin Hira eine Rechercheurin mit Zugang zum kaiserlichen Archiv zu finden. Die zwergische Gelehrte war allerdings nicht billig und die
Gerüchte, die Luo über sie aufschnappte, waren widersprüchlich. Manche nannten sie eine versierte Expertin und ehemalige Archivarin. Für andere war Hira eine Scharlatanin, die wegen gefährlicher Inkompetenz aus dem Archiv entlassen worden war. Ihr Zuhause, das nicht weit vom Archivviertel lag, entsprach dem Klischeebild einer Gelehrtenhöhle: verstaubte Schriftrollen, Bücher und Schrifttafeln bildeten ein verwirrendes Durcheinander.
Die Helden setzten die Gelehrte zuerst auf den ominösen „Kult des Strahlenden Schattens“ und weitere Informationen zum „Tempel der Tausend Tore“ an. Besonders Ren und Luo ließen es nicht an Warnungen mangeln: Ihrer Meinung nach war nicht auszuschließen, dass dieses Wissen heikel und vielleicht sogar gefährlich sein könnte. Meisterin Hira schien sich allerdings keine großen Sorgen zu machen.
Sowohl Hao als auch Luo hatten zudem persönliche Rechercheanliegen: Hao zum Kult des Drachen-Tiergeistes, der einst den Tempel der Tausend Tor mitbegründet hatte, und Luo zu seinem Schwert, an dessen düstere Vergangenheit er erst kürzlich erinnert worden war. Allerdings stellten sie diese Privatrecherchen erst einmal zurück. Man einigte sich auf einen Preis von 10 Lunaren für jedes Recherchethema. Hira erhielt die Hälfte der Summe für die beiden ersten Recherchen im Voraus und machte sich an die Arbeit. Sie warnte, dass die Recherchen dauern würden und es keine Erfolgsgarantie gäbe – besonders bei derart lange zurückliegenden und obskuren Themen. Denn Helden stand wohl ein längerer Aufenthalt in Palitan bevor. Sie würden Hira nur eingeschränkt helfen können, denn auch lizensierte Forschende konnten nicht einfach durch das Archiv wandern und selber nach interessanten Schriftrollen suchen, schon gar nicht nach den letzten Zwischenfällen mit einigen „fremdländischen Barbaren“. Ein weiterer Grund für die Zugangsbeschränkungen war, dass angeblich Geister durch die Archivgänge wanderten und der Umgang mit den älteren Schriftrollen die Einhaltung strikter, alleine den Archivkräften bekannten Ritualen und Regeln verlangte.

Das Archivviertel, das im Laufe der Zeit eine komplette Insel Palitans eingenommen hatte, wirkte verwirrend. Ursprünglich nur ein einzelner Gebäudekomplex mit jeweils einem Eingang für die Kaiserin, die adligen Nanjin und die Beamtenschaft, hatte das Archiv im Laufe der Jahrhunderte immer mehr Gebäude geschluckt, darunter ehemalige Paläste, Wohn- und Funktionsbauten. Letztendlich war es irgendwann verboten worden, weitere Gebäude jenseits der ursprünglichen Insel zu erwerben. Und da es gleichzeitig untersagt war, Dokumente zu zerstören, musste man sich fragen, wie es möglich war, all das Material aufzubewahren, das Jahr für Jahr ins Archiv strömte – zumal in dem feuchten Klima Palitans. Angeblich waren alle Archivgebäude durch unterirdische Gänge und Lagerräume verbunden, von denen manche nicht in der diesseitigen Welt lagen.

Auf der Suche nach weiterer Unterstützung konnte Akira den Helden Zugang zur Botschaft Kintais verschaffen. Die junge Gesandte Suguri Jun erschien grundsätzlich hilfsbereit und stellte auch finanzielle Unterstützung in Aussicht. Immerhin waren die Recherchen im Interesse Kintais, das von einem Ausbruch des im „Tempel der tausend Tore“ eingesperrten Dämonen Kokumo als erstes bedroht worden wäre. Mit dieser Unterstützung mochte es gelingen, dem Geheimnis des Tempels der Tausend Tore auf die Spur zu kommen, und ebenso dem geheimnisvollen Kult, der ihn angegriffen hatte…
Die Abenteurer versprachen, alle relevanten Informationen weiterzuleiten. Allerdings deutete die Botschafterin an, dass ihre Hilfe einen Preis haben würde. Die Suguri machte kein Geheimnis aus ihrer Abneigung gegenüber der Triade der 13 Blätter, die mehrheitlich aus Kintai-Exilanten und deren Nachkommen bestand, und mit denen die Abenteurer bereits aneinandergeraten waren. Die Diplomatin war sehr an den bisherigen Erlebnissen der Helden in Timog und Baoshi interessiert. Anders als Hao waren Luo und Ren etwas zurückhaltend, vor allem bezüglich der militärischen Verhältnisse in den zhoujiangischen Grenzprovinzen zu Kintai. Akira hatte natürlich keinerlei derartige Bedenken.

***

Parallel zu den anlaufenden Archivrecherchen knüpften die Helden weitere Kontakte, die auch für ihre persönlichen Ziele nützlich werden konnten. Besonders Ren und Luo waren daran interessiert, sich mit dem örtlichen Ableger der aus Timog stammenden Ka-Adelsfamilie in Verbindung zu setzen. Diese waren als Loyalisten auch ein wertvoller potentieller Aktivposten für Rens und Luos Mission für die Fraktion von Prinzessin Yi.
Ka Maomei und Ka Gao empfingen die Helden freundlich. Zur Überraschung der Helden waren beide albischer Herkunft, während die Kai-Familie in Timog aus Menschen bestanden hatte. Wie die Helden erfuhren, war Ka Maomei in das Adelshaus adoptiert worden, um mit Gao (aus dem elfischen Hause Han) verheiratet zu werden, dessen Familie die Kas als potentiell wertvolle Verbündete angesehen hatten. Diese Hoffnung hatte sich wohl nur partiell erfüllt. Vermutlich auch wegen den Unruhen der letzten Jahre waren viele von Gaos Verwandten nach Kintai ausgewandert. Das steigerte Rens Interesse an den Kas eher noch. Immerhin war es eines ihrer Ziele, die Kontakte zwischen den Kaiserlichen und Kintai zu verbessern, um Adelsfamilien des mächtigen südlichen Nachbarn Zhoujiangs für die Sache von Prinzessin Yi zu gewinnen.
Die Kas hatten zwar keine Kontakte im Archiv, deuteten jedoch an, die Recherchen der Helden finanziell unterstützen zu können. Zudem hatte die Familie gute Verbindungen zu Kaufleuten und Händlern. Falls die Helden exotische Materialen oder Waren benötigen sollten, würde sich das Wohlwollen von Maomei und Gao als wertvoll erweisen.
Allerdings hatten die Kas eigene Probleme. Möglicherweise wegen ihrer Loyalität zum Kaiserhaus oder den jüngsten Bemühungen des Hauses Ka, politische Verbindungen mit Selenia zu etablieren, war ihr selenischer Kontaktmann Ilmar Wuselbach in Schwierigkeiten geraten. Er war zusammengeschlagen worden und man hatte in sein Haus eingebrochen. Daraufhin hatte er im Anwesen der Ka-Familie Schutz gesucht. Diese hofften, dass die Helden bei der Lösung des Problems behilflich sein konnten. Den von den Triaden kontrollierten Behörden trauten sie nicht.

Wuselbach konnte nur in begrenztem Umfang Auskunft geben. Die Männer, die ihn verprügelt hatten, konnte er nicht identifizieren. Sie hatten auch keine Abzeichen oder auffälligen Tätowierungen gehabt. Er hielt sie aber für Triadenmitglieder. Wuselbachs Haus lag in dem überwiegend von Seleniern bewohnten Hirschviertel, das von der Triade der Roten Karpfen kontrolliert wurde. Er vermutete, dass diese hinter dem Überfall und dem Einbruch steckten. Das würde auch erklären, warum die Stadtwache des Viertels nicht viel unternommen hatte. Bei dem Einbruch sei nichts abhandengekommen. Die Einbrecher schienen es eher darauf angelegt zu haben, Wuselbach zu verunsichern und einzuschüchtern. Er behauptete keine Ahnung zu haben, warum die Roten Karpfen ihm grollen mochten. Wuselbach wollte die Angelegenheit gütlich aus der Welt geschafft sehen. Als Händler mit Kontakt zur Portalgilde und zu anderen selenischen Kaufleuten konnte er nicht einfach in ein anderes Viertel ziehen und war langfristig auf das Wohlwollen der Roten Karpfen angewiesen. Die Helden versprachen, ihr Bestes zu tun. Allerdings hatten sie ein eher wechselhaftes Verhältnis zu den Roten Karpfen, mit deren Ablegern sie es schon gelegentlich zu tun gehabt hatten.

Als erstes patrouillierte Luo die Umgebung des Ka-Anwesens, ob der Gebäudekomplex observiert wurde. Dies schien nicht der Fall zu sein. Dann machte er sich daran, sich im Hirschviertel umzuhören. Allerdings hatte er damit keinen Erfolg.
Akira wandte sich an die Wachtruppe des Hirschviertels und trat als Bekannter von Wuselbach auf. Die Wachen begegneten ihm mit Misstrauen, gaben dem wortgewandten Samurai dann aber Auskunft. Sie gingen ebenfalls davon aus, dass das eine „Triadensache“ sei und hatten sich deshalb herausgehalten. Vor kurzem hatte ein gutgekleideter kintarischer Zwerg angefangen, im Hirschviertel nach Wuselbach zu fragen. Er schien nicht viel von Wuselbach zu halten, war jedoch sehr an seinem Verbleib interessiert. Dass mit Akira jetzt ein zweiter (und diesmal sogar adliger) Kintari nach Wuselbach fragte, irritierte die Wachen.
Die Helden konzentrierten ihre Nachforschungen auf den Zwergen, der nach Wuselbachs Verbleib gefragt hatte. Nach einigem Herumgefrage konnten sie seinen Namen und seinen Unterkunftsort herausfinden. Ayanokoji wohnte in einem Gasthaus in dem an das Hirschviertel grenzenden Schwertalbenviertel. Angeblich war er ein Schmied, der schon öfters in Palitan Geschäfte getätigt hatte. Er sollte sehr gut vernetzt sein und war als Vermittler bei einer ganzen Reihe von Geschäften und Transaktionen in Erscheinung getreten.  Die Verwickelung seiner Landsleute in die Angelegenheit motivierte Akira, sich verstärkt in die Recherchen einzubringen.
Luo erfuhr, dass anscheinend eine dritte Partei in die Angelegenheit involviert war: Ein weiterer (diesmal zhoujiangischer?) Zwerg hatte Stimmung gegen Wuselbach gemacht und verbreitet, dass er den Roten Karpfen hinterherspioniere und Schläger anwerbe. Allerdings konnten die Helden keine genaue Beschreibung dieses neuen Protagonisten erhalten, da er sein Gesicht durch einen Zauber maskiert hatte. Das konnte natürlich bedeuten, dass der zhoujiangische Zweg und Ayanokoji ein und dieselbe Person waren.

Um Licht in die verworrene Angelegenheit zu bringen, entschlossen sich die Helden zu einer direkten Aktion: Ren und Akira suchten Ayanokoji auf. Der zwergische Schmied verhielt sich reserviert und war auch durch die Präsenz eines adligen Schwertalben keineswegs eingeschüchtert. Er stellte sich als Vertreter einer im kintarischen Atasato operierenden Kobe vor – einer Vereinigung mehrerer Schmiedemeister.
Ayanokoji gab an, nach Wuselbach zu suchen, da seine palitanischen „Partner“ befürchteten, dass dieser ihre Geschäfte sabotiere. Dadurch seien auch die Interessen von Ayanokojis Kobe gestört worden, da diese dringend benötigte Materialien nicht erhalten habe. Offenbar gingen Ayanokoji und seine „Partner“ davon aus, dass Wuselbach etwas gesehen hatte, was nicht für seine Augen bestimmt war und daraufhin gierig geworden sei.
Vor allem wollte Ayanokoji erfahren, wer hinter Wuselbach stehe, da dieser es ohne die nötige Rückendeckung wohl kaum wagen würde, Ayanokojis „Partner“ anzugreifen.
Was freilich die Art der von Ayanokojis Kobe benötigten Materialien oder die Identität seiner „Partner“ anging, blieb der zwergische Schmied vage. Die Helden konnten sich allerdings ausrechnen, dass die palitanischen „Partner“ die Triade der Roten Karpfen und die Geschäfte mit diesen bestenfalls halblegal waren.
Akira brachte die Möglichkeit ins Spiel, dass Ayanokojis Konflikt mit Wuselbach nur ein Missverständnis sei, was der Schmied nicht so recht glauben wollte. Er blieb auch skeptisch, als ihm die Helden berichteten, dass jemand Stimmung gegen Wuselbach gemacht hatte, um ihn anzuschwärzen. Ayanokoji bestätigte immerhin indirekt, dass Wuselbach von Schlägern der Roten Karpfen verprügelt worden war, die auch bei dem Selenier eingebrochen waren, um ihn einzuschüchtern und die fehlenden Güter zu finden. Die Helden boten Ayanokoji an, Licht in die Angelegenheit zu bringen, solange er und seine „Partner“ von drastischen Maßnahmen absahen. Ayanokoji sagte dies zu und war sehr an dem Vorschlag der Helden interessiert, ein „klärendes Gespräch“ mit Wuselbach führen zu können.

Mit diesen Informationen kehrten die Helden zum Ka-Anwesen zurück. Ren und Luo unterzogen Wuselbach noch einmal einer eingehenden Befragung. Dieser behauptete immer noch, keine Ahnung zu haben, was er der Meinung von Ayanokojis „Partnern“ nach angeblich gesehen und weitererzählt hätte. Im Laufe der Befragung räumte Wuselbach allerdings ein, dass die Verdächtigungen mit seiner jüngsten Reise über die Seidenstraße in Verbindung stehen könnten. Es war ein offenes Geheimnis, dass über den Mondpfad zwischen Selenia und Zhoujiang wertvolle Schmuggelware floss. Einige von Wuselbachs Mitreisenden hatten sich etwas geheimnisvoll verhalten. Die Helden vermuteten, dass die Schmuggler annahmen, Wuselbach sei ihrem Geschäft auf die Schliche gekommen und habe dies weitererzählt. Luo hatte auch bereits eine Vermutung, WAS von Selenia nach Zhoujiang geschmuggelt worden sei: Mondstahl. Dies würde das Interesse von Ayanokojis Schmiede-Kobe erklären.

Die Helden verabredeten ein Treffen zwischen Wuselbach und Ayanokojis Triadenkontakt. Als Treffpunkt wählten sie ein Gasthaus im Schwertalbenviertel. Dort hatten die Roten Karpfen keinen Heimvorteil. Sollte es zu Komplikationen oder gar Blutvergießen kommen, würden die Helden (und besonders Akira) sich besser herausreden können, als in einem von den Triaden dominierten Viertel.
Ren und Akira begleiteten Wuselbach, während Takur und Luo vor dem Gebäude Wache hielten. Allerdings wurde Takur durch einen verpatzten Zauber abgelenkt und so bemerkte nur Luo, dass mehrere unauffällig gekleidete Personen das Gasthaus im Auge behielten.
Das Treffen im Gasthaus verlief höflich, aber angespannt. Der Verdacht der Helden, dass es um Mondstahlschmuggel ging, bestätigte sich. Die Lieferung hatte nach Atasato gehen sollen, wo Ayanokojis Kobe das wertvolle Material für ein größeres Projekt benötigte. Offenbar war es nach Wuselbachs Reise zu zwei Angriffen auf die Schmuggler gekommen – einer davon erfolgreich. Dies und Wuselbach scheinbares Interesse an den Geschäften der Roten Karpfen hatten ihn zum Hauptverdächtigen gemacht. Die Zeugenaussagen der Schmuggler, die die Angriffe überlebt hatten, waren leider nicht sehr genau. Angeblich war ein selenischer Zwerg unter den Angreifern gewesen, der eine strahlende Glefe geführt hatte. Die Helden vermuteten, dass es sich dabei um denselben Zwergen handelte, der die Gerüchte über Wuselbach verbreitet hatte. Mithilfe der Helden konnte Wuselbach den Triadenvertreter überzeugen, ihn vorerst in Ruhe zu lassen.
Draußen wäre es beinahe zu einer Eskalation gekommen, als Luo die das Haus Observierenden zur Rede stellte. Es zeigte sich, dass dies Triadenleute waren, die das Treffen abgesichert hatten. Offenbar hatten nicht nur die Helden ihren Gegenübern nicht vertraut…

Zwischen Luo und Akira kam es zu einem kleinen Geplänkel, als Akira sein Missfallen über die in Palitan wuchernde Korruption äußerte. Luo verwies auf die Beteiligung der Kintari in den Schmuggel und die Triadenaktivitäten. Akira tat das mit dem Argument ab, dass Ayanokoji aus Atasato kam. Was konnte man von einer Stadt erwarten, in der entgegen der Myuriko-gefälligen Ordnung Händler und Handwerker die Macht hatten?

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #30 am: 26.05.2024 | 03:01 »
Die Helden setzten bei ihren weiteren Nachforschungen auf mehrere Spuren: Zuerst wandten sie sich an ihre „Auftragsgeber“, das Adelshaus Ka. Diese sollten ihre lokalen Handelskontakte nutzen, ob irgendwo Mondstein günstig zum Kauf angeboten wurde. Wenn die Diebe ihre Beute zu Geld machen wollten, würde das eventuell Aufsehen erregen.
Gleichzeitig hörte sich Luo in dem Viertel um, wo der Überfall auf die Schmuggler stattgefunden hatte. Unterstützt von seinen eigenen Unterwelt-Kontakten hoffte er, Augenzeugen zu finden, denen während oder vor dem Überfall etwas aufgefallen war. Und der von den Dieben erbeutete Wagen und die Zugtiere konnten sich auch nicht in Luft aufgelöst haben. Die Räuber waren sicherlich in Eile und eventuell verwundet gewesen. Vielleicht war ihnen ein Fehler unterlaufen…
Tatsächlich brachte dieser Rechercheansatz den ersten Erfolg: Luo identifizierte einen Straßenhändler, der zumindest indirekt an dem Überfall beteiligt gewesen sein musste. Als er und Akira den Mann verhörten, knickte der Straßenhändler schnell ein: Er gab zu, für den zwergischen Anführer der Diebe als Späher und Helfer gearbeitet zu haben. Dieser hatte ihn schon vor einer ganzen Weile rekrutiert und für verschiedene Hilfsdienste eingesetzt. Dem Händler war die Sache allerdings jetzt über den Kopf gewachsen. Dass Blut geflossen war und er sich die Triaden zum Feind gemacht hatte, machte ihm fast genauso viel Angst, wie sein Auftraggeber. Leider konnte er nichts zu dessen Aufenthaltsort, Identität oder Verbindungen sagen. Er lieferte aber wertvolle Informationen zum Verbleib der Beute. Der gestohlene Mondstahl war in den „Gärten der Asche“ versteckt worden. Dieser Teil Palitans stand seit einer Feuerbrunst leer und war berüchtigt für das Auftauchen gefährlicher Feuergeister. Die beiden Helden schilderten dem Mann ausführlich, was ihm drohte, falls er seinen Auftraggeber warnen oder sich noch einmal in die Geschäfte der Roten Karpfen einmischen würde. Dann ließen sie ihn laufen. Beide waren zu gutmütig, um den Straßenhändler den Triaden zu überantworten oder ihn auf andere Art und Weise dauerhaft „aus dem Spiel zu nehmen“.
Ren befragte währenddessen den überlebenden Schmuggler noch einmal. Da dieser physisch und psychisch immer noch in einem sehr schlechten Zustand war, musste sie behutsam vorgehen. Vermutlich auch deshalb erhielt sie nur wenige neue Informationen. Da die drei Angreifer großzügigen Gebrauch von Blendzaubern gemacht hatten, konnte der Überlebende keine genaue Beschreibung liefern.

Die „Gärten der Asche“ erschienen als die logische Wahl für weitere Nachforschungen. Die Zeit eilte: Es war anzunehmen, dass die Diebe ihre Beute bald an einen weniger gefährlichen Ort verlagern oder von dem von Luo und Akira verhörten Straßenhändler gewarnt werden würden. Die Helden mieteten ein Boot und setzten zu dem ihnen bezeichneten Areal nördlich der Altstadt über. Die Brücken zu den „Gärten der Asche“ waren zumeist schon vor langer Zeit abgerissen oder verbrannt worden.
Eine unheimliche Atmosphäre erwartete sie: obwohl die Feuersbrunst schon vor vielen Jahren geendet hatte, roch die Luft immer noch nach Rauch. In den rußgeschwärzten Ruinen schien hier und da immer noch Glut zu glimmen. Die sonst üppig wuchernde Vegetation weigerte sich, die Straßen und Häuserreste zu überwuchern.
Bald fanden die Helden die Spuren, die die Diebe beim Transport ihrer Beute hinterlassen hatten. Freilich gab es auch noch andere, beunruhigende Fährten: große, rußgeschwärzte Pfotenabdrücke.
Kurz darauf bekamen die Helden den Verursacher dieser Spur zu Gesicht: einen wütenden Feuergeist in Gestalt einer brennenden Großkatze, der sofort angriff. Doch mit vereinten Kräften konnten die Helden den Geist rasch besiegen. Von diesem Zusammenstoß beunruhigt, folgten die Helden vorsichtig den Spuren der Diebe, die sie zu einem halb verfallenen Haus führten. Jemand hatte die Tür mit einem neuen Schloss versehen, das aber kein Hindernis für Luo war.
Die Spuren führten in den Keller, aus dem den Helden der Geruch nach altem Blut entgegenwehte. Mit gezogenen Waffen pirschten Ren, Luo und Akira nach unten, während Takur oben blieb, um die Umgebung im Auge zu behalten.
Im Keller stießen die Helden auf eine beunruhigende Szene: in einer Ecke lagen die Leichen von fünf Zivilisten. Jemand hatte sie gefesselt und ihnen die Kehlen durchgeschnitten. Daneben war mit Blut und Kreide ein Kreis gezogen worden. In dessen Mitte stand ein Tisch, auf dem die gestohlenen Mondstahlbarren ruhten. Auf dem Kreidekreis und den Barren lagen Papiertalismane und -siegel mit den Namen von Tiergeistern und seltsamerweise auch dem der lebenden Göttin Myuriko. Eine Untersuchung veranlasste Ren zu der Analyse, dass hier offensichtlich ein Schicksalsmagie-Ritual gewirkt worden war. Der Mondstahl war verflucht worden. Der Fluch richtete sich gegen die Diener Myurikos und sollte die üblichen Eigenschaften von Mondstahl unterdrücken oder verändern.

Während die Helden rätselten, was das bedeuten mochte, erschallte der Warnruf Takurs. Er hatte drei Gestalten entdeckt, die sich zielstrebig dem verfallenen Haus näherten. Der Jaguarkrieger postierte sich hinter der Tür, während die anderen Helden zu ihm hasteten. Die Fremden – ein Zwerg sowie ein menschlicher Mann und eine Frau – griffen sofort an.
Takur schlug den Mann mit zwei heftigen Treffern in die Flucht. Die beiden verbleibenden Angreifer konnten den Jaguarkrieger jedoch durch eine Lichtbarriere von den anderen Helden isolieren, die zudem dadurch gehandicapt wurden, dass ein Zauber den Boden mit spiegelglattem Eis überzog.
Statt die blendende Barriere anzugreifen, überkletterten Luo und Akira die halb eingefallenen Wände des Hauses und stießen zu ihrem Gefährten, der inzwischen bereits verletzt und durch die Lichtzauber der Gegner halb geblendet war. Der zwergische Anführer der Gegner erwies sich als harter Gegner. Obwohl bereits verwundet, schickte er Luo und Takur mit einem wuchtigen Rundumschlag zu Boden. Luo war allerdings rasch wieder auf den Beinen. Inzwischen zerstörte Ren die Lichtbarriere mit einem Flammenzauber. Mit vereinten Waffen und Zaubern konnten die Helden die Gegner zum Rückzug zwingen. Schwer verwundet und durch den geschickten Zaubereinsatz der Diebe verlangsamt, waren sie jedoch nicht in der Lage, die Gegner zu töten oder gefangen zu nehmen. So blieb ihnen nur übrig, den Mondstahl einzusammeln und hastig die „Gärten der Asche“ zu verlassen, bevor sie auf einen weiteren feindlichen Geist stießen oder die Diebe mit Verstärkung zurückkehrten.   

Zurück beim Ka-Anwesen versorgten die Helden ihre Wunden und berieten über das weitere Vorgehen. Sie hatten nur einen halben Sieg erzielt: die Diebe waren entkommen. Und durch den Fluch, der vermutlich auf dem gestohlenen Mondstahl lastete, war die Angelegenheit deutlich heikler geworden. Besonders Akira war alarmiert, richtete sich der Fluch doch gegen die Diener Myurikos, der Herrin und Göttin seiner Heimat. Luo und Ren waren hingegen – Fluch hin oder her – sehr in Versuchung, etwas von dem Mondstahl zu unterschlagen. Letztendlich aber entschieden sie sich dagegen.
Die Helden informierten Ayanokoji über das Ergebnis ihrer Recherchen und übergaben ihm den verfluchten Mondstahl, auch wenn Akira ihm nicht völlig vertraute.
So entlasteten sie zwar Wuselbach von den Verdächtigungen, aber Ayanokoji wirkte durch die Informationen der Helden sehr beunruhigt. Er verriet den Helden, wofür er den Mondstahl benötigte: Seine Kobe war damit betraut worden, eine mächtige Waffe zu schmieden. Diese war für den Kampf gegen ein Ungeheuer gedacht, welches einer Weissagung zufolge in einigen Jahren das Reich des Eisernen Kranichs bedrohen könne. Aufgrund der Kosten und Seltenheit des benötigten Mondstahls hatte Ayanokoji auf seine halblegalen Kontakte in Palitan zurückgegriffen. Dass jemand dies mitbekommen und derart heimtückisch zu sabotieren versucht hatte, warf beunruhigende Fragen auf. Vermutlich war der Plan der Diebe gewesen, den verfluchten Mondstahl bei Gelegenheit „wiederauftauchen“ zu lassen. Falls dieser dann ungeprüft für die Waffe verwendet worden wäre, hätte sie sich im Einsatz vermutlich als nutzlos oder sogar für den Träger gefährlich erwiesen. Aber wer steckte hinter dem heimtückischen Plan – und warum? Dienten die Saboteure einem der Feinde Kintais oder hatten sie eigene Pläne mit dem Ungeheuer? Zumindest Akira fragte sich, ob dieser Vorfall im Zusammenhang mit den Ereignissen beim „Tempel der tausend Tore“ in Verbindung stehen mochte. Dort hatte die Spinnenfrau Kuraiko versucht, ein Monster freizusetzen, das im Falle seines Freikommens eine ganze Region Kintais hätte verheeren können. Und sie hatte nicht alleine gehandelt, sondern anscheinend Verbündete gehabt.
Ähnelte nicht das heimtückische und skrupellose Vorgehen in Palitan den Intrigen der Spinnenfrau? Was, wenn beides zusammenhing?

Ayanokoji war auf jeden Fall dankbar: Immerhin wisse man jetzt um die Gefahr und könne den zurückgewonnenen Mondstahl reinigen oder notfalls Ersatz beschaffen. Er belohnte die Helden großzügig. Außerdem bot er Akira an, dessen Namen an die Auftraggeber der Waffe weiterzugeben. Sollte der Tag kommen, sich dem Untier in den Weg zu stellen, könne er einer der Kandidaten dafür werden. Das lag zwar noch einige Jahre in der Zukunft, war aber eine große Ehre, die Akira bereitwillig annahm. Luo hielt das für ein wenig verrückt und für eine bestenfalls fragwürdige „Belohnung“, sagte aber nichts zu den in seinen Augen seltsamen Bräuchen der Schwertalben. Die Roten Karpfen begannen eine Fahndung nach den Dieben, doch schien der Erfolg zweifelhaft. Zudem wurde die Bergung der ermordeten Ritualopfer in die Wege geleitet.

***

Inzwischen begannen die von den Helden beauftragten Recherchen im Kaiserlichen Archiv erste Früchte zu tragen. Doch alleine die Recherchen zum „Tempel der tausend Tore“ kosten die Gelehrte Hira fast zwei Wochen. Die lesekundigen Abenteurer unterstützten sie so gut sie konnten, indem sie Notizen und Sekundärtexte sichteten, auch wenn sie selber keinen Zugang zum Kaiserlichen Archiv hatten. Die Gelehrte erwies sich als recht umgänglich, außer wenn man ihre Notizen durcheinanderbrachte. Gerne nahm sie die Einladungen Rens zum Teetrinken an, die sich mit Hira gut stellen wollte.

Mit tatkräftiger Unterstützung von Hao und Ren förderte Hira eine bunte Palette an Informationen zum Tempel der tausend Tore zutage. Tatsächlich war – wie bereits vermutet – der Tempel um die 2.000 Jahre alt und von den Drachlingen errichtet worden. Diese hatten sich auch an seiner Erhaltung beteiligt, sogar noch lange nach dem Mondfall. Der letzte im Tempel dienende Drachling war vor gerade einmal 500 Jahren gestorben, kurz nach der Gründung Kintais. Angeblich war er einen Meuchelmord zum Opfer gefallen. Die Drachlinge erachteten den Tempel wohl als sehr wichtig. Es schien, als ob sie neben der Gefahr, die der dort eingesperrte Dämon Kokumo darstellte, noch mehr befürchteten – so als wäre der Dämon Teil von etwas Größerem. Angeblich hing er mit der Aufstachelung oder Verführung der „Dienerrassen“ und einer „Bedrohung der göttlichen Ordnung“ zusammen. So vage dies blieb, wenn die fast allmächtigen reptiloiden Magierdespoten die Gefahr so ernst nahmen, musste sie gravierend gewesen sein.
Der Tempel war ursprünglich durch die Priesterschaften der drei Tiergottheiten Drache (für den Schutz und militärische Aspekte der Wache), Fangschrecke (zur Bewahrung der Rituale) und Krebs (Schutz der Tore) bewacht worden. Dabei hatte der Drachen-Kult offenbar eine zentrale Rolle gespielt.
Jedoch war um die Zeit des Mondfalls die Unterstützung durch die Krebs-Priesterschaft beendet worden, weil einige Abtrünnige in ihren Reihen es in einem „großen Verrat“ um ein Haar geschafft hätten, Kokumo zu befreien. Hinter diesen Umtrieben steckte offenbar bereits zu dieser Zeit der ominöse „Kult des Strahlenden Schattens“.
Der in Zhoujiang schon lange entmachtete Drachenkult hielt in der Gestalt der wenigen im Tempel verbleibenden Drachlinge und ihrer Gefolgsleute noch etwa 500 Jahre die Stellung, was freilich zu Konflikten mit den reformierten Angehörigen der Kirche der Tiergeister führte. Nach dem Tod des letzten Drachlings wurde der Drachenkult schließlich durch Priester der Geflügelten Schlange ersetzt, die jedoch ihren Dienst mit im Laufe der Jahre schwindendem Enthusiasmus und Einsatz versahen. Die Priesterschaft des Kranich-Reiches bzw. der Clan der Uome hatte offenkundig in den Jahren nach der Reichsgründung Kintais um die Existenz des Tempels gewusst und diesen unterstützt. Dies endete jedoch vor 350 Jahren, als ein Angehöriger der Fürstenfamilie „in den Schatten fiel“. Es blieb unklar, ob er ermordet wurde, im Wald der 10 Millionen Kami oder in der Geisterwelt verschwand, Verrat beging oder ihn ein anderes düsteres Schicksal ereilte.
Kurz nach der Aufnahme Gagambas in den Kreis der 13 Großen Tiergeister hatte zudem die Priesterschaft Gagambas für einige Jahrzehnte beim Erhalt des Tempels geholfen. Auf Befehl Kintais musste der Kult aber bald ihre Tätigkeit einstellen. Ihren Mitgliedern wurde unter Todesstrafe untersagt, den Tempel aufzusuchen. Die Gründe dafür blieben vage.
Ebenso unklar blieb, wie es dazu gekommen war, dass in den letzten Jahren nur noch ausgewählte Vertreter der Uome um den Tempel wussten, die nicht einmal der Kernfamilie angehörten.

Die Abenteurer informierten die Botschaft Kintais über ihre Erkenntnisse. Zum einen hofften sie auf Unterstützung, vor allem aber war es in ihrem Interesse, dass das Kaiserreich die Unterstützung der Tempelwacht intensivierte. Suguri Jun nahm die Informationen dankbar entgegen und versprach, sie weiterzuleiten.
Die Botschafterin hatte die Helden bisher noch nicht um die angedeutete „Gefälligkeit“ gebeten, ersuchte aber Hao und Ren, bei der Fürsorge für Arme und Kranke zu helfen, die die Botschaft außerhalb des Viertels der Schwertalben finanzierte.
Bei dieser Aufgabe konnte besonders Hao glänzen, während Ren ein Missgeschick unterlief, weshalb sie erst einmal in eine Hilfsrolle verwiesen wurde. Das kränkte den Stolz der jungen Magierin, aber sie schluckte ihren Ärger herunter. Während die Unggoy-Priesterin vor allem die Vorteile der Fürsorgearbeit sah, durchschaute die misstrauische Ren, dass es der Botschaft auch um subtile Propaganda zugunsten Kintais und des Myuriko-Glaubens ging. Zudem hielt man so die Armen (auch solche mit kintarischen Wurzeln) außerhalb des wohlgeordneten und „perfekten“ Schwertalben-Viertels. Zudem schien die Botschaft ihre Wohlfahrtseinrichtungen auch zur Informationsgewinnung nutzte. Luo hatte Gelegenheit, einige Male mit jungen Schwertalbenkriegern und den Wachen der Botschaft zu trainieren.
Alles in allem schienen die Recherchen auf dem richtigen Weg, wenngleich die letzten Ereignisse den Argwohn der Abenteurer weiter schürten, dass hinter dem dramatischen Geschehen beim „Tempel der tausend Tore“ dunklere Dinge steckten, als anfangs anzunehmen war: Geheimnisse, die bis in die Gegenwart nachwirkten. Die erhaltenen Hinweise würden die Recherchen zum „Kult des Strahlenden Schattens“ und zum Drachenkult erleichtern.

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #31 am: 23.06.2024 | 16:06 »
In eigenem Auftrag
Palitan, Zhoujiang (Hao, Akira, Takur)

Nach ihrem Abenteuer mit dem gestohlenen Mondstahl wollten sich die Helden ihren Recherchen und persönlichen Anliegen widmen. Zuvor nahmen sie an der Beisetzung der Unglücklichen teil, die von den Mondstahldieben geopfert worden waren, um das kostbare Metall zu verfluchen. Die Rote Karpfen-Triade als „Eigentümer“ des Metalls finanzierte die Beisetzung der Opfer. Die grausamen Details ihres Todes wurden verschwiegen. Da die Getöteten aus der Unterschicht stammten, hätten sich ihre Angehörigen niemals eine so würdige Totenfeier leisten können. Hao tat ihr Bestes, den Trauernden Trost zuzusprechen, während die Toten feierlich dem Fluss übergeben wurden. Im sumpfigen Palitan waren Feuer- und Wasserbestattungen üblicher als Erdbestattungen.

In den nächsten Tagen gingen die Helden getrennte Wege. Die Magierin Ren unterstützte die von den Helden beauftragten Recherchen im Kaiserlichen Archiv und pflegte ihre Kontakte zur Familie Ka. Ihr Cousin Luo half den Roten Karpfen bei der – vorerst vergeblichen – Fahndung nach den geflohenen Mondstahldieben.
Der Jaguarkrieger Takur setzte die wenig aussichtsreiche Suche nach seinen verschollenen Gefährten fort, mit denen er einst die Heimat verlassen hatte. Doch hörte er zwar Gerüchte von der Sichtung eines tigergestaltigens Wesens, konnte aber nichts Genaues erfahren. Vielleicht hatte jemand die Begegnung mit einem Ma’Ua falsch interpretiert – wahrscheinlicher handelte es sich um ein Feen- oder Geisterwesen oder um einen jenseitigen Diener des zhoujiangischen Tigergeistes Lao.

***

Im Gegensatz dazu folgte Akira bei der Suche nach dem Schwert seines vor einigen Jahren ermordeten Vaters einer konkreten Spur. In Timog hatte er dank Luos Kontakten die Fährte einer albischen Kämpferin aufgenommen, die im Besitz des Schwertes gewesen war und es in Palitan verkaufen wollte. Akiras Nachforschungen führten ihn zu der gnomischen Händlerin Sang Nan. Sie bestätigte, dass eine albische Kriegerin namens Zhan Ke die Waffe angeboten hatte. Aufgrund des exorbitanten Preises hatte Sang Nan die Fremde an den zwergischen Waffenhändler Zai Mou verwiesen, der seltene Waffen sammelte. Zai Mou gehörte zu denen, die von der Machtergreifung der Triaden profitiert hatten: er betrieb eine florierende Waffenmanufaktur im Drachenbauch-Viertel und hatte kürzlich eine eigene Villa bezogen. Angeblich stand er kurz davor, in den mächtigen Handelsrat Palitans aufzusteigen. Seinen wachsenden Reichtum präsentierte Zai Mou mit Abendgesellschaften, bei denen er Kämpfer auftreten ließ, sowie durch das Sponsoring von Wettkampfteilnehmenden an den berüchtigten Winterspielen Palitans, bei denen jedes Jahr zahlreiche Verletzte und Tote gab.
Recherchen in der „besseren Gesellschaft“ Palitans brachten zutage, dass der Waffenhändler gut vernetzt war, auch wenn er persönlich als nicht immer angenehm galt. Zai Mou hatte sich durch seinen Aufstieg Feinde gemacht. Man munkelte, dass er seine Ehefrau, die von den für ihre Schmiedearbeiten berühmten zwergischen Nungmae-Nomaden Kungaitans abstammte, für eine politisch vorteilhafte Ehe mit einer Triadenfamilie loswerden wolle. Dank Akiras gesellschaftlichen Kontakten und den kämpferischen Qualitäten der Helden war es einfach, für ihn und Takur eine Einladung zu einer von Zai Mous Abendgesellschaften zu erlangen.

***

Hao verfolgte währenddessen ein eigenes Anliegen. Vor einigen Jahren war ihr in der Tigerprovinz das Eichhörnchen Hozhou zugelaufen, mit dem die Affenpriesterin ein magisches Band geknüpft hatte. Angesichts von Hozhous Zauberkräften war sich Hao sicher, dass die Begegnung Schicksal und Hozhou ein Geschenk Unggoys gewesen war. Um mehr darüber zu erfahren, suchte sie Palitans größten Unggoy-Tempel auf. Dieser bildete mit seinen Nebengebäuden und angegliederten Straßen ein eigenes Viertel, das von der Priesterschaft und deren oft zahlreichen Familien dominiert wurde. Der Tempel bot einen beeindruckenden Anblick – wie auch der neben dem Tor wachende, fast fünf Schritt große Goldaffe in prunkvoller Rüstung, der mit einer schwere Hellebarde bewaffnet war.
Die Tempelhalle erstreckte sich über mehrere Stockwerke, wobei der obere Teil teilweise nur über schmale Emporen und Seilbrücken zu erreichen war – eine Herausforderung für die wenig klettergeübte Hao. Mit einigen Anstrengungen erreichte sie den sie offenbar erwartenden Tempelvorsteher Ping Wa. Dieser verhielt sich freundlich und zuvorkommend, befragte Hao aber eingehend über ihre bisherigen Reisen, Erfahrungen und ihre Ziele. Offenbar war er der Meinung, dass Hao sich und ihre Rolle in der Welt besser kennenlernen müsse, bevor sie darüber nachdenken sollte, wie sie das spirituelle Band mit ihrem Tiergefährten stärken und dessen Unggoy-gegebenen Kräfte aktivieren könne. Unter anderem thematisierte er die schwierige Situation im vom Bürgerkrieg geplagten Zhoujiang, und wie dies die Unggoy-Kirche beeinflusste. Haos Bestreben, sich aus den politischen Wirren herauszuhalten, sei nicht immer umsetzbar. Ping Wa schien keiner der drei Bürgerkriegsparteien zugeneigt zu sein, problematisierte allerdings die Schwierigkeit, den richtigen Weg zu finden und den Geboten der Unggoy-Kirche gerecht zu werden. Hao sollte am nächsten Tag wiederkommen.

***

Akira und Takur besuchten währenddessen Zai Mous Abendgesellschaft. Die prachtvolle Villa lag mitten in dem ansonsten recht schäbigen, überfüllten und zum Gutteil von Nezumi (Rattlingen) bewohnten Drachenbauch-Viertel. Das Anwesen stach zwischen den Manufakturen, Baracken, Hütten, fragwürdigen Garküchen und Vergnügungsstätten der unteren Preisklasse deutlich heraus und war durch eine hohe Mauer gesichert.
Dass Akira am richtigen Ort war, zeigte sich schon am Eingang: die Kommandantin der Wachleute war keine andere als die von ihm gesuchte Zhan Ke. Die junge Albin musterte den aus Kintai stammenden Akira misstrauisch. Wie er vermutet hatte, sprach sie mit sadischem Akzent, was angesichts der blutigen Vergangenheit Sadus und Kintais ihr Misstrauen erklären mochte. Zhan Ke schien angespannt – und nicht nur wegen dem schwertalbischen Gast.
Bei dem folgenden Empfang Zai Mous konnte Akira mit seinen gesellschaftlichen Fähigkeiten punkten. Allerdings erregte sein Gefährte Takur größeres Aufsehen. Selbst im multikulturellen Palitan war ein Jaguarkrieger ein ungewöhnlicher Anblick. Unter den Gästen fielen mehrere höherrangige Mitglieder teilweise konkurrierender Triaden auf, aber auch einige erfahren wirkende Kämpfer, die als Gäste oder als „Unterhaltungsprogramm“ zugegen waren.
Es war kein Problem, Einblick in die in einem separaten Gebäude befindliche Ausstellung des Waffenhändlers zu erhalten, die dutzende hochwertige Waffen beinhaltete. Neben einheimischen Stücken wurden auch eine prachtvolle farukanische Pfauenfeder und ein exzellent gefertigtes selenisches Flamberge präsentiert – sowie ein Akira nur zu vertrautes Katana aus Jadeeisen. Er hatte tatsächlich die Waffe seines gefallenen Vaters gefunden. Der junge Schwertalb riss sich zusammen, um nichts Überhastetes zu tun. Zai Mou hatte die Waffe von Zhan Ke für eine stattliche Summe und die Anstellung als Wachkommandantin erworben.
Im Verlauf des Abends konnten sowohl Akira als auch Takur in ein paar kurzen Schaukämpfen ihr Können zeigen, was ihnen die Möglichkeit verschaffte, bei Gelegenheit wiederkommen zu dürfen.

***

Haos zweiter Besuch im Unggoy-Tempel verlief überraschend: mit Tempelvorsteher Ping Wa ging es in das noble Porzellanviertel Palitans, das von den Anwesen der Oberschicht und dem (momentan verlassenen) kaiserlichen Palast Palitans dominiert wurde. Allerdings war ihr Ziel weniger prachtvoll – das örtliche Gefängnis. Ping Wa war offenbar nicht zum ersten Mal hier, denn die wenig enthusiastisch wirkende Gefängnisvorsteherin Tsa Lin begleitete die Besuchenden persönlich zu einer Zelle. In dieser erwartete sie ein hünenhafter Varg. Bua Kunji, ein Priester des Affengottes, war zum Tode verurteilt worden, weil er zwei Leibwächter eines Steuereintreibers erschlagen hatte.
Der Gefangene war in keinem guten Zustand und vermutlich mehr als einmal mit den Wachen aneinandergeraten. Er wirkte wenig erfreut von dem Besuch und geriet schnell mit Ping Wa aneinander. Kunji warf dem Tempelvorsteher Feigheit und Untätigkeit im Angesicht von Ungerechtigkeit und Korruption vor, während Ping Wa vergeblich versuchte, dem Varg ins Gewissen zu reden. Kunjis fehlende Reue war auch der Grund dafür, dass ihm von der Gefängnisverwaltung jeder Kontakt mit seiner Familie verweigert wurde.
Im Anschluss an den fruchtlosen Besuch bat Ping Wa Hao, dass sie dem Verurteilten und seiner Familie beistehen möge – ließ aber offen, wie dieser Beistand aussehen sollte. Hao willigte sofort ein.

Zuerst besuchte sie Bua Kunjis Familie, die in der Nähe des Unggoy-Tempels wohnte. Bua La, die Ehefrau des Verurteilten, empfing Hao reserviert. Sie machte dem Tempel Vorwürfe, ihren Ehemann nicht von seinem verderblichen Pfad abgehalten zu haben und ihm jetzt nicht helfen zu können (oder wollen?). Dass weder sie noch ihr kleiner Sohn und ihre Tochter den Todgeweihten besuchen oder schreiben durften, belastete sie sehr. Hao versprach, einen Besuch oder wenigstens Briefkontakt zu erwirken, sowie Bua Kunji seine Priesterkette und eine Spielzeugfigur seines Sohnes zukommen zu lassen, die ihm ein wenig Trost spenden sollten.
Von La erfuhr Hao Einzelheiten zu Kunjis Verbrechen. Verbittert durch die wuchernde Korruption, hatte Kunji einen Ein-Varg-Feldzug gegen bestechliche Beamte und rücksichtslose Steuereintreiber begonnen. Dabei war er – auch wegen der ausbleibenden Unterstützung seiner Glaubensgeschwister – immer radikaler geworden. Letztendlich hatte das in Blutvergießen und dann in zwei Toten resultiert. La behauptete, sein Verhalten missbilligt zu haben, aber Hao fragte sich, ob das nicht eine Schutzbehauptung war. Sie beschloss, auch bei den Justizbehörden zu dem Fall nachzufragen.

Dank ihrer sozialen Fertigkeiten konnte sie rasch weitere Details zusammentragen. Der Steuereintreiber, den Kunji angegriffen hatte, war für sein korruptes und rücksichtsloses Vorgehen bekannt gewesen. Hao erfuhr zudem Einzelheiten zu den getöteten Wachleuten: einem jungen Rekruten und einem altgedienten Veteranen, der eine Familie mit mehreren Kindern hinterließ.
Dieses Wissen nutzte sie, um Bua Kunji ins Gewissen zu reden. Auch wenn sie seine Beweggründe verstand, wollte sie ihm klar machen, dass er den falschen Weg gewählt hatte – und dass seine Starrsinnigkeit ihm die Möglichkeit nahm, sich von seiner Familie zu verabschieden. Doch drang sie nicht durch den Panzer der selbstgerechten Entschlossenheit, mit dem Kunji sich gerüstet hatte. Der Verurteilte klammerte sich an die Vorstellung, das Richtige getan zu haben und bekam einen regelrechten Tobsuchtanfall. Frustriert brach Hao den Besuch ab, war aber entschlossen, ihre Bemühungen fortzusetzen. Zumindest wollte sie dem verstockten Gefangenen die Geschenke seiner Familie zukommen lassen. Da sich keine Gelegenheit ergeben hatte, die Priesterkette und die Figur bei dem Besuch zu Kunji zu schmuggeln, würde sie auf die Hilfe ihres Tiergefährten Hozhou zurückgreifen. Das magische Eichhörnchen sollte die Gaben nachts in die Zelle schmuggeln.

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #32 am: 23.06.2024 | 16:07 »
Akiras Bestrebungen verliefen währenddessen auch nicht reibungslos. Es gelang ihm, sich und Takur als Sparringpartner und Trainer der von Zai Mou gesponserten Kämpfer regelmäßigen Zutritt zu dem Anwesen des Waffenhändlers zu verschaffen. Beide nutzten die Gelegenheit, um die Lage zu sondieren. Das Anwesen wurde gut bewacht. Zu jedem Zeitpunkt schienen wenigstens vier Bewaffnete auf Posten zu sein. Zhan Ke hielt ihre Untergebenen auf Trab und duldete keine Nachlässigkeit. Vergeblich versuchte Akira, die sadische Kämpferin auszuhorchen. Sie traute dem Schwertalben nicht. 
Immerhin konnte er einige allgemeine Informationen sammeln. Zhan Ke nahm sich neben ihren Kommandopflichten offenbar die Zeit, einige der in der Manufaktur Zai Mous Angestellten in einer Bürgerwehr zu trainieren. Möglicherweise hing das damit zusammen, dass sich ihr Auftraggeber bei seinem Aufstieg einige lokale Banden zum Feind gemacht hatte. Solange er noch nicht Mitglied im Handelsrat war, blieb er angreifbar.

***

Als sich die Helden über ihre jeweiligen Erlebnisse austauschten, hatten weder Hao noch Akira Grund, völlig zufrieden zu sein. Hao war über die Uneinsichtigkeit Bua Kunjis frustriert und stand unter zeitlichem Druck. Der Tag der Hinrichtung rückte näher und ihre Möglichkeiten, zu Kunji durchzudringen, schienen begrenzt. Akira bot an, sie zu unterstützen. Allerdings zweifelte Hao, dass Kunji den Worten eines adligen Fremden viel Gewicht beimessen würde.

Akira seinerseits war über sein weiteres Vorgehen unsicher. Er wollte das Schwert seines Vaters zurückgewinnen. Doch ein Einbruch wäre riskant und hätte seinem Ehrgefühl widersprochen. Andererseits widerstrebte es ihm, für eine Waffe Geld zu bieten, die rechtmäßig seiner Familie gehörte – abgesehen von der Frage, ob er die nötigen Mittel besaß. Ließ sich ein anderer Weg finden, vielleicht mithilfe seiner Kontakte oder in Form eines Wettkampfes oder einer Herausforderung? Und wie sollte er sich gegenüber Zhan Ke verhalten, die eventuell mehr über den Tod von Akiras Vater wusste? Eine direkte Konfrontation würde möglicherweise in einem Blutvergießen enden, oder Zhan Ke zu Flucht veranlassen. Akira beschloss, dass er noch mehr herausfinden musste, bevor er zur Tat schritt.

***

Hao sah die Gelegenheit gekommen, dem zum Tode verurteilten Priester die Gaben seiner Familie in die Zelle zu schmuggeln, damit er etwas Trost schöpfen konnte. Außerdem würde er dann vielleicht offener gegenüber Haos Worten sein. Sie wartete bis zur Nacht und schickte dann ihren Tiergefährten Hozhou los, beladen mit der Kette des Priesters und dem Spielzeugkrieger seines Sohnes. Leider verlief die Aktion nicht ganz nach Plan: die im Innenhof patrouillierenden Hunde wurden aufmerksam. Aber dank eines magischen Ablenkungsmanövers Haos konnte ihr Tiergefährte zu dem Verurteilten vordringen, seine Gaben abliefern und zu der Priesterin zurückkehren. Dann musste sie freilich schleunigst das Weite suchen, weil die Wachen unruhig wurden.

Am nächsten Tag unternahm Hao einen erneuten Besuch im Gefängnis. Ihr Tiergefährte Hozhou begleitete sie und auch Akira war mit von der Partie. Kurz wurde es kritisch, als einer der patrouillierenden Hunde unruhig wurde – vermutlich erkannte er den Geruch von Haos Tiergefährten wieder. Gefängniskommandantin Tsa Lin war ein wenig genervt von der Aufmerksamkeit, die ihr Gefangener erfuhr.
Vermutlich dank der nächtlichen Schmuggelaktion war Bua Kunji diesmal weniger konfrontativ als bei den letzten Besuchen. Eingedenk seines verbalen Ausbruchs bei ihrem letzten Besuch überließ Hao diesmal zum Gutteil Akira das Wort. Dieser versuchte ebenfalls, dem zum Tode Verurteilten ins Gewissen zu reden. Allerdings waren seine Argumente und Ansichten durch die für Außenstehende manchmal recht…eigenwillig wirkende Pflicht- und Ehrvorstellung der Schwertalben geprägt. Ob seine Geschichte von der Rache der 55 Ronin wirklich geeignet war, zu Bua Kunji durchzudringen…
Doch dank Haos Unterstützung schienen die Worte des jungen Samurai bei dem Verurteilten etwas zu bewegen. Zumindest versprach er, seine Einstellung zu überdenken – und sei es nur, um sich von seiner Familie verabschieden zu können.

Nach diesem Besuch tauschten sich Hao und Akira über ihre unterschiedlichen Moral- und Ehrvorstellungen aus, über Fragen wie Verantwortung und die Rechtmäßigkeit der Todesstrafe. Auch wenn sie nicht in jedem Punkt einer Meinung waren, waren sie sich einig, dass Bua Kunjis Verurteilung wohl rechtens und sein Tod leider unvermeidbar war. Eine Begnadigung stand außer Frage: dazu hatten die Helden weder den Einfluss, noch wäre es vermutlich angemessen gewesen. Immerhin HATTE er getötet. Beide waren entschlossen, bei Bua Kunjis Hinrichtung anwesend zu sein, um ihm den letzten Gang vielleicht ein wenig zu erleichtern. Wenigstens würde er einen schnellen Tod sterben, denn die Hinrichtung würde durch Enthauptung erfolgen. Es gab sehr viel würdelosere und langsamere Hinrichtungsarten…

*** 

Akira hörte sich inzwischen nach weiteren Informationen zu Zai Mou um und versuchte seine Möglichkeiten auszuloten, diesen zu beeinflussen. Dazu fragte er sowohl bei der Adelsfamilie Ka nach, der die Helden in Timog und jetzt in Palitan einige Gefallen getan hatten, als auch bei der Kintari-Botschaft. Beide schätzten Akiras Chancen, juristisch die Herausgabe des Schwertes seines Vaters zu erzwingen, für gering ein. Prinzipiell waren sowohl die Kas als auch die Botschaft bereit, Akira zu unterstützen, doch reichte Ihr Einfluss in den Kreisen des Waffenhändlers nicht allzu weit.
Luo, der eine kurze Pause bei seiner frustrierend erfolglosen Suche nach den Mondstahldieben einlegte, konnte ein paar weitere Informationen über den Waffenhändler ausgraben: Es hieß, dass das Schwert von Akiras Vater nicht die einzige Waffe war, die Zai Mou aus undurchsichtigen Quellen erhalten hatte. Und die Rivalitäten, in die sich der Waffenhändler bei seinem Aufstieg verwickelt hatte, betrafen vor allem auch die „Glutratten“ – eine Nezumi-Bande, die im Drachenbauch-Viertel unter anderem einen Schutzgeldring betrieb. Die Gruppe wurde von einem Anführer namens Taka Sun kommandiert und bestand nicht nur aus Nezumi (takasadischen Rattlingen), sondern auch aus rattlingischen Einwanderern aus Dragorea. Angeblich gehörten mehrere Magiebegabte zu ihnen.
Auf Nachfrage bestätigte Zhan Ke – trotzdem sie Akira weiterhin misstraute – dass die „Glutratten“ die Manufakturarbeiter von Zai Mou schikanierten. Deshalb hatte sie mit überschaubarem Erfolg versucht, einen „Selbstschutz“ unter den Arbeitenden auf die Beine zu stellen.

Nach einigem Zögern entschloss sich Akira, mit offenen Karten zu spielen. Er sprach bei Zai Mou vor und erklärte seinen Anspruch auf das Schwert seines Vaters. Dabei blieb der junge Samurai höflich und drückte die Hoffnung aus, eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung zu finden. Es war keine Überraschung, dass der Waffenhändler nicht gewillt war, die Klinge einfach herauszugeben. Hingegen zeigte er sich bereit, sie gegen eine gleichwertige Waffe oder für 200 Lunaren herzugeben. Beides lag momentan außerhalb von Akiras Möglichkeiten. Allerdings stellte Zai Mou in Aussicht, den Kaufpreis zu reduzieren, falls Akira ihm bei seinen Problemen mit den „Glutratten“ half. Akira erklärte sich einverstanden und versprach, auch seine Kontakte und Verbindungen einzubringen.
Anschließend schenkte er auch Zhan Ke reinen Wein ein. Immerhin hatte sie das Schwert von Akiras Vater an Zai Mou verkauft und Akira hoffte von der jungen Kriegerin etwas über die Mörder seines Vaters zu erfahren. Auch wenn er keine Beschuldigungen gegen Zhan Ke erhob – er war sich sicher, sie nicht bei den Angreifern gesehen zu haben, die seinen Vater töteten – war diese Eröffnung nicht dazu angetan, Zhan Kes Misstrauen zu zerstreuen.

Akira gelang es, die Triade der „Roten Karpfen“ mit Verweis auf die geleistete Hilfe bei der Suche nach dem gestohlenen Mondstahl zu überzeugen, einige Männer abzustellen, um Zai Mous Anwesen und Manufaktur zu beschützen. Er argumentierte zudem mit dem Selbstinteresse der Triaden, dadurch ihren Einfluss im Drachenbauch-Viertel und (mit dem anstehenden sozialen Aufstieg des Waffenhändlers) im Handelsrat von Palitan stärken zu können. Allerdings waren die Triaden zurückhaltend, was ihr Agieren im Drachenbauch anging. Zwar waren die dortigen Rattlingsbanden untereinander verfeindet, schlossen sich aber gegen jede externe Gefahr zusammen.
Hao versuchte ihrem Kameraden zu helfen, indem sie sich nach besonderen Waffen umhörte, die Akira vielleicht Zai Mou als Auslöse für das Schwert würde anbieten können. Zwar konnte sie einige interessante Geschichten von berühmten Klingen aufschnappen – aber diese waren entweder verschollen oder ruhten in den Grabmälern ihrer Träger. Weder Hao noch Akira wollten die Ruhe der Toten stören.
Allerdings gab es noch eine weitere potentielle Möglichkeit, an hochwertige Waffen zu kommen. In wenigen Monaten würden in Palitan die jährlichen Winterspiele beginnen, bei denen hunderte Teilnehmende in blutigen Wettkämpfen gegeneinander antraten. Im Vergleich zu den in Inani stattfindenden Sommerspielen waren die Wettkämpfe in Palitan berüchtigt für ihre Brutalität und ihre hohe Todesrate. Bei diesen Spielen anzutreten, würde Akira jedoch die Möglichkeit bieten, Geld zu gewinnen und hochwertige Waffen zu erbeuten. Allerdings wäre dies ein gefährliches Wagnis mit hohem persönlichem Risiko…

***

Inzwischen erhielt Hao die gute Nachricht, dass der auf Abwege geratene Affenpriester Bua Kunji Reue gezeigt hatte. Auch dank Haos Fürsprache gestattete die Gefängnisverwaltung ihm deshalb den Kontakt mit seiner Familie. Vermutlich war den Behörden ein geständiger Sünder lieber, als wenn der Priester unbeirrt in den Tod gegangen wäre und dadurch andere Unzufriedene inspiriert hätte.
Auf Akiras Vorschlag veranstalteten er und Hao für Bua Kunji nach Kintari-Brauch ein „Höllenmahl“: ein letztes Festessen im Angesicht des sicheren Untergangs.

Die Hinrichtung von Bua Kunji fand im Gefängnishof unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Zu Haos Befremden hatte Akira für dieses Ereignis seine Festkleidung angelegt – manche Kintari-Gebräuche erschienen der Affenpriesterin eigenartig.
Auch wenn die Familie von Bua Kunji nicht anwesend war, hatte er sich wenigstens von ihr verabschieden können. Außer den Helden, Tempelvorsteher Ping Wa und der Gefängniskommandantin war auch die oberste Richterin Maifeng anwesend.
Die Priesterkette, die Hao ihm in die Zelle geschmuggelt hatte, wickelte der Priester auf seinem letzten Gang um seinen Arm und in der Hand hielt er den Spielzeugsoldaten seines Sohnes. Er ging aufrecht und entschlossen die letzten Schritte zum Schafott, bekannte seine Schuld und kniete ohne zu zögern nieder. Zum Glück verstand der Henker sein Handwerk und trennte Bua Kunjis Kopf mit einem Hieb sauber von seinem Hals. Der Leichnam wurde dem Tempel übergeben, um beigesetzt zu werden. Sowohl Hao als auch Akira waren der Meinung, dass dies das beste Ergebnis war, welches sie in dieser verfahrenen Situation hatten erreichen können.

Einige Tage später ließ Tempelvorsteher Ping Wa die junge Priesterin zu sich rufen und befragte sie, was sie aus der Geschichte gelernt hatte. Hao war sich sicher, nicht dazu berufen zu sein, über Leben und Tod zu entscheiden. Die Angelegenheit hatte sie sehr belastet und ihre Zweifel an der Todesstrafe verstärkt. Sie bekräftigte ihre Absicht, sich für das Wohl der einfachen Leute einzusetzen, dabei aber auf Bua Kunjis Methoden zu verzichten. Ob diese Antwort den Tempelvorsteher zufriedenstellte, blieb unklar – aber er wünschte Hao viel Glück auf ihrem weiteren Weg. Und da sich das Fell ihres Tiergefährten dabei teilweise golden färbte, schien Unggoy nicht unzufrieden mit ihr zu sein…

***

Akira verbrachte seine Zeit hingegen nun vor allem damit, die Wachen Zai Mous zu unterstützen. Auch wenn er seine Sache nicht schlecht machte, war er nicht glücklich darüber, für jemanden arbeiten zu müssen, den er wenig achtete. Auch das Verhältnis zu Zhan Ke blieb angespannt.

Trotz zusätzlicher Wachen erfolgte der befürchtete Angriff der „Glutratten“ dann überraschend und ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an dem keiner der Helden in der Nähe war. Von einem Boten der „Roten Karpfen“ alarmiert, holte Akira Hao und Takur zu Hilfe und eilte in das Drachenbauch-Viertel. Ihr erstes Ziel war Zai Mous Manufaktur, deren Mannschaft jedoch den – offenbar nicht sehr heftigen – Angriff hatten zurückschlagen können. Es hatte einige Verletzte und nur leichte Schäden gegeben. Anders sah es mit dem Anwesen von Zai Mou aus, aus dessen Richtung dunkle Rauchschwaden zur Manufaktur herüberwehten…

Als die Helden das Anwesen erreichten, war es beinahe zu spät: mehrere Wachen und Bediensteten lagen reglos am Boden, das Gebäude brannte und vor den Augen der Helden wurde Zhan Ke niedergestreckt. Akira und Takur warfen sich in den Kampf mit den Rattlingen. Beide mussten schwere Treffer einstecken, teilten aber gleichzeitig umso heftiger aus: Takur metzelte mit wenigen Hieben seiner schweren Glefe zwei Angreifer nieder, während Akira die feindliche Anführerin schwer verletzte und zum Rückzug zwang. Auch die verbliebenen Wachen schöpften neuen Mut und so mussten die Angreifer weichen. Haos magische Fähigkeiten retteten mehreren der verwundeten Wächter und Bediensteten das Leben. Auch Zhan Ke würde überleben.
Dennoch waren die Schäden beträchtlich. Dazu kamen zwei tote und mehrere schwerverletzte Wachleute und Bedienstete. Die Ambitionen des Waffenhändlers auf einen Sitz im Handelsrat hatten einen bösen Dämpfer erhalten.
Deshalb drückte der Zai Mou zwar seine Dankbarkeit aus, doch zu mehr als einen Preisnachlass für die Klinge von Akiras Vater war er nicht bereit. Er würde das Geld brauchen…

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #33 am: 20.07.2024 | 18:03 »
Im Sumpf der 32.000 Lichter
Palitan, Zhoujiang (Hao, Ren, Luo)

Während ihre Mitstreiter ihren eigenen Zielen nachgingen, waren auch Luo und Ren nicht müßig geblieben. Ren vertiefte ihre Kontakte zu den Kas und unterstützte die Recherchen im Kaiserlichen Archiv, Luo half mit leider geringem Erfolg bei der Suche nach den Mondstahldieben, mit denen die Helden aneinandergeraten waren. Zudem knüpfte er nach längerer Abwesenheit wieder Kontakt zu seinen Verwandten in der Stadt an. Er freundete sich mit Gastwirtin Altani an, bei der die Abenteurer untergekommen waren. Die dunkelhäutige Albin stammte aus dem Dämmerwald, was erklärte, warum sie leichte Vorbehalte gegen Takur hegte, gerieten doch die Jaguarkrieger und die Dschungelalben Arakeas immer wieder aneinander. Der Ma‘Ua fühlte sich in der Stadt nicht recht wohl. Ihre enorme Größe und das Durcheinander aus Lebewesen, Geräuschen und Gerüchen war mitunter etwas zu viel für ihn. So nahm er sporadisch Aufträge im Umland an. Zudem bat er Luo, nach guten Holzhandwerkern zu suchen – sowohl er als auch Hao hatten sich Wandelndes Holz beschaffen können und wollten dies nun in eine Speerschleuder respektive einen Kampfstab verarbeiten lassen. Akira war häufig im Schwertalbenviertel zu finden, wo er sich mit den Belangen der örtlichen Gemeinde befasste. Er hatte allerdings immer noch ein schlechtes Gewissen, weil er bei seinem letzten Abenteuer beim Schutz des Waffenmanufakturbesitzers und Sammlers Zai Mou nur partiell erfolgreich gewesen war. Er verbrachte einige Zeit damit, dessen Wachen auf Vordermann zu bringen. Dass Kintai Interesse an den Ereignissen in Palitan hatte, merkten aber auch Ren und Luo, die sporadisch von der Botschafterin Suguri Jun eingeladen wurden. Sie war offenbar an den Informationen und Kontakten interessiert, die die aus einer weitverzweigten Sippe stammende Ren und der in der kriminellen Unterwelt eingebundene Luo besaßen.
Hao ihrerseits hielt mit dem Haupttempel Unggoys Kontakt. Es entging ihr nicht, dass die kürzliche Hinrichtung des Priesters Bua Kunji weiterhin für Kontroversen sorgte.

Die Abenteurer erfuhren im Verlauf ihres Aufenthaltes einiges über das dicht neben dem Archivviertel liegende Porzellanviertel. Mit seinen Porzellanbäumen, dem (verlassenen) kaiserlichen Palast und den prachtvollen Anwesen angesehener Familien war es ein beeindruckender Anblick. Nachts war ein Betreten freilich mit Risiken verbunden. Die geisterhaften Elitewachen, die das Viertel patrouillierten, neigten dazu „unpassendes Volk“ aus dem Viertel zu treiben, wobei ihre „Qualitätsmaßstäbe“ nicht immer nachzuvollziehen waren. Während sie die alteingesessene Familien und deren Bedienstete tolerierten, hatte so mancher Neubewohner schon die Vermittlung des Geisterministeriums in Anspruch nehmen müssen. Alles in allem aber war die Innenstadt vergleichsweise sicher. Kriminalität zeigte sich eher in der Form von Taschendieben und Betrügern, die unter anderem angebliche Kaiserinnenplast-Artefakte oder „Setzlinge der Porzellanbäume“ feilboten.

Es war wieder die Familie Ka die sich mit einem Anliegen an Hao, Ren und Luo wandten. Sie hatten die Hilfe der Abenteurer für ihren selenischen Kontaktmann nicht vergessen, und es gab in ihrem Bekanntenkreis offenbar weiteren Bedarf für versierte Helfer. Viel Geld war dabei nicht zu verdienen, aber die Ka waren bereit, im Ausgleich die Archivrecherchen der Abenteurer zu unterstützen. Die Kas baten die Helden, sich mit Inspektor Yaogun Tran in Verbindung zu setzen, der aus einer alteingesessenen Beamtenfamilie stammte. Die Yaogun stellten unter anderem die Mandarin für den zu den Außenbezirken Palitans gehörenden Sumpf der 32.000 Lichter. Auch sonst war die Familie gut vernetzt, wenngleich sie nicht zum inneren Zirkel der neuen Machthaber gehörte. Das reichte, um Ren und Luo zu interessieren, die immer auf der Suche nach neuen Kontakten waren, während Hao hoffte, ihre Recherchen zum Kult des Drachen-Tiergeistes mit Hilfe der Kas finanzieren zu können.

Vor dem Treffen mit Yaogun Tran holte Luo Auskünfte über den Beamten ein. Tran war ein Inspektor der Stadtverwaltung. Er galt als kompetent, und versah seinen Dienst ohne die ausufernde Korruption, die sich in den letzten Jahren im Triadengebiet breit gemacht hatte. Sein Arbeitsfeld, der Sumpf der 32.000 Lichter, war nicht das beste Viertel Palitans. Die Triaden hatten dort nie wirklich Fuß gefasst, denn die Einwohner blieben für sich und hielten zusammen. Angeblich tauchten aus dem Sumpf immer wieder Monster, Geister und Krankheiten auf. Auch „unorganisierte“ Banditenbanden machten mitunter Probleme.
Das Teehaus, in der die Helden den Beamten trafen, bediente eindeutig eher die Mittelschicht und hatte ein recht begrenztes Angebot. Tran, ein streng wirkender Mensch in mittleren Jahren in nüchtern und schmucklos wirkender Kleidung, nahm sich die Zeit für Smalltalk, eher er zum Kern seines Anliegens kam.
Der Sumpf der 32.000 Lichter war das Ergebnis der Expansion Palitans. Viele Neuzugänge landeten zuerst hier. Allerdings erhielt das Viertel von der Stadtverwaltung nur sehr begrenzte Mittel zugeteilt. Das lag wohl auch daran, dass nur vergleichswenig wenige Einwohner Triadenkontakte hatten. Besonders in letzter Zeit hatte es verstärkt Probleme mit feindseligen Geistern gegeben. Dies betraf vor allem die zum Gutteil aus Nezumi (Rattlingen) bestehenden Arbeitstrupps, die den Sumpf urbar machten. Unter den Rattenmenschen waren nicht wenige Exilanten aus Dragorea, die hierzulande sogar von ihren Artgenossen von oben herab behandelt wurden. Das Geisterministerium hingegen agierte eher in der Innenstadt, und selbst wenn es sich hier blicken ließ, war das Verhältnis mit der Bevölkerung wegen den Triadenverbindungen der Palitaner Stadtbehörden nicht immer harmonisch.

Kürzlich sei ein Geistlicher im Viertel aktiv gewesen, ein gewisser Meister Kong, der mit einer Handvoll Begleiter aufgetreten war. Er hatte nach den Gründen für die verstärkten Geisteraktivitäten gesucht, dabei aber nicht mit den örtlichen Behörden kooperiert. Sein Vorgehen war nicht immer diplomatisch gewesen, was viele Einwohner verärgert hatte. Angeblich war Kong in der bekannten Exorzistenschule von Laohuangdan ausgebildet worden, ansonsten wusste Tran aber wenig über ihn. Seit einigen Tagen sei der Priester unauffindbar. Tran glaubte nicht, dass die Einwohner etwas mit dem Verschwinden Kongs zu tun hatten (ein Punkt, bei dem Ren und Luo sich nicht so sicher waren). Er bat darum, dass sie nach dem Exorzisten suchen und herausfinden sollten, was bei seinen Nachforschungen herausgekommen war.
Die Abenteurer nahmen den Auftrag an. Mehr als ein Handgeld konnte der Beamte nicht anbieten, aber er gab den Abenteurern Hinweise, an welche der örtlichen Beamten sie sich wenden konnten und stattete sie mit einem Empfehlungsschreiben aus.

Zuerst kontaktierten die Abenteurer die örtlichen Beamten. Das bedeutete eine Menge Fußarbeit, denn das „Viertel“ verteilte sich über das gesamte nördliche Umland von Palitan. Die Wegesituation war durch das Sumpfland und die Seitenarme des das Viertel durchschneidenden Flusses nicht einfach. Die meisten Gebäude wirkten einfach und wiesen zumeist nur ein oder zwei Stockwerke auf. Die Verwaltung schien an der Peripherie der Stadt eher dünn gesät. Sekretäre verwalteten Gebiete, die ansonsten einem Inspektor unterstanden hätten. Es stellte sich als schwierig heraus, die Beamten zum Reden zu bringen – vermutlich, weil die Abenteurer darauf verzichteten, Schmiergelder zu zahlen. Die Beamten hatten Meister Kong ebenfalls als aufdringlich und ungehobelt empfunden. Er hatte seine Nachforschungen auf den westlichen Teil des Sumpfes konzentriert, wo sich besonders viele Geisterzwischenfälle ereignet hatten. Dabei hatte er nach früheren Vorfällen gefragt und ein Muster gesucht und Kontakt mit den örtlichen Medizin- und Antiquitätenhändler aufgenommen. Hao vermutete, dass er erfahren wollte, ob Artefakte gefunden worden waren, die auf ein Grabmal hindeuteten, dessen Plünderung den Zorn der Geister verursacht hatte.

Ausgehend von diesen Informationen beschlossen die Abenteuer, selber bei den örtlichen Händlern herumzufragen. Vielleicht ließ sich herausfinden, was Meister Kong gesucht hatte. Natürlich bestand die Möglichkeit, dass er irgendwelchen krummen Geschäften auf die Spur gekommen war und einer der Händler hinter seinem Verschwinden steckte.
Luo konnte ermitteln, dass in letzter Zeit einige alte Waffen und Rüstungen aus dem Sumpf geborgen worden waren – allem Anschein nach aus der Zeit der kurzzeitigen Besetzung Palitans durch die Kintari vor fast 500 Jahren, bevor deren Vormarsch auf Befehl Myurikos plötzlich abgeblasen wurde und die Schwertalben auf das Südufer des Jadebandes zurückgewichen. Die Fundstücke kamen angeblich von Angehörigen der Nezumi-Arbeitskommandos, die sie beim Trockenlegen des Sumpfes gefunden hatten.
Die Abenteurer konnten mithilfe einiger Silberstücke herausfinden, dass Kong nach Kontakten zu den Nezumi gesucht hatte. Man hatte ihn an „die große Yia“ im Bauch des Drachen vermittelt. Allerdings ließ es der Händler nicht an ominösen Warnungen fehlen, man solle ihre Suppe besser nicht probieren, denn wenn man nicht vorsichtig sei, lande man selber im Topf.
Die Abenteurer schauten sich auch einige der gefundenen Artefakte an, doch war der größte Teil eher Plunder. Nur wenige schienen einen echten Wert zu haben. Immerhin entdeckte Ren, dass ein alter, lädierter Lamellenhelm tatsächlich verzaubert worden war. Sie erstand ihn zu einem günstigen Preis, auch wenn das gute Stück einiger Reparaturen bedurfte.

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #34 am: 20.07.2024 | 18:04 »
In den nächsten drei Tagen teilten sich die Abenteurer auf. Luo spürte im Bauch des Drachen Informationen zu Kong und Yia nach. Er merkte rasch, dass die Einwohner des Viertels Fremden gegenüber zurückhaltend waren. Selbst sein sonst so verlässliches Kontaktnetzwerk war von geringem Nutzen. Doch mit viel Zeit, Mühe und kleinen Geschenken fand er doch noch einiges heraus. Offenbar fanden tatsächlich nicht wenige der hier lebenden Rattlinge einen kärglichen und auch gefährlichen Verdienst im Sumpf der 32.000 Lichter. Sie suchten nach wertvollen Pflanzen und Tieren, stöberten nach verschollenen Siedlungen und Wagenzügen oder arbeiteten bei der Urbarmachung. Es hieß sogar, dass manche von ihnen Sumpfleichen bargen, obwohl sich niemand sicher war, was ihre mysteriösen Abnehmer damit anfangen konnten. Auch hier hörte Luo, dass in letzterer Zeit einige wertvollere Fundstücke aufgetaucht sein sollten. Allerdings hatte es kürzlich bei Geistangriffen Verletzte und sogar einige Tote oder Vermisste gegeben.
Kong hatte sich offenbar ebenfalls im Bauch des Drachen umgehört. Sollte er tatsächlich mit Yia Kontakt aufgenommen haben, dann trieb er ein gefährliches Spiel, denn diese war angeblich eine (ehemalige?) Bandenführerin und Piratin mit guten Triadenkontakten. Neben ihren eher fragwürdigen Geschäften betrieb sie einen Imbiss, der für seine Nudelsuppe berühmt war. Allerdings hieß es, man solle sich lieber an die vegetarische Variante halten, denn welches Fleisch im Topf landete…
Die Spur, die Luos Mitstreiterinnen gefunden hatten, war sogar noch vielversprechender. Mit Hilfe von Ren war es Hao gelungen, viele Hinweise in der einfachen Bevölkerung aufzuschnappen. Kong und eine Handvoll Söldlinge – ein Varg und einige Menschen –  hatte sich angeblich bei einem eher eigenbrötlerischen Fischer namens Ma eingemietet, der auf sich allein gestellt im Sumpf lebte. Die drei beschlossen Abenteurer, Mas Hütte aufzusuchen.

Angesichts der Geschichten über den Sumpf waren die Helden auf mögliche Konfrontationen vorbereitet. Mas Hütte und der nahe Bootsschuppen boten einen ärmlichen Anblick. Auf das Rufen der Abenteurer reagierte niemand. Luo knackte das simple Schloss und sie durchsuchten die Wohnung. Es schien, dass im Inneren ein Kampf stattgefunden hatte. Möbelstücke waren umgestürzt, und es fanden sich Blutspuren. Luo entdeckte einen gut versteckten Lederbeutel mit einigen Lunaren. Die meisten Münzen waren neu, sehr wahrscheinlich Mas Lohn für seine Dienste. Das ließ vermuten, dass ihm etwas zugestoßen war - er hätte sein Geld sicher nicht zurückgelassen. Zudem fanden sich Schleifspuren, die zum Bootsschuppen führten. Bei Näherkommen erfüllte alle ein unbestimmtes Gefühl des Unheils und der Bedrohung, was Hao und Luo beinahe am Betreten des Gebäudes gehindert hätte.
Die vagen Befürchtungen erwiesen sich als gerechtfertigt, fand sich doch im Innern eine aufgedunsene, kaum noch identifizierbare Leiche. Die Wände waren mit rotbraunen Schriftzeichen übersäht. Rens „Magie erkennen“ enthüllte, dass hier Zauber gewirkt worden waren und noch immer nachwirkten. Hao erkannte die Schriftzeichen wieder – sie ähnelten denen auf dem „Geisterhorn“, dass die Abenteurer im Sumpf außerhalb von Timog erbeutet und an das Fürstenhaus der Kranichprovinz abgegeben hatten. Alle drei meinten am Rande des Hörbaren ein Wispern und Raunen zu hören. Während Hao den Schuppen lieber verließ und Luo die Waffe bereithielt, konnte die Magierin durch einfache Ja-Nein-Fragen so etwas wie eine Verständigung mit dem Geist des Toten herstellen. Sie bereute sehr, dass sie sich nicht die passenden Zauber für eine Kommunikation mit den Geistern gelernt hatte. Aber sie erfuhr dennoch, dass es sich beim Toten um Ma handelte – und dass er von Kong und seinen Schergen getötet worden war. Der Grund blieb unklar. Das war ein erschreckende Wendung, denn bisher hatten die drei den (angeblichen?) Diener des Geisterministeriums nicht für einen Schwerverbrecher gehalten. Auf Haos Drängen bastelte man notdürftig eine Trage, um die Leiche in die nächste Siedlung mitzunehmen.

Das alles hatte Zeit gekostet, und da sowohl Ren als auch Hao weder kräftig noch gut trainiert waren, kam man nur langsam voran. In den länger werdenden Schatten zeichneten am Rande des Sichtfeldes schemenhaften Bewegungen ab.
Dann stellte sich den Abenteurern eine Gestalt in den Weg. Im Zwielicht zeichnete sich eine halb durchscheinende Silhouette ab: ein Mann oder Frau in einem altertümlichen roten Oyoroi-Panzer – doch unter dem einst prunkvoll geschmückten Helm war nur noch ein Totenschädel mit leeren Augenhöhlen. Ren, die sich der Gunst der Geister sicher glaubte, trat vor und redete den Geist respektvoll in Kintial an. Die Antwort verstand sie nicht, doch hielt sie in respektvoller Pose stand, als die Gestalt näher floss. Schließlich schwebte der Schemen direkt vor ihr und streckte die Hand nach der jungen Frau aus. Immer noch verhielt Ren sich ruhig, auch als er ihre Stirn berührte. Ein Schmerz wie ein heftiger Fausthieb durchfuhr sie, und vor ihrem inneren Auge tauchte eine Folge rasch wechselnder Visionen auf: ein erbitterter Kampf zwischen Soldaten Myurikos und des Kaiserreiches Zhoujiang, der Sturz ins brackige Wasser, das sich wie ein Sargdeckel über den Sterbenden schloss. Ein Schlaf, der Jahrhunderte währte und doch nur Augenblicke zu dauern schien, und schließlich Klauen, welche die Schlafenden aus ihrer Ruhe rissen. Ein Gefühl von Wut und Verlust war zu spüren, und ein Zerren, als würde sie zugleich aus mehreren Richtungen angezogen und abgestoßen. Einer der „Zugpunkte“ schien der Schuppen Mas zu sein, der andere lag weiter im Osten. Und schließlich sah sie einen Ort im Sumpf. Sie war sich sicher, dass die Geister gezielt aufgehetzt worden waren. Dann verschwand der Geist.

Erschüttert erreichten die drei mitten in der Nacht die nächste Ansiedlung, mit Schlamm bespritzt und mit einer bereits deutlich verwesten Leiche im Schlepptau. Es war Haos diplomatischen Geschick (und ihrer Position als Priesterin) zu verdanken, dass die Einwohner nicht feindselig reagierten, sondern sich des Leichnams annahmen. Luo gab einige der in Mas Hütte gefundenen Münzen ab, damit ein Begräbnis organisiert werden konnte. Dann säuberten sich die drei und ruhten sich erst einmal aus. Besonders Ren schlief schlecht, verfolgten sie doch die Visionen des Geistes. Am nächsten Tag kontaktierten die drei ihren Auftraggeber. Yaogun Tran sah sich jedoch außerstande, schnelle Hilfe zu versprechen. Selbst in Zhoujiang war die „Aussage“ eines Geistes nicht ausreichend, um einen Beamten des Geisterministeriums festzusetzen.
Mehr und mehr kristallisierte sich der Verdacht heraus, dass Kong nicht versucht hatte, etwas gegen die Geister zu unternehmen, sondern eher an der jüngsten Zunahme der Geisterzwischenfälle Schuld trug. Zwar hatte es im Sumpf der 32.000 Lichter schon immer sporadisch Probleme gegeben, aber nicht in diesem Ausmaß. Die Helden kamen überein, die in der Vision erschienen Orte aufzusuchen. Zuerst wollten sie die Schriftzeichen in Mas Schuppen unschädlich machen.
Deshalb eilten die Abenteurer am nächsten Tag zurück in den Sumpf – darauf bedacht, ihr Vorhaben vor Einbruch der Dunkelheit zu beenden. Während Ren und Hao die Schriftzeichen für spätere Recherchen kopierten, durchsuchte Luo noch einmal gründlich die Hütte. Er suchte Dinge, die Ma etwas bedeutet hatten, um sie ihm ins Jenseits nachzusenden. Er fand eine bessere Teeschale und einen Anhänger des Flussdelphins Iruka. Allerdings brauchten die Abenteurer mehr Zeit als sie gehofft hatten, so dass der Abend nicht mehr fern war.

Es war gut, dass Luo die Umgebung im Auge behielt, denn so bemerkte er rechtzeitig, dass sich mehrere Gestalten der Hütte näherten. Während er sich draußen versteckte, verbargen sich Hao und Ren im Schuppen. Beim Näherkommen entdeckten die Abenteurer, dass es sich bei einem der Näherkommenden um einen alten Feind handelte: Tang, den Räuberhauptmann, dem sie das Geisterhorn abgenommen hatten.
Während Hao einer Begegnung lieber aus dem Weg gegangen wäre, waren Luo und Ren auf Konfrontation aus – und so kam es zum Kampf. Die vier Bewaffneten erkannten im letzten Moment den drohenden Hinterhalt, doch Luo stieß dennoch in ihre Mitte vor und konnte Tang bereits zum Auftakt des Gefechts schwer treffen. Binnen kurzem eskalierte der Kampf – die meisten der Gegner konzentrierten sich auf Luo, der nur dank seines Waffengeschicks von schwereren Verletzungen verschont blieb, während Ren ihren „Höllenhund“ beschwor und in den Kampf hetzte. Hao und Ren jagten einen Feind schwer verletzt in die Flucht, während der Hund nacheinander zwei weitere schwer verwundete, die panisch um Gnade flehten. Inzwischen blutete auch Tang aus zahlreichen Wunden. Sowohl Ren als auch Luo versuchten vergeblich, ihn gefangen zu nehmen. Schließlich riss der Feuerhund Tang die Kehle heraus. Ren versuchte ihn zu stabilisieren, aber es war zu spät. Die Helden entwaffneten und fesselten die überlebenden Gegner. Es schien so, als ob Tang seit dem letzten Mal an Macht und Reichtum eingebüßt hatte, denn seine Ausrüstung war diesmal recht einfach, und verriet leider nichts über seinen Auftrag.
War dies ein Ausgang, den die Abenteurer etwas bedauerten, weil sie Tang gerne verhört hätten, so bekam der Kampf binnen kurzem eine beunruhigende Note. In der hereinbrechenden Dunkelheit zeichnete sich erneut der Schemen des rotgepanzerten Geistes ab, dem die drei in der Nacht zuvor begegnet waren. Bei Tangs Leichnam angelangt, tauchte er die geisterhafte Hand in das frische Blut des Toten, und schien mit einmal an Substanz zu gewinnen. Mit einem blitzschnellen Hieb seines Katanas enthauptete er den Varg und verschwand dann spurlos – mitsamt Tangs Schädels. Hao fragte sich beunruhigt, ob die Gefahr bestand, dass die aufgestörten Geister ihren uralten Krieg gegen Zhoujiang fortsetzen könnten.

Niemand wollte durch die Dunkelheit zurückmarschieren, und so verbrachten die Abenteurer und die Gefangenen die Nacht in der Hütte. Zuvor verbrannten die Abenteurer den Schuppen mit den Schriftzeichen, Tangs Leiche und Mas persönlichen Gegenständen.
Ein Gutes hatten die unheimlichen Ereignisse – die Gefangenen redeten überaus bereitwillig. Sie schoben alle Schuld auf Tang und Kong, vor denen sie beide Angst hatten. Von den Plänen ihrer Auftraggeber wussten sie indes nichts Genaues. Sie hatten als Muskeln fungiert und Kongs Forderungen Nachdruck verliehen. Tang und Kong waren vor gut anderthalb Wochen mit drei Rattlingen in den Sumpf gegangen, aber alleine zurückgekehrt. Die Abenteurer ahnten, dass es für die Nezumi kein gutes Ende genommen hatte. Die Handlanger hatten ihrerseits einen Kontaktmann der Rattlinge im Osten des Viertels getötet, wo Kang an dem Leichnam irgendein Ritual durchgeführt hatte. Sehr wahrscheinlich war dies der zweite Ort, zu dem die Vision des Geistes Ren rief. Tang hatte seinen Handlangern gedroht, dass „der Meister“ ihnen die Seele herausreißen und sie zu ewiger Knechtschaft verdammen würde, falls sie versagten oder redeten. Es blieb unklar, ob dieser ominöse „Meister“ Kong oder jemand anderes war. Die Abenteurer erinnerten sich, dass Tang schon bei ihrem letzten Zusammentreffen seinen Unterlingen mit einem mysteriösen Auftraggeber, dem „Bleichen“, gedroht hatte.
Kong war inzwischen seit gut 10 Tage nicht mehr aufgetaucht. Es stand zu befürchten, dass er sich aus Palitan abgesetzt hatte. Tang und seine Handlanger waren zurückgeblieben, um die Situation zu beobachten. Sie hatten erfahren, dass jemand herumschnüffelte, und als der Varg die Beschreibung der Suchenden hörte, war er außer sich geraten – zweifellos hatte er die Abenteurer wiedererkannt. Er hatte wohl geplant, sich mit seinen Handlangern bei Mas Hütte auf die Lauer zu legen und war dabei spektakulär gescheitert.

Am nächsten Morgen traten die Abenteurer mit ihren Gefangenen den Rückmarsch an. Sie übergaben die Handlanger an Yaogun Tran. Als nächstes planten sie, den Ort aufzusuchen, an dem der Nezumi-Kontaktmann ermordet worden war. Tran riet, unbedingt auch dem Geisterministerium zu berichten. Allerdings würde das eventuell zu Problemen führen, war Kong doch als Ministeriums-Angehöriger aufgetreten. Hatte er das Siegel und seine Papiere gefälscht? Ren war zudem entschlossen, auch den Schwertalben Bescheid zu geben. Luo musste seine vom Kampf lädierte Klinge reparieren. Alle drei blickten mit Sorge auf den morgigen Tag.

***

Während Hao mit einem Zauber Luos beschädigte Klinge ausbesserte, beschaffte sich Ren eine Schriftrolle, die ihr die Fähigkeit verleihen würde, mit Geistern zu kommunizieren. Dann machten sich die drei auf den Weg. Ihr Ziel am äußersten Rand der bewohnten Gebiete. Schlimmer noch – die Herbstregen der letzten Tage hatten den Wasserpegel steigen lassen. Die Abenteurer erkannten rasch, dass sie zu ihrem Ziel, einer maroden, auf hohen Stelzen stehende Hütte, nur schwimmenderreichen konnten. Bei dem Gedanken an mögliche Untiere oder die angeblich im Sumpf umgehenden Untoten sank allen dreien der Mut, aber sie sahen keine Alternative. So durchschwammen sie – im Falle Luos mit einigen Problemen – den Wasserlauf. In der Nähe der Hütte überkam sie wieder ein Gefühl der Bedrohung und Gefahr. Hao und Luo meinten zudem, in dem Gebäude Bewegungen zu hören. Sich Zugang zu verschaffen war schwierig, da die Leiter zu der Bodenluke entfernt worden war. Luo kletterte an den Stelzen empor. Als er durch ein Loch im Dach das Gebäude betrat, wurde er von einem grässlich aussehenden Untoten attackiert. Seine schnellen Reflexe und Klinge garantieren ihm jedoch einen raschen Sieg. Bei dem Wiedergänger handelte es sich wohl um den Kontaktmann der Nezumi. Wieder waren mit seinem Blut zahlreiche Schriftzeichen an die Wände gemalt worden, fast identisch mit jenen am anderen Ritualplatz. Wie dort wirkten sie klobiger als jene auf dem „Totenhorn“, das die Abenteurer einige Monate zuvor erbeutet hatten, was freilich auch an der Eile und dem wenig geeigneten „Schreibmaterial“ liegen mochte. Luo fand in einer Ecke einen Fetzen Papier, der wohl zu einer Vorlage für die Inschriften gehört hatte. Da es sich als sehr schwierig erweisen würde, die Leiche zu bergen, beschlossen die Abenteurer, die Leiche mit der Hütte (und den Inschriften) zu verbrennen. Durchnässt und verschmutzt, aber weitestgehend unversehrt erreichten die drei am Abend ihre Quartiere, entschlossen, am nächsten Tag den letzten, zentralen Ritualplatz zu finden.

 Diesmal nahmen die Abenteurer sicherheitshalber Proviant mit. Es wirkte grotesk, dass wenige Meilen außerhalb der zweitgrößten Metropole von ganz Lorakis eine Wildnis aus sich im Winde wiegenden Sumpfgräsern, Schilfhalmen und morastigem Wasser begann, durch die nur wenige befestigte Pfade führten. So manche Geschichte über Geister, aber auxh Monster aus grauer Vorzeit (oder Ausbrecher aus der Straße der Wunder oder der kaiserlichen Menagerien) und über mundane Gefahren wie Krokodile, Sumpflöcher und Krankheiten waren im Umlauf. Obgleich sich die Atmosphäre von dem „erwachten“, fremdartigen Kamioku-Wald bei Miari unterschied, war sie beunruhigend genug.
Es gelang Hao, die kleine Gruppe ohne unliebsamen Zwischenfall zu führen. Es fanden sich sogar Spuren von anderen Reisenden - vielleicht von Kong und seinen Begleitern? Gegen Mittag verstärkte sich bei Ren das Gefühl, dass sie dem Ort nahe war, den sie in der Geistervision gesehen hatte.
Das Ziel entpuppte sich als kleine Insel, mit einem Ring aus provisorischen Pfählen umgeben, an denen verwitterte Papierfetzen hingen – Schutzzeichen gegen Untote. Der Boden der Insel war aufgewühlt worden. Im Boden fanden sich Spuren alter Rüstungen, Knochenteile und ähnliches. Mehr als beunruhigend war, dass etliche der Knochen Bissspuren aufwiesen. Auch den erwarteten Ritualplatz fanden die Abenteurer rasch. Von den sehr wahrscheinlich dort ermordeten Nezumi waren nur noch Reste geblieben. Die Abenteurer mutmaßten, dass der Schutzring im Sumpf umgehende Ghule abhalten sollte, die sich an den Sumpfleichen vergriffen, und nach dem Nachlassen der Schutzzeichen die Nezumi-Kadaver weggeschleift oder an Ort und Stelle verschlungen hatten. Dies ließ es ratsam erscheinen, nicht zu lange vor Ort zu verweilen. Kong hatte den Ritualplatz mit hölzernen Tafeln versehen, deren Schriftzeichen denen in den Hütten ähnelten. Ren und Hao fertigten Abschriften an, und übergaben die Holztafeln anschließend den Flammen. In der Hoffnung, durch die Zerstörung der Ritualplätze die Geistergefahr gemindert zu haben, machten sich die drei eilig auf den Rückweg. Sie wollten keineswegs die Nacht an einem Ort verbringen, der von Leichenfressern als Futterplatz aufgesucht wurde. Tatsächlich schafften sie es unbehelligt zurück.

Nach ihrer Rückkehr erstatten die Abenteurer ihrem Auftraggeber Bericht, der sie für ihren Einsatz lobte. Auch die Familie Ka war zufrieden. Yaogun Tran verfasste zudem eine Nachricht an das Geisterministerium und lieferte die Kopien der Ritualschriften ab. Ren schickte zudem eigene Abschriften mit einer genauen Beschreibung der Ereignisse zu den Kaiserlichen nach Sentatau. Allerdings erschien fraglich, ob man dort an den fernen Ereignissen Interesse zeigen würde.
Ihre Erlebnisse waren für die Magierin ein Ansporn, sich mit Todesmagie zu beschäftigen, um bei künftigen Begegnungen mit Geistern besser vorbereitet zu sein.
Die Reaktion des Geisterministeriums wurde etwa eine Woche darauf von Tran übermittelt: bei Kong habe es sich keinesfalls um einen Angehörigen des Ministeriums gehandelt. Man vermutete, dass die gesteigerte Zahl an Geistern darauf zurückging, dass ein Ritual missglückt sei, oder er versucht habe die Neulandgewinnung zu stören – sprich, man verneinte jede Möglichkeit dass er weitreichende Ziele hatte. Die Abenteurer hatten da ihre Zweifel…
Ren ließ es sich nicht nehmen, auch Akira und die Kintai-Botschaft zu informieren, wo man die Nachricht höflich, aber zurückhaltend aufnahm. In den nächsten Tagen schickten auch die Kintari Leute aus, um die Toten beizusetzen. Dies ging freilich nicht ohne Meinungsverschiedenheiten mit dem Geisterministerium ab. Beide Seiten trauten sich offenbar nicht und unterstellten einander, unbequeme Wahrheiten unter den Teppich zu kehren. Diese Rivalität heizte die Gerüchteküche an.
Die Zurückhaltung der Kintari lag vermutlich daran, dass die Toten gefallen waren, als sie Myurikos Willen zuwider handelten, was das Andenken mit einem gewissen Makel behaftete. Wie es hieß, hatten damals etliche Schwertalben Selbstmord begangen, um die Schande des Rückzugs oder ihr Handeln gegen Myurikos Willen zu sühnen. Die meisten Toten hatte man in die Heimat gebracht, doch offenkundig nicht alle. Diese alten Geschichten aufzuwärmen, rührte auf beiden Seiten der Grenze an alten Wunden, zumal Gerüchte nicht verstummen wollten, dass manche Schwertalben eine erneute Expansion gen Norden herbeisehnten. Wie die anderen Helden erfuhren, hatte auch Akiras Ahnin an früheren Vorstoß gen Palitan teilgenommen, ihn allerdings überlebt.
Dank der Warnung der Abenteurer gab bei den Untersuchungen und der Bergung der Leichenreste zwar einige Zusammenstöße mit den Guhlen, doch keine Toten.

Hao hingegen entschloss sich, auch „die große Yia“ zu informieren. Sie hoffte, dass diese die Familien der ermordeten Nezumi vom Schicksal ihrer Angehörigen in Kenntnis setzen würde. Luo begleitete sie als Rückendeckung. Mit etwas Mühe konnte die gnomische Unggoy-Priesterin in der Nudelküche Yias eine „Audienz“ mit der Geschäftsinhaberin erhalten. Yia, eine recht großgewachsene Nezumi mit braunem Fell und gelben Augen, angetan mit einer bestickten Seidenweste und einem Dschiahn, nahm die Informationen entgegen, ohne ihrerseits viel zu verraten. Wahrscheinlich wollte die Rattlingsfrau nicht verraten, inwieweit sie Kong geholfen hatte. Sie sagte aber zu, die Familien der Ermordeten zu informieren. Es blieb zu hoffen, dass sie ihre Augen aufhielt, sollte der Nekromant noch einmal in Palitan auftauchen.
Leider hatten die Abenteurer weder ermitteln können, was Kongs Motive waren, noch den mörderischen Geisterbeschwörer unschädlich machen können. Wie sich in den folgenden Tagen erwies, schien die Zerstörung der Ritualplätze zumindest die Angriffe der wütenden Geister beendet zu haben – doch wer wusste schon, welche Ränke der mysteriöse „Meister“ noch aushecken mochte…

***

Währenddessen waren die Recherchen im kaiserlichen Archiv weitergelaufen, nun zum „Kult des Strahlenden Schattens“. Sporadisch unterstützt von Ren und Hao konnte die Gelehrte Hira viele Informationen zusammentragen:
Der apokalyptische Kult war  schon vor dem Mondfall zerstört worden. Sein Credo hatte gelautet, dass Zerstörung nötig sei, um eine bessere Welt aufzubauen. Dies hatte den Sturz der Drachlinge und ihrer Götter beinhaltet, weshalb die Gruppierung ihre Anhängerschaft vor allem unter den „Sklavenrassen“ gefunden hatte. Sie war aber von den Dracuriern zerschlagen und ihre Artefakte zerstört oder versteckt worden. Die Kultisten hatten eine Gottheit oder ein Wesen namens Kari verehrt, die sie die „Wandelbare“, „Vielgesichtige“ oder „Verborgene“ nannten, und deren Zeichen ein achtzackiger schwarzer Stern war. Erst die Zerstörung der sie „bindenden Ketten“ könne eine bessere Welt erschaffen. Der Kult hatte auf irgendeinen Magnus Opus hingearbeitet, bei dem das Wüten von Dämonen wie Kokumo nur ein Aspekt gewesen wäre.
Sehr apokryphe Hinweise ließen es als möglich erscheinen, dass der Kult nicht vollkommen vernichtet worden war, doch jede Erwähnung lag dennoch viele Jahrhunderte zurück. Für das Endziel des Kultes hatte wohl ein Zeitrahmen bestanden, der mit „Sharzeris Passage“ zusammenhing – doch weder Hira noch die Abenteurer konnten mit dieser Bezeichnung etwas anfangen.
Die Helden entschlossen sich, die Informationen weiterzuleiten – Akira etwa an die Uome in Miari. Freilich war nicht auszuschließen, dass diese weit zurückliegenden Geschichten wenig dazu beitragen würde, um die Unterstützung für den „Tempel der tausend Tore“ zu verstärken. Die Helden begannen darüber nachzusinnen, ob sie nach Abschluss der Recherchen ihr Glück im „Gebirgskloster der eisernen Lotosblüte“ in den Türmen der Tengu, nordwestlich des Maishi-Sees versuchen sollten, auf den sie Akira hingewiesen hatte.
Zunächst aber wollten sie noch einigen eigenen Projekten nachgehen.
Als nächstes würde Hira in Haos Auftrag nach Informationen zur Kirche des Drachen und diesem inzwischen kaum noch verehrten Großen Tiergeist forschen, der einst für den „Tempel des tausend Tore“ eine zentrale Rolle gespielt hatte…

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #35 am: 23.08.2024 | 07:15 »
Fremdeinwirkung
(Spoiler für Abenteueridee zur „Triade des Fließenden Steins“ aus dem Hintergrundband „Banden und Orden“)
Palitan, Spinnenprovinz, Zhoujiang (Hao, Akira, Takur)

Nach ihren jüngsten Abenteuern waren die Helden für eine kurze Verschnaufpause dankbar. Hao und Takur suchten und fanden einen Handwerker, der aus dem Wandelnden Holz, welches sie bei früheren Abenteuern erhalten hatten, einen Kampfstab (Hao) und eine Speerschleuder (Takur) herstellen sollte. Der Mann verstand sein Fach, war allerdings nicht billig, auch wenn Hao den Preis herunterhandeln konnte. Ren widmete sich nach ihren jüngsten Geisterbegegnungen dem Studium der Todesmagie. Luo suchte nach Trainingsmöglichkeiten für die anstehenden Palitaner Winterspiele. Auch Hao wollte mehr über die ebenso blutigen wie gewinnträchtigen Schaukämpfe erfahren, obwohl sie nicht plante, daran teilzunehmen. Akira war ebenfalls interessiert, hoffte er doch Geld oder wertvolle Waffen zu gewinnen, um seines Vaters Schwert aus dem Besitz des Waffenhändlers Zai Mou auslösen zu können. Zudem erfuhr er von einer weiteren Alternative, ein Austauschobjekt für das Schwert zu finden: Irgendwo im Unterlauf des Flusses Rauchende Seide, der bei Palitan ins Jadeband mündete, sollte die wertvolle Armbrust „Stürzender Stern“ liegen, die bei einer gescheiterten Jagd auf eine Drachenschildkröte verschollen war. Die Waffe zu finden und zu bergen, ohne die gigantische Bestie zu verärgern, klang freilich schwierig und riskant. Vielleicht waren die Winterspiele die bessere Alternative? Die Spiele zogen teilweise sehr zwielichtige Teilnehmende und Zuschauende und fanden traditionell in den Pfeilern Lun Kaos statt, einem aus Hausbooten und Gassen bestehenden, labyrinthartigen Viertel Palitans. Organisator der Spiele und Namensgeber des Viertels war der seit mehreren Jahrzehnten tote Geisteralb und Schmugglerkönig Lun Kao. Die Zweikämpfe waren für ihre Brutalität und Regellosigkeit berüchtigt. Manche aussichtsreiche Kandidaten wurden von Konkurrenten und deren Geldgebern angeblich schon vor den Wettkämpfen „aus dem Spiel genommen“. Andererseits winkten hohe Geldsummen und die Ausrüstung der Besiegten.

Zu denen, die bei den Winterspielen antreten wollten, gehörte sogar die angehende Fürstin Palitans, deren Amtseinführung vom Händlerrat verschleppt wurde. Die kaum 16 Jahre zählende Zo Zo, deren Mutter vor nicht allzu langer Zeit unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen war, hatte bereits im letzten Jahr an den Kämpfen teilgenommen. Die junge Noch-nicht-Fürstin hatte allerdings zahlreiche Feinde. Da bei den Winterspielen allzu leicht „Unfälle“ passierten, ging sie allerdings ein sehr hohes Risiko ein.
Akiras Begegnung mit der angehenden Herrscherin der Spinnenprovinz verlief recht peinlich, da der Samurai sie beim Besuch einer Kampfschule ungewollt anrempelte. Zum Glück entwickelte sich daraus keine diplomatische Krise. Zo Zo schien vor allem daran interessiert, ihr Können zu verbessern und potentielle Gegner einzuschätzen. Ren und Luo gaben sich dieweil große Mühe, mithilfe ihrer Connections Kontakt zum Fürstenhof zu knüpfen.

Akira und Takur hatten allerdings neben der Vorbereitung auf die Winterspiele auch andere Verpflichtungen. Beide waren immer noch für den Waffenhändler Zai Mou tätig, in dessen Besitz sich das Schwert von Akiras Vater befand. Unterstützt von Hao halfen sie bei der Beseitigung der durch den Angriff der mit Zai Mou verfeindeten „Glutratten“ entstandenen Schäden und beim Schutz von Zai Mous Anwesen.   
Weniger erfolgreich war Akiras Versuch, das Vertrauen der Söldnerin Zhan Ke zu gewinnen. Er erhoffte sich immer noch Informationen über die Mörder seines Vaters, hatte Zhan Ke doch dessen Schwert an Zai Mou weiterverkauft. Vermutlich auch wegen den politischen, sozialen und kulturellen Differenzen schaffte es der junge Samurai, die sadische Kriegerin gründlich zu verärgern.

Dann machte die Nachricht von dem bevorstehenden Eintreffen einer kungaitanischen Gesandtschaft die Runde. Während Hao und Takur vor allem mit Neugier reagierten, witterte Akira politische Winkelzüge. Es war ein offenes Geheimnis, dass Kungaitan gegen Kintai und die Gottkönigin Myuriko intrigierte. Unter anderem waren die Helden auf ihrem Weg nach Palitan auf kungaitanische „Söldner“ und „Berater“ der neuen Triadenmachthaber gestoßen. Hao hielt Akira für paranoid, nahm sein Angebot einer Wette bezüglich der Intentionen der Gesandtschaft aber lieber nicht an. Um die Neuankömmlinge im Auge behalten zu können, investierte Akira Geld und Zeit, um an dem geplanten Empfang der High Society teilzunehmen.
Das am nächsten Tag einlaufende Schiff, war ein beeindruckender Anblick. Neben einer Reihe Geschützen führte es einen Mörser und einem Raketenwerfer, aus denen beim Einlaufen Salut geschossen wurde. Dass die über das Jadeband in Richtung Kintari-Grenze abgefeuerten Geschütze beim salutschießen nicht nur mit Pulver sondern auch mit Kugeln bestückt wurden, war wohl kaum ein Zufall…
Bei dem anschließenden Umzug wurden die die Gesandtschaft anführende Agomai-Priesterin Mon Wa-Tan und der Formgeber-Magier Bak Ho-Wen von einer Leibwache, einer Ehrengarde der hiesigen Garnison sowie einer ganzen Reihe der berühmten kungaitanischen Golems begleitet.
Bei dem folgenden Empfang versammelten sich die Spitzen der Gesellschaft Palitans, einschließlich der angehenden Fürstin. Akira konnte einen erneuten Fauxpas vermeiden, erfuhr allerdings nur wenig über die Motive der Kungaitanis. Er war sich aber weiterhin sicher, dass sie sich gegen seine Heimat richteten.
In den nächsten Tagen waren die Neuankömmlinge und ihre Kampfkonstrukte DAS Stadtgespräch. Die Formgeber und die Hohen Schwestern der Agomai wurden in der besseren Gesellschaft regelrecht herumgereicht. Offenbar machten besonders die Formgeber um Ho-Wen Werbung für den Kauf kungaitanischer Golems. Allerdings war die Idee nicht unumstritten: im Händlerrat von Palitan war man wegen den enormen Kosten uneins, die Söldneranführer der Triaden fürchteten um ihre lukrativen Verträge und manchem mochte ob der politischen Implikationen zögern, sich an die Handelsrepublik zu binden. Andererseits erschienen die Golems als eine Antwort auf Bedrohungen wie die Terrakottakrieger von General Wu.
Zai Mou als Kampfenthusiast wollte unbedingt einen Schaukampf arrangieren, und die Kungaitanis hofften wohl, auf diese Weise zögernde Käufer überzeugen. Das war eine Gelegenheit, die sich Akira nicht entgehen lassen konnte. Zutiefst misstrauisch gegenüber den Intentionen Kungaitans, hoffte er dessen Bestrebungen zu untergraben und gleichzeitig Ansehen zu gewinnen. Tatsächlich gelang es ihm, sich für den Schaukampf aufstellen zu lassen – vermutlich hofften die Kungaitani ihrerseits, mit einem Sieg gegen einen Schwertalben zu punkten.

Dementsprechend groß war das Interesse an dem Schaukampf – größer, als es Akira lieb war, der seine Chancen insgeheim eher skeptisch einschätzte. Unter den Zuschauenden fanden sich zahlreiche höherrangige Triadenmitglieder. Dank einiger Zauber Haos und Akiras ging der Samurai gut vorbereitet in den Kampf.
Akiras Gegner, ein Konstrukt in der Gestalt eines löwenähnlichen Ruishi-Wesens, wirkte sehr beeindruckend und wurde von Ho Wen als unermüdliche Kampfmaschine und tödlicher Kämpfer angepriesen.
Akira setzte bei dem Schlagabtausch auf seine überlegene Gewandtheit. Er eröffnete mit einem Sturmangriff. Dem schwerfälligeren Konstrukt gelang es nicht, den schnelleren Gegner zu fassen, während der Samurai den Golem mit einem Wirbel aus gut gezielten Treffern eindeckte. In weniger als einer Minute war alles vorbei: der Golem sackte in sich zusammen, sehr zur Frustration und Verärgerung seines Schöpfers.
Die Blamage der Kungaitani wurde gemildert, als die Hohe Schwester das Kampfrund betrat und den gefällten Golem mit einem simplen Handauflegen „wiederbelebte“. Dennoch hatten die Ambitionen der Kungaitani einen Dämpfer erfahren. Umso zufriedener war die Kintari-Botschafterin Suguri Jun. Auch Takur freute sich, hatte er doch einen satten Wettgewinn erzielt, den er an Akira und Hao weitergab. Akiras Ruf hatte sich weiter verbessert und falls er an den Winterspielen teilzunehmen beabsichtigte, würde man ihm vermutlich Chancen auf eine gute Platzierung einräumen. Angesichts der Tatsache, dass der Wettkampf nicht immer auf die Kampfplätze begrenzt blieb, war dies allerdings eine etwas zweifelhafte Ehre…

Einige Tage später erhielten die Helden eine Einladung von Tako Kun, einem höherrangigen Mitglied der Triade der „Roten Karpfen“. Akira hatte ihn bei einer der Abendgesellschaften des Waffenhändlers Zai Mou kennengelernt. Trotz des nicht ganz unkomplizierten Verhältnisses der Helden mit den Triaden im Allgemeinen und den „Roten Karpfen“ im Speziellen, hatten sie der Organisation bereits einige Dienst erwiesen. Zudem hatte Tako Kun bei dem Golem-Schaukampf auf Akira gesetzt und war ob seines Wettgewinnes recht positiv gestimmt. 
Bei einem guten Essen kam der jovial wirkende Tako Kun rasch zum Kern seines Ansinnens, das allerdings ernster Natur war und die Triadenpolitik berührte. Vor kurzem war Yong Wu, ein „Weiser“ der „Fließender Stein“-Triade gestorben. Dessen Sohn Yong Kwan (selbst kein Triadenmitglied) glaubte, dass bei dem Tod seines Vaters etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen war und hatte sich an seinen Bekannten Tako Kun gewandt. Da dieser sich nicht persönlich in die Angelegenheit einer anderen Triade einmischen wollte, setzte er auf die Helden, zumal sie bei einigen Ermittlungen ihr Können bewiesen hatten. Die Abenteurer stimmten zu.

Am nächsten Tag suchten sie das Anwesen der Familie Yong auf. Es lag im Drachenmaul, dem Händler- und Hafenviertel von Palitan. Das Anwesen war recht groß und wirkte wohlhabend. Neben den Familienräumen beherbergte es den Kräuterladen des Verstorbenen und einen Kaligraphie-Laden, den Yong Kwan betrieb.
Yong Kwan wirkte überfordert und erschöpft. Der plötzliche Tod seines Vaters nahm ihn sichtlich mit, auch wenn ihr Verhältnis anscheinend nicht unkompliziert gewesen war. Beim Gespräch mit den Helden wurde klar, dass sein Vater aufgrund seines schwierigen Charakters viele Feinde gehabt hatte – sowohl innerhalb seiner Triade als auch außerhalb. Er hatte mit der Entscheidung der Triadenführerin My-Mei gehadert, verstärkt auf legale Geschäfte zu setzen. Doch abgesehen davon und der Tatsache, dass sein Vater sehr plötzlich verstorben war, hatte Jong Kwan nichts Handfestes vorzuweisen, um seinen Verdacht zu untermauern. Ein Heiler hatte bei einer Untersuchung des Verstorbenen kein Anzeichen für Fremdeinwirkung feststellen können. Yong Kwan hatte den Toten magisch konservieren lassen, um eine erneute Untersuchung zu ermöglichen.
Eine eingehende Untersuchung des Leichnams durch Hao bestätigte Yong Kwans Verdacht. Hao fand Hinweise auf ein – allerdings ihr unbekanntes – Atemgift. Daraufhin durchsuchten die Helden den Fundort der Leiche. Tatsächlich wurden sie in der Bibliothek des Hauses fündig: Sie entdeckten Reste einer Pflanze, die Hao mithilfe der Bücher des Toten als Rote Sumpfrose identifizierte. Aus dieser seltenen Pflanze wurde ein unauffällig wirkendes und tödliches Atemgift gewonnen.
Jemand hatte das Gift ungesehen in der Bibliothek appliziert und nach vollbrachter Tat den größten Teil wieder entfernt. Es war pures Glück, dass ein paar Blütenblätter zurückgeblieben und Takur aufgefallen waren. Das ließ vermuten, dass jemand im Haushalt der Täter war – oder zumindest relativ ungehinderten Zugang zum Anwesen hatte.
Leider war eine Suche der Helden nach Einbruchspuren nicht erfolgreich, denn die Helden stellten sich ungeschickt an und zerstörten ungewollt alle möglichen Spuren.
Yong Kwan war von der Nachricht, dass sich sein Verdacht bestätigt hatte, sichtlich getroffen. Eine eingehendere Befragung Kwans zu den übrigen Hausbewohnern ergab nicht viel: weder seinen Angehörigen noch den Bediensteten traute Yong Kwan einen Mord zu, auch wenn es Streit im Haushalt gegeben hatte. So hatte der Ermordete keine hohe Meinung von seinem Schwiegersohn gehabt (der nun die Geschäftsführung des Kräuterladens übernehmen würde) und die jüngere Tochter des Verstorbenen hatte gegen den von ihrem Vater für sie ausgewählten Ehemann-in-spe protestiert.
Takur und Hao machten sich daran, die für das Gift verwendete Rote Sumpfrose zu finden, in der Hoffnung, damit bei den anstehenden Befragungen potentielle Verdächtige zu verunsichern.

Am nächsten Tag begannen die Helden mit ihren Befragungen und konzentrierten sich dabei erst einmal auf die Bediensteten des Haushaltes. Sie wechselten sich ab: Akira kam zum Einsatz, wenn Druck gemacht werden sollte, während Hao eher die Verständnisvolle gab. Das Zusammenspiel funktionierte gut. Allerdings ergab die Befragung der Bediensteten keine Verdächtigen oder Mordmotive innerhalb des Haushaltes. Niemand reagierte auf die auffällig unauffällig platzierten Blätter der Roten Sumpfrose. Dafür stießen die Helden darauf, dass kurz vor der Tat ein Handwerker im Haus gewesen war, um einen Schaden am Dach zu reparieren. Weiteres Nachhaken enthüllte, dass dieser die Möglichkeit gehabt haben könnte, das Gift zu platzieren. Leider hatte war der Mann über einen Suchaufruf angeheuert worden, was wenig Anknüpfungspunkte zum Aufspüren bot.
Interessanterweise hatte nur wenige Tage zuvor die Zofe von Yong Kwans Schwester gegenüber einem freundlichen Lieferanten für das Kaligraphiegeschäft über die Abläufe im Haus geplaudert. Der Lieferant und der Handwerker hatten zwar unterschiedliche Gesichter gehabt, waren sich aber körperlich relativ ähnlich gewesen: Hatte da jemand mithilfe eines Tarnzaubers das Anwesen infiltriert?
Nachfragen bei dem Geschäft, aus dem das Papier gekommen war, bestärkten den Verdacht der Helden: der Anlieferer war eine Hilfskraft gewesen, die kurzfristig für einen erkrankten Angestellten eingesprungen war. Weiteres Herumfragen brachte die Helden zu dem „Erkrankten“, der nach mehr oder weniger freundlichem Zureden (und einem kleinen Handgeld) mit der Wahrheit herausrückte: Der angebliche „Bekannte“ hatte den Angestellten gezwungen, ihn bei dem Liefergang zum Yong-Anwesen einspringen zu lassen. Der Angestellte schlotterte immer noch vor dem Mann, der sehr schnell mit einer Klinge zur Hand gewesen war. Er lieferte eine (hoffentlich diesmal authentische) Beschreibung des vermutlichen Attentäters. Die Helden waren sich jetzt sicher, auf der richtigen Spur zu sein. Bei dem Liefergang hatte der Mörder vermutlich die Yongs ausgekundschaftet und als „Handwerker“ dann entweder das Gift platziert oder einen späteren Einbruch zu diesem Zweck vorbereitet.

Allerdings waren die Nachforschungen der Helden nicht unbemerkt geblieben, denn Hao fielen etliche zwielichtige Gestalten mit Triaden-Tatoos auf, die ihnen folgten. Zur Rede gestellt, entpuppten sie sich als Handlanger der “Fließender Stein“-Triade. Die Männer traten konfrontativ auf und signalisierten, dass die Angelegenheit Sache der Triade sei. Gleichzeitig äußerten sie sich verächtlich über den Verstorbenen, obwohl dieser ein hohes Mitglied ihrer Organisation gewesen war. Dies bestärkte die Helden in dem Verdacht, dass das Motiv für den Mord an Yong Wu innerhalb der Reihen des „Fließenden Steins“ zu finden war, wenn auch der Täter vermutlich eine „externe Fachkraft“ gewesen sein dürfte.

Die Helden berieten sich mit Yong Kwan und dem Hausdiener (und altgedienten Triadenmitglied) Man Bo über das weitere Vorgehen. Sich in die Triadenpolitik einzumischen war heikel. Wer wusste schon, wie weit die Mordintrige gegen Yong Wu reichte? Akira und Takur waren als Ortsfremde unvertraut mit dem komplexen Macht- und Abhängigkeitsverhältnissen Palitans. Und Hao wollte weder sich, noch ihre Gefährten oder die Familie Yong in einen Triaden-Bandenkrieg verwickeln. Sie plädierte deshalb dafür, mit den Ergebnissen der Ermittlungen zu My-Mei zu gehen, der Anführerin des „Fließenden Steins“, Vorsitzenden des Handelsrat Palitans und Herrin des Kaiserlichen Archivs. Hao glaubte nicht, dass My-Mei hinter dem Mordkomplott steckte und wollte es ihr anheimstellen, wie die Sache geregelt werden sollte. Der Familie Yong würde es nichts helfen, wenn sie zwar Vergeltung für den Tod des Hausherren erfuhr, sich aber die mächtigste Person Palitans zum Feinde machte. Takur hatte zu der Sache keine besonders leidenschaftliche Haltung. Und Akira hatte zwar Bedenken, schloss sich aber Hao an. Gemeinsam konnten sie auch Yong Kwan überzeugen, der der Herrin des „Fließenden Steins“ nicht so recht traute.
Dank ihrer Triadenkontakte, ihres Rufs und der Verbindungen der Familie Yong konnten die Helden rasch eine Audienz erhalten. Die zierliche My-Mei mit ihren vier unheimlichen, praktisch identisch wirkenden Leibwächtern war eine beeindruckende Persönlichkeit. Sie versprach, sich um die Angelegenheit zu kümmern und legte den Helden nahe, vorerst Schweigen zu bewahren, bei der Familie Yong zu bleiben und deren Schutz zu gewährleisten. Zumindest Takur hatte den Eindruck, dass sie mehr wusste, als sie preisgab.

Drei Tage später tauchte einer der hünenhaften Leibwächter My-Meis auf und forderte die Helden auf, mitzukommen – falls sie den Mörder von Yong Wu stellen wollten. Trotz einer gewissen Skepsis folgten die Helden der Aufforderung.
Ihr Weg führte sie in die Pfeiler Lu-Kaos, ein Labyrinth aus Gassen und Kanälen. Als Ziel erwies sich ein kleines Hausboot, in dem sich angeblich der Mörder Yong Wus versteckt hielt, ein Auftragsmörder namens Lo Gai. Zusammen mit dem Leibwächter und einem seiner Kollegen warteten die Helden bis es zur Dämmerung, dann näherten sie sich vorsichtig. Allerdings nicht vorsichtig genug, denn sie wurden bemerkt und der Bootbesitzer – ein Mann auf den die Beschreibung des Attentäters passte – griff sofort zur Waffe. Lo Gai erwies sich als fähiger und geschickter Kämpfer mit Wurfstern und Dschianh. Er konnte Akira eine heftige Wunde zufügen – zum Glück war der junge Schwertalb zu zäh für das Gift, mit dem Lo Gai seine Wurfsterne präpariert hatte. Gegen die zahlenmäßige Überlegenheit hatte der Attentäter letztlich keine Chance und ging schwer getroffen zu Boden. Haos Versuch, ihn zu stabilisieren, wurde von My-Meis Leibwächtern verhindert. Man bedeutete ihr, dass darauf keine Mühen verschwendet werden sollte. Die Helden fragten sich, ob My-Mei ein persönliches Interesse daran hatte, die Angelegenheit unter den Teppich zu kehren.
Eine Durchsuchung des Hausbootes bestätigte, dass die Helden an der richtigen Adresse waren: neben Waffen und etwas Geld fanden sie auch Reste des Atemgiftes, das Yong Wu das Leben gekostet hatte. Hao entdeckte zudem Aufzeichnungen des Mörders, die sie vor My-Meis Leibwächter verborgen hielt. Sie wollte die Schriftstücke erst einmal sichten, bevor sie über das weitere Vorgehen entschied.
Die Beute teilten die Helden untereinander auf, wobei ein Gutteil an ihre Gefährten Luo und Ren ging, die zwar bei dem Abenteuer nicht dabei gewesen waren, aber mit den Waffen und Einbruchswerkzeugen mehr anfangen konnten.

Die verschlüsselten Aufzeichnungen des Meuchelmörders zu entziffern, dauerte eine Weile. Dann jedoch enthüllten sie Informationen über frühere Aufträge des Meuchelmörders sowie die Tatsache, dass er gelegentlich auf Auftragsbasis für die „Fließender Stein“-Triade gearbeitet hatte. Auch der Mord an Yong Wu war ein solcher Auftrag gewesen – bezahlt von einer höheren Triaden-Offizierin namens Tong Mi.
Die Helden diskutierten, wie sie mit dieser Information verfahren sollten. Sie an My-Mei weiterzugeben, würde vermutlich bedeuten, dass die Sache unter der Hand geregelt werden würde. My-Mei würde derart schmutzige Wäsche nicht in der Öffentlichkeit waschen wollen. Yong Kwan in Kenntnis zu setzen, könnte ihn leicht zu einem Ziel machen. Andererseits fehlten den Helden die Interna (und der Wille) sich selber in die Triadenpolitik einzumischen oder die Konkurrenz von My-Mei einzuspannen. Letztendlich entschieden die Helden, die Sache My-Mei zu überlassen. Das mochte Yon Kwan nicht den Abschluss bringen, den er erhofft hatte, verhinderte aber, dass seine Familie in einen Triaden-Bürgerkrieg verwickelt wurde, der sicherlich viele Unbeteiligte verletzen oder töten würde. Eine weitere Audienz bei My-Mei und deren „höfliches Drängen“, die Angelegenheit unter Verschluss zu halten, überzeugten die Helden. So hatten sie zwar jetzt einen Gefallen bei My-Mei offen, aber besonders Akira verspürte Gewissensbisse. Einmal mehr haderte er mit den Intrigen und undurchsichtigen Machtstrukturen im vom Bürgerkrieg zerrütteten Zhoujiangs, die so gar nicht den Kintari-Idealen von Ehre, Hierarchie und Gesetz entsprachen. Zugleich behielt er jedoch auch andere Dinge im Blick – etwa die Aktivitäten der kürzlich eingetroffenen Kungaitani. Deren Bemühungen, Golems an die Triaden zu verkaufen, hatten dank Akira zwar einen  Dämpfer erlitten, aber letztlich arrangierte sich der Händlerrat mit der fernen Republik – wenn auch (noch) nicht in dem Ausmaß wie es die Gesandtschaft vermutlich erhofft hatte. Es blieb abzuwarten, wie sich das Verhältnis in den kommenden Monaten entwickeln würde.

***

Nach einigem Zögern entschloss sich Akira, die Söldnerin Zhan Ke direkt zu konfrontieren, um endlich herauszufinden, wie sie das Schwert von Akiras Vater erworben hatte und was sie über seinen Tod durch die Hände sadischer Rebellen wusste. Er bot ihr 30 Lunare für ihre Auskünfte. Ob nun seine Worte oder das Geld Zhan Ke überzeugten, die junge Kriegerin war endlich bereit Auskunft zu geben – nachdem sie Akira gehörig die Meinung gesagt hatte. Für Zhan Ke verkörperte der junge Schwertalb die Arroganz, Rücksichtslosigkeit und Überheblichkeit der Kintari-Oberschicht.
Wie Akira erfuhr, gehörte Zhan Ke dem albischen Adel der sadischen Nebelküste an. Ihre Vorfahren waren einst vor den Heerscharen Myurikos nach Sadu geflohen. Die Familie hatte in der Kleinstadt Hango gelebt, die einem brutalen Angriff der berüchtigten Wokou-Piraten zum Opfer gefallen war. Mehrere von Zhan Kes Angehörigen hatten den Angriff nicht überlebt. Zhan Ke war sich sicher (ohne freilich Beweise zu haben), dass die Piraten von kintarischen Hintermännern bezahlt worden waren.
Rachesuchend hatte Zhan Ke sich der Guerillabande von Mang Pok, einem albischen Kampfkunstmeister angeschlossen. Die Bande operierte die entlang des Kabila und unternahm Angriffe auf das Gebiet von Kintai. Angeblich hatte die etwa 20 Köpfe zählende Gruppe Kontakte zu den geheimnisvollen Gojoshu, einem der Gagamba-Kirche nahestehenden Kult von Attentätern und Spionen. Dank deren Informationen waren die Guerillas unter anderem in der Lage gewesen, den von Akiras Vater geführten Streiftrupp in einen Hinterhalt zu locken. Ob Zhan Ke selber bei dem Angriff dabei gewesen war, der Akira schwer verwundete und seinem Vater das Leben kostete, wollte sie nicht sagen. Akira bohrte lieber nicht nach, hätte er sich doch in dem Fall genötigt gefühlt, die junge Kriegerin zum Zweikampf zu fordern.
Zunehmend an der Sinnhaftigkeit des Kampfes gegen das übermächtige Kintai und an den brutalen Methoden ihrer Kameraden zweifelnd, war Zhan Ke eines Tages desertiert. Als „Startkapital“ für ihr neues Leben hatte sie ihrem Anführer das kostbare Schwert gestohlen, welches dieser als Andenken an seinen Sieg über Akiras Vater behalten hatte. Zha Ke war sich sicher, dass sie nur der Tod erwartete, sollte sie jemals wieder ihren alten Kameraden gegenübertreten.
Mehr als ein paar eher allgemeine Angaben über das Operationsgebiet ihrer alten Bande konnte oder wollte sie nicht preisgeben. Und von den schattenhaften Hintermännern der Bande, den Gojoshu, wusste Zhan Ke noch weniger. Was sie wusste war, dass niemand, der sich in feindseliger Absicht dem „Berg der 77.000 Augen“ näherte, dem kultischen Zentrum der rätselhaften Organisation, je zurückgekehrt war.
Akira zahlte Zhan Ke die versprochene Belohnung und beide schieden nicht gerade in Freundschaft voneinander. Vermutlich hofften sie, einander nicht noch einmal über den Weg zu laufen…
« Letzte Änderung: 23.08.2024 | 07:31 von Takur »

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #36 am: 19.09.2024 | 11:07 »
Der Schatten von Palitan (Spoiler für „Der Schatten von Palitan“ aus Anthologie „Zwischen den Welten“)
Palitan, Spinnenprovinz, Zhoujiang (Akira, Takur, Luo, Ren)

Die Abenteurer – jene, die Lesen und Schreiben konnten – unterstützten weiterhin die Recherchen in den kaiserlichen Archiven. Hao nutzte eine zeitweilige Unterbrechung der Nachforschungen für einen Ausflug jenseits der Stadtgrenzen. Der lange Aufenthalt an einem Ort und die mühseligen Recherchen zehrten an der unsteten Unggoy-Priesterin, und sie wollte ihrem Zhu-Schreiter etwas Auslauf gönnen. Akira, Takur und Luo trainierten derweil für die nahenden Winterspiele.

Es war der aufmerksame Jaguarkrieger, der eines Tages das untrügliche, wenn auch vage Gefühl hatte, verfolgt zu werden. Er konnte jedoch nicht herausfinden, wer ihn beobachtete. Auch im Gasthaus hatte er immer wieder das Gefühl angestarrt zu werden. Er begann sich zu fragen, ob er unter Verfolgungswahn leiden würde, doch am nächsten Tag fand er die Tür seines Zimmers offen. Glücklicherweise war nichts gestohlen worden.
Der Jaguarkrieger benachrichtigte seine Gefährten. Ren und Luo begleiteten Takur bei seinem nächsten Gang zu seinem Waffentraining, konnten den Verfolger jedoch nicht ausmachen, obwohl sie ebenfalls das gefühl hatten, beobachtet zu werden. Überzeugt, dass der oder die Unbekannte sich magisch tarnten, besorgte Ren zwei Schriftrollen „Wahrer Blick“ – doch auch dieser Versuch scheiterte. Die drei beschlossen, in ihren Zimmern Fallen aufzustellen: Stolperdrähte mit Glöckchen, Mehl auf dem Fußboden bzw. in Luos Zimmer eine Tasse mit Mehl auf dem Türsturz. Letztere weckte des Nachts den Schlafenden, doch wieder gelang es dem Unbekannten zu entwischen. Als sich die drei frustrierten Abenteurer austauschten, stellten Ren und Takur fest, dass sie denselben Traum geteilt hatten: Ein Schatten hatte eindringlich auf sie eingeredet, doch was er gesagt hatte, entzog sich auf rätselhafte Art und Weise ihren Erinnerungen. Nur ein Name war ihnen im Gedächtnis geblieben: Ying Wa. Ren erinnerte sich, dass sie den Namen schon einmal gehört hatte. Es war der Straßenname eines Meisterdiebes, der vor 80 Jahren eine kurze aber eindrucksvolle Reihe von Diebstählen durchgeführt hatte. Dieser „Schatten von Palitan“ war niemals gefasst worden, wiewohl es einen Verdächtigen gegeben hatte.

Verstärkt um Akira, setzten die Abenteurer ihre Nachforschungen fort. Dank Luos Informantennetz fanden sie heraus, dass der „Schatten“ keiner Triade zugeordnet worden war. Nur ein Teil seiner Beute war über Hehler veräußert worden – hatte er eventuell für geheime Auftraggeber gearbeitet? Zudem wandten sich die Helden an das Kaiserliche Archiv. Es erwies sich als glücklicher Umstand, dass die Gruppe mit dem Archiv bereits gut vertraut war. Gegen eine „Bearbeitungsgebühr“ erhielten sie die Erlaubnis, die Akten zu den Diebstählen einzusehen – die allerdings vor einigen Wochen von einem Fremden eingesehen und beschädigt worden war. Glücklicherweise konnte Ren ihren Status und Charme nutzen und dem Restaurator über die Schulter schauen. So erfuhr sie den Namen und Wohnsitz des Verdächtigen – eines Menschen namens Tanju Zhuang – was wohl ausschloss, dass es sich bei der schemenhaften Traumgestalt um den ursprünglichen „Schatten“ handelte. Dieser war damals von seinem Nachbar Tao Meng angezeigt worden. Allerdings hatte man keinerlei Spur von der Beute gefunden. Zhuangs Familie hatte nie wieder etwas von ihm gehört.

Die Abenteurer stöberten den alten Wohnsitz von Tanju Zhuang auf. Das Haus schien seit Jahren verlassen. Allerdings hatte kürzlich jemand die Tür aufgebrochen. Die Abenteurer nutzen die günstige Gelegenheit, um sich drinnen umzusehen. Das Haus war nahezu leer, allerdings zeichneten sich im Staub Spuren eines Menschen oder Alben ab.
Im Ersten Stock fand sich ein Sessel mit einem gruseligen Inhalt: ein Skelett, dessen Kleidung schon lange zerfallen war. Wie der natur- und heilkundige Takur feststellte, war der Leichnam Jahrzehnte alt, und befand sich etwa seit der Zeit des Verschwindens des „Schatten“ hier. Die Abenteurer durchsuchten noch einmal das ganze Haus, fanden aber nur ein angelaufenes Silbermesser. Zudem konnten sie auch Spuren eines Kindes ausfindig machen, das sehr wahrscheinlich durch ein Fenster eingebrochen war. Fragen auf der Straße lösten dieses Rätsel. Es handelte sich um eine Mutprobe, bei der das „schuldige“ Mädchen einen Mordsschrecken erlebt hatte, als sie das Skelett fand. Zu seinen Füßen hatte sie einen Mantel aus schwarzen Rabenfedern gesehen, der nun nicht mehr da war. Die Abenteurer vermuteten, dass es sich um ein magisches Artefakt handelte, welches dem „Schatten“ seine Raubzüge ermöglicht und inzwischen einen neuen Besitzer gefunden hatte.

Ren wollte nach Einbruch der Dunkelheit eine Geisterbeschwörung durchführen. Sie war begierig, ihre neu erworbenen Fähigkeiten und Zaubersprüche im Bereich der Todesmagie auszuprobieren. Bis zur Dunkelheit wollten die Helden noch etwas herumfragen. Sie fanden heraus, dass die Familie Tao immer noch direkt neben dem verlassenen Haus wohnte. Es handelte sich um Gnome, und so war es nicht unwahrscheinlich, dass der Denunziant Meng noch lebte. Die Abenteurer sprachen bei der Familie vor, doch war Meng momentan nicht anwesend.
Rens Geisterbeschwörung verlief erfolglos, obwohl die Abenteurer erneut die Gegenwart des ungesehenen Beobachters spürten. Sie versuchten ihn zu verstehen, doch waren seine schemenhaften Hilferufe unverständlich. Schließlich gelang eine Kommunikation mithilfe von in den Staub geschriebenen Botschaften: der Unbekannte wollte, dass sie ihm folgten. Es fiel schwer, sich auf die Spuren des Unsichtbaren zu fokussieren, aber die Abenteurer konnten ihm ins Haus der Taos folgen. Dort entdeckten sie einen älteren, der leblos am Boden liegenden Gnom. Ren konnte ihn stabilisieren und mit Takurs Unterstützung diagnostizieren und behandeln. Offenbar wäre er beinahe einem Herzanfall zum Opfer gefallen. Die Abenteurer beruhigten die ob ihres Eindringens und mehr noch über den Zustand des Alten bestürzte Familie. Bei dem Geretteten handelte es sich tatsächlich um den Denunzianten Tao Meng. Sobald es ihm besser ging, war er bereit, mit der Gruppe zu reden.
Er erinnerte sich noch gut an Tanju Zhuang. Dieser war ein junger Landarbeiter gewesen, bevor er in die Stadt zog und sich dort in einer Brauerei versuchte. Sie lernten sich kennen, weil Zhuang sich für Magie interessierte, und Meng einige Bücher zu dem Thema besaß. Doch nachdem Mengs Bekannter angelegentlich Karawanen begleitet hatte, die über die Seidenstraße nach Sarnburg und zurück reisten, hatte er sich verändert. Er gab seine Arbeit auf und zog sich zurück. Er wurde blasser, begann zu husten, lief nachts ruhelos in seinem Haus hin und her, ungeachtet des Wetters immer in einen schwarzen Mantel gehüllt. Eines Tages kam er verstohlen zu seinem Nachbarn und bestürmte diesen mit der Frage, ob er ihn sehen könne. Er sagte, ein gewisser Sho habe ihn in die Enge getrieben. Meng verließ kurz das Zimmer, doch als er zurückkehrte, was sein Bekannter spurlos verschwunden. Dies war kurz vor dem Zeitpunkt gewesen, als er ihn als möglichen „Schatten“ bei der Stadtgarde gemeldet hatte. Die Abenteurer vermuteten, dass Sho ein Feenwesen war, das einen der doppelzüngigen Pakte mit Tanju Zhuang abgeschlossen hatte.
Meng hatte lange Zeit nichts mehr von dem Verschwundenen gehört, doch letzte Nacht hatte er gemeint, ihn wieder gehüllt in seinen unheimlichen Federmantel vor sich zu sehen, was ihm einen beinahe tödlichen Schrecken einjagte. Die Abenteurer beruhigten Meng, dass dies nicht der Fall sein dürfte, verschwiegen aber, dass vielleicht ein anderer die Nachfolge von Tanju Zhuang angetreten hatte. Zudem erzählte Meng, dass vor einem Monat ein ausländischer Alb namens Gerion Fragen zu dem Verschwundenen gestellt hatte. Der Ausländer war im „Haus des Sommers“ untergekommen. Damit war der nächste Schritt der Abenteurer klar.

Es war nicht schwer, das Gasthaus „Haus des Sommers“ zu finden. Auffällig war, dass es einen recht neuen Schrein aufwies, der einen „Geist“ besänftigen sollte, der seit einigen Wochen umging. Die Abenteurer dachten sich ihren Teil dabei. Gerion war natürlich nicht zu finden, aber er hatte sein Zimmer einige Zeit im Voraus bezahlt. Der Wirt ließ sich überzeugen, den Abenteurern Zutritt zu gewähren. Die Suche förderte ein in Selenisch verfasstes Notizbuch zutage. Da die Abenteurer etliche Wochen zuvor einem selenischen Händler aus der Patsche geholfen hatten, war es nicht schwer, eine Übersetzung zu erhalten. Die Aufzeichnungen berichteten von der Suche Gerions – einem Magier des Zirkels der Zinne – nach dem „Rabenmantel“. Gerion hatte auf der Seidenstraße die Spur des Artefakts aufgenommen, als er mit Okanami sprach, einem alten Tengu, der gute Beziehungen zu der Wirtsfamilie im Kirschblütenhaus hatte. Dieses auf dem Feenpfad errichtete Gasthaus lag einen Tagesmarsch vom Drachentor in Palitan entfernt. Das Notizbuch gab Okanamis Bericht von der grausigen Herkunft des Mantels wider. Ein mächtiges Feenwesen namens Sho hatte einst Freundschaft mit den Tengu gepflegt. Doch Sho war voller Falschheit und ermordet eines Tages einen Tengu, der ihn für einen Freund gehalten hatte, und fertigte aus seinem Federn den Tarnmantel. Laut dem Tagebuch war Sho auch in jüngerer Zeit sporadisch auf beim Kirschblütenhaus aufgetaucht.
Gerion hatte den Rabenmantel in Palitan gefunden, törichterweise ausprobiert und konnte sich nicht mehr von ihm befreien. Die letzten Eintragungen waren voller Panik. Die Abenteurer nahmen wahr, dass Gerion anwesend war, doch mit ihm zu kommunizieren blieb schwierig.

Nachforschungen bei der Portalgilde erbrachten keine Neuigkeiten zu Sho, während Okanami als verlässlich bekannt war. Seit vielen Jahren besuchte er das Kirschblütenhaus und belieferte es mit Wasser und anderem Bedarfsgut.
Die Abenteurer wollten Gerion gerne helfen, doch das hieß, dass sie den Mondpfad betreten mussten. Die Seidenstraße galt als sicher, weil ihr Hüter ein Freund der Sterblichen war.
Die Helden wagten allerdings nicht, auf die nächste reguläre Öffnung zu warten, denn es war denkbar, dass Gerion bald gänzlich dahinschwinden würde. Sie luden den Unsichtbaren dazu ein, sie zu begleiten, heuerten einen Wegbegleiter der Portalgilde an und betraten den Pfad. Sie konnten den Wegepreis etwas reduzieren, indem sie sich als Lastenträger für eine Lieferung von Lebensmitteln in das Kirschblütenhaus anboten.
Die Landschaft unterschied sich zunächst nicht sehr von Zhoujiang, doch hatten Jahreszeiten in der Feenwelt keine Bedeutung. Schemenhaft waren in der scheinbar idyllischen Szenerie verschiedene Wesen zu sehen, doch die Abenteurer hielten sich an die Warnung, den Weg nicht zu verlassen. So erreichten sie ohne Zwischenfälle das Kirschblütenhaus, das im Moment – zwischen den Öffnungsphasen – nur spärlich bevölkert war. Neben einem älteren Zwergen waren da ein Tengu, ein Hobgoblin, ein Trio selenischer Söldner (ein Alb, ein Mensch und ein Zwerg) sowie ein beunruhigend aussehendes Feenwesen, dessen Gesicht wie der blanke Schädel eines großen Vogels wirkte (den er offenbar wie eine Maske oder Helm trug). Dazu kam die gnomische Wirtsfamilie. Der Wirtshauskomplex bestand aus dem Haupthaus und einem kleine Teehaus.

Es stellte sich rasch heraus, dass die Abenteurer Glück hatten. Bei dem Tengu handelte es sich um Okanami. Er war freilich nicht in der Lage, Gerion vom Mantel und dessen „Nebenwirkungen“ zu befreien. Wie der Tengu erzählte, hatte Sho den Mantel geschaffen, um ungesehen vom Hüter des Pfades Jagd auf Sterbliche zu machen. Seinen Opfern raubte er Erinnerungen, Lebenskraft und Bewusstsein. War das schon beunruhigend genug, wies der Tengu darauf hin, dass das Feenwesen mit dem Vogelschädel tatsächlich Sho sei. Er trug offenbar immer noch den Schädel seines Opfers. Okanami wagte nicht, den angeblich unsterblichen Gegner anzugreifen, auch wenn er ihn abgrundtief verabscheute.
Die Abenteurer hörten sich vorsichtig unter den Gästen und bei den Wirten um. Stück für Stück konnte Ren mithilfe ihrer arkanen Kenntnisse und einigen Andeutungen Okanamis schlussfolgern, dass Sho ein Ritual vorbereitete, um wieder ungestört Sterbliche jagen zu können. Dass er dafür vermutlich seine Unverwundbarkeit aufgeben musste, schien selbst für eine so niederträchtige Kreatur wie Sho ein extremer Schritt. Die Abenteurer sondierten nach Unterstützung, und sowohl ihr Mondpfadkundiger als auch Leto, der zwergische Teeliebhaber, waren bereit sie zu unterstützen. Der Zwerg stammte aus dem kintaiischen Atasato, hatte beim Ausbruch des zhoujiangischen Bürgerkriegs in den Diensten der Kaiserlichen gestanden und bei der Schlacht von Inani gegen Wus Meuterer gefochten. Die Söldner hingegen waren an einer Neuanstellung nicht interessiert. Sie planten, nach Selenia zurückzukehren. Der Hobgoblin Brux machte keinen vertrauenswürdigen Eindruck und war wegen seiner schlechten Manieren auch den Gastwirten suspekt. Die Abenteurer entsannen sich allerdings, dass man Hobgoblins zum Dienst zwingen konnte, wenn man ihnen etwas Persönliches stahl…
Alle vier waren sich unsicher, ob sie selbst mit Verbündeten Sho besiegen konnten. Zunächst blieb ihnen nur, ihren Feind zu beobachten – doch würde dieser nicht misstrauisch werden? Konnte er sehen, dass Gerion in seinem alten Mantel anwesend war, ahnte er, dass die Abenteurer ihm Übles wollten? Und wie weit konnten sie Okanami vertrauen?

Die Abenteurer entschlossen sich, den Hobgoblin Brux zu zwangsrekrutieren (wenn auch mit schlechtem Gewissen). Dies gelang, indem Luo sich in dessen Zimmer stahl und sein Messer und Trinkgefäß entwendete. Brux konnte ihnen einige Hinweise geben und versprach sie zu unterstützen, wenn sie ihn dafür nach einem Kampf mit Sho freigaben. Versuche, Okanami als Mitstreiter zu gewinnen, scheiterten.
Um den Herren des Rabenmantels aus der Reserve zu locken, brachen die Abenteurer scheinbar gemeinsam mit den selenischen Söldner gen Sarnburg auf. Brux blieb zurück mit der Anweisung, Sho im Auge zu behalten. Sie hofften, er würde tätig werden, sobald die potentiellen Störenfriede aus dem Weg waren. Ein gutes Stück jenseits des Kirschblütenhaus trennten sie sich von den Söldnern und verbargen sich in der Wildnis neben dem Pfad. Zu ihrer Überraschung stellten sie fest, dass Sho beschattet von Brux in großer Eile den Söldnern folgte, und nach einem kurzen Gespräch mit den Seleniern mit der Suche nach den Abenteurern begann. Sie entgingen ihm jedoch und folgten ihm heimlich zum Kirschblütenhaus zurück. Dort traf noch am selben Tag eine weitere Reisegesellschaft ein: zwei Kutschen und insgesamt zehn Personen (einschließlich Leibwächtern, Kutschern und Bediensteten). Wie sich später herausstellte, handelte es sich um eine Hochzeitgesellschaft. Die Abenteurer blieben dem Gebäude fern, nur Luo schlich sich magisch getarnt vor, um zu lauschen. Viel erfuhr er jedoch nicht.

Die Nacht war schon fortgeschritten, als Geschrei laut wurde. Kurz darauf verließ Sho in großer Eile das Gasthaus, in geringem Abstand gefolgt von einer Frau. Die Abenteurer schlossen zu dem „Paar“ auf, als die Lage eskalierte. In sicherer Entfernung vom Pfad und damit nicht an den Wegfrieden gebunden, stellte sich Sho seiner Verfolgerin und zeigte seine wahre Gestalt: ein geflügeltes, doppelt mannsgroßes Monstrum mit gefährlichen Klauen. Die Abenteurer brachten es nicht über sich, die Frau ihrem Schicksal zu überlassen und griffen wider besseres Wissen ein. Bis auf Brux gelang es ihnen sogar, ihre Herzen gegen den schreckenerregenden Anblick zu stählen.
Rasch stellte sich heraus, welch ein gefährlicher Gegner das Feenwesen war. Mörderische Treffer von Akira und Takur richteten keinen Schaden an. Er war jedoch verwundbar gegen Magie, so dass Ren und der von ihr beschworene „Höllenhund“ Schaden anrichteten. Auch ein Stoßgebet Akiras an den Himmlischen Kranich wurde mit einem Blitzschlag belohnt, der das Feenwesen verletzte. Vor allem aber gelang es Luos vor Jahrhunderten in einer mysteriösen Meisterschmiede geschaffenen Klinge, Sho zu verletzen. So musste Sho, auch noch von mehreren Feuerzaubern Rens in Brand gesetzt, schwer verletzt fliehen.

Die Niederlage schwächte Sho, sodass kurzzeitig die Macht des Mantels gebrochen wurde –Gerion konnte den verfluchten Mantel von sich schleudern. Die Abenteurer und ihre Begleiter zerstörten den Rabenmantel und traten eiligst den Rückzug zum Gasthaus an. Dort erfuhren sie, dass Sho den Eindruck erweckt hatte, die Hochzeitsgesellschaft bestohlen zu haben. Verfolgt von einer Leibwächterin war er geflohen – offenbar in der Absicht, sie vom Schutz des Pfades wegzulocken. Es war anzunehmen, dass er sie als Opfer verschleppen wollte. Da es den Abenteurern nicht gelungen war, Sho dauerhaft zu besiegen, brachen sie so schnell wie möglich nach Palitan auf.
In den folgenden Wochen erfuhren sie von der Portalgilde, dass Sho in den Tiefen der Feenwelten verschwunden war. Der Verlust des Feenmantels und seine Niederlage hatten die Tengu ermutigt, ihm die Rechnung für seinen Verrat zu präsentieren. Es blieb zu hoffen, dass er zumindest für den Moment keine Gefahr darstellte. Dennoch wussten die Abenteurer, dass sie sich einen neuen Feind gemacht hatten.
Für den Moment freilich hatten die Gefährten gesiegt. Sie erhielten von Gerion eine Belohnung. Die kurz darauf von ihrem Ausflug ins Umland zurückgekehrte Hao bedauerte es sehr, die Reise auf dem Mondpfad verpasst zu haben.
Luo durchsuchte noch einmal das Haus des „Schattens von Palitan“. Er hoffte, dass die Beute des Diebs noch irgendwo verborgen war. Zu seiner großen Enttäuschung fand er jedoch nichts.
Alles in allem konnten die Abenteurer zufrieden sein, denn die Geschichte hätte viel schlimmer ausgehen können. Gerion gerettet und Sho zumindest geschwächt zu haben, war ein stolzes Ergebnis.

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #37 am: 18.10.2024 | 19:06 »
Ungewollt
Palitan, Spinnenprovinz, Zhoujiang (Hao, Luo, Ren)

Nach den Ereignissen um den Rabenmantel und den „Schatten von Palitan“ blieb der selenische Magier Gerion noch einige Zeit in der Stadt, um sich zu erholen. Ren nutzte die Gelegenheit, um sich mit dem Artefaktspezialisten auszutauschen. Sie informierte die Stadtgarde und das Kaiserliche Archiv über die Aufklärung des Mysteriums um den legendären Meisterdieb. Nach so langer Zeit brachte ihr dies aber nur ein paar lobende Worte ein.
Hao bedauerte, den Ausflug auf der Seidenstraße verpasst zu haben. Akira war in den nächsten Tagen häufig in der Botschaft seines Landes zu finden. Botschafterin Suguri hatte etliche Aufgaben für ihn. Der Jaguarkrieger Takur trainierte für die Winterspiele, wobei er sich mit einigen anderen Kämpfern zusammengetan hatte, die gemeinsam übten.

Natürlich blieb auch die große Politik nicht stehen. So dauerten die Streitigkeiten wegen der Lieferung der bei Privatleuten und Beamten beliebten, nur in der Spinnenprovinz gefertigten Geisterseide an: General Wu und Prinzessin Yi weigerten sich, die von den Triaden geforderten Preise zu zahlen, und beharrten auf den ihnen angeblich zustehenden Lieferungen. Die Triaden ihrerseits wollten sich weder mit Versprechen abspeisen lassen, noch einem der Rivalen den Vorzug geben.
Es war Wu, der in der verfahrenen Situation eine Entscheidung traf: Gegen Jahresende begannen Flugschriften mit seinem Namen in Palitan zu zirkulieren. Der Erlass verkündete, nicht hinnehmen zu wollen, dass „Verbrecher und Rebellen“ die Traditionen und Bräuche des Reiches in eine Waffe verwandelten, und ihr Treiben aus der Arbeit aufrechter Untertanen finanzierten. Fürderhin sollte die Kleiderordnung der Beamten deshalb neu geregelt werden. Das Tragen von Dienstgewändern aus Geisterseide wurde untersagt, außer wenn diese als besondere Belohnung vergeben würden. Magistrate und Mandarine sollten Gewänder aus normaler Seide tragen, Inspektoren und Sekretäre hingegen solche aus Baumwolle, Wolle und Leinen. Privatleute durften weiterhin Geisterseide tragen, mussten aber eine Erlaubnis erwerben. Vor allem aber würden auf Geisterseide bei der Einfuhr in Wus Machtbereich skandalöse Zölle erhoben werden. Zwecks Förderung der Seidenproduktion in den Provinzen des Generals sollte zudem auch die Einfuhr anderer Seiden hoch verzollt werden. Gold, Ehre und Ansehen winkten dem, der die Eier des Geisterfalters und das Geheimnis der Herstellung von Geisterseide an den General ausliefere. In Erkenntnis der düsteren und opferreichen Zeiten würden der General und seine Minister zudem alle ihre Seidengewänder der Verteidigung des Reiches spenden.

Angesichts dieser Neuigkeit fiel der Preis für Geisterseide drastisch. Bei den Händlern machte sich Unruhe breit. Vielfach vermutete man, dass der Schmuggel sowie das Fälschen von Transportdokumenten und Sondergenehmigungen rapide zunehmen würden. Manche glaubten, die Anordnung käme nicht von Wu, sondern sei eine Intrige, um seiner Wirtschaft zu schaden und die Beamtenschaft gegen ihn aufzubringen.
Luo hörte über seine Unterweltkontakte, dass weiterhin Flüchtlinge aus Zhoujiang ihr Glück im Ausland suchten, namentlich südlich des Jadebandes. Ihre Aufnahme in Kintai variierte, da einige Traditionalisten meinten, es kämen zu viele und die falschen Exilanten. In Atasato nahm man die Flüchtlinge bereitwilliger auf, doch beuteten die örtlichen „Ringe“ sie angeblich rücksichtslos aus – bis hin zur zwangsweisen Rekrutierung von Jungen und Mädchen für die Bordelle der Vergnügungsviertel. Die Flüchtlinge kamen besonders aus den umstrittenen Provinzen Zhoujiangs, aber manche flohen auch vor Wus rigider Politik oder aus den Triadengebieten.
Die Triaden sahen dies ungern, denn sie verloren so billige Arbeitskräfte und potentielle Soldaten. Einige Flüchtlinge hinterließen zudem Schulden in ihrer alten Heimat. Die verbreitete Korruption der Triaden erschwerte allerdings Gegenmaßnahmen. Zudem waren einzelne Triaden wie die 13 Blätter selbst im Flüchtlingsschmuggel tätig, wobei sie die Flüchtlinge allerdings ebenfalls  ausnutzten, beraubten und in die Unfreiheit verkauften.
Die Gerüchte, dass die Kämpfe am Maishi-See bald wieder aufflammen könnten, schürten die Sorge vor weiteren Flüchtlingsströmen. Besonders die neutrale Flußdelphin-Provinz drohte zwischen die Fronten geraten: Würde Wu einrücken im seinen Einfluss nach Osten auszuweiten, die Anhänger der Prinzessin den Vormarsch des Generals stoppen wollen oder die Triaden ihre Positionen in der Kranichprovinz abzusichern versuchen? Besonders die befestigte Brücke über den Goldsandwasser-Fluss mochte leicht zum Streitobjekt werden…

Die langwierigen Recherchen der Helden im Kaiserlichen Archiv näherten sich inzwischen dem Abschluss. Im Moment versuchten sie, mehr zu Luos Schwert herauszufinden. Er hatte das Dschiahn „Vipernzahn“ vor einigen Jahren erbeutet, ahnte aber seit geraumer Zeit, dass mehr hinter der Waffe steckte.
Nach einem Tag im Archiv beziehungsweise auf den Straßen der Stadt trafen sich Hao, Ren und Luo wie so oft zum Essen in ihrem Gasthaus. Ihr Gespräch wurde unterbrochen, als die Abenteurer von einem Gefühl der Bedrohung und Dringlichkeit ergriffen wurden. Ren warf einen Blick in die Geisterwelt, konnte aber nichts entdecken. Alle drei fühlten sich gen Westen gezogen. Luo und die Priesterin meinten, Seewasser zu riechen, aber auch einen stechend-modrigen Geruch. Beide vermuteten, es könne sich um eine Botschaft von Aonami handeln, der Seenymphe, die sie vor einem halben Jahr auf dem Maishi-See getroffen hatten. Die Helden rafften etwas Ausrüstung zusammen und machten sich auf den Weg.

Der wortlose Ruf zog sie zum Rand der Stadt, in das Schilf des Deltas. Die Gedankenbotschaft klang zunehmend dringlich. Bald zeigte sich, dass andere Wesen vor den Helden unterwegs waren, denn mehrere Pfade schienen durch das Schilf gebrochen zu sein. Zum Glück registrierten die Abenteurer rechtzeitig, dass sie bemerkt worden waren, bevor zwei dürre, froschartige Wesen aus dem Schilf brachen. Ren erkannte die Kreaturen als Sumpfkriecher, abscheuliche Feenwesen, sterbliche Wesen entführten und ertränkten, um ihre Eier in den Leichnamen heranreifen zu lassen.
Der Kampf war kurz aber erbittert, zumal ein dritter Sumpfkriecher hinzustieß. Luo wurde ernsthaft verletzt, doch gemeinsam gelang es den Abenteurern, die Untiere zu erschlagen.
Nach dem Ende des Kampfes trat eine weitere Gestalt aus dem Dunkel – doch diesmal war es kein Ungeheuer: Es handelte sich tatsächlich um Aonami. Die Nymphe wirkte angeschlagen und bewegte sich unsicher, ihre Schwangerschaft war deutlich fortgeschritten. Allerdings wäre ein menschliches Kind inzwischen längst zur Welt gekommen, war Aonami doch schon vor einem reichlichen halben Jahr deutlich schwanger gewesen.

Die Nymphe bat die Abenteurer um Hilfe. Sie hatte während ihrer Knechtschaft Dinge getan und Informationen weitergegeben, die sie in Konflikt mit mächtigen Feenwesen gebracht hatten. Auch ihr halbmenschliches Kind war in den Augen einiger Feen eine Abscheulichkeit, in denen anderer eine Rarität, die man sich zunutze machen konnte. Deshalb hatte sie den See verlassen müssen, doch waren ihr die Probleme gefolgt. Zudem war ihre Magie zunehmend instabil geworden. Dies mochte an ihrer Schwangerschaft liegen, oder an der Trennung von ihrem See. In ihrer Not hatte sie sich wieder an die Abenteurer gewandt. Wiewohl sie nur einige Perlen und schwarz angelaufene Silbermünzen als Lohn anzubieten hatte, waren die drei bereit zu helfen.
Zunächst einmal benötigte Aonami ein Versteck. Die Abenteurer wagten nicht, sie in die Stadt zu schmuggeln. Allzu leicht könnten sich Gerüchte ausbreiten. So beschlossen sie, die Schwangere fürs erste in die verlassene Hütte eines Fischers zu bringen, der wenige Wochen zuvor ermordet worden war und dessen Tod die Helden aufgeklärt hatten. Das Gebäude lag abgelegen, direkt am Wasser und mochte zumindest als Notbehelf dienen. Gestützt auf die Abenteurer machte sich die Seenymphe auf den Weg.

Geführt von der wildniskundigen Hao und von Luo vor neugierigen Blicken abgeschirmt, erreichte Aonami unbemerkt das Ziel. Sie wirkte unsicher, als sie die Zuflucht in Augenschein nahm. Diese war zwar vom Jadenband entfernt, doch ob jene Wesen, die die naheliegende Rauchende Seide beherrschten, der Nymphe gnädiger gesinnt waren, war unklar. Möglicherweise wegen der blutigen Vergangenheit des Ortes hatte Aonami zudem ein ungutes Gefühl. Auch war der Platz recht beengt. Die Abenteurer beschlossen, die Hütte dennoch erst einmal als Versteck zu nutzen. Sie befragten Aonami über ihre Bedürfnisse aus, wussten sie doch nur wenig über die Lebensweise von Nymphen. Wie sie erfuhren, waren diese vegetarisch und brauchte jeden Tag Zugang zum Wasser.
Eine Untersuchung durch Ren ergab, dass die Nymphe erschöpft und leicht verletzt war, ihr aber nichts Ernstes fehlte. Die Schwangerschaft verlief zwar offenkundig „verlangsamt“, doch alles sprach dafür, dass die Geburt spätestens in wenigen Wochen erfolgen würde. Die Abenteurer erfuhren von Aonami, dass Nymphen – wenn sie nicht einfach entstanden, sondern geboren wurden – im Wasser zur Welt kamen. Sie konnten dann sofort unter Wasser atmen und beherrschten intuitiv die nymphische Magie. Aonami würde zum Gebären ein großes Becken, eine Bucht, Bach oder Teich benötigen. Leider wusste sie selber wenig über Nymphenkinder, geschweige denn Mischlinge. Die Abenteurer kannten immerhin einige Sagen. Es hieß, dass Feenmischlinge meist nach der Mutter kamen. Viele Geschichten endeten tragisch. Oft lehnten beide Welten diese Kinder ab, oder sie weckten das – selten selbstlose – Interesse mächtiger Sterblicher oder Feen. Zumindest besaßen Hao und Ren als Heilerinnen Erfahrung mit Geburtshilfe. Dennoch bereitete ihnen Sorge, was sie in diesem besonderen Fall NICHT wussten.

Am nächsten Tag brachen Luo und Hao auf, um Erkundigungen einzuholen und Vorräte zu beschaffen. Ren blieb als Wache bei Aonami. Sie fragte diese über ihr Leben im Maishi-See und ihre Wassermagie aus, erzählte aber auch aus ihrem eigenen Leben und Abenteuern. Aonami hatte seit Jahren wenig Kontakt zu anderen Feenwesen gehabt – erst als Sklavin eines Sterblichen, dann, weil sie vor Ihresgleichen die Flucht ergreifen musste.
Hao recherchierte im Unggoy-Tempel. Immerhin war der Affengott ein Meister der Heilkunst. Mit Hilfe ihrer Mitpriester, am Folgetag durch Ren unterstützt, konnte Hao einige Informationen zusammentragen – auch wenn selbst die Unggoy-Kirche nur wenige Aufzeichnungen über Feenmischlinge besaß. Immerhin erfuhr Hao, dass kaltes Eisen, Spiegelglas und Salz schädlich waren, und sie las von einigen beruhigenden Kräutern. Diese würde hoffentlich zusammen mit Jiaogulan-Tee, den Ren immer parat hatte, die Geburt erleichtern. In den nächsten Tagen gelang es, die gesuchten Kräuter zu erwerben. Hao besorgte zudem einige Hilfsmittel für die Geburt und die Versorgung eines Kleinkindes. Luo suchte derweil nach einem Ersatzquartier, wobei er sich auf die „Straße der Wunder“ konzentrierte. Das Viertel galt als Sammelpunkt der Sonderlinge und exotischen Wesen. Allerdings hieß es, dass es unter den hier Lebenden auch einige sehr gefährliche Wesen gebe. Und nicht jeder Alchimist oder Forscher ging sorgsam mit seinen Geräten um oder wägte Risiken mit Bedacht ab. Luo fand die eine oder andere potentielle Unterkunft, doch keine bot ungesehen Zugang zu einer großen Menge sauberen Wassers für die Geburt. Den Abenteurern erschien es zu riskant, eine Hochschwangere weit zu transportieren oder sie in einem gemieteten Baderaum gebären zu lassen. Das Flusswasser in der Stadt selber war vermutlich zu schmutzig und zu leicht einzusehen. So entschieden sie, in der Hütte zu bleiben und diese wohnlicher zu gestalten. Luo hatte zugleich sein Kontaktnetzwerk darauf angesetzt, ob jemand Nachforschungen nach Aonami anstellte.

Ren nutzte einen ihrer Besuche in der Stadt, um eine Botschaft in die Kranichprovinz zu schicken, in der sie vor dem Nekromanten „Meister Kong“ warnte. Sie fürchtete, er könne versuchen, an das durch die Abenteurer von seinem Handlanger erbeutete Ritualhorn zu kommen, das inzwischen im Besitz des Fürstenhauses von Timog war. Der Brief ging an ihren Verwandten Ji Dao, der im Justizministerium arbeitete. Er würde hoffentlich in der Lage sein, die Nachricht weiterzuleiten und nach Kong fahnden zu lassen.
 
In den kommenden Tagen blieb immer eine der beiden Heilerinnen bei Aonami. So war es vor allem an Luo, Nachschub heranzuschaffen. Hao erkundete die Umgebung und suchte nach einem sicheren Ort für die Geburt. Sie fand einen von Weidenbäumen umstandenen Teich mit grünlichem Wasser voller Seerosen, der ihr geeignet schien. Die Abenteurer bereiteten den Transport der Schwangeren vor, indem sie eine Trage organisierten, die sie an Haos Zhu-Schreiter befestigen konnten. Ren und Hao rekapitulierten Hinweise für die Kinderpflege, wenngleich sich ihr Wissen natürlich auf sterbliche Kinder bezog.
Die nächsten Tage zogen sich trotz solcher Vorbereitungen hin. Aonami schien bekümmert, dass sie keine Freiheit im Wasser besaß, und auch der Austausch von Geschichten heiterte sie nur zeitweilig auf. Hin und wieder sang sie Lieder in einer fremdartigen Sprache und unterhielt sich mit Ren und Hao über ihr Kind. Ein Mädchen wollte sie Xi nennen (was „Bach“ bedeutete), einen Jungen Bian.
Die Helden richteten das Haus des Fischers etwas wohnlicher her, was den Aufenthalt erleichterte. Als  Bewohner des nächsten Dorfes zufällig vorbeikamen, wimmelten die Helden sie ab, indem sie ihnen weißmachten, sie würden einen Geist austreiben.

Luo erfuhr bei einem seiner Besuche in der Stadt, dass in den Kanälen Palitans mehrmals Undare gesichtet worden waren. Er argwöhnte, dass die tierhaften Elementarwesen auf der Suche nach Aonami waren. Bald sprach sich herum, dass ein Kopfgeld auf die (lebende) Ergreifung der Undare ausgesetzt worden war. Wie Luo erfuhr, hatte ein gewisser Guo Chi das Kopfgeld ausgelobt. Der Privatgelehrte aus der „Straße der Wunder“ hatte einen zweifelhaften Ruf. Er war Experte für jenseitige Wesen, sollte jedoch bei seinen Forschungen sehr rücksichtslos vorgehen. Deshalb hatte er sich auch mit der Portalgilde überworfen, die ihm das Betreten der Seidenstraße verboten hatte. Auch mit dem Geisterministerium war er aneinander geraten. Es blieb zu hoffen, dass er nichts von Aonami erfuhr – eine schwangere Nymphe hätte ihn zweifellos brennend interessiert.

Diese doppelte Gefahr rief den Abenteurern in Erinnerung, dass mit einer geglückten Geburt Aonamis Probleme nicht vorbei sein würden. Sie würde eine Zuflucht brauchen. Eine Möglichkeit wäre, ein „herrenloser“ See oder Teich, der ihr und ihrem Kind Unterschlupf bieten würde, am besten mit einer menschlichen Siedlung in der Nähe, wo sie Hilfe für das Aufziehen eines Mischlingkindes finden konnte. Die Alternative wäre der Schutz eines mächtigeren Feenwesen oder Sterblichen. Ren beschloss, sich bei der Portalgilde umzuhören. Sie hoffte, wegen ihrem letzten Abenteuer auf dem Feenpfad etwas „Kredit“ zu haben. Außerdem war eventuell der Pfadherr der Seidenstraße (der gemeinhin als gütig galt) eine brauchbare Option. Entlang des Pfades gab es so manches Gewässer, wo eine Nymphe Zuflucht finden konnte.
Tatsächlich war die Portalgilde geradezu begierig, mehr zu erfahren – mit einem Feenwesen aus der Position der Stärke heraus zu verhandeln war natürlich verlockend. Die Pfadgelehrte Gia Zou versuchte alle Details aus Ren herauszulocken, die aber verschlossen blieb.

Glücklicherweise konnten Hao und Ren den Zeitpunkt der Geburt mit einiger Gewissheit vorausberechnen, und waren bereit, als die Wehen einsetzten. Von Hao geführt, glückte der Transport Aonamis zu der vorgesehen Geburtsstelle. Die Nymphe ließ sich nackt in das Wasser gleiten, das mit einmal glasklar wurde und von Grün in ein fast unnatürlich wirkendes Blau wechselte. Auch der Sumpfgeruch des Wassers ließ plötzlich nach. Aonami summte eine ihrer fremdartigen Melodien, während zwei Tränen wie Wassertropfen über ihre Wangen liefen. Ren und Hao verbrannten die beruhigenden Kräuter und reichten ihr Heiltee. Die einsetzenden Schmerzen ertrug die Nymphe mit beeindruckender Selbstbeherrschung. Ren und Hao schlossen sich ihr im flachen Wasser an.
Luo, der nach außen sicherte, bemerkte fast zu spät, dass die Geburt nicht ungestört verlaufen würde. Denn mit einmal erschien eine hochgewachsene, muskulöse Frau mit kurzem blauen Haar, kaltblauen Augen am Rande des Teichs, gewandet in einen grünlichen Muschelpanzer, in der Hand eine blauschwarze Klinge. Sie hätte Aonamis Halbschwester sein können, wirkte aber weitaus bedrohlicher. Mit scharfer Stimme verlangte sie von „der Ausgestoßenen“ im Namen der Herrin des Jadebandes einen Preis für das unerlaubte Betreten von deren Reich. Der verlangte Preis war das Kind.
Die Abenteurer waren nicht gewillt, dies ohne Widerstand zuzulassen, und schließlich nahm es Luo auf sich, im Zweikampf um das Kind anzutreten. Nur ein ehrenhafter Sieg würde Sicherheit für Aonami und die Abenteurer bedeuten – wenn sie die Fremde zu dritt angriffen, würde der Zorn ihrer Herrin wohl eher noch zunehmen. Luo schritt keineswegs kampfesfreudig in den Ring, sondern erst, als auch Hao sich bereit erklärte, notfalls zu kämpfen. Luo hatte einen gesunden Respekt vor übernatürlichen Gegnern, doch der Mut seiner Kameradin beschämte ihn. Xuanwo (Strudel) zeigte sich wenig beeindruckt, als Luo ihr seine Klinge und deren Verdienste im Kampf gegen übernatürliche Wesenheiten präsentierte – ihr zufolge stank die Waffe nach Echsenmagie. Ehe Luo sich stellte, rief Aonami ihn zu sich. Eine leichte Berührung der Nymphe erfrischte ihn wie ein tiefer Schluck klares Wasser. So ermutigt stellte er sich zum Duell.

Im Zweikampf erwies sich die Feenkriegerin als beeindruckende Gegnerin. Letztlich war sie jedoch den Fähigkeiten eines Splitterträgers nicht gewachsen, und gestand schwer verletzt ihre Niederlage ein. Auch Luo hatte einiges an Blut verloren. Was ihn zusätzlich beunruhigte war der Umstand, dass er kurzzeitig einige abscheuliche Bilder vor Augen gehabt hatte, was er seiner Gegnerin alles antun könnte. Allerdings waren diese Gedanken ebenso schnell und spurlos verschwunden wie sie gekommen waren.

Während am Ufer Klingen gekreuzt wurden, hatten die drei im Wasser ihren eigenen Kampf zu bestehen, denn die Geburt hatte eingesetzt. Dank Rens und vor allem Haos Hilfe verlief die Geburt glücklich, und bald hielt Aonami ihr Kind – eine Tochter mit den tiefblauen Haaren und Augen ihrer Mutter – in den Armen. Die Fremdartigkeit von Mutter und Kind wurde einmal mehr deutlich, denn es gab weder Nabelschnur noch Nachgeburt, das Fruchtwasser war blau, und das Kind konnte sowohl im Wasser als auch an der Luft atmen.
Ren überließ die weitere Betreuung von Mutter und Kind Hao und verband Luo und seine Gegnerin, der sie auch einen Heilzauber gewährte. Xuanwo nahm diesen erst nach der Versicherung an, dass keine Bedingungen daran geknüpft wären. Immer noch grimmig, Mutter und Kind mit einer Mischung aus Befremden und Abscheu musternd, gab sie Ren und Luo Auskunft über Luos Waffe. Sie wusste nichts Genaues über „Vipernzahn“, doch das „Lied“ der Klinge klang nach ihren Worten angeblich nach Drachlingen und wies nach Südosten, also gen Kintai oder Sadu. Und es war kein gutes Lied. Dies war etwas verwirrend, hatten doch frühere Recherchen nahegelegt, dass die Klinge im Guaiwulinshan-Gebirge geschaffen worden war.
Hao vergewisserte sich, dass die Herrin des Jadebandes weder gegen die Abenteurer noch gegen Aonami einen Groll hegte. Dies bestätigte Xuanwo, warnte aber, dass Sterbliche wie Jenseitige an dem Kind Interesse haben würden. Mit widerwilligem Respekt übergab sie den Abenteurern einen Beutel mit Münzen. Dann verschwand sie mit einem knappen Gruß im Wasser der Rauchenden Seide.

In den folgenden Tagen hörte Hao sich nach einem „unbesetzten“ See oder Teich um. Aonami hatte wegen ihrer  schlechten Erfahrungen mit Sterblichen Bedenken, sich mit der Portalgilde zu treffen. Da die Unggoy-Priesterin aber keine geeignete Zuflucht fand, waren sie und Ren zumindest dabei behilflich, einen guten Pakt zwischen der Nymphe und der Gilde auszuhandeln, damit diese den Kontakt mit dem Pfadwächter Tenkuri vermittelte. Letzten Endes war dies vielleicht die beste Lösung, der Aonami einen Neuanfang weit weg von ihren möglichen Verfolgern bot, und unter dem Schutz eines vergleichsweise milden und gerechten Feenherrschers stellte.

***

Wenige Tage darauf waren die letzten Recherchen in den kaiserlichen Archiven zu einem Ende gekommen. Erstaunlich schnell hatten sich Informationen zu Luos Klinge finden lassen. Offenbar gehörte Vipernzahn zu einer Serie besonderer Waffen, die vor Jahrhunderten für Offiziere, verdiente Kämpfer und Agenten gefertigt worden war. Die Waffen waren in lediglich zwei abgeschiedenen Schmieden gefertigt worden. Die eine hatte wie vermutet im Guaiwulinshan-Gebirge gelegen, die zweite in den Zanshi-Bergen, einem wilden Bergland zwischen dem heutigen Sadu und Kintai. Beide Anlagen waren mindestens so alt wie die Jadekriege und zumindest bis zu Myurikos Aufstieg in Gebrauch gewesen – also insgesamt fast 200 Jahre lang.
Die Waffen waren als „Long Dschiahn“ oder „Xue Dschiahn“ bekannt gewesen, was „Drachen-„ oder „Blutschwerter“ bedeutete. Ihre Herstellung war sehr teuer und umstritten gewesen, basierte wohl auf Drachlings-Magie und hatte Blutopfer beinhaltet. Die nördliche Schmiede hatte man nach der Spaltung des Reiches auf kaiserlichen Befehl versiegelt, zu der im Zanshi-Gebirge war irgendwann der Kontakt abgebrochen. Die Helden fanden auch eine – leider nur sehr vage – Wegbeschreibung zu den Schmieden.
Die Klingen standen in dem Ruf eine Art Bewusstsein zu entwickeln. Ob sie dabei Aspekte ihrer Träger übernahmen oder diesen beeinflussten, war umstritten. Ihre Macht sollte zunehmen, je mehr Blut sie tranken. Die Verbindung mit der Klinge wurde oft durch ein besonderes Ritual gefestigt und gestärkt. Die Recherchen lieferten Bruchstücke des Rituals, es zu vervollständigen würde aber einen erfahrenen Artefaktmagier oder arkanen Schmiedemeister benötigen. Wesentlicher Bestandteil des Rituals war es, die Klinge im Blut eines überwundenen Feindes zu tränken.
In den etwa 200 Jahren der Existenz der Schmieden waren weniger als 100 Drachenklingen geschmiedet worden: Klingen verschiedener Art, aber auch Stangen- und andere Waffen. Die Schmieden hatten auch andere Artefakte und Rüstungen gefertigt, und mit der Herstellung von Metallgolemiden experimentiert. Aus dem Krieg der Zwillingskaiserinnen hatte sich eine Liste von Waffenträgern erhalten, doch nur fünf von ursprünglich um die 20 Namen waren noch lesbar:
•   Odara Song, Hauptmann der Silberschwerter, hatte das Dschiahn „Drachenfang“ erhalten – mit seinem Geist hatte Luo wahrscheinlich nahe von Baoshi in der Kranichprovinz die Klingen gekreuzt.
•   Tran Xue, General der Kaiserlichen Reiterei war als Träger des Huang Dao „Schwarze Flamme“ aufgelistet.
•   Li Tang, Kommandant der Kaiserlichen Garde, hatte das Ju Oshu „Feuerzunge“ erhalten.
•   Su Ji, die „Herrin der Bestien“, hatte das Tigerhakenschwert-Paar „Blitz“ und „Donner“ geführt.
•   Shi Yao (wohl ein Kriegsname, der „Schlangendämon“ bedeutete) hatte „Vipernzahn“ getragen. Vor diesem Namen war Luo in einer Wahrsagung gewarnt worden.

Dies waren aufschlussreiche Informationen, doch das Bindungsritual zu vervollständigen überschritt vorerst die Möglichkeiten der Abenteurer. Luo überlegte, ob er die fünf Klingenträgernamen auf die Liste einer neuen Recherche setzen sollte. Doch gegenwärtig war er ziemlich mittellos, da er sich kürzlich eine hochwertige Schuppenrüstung hatte fertigen lassen. Weitere Recherchen mussten warten. Luo fragte sich, ob einige der grausamen Gedankenbilder, die ihm in letzter Zeit gelegentlich durch den Kopf geschossen waren, wenn die Klinge Blut vergossen hatte, auf deren besondere Eigenschaften zurückzuführen waren. Vielleicht hatten die ungewöhnlichen und machtvollen Gegner der letzten Monate, etwas in der Klinge geweckt…
Die Abenteurer waren zufrieden mit den erreichten Rechercheergebnissen, auch wenn Luo gerne noch mehr über die Träger der magischen Waffen erfahren hätte. Allerdings fehlte es ihm momentan etwas an Geld.

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #38 am: 15.11.2024 | 20:40 »
Die Winterspiele
Palitan, Spinnenprovinz, Zhoujiang (v. a. Hao, Akira, Takur)

Nachdem sie das Abenteuer auf der Seidenstraße verpasst hatte, informierte sich Hao ausgiebig über die Welt jenseits des Mondtores. Das hatte auch praktische Gründe: die von den Helden beschützte Wassernymphe Aonami hatte mit der Portalgilde und dem Wächter des Mondpfades eine Übereinkunft gefunden und wollte mit ihrer neugeborenen Tochter zu ihrem neuen Zuhause aufbrechen. Dieses lag nahe der Bernsteinpagode, einem der Rasthäuser an der Seidenstraße. Hao, Akira und Takur begleiteten die junge Mutter. Sie hofften allerdings, jenseits des Mondtores nicht auf Sho zu stoßen, das mächtige Feenwesen, mit denen sie kürzlich aneinandergeraten waren.
Auf ihrem Weg querte die Gruppe unter anderem das verheerte „Feld der Tränen“, auf dem man schnell den Pfad verlieren und abseits des Weges mit gefährlichen Feenwesen zusammenstoßen konnte. Auch dank Haos Hilfe blieb der Wegeführer der Portalgilde auf dem Pfad. Die Helden konnten auch der unnatürlichen Traurigkeit widerstehen, die jeden erfasste, der das Feld passierte.
Die Bernsteinpagode erwies sich als gastlich, auch wenn die Herbergsleute angespannt wirkten. Der Aufenthalt verlief jedoch ohne Vorfälle. Dann erschien der von einem beeindruckend fremdartigen Gefolge begleitete Pfadwächter Takuri in Gestalt eines grüngepanzerten Albenkriegers, um seine neue Untertanin zu begrüßen. Aonamis neues Zuhause würde ein kleiner Flusslauf sein, der sich am Mondpfad entlangschlängelte. Die Nymphe dankte den Helden noch einmal und verschwand in den Fluten. Die Helden kehrten nach Palitan zurück.

Im Schwertalbenviertel Palitans liefen inzwischen die Vorbereitungen für das Tanatami-Fest, welches dem Erscheinen Myurikos auf Kimeisha gedachte. Akira durfte sich an den Vorbereitung beteiligen und machte seine Sache gut. Zum Glück nahm er auch an dem feierlichen Umzug teil und bemerkte eine sich nähernde Unruhe: Jemand hatte eine Schar Gänse wie Kraniche angemalt, Lunten an ihren Flügeln befestigt und trieb die Vögel auf die Prozession zu. Akira und einige Prozessionsdiener konnten die Vögel abdrängen und so peinliche Zusammenstöße verhindern. Akira stellte den Verursacher dieses fragwürdigen „Scherzes“: einen älteren Alben, der vermutlich zu den Myuriko gegenüber feindlich eingestellten Kintarai-Exilanten gehörte. Akira übergab den Möchtegern-Saboteur der Gerichtsbarkeit des Schwertalbenviertels, wohl wissend, dass ihn eine harte Strafe erwartete.

Das in ganz Palitan gefeierte Drachenfest, bei dem die Mannschaften der einzelnen Viertel in riesigen Drachenkostümen gegeneinander antraten und dem Sieger Steuervergünstigungen für das kommende Jahr winkten, war eine wesentlich chaotischere Angelegenheit. Die Helden ließen das bunte Treiben auf sich einwirken. Takur beteiligte sich dabei auch an einem der „Esswettkämpfe“, bei denen die Teilnehmenden konkurrierten, wer die meisten der stark gewürzten Speisen herunterbekam. Der Jaguarkrieger – gestählt durch seine robuste Konstitution und die scharfe Küche seiner fernen Heimat – schnitt gut ab, musste sich aber letztendlich geschlagen geben.

Währenddessen verfolgten Ren und Luo eigene Projekte. Ren stellte Nachforschungen zu dem „Geisterhorn“ an, welches die Helden vor einiger Zeit am Maishi-See erbeutet und der Fürstin von Timog übergeben hatten. Die Nachforschungen waren schwierig, zumal Ren dem örtlichen Geisterministerium wegen dessen Beziehungen zur Gagamba-Kirche nicht traute. Immerhin bestätige sich, dass die Schriftzeichen auf dem Horn aus Esmoda stammten und hunderte von Jahren alt sein mussten. Das Horn diente sehr wahrscheinlich der Langstreckenkommunikation mit Geistern. Es hatte vermutlich auch eine Funktion in aufwändigeren Ritualen. Ren hoffte, dass das Artefakt in Timog sicher war.
Schon seit Längerem hatten Ren und Luo zudem Kontakte zum fürstlichen Hof von Palitan geknüpft. Dieser befand sich seit dem Tod der alten Fürstin in einer Umbruchsphase. Da nicht klar war, wer Anteil am Ableben ihrer Mutter gehabt hatte, hatte die angehende Fürstin Zo Zo im letzten Jahr zahlreiche Angehörige von Leibwache und Hofstaat ersetzt.
Ren sicherte sich die temporäre Position einer Helferin der fürstlichen Heilerin Gia Jin, die für die kommenden, blutigen Winterspiele ein paar zusätzliche Hände brauchte. Gia Jin, eine zwergische Unggoy-Priesterin, war noch nicht lange bei Hofe tätig. Ren schaffte es, sich mit ihrer Vorgesetzten anzufreunden und erfuhr so mehr über die hohe Politik:
Bei Hofe herrschte Uneinigkeit, wie Zo Zo ihre Position sichern und endlich den ihr zustehenden Platz als gekrönte Fürstin einnehmen sollte. Die Beamtenschaft war zum Gutteil korrupt und von den Triaden abhängig. Auch auf das fürstliche Heer konnte sie sich nicht verlassen: Dessen Kommandeurin Zhuge Cheng galt ebenfalls als bestechlich, war nur selten in Palitan anzutreffen und gehorchte angeblich in erster Linie ihren triadischen Geldgebern.
Aussichtsreicher war vermutlich, die verschiedenen Machtgruppen Palitans gegeneinander auszuspielen: Die Triadenführerin, Herrin des Archivs und Anführerin der Seidenhändler My-Mei war zwar das Haupthindernis für Zo Zos Amtseinführung, doch hofften manche am Hof, sie mit den richtigen Anreizen gewinnen zu können. Andere setzten auf My-Meis Rivalen unter den Triaden. Der Bürgerkrieg spielte in diesen Überlegungen keine große Rolle: General Wu schien sehr weit weg und Zo Zo sympathisierte zwar angeblich mit den Kaiserlichen, aber diese hatten keinen echten Einfluss in Palitan.
Man sah am Fürstenhof freilich auch über die Grenzen Zhoujiangs hinaus. So gab es Bestrebungen, Zo Zo zu einem Ehebündnis mit dem selenischen Hochadel – gar dem Kaiserhaus? – zu verhelfen. Andere hätten eher einen Bräutigam aus Zhoujiang bevorzugt. Liu Luli, die Fürstin der Kranichprovinz, hatte mit ihrem Cousin General Liu Jang einen potentiellen Kandidaten. Sein militärischer Sachverstand und Fürstin Liu Lulis Unterstützung mochten genau das sein, was Zo Zo benötigte, um den Fürstenthron einzufordern, falls juristische Argumente sie nicht weiterbrachten.
Diplomatisch blickte der Fürstenhof aber auch in andere Richtungen. Sollte Zo Zo sich in die Verhandlungen des Palitaner Handelsrates mit der Republik Kungaitan einmischen? Kungaitan wäre sicherlich an der Fürsprache der designierten Fürstin interessiert...
Oder sollte Zo Zo auf das benachbarte Kintai setzen, dass gewiss etwas gegen den Machtzuwachs der Händlerrepublik hatte, waren Kintai und Kungaitan doch seit jeher Rivalen? Die Beziehungen zwischen Zhoujiang und Kintai hatten in letzter Zeit unter den Raubzügen der „13 Blätter“-Triade gelitten, die vor allem die „Ringe“ im kintarischen Atasato schädigten. Zo Zo mochte den Schwertalben als geeignete Partnerin erscheinen, um für Ruhe an der Grenze zu sorgen.

Luo hatte es geschafft, mit der Palastgarde Kontakte zu knüpfen, wenn auch erst nach einer eingehenden Prüfung durch Ma Dao, die Kommandeurin der persönlichen Leibgarde Zo Zos. Die misstrauische und brüske Kommandeurin war ursprünglich eine Xia Ho gewesen, eine wandernde Kampfmeisterin. Vor zwei Jahren sehr erfolgreich bei den Winterspielen, war sie der jungen Zo Zo aufgefallen und von ihr rekrutiert worden. Dass die junge Adlige bei den letzten Winterspielen so gut abgeschnitten hatte, verdankte sie wohl auch der Ausbildung Ma Daos. Diese war freilich nicht glücklich, dass ihr Schützling dieses Jahr wieder antreten wollte. Wie leicht konnte dabei versehentlich oder vorsätzlich etwas passieren…
Die fürstlichen Garden setzten sich aus vier Formationen zusammen:
Die Palastgarde bewachte den fürstlichen Wohnsitz und sicherte fürstliche Prozessionen und Reisen ab. Die etwa 100 Kämpferinnen und Kämpfer waren Veteranen des fürstlichen Heeres. Das Kommando hatte ein erfahrener Offizier, der auch als Berater der Fürstin fungieren sollte. Der Umstand, dass Zo Zo noch immer nicht formell als Fürstin eingesetzt war, komplizierte dies allerdings.
Daneben gab es die handverlese persönliche Garde der Fürstin. Bei diesen von Ma Dao angeführten dreizehn Männern und Frauen handelte es sich um die absolute Elite. Das Verhältnis zwischen Ma Dao und dem Anführer der Palastgarde war allerdings angespannt.
Die Ehrengarde wiederum bestand aus jungen Angehörigen des Adels, aber auch einigen bürgerlichen Aufsteigern. Diese eher „politische“ Einheit übernahm in erster Linie Repräsentationsaufgaben und galt als nicht sehr kampfstark oder zuverlässig. Angeblich mussten die Gardisten teilweise stumpfe Waffen oder mit Draht in der Scheide fixierte Klingen tragen, wenn sie die Fürstin bewachten.
Zudem heuerte der Hof immer wieder externe Experten als zusätzliche Verstärkung an – wie jetzt angesichts der anstehenden Winterspiele. In diese Gruppe gehörte jetzt Luo.

Zo Zo übte intensiv mit Mitgliedern ihrer persönlichen Leibgarde, aber auch mit externen Trainingspartnern. Einmal durfte Luo gegen die Fürstin antreten, die sich als geschickte Gegnerin erwies. Luos Klinge weckte das Interesse der Fürstin, und er erzählte bereitwillig, was die Helden in den kaiserlichen Archiven zu der Waffe erfahren hatten.
Zo Zos Trainingspartner wechselten häufig. Eine Gegnerin, die Luo auffiel, war eine maskierte, hochgewachsene Schwertfechterin. Luo beobachtete, dass die Fürstin und die Fremde sich mehrmals unauffällig unterhielten. Neugierig und etwas misstrauisch, observierte er die Kämpferin nach dem Training. Er bemerkte schnell, dass ihr auch zwei andere Beschatter folgten. Luo vermutete, dass Ma Dao dahintersteckte. Die Schattenklinge folgte der Fremden bis zum Hafen, wo er sie verlor, als sie in ein kleines Boot stieg. Zwar konnte er später den Fährmann ausfindig machen, verpatzte aber die Befragung. Er nahm sich vor, während der Winterspiele die Augen nach der Unbekannten offen zu halten.

Inzwischen war der Beginn der berühmt-berüchtigten Palitaner Winterspiele herangekommen. Die Spiele zogen zahlreiche Schaulustige, Händler, Scharlatane, Taschendiebe, Handwerker, Prostituierte und potentielle Teilnehmende an. Unter anderem traf auch eine Delegation des Gankoda-Klans aus Kintai ein. Die Helden hatten schon einmal mit den Vertretern des ehrgeizigen Daimyos Gankoda Saburo zu tun gehabt und fragten sich, was er diesmal plante. Andere Besuchende kamen aus dem fernen Selenia und sogar aus den Feenwelten. Zu letzteren gehörten unter anderem rabenköpfige Tengus, blutdürstige Rottücher (eine hiesige Variante der Rotkappen), sowie Dornlinge und Hobgoblins. Auch manche der rätselhaften Rabentöchter wurden erwartet, die traditionell das Recht hatten, auf mehrere getötete Wettkampfteilnehmende Anspruch zu erheben. Gerüchten zufolge würden sogar Geister und andere Untote zu den Kämpfen antreten.
Die den Helden bekannte Adelsfamilie Ka hatte ebenfalls mehrere Besucher, die an den Kämpfen teilnehmen wollten: Ilko Barenfried von Wuselbach, ein selenischer Schwertrichter, sowie Han Mari, eine entfernte Verwandte der Kas, die mit ihrer Familie im Exil in Kintai lebte. Die Kriegerin hatte unter anderem als Piratenjägerin gearbeitet und sogar eine Begegnung mit einer Drachenschildkröte überlebt. Anscheinend hatten die Kas mit ihren Gästen politische Pläne, die über die Spiele hinausgingen.
Akira, Luo und Takur meldeten sich für die Spiele an. Insgesamt würden mehrere hundert Kämpferinnen und Kämpfer bei den mehrere Tage dauernden Spielen antreten. Es winkten hohe Preisgelder und Beute – auch wenn es als verpönt galt, beim Ausplündern von Besiegten zu gierig zu sein, oder deutlich unterlegene Gegner nur wegen ihres Besitzes herauszufordern.
Hao und Ren würden sich nicht an den Spielen beteiligen, sondern verwundete Teilnehmer verarzten: Ren im Dienste des Fürstenhofes und Hao zusammen mit anderen Priesterinnen und Priestern des Affengottes, die ein Spital nahe des Austragungsortes unterhielten. Beide Heilerinnen sahen das blutige Spektakel skeptisch. 
Parallel zu den Spielen würde ein Feenmarkt stattfinden, bei dem Sterbliche seltene Materialien und Artefakte, Zauber und Paktdienste erwerben konnten – wobei der Preis sich allerdings manchmal als höher als vermutet erwies.

Die Winterspiele begannen mit einer Prozession der teilweise sehr exotischen Teilnehmenden. Takur fiel ein aufrechtgehender humanoider Tiger auf, ein Diener des Tigergottes Lao namens Shui Kang, der offenbar einen recht beunruhigenden Ruf hatte. Angeblich übte er die Gerechtigkeit seines Gottes auf erbarmungslose, ja grausame Art und Weise aus. Takur war dennoch fasziniert: Gab es in Zhoujiang ein Volk raubkatzenartiger Humanoider, entfernte Verwandte von Takurs Volk im Jaguardschungel?
Am Abend fand in der Halle des Festausrichters Lun-Kao ein ausschweifendes Fest statt, zu dem zahlreiche hochrangige Triadenmitglieder, Adlige, Tempelvorstehende und Beamte erschienen. Dennoch war die Atmosphäre eigenartig. Es schwang ein unheimlicher Ton mit, was auch den sehr…merkwürdigen Gästen und dem Ausrichter der Spiele zu verdanken war, war doch der „Schmugglerkönig“ Lun-Kao ein Geist.
Hao interessierte sich vor allem für die erschienenen Feenwesen, Akira versuchte in der High Society Anschluss zu finden und der Jaguarkrieger Takur suchte den Kontakt mit dem „Tigermann“ Shui Kang. Dieser war etwas ausweichend, befragte aber Takur eingehend über dessen Woher und Wohin. Zu Takurs Überraschung behauptete er dann, dem Jaguarkrieger bei der Suche nach dessen verschollenen Artgenossen und dem Artefakt helfen zu können, wegen dessen Diebstahl Takur vor Jahren aus seiner Dschungelheimat Huatla aufgebrochen war. Allerdings würde die Hilfe nicht umsonst sein: Der Tigermann verlangte, dass Takur ihm bei seiner blutigen Vergeltung half. Bei den Spielen würde ein Triadenmitglied namens Tsa Go antreten, der große Schuld auf sich geladen habe. Takur sollte ihn töten. Je mehr der Missetäter und seine Familie leiden würden, desto ausführlicher würde Shui Kang Takur Auskunft geben. Das Angebot verunsicherte Takur. Einen feindlichen Kämpfer zu töten war das eine, dessen Familie auf Korn zu nehmen etwas anderes. Er fragte sich, welches Ziel Shui Kang verfolgte.

Akira konnte sich unter den höherstehenden Gästen gewandt bewegen. Nebenbei gelang es ihm, einen Streit zwischen zwei Zwergenbrüdern zu schlichten, auch wenn den anderen Festgästen ein wenig Blutvergießen als Unterhaltung durchaus recht gewesen wäre.
Von Suguri Jun, der Botschafterin Kintais, erfuhr Akira, dass auch sie der Gankoda-Delegation misstraute. Bestenfalls erwog der ehrgeizige Daimyo aus dem Norden Kintais ein Bündnis mit der Fürstin-in-spe Zo Zo. Schlimmstenfalls plante er, sie „aus dem Spiel zu nehmen“, um die Spinnenprovinz ins Chaos zu stürzen und einen Krieg zwischen Kintai und Zhoujiang zu provozieren. Vielleicht wäre es klug, dem Gankoda-Recken rechtzeitig einen anderen Kämpfer entgegenzustellen, BEVOR dieser Zo Zo herausfordern konnte? Ohnehin stand zwischen Akira und Rokaku Jun, dem Kämpfer der Gankodas, noch die Frage, wer der bessere Schwertfechter sei…
Hao, die den exotischen Feenmarkt erkundete, suchte wie viele andere eine Wahrsagerin auf, die im Austausch gegen Erinnerungen, Blut oder Zauberkraft angeblich wertvolle Blicke in die Zukunft gewährte. Doch wie andere potentielle Kunden wurde Hao durch das grauenerregende Gesicht der Wahrsagerin abgeschreckt.

~

Am nächsten Tag begannen die Kämpfe. Heute würden immerhin 200 Duelle stattfinden. Hao nahm an einem Gottesdienst im Affentempel teil, bei dem sich die Heilkundigen und ihre Gehilfen mental auf Tage voller Blutvergießen vorbereiteten. Haos zwiespältige Einstellung zu den Spielen verstärkte sich. Es wäre ihr lieber gewesen, wenn die Kämpfenden mit stumpfen Waffen angetreten wären.
Die engen Straßen und Gassen der Pfeiler von Lun-Kao waren voller Schaulustiger, die sich auch auf Booten in den Kanälen, sowie auf Balkons, Terrassen, Dächern und Gebäudebrücken drängten. Die mit tigerfarbenen Umhängen gekennzeichneten Ordner und Kampfrichter schienen nicht allzu sehr auf Sicherheit zu achten. Während die Nahkampfduelle auf den Straßen stattfanden, würden Kämpfe mit Schuss- und Wurfwaffen auf den Dächern ausgetragen werden. Dies sollte das Risiko für Unbeteiligte verringern, verlieh diesen Kämpfen aber auch einen besonderen Nervenkitzel.

Takur trat als erster der Helden an. Seine Gegnerin war eine grauhaarige Naginata-Kämpferin. Takur war eindeutig überlegen, aber beide Kontrahenten verpatzten einen ihrer Angriffe, was die Zuschauenden abfällig kommentierten. Schließlich schickte Takur seine Gegnerin mit einem Klingenwirbel zu Boden, schwächte seine Hiebe aber ab, da seine Gegnerin bereits schwer verwundet war. Er half seiner Gegnerin auf und freute sich über seinen ersten – wenn auch nicht glanzvollen – Sieg.
Akira, der erst später am Tag antreten sollte, beobachtete Rokako Juns Kampf. Der Krieger des Gankoda-Klans führte seine zweihändiges Schwert mit tödlicher Präzision und überwand seinen Gegner mit Leichtigkeit. Dieser wäre sicherlich gestorben, hätte Hao den Schwerverletzten nicht stabilisiert. Akira half, den Besiegten durch die überfüllten Gassen zum Lazarett zu transportieren. Rokako Juns Können erfüllte Akira mit Sorge, aber immerhin konnte er so die Kampfmuster seines künftigen Gegners studieren.
Auch Takur versuchte mehr Informationen über sein potentielles Ziel zu sammeln: den Triadenkämpfer Tsa Go, auf den ihn der „Tigermann“ Shui Kang angesetzt hatte. Tsa Go war ein bereits ergrauter, aber immer noch muskulöser Mann, dessen Tätowierungen ihn als Mitglied der Triade des „Fließenden Steins“ identifizierten. Er führte eine Drachenfaust, eine Kette mit schweren Gewichten am Ende, die er vor dem Kampf in Brand setzte. Fragen bei den Zuschauenden bestätigten, dass die „Klauenfaust“ in seinen Jahren als Triaden-Vollstrecker zahlreiche Leben genommen hatte.
Hao hatte als Heilerin einen riskanten Einsatz, als sie eine Kämpferin versorgen musste, die bei einem der Schützenduelle in schwindelerregender Höhe verletzt worden war. Da sie ihren Kletterkünsten nicht traute, verwandelte sie sich in ein Eichhörnchen und gelangte so problemlos auf die Dächer.
Inzwischen war es Zeit für Akiras ersten Kampf. Er trat gegen einen gnomischen Kämpfer mit Dao und Rundschild an, den er schnell besiegen konnte. Der junge Krieger achtete darauf, seinen Gegner nicht zu töten und behielt dessen Säbel als Beute.

Luos Kampf gegen einen mit zwei Tigerhakenschwertern bewaffneten Krieger namens Wen Jin verlief deutlich dramatischer. Die beiden waren am Vorabend aneinander geraten, als die Schattenklinge den prahlerischen Kämpfer erbarmungslos verspottet hatte. Luo ging auf volles Risiko, kassierte heftige Treffer – doch sein Gegner bezahlte den Einsatz mit dem Leben. Akira hatte den Eindruck, dass es bei dem Kampf möglicherweise um mehr gegangen war, als nur um einen Tabellenplatz. Auf seine Nachfragen erfuhr er später von Luo, dass der Fürstenhof Luo den Auftrag gegeben hatte, seinen Gegner möglichst vernichtend zu schlagen. Offenbar war Wen Jin der Sohn einer mächtigen Kriminellen aus der fernen Tigerprovinz, der im Auftrag seiner Mutter Kontakte mit den Triaden Palitans knüpfen wollte. Sein Tod sollte diese Avancen unterbinden.
Andere Kämpfe verliefen weniger tödlich. Die angehende Fürstin Zo Zo überwand ihren Gegner mit Leichtigkeit. Auch Ilko Barenfried und Han Mari, die neuen Bekannten der Helden, gewannen ihre Kämpfe. Allerdings war der Selenier schockiert von dem blutigen Spektakel der Winterspiele, kannte er doch nur die „ordentlicheren“ Turniere seiner fernen Heimat.
Am Abend wurden die in den Kampfspielen Gefallenen im Jadeband beigesetzt, deren Familien keinen Anspruch auf die Körper erhoben hatten. Während die Sieger und Schaulustigen auf den Straßen feierten, bereiteten sich die Helden auf ihre künftigen Kämpfe vor: Takur wandte sich an einen der „Kampfvermittler“, um sein Duell mit Tsa Go zu arrangieren. Akira ging direkter vor: er suchte Rokako Jun auf, um ihn zum Zweikampf herauszufordern. Damit hatte er Erfolg, provozierte seinen Gegner aber derart, dass der ältere Krieger ihm eine blutige Lektion versprach.

Der folgende Tag war ein Ruhetag, an dem die Kämpfer ihre Wunden auskurieren, sich auf die nächste Runde vorbereiten und den Feenmarkt besuchen konnten. Andere feierten ihren möglicherweise letzten Tag auf Erden. Akira war nicht nach Feiern zumute. Angesichts des bösen Blutes, welches zwischen ihm und seinem Duellgegner herrschte, regelte er lieber seine Angelegenheiten, verabschiedete sich von seinen Freunden und meditierte im Myuriko-Schrein des Schwertalbenviertels. Hao ging der Fatalismus ihres Gefährten ein wenig auf die Nerven, zumal sie überzeugt war, dass er siegen würde.
Auch andere waren nicht in Feierlaune: die Nachricht, dass ein Magier dabei erwischt worden war, einen Wettkampfteilnehmer zu verfluchen, machte die Runde. Der Betrüger wurde an den Pranger gestellt und fürchterlich verprügelt.

Für Hao gab es im Wettkampf-Hospital genug Arbeit. Der ohnehin turbulente Betrieb geriet durcheinander, als bei einem der Verwundeten zahlreiche Maden in der Wunde gefunden wurden. Hatte eine der Pflegerinnen gepfuscht? Hao, die den Infizierten versorgte, vermutete allerdings einen Zauber oder Sabotage: der Befall war zu stark, um Zufall zu sein. Eine Untersuchung der verwendeten Wundsalbe enthüllte, dass diese mit Fliegeneiern versetzt worden war. Das Motiv des Anschlages schien rätselhaft: der aus der fernen Krebsprovinz stammende Krieger hatte nach seinen eigenen Angaben keine Feinde – jedenfalls keine, die zu derart elaborierten Mitteln greifen würden. Hao beschloss, wachsam zu bleiben, verschwieg die Angelegenheit aber vorerst der Hospitalleitung. Auch wenn sie nicht glauben mochte, dass unter ihren Kollegen oder dem Hilfspersonal ein Attentäter lauerte, der Anschlag musste von jemandem durchgeführt worden sein, der im Hospital aus- und einging.

Luo war von Ren verarztet worden, musste aber Ruhe halten. Das bedeutete, dass er nicht weiter an den Wettkämpfen teilnehmen konnte. Überraschend erhielt er Besuch von seiner Lehrerin Sun Chen und deren Nichte Sun Lin. Meisterin Chen war offenbar ebenfalls vor kurzem verletzt worden. Die beiden Frauen waren erst vor wenigen Tagen in Palitan eingetroffen. Da Chen im Bürgerkrieg keine Partei ergreifen wollte, hatten sie in letzter Zeit mehrere lukrative Angebote der Triaden ausgeschlagen. Nicht jeder war so standhaft: Lins früherer Verehrer Sung Bei, dem Lin und Luo bei der Flucht aus Timog geholfen hatten, hatte sich für General Wu anwerben lassen. Luo, der auf Bei eifersüchtig war, war nicht unglücklich darüber, dass dieser von der Bildfläche verschwunden war.
Chen hatte eigentlich auch an den Winterspielen teilnehmen wollen. Sie war aber kurz vor Beginn der Wettkämpfe von einem jungen Krieger namens Tao Doppelklinge herausgefordert worden, der zu einer rivalisierenden Schule gehörte. Sie hatte gesiegt, war aber verwundet worden. Ihrem Gegner hatte der Kampf das Leben gekostet. Deshalb hatte sie nicht bei den Spielen können und hatte dann auch Lin die Teilnahme verboten.
Die beiden waren nicht glücklich zusehen zu müssen, wie Luo beinahe in Fetzen geschnitten wurde. Ihnen war offenbar auch aufgefallen, dass Luo es auf den Tod seines Gegners angelegt hatte. Widerstrebend klärte Luo sie auf, dass er im Auftrag des Fürstenhofs gehandelt hatte. Chen warnte Luo, sich aus der Politik herauszuhalten. Lin kommentierte spöttisch, diese Einstellung sei der Grund, warum sie beide immer noch in miesen Gasthäusern schliefen und sich ihren Unterhalt auf der Straße verdienen mussten. Offenbar war sie verärgert, dass ihre Meisterin ihr die Teilnahme an den Wettkämpfen verboten hatte. Nachdem Chen gegangen war, tauschten sich Lin und Luo über ihre kürzlichen Erlebnisse aus. Luos nicht-so-heimlicher Schwarm hatte weniger…farbige…Abenteuer erlebt. Sie und Chen hatten hauptsächlich Geleitschutzaufgaben und ähnliches übernommen. Zusammen mit ihrer Meisterin hatte sie zudem einen Friedhof von Ghulen gesäubert. Hingegen hatte Chen es abgelehnt, für einen Steuereintreiber zu arbeiten. Ihre moralischen Grundsätze machten es Chen nicht gerade einfach. Inzwischen Mitte 40, sah Meisterin Chen laut Lin nach fast drei Jahrzehnten auf der Straße das Ende ihres (Abenteuer-)Weges vor sich und suchte nach Beständigkeit. Erst kürzlich war einer ihrer früheren Schüler beim Kampf mit einer Rebellengruppe getötet worden. Das war wohl auch der Grund ihrer Besorgnis um Lin.

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #39 am: 25.11.2024 | 17:49 »
Der nächste Morgen brachte den zweiten Kampftag, an dem etwa 100 Duelle stattfinden würden. Das waren nur halb so viele Kämpfe wie am ersten Tag. Aber nachdem die Spreu vom Weizen getrennt worden war, würden die Kämpfe härter, die Wunden schwerer sein. Für Hao würde es viel zu tun geben.
Akira war diesmal unter den ersten, die zum Kampf antraten. Er und Rokaku Jun waren ein ungleiches Kampfpaar: Akiras Gegner war größer und kräftiger und seine Waffe konnte schwerere Wunden schlagen. Dafür bot Akiras Rüstung einen besseren Schutz und er war schneller und gewandter. So konnte Akira rasch einen schweren Treffer anbringen und den Hieben seines Gegners besser ausweichen. Zwar kassierte er ebenfalls eine Wunde, konnte jedoch einen Entwaffnungsschlag abgleiten lassen und trotz eines bösen Patzers mehrere Treffer landen. Schließlich musste Rokaku Jun klein beigeben. Seine Wut wurde noch gesteigert, als Akira Juns Klinge als Trophäe einforderte. Die beiden Kontrahenten schieden in gegenseitiger Abneigung.
Auch Hao hatte ein dramatisches Erlebnis: Bei einem anderen Kampf bemerkte sie, dass sich eine hölzerne Gebäudebrücke, auf der sich zahlreiche Neugierige drängten, gefährlich durchbog. Hao schlug Alarm, sodass sich die meisten Schaulustigen in Sicherheit bringen konnten. Freilich nicht alle: ein Unglücklicher konnte sich zwar mit letzter Kraft festhalten, drohte aber jeden Augenblick abzurutschen. Hao ließ ihren Eichhörnchen-Tiergefährten Hozhou magisch auf Zwergengröße anwachsen und schickte ihn zu Hilfe. Hozhou konnte den Verunfallten retten und Hao und ihr Tiergefährte wurden als Helden gefeiert. Dem Hausbesitzer, dem die instabile Brückenkonstruktion gehörte, wäre es allerdings beinahe an den Kragen gegangen. Zum Glück konnte Hao das Schlimmste verhindern. 

Mittlerweile war es Zeit für Takurs Kampf mit Tsa Go, bei dem mehr auf dem Spiel stand, als der alte Triaden-Kämpfer wusste. Gleich zu Anfang kassierte der Jaguarkrieger eine Wunde, revanchierte sich aber mit einem heftigen Treffer. Kurz schien es, als würde das Gefecht zu Takurs Ungunsten kippen, als er einen Klingenwirbel verpatzte. Aber sein Gegner konnte die Gelegenheit nicht ausnutzen und ging nach einem erneuten mörderischen Hieb Takurs zu Boden. Seinem Auftrag eingedenk, gab der Jaguarkrieger dem Schwerstverletzten den Rest, wenngleich nicht ohne Gewissensbisse. Vielleicht auch deswegen eignete er sich nicht die Waffe seines getöteten Gegners an, nahm ihm aber sein reichverziertes Stirnband ab. Der brutale Tod der „Krallenfaust“ löste einen Aufschrei unter den Zuschauenden aus, unter denen sich auch Angehörige von Tsa Go befanden. Es blieb Takur erspart, sich ihnen zu stellen, denn plötzlich teilte sich die Menge und sein Auftraggeber Shui Kang erschien. Der Tigermann wirkte zufrieden, was Takurs ungutes Gefühl verstärkte. Sein Auftraggeber merkte an, dass Takur wohl noch zu weichherzig sei. Offenbar hatte Shui Kang nicht zum ersten Mal mit Jaguarkriegern zu tun. Unter anderem behauptete er, die legendäre Ma’Ua-Attentäterin Xarsha „die Blutige“ zu kennen.
Die angehende Fürstin Zo Zo und die beiden Bekannten der Helden bestanden ebenfalls ihre Kämpfe, allerdings wurde Ilko Barenfried verletzt. Zudem hatte er mitansehen müssen, wie eine der andersweltlichen Rabentöchter Anspruch auf einen getöteten Kämpfer erhob, den Leichnam in Stücke riss und mit der Waffe des Toten verschwand. Der Selenier fühlte sich sehr fern von daheim und nach einem längeren Gespräch mit Akira – der bezweifelte, dass der junge Schwertrichter den weiteren Kämpfen gewachsen sein würde – stieg Barenfried aus dem Wettkampf aus.

Ren war derweil von einem vorgeblichen Magierkollegen um ein Treffen in einem Gasthaus gebeten worden. Sie traute der Sache nicht. Begleitet von zwei zwielichtigen Schlägern – die sich auf Verlangen des Wirtes im Hintergrund halten mussten – stellte sich ihr Gastgeber, ein älterer Mann in kostbarer Kleidung, als Guo Chi vor. Ren erinnerte sich, dass dies der „Forscher“ mit dem obsessiven Interesse an Feenwesen sein musste, von dem sie gehört hatte, als die Abenteurer der Nymphe Aonami geholfen hatten. Anscheinend hatte der Mann durch Spitzel bei der Portalgilde von der Nymphe erfahren, vermutlich. Er behandelte die junge Magierin von oben herab, weil sie seiner Meinung nach eine günstige Gelegenheit nicht genutzt hatte. Nichtsdestotrotz war er an Rens Erfahrungen interessiert und bot einen Wissensaustausch an, wobei er andeutete, dass Ren und ihre Gefährten in Gefahr seien. Es war offenkundig, dass er Feen für bloße Marionetten ihrer „Rollen“ hielt. Mit leichtem Widerwillen schilderte Ren die Details der Schwangerschaft der Nymphe. Sie ging davon aus, dass dieses Wissen keinen Schaden anrichten konnte, stand Aonami doch inzwischen unter dem Schutz des Herrn der Seidenstraße. Als Gegenleistung erhielt sie abgesehen von einigen Lunaren die Warnung, dass das hinterhältige Feenwesen Sho, mit dem die Helden vor kurzem aneinandergeraten waren, Zuflucht in der an die Seidenstraße grenzenden „Reich des Krieges“ gefunden hatte. Sho diente dort der „Prinzessin der Missgunst“, was ihm möglicherweise Zugriff auf Feenkrieger bot, die auch jenseits der Tore operieren konnten.
Ebenfalls sehr erfreulich war eine Nachricht aus Timog. Rens im Justizministerium angestellter Verwandter teilte mit, dass es keine Spur von „Meister Kong“ gebe, vor dem Ren gewarnt hatte. Es blieb zu hoffen, dass der Nekromant nicht im Verborgenen auf Unheil sann. Es gab auch so genug Probleme in Timog: Die Zahl der „Verwehten Seelen“ nahm weiter zu, und die Leiber einiger Vermisster waren im See gefunden worden. Was auch immer die Unglücklichen beeinflusste, schien stärker zu werden. Dazu kamen weltliche Gefahren. Die Zahl und Schlagkraft von Wus Kaperern nahm zu, was im Gegenzug zu verstärkten Flottenaktivitäten der Triaden führte.

Der folgende Tag war wieder ein Ruhetag. Die Zahl der Wettkampfteilnehmenden war inzwischen deutlich zusammengeschmolzen, dafür war die Höhe der Wetteinsätze gestiegen. Für Hao gab es im Hospital viel zu tun – auch weil einige Besucher die Runde machten, die nicht ganz irdisch waren. Ein Geist besuchte seine lebende Enkelin, die im Wettkampf schwer verletzt worden war und eine der gefürchteten Rabentöchter streifte durch das Hospital. Sie zog sogar noch mehr unbehagliche und furchtsame Blicke auf sich, als der Geist. Hao nutzte die beunruhigende „Besucherin“, um einige Verletzte zu überreden, nicht noch einmal bei den Kämpfen anzutreten.
Beinahe hätte das Hospital einen Patienten verloren, als ein Verwundeter einen Schock erlitt und wiederbelebt werden musste. Offenbar hatte er allergisch auf den Tee reagiert, den man ihm gereicht hatte. Eine Untersuchung Haos enthüllte, dass die Tasse mit verschiedenen Allergenen versetzt worden war. Es schien keine sichtbare Verbindung zwischen diesem Patienten und dem ersten Anschlagsopfer zu geben. Inzwischen ernsthaft beunruhigt, informierte Hao die Hospitalleitung. Dort konnte man sich nicht recht vorstellen, dass einer der Heilkundigen zum (bisher zum Glück verhinderten) Mörder werden könne. Aber die Beweise sprachen für sich und deuteten auf einen Insider hin. Hao neigte zu der Vermutung, dass der Täter unter den Akolythen zu finden war, die noch nicht lange im Dienst der das Hospital betreibenden Unggoy-Kirche standen. Vielleicht war ja Erpressung im Spiel? Nur wie sollte man den Täter aufspüren?

Takur hatte inzwischen von Shui Kang die Belohnung für seine Bluttat erhalten: Der Tigermann führte ihn zu der Wahrsagerin auf dem Feenmarkt, die Hao am ersten Tag so einen Schrecken eingejagt hatte. Ein Trank des Tigermannes machte Takur immun gegen den furchterregenden Anblick der Wahrsagerin und er konnte seine Fragen stellen: Wo befanden sich seine verschollenen Gefährten, mit denen er einst im fernen Huatla aufgebrochen war? Und wo konnte er das gestohlene Artefakt finden, das zurückzuholen sie ausgesandt worden waren?
Die Antworten waren kryptisch. Dennoch glaubte Takur herauszulesen zu können, dass der von ihm gesuchte „Drachenkristall“ ins selenische Sarnburg und in die Hände des Zirkels der Zinne geraten war. Seine Kameraden schien es hingegen auf die fernen Stromlandinseln verschlagen zu haben, sehr wahrscheinlich in die Hauptstadt, wo sie der Spiegelprinzessin dienten.
Shui Kang stellte weitere Hilfe in Aussicht, falls Takur ihm das Seidenstirnband des getöteten Tsa Gos übergab, aber Takur traute dem Tigermann inzwischen noch weniger als am Anfang. Letztendlich gab er das aus Geisterseide bestehende Stirnband lieber Hao.

Ren hatte weniger zu tun als Hao. In der Regel fungierte sie als medizinische Hilfskraft für die ärztliche Betreuung der Fürstin und der anderen bei den Kämpfen antretenden Streiter des Fürstenhofes. Gelegentlich wurde sie für die Behandlung anderer Kämpfer „ausgeliehen“. Vermutlich wollte sich der Fürstenhof so politische Gefallen sichern oder in ein positives Licht rücken. Ren durfte auch an den abendlichen Empfängen bei Hofe teilnehmen, hatte sich aber im Hintergrund zu halten. Trotz ihrer komplizierten Position konnte Zo Zo sich nicht über einen Mangel an Besuchern beklagen. Die Botschaften von Kintai und Selenia waren ebenso vertreten wie Angehörige des Handelsrates und regionale Adlige. Auch My-Mei tauchte auf, allerdings blieb die Atmosphäre zwischen ihr und der designierten Fürstin frostig. Die Gankoda-Gesandtschaft wurde ebenfalls eingeladen. Zo Zo wollte offenbar den mächtigen Kintarai-Daimyo nicht vor den Kopf stoßen und behandelte seine Gesandtschaft mit Höflichkeit. Wenn sie von den möglicherweise wenig freundlichen Absichten Gankoda Saburos wusste, ließ sie sich das gegenüber dessen Sohn Genma nicht anmerken, der sie seinerseits höflich behandelte. An den Gerüchten, dass er für sie schwärmte, schien allerdings nicht viel dran zu sein.
Die Gankoda und die Kintarai-Botschafterin Suguri Jun standen offenbar nicht im besten Einvernehmen, doch schienen sie einig in ihrem Interesse, Schmuggel und Piraterie auf dem Jadeband zu unterbinden. Auch Han Mari durfte an einem der Empfänge teilnehmen, hielt sich aber zurück. Aus einer zhoujiangischen Adelsfamilie stammend, aber im Exil in Kintai lebend, saß sie zwischen allen Stühlen.

Da es Luo inzwischen besser ging, traf er sich mit Lin und Chen für einen Besuch des Feenmarktes. Er war allerdings vorsichtig, da er die Warnung vor Sho nicht vergessen hatte. Chen wollte die mysteriöse Wahrsagerin des Marktes besuchen, und so schlenderten ihre beiden jungen Ex-Schüler gemeinsam über den abendlichen Markt. Luo fiel eine hochgewachsene Gestalt auf, die ihr Gesicht unter einer Kapuze verborgen hielt. Er war sich sicher, in ihr die maskierte Kämpferin zu erkennen, die mehrmals mit Fürstin Zo Zo trainiert hatte. Neugierig heftete er sich mit Lin an die Fersen der Unbekannten. Sehr schnell erkannten beide aber, dass sie ihrerseits von zwei Bewaffneten mit roten Kopftüchern beschattet wurden. Luo wollte keinen Kampf riskieren. Zusammen mit Lin setzte er sich ab, verlor aber dadurch das Ziel seiner Beschattung aus den Augen.

Am dritten Kampftag würden zwei Kampfrunden stattfinden: eine morgendliche mit 50 Kämpfen und eine abendliche, bei der die Sieger der Morgenduelle antraten, um die Kandidaten für das Finale zu ermitteln.
Akira trat als erster der Helden an und sah sich einer Geisterfrau gegenüber, zu Lebzeiten eine Kriegerin der vor über 250 Jahren herrschenden ersten Urda-Kaiserin. Wieder und wieder schien sie um seine Hiebe herumzufließen, während sie den jungen Kintarai mit durchscheinenden Wurfspeeren beschoss, die sehr reale Wunden schlugen. Letztlich musste sich Akira geschlagen geben und seine Niederlage eingestehen.
Auch Takur traf einen ungewöhnlichen Gegner, verwandelte sich sein albischer Gegenüber doch vor dem Kampf in einen Stier, der den Jaguarkrieger um ein Haar auf die Hörner genommen hätte. Zwar konnte Takur dem Sturmangriff standhalten, verpatzte jedoch seinen Gegenangriff und ging verletzt zu Boden. So musste auch Takur den Kampf aufgeben und seinem triumphierenden Gegner als Auslöse etliche Silbermünzen zahlen. Han Mari und Fürstin-in-spe Zo Zo schieden hingegen erst in der Abendrunde aus den Wettkämpfen aus. Immerhin trug keiner der Helden oder ihrer Bekannten dauerhafte Verletzungen davon.
Hao hatte währenddessen bei der Versorgung der Verwundeten genug zu tun. Sie rettete einen Duellanten, der beinahe durch ein tödliches Waffengift gestorben wäre. Dass die Regeln der Winterspiele den Einsatz von Gift gestatteten, stieß bei der gnomischen Priesterin auf wenig Gegenliebe.

Der folgende Tag war die letzte Ruhepause vor dem Finale der Winterspiele. Besonders für Hao verlief der Tag allerdings keineswegs ruhig, hatte sich doch die designierte Fürstin Zo Zo zum Besuch in dem Hospital angemeldet, in dem Hao arbeitete. Die Unggoy-Priesterin half bei der Vorbereitung für den hohen Besuch, der tatsächlich reibungslos vonstattenging. Die junge Fürstin-in-spe fand lobende Worte für das Hospital. Haos Stress wurde allerdings noch dadurch verstärkt, dass sie weitere Anschlägen auf Patienten befürchtete. Sie hatte ihren Tiergefährten Hozhou beauftragt, die Augen nach verdächtigten Ereignissen aufzuhalten.
Tatsächlich erwies sich ihre Vorsicht als begründet: am Abend bemerkte Hao, wie einer der Patienten einen anderen Verwundeten hinterrücks angriff. Die unbewaffnete Heilerin ging mit ihren Zaubern dazwischen. Zum Glück kam schnell Hilfe herbei und der Angreifer wurde überwältigt. Seine Befragung und Untersuchung ließ einen Beherrschungszauber vermuten. Hozhou schien ebenfalls etwas bemerkt zu haben und führte Hao zum Zimmer der Hospital-Verwalterin. Diese blockte erst ab, verlor dann aber die Nerven und ergriff die Flucht. Eine Durchsuchung des Zimmers förderte mehrere Gifte zutage. Offenbar hatte Hao den gesuchten Saboteur gefunden. Da die Schuldige flüchtig war, blieb ihr Motiv vorerst ein Rätsel.

Akira hatte einen weniger dramatischen wenn auch etwas heiklen Abend: Der junge Gankoda Genma, Sohn und Erbe des nahe von Atasato herrschenden Daimyo Gankoda Saburo hatte ihn eingeladen, ein Kugetsu (ein magisches Puppentheater) zu besuchen. Die anmutige Aufführung war ein Augenschmaus, aber natürlich ging es nicht um den Kunstgenuss: Der junge Gankoda wollte das Schwert seines Gefolgsmanns Rokaku Jun zurückgewinnen, welches Akira in der zweiten Runde der Winterspiele erbeutet hatte. Im Gegenzug bot er an, Akira dabei zu unterstützen, das Schwert seines Vaters zurückzugewinnen. Akira hielt das für einen fairen Tausch und willigte ein. Daneben versuchte Genma, seinen Gegenüber auszuhorchen. Akira verbarg seine eigenen Zweifel an der isolationistischen Außenpolitik Kintais und entlockte Genma weit mehr, als der junge Adlige mitteilen wollte: Genmas Vater hatte wie vermutet große Ambitionen in Zhoujiang. Deshalb war er bereit, im zhoujiangischen Bürgerkrieg die Triaden zu unterstützen, da er sie als „handhabbarer“ als General Wu oder die kaiserlichen Loyalisten einschätzte. Natürlich widersprach dies zumindest dem Geist der defensiven Außenpolitik Kintais, aber sowohl Genma als auch sein Vater hielten diese für einen Fehler, wobei Genma sich durch besondere Ungeduld auszeichnete. Derartige Ansichten grenzten gefährlich nahe an Hochverrat. Insgeheim konnte Akira einige Argumente der Gankodas nachvollziehen, auch wenn er ihre Ziele und Ambitionen nicht teilte. Da er sich nach seiner Übereinkunft mit Genma in dessen Schuld fühlte, behielt er die gewonnenen Informationen erst einmal für sich.

Während dieser Ereignisse suchte Luo einen Abnehmer für die Klinge, die er bei seinem ersten und einzigen Kampf bei den Winterspielen erbeutet hatte. Durch seine Kontakte erfuhr Luo, dass das Gefolge des von ihm Getöteten inzwischen abgereist war, nachdem sie Probleme bekommen hatten. Kurz darauf erfuhr Luo, was diese „Probleme“ gewesen waren: er wurde von einem hünenhaften Meng Shu (Bestienmeister) namens Laohu angesprochen. Dieser warnte Luo, dass er sich mit dem Tod Wen Jins Feinde gemacht hatte und kaufte das Schwert des Toten für einen guten Preis. Von dem Toten schien er wenig zu halten. Anscheinend war Luo in eine Tigerprovinz-Fehde hineingeraten, doch fürs erste würde er hoffentlich nicht weiter behelligt werden. Ansonsten verbrachte er soviel Zeit wie möglich mit Lin.

Der vierte Kampftag brachte das Finale der Winterspiele. Da die Helden schon vorher ausgeschieden waren, nahmen sie – teils wegen ihrer Verletzungen, teils wegen anderer Verpflichtungen – nicht mehr aktiv am Geschehen teil. Insgesamt hatten die Winterspiele gut 30 Personen das Leben gekostet. Zum Glück waren diesmal nur wenige Unbeteiligte darunter.
Am Abend fand eine Feier statt, bei der die Gewinnerinnen und Gewinner geehrt wurden. Zu den Geisterwesen, die von Anfang an ein Teil der Winterspiele gewesen waren, hatten sich einige neue hinzugesellt... Auch zahlreiche der Feenwesen, die zu den Winterspielen angereist waren, nahmen an der Abschlussfeier teil.

In den folgenden Tagen kehrte in Palitan allmählich das „gewohnte“ Chaos ein – zumindest Stadtwachen und Heiler hatten aber noch immer mit den Folgen der Winterspiele zu tun. Wie Hao erfuhr, war die verräterische Hospital-Verwalterin doch noch gestellt worden. Offenbar war sie einen Wettkampfbetrug verwickelt gewesen und hatte aus Gewinnsucht gezielt favorisierte Kämpfer sabotiert. Das war eine fast enttäuschend banale Lösung.
Akira konnte mithilfe seiner Ersparnisse und dank der Unterstützung durch die Gankoda und Suguri Jun endlich das Schwert seines Vaters zurückgewinnen. Er hatte sogar genug Geld übrig, um auch noch einen kunstvollen Panzer aus Totenerz in Auftrag zu geben. Nicht umsonst hatte er seit fast einem Jahr den Großteil seiner Abenteuergewinne zurückgelegt und Stück um Stück das seltene, aus Esmoda stammende Erz gesammelt.
Zu seiner Überraschung wurde er zudem noch einmal von Zhan Ke kontaktiert: die sadische Kämpferin war bereit, weitere Informationen über die Mörder von Akiras Vater zu liefern, wenn er ihr ihrerseits dabei helfen würde, die Auftraggeber des Piratenüberfalls zu finden, der Zhan Kes Eltern das Leben gekostet hatte. Zhan Ke glaubte immer noch, dass der Überfall kein Zufall, sondern von jemandem in Kintai beauftragt worden war. Auch wenn Akira das bezweifelte, erklärte er sich einverstanden.

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #40 am: 11.01.2025 | 16:53 »
Der Frühlingspalast
Palitan, Spinnenprovinz, Zhoujiang (Hao, Ren, Luo)

Der Einsatz bei den Winterspielen hatte Hao, Takur und Akira bei der Verwirklichung ihrer persönlichen Ziele vorangebracht. Der Schwertalb war inzwischen damit beschäftigt, sich eine Schuppenrüstung aus Totenerz anfertigen zu lassen, auf die er lange hingearbeitet hatte. Takur versuchte, mehr über die Magier der Zinne zu erfahren, da dass das von ihm gesuchte Artefakt sich bei diesen in Sarnburg befinden sollte.
Nicht alle Kämpfer waren nach dem Ende der Winterspiele abgereist, was sporadisch für Probleme sorgte. Die Stadtgarde war überfordert, weshalb sich Inspektor Yaogun Tran, dem die Abenteuer schon einmal geholfen hatten, an Ren, Luo und Hao wandte. Im Randgebiet der Stadt hatte es allem Anschein nach einen Überfall gegeben. Da die Spuren jedoch nicht eindeutig waren, sollten sie sich das anschauen. Der Nebenauftrag führte die drei auf eine der Dammstraßen, die durch die nordwestlich der Metropole befindlichen Sümpfe führte.

An dem Ort des vermuteten Überfalls fanden die Helden den Kadaver eines Pferdes, dem der halbe Kopf abgeschlagen worden war. Hao stellte fest, dass der außergewöhnlich wuchtige Schlag mit einer mittellangen, leicht gebogenen Klinge geführt worden war. Es handelte sich eher um ein Arbeits- als ein Reitpferd. Sattel und Zaumzeug waren einfach gearbeitet. Der Reiter war nirgends zu sehen, doch führten Spuren in den Sumpf, denen die Helden kurzentschlossen folgten. Nach einer reichlichen Stunde war in der Ferne eine Sumpfinsel auszumachen. Schon von weitem war zu erkennen, dass der Reiter dort wohl sein Ende gefunden hatte: jemand hatte eine Leiche an die Zweige eines Strauches gebunden.
Die Helden untersuchten die übel zugerichtete Leiche. Der Gekreuzigte war vor etwa einem halben Tag gestorben, und er hatte kein leichtes Ende gefunden. Offenbar war er gefoltert worden, bevor ein brutaler, wuchtiger Schnitt seinem Leiden ein Ende gemacht hatte. Eine Untersuchung der Umgebung brachten einen Lederpanzer, Kleidungsstücke und ein Dao zu Tage: um einen Raubmord handelte es sich also anscheinend nicht. Der einzige ungewöhnliche Fund war ein grünlackierter Stahlring, sehr wahrscheinlich Teil eines Kettenpanzers, den der Tote in der Hand hielt, und der nicht zu seiner Ausrüstung passte. Ren überprüfte die Gegend magisch, konnte aber keinen Hinweis auf den Geist des Toten finden. Mit ihrem grausigen Fund machten sich die Abenteurer auf den Rückweg. In der langsam einsetzenden Abenddämmerung hatte Hao Probleme, den Weg zu finden, weshalb die Helden nur langsam vorankamen. Glücklicherweise bemerkten die drei rechtzeitig, dass sie von zwei Ghulen verfolgt wurden, die vermutlich von der Aussicht auf Beute angezogen wurden. Die Untiere konnten schnell besiegt werden, und die Gruppe erreichte glücklich festen Boden.

Es ließ sich schnell ermitteln, dass es sich bei dem Toten um einen Teilnehmer der Winterspiele namens Kao Zhu handelte. Er kam aus dem Norden und war bei den Kämpfen weder durch seine Ausrüstung noch sein Können aufgefallen. Bemerkenswerter war seine Behauptung, mit dem mysteriösen Jadedrachen – einem ehemaligen Elitekämpfer General Wus – einen Raubüberfall auf eine Karawane verhindert zu haben. Zhu war als Geleitschutz der Reisenden angeheuert worden und hätte mit seinen Schützlingen den Tod gefunden, hätte der Jadedrachen nicht eingegriffen. Diese Erzählung passte so gar nicht zu einigen Gräuelgeschichten, die über den Jadedrachen in Umlauf waren. Die Geschichte des Söldners hatte ihm nicht nur Freunde gemacht – doch war das ausreichend, seinen Tod zu besiegeln? Luo forschte auch nach Personen mit grünen Rüstungen, doch dies brachte ihn nicht weiter: da Jadeeisen ein beliebtes Material für Panzerungen war, trugen nicht wenige Streiter grünlackierte Rüstungen, die den Eindruck erwecken sollten, aus dem magischen Metall gefertigt zu sein. Natürlich besaß auch der Jadedrachen eine grüne Brünne. Doch warum sollte er einen „Fan“ ermorden? Für den Augenblick schienen alle Fährten zu dem Verbrechen kalt.

Die Abenteurer hatten während ihrer Recherchen zum Tempel der tausend Tore auf die finanzielle Unterstützung der Botschaft Kintais bauen können. Allerdings hatte Botschafterin Suguri Jun seinerzeit angedeutet, dass sie eine Gegenleistung erwartete. Dieser Moment war gekommen, als sie Hao, Ren und Luo – nicht aber Takur und Akira – in ihren Amtssitz einlud. Das Gespräch drehte sich zunächst um die Ergebnisse der Recherchen. Behutsam lenkte die Botschafterin das Gespräch auf die aktuellen Ereignisse in Zhoujiang, wobei sie die Positionen der Abenteurer im Bürgerkrieg sondierte. Offenbar wollte sie sichergehen, dass die drei keine Anhänger der Triaden oder General Wus waren. Hao lehnte die Triaden und den rebellischen General ab, da diese ihrer traditionellen Einstellung widersprachen. Ren und Luo machten ihre Loyalität zu den Kaiserlichen keinen Hehl, ohne allerdings zu verraten, dass sie in deren Auftrag standen. Zufriedengestellt bat die Botschafterin um die Verschwiegenheit der Abenteurer und rekapitulierte, dass der kürzliche Palitan-Besuch von Prinzessin Hui Amui, einer Tante der künftigen Kaiserin Hui Yi, einigen Staub aufgewirbelt hatte. Die als versierte Kämpferin und Diplomatin bekannte Prinzessin habe die politische Lage in den südöstlichen Provinzen sondieren wollen und auch die Botschaft von Kintai kontaktiert. Doch ihr diplomatischer Vorstoß war an Hardlinern in den Reihen der Triaden gescheitert. Nur die Abreise der Prinzessin habe die Lage beruhigt. Hao kannte noch einige zusätzliche Details zu der Prinzessin: Ihr wurden eigene politische Ambitionen nachgesagt. Es gab sogar Gerüchte über eine frühere Affäre mit General Wu, was jedoch niemand in ihrer Gegenwart zu erwähnen wagte, zumal bekannt war, dass die Prinzessin den General inzwischen abgrundtief hasste. Das verhinderte jedoch nicht, dass einige in Zhoujiang eine Ehe zwischen ihr und dem Usurpator propagierten, um die verfeindeten Parteien zu versöhnen.

Nach diesen Erläuterungen führte die Gesandte die drei Helden auf die geschmackvoll mit Ziersträuchern und Miniaturbäumen eingerichtete Dachterrasse der Botschaft, wo eine hochgewachsene, muskulöse Frau die Helden erwartete. Hao erkannte sie sofort aufgrund von Beschreibungen, und Ren hatte sie sogar schon mal kurz gesehen: es handelte sich um niemand anderen als um Prinzessin Amui höchstpersönlich. Die beiden Frauen warfen sich sofort zu Boden, gefolgt von Luo (der zudem realisierte, dass es sich bei Amui wohl um die Maskierte handelte, die er mit der designierten Fürstin Zo Zo gesehen hatte).
Während Suguri Jun die Terrasse verließ, bedeutete die Prinzessin, die es mit Förmlichkeiten nicht genau zu nehmen schien, den Abenteurern sich zu erheben. Nachdem sie die Helden noch einmal zum Stillschweigen verpflichtet hatte, erklärte sie, dass ihre Abreise eine Finte gewesen war, um Verfolger abzulenken. Tatsächlich hatte sie in der Botschaft Kintais Zuflucht gefunden. Bevor sie nun endgültig die Stadt verlassen würde, würde sie aber bei einer dringlichen Mission Hilfe brauchen. Sie versprach, dass sich dies ungeachtet der Gefahren lohnen würde. Doch da die drei Abenteurer ohnehin eher Hui-Loyalisten waren, hatte Amui ihre Unterstützung ohnehin sicher.
Das Vorhaben der Prinzessin war allerdings ziemlich kühn: Sie wollte aus dem verlassenen Frühlingspalast ein kaiserliches Siegel bergen. Die Kintarai-Botschaft wollte sich nicht durch den Einsatz eigener Agenten kompromittieren. Dies war offenbar auch der Grund, warum man Takur und Akira aus der Sache herausgelassen hatte. Akira wäre als Schwertalb politisch heikel, falls die Sache schiefgehen sollte. Und der Jaguarkrieger zog selbst in einer Stadt wie Palitan zu viel Aufsehen auf sich. Luo argwöhnte, dass die Prinzessin etwas verschwieg. Er traute sich allerdings nicht, nachzuhaken. Amui erklärte, die Ausgaben der Abenteurer ersetzen können. Falls der Einbruch in den Palast gelänge, könnten sie sich zudem aus der geheimen Schatzkammer, in der das Siegel lag, je ein Stück mitnehmen.
Ren kam auf die Idee, als Zugang zum Palast die unterirdischen Kanäle zu nutzen, welche die Versorgung Palitans mit Trinkwasser sicherstellten und Abwässer entsorgten. Amui hielt dies für eine vielversprechende Idee.

Die Abenteurer begannen mit ihren Recherchen. Der Frühlingspalast war alt und ging wohl auf Drachlingsbauten zurück. Nach deren Sturz wurde die Anlage zu einem kaiserlichen Palast, der während des Krieges der Zwillingskaiserinnen von den Anhängern der ermordeten Kaiserin Li Sao als Hauptquartier benutzt worden war. Die folgende Onshi-Dynastie hatte den Palast ausgebaut, doch nach deren Sturz war er seltener genutzt worden. Unter anderem diente er dazu, unbequeme Angehörige der Kaiserinnenfamilie komfortabel abzuschieben, aber auch als Ausbildungsort für angehende Thronerbinnen. Während des zeitweiligen Abfalls der Kranich-, Spinnen- und Katzenprovinz 896 bis 939 LZ fungierte er als Regierungssitz der Separatisten, danach war er einmal mehr meist nur Domizil von Angehörigen kaiserlicher Seitenlinien. Gegenwärtig stand der Palast leer. Einzelne Triadenangehörige hatten erwogen, die Anlage für zahlende Neugierige zu öffnen, doch das war in seltener Einmütigkeit von der angehenden Fürstin Zo Zo und My-Mei als Führerin des Handelsrates abgeschmettert worden. Einige Unbelehrbare hatten den Palast dennoch für private Feiern – oder Orgien – missbraucht und einige ambitionierte Langfinger hatten versucht einzubrechen. Beides hatte nicht gut geendet: Möchtegerneinbrecher waren verschollen, und die unrechtmäßige Nutzung hatte zu drakonischen Urteilen geführt, die teilweise auch vollstreckt worden waren. Die Sicherheit des Palastes wurde zudem nicht nur von sterblichen Wachen gewährleistet, die die Mauern und Außenanlagen patrouillierten, sondern vor allem von den Geistern kaiserlicher Elitegardisten.
Zu den Kanälen unter Palitan waren alle möglichen unerfreulichen Gerüchte über feindselige Geister, Untote und andere Monster im Umlauf. Immer wieder verschwanden Wartungsarbeiter. Die Dunkelheit der Kanäle sollte „ansteckend“ sein, so dass spezielle Schutzkleidung dringlich geraten schien – und wegkundige Führer.

Die Prinzessin war mit den zusammengetragenen Informationen zufrieden. Ein unterirdisches Vorgehen schien trotz der Gefahren aussichtsreich, und Suguri Jun war bereit, Schutzkleidung für die Abenteurer und die Prinzessin zu organisieren. Freilich schienen zwischen der Botschafterin und der Prinzessin auch gewisse Spannungen zu bestehen, auch wenn diese unterschwellig blieben.
Es war Hao, die auf die Idee kam, die „große Yia“ zu kontaktieren. Die Rattlings-Unterweltführerin rechnete es den Abenteurern hoffentlich immer noch positiv an, dass sie den Mord an einigen ihrer Leute aufgeklärt hatten. Gegen eine „kleine“ Gebühr und Hilfe bei den schwierigen Verhandlungen mit einem unkooperativen Vorarbeiter namens Bu Han war sie tatsächlich bereit, eine kompetente „Kanalläuferin“ zu kontaktieren, eine Einbrecherin namens Hachimaki.
So trafen die Abenteurer dann des Nachts in einem verlassenen Lagerhaus im Bauch des Drachen mit der Nezumi-Diebin zusammen. Offenbar verdankte sie ihren Namen, einem hellen Fellstreifen über ihren Augen, der an die in Kintai gebräuchlichen, Hachimaki genannten Stirnbänder erinnerte.
Die Verhandlungen gestalten sich schwierig. Hachimaki war bereits an einem versuchten Einbruch in den Palast beteiligt gewesen und wollte nur ungern noch einmal dorthin zurück. Sie malte ein eindrucksvolles Bild von den Gefahren im Untergrund und verlangte nach langem Feilschen immer noch eine üppige Bezahlung von fast 30 Lunaren. Sie war allerdings bereit diese zu reduzieren, falls man sie als angebliche Dienerin zu einer Vorstellung der berühmten Schauspielerin Su Su Mina mitnehmen würde. Die Abenteurer beschlossen, einen Versuch zu unternehmen. Ihre finanziellen Mittel waren begrenzt, und sie wollten auch die Hilfe der Prinzessin nicht zu sehr strapazieren.
Mit Hilfe der mit den Helden befreundeten Adelsfamilie Ka gelang es Ren, eine nicht gerade billige) Karte zu ergattern, so dass sie herausgeputzt und mit einer gemieteten Sänfte ihren Auftritt hinlegen konnte. Das Theater, ein hell erleuchtetes Pagodenhaus, bot einen prunkvollen Anblick. Ren bemühte sich, nicht darüber nachzudenken, was die Einbrecherin hier vorhatte. Das Stück war wie zu erwarten ungemein rührselig und handelte von einem Liebespaar, das von einer Räuberbande bedroht wurde. Allerdings gab es Ärger, als einige Schläger der 13 Blätter die Aufführung unterbrachen und den „Helden“ verprügelten. Offenkundig hatte die Triade Anstoß an den nicht sehr subtilen Anspielungen des Stückes genommen. Ren konnte nicht rechtzeitig eingreifen und nur noch den übel zugerichteten Schauspieler verarzten. So kam der Kunstgenuss an diesem Abend leider etwas kurz. Hachimaki, die zeitweilig verschwunden war, schien aber dennoch zufrieden zu sein.

Ein weiteres Treffen bei der „großen Yia“ diente der Vorbereitung des Einbruchs. Man diskutierte die verschiedenen Optionen: die Abwasserkanäle waren schmutzig, eng und gefährlich, doch war der Zugang zu ihnen relativ einfach über Wartungsschächte möglich. Die Wasserversorgung verlief natürlich separat, hier waren die Eingänge aber besser gesichert. Zudem war der Weg dort mühsamer, da die Leitungen deutlich enger waren. Allerdings galten sie als weitaus weniger „verseucht“ mit gefährlichen Wesen und Geistern. Schließlich gab es noch die Entwässerungskanäle, die für den Fall von Überflutungen angelegt worden waren. Sie reichten nicht annähernd so weit wie die beiden anderen Systeme, galten aber als weniger gefährlich als die Abwasserkanäle und leichter bewacht als die Wasserversorgung, wenngleich durch massive Fluttore gesichert. Indes bestand gerade jetzt im Winter die Gefahr, dass sie überflutet wurden, was sehr schnell geschehen konnte. Die Helden und die Prinzessin entschieden sich für die Abwasserkanäle. Hachimaki und Luo spionierten einen möglichen Einstiegspunkt aus.

Zu nächtlicher Stunde schlichen sich die Abenteurer und die mit einem Gesichtsschal und einem breiten Hut maskierte Prinzessin zum geplanten Einstiegsort. Hachimaki knackte das Schloss der Zugangsluke. Der Gestank, welcher die Abenteurer entgegenschlug, war atemberaubend. Nur dank der Schutzmasken ließ er sich halbwegs ertragen. Im spärlichen Licht ihrer Lampen tastete sich die Gruppe die lückenhaften Trittsteine entlang. Um keinen Preis wollten sie in der grausigen Flüssigkeit in der tiefen Rinne daneben landen. Die Gänge waren meist nur einen Schritt breit. An einigen Stellen waren die Steine überflutet. Da es immer wieder Abzweigungen gab, verirrten sie sich wohl nur dank Hachimakis Erfahrung nicht, wobei Luo für den Rückweg Markierungen an den Wänden anbrachte. Ren verletzte sich durch einen Sturz leicht. An einer Stelle war der Gang eingestürzt und erzwang einen Umweg.
Es sollte den Helden indes nicht vergönnt sein, ihr Ziel ohne Komplikationen zu erreichen. Als die Helden eine der größeren Auffangkammern erreichten, verstärkte sich das Plätschern und Glucksen, und während in der Flüssigkeit – die man kaum Wasser nennen mochte – Blasen aufstiegen, formte sich eine humanoide Gestalt. Das Wesen nannte sich Zhǎozé, und behauptete als Wächter hier gebunden worden zu sein. Mit Rens Hilfe konnte Amui den Geist – nach Rens Einschätzung eine Art Fäulnis-Elementargeist – von einem Angriff abhalten, doch erwies sich das Wesen als boshaft und launisch. Es wollte die Gruppe nur für einen Kuss passieren lassen. Hao bot sich wiederwillig als erste dafür an, was ihr die tiefe Dankbarkeit der Prinzessin und Rens sicherte. Es kostete die Unggoy-Priesterin viel Überwindung, die Maske abzunehmen und die widerwärtige Berührung des Wesens zu ertragen. Doch danach konnten die Abenteurer passieren.
Kurz darauf erreichten sie den Zugang zum Palast. Unterstützt durch Haos Segenszauber gelang es Luo und Hachimaki – die den Palast nicht betreten wollte – das Schloss zu knacken. In dem schmucklosen Raum dahinter säuberten sich die Abenteurer und die Prinzessin notdürftig und legten die Schutzkleidung ab. Argwöhnisch sichernd schlichen sie los, wobei Luo – der dank seiner Magie am besten in dem Halbdunkel sehen konnte – die Spitze bildete.

Der Frühlingspalast war zwar nicht das größte und prächtigste der kaiserlichen Schlösser, gleichwohl jedoch ein beeindruckendes Bauwerk. Davon bekamen die Abenteurer allerdings wenig zu sehen, denn sie bewegten sich im „Bauch“ des Palastes: den Bereichen, wo normalerweise dienstbare Hände all die Dinge des Alltags erledigten, um die sich Höflinge und Adel nicht bekümmerten. Das hieß freilich nicht, dass die Pfade unbewacht waren: Mit einmal tauchten die durchscheinenden Gestalten der Geisterwächter auf. Doch mit beeindruckender Selbstsicherheit trat die Prinzessin ihnen entgegen, und konnte die Geister davon überzeugen, dass es ihr Recht war, hier zu sein.
Es hatte den Anschein, als wäre die Prinzessin nicht das erste Mal in den Wirtschaftsbereichen des Palastes unterwegs. Der Weg führte die Gruppe durch schlichte Korridore, versteckte Hinterhöfe und fensterlose Räume. Der Palast schien von Bewohnern verwaist. Vielerorts lag Staub, und kein Geräusch eines lebenden Wesens war zu vernehmen. Freilich galt dies nicht für die nicht-lebenden Bewohner. Noch zweimal begegneten die Abenteurer wachsamen Geisterkriegern, die sie dank der Prinzessin aber passieren ließen. Die Wachgeister waren nicht die einzigen verblichenen Seelen, die in den Gemäuern hausten. In einem kleinen Palastgarten saß eine durchscheinende Gestalt und spielte auf einer Flöte. Ren hätte gerne mit ihr gesprochen, wollte aber weder eine Verzögerung noch mögliche Komplikationen riskieren.
Schließlich erreichten die Abenteurer eine der Bibliotheken, die mit ihren zahllosen Schriftrollen und Büchern einen beeindruckenden Anblick bot. Amui interessierte sich jedoch nur für einen Wandspiegel, dessen Rahmen mit zahlreichen Tieren und Figuren verziert war. Hao, die einen heimlichen Blick riskierte, stellte fest, dass die Prinzessin die Großen Geister des Tierkreises in umgekehrter Reihenfolge berührte. Der Spiegel schwang zur Seite und enthüllte einen schmalen Gang mit holzvertäfelten Wänden. Zum Glück entdeckte Luo rechtzeitig eine den Gang sichernde Netzfalle und konnte diese blockieren. Nach nur wenigen Schritten erreichte die Gruppe eine Schiebetür. Misstrauisch geworden, untersuchten sie auch diese sorgfältig. Tatsächlich wurde die Tür durch eine Krallenfalle gesichert. Auch diese konnte mit einiger Mühe blockiert werden. Der Raum dahinter maß vielleicht sieben auf sieben Schritt, war holzgetäfelt und – wenig überraschend – fensterlos. Lampen mit leuchtenden grünen Perlen erwachten zum Leben und erhellten den Raum. Im Erdgeschoss fanden sich zahlreiche Schränke und Truhen mit Kostbarkeiten aller Art. Auf einer Empore lagerten wertvolle oder brisante Schriftstücke.
Doch etwas anderes erregte die Aufmerksamkeit der Abenteurer: Im Raum hatte sich ein hüfthohes achtbeiniges Konstrukt erhoben, einer Spinne beunruhigend ähnlich. Als es sich langsam näherte, trat die Prinzessin vor. Wohl auch, weil bisher kein Alarm durch eine Falle ausgelöst worden war, konnte sie das Wesen beruhigen, so dass es sich in einer Ecke zusammenrollte. Dennoch behielten Luo, der dem Frieden misstraute, und Hao, die schier vor Neugierde verging, die Kreatur im Auge. Die Priesterin hatte über solche permanent belebten magischen Konstrukte bisher nur Gerüchte gehört. Es schien kein simpler Golem zu sein. Vielleicht war es von einem Geist beseelt? Es handelte sich offenbar um eine Mischung aus Magie und Mechanik. Interessanterweise wies es auf der Seite ein Siegel auf, das dem auf Luos Schwert glich – war also vermutlich in derselben Schmiede geschaffen worden. Sowohl Hao als auch Luo hatten ein leicht beunruhigendes Gefühl, konnten aber keinen Finger darauflegen, was es war. Allerdings entging ihnen, dass die Prinzessin heimlich einen kleinen Gegenstand in ihrem Gewand verschwinden ließ. Ren, die dies beobachtet hatte, schwieg dazu.
Wie von der Prinzessin versprochen, durften sich die Abenteurer dann jeweils ein Stück aus der Schatzkammer aussuchen. Obwohl es sich nicht um die Hauptschatzkammer des Palastes handelte, war die Auswahl beeindruckend: ganze Rüstungssets, zahlreiche verzierte Waffen, Amulette, welche den Körper oder die Seele schützen sollten, kostbare Gewänder, Schalen voller Gold und Edelsteine…
Von der Umgebung abgelenkt und eingeschüchtert, dazu in Eile und weil sie vor den Augen der Prinzessin nicht zu gierig erscheinen wollten, nahmen sich die Abenteurer bei weitem nicht die wertvollsten Stücke: Hao wählte ein kunstvolles Spinnenseide-Gewand, Ren ein Amulett des verbannten Drachenfisch-Geistes (das einen guten Preis einbringen mochte) und Luo ein Rundschild. Ehe die Gruppe die Schatzkammer verließ, intonierte Amui feierlich „Wir werden zurückkehren!“ Ren bekräftigte, an diesem Tag der Prinzessin zur Seite stehen zu wollen. Der Rückweg durch den Palast verlief ohne Komplikationen.

Am Eingang zu den Abwasserkanälen zogen die Abenteurer wieder die Schutzkleidung an und stießen zu Hachimaki, die nervös auf sie gewartet hatte. Gemeinsam pirschten sie durch die stinkenden Röhren zurück – wobei Ren sich einmal mehr nicht sehr geschickt anstellte. Der Fäulnisgeist zeigte sich diesmal nicht, wofür alle dankbar waren. Doch damit hatte die Glückssträhne ihr Ende: in einer der größeren Kavernen zeichneten sich einmal mehr Bewegungen im „Wasser“ ab, als sich irgendetwas Größeres näherte. Luo sprang zwischen die Prinzessin und die potenzielle Gefahr, und im nächsten Moment durchbrach der fast einen Schritt messende Schädel eines untoten Krokodils die Oberfläche. Es entbrannte ein hitziger Kampf, in dem die Abenteurer durch die schlechten Sichtverhältnisse, das halbhohe „Wasser“ und den schlüpfrigen Untergrund behindert wurden. Amui demonstrierte, dass sie sich selber beschützen konnte, und sprang Luo zur Seite. Die Klingen der beiden hatten Mühe, den festen Panzer zu durchdringen, und Luos Klinge nahm bei einem unglücklichen Hieb sogar Schaden. Dennoch teilten sie unterstützt durch Haos Kampfstab gut aus. Ren konnte einen mörderischen Biss der Bestie dank ihrer Zauberkunst abmildern, der dennoch Luo ernsthaft verletzte. Schließlich konnte das Untier erschlagen werden, und die Helden sahen zu, die Abwasserkanäle eiligst zu verlassen.

Alle waren froh, der Unterwelt entkommen zu sein. Hachimaki, die sich aus allen Unannehmlichkeiten herausgehalten hatte, verabschiedete sich mit einer launigen Bemerkung (wieder auf Luos Kosten, den sie die ganze Zeit mit Anzüglichkeiten gestriezt hatte).
Die Prinzessin würde vor ihrer Abreise noch einige Zeit in der Botschaft verbringen und die Abenteurer kontaktieren, wenn sie Hilfe benötigte.
Wohl auch dank der Fürsorge Rens blieb Luo von einer Infektion seiner Wunde verschont, hatte allerdings einen neuen Satz Narben vorzuweisen. Auch Hao überstand den ekelerregenden „Kuss“ des Fäulnisgeistes ohne Folgen.

Parallel zu dem Einbruch hatte sich Luo bemüht, weiter dem Mordfall am Stadtrand nachzugehen, kam er indes nur sehr mühsam voran. Erst nach dem Einbruch hatten seine Nachforschungen doch noch Erfolg. Kao Zhu hatte wohl wegen seiner Geschichte über den Jadedrachen Streit mit Angehörigen der „13 Blätter“-Triade gehabt. Andere Teilnehmer der Winterspiele waren ihm beigesprungen, und ein Kampfwächter hatte den drohenden Kampf geschlichtet. Allerdings hatte seine Geschichte auch an anderer Stelle für Aufsehen gesorgt: Zhu war vom Justizministerium eingestellt worden, das ebenfalls den Jadedrachen suchte, war aber dort nie erschienen. Es schien allerdings unwahrscheinlich, dass die Beamten oder die 13 Blätter etwas mit dem Mord zu tun hatten. Jedoch stellte sich heraus, dass auch noch andere sich nach Kao Zhu erkundigt hatten. Die Beschreibung der Fragenden variierte. Vielleicht handelte es sich stets um dieselbe Person, die sich magisch getarnt hatte? Dank intensiver Nachfragen, fand Luo doch noch einen verlässlichen Augenzeugen, der einen älteren Mann beschrieb, auf den ebenso beunruhigend wie überraschenderweise die Beschreibung des Nekromanten Kong zu passen schien, mit dem die Helden bereits zusammengestoßen waren. Weilte der Schwarzkünstler noch immer in Palitan?
Luo informierte seine Mitstreiter und die Behörden, auch wenn letztere skeptisch schienen. Was mochte das Interesse der Nekromanten bedeuten? Kong war bisher eher an magischen Geheimnissen interessiert gewesen. Spürte er Zhu wegen dessen Kontakt mit dem Jadedrachen nach? Oder wusste er etwas über Zhus Mörder, dass niemand anderes entdeckt hatte?

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #41 am: 8.02.2025 | 16:52 »
Die Welt der Masken
Palitan, Spinnenprovinz, Zhoujiang (Akira, Hao, Takur)

Nach ihrem „Besuch“ im Palitaner Frühlingspalast wollten Hao, Ren und Luo in der nächsten Zeit möglichst wenig Aufmerksamkeit erregen. Ren und Luo als kaiserliche Loyalisten übernahmen aber noch einige Kurier- und Hilfsaufgaben für Prinzessin Hui Amui. Hao hatte da weniger Ehrgeiz: Sie sympathisierte zwar mit der Sache der Kaiserlichen (oder stand vielmehr den anderen Bürgerkriegsparteien deutlich ablehnender gegenüber), doch fehlte ihr das Engagement von Ren und Luo. Ren war allerdings auch mit ihren weiteren Recherchen im Kaiserlichen Archiv beschäftigt.
Auch dank der Unterstützung der Helden hatte der zwergische Waffenhändler Zai Mou inzwischen einen Sitz im Palitaner Handelsrat erhalten, was er mit einem Umzug feierte. Akira und Takur halfen bei der Organisation und Durchführung und machten ihre Sache gut. Viele andere Mitglieder des Handelsrates und der Triaden waren anlässlich der Eintragung Zai Mous in die Ratsmitgliederliste versammelt, während der Fürstenhof Palitans durch Abwesenheit glänzte.

In den folgenden Tagen war Takur damit beschäftigt, die während der Palitaner Winterspiele erhaltenen Informationen zu nutzen. Endlich hatte er eine Spur zu dem Gedankenkristall, dessen Diebstahl ihn aus seiner fernen Heimat Huatla fortgeführt hatte und der sich in Sarnburg im Besitz des Zirkels der Zinne befinden sollte. In sozialen Dingen nicht allzu gewandt, rekrutierte er seine Mithelden als Unterstützung. Schnell erfuhren diese, dass es in dem vor allem von Seleniern bewohnten Palitaner „Hirschviertel“ eine Niederlassung des Zirkels der Zinne gab.
Statt sich direkt an Lorion von Drauenfurt zu wenden, den als schwierig und arrogant geltenden Vorsteher der Zirkelniederlassung, nahmen die Helden zuerst auf Hinweis eines Bediensteten des „Magierturms“ Kontakt mit der Magierin Mariel Talnor auf. Sie gehörte wie Drauenfurt zum Ersten Haus des Zirkels der Zinne. Im Gegensatz zu ihm galt die in Zhoujiang „akklimatisierte“ Talnor jedoch als umgänglicher – angeblich auch, weil sie aufgrund finanzieller Nöte auf gewisse „Nebeneinnahmen“ angewiesen war.
Es zeigte sich schnell, dass die Vorsicht der Helden angebracht war: Als Takur das gesuchte Artefakt und vor allem die „Lebende Göttin“ seiner Heimatstadt schilderte, identifizierte die Magierin anhand der Beschreibung des Jaguarkriegers die Herrin Huatlas als eine Drachlingin. Daraufhin verlegte Mariel das Gespräch an einen neutralen Ort und warnte die Helden: wenn sie sich mit diesen Informationen an den Zirkel der Zinne wandten, würden sie in Schwierigkeiten geraten. Viele Magier würden sich kaum die Gelegenheit entgehen lassen von Takur – freiwillig oder erzwungen – alles über seine Herrin zu erfahren, war doch die Erforschung der Drachlinge und ihrer Hinterlassenschaften ein Hauptziel des Zirkels. Angesichts der in Selenia verbreiteten Paranoia gegenüber den Drachlingen – in Zhoujiang hatten die ehemaligen Herrscher nicht annähernd so einen gefürchteten Ruf, wohl auch weil ihre Zahl im Osten stets geringer gewesen war – würde man in dem Fall auch kaum gewillt sein, das Artefakt zurückzugeben.
Doch es würde so oder so schwierig sein, an den Gedankenkristall zu kommen: Takur hatte keinen Beweis für seinen Anspruch. Aussichtsreich wäre sein Ansinnen, wenn er Fürsprecher fand, der Zirkel der Zinne die in dem Gedankenkristall enthaltenen Informationen bereits „ausgelesen“ hatte und Takur ein ähnlich wertvolles Artefakt zum Austausch anbieten konnte. Das waren keine guten Aussichten.

Mariel Talnor äußerte die vorsichtige Bereitschaft, den Helden zu helfen und eigene Recherchen zu dem gesuchten Artefakt anzustellen. Neben einer Summe Silber verlangte sie dafür allerdings die Unterstützung der Helden bei der Absicherung eines anstehenden, hochkarätigen Xianqui-Turniers. Bei dem Brettspiel-Wettkampf, bei dem nur ausgewiesene Meister antreten konnten, ging es um einen wertvollen Preis in Gestalt eines magischen, reich verzierten Spielbretts. Die in finanziellen Nöten steckende Talnor stand offenbar unter beträchtlichem Druck. Sie sollte sicherstellen, dass bei der Veranstaltung nichts schiefging und auch nicht betrogen wurde. Die Helden sagten ihre Unterstützung zu.
Das Turnier würde im „Maskenzug“, stattfinden, dem Amüsierviertel Palitans. Austragungsort war die „Pagode des Rauschenden Silbers“, ein hochpreisiges Spiel- und Amüsierhaus. Die Helden nutzten die noch zur Verfügung stehende Zeit, um sich mit dem Veranstaltungsort, der Umgebung und dem eingesetzten Personal vertraut zu machen und sich auf ihren Einsatz vorzubereiten. Bei einer derartigen Veranstaltung war vermutlich am ehesten mit Taschendiebstählen und Betrugsversuchen zu rechnen, vielleicht auch mit Streitigkeiten zwischen den auf das Turnier Wettenden. Das Waffenverbot des Maskenzugs bewirkte, dass Hao und Takur „zeremonielle“ Stäbe trugen und Akira ein Dschiahn, das in einer Trickscheide verborgen war.

Am ersten Tag des Turniers waren die Helden mit einigen Stunden Vorlauf vor Ort und platzierten sich, um Publikum und Wettkämpfende im Auge zu behalten. Die Zuschauenden waren recht gemischt, entstammten aber vor allem der wohlhabenderen Mittel- und Oberschicht. Zahlreiche Mitglieder verschiedener Triaden waren ebenfalls anwesend. Deshalb war es wohl kein Wunder, dass es zu Spannungen zwischen den Vertretern von verfeindeten Triaden kam. Zum Glück erkannte Hao rechtzeitig die Gefahr und konnte schlichtend eingreifen.
Weniger auffällig war der Versuch eines vargischen „Bediensteten“, einem der Wettkämpfer eine Teetasse mit einem starken Abführmittel zu verabreichen (tatsächlich hatte der Saboteur das Aussehen eines Angestellten angenommen). Zum Glück bemerkten Hao und Akira sein verdächtiges Verhalten. Sie griffen ein und Akira konnte den Schuldigen fangen, dem eine heftige Abreibung drohte.
Akira war es auch, dem etwas später eine zwergische Taschendiebin auffiel, die die Runde machte. Er stellte die Diebin und zwang sie, das Diebesgut zurückzugeben, ließ sie dann aber laufen.

Am nächsten Tag würden das Semifinale und die Endrunde stattfinden. Die Zahl der Zuschauenden war deutlich höher als am Vortag. Auch die Höhe der Wetteinsätze stieg.
Offenbar wollte auch jemand anderes mit höherem Einsatz spielen: Gerade noch rechtzeitig bemerkten die Helden, wie eine Gestalt durch eine Dachluke Rauchbomben in die Pagode warf, um eine Panik zu erzeugen. Zum Glück konnte Akira die Menge beruhigen und eine Massenpanik verhindern. Takur verfolgte die Diebin aufs Dach, wo er sie stellen konnte. Es entspann sich ein kurzer, aber wütender Kampf, bei dem beide Kontrahenten Wunden davontrugen. Dank eines glücklichen Treffers konnte der Jaguarkrieger die Oberhand gewinnen. Die Diebin bot an, ihre Waffe als Pfand zurückzulassen, wenn man sie entkommen ließe. Takur gestattete ihr nach kurzem Überlegen die Flucht – auch weil er der „Gerechtigkeit“ der Triaden nicht so recht traute.
Weitere Störungen blieben aus. Mariel Talnor, die Auftraggeberin der Helden, war mit dem Ergebnis zufrieden. Wie versprochen würde sie sich bezüglich des von Takur gesuchten Gedankenkristalls im Zirkel der Zinne umhören – warnte aber noch einmal, dass dies Zeit dauern und die Rückgewinnung des gestohlenen Artefakts teuer werden würde.
Geld hatten die Helden diesmal nur wenig verdient. Immerhin konnten sie die Waffe der Möchtegern-Diebin verkaufen: ein qualitativ hochwertiges Peitschenschwert (Urumi). Zudem erhielten sie eine kleine Belohnung in „Spinnenaugen“, der Glücksspielwährung Palitans, mit der sie es sich in dem Vergnügungsviertel gut gehen ließen.

Ren und Luos Recherchen brachten ebenfalls Ergebnisse. Luo hatte sich dazu entschlossen, die Nachforschungen zu den fünf Inhabern von „Drachenklingen“ fortzusetzen, deren Namen sich in den kaiserlichen Archiven hatten ermitteln lassen. Er musste sich dazu freilich Geld leihen, da seine eigenen Mittel nicht ausreichten. Unterstützt von Hao und Ren konnte die wieder mit den Archivrecherchen beauftragte Meisterin Hira in der Tat einige Details zu den vier Männern und einer Frau ermitteln, auch wenn sie so manches Mal in eine Sackgasse geriet. Freilich erwiesen sich die gesammelten Informationen als weniger konkret als erhofft. Hira fand in der Mehrheit recht legendarische Informationen, die eher zu Wu Xia-Erzählungen zu passen schienen, und sich teilweise widersprachen.

Odara Song, Hauptmann der Silberschwerter, hatte der Li Sao-Fraktion gedient, die mit finsterster Magie Rache für die namensgebende ermordete Kaiserin gesucht hatten. Das Dschiahn „Drachenfang“ und seinen Rang hatte er erhalten, als er die Kaiserin Li Sui verraten, seinen Vorgesetzen erschlagen und übergelaufen war. Er hatte mit seiner Einheit eine sehr zwiespältige Rolle gespielt: militärisch nur mäßig erfolgreich, hatten sie Verräter und unsichere Kantonisten gejagt oder „diszipliniert“. Der Hauptmann war nicht einmal von allen legendären Kämpfern der eigenen Seite respektiert worden, geschweige denn von seinen Feinden. Seine Einheit wurde nach der letzten, bis heute unheilvoll erinnerten Schlacht von Soong Mai auch aufgrund ihrer Verbrechen aufgelöst. Song galt seither als verschollen. Wieso sein Geist – oder ein geisterhafter „Schatten“ desselben – in der Kranichprovinz nordwestlich von Baoshi umgegangen war, wo die Abenteurer ihm begegnet waren, blieb indes ein Mysterium.

Shi Yao, dessen Schwert „Vipernzunge“ Luo führte, hatte ebenfalls der Fraktion der ermordeten Kaiserin Li Sao angehört. Von ihm hieß es, er sei kein Mensch gewesen, sondern ein in einem Menschenleib gefangener Schlangengeist, eine von den Drachlingen geschaffene Chimäre oder ein aus Zauberschlaf erweckter Diener der gestürzten echsischen Herrscher. Die Beschreibungen schilderten ihn als Mischwesen oder Mensch mit partiell echsischen Zügen. Seine magische Waffe war ihm nicht für besondere Taten verliehen worden, sondern gleich zu Beginn seines Dienstes, nachdem er kurz nach Beginn des Krieges der Zwillingskaiserinnen scheinbar aus dem Nichts aufgetaucht war. Yao war berüchtigt für seine Grausamkeit gewesen und hatte anderthalb Dutzend Attentate auf hochrangige Ziele durchgeführt. Diese waren oft von beträchtlichen Kollateralschäden begleitet gewesen. Man warf ihm zudem Folterungen und Vergewaltigungen vor. Die gegnerische Seite hatte immerhin fünf Solare auf seinen Kopf ausgelobt gehabt. Yao hatte einige Male mit Odara Song zu tun gehabt, Freunde waren sie indes nicht gewesen. Mit Tran Xue, dem General der Kaiserlichen Kavallerie seiner Fraktion, hatte er eine erbitterte Rivalität kultivier. Einige Berichte brachten ihn in romantische Verbindung mit Su Ji, „Herrin der Bestien“ und ihrerseits Trägerin zweier Drachenschwerter. Sein Schicksal blieb ein Mysterium. Auch nach dem Ende des Bürgerkrieges war das Kopfgeld nicht aufgehoben worden. Letzte Sichtungen hatte es in den Zanshi-Bergen im Grenzgebiet zwischen dem heutigen Sadu und Kintai gegeben (also dort, wo eine der magischen Schmieden für die Zauberschwerter verortet worden war). Ein gewisser Akita Shan hatte nach dem Meuchelmörder fanden lassen, wohl aus familiären Gründen. Vipernzunge wurde nach dem Bürgerkrieg noch mehrfach erwähnt. Leider gab es keine Hinweise auf seine späteren Träger und ob ihr Schicksal mehr über die Geheimnisse der Waffe verriet.

Su Ji, Besitzerin des Tigerhakenschwert-Paares „Blitz“ und „Donner“, stammte aus einer niederen Adelsfamilie der heutigen Tigerprovinz. Später stieg Haus Ji zur Fürstenfamilie der Provinz aus, was Su Jin, die „weiße Tigerin“ und amtierende Fürstin der Tigerprovinz zu einer entfernten Verwandten von Su Ji macht. Ji hatte ebenfalls für die Li Sao-Fraktion gekämpft. Sie hatte ihre Heimat verlassen, nachdem sie ihren Bruder in einem Übungskampf verkrüppelt hatte. Zunächst als Schaukämpferin unterwegs, hatte sie während des Krieges zahlreiche Kommandoaktionen durchgeführt. Sie hatte sich selbst in eine Bestie verwandeln können und war auch von solchen begleitet worden. Ji hatte oft mit General Tran zusammen gedient, und die Geschichten verbanden die beiden und Shi Yao in einer komplizierten Dreiecksbeziehung. Angeblich hatte sie ein Kind gehabt, doch es war unbekannt, wer der Vater war. Ihr Schicksal nach dem Krieg blieb ungewiss. Manche sagten, sie sei in der Wildnis der Tigerprovinz verschollen, andere meinten, ihre Spur habe sich in den Zanshi-Bergen verloren – vielleicht zusammen mit Shi Yao?

Auch Tran Xue hatte der Li Sao-Fraktion angehört. Er war in der heutigen Büffelprovinz geboren. Es hieß, er habe Jogdarenblut gehabt, doch ob sein Vater ein Söldner im Dienste Zhoujiangs war oder seine Mutter bei einem Überfall der Barbaren vergewaltigt worden war, war umstritten. Xue war als erfahrener Grenzkommandeur bekannt, der als fähiger, wenn auch harter und eher pragmatisch als ehrenhafter Kriegsherr erinnert wurde. Seine Reitertruppen hatten meist als Plänkler und leichte Kavallerie gedient, seltener für Frontalangriffe. Er hatte sich nicht gut mit Shi Yao verstanden, was vielleicht an der Rivalität um Su Jis Zuneigung gelegen haben mochte. Mit General Li Tang von der Sui-Fraktion hatte er in einem bewaffneten Wettstreit gestanden, doch hatten sie sich respektiert.
Von Kindern und einer weiteren Familie des Generals war nichts bekannt. Sein Schicksal hatte ihn in der letzten Schlacht des Krieges ereilt, als er bei Soong Mai gefallen war, und auch seine Waffe, das Huang Dao „Schwarze Flamme“, war damals verlorengegangen.

Li Tang hatte der schwestermörderischen Kaiserin Li Sui die Treue gehalten, ja sollte vielleicht gar selber etwas mit dem Mord an Li Sao zu tun gehabt haben. Er war ein entfernter Verwandter der Kaiserzwillinge gewesen. Es gab Behauptungen, er sei mit Li Sui liiert gewesen – vielleicht aber auch mit deren Schwester oder gar beiden Kaiserinnen, und damit der Grund für den tödlichen Streit der Zwillinge. Angesichts der Tatsache, dass die beiden zum Zeitpunkt des Mordes immerhin 30 Jahre einträchtig regiert hatten, klang dies freilich Rens Meinung nach nicht glaubhaft. Er hatte wiederholt mit Shi Yao die Klinge gekreuzt und dessen Anschläge auf seine Kaiserin stets verhindern können.
Auch er war in der letzten Schlacht des Krieges gefallen, als dunkle Mächte beide Heere und die noch lebende der Zwillingskaiserinnen Li Sui verschlangen. Seine Klinge war allerdings geborgen worden und weiterhin im Gebrauch in der kaiserlichen Garde. Sein Geist sollte in Soong Mai umgehen, doch das ehemalige Schlachtfeld war kein Ort, an den Sterbliche mit klaren Verstand gingen – geschweige denn von dort zurückkehrten… 

Es erschien momentan wenig aussichtsreich, tief aus dem Machtbereich des Usurpators Wu Informationen zu erstreben oder das Schlachtfeld von Soong Mai aufzusuchen, um unter den todbringenden Geistern nach auskunftswilligen Schemen zu suchen.
Vielleicht würde es lohnen nachzuforschen, ob Akita Shan mehr über den Verbleib seines Gegners erfahren hatte, doch das würde nur in Kintai möglich sein.

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #42 am: 12.03.2025 | 20:57 »
Flucht aus Palitan (Warnung: enthält Meisterinformationen zum Jadedrachen)
Palitan, Spinnenprovinz, Zhoujiang (Hao, Ren, Luo)

Ren hatte die Wochen seit dem Einbruch im Winterpalast damit zugebracht, zwischen dem Fürstinnenpalast und der Botschaft Kintais hin und herzupendeln – als Kurierin der Prinzessin, wie auch um wenn möglich ihre Kontakte zu pflegen. Ihr entgingen freilich einige Feinheiten der Beziehung zwischen Prinzessin Amui und Botschafterin Suguri Jun, deren Interessen nicht notwendigerweise in jedem Punkt die gleichen waren.
Zudem hatte sie es geschafft, das Ansehen und die Kontakte, welche sie sich in Palitan erarbeitet hatte, in bare Münze umzusetzen. Auch dank ihrer überzeugenden Art gelang es ihr, etwas von der begehrten Geisterseide mit deutlichem Preisnachlass zu ergattern (die aufwändige Verarbeitung würde indes warten müssen). Das kam kaum zu früh, denn die Triaden suchten natürlich angesichts des jüngsten Embargos durch General Wu nach neuen Absatzmöglichkeiten. Wiewohl nicht wenige Einwohner des Phönixreiches den Gedanken ablehnten, den kostbaren Stoff in größerer Menge ins Ausland zu verkaufen, diskutierte der Händlerrat eifrig die Optionen, sich mit Kintai oder Kungaitan (oder beiden) ins Benehmen zu setzen. Auch Selenia würde gewiss schon bald begierig die Hände ausstrecken. Die Seidenpreise würden deshalb bald wieder anziehen.
Luo verbrachte so viel Zeit wie möglich mit Lin, aber auch mit seiner Familie. Seine Pflichten vernachlässigte er freilich nicht und hielt – vorerst vergeblich – im Schwertalbenviertel die Augen nach Triadenspionen offen.

Die Vorbereitungen für die Abreise der Prinzessin liefen. Botschafterin Suguri Jun plante, Akira und Takur für ein Ablenkungsmanöver einzusetzen. Sie würden eine „Privatgelehrte“ aus Kintai gen Norden eskortieren (die von Wuchs und Aussehen eine gewisse Ähnlichkeit mit der Prinzessin aufwies). Zeitgleich sollten die anderen Abenteurer die echte Prinzessin aus der Stadt begleiten. Sie hatten sich – wohl zu Erstellung von Empfehlungsschreiben – in der Botschaft einzufinden, wo von ihnen Bildern in ihrer üblichen Reisekleidung angefertigt wurden.
Und so berieten sich etwa zwei Wochen nach dem Einbruch im Frühlingspalast einmal mehr die Prinzessin und ihre zhoujiangischen Helfer in einem Annex der Botschaft über das genaue Vorgehen. Noch war nicht entschieden, in welche Richtung die Reise gehen sollte. Offensichtlich wäre natürlich der Weg nach Norden in die kaiserlichen Gebiete gewesen, vielleicht über die neutrale Flußdelphin-Provinz. Allerdings bestand die Gefahr, dass im Triadengebiet immer noch nach ihr gefahndet wurde. Ein Umweg, vielleicht sogar ein zeitweiser Wechsel über das Jadeband nach Süden mochte etwaige Verfolger abschütteln, und mit Hilfe der Botschafterin ließ sich hoffentlich eine diplomatische Komplikation vermeiden. Dafür würde man freilich gute Papiere oder ausreichend Schmiergeld benötigen. Hao schlug vor, die Prinzessin zumindest für den Weg aus der Stadt in ein Tier verwandeln zu lassen (ihr magischer Eichhörnchen-Begleiter war dazu ohne weiteres in der Lage). Amui war von dem Gedanken fasziniert, zögerte indes, weil sie ihr Gepäck im Auge behalten wollte.

Die Beratungen wurden durch eine unerwartete Entwicklung unterbrochen. Zunächst war nur ein leises Rascheln zu vernehmen, wie Vogelkrallen auf Dachziegeln oder das leise Plätschern des Regens. Doch zugleich machte sich ein leichter Geruch nach Verwesung und altem Blut breit. Die Abenteurer drängten die Prinzessin, den Raum zu verlassen. Ihr Aufbruch kam jedoch nicht mehr rechtzeitig, denn mit einmal wurden sie von einer wimmelnden Schar untoter Kleintiere, Ratten, Reptilien und Amphibien angegriffen, die über Fenster, Dach, Tür und aus der Kanalisation hervorkrochen. Die Abenteurer stellten sich zum Kampf. Tatkräftig unterstützt durch die Prinzessin konnten sie die Schar mit Stahl und Magie bezwingen. Einzig Ren hatte eine Wunde davongetragen. Hao identifizierte die Angreifer als einen „Wimmelnden Schrecken“, eine Todesmagie-Massenbeschwörung. Der Zauber war relativ simpel und oft eher zur Unterstützung gedacht, und mitunter mochten sich solche Scharen auch aus eigenem Antrieb erheben. Die Abenteurer fragten sich, ob dies ein „Gruß“ von Meister Kong war. Die Wachen der Botschaft trafen erst verspätet ein, ebenso wie die sichtlich angeekelte Botschafterin. Sie sah darin ein Anzeichen, dass die Prinzessin entdeckt worden war und schleunigst verschwinden musste. Die Abenteurer stimmten zu, auch wenn Luo und Hao sich insgeheim fragten, ob Suguri Jun nicht der Zwischenfall, der Amui unter Druck setzte und in die von der Botschafterin favorisierte Richtung lenkte, nicht sehr gelegen kam. Aber dafür war jetzt keine Zeit. Man würde schleunigst ein Boot nehmen und über das Jadeband setzen, um dann den Weg gen Atasato zu nehmen. Von der Handelsstadt in Nordkintai aus ließe sich fraglos eine Weiterreise der Prinzessin organisieren. Die Abreise wurde jedoch dadurch erschwert, dass die Abenteurer keine versierten Seeleute waren. So zog Luo magisch getarnt und verkleidet los, um im Hafenviertel einen Bootsmann zu finden, was ihm auch gelang. Insgeheim haderte Luo mit sich, weil er schon wieder seine Familie, Meisterin und Lin überstürzt verließ. Zumindest würde die Botschafterin einige Briefe zustellen können. Hao schlich sich derweil in das Gasthaus der Abenteurer, um dort ihren Zhu-Schreiter und das Gepäck der Abenteurer zu holen. Sie war zuversichtlich, den Vogel auch auf einem Boot unter Kontrolle halten zu können, auch wenn die anderen Zweifel hatten.

Der Abschied vollzog sich eilig und formlos, abgesichert von einigen bewaffneten Schwertalben. Das Boot, dass die Prinzessin und ihre Begleiter über das Jadeband bringen sollte, war nur etwa einen Schritt breit und fünf bis sechs lang. Yang, der angeheuerte Bootsmann war alles andere als glücklich, als er erfuhr, dass ein Zhu-Schreiter mitfahren sollte. Er ließ sich freilich sichtlich beeindruckt überzeugen, als Hao den Vogel nicht nur gekonnt beruhigte, sondern auch mit einem Zauber extrem verkleinerte.
Die Flussüberquerung würde nicht einfach werden: Das Jadeband war bei Palitan sehr breit und die Strömung stark, zumal in dieser Jahreszeit. Yang hielt es für klüger, den Fluss nicht direkt zu queren, sondern mit der Strömung zu fahren und das Boot allmählich in Richtung des Kintarai-Ufers zu lenken. Die Prinzessin griff tatkräftig zum Ruder, denn Luo war dank eines Zaubers der einzige, der vor im Dunkel treibenden Baumstämmen und anderen Hindernissen warnen konnte. Ren und Hao waren weder versiert in Sachen Seefahrt, noch sonderlich kräftig. Tatsächlich wäre Ren um ein Haar über Bord gegangen als sie und Luo sich bei einem durch eine gefährlich näher driftenden Baumstamm notwendigen Ausweichmanöver in die Quere kamen. Doch insgesamt entkam man allen Hindernissen glücklich.

Allerdings stellte Luo bald fest, dass die Abfahrt wohl doch nicht unbemerkt vonstattengegangen war: in einiger Entfernung folgte ein zweites Boot, ohne dass Ruder oder Segel zu sehen waren. Der kleine Kahn war nur mit zwei Passagieren besetzt: einer massigen Gestalt im Bug und einer schlankeren im Heck. In dem Maße, wie sich das Boot der Helden dem Südufer näherte, begannen die Verfolger aufzuschließen. Nach knapper Rücksprache mit der Prinzessin griff Luo zum Bogen – auf gut 60 Schritt Entfernung traf bereits sein erster Pfeil die schlanke Gestalt mit voller Wucht. Der Wut- und Schmerzensschrei eines Mannes gellte über das Wasser, doch während der Getroffene in Deckung ging, zeigte sich der Hüne im Bug unbeeindruckt. Die Verfolger holten immer mehr auf, doch im zweiten Versuch traf Luo das Boot mit einer Brandkugel aus seiner Schleuder, während er glücklich dem Gegenangriff in Form eines magischen Pfeils aus purer Dunkelheit entging. Damit nahm die Auseinandersetzung ein Ende, die die anderen Abenteurer ohne einzugreifen können nur hatten lauschen können, blieben ihnen die Verfolger doch in der Dunkelheit verborgen. Das andere Boot driftete ab und die Gruppe erreichte schließlich das Ufer, wenngleich ein gutes Stück weiter stromabwärts als geplant.
Yang war begreiflicherweise wütend, dass man ihn für eine solch gefahrvolle Fahrt angeheuerte hatte. Amui entschädigte ihn mit einigen Münzen, und sie und Luo überzeugten ihn, sich mit der Rückkehr Zeit zu lassen, um nicht möglichen Verfolgern ins Netz zu laufen. Mit seiner Abfahrt blieb die Gruppe auf Kintarai-Boden zurück – mitten in dem Sumpfland, das hier auf viele Meilen das ufer bildete.

Es war Hao, welche die Prinzessin und ihre Begleiter gekonnt auf festeren Boden führte, und auch in den Folgetagen stets sicher auf Kurs hielt. Die Ausrüstung der Reisenden war freilich dürftig für eine Reise von über 100 Kilometern im winterlichen Nordkintai, waren sie doch überhastet aufgebrochen. So verfügten sie nur über ein kleines Zelt für eine Person. Immerhin besaßen sie gültige Pässe, die ihnen von Suguri Jun ausgestellt worden waren.
Die Abenteurer verspürten wiederholt ein Gefühl drohenden Unheils, dass einige von Ihnen so ähnlich schon während des Einbruchs in den Frühlingspalast verspürt hatten. Sie waren sich indes unsicher, ob dies von möglichen Verfolgern kam, und ließen die Sache auf sich beruhen. Es war der Wildniskunde Haos zu verdanken, dass sie zumeist gute Lagerplätze fanden, auch wenn der Proviant knapp zu werden drohte. Die Pässe halfen dabei, dass eine Kintarai-Patrouille sie anstandslos ziehen ließ, und am Folgetag beschaffte Luo Proviant in einem kleinen Dorf.
Freilich zeigte sich in dieser Nacht, dass die Gruppe ihren Verfolgern noch nicht entkommen war. Es war Luo, der während der Mitternachtswache entdeckte, dass sich eine schemenhafte Gestalt an dem Zelt zu schaffen machte, in dem die Prinzessin schlief. Es handelte sich um eine durchscheinende Frauengestalt mit zerrissenen Kleidern, langen Klauen anstelle von Fingern und unnatürlich langen Beinen, was ihr ein etwas spinnenartiges Aussehen verlieh. Seine Abscheu und instinktive Furcht überwindend schlug Luo Alarm und griff den Eindringling. Es gelang das Wesen rasch in die Flucht zu schlagen. Die Abenteurer vermuteten, dass der Geist direkt auf die Prinzessin angesetzt worden war, vielleicht um ihr das kaiserliche Siegel zu stehlen, dass sie aus dem Frühlingspalast geholt hatte. Hao hatte das deutliche Gefühl, dass Amui den Abenteurern etwas verheimlichte, doch kam ihr nicht in den Sinn die Prinzessin zu bedrängen. Es blieb fürs erste nichts anderes übrig, als den Marsch fortzusetzen. Ren und Hao mutmaßten, dass erneut Meister Kong – immerhin ein Nekromant mit einigem Können – hinter dem versuchten Angriff/Diebstahl steckte. Sie klärten Amui über ihre Erfahrungen mit dem Nekromanten auf. Ren beschloss, während ihrer nächsten nächtlichen Wache magisch nach Geistern zu spüren, doch blieben der nächste Tag und Nacht ohne Störung.

Der darauffolgende Tag begann mit dichten Nebelschwaden, die Blicke wie Geräusche gleichermaßen dämpften. Dennoch bemerkten die Abenteurer frühzeitig, dass sich schwere Schritte von zwei Seiten näherten. Sie dachten zunächst an eine weitere Patrouille oder Reisende, mussten aber bald ihren Irrtum erkennen: zwei massive Gestalten in grünlackierter Rüstung tauchten mit gezogenen Daos in den Nebelschwaden auf. Genauso war in den Geschichten der Jadedrache beschrieben worden, doch nie hatte jemand von zweien berichtet. Die Abenteurer brachten instinktiv die beiden Fremden mit ihren Verfolgern auf dem Jadeband in Verbindung, hatte doch in dem Boot eine scheinbar ähnliche Gestalt gekauert. Während Luo den einen Unbekannten abfing, konzentrierten sich die übrigen auf den zweiten. Einmal mehr war Amui nicht gewillt zurückzustehen. Die Angreifer kämpften mit großem Geschick und teilten heftige Treffer aus, doch gelang es Amui, Hao und Ren – unterstützt von einem von Ren eilends beschworenen „Höllenhund“ – ihren Gegner zu überwinden. Dann eilten sie Luo zu Hilfe, der sich mit Mühe gegen seinen Feind zu behaupten gewusst hatte. Keiner der zahlreichen heftigen Treffer entlockte den stummen Angreifern einen Schmerzenslaut. Mit vereinten Kräften wurde auch der zweite Feind niedergerungen. Erschöpft, aber siegreich, war es den Abenteurern indes kaum vergönnt zu Atem zu kommen. Sie wussten nicht, ob im Nebel nicht noch weitere Angreifer lauern mochten. Von einer Vorahnung getrieben, lüftete Luo die Jademaske eines der Gegners – darunter verbarg sich wie befürchtet nicht das Antlitz eines lebenden Menschen oder Alben, sondern eine gleichsam eingetrocknete Fratze, als habe dunkle Hexerei alles Leben und Feuchtigkeit ausgesaugt. An Stelle der Augen waren grüne Jadestücken in die Augenhöhlen gepresst worden. Eine rasche Untersuchung ergab, dass die Leiber der beiden Untoten mit Schriftzeichen bedeckt waren, die jenen glich, welche die Abenteurer an den Ritualorten im Sumpf der 32.000 Lichter gesehen hatten. Sowohl Rüstungen als auch Daos waren von guter Qualität – hier hatte jemand einige Mühe und Geld investiert.

Doch schon waren von neuem Schritte im Nebel zu hören. Die erschöpfte Gruppe bereitete sich auf einen erneuten Angriff vor, als eine Gestalt auftauchte, die zwar schlanker war, aber ebenfalls eine Maske und grüne Rüstung trug, die jener der Angreifer fast aufs Haar glich. Immerhin war es diesmal der Stimme nach kein Untoter. Der Neuankömmling behauptete, keine feindseligen Absichten zu hegen, was die Abenteurer allerdings nicht ohne weiteres zu glauben bereit waren, auch wenn sie ahnten, dass es sich diesmal um den „echten“ Jadedrachen handelte. Wie dieser erklärte, hatte er den einen der Toten vor einem knappen Jahr erschlagen. Offenbar waren also zwei jüngere Leichname als Doppelgänger des Jadedrachen erhoben worden. Vermutlich steckten sie (oder andere Doppelgänger) hinter den Geschichten von einigen angeblichen Missetaten des Jadedrachen. Dies würde auch erklären, warum der Jadedrache teilweise an mehreren Orten gleichzeitig gesichtet worden war.

Die Ereignisse nahmen eine unerwartete Wendung, als Amui den legendären Kämpfer anschnauzte und ihn rüde aufforderte, seine Maske abzunehmen. Sie sprach ihn als Sun an. Er gehorchte, und unter der Maske kam das attraktive Gesicht eines jungen Mannes zum Vorschein, der wenige Jahre älter als Luo war. Die weitgereiste Hao und ebenso Ren, die sich recht gut mit den Geschichten der Oberschicht auskannte, erkannten, dass es sich bei dem Jadedrachen um den angeblich nicht allzulange nach Beginn des Bürgerkrieges bei einem Unfall während der Sommerspiele in Inani ums Leben gekommenen Ziehsohn von General Wu handelte. Dies für sich war schon eine überraschende Wendung, galt der Jadedrache vielfach doch als Rebell gegen den Usurpator. Noch pikanter – es hatte vage Gerüchte gegeben, dass er eine Beziehung mit einem hochrangigen Mitglied des kaiserlichen Hofes gehabt hatte. So wie sich Amui und Sun nun gegenüberstanden, schien das Gerücht der Wahrheit zu entsprechen: Die Helden hatten den Eindruck das beide mehr als Freunde gewesen waren (mit deutlicher Betonung auf „mehr“ ebenso wie auf „gewesen“). Luo hatte den Eindruck, dass keiner der beiden gefühlsmäßig damit abgeschlossen hatte. Im Augenblick behandelte die Prinzessin den legendären Kämpfer allerdings recht ungnädig.
Die Abenteurer und Sun tauschten aber dennoch zumindest einige Informationen aus. Sun war sich sicher, dass hinter der Erhebung der falschen Drachen sein Erzrivale steckte, der Geisterdrache, ein legendärer Meisternekromant. Er war allerdings auch sehr an Angaben zu „Meister Kong“ interessiert, in dem er einen Handlanger seines Feindes vermutete. Er hatte vor, der Sache nachzugehen und versprach, die Informationen weiterzuleiten. Der Waffenstillstand zwischen ihm und der Gruppe blieb indes fragil, und Prinzessin Amui war keineswegs gewillt, ihn länger als Begleiter zu dulden. Sun warnte die Prinzessin noch, sich zu sehr mit Kaiserin Myuriko einzulassen, denn der Handel mit einer lebenden Göttin mit unklaren Zielen sei riskant. Ebenso hielt er es für möglich, dass der Geisterdrache die Abenteurer mit seinem Zorn verfolgen würde, hatte er doch zwei wertvolle Handlanger verloren. Man trennte sich einvernehmlich wenn auch nicht harmonisch. Auf Haos Vorschlag wurden die beiden gefallenen Krieger ordentlich beigesetzt, ihre Rüstungen und Klingen aber als Beute mitgeführt (und später mit gutem Gewinn verkauft). Schweren Herzens ließ Ren die „Jadeaugen“ zurück. Sie hätte sie gerne genauer untersucht, fürchtete aber, dass man die Gruppe damit aufspüren oder gar magisch beeinflussen könnte.
Ohne weitere Verwicklungen erreichten die Prinzessin und die Abenteurer zwei Tage darauf Atasato. Amui war auf dem letzten Abschnitt der Reise eher verschlossen geblieben. Sie dankte den Abenteurern indes aufrichtig. Auch wenn sie momentan nicht die Mittel hatte, sie großzügig zu bezahlen, hatten die Taten der Helden ihnen doch einiges an Ansehen gebracht, zumindest in den Reihen der Kaiserlichen. Von der Handelsstadt aus sollte es Amui möglich sein, ihre Mission weiterzuverfolgen, und die Abenteurer waren um wertvolle Erfahrungen reicher geworden – auch wenn sie vieles davon nicht würden weitererzählen können.