Autor Thema: Wieso ich die X-Card für gefährlich halte und Abstand davon nehme  (Gelesen 6673 mal)

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Offline JollyOrc

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Ein paar Anmerkungen von mir:

  • Zum "nicht begründen müssen" - das meint nach meiner Lesart tatsächlich nur "ich muss nicht begründen, warum ich diesen Inhalt gerade nicht möchte", nicht aber "ich muss gar nix sagen, sondern tippe nur stumm auf die Karte und erwarte von anderen, dass sie meine Gedanken lesen".

  • X-en von "Nichtigkeiten" - dazu zwei Dinge: Zum einen kann ich anderen Leuten nicht in den Kopf gucken, und also auch gar nicht beurteilen, wie groß das Problem tatsächlich ist. Zum anderen: Wenn Leute meinen, ihre neu gefundene "Macht" über Nichtigkeiten auszuspielen - dann finden die auch ohne X-Card Möglichkeiten mich zu nerven.

  • Verpflichtender Gebrauch der X-Card - Danke nochmal für die Verlinkung der Originalquelle. Da steht nämlich drin, dass die Karte nur dann benutzt werden soll, wenn alle am Tisch enthusiastisch zustimmen. Die Verpflichtung sie bei Con-Runden zu nutzen widerspricht da also schon dem Geist der Idee. Und damit komme ich zu meinem nächsten Punkt:

  • Die Karte ist ein Angebot. Kein Gebot. - Niemand muss sie nutzen, und ich finde das völlig fein, wenn das wer nicht tut. Ich spiele in den Runden dann auch gerne mit. (Blechpirat nutzt die z.B. in seinen Dresden Files Drama Runden nicht, wo es durchaus hoch her geht und auch vor schwierigeren Themen nicht halt macht. Und da spiele ich sehr gerne mit!)

  • Die X-Card befördert Respektlosigkeit - Zum einen hab ich ja weiter oben in diesem Beitrag schon aufgezeigt, dass das ganz stumme Aufzeigen der Karte so eigentlich gar nicht die Norm ist. Wer das absichtlich und aus Respektlosigkeit so macht, wird dann nicht wieder eingeladen.

    Zum anderen: Wenn da doch jemand so verzweifelt und tief im Trauma ist, dass es gerade nur noch dazu reicht, dass sie stumm die X-Card antippen, ohne auch nur einen Satz zu sagen... dann empfände ich mich als ganz schön arschlochig, wenn ich dann darauf nicht eingehe.
Aber ganz unabhängig davon: Ich stimme völlig zu, dass die X-Card nicht zu jederm Spielstil und Menschentypen passt. Jede Menge Gruppen kommen hervorragend ohne sie aus, und manche Gruppen spielen womöglich ohne sogar besser als mit!

Ich frage aber: Reicht das aus, um die Karte als "gefährlich" zu bezeichnen, oder ist sie dann nicht vielleicht einfach nur kein Allheilmittel und die Verwendung im Endeffekt Geschmackssache?
« Letzte Änderung: 30.01.2024 | 09:58 von JollyOrc »
Fürs Protokoll: Ich bitte hiermit ausdrücklich darum, mich in der Zukunft auf schlechte oder gar aggressive Rhetorik meinerseits hinzuweisen. Sollte ich das dann wider Erwarten als persönlichen Angriff werten, bitte auf diesen Beitrag hier verweisen und mir meine eigenen Worte um die Ohren hauen! :)

Offline unicum

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Ich hatte in meiner gesammten Rollenspielkarriere genau einmal ein heftiges Triggererlebnis, im detail will ich nicht darüber sprechen könnte ja sein das fragliche Personen hier auch mal mitlesen. (es war genauer gesagt nicht mehr während des Spielens sondern im Gespräch nach dem Spiel).

Aber - da hätten keine, aber auch gar keine der Sicherheitsmechanismen die ich kenne etwas gebracht. Ausser vieleicht das mir das fragliche Ereigniss im Leben der Person bekannt gewesen wäre. Aber ich glaube kaum das sich jemand doch relativ fremden gegenüber so outet auch nicht in einer "normalen" Session 0.

"Und so liefen wir aufeinader zu und rammten und gegenseitg ein Messer rein." anderst kann ich es nicht beschreiben.

Offline felixs

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@Fillus etc.:
Denke schon, dass es grundsätzlich Bedarf für einen behutsameren Umgang miteinander und mit schwierigen Themen aller Art gibt. Und einige dieser schwierigen Themen gehören mehr oder weniger zum Kern einiger beliebter Genres (Gewalt, alle möglichen Arten von Monster, Grausamkeiten, Gefangenschaft, Folter etc.)

Mir geht es z.B. so, dass ich zwar gern lese, weil ich da "notfalls" umblättern oder das Buch weglegen kann. Filme allein sind auch OK, weil ich notfalls ausmachen oder vorspulen kann. Filme in Gesellschaft sehr ungern, weil ich dann eben - aus Rücksicht auf die anderen - nicht einfach vorspulen oder ausmachen kann. Und den Raum schnell genug zu verlassen kann schwierig sein.

Ich habe keine Phobien oder so, weiß aber, dass Dinge mich schnell mitnehmen und dass ich die dann nicht mehr "los werde" und tagelang schlechte Gedanken und manchmal Alpträume habe. Braucht kein Mensch. Ist mir auch nicht unangenehm, kann gern jeder wissen, nimmt mir nichts an Männlichkeit, ich komme zurecht. Glaube schon, dass ich ziemlich gefestigt bin und kann auch im "echten Leben" gut mit allen möglichen schwierigen Situationen umgehen. Nur im Spiel muss ich wirklich keinen Stress dieser Art haben.

Rollenspiel in der Gruppe kann ein bisschen sein wie gemeinsames Filmeschauen, nur, dass die anderen ohne mich dann nicht (oder schlechter) weiterschauen können. Entsprechend finde ich es sehr sinnvoll, vor dem Spiel (kurz - vielleicht fünf Minuten insgesamt) durchzugehen, ob irgendwas Probleme macht und was vielleicht nicht dabei sein sollte. So weit so gut.
Ich habe nicht ganz selten in Runden nicht mitgespielt, weil ich die Leute nicht kannte und nicht sicher war, wie die Aussagen bezüglich des zu erwartenden Inhalts zu bewerten sind. Da ich weiß, dass ich da eher am empfindlichen Ende des Spektrums bin, neige ich dazu, davon auszugehen, dass die Inhalte für mich eher schlimmer sind, als die anderen denken. Entsprechend bin ich vorsichtig und spiele vieles dann lieber nicht mit.
Ich brauche keine X-Karte. Aber die gegenseitige Versicherung, dass man das mal probiert und dass alle einverstanden sind, dass es OK ist, das Spiel zu unterbrechen um Bedenken zu äußern und dass das dann ernst genommen werden soll - das würde schon sehr helfen.

Habe übrigens in einer früheren Diskussion auch gegen die X-Karte argumentiert, damals (meine ich) mit dem Argument, dass man damit den Spielfluss stören kann. Stimmt wahrscheinlich auch, kann man. Heute würde ich sagen: Ich meine, man braucht die X-Karte nicht, man (besser: ich) braucht aber gute und verlässliche Absprachen. Und wenn es hilft, zu Erinnerung eine X-Karte auf den Tisch zu legen - ja dann meinetwegen.

Würde auch nicht zustimmen, dass ein Veto das letzte Mittel ist, bevor man hektisch den Raum verlässt. Ich würde erheblich früher einhaken wollen. Ca. so: "Pardon, kurze Zwischenfrage: Läuft das auf XYZ hinaus? Wenn ja oder wenn was in der Richtung: Das ist für mich nicht OK, ich möchte da dann nicht dabei sein".

Und übrigens kommen die problematischen Inhalte beileibe nicht immer vom Spielleiter.

Und unabhängig von X-Karte pro/kontra, finde ich dass hier eine sehr gute Zusammenfassung:

Wenn Leute meinen, ihre neu gefundene "Macht" über Nichtigkeiten auszuspielen - dann finden die auch ohne X-Card Möglichkeiten mich zu nerven.
« Letzte Änderung: 30.01.2024 | 09:52 von felixs »
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Offline aikar

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Außerdem zeigen Studien durch die Bank weg, dass das Vorhandensein von Safety-Mechanismen dazu führt, dass Menschen schneller und härter an die Grenzen gehen, es gibt ja ein Tool, dass alle sicher sein lässt (sic) - was nicht heißt, dass alles Safety-Tools unbrauchbar sind, aber man sich klar sein muss, dass ein Implementierung auch eine unbewusste Aufforderung darstellen kann. Ihr habt vielleicht von der Geschichte gehört, dass Fahrradfahrer mit Helm mehr Risiken eingehen, als ohne. Ich möchte die Grundsatzdisku dazu nicht anstoßen, aber ich denke, ihr versteht worauf ich hinaus will.
Ja. Aber wie geschrieben erachte ich das im konkreten Fall als Vorteil.
Im Rollenspiel ist es doch im Gegensatz zum Straßenverkehr meistens etwas positives, wenn die Spieler:innen sich trauen?

Ist doch ähnlich wie bei der Tödlichkeit eines Systems. Ich leite lieber Systeme, bei denen die Charaktere was aushalten, weil ich die Spieler:innen animieren will, auch waghalsige pulpige Aktionen in Angriff zu nehmen.
Andere spielen gerne tödliche Systeme, weil sie die Spieler:innen dazu bringen wollen, sich über ihre Handlungen mehr Gedanken zu machen, Risiken abzuschätzen und clevere Lösungen und Umwege zu finden.

Ich brauche keine X-Karte. Aber die gegenseitige Versicherung, dass man das mal probiert und dass alle einverstanden sind, dass es OK ist, das Spiel zu unterbrechen um Bedenken zu äußern und dass das dann ernst genommen werden soll - das würde schon sehr helfen.

Habe übrigens in einer früheren Diskussion auch gegen die X-Karte argumentiert, damals (meine ich) mit dem Argument, dass man damit den Spielfluss stören kann. Stimmt wahrscheinlich auch, kann man. Heute würde ich sagen: Ich meine, man braucht die X-Karte nicht, man (besser: ich) braucht aber gute und verlässliche Absprachen. Und wenn es hilft, zu Erinnerung eine X-Karte auf den Tisch zu legen - ja dann meinetwegen.
Ziemlich treffend. Die X-Card ist die Erinnerung an eine Option. Und für Leute, die damit vertraut sind, ist eine X-Card auf den Tisch zu legen eine schnelle Möglichkeit, klar zu stellen, dass diese Option existiert.
Für Fans von Aventurien, denen DSA zu komplex ist: Aventurien 5e: https://aventurien5e-fanconversion.de/

Offline unicum

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Grundsätzlich muss ich aber sagen das ich in meinen Runden und auch Conrunden mittlerweile keine X-Card mehr auf dem Tisch habe.

Warum?

Weil es auf dem Tisch ohnehin zu wenig Platz gibt. Eigentlich sollte jeder der sich für Triggergefärdet sieht selbst eine dabei haben. Wenn an meinen Spieltischen eine einzige in der Mitte des Tisches liegt kommt da eh kaum jemand ran ohne aufzustehen oder sich zu verrenken.

Will sagen ich halte die praktische Handhabung für etwas unpraktisch.

Und auf Con Runden schreib ich auch mal Teaser drauf in denen auch mal mit dem Zaunpfahl gewunken wird was ggf Trigger betrifft.


Aber ja, eigentlich muss ich echt sagen - dafür dass dieses Themea hier und ggf auch andernorts so heftig diskutiert wird, ist es mir in der "Freien Wildbahn" kaum über den Weg gelaufen (s.o.). Zugestanden ich kenne etwa eine Spielerin von der ich weis das sie eine heftige Arachnophobie hat aber im Rollenspiel mit ihrer Zwergin etwa liebend gerne Riesenspinnen zu Matsch verarbeitet. (Aber man sollte nicht anfangen die Viecher im detail zu beschreiben).

Offline Teylen

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Zu den unterschiedlichen Punkten:

Die X-Card ist nur bedingt nützlich (keine Schutz vor grundlegender Exposition)
Die Feststellung ist korrekt. Die X-Card ist nicht dafür da eine grundlegende Konfrontation mit Themen zu verhindern.
Wobei die X-Card auch zu keinem Zeitpunkt behauptet das zu tun oder der einzige Sicherheitsmechanismus ist den man einsetzen kann oder sollte. Wenn man nach Mitteln sucht um eine grundsätzliche Exposition zu vermeiden hat man dafür die "Sitzung 0" sowie Lines & Veils als zwei offensichtlich andere Methoden.
Als weitere Anmerkung es geht bei der X-Card nicht um die Vermeidung von Triggern, schon gar nicht im Sinne von Auslösern von psychischen Belastungen, sondern um die Markierung von Spielinhalten die man nicht möchte.

Rollenspiel ist nicht da um Resilienz aufzubauen und die X-Card kann Resilienz schaffen
Zunächst dient Rollenspiel, außerhalb des therapeutischen Rahmen, nicht dazu Resilienz zu trainieren oder zu verstärken.
Wenn es das machen würde, wäre es nicht in der Form das man mit dem Schrottgewehr einmal Sachen an die Wand schießt mit der Hoffnung ein erwünschtes Trainingsfeld zu treffen.

Darüber hinaus ist die X-Card kein Mittel mit dem man auf die Frage "Was machst du ?" reagiert und wenn man positiven Streß ausgesetzt ist muss man die X-Card nicht benutzen.

Wenn man es auf biegen und brechen auf Resilienz schieben mag setzt die Verwendung der X-Card die Schwelle zur Analyse und der Kommunikation eigener Bedürfnisse herab. Das heißt, wenn man beim Chef im Büro ist und dieser Dinge fordert wie unentgeltliche Überstunden, es keine Gehaltserhöhung gibt oder anderweitig eine Überschreitung vorliegt, kann eine Einstellung bei der die Verwendung der X-Card im Hobbybereich normal ist dazu führen das man eher einen Widerspruch gegen die Setzung wagt.

Ich halte es ansonsten für Paradox bzw. hypokritisch wenn man erst fordert das die X-Card nicht verwendet werden soll um ein Therapieziel zu erreichen (Aufbau von Resilienz) nur um dann die These in den Raum zu werfen das die X-Card das macht. Gerade auch unter der Betrachtung das die X-Card nicht dafür gestaltet wurde um die Konfrontation mit Triggern im psychologischen Sinn zu vermeiden.

Man gibt durch die Nutzung der X-Card nicht mehr von sich Preis als man mag
Wenn man nicht preisgeben möchte, dann benutzt man die X-Card nicht.
Wenn man nicht konkret eingrenzen mag was man störend findet so bietet einem die X-Card deutliche Möglichkeiten es so vage wie möglich zu halten.

Das spiegelt sich dadurch wieder das unter anderen in der präsentierten Anekdote unklar ist was genau der Auslöser war und es sich bei Mutmaßungen respektive Spekulationen belässt. Es fehlt mir auch der Einblick wie der skizzierte Intrigant die Information für den niederträchtigen Umgang mit dem X-Card Nutzer einsetzen kann. Zumal hinzukommt das bei einem Versuch die Information auch den nicht-intriganten Spielern zur Verfügung steht und diese entsprechende Manipulationsversuche erkennen und eingreifen können.

In Bezug auf entsprechende Informationen halte ich Tools die sich an tatsächliche Trigger richteten (Lines & Veils, Sitzung 0, Checklisten) für brisanter als die X-Card. Heißt wenn man auf dem Ankreuzzettel einmal rote Punkte bei allen Sachen zum Thema "Sex" setzt gibt das mehr Informationen preis als wenn man jetzt die X-Card zieht weil man gerade keine Interaktion mit einem Hund haben mag.
Sowohl in Bezug auf die schwere als auch auf den Umstand das vielleicht gar kein z.B. Hund vorkommt.

Jede Handlung ist politisch respektive ideologisch
Die bis dahin vorgebrachten Argumente, auf allen Seiten, zeugen von einer Wertvorstellung respektive eine Ideologie.
Man kann sich davon nicht befreien und die X-Card macht das Zusammenspiel nicht mehr oder weniger ideologisch oder politisch.

In Bezug auf Conventions ist es zudem das der Zwang zu einer X-Card damit argumentiert werden kann, dass man Personen welche die Ideologie haben das es gut sei im Rollenspiel Resilienzen durch Konfrontation aufzubauen in der Umsetzung dieser Wertevorstellung einschränken kann.
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Ich finde die Einwände von Freeport durchaus wichtig zur Abwägung.
Ich finde aber nicht, dass die "Ursache" dafür, dass es Sicherheitsüberlegungen braucht, abgestellt werden soll. Das ist sogar der einzige Gedanke im Beitrag, der nicht zuende gedacht ist.
Wie schon gesagt, es gibt viele Traumata, und natürlich darf jeder den ganzen Tag Wanderhome oder Glitterhearts spielen und hoffen über keines zu stolpern. Aber mal ganz ab von Rollenspieltraditionen wie "Orkschädelspalten" oder "Säurefalle 10w6 Schaden, du bist geschmolzen": ich will nicht dass irgendwer pauschal auf diese Art der Selbstzensur verfällt, denn Rollenspiel soll ja an andere Orte und Erfahrungen gehen dürfen, die im realen Leben unmöglich oder zumindest viel zu unsicher wären. Man kann doch unmöglich dafür plädieren, dass in keinem Spiel mehr irgendetwas Schlimmes passieren darf?
Man muss also die X-Card durch etwas ersetzen, was ihre Probleme nicht hat, oder mehr auf die Eigenverantwortung der SpielerInnen schieben. Oder?
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Offline Outsider

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@ Fillus: Standing Ovations von mir.

Ich frage mich auch, ob das nicht eine eher akademische Diskussion ist. Denn Hand aufs Herz: Wie oft hattet ihr denn Situationen, wo ihr eine vernünftige Vorbesprechung (einschließlich Abklären von No-Gos) gemacht habt und dann trotzdem im Spiel noch eine X-Card (oder wie auch immer das bei euch hieß) gezogen werden musste?

Ich persönlich habe auch eher das Gefühl das dies eine akademische Diskussion ist und die X-Card möglicherweise der einfachere Weg ist etwas zu beenden aber nicht der Richtige.

In meiner ganzen aktiven Rollenspielzeit hatte ich zweimal Spieler vor der Fortführung bestimmter Erzählstränge gesagt haben, das geht ihnen zu weit, bzw. für den Abend ist das zu viel. Einmal war ich Mitspieler und empfand die Szene grenzwertig, weil der SL wirklich eklig geworden ist, ein anderer Spieler hat gesagt hör auf mir reichts. Was dann auch sofort passiert ist.

Das andere Mal war ich Spielleiter und es war faktisch nichts los. Über das Spiel an diesem Tag hatte sich ein Spieler aber so sehr in die Story reingefühlt das er die Notbremse gezogen hat. Er meinte dann wortwörtlich "Mein Char hält das nicht aus und ich gerade auch nicht, können wir für heute Schluss machen!". Dabei gab es zu dem Zeitpunkt keine expliziten Themen, keine Gewalt in irgendwelcher Form es war nur fast die Spitze des Spannungsbogens in einer CoC Kampagne  >;D

Ich glaube es gibt zwar die Möglichkeit das eine Person von jetzt auf gleich getriggert werden kann, aber das Medium Rollenspiel ist kommunikativ und langsam genug das man recht frühzeitig merkt wohin die Reise geht und auch rechtzeitig aussteigen kann. Früher™ hat man das dann vielleicht einfach gesagt, heute ist eine X-Card ganz fancy hat aber die gleiche Funktion wie "Hey Leute ich bin raus..."

Ich kenne wenige Rollenspielrunden mit Fremden welche Themen aufgefahren haben die dazu geeignet sind eine Person zu triggern.

Ich kenne LARP Runden die gezielt diese Themen angehen, aber da gibts eine Vor- und noch viel wichtiger eine Nachbesprechung über die Rolle die man hatte, die Handlung und das Spiel an sich (natürlich immer zusätzlich zu der Möglichkeit mittendrin Szenen abzubrechen). Aber da weiß faktisch jeder im Vorwege welche theoretischen Grenzerfahrungen er machen kann und bekommt Hilfe zur Seite gestellt wenn er sich selbst überschätzt  >;D

Ich habe solche Themen aber nie in Tischrollenspielen erlebt.

Ich denke das Sprechen wichtiger ist als über die X-Card auszusteigen. Da ich so etwas nie benutzt habe kann ich nur mutmaßen, aber ich denke, wenn jemand bei mir gefühlt aus dem nichts die X-Card tappen würde, könnte ich an dem Tag ohne mehr Hintergrundinfo nicht weiterleiten. Es muss irgendwie in Kommunikation eingestiegen werden sonst funktioniert das Spiel nicht mehr. Von daher denke ich die X-Card, um mal zum Anfang zurück zu kommen, ist ein Mittel aber es kann zu einseitig sein. 
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Offline Teylen

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Die X-Card ist auch nicht dafür da das in einem Spiel nichts schlimmes passieren darf.
Sie dient mehr dazu anzuzeigen wenn es jetzt was gibt, das einen ggf. den Tag bzw. die Runde eher versaut als bereichert.

Ich mein ich spiele gerne Vampire. Aber ich mag jetzt nicht unbedingt Kinder als NSC in meinen Vampire Runden haben und schon gar nicht wenn die dann verletzt werden, umkommen oder einfach nervige Saubratzen (Claudia in "Interview mit einem Vampir", alles was so in der Art Animekind auf Zucker/Speed ist,...) sind.

Ansonsten hatte ich die (imho brilliante) Idee für meinen südamerikanischen Sabbat-Charakter einen riesen Tausendfüßler zu meinem Homunculus zu machen. Da hätte ich auch verstanden wenn andere Spieler sagen "ne, lass mal".
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Offline felixs

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Wie schon g und hoffen über keines zu stolpern. Aber mal ganz ab von Rollenspieltraditionen wie "Orkschädelspalten" oder "Säurefalle 10w6 Schaden, du bist geschmolzen": ich will nicht dass irgendwer pauschal auf diese Art der Selbstzensur verfällt, denn Rollenspiel soll ja an andere Orte und Erfahrungen gehen dürfen, die im realen Leben unmöglich oder zumindest viel zu unsicher wären. Man kann doch unmöglich dafür plädieren, dass in keinem Spiel mehr irgendetwas Schlimmes passieren darf?
Man muss also die X-Card durch etwas ersetzen, was ihre Probleme nicht hat, oder mehr auf die Eigenverantwortung der SpielerInnen schieben. Oder?

Niemand hat gesagt, dass nichts schlimmes mehr passieren darf. Es geht um das was und das wie.
Man muss, denke ich, vernünftig und klar darüber kommunizieren, welche Dinge die Leute am Spieltisch OK finden und welche nicht. Das Ergebnis kann dann nahezu beliebig ausfallen, sollte aber Konsens sein.
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Offline KhornedBeef

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Niemand hat gesagt, dass nichts schlimmes mehr passieren darf. Es geht um das was und das wie.
Man muss, denke ich, vernünftig und klar darüber kommunizieren, welche Dinge die Leute am Spieltisch OK finden und welche nicht. Das Ergebnis kann dann nahezu beliebig ausfallen, sollte aber Konsens sein.
Weiß ich. Freeport hatte sich bloß gewundert, ob die Leute nicht einfach weniger furchtbare Storys und Abenteuer schreiben können, und ich habe das weitergedacht. Das ist ja abseits der Tischebene.

Edit: Autokorrektur. Oder eher Auto-Korrekteur, bei dem Selbstanspruch meines Telefons..
« Letzte Änderung: 30.01.2024 | 11:39 von KhornedBeef »
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Offline Smoothie

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Zu den unterschiedlichen Punkten:

Die X-Card ist nur bedingt nützlich (keine Schutz vor grundlegender Exposition)
Die Feststellung ist korrekt. Die X-Card ist nicht dafür da eine grundlegende Konfrontation mit Themen zu verhindern.
Wobei die X-Card auch zu keinem Zeitpunkt behauptet das zu tun oder der einzige Sicherheitsmechanismus ist den man einsetzen kann oder sollte. Wenn man nach Mitteln sucht um eine grundsätzliche Exposition zu vermeiden hat man dafür die "Sitzung 0" sowie Lines & Veils als zwei offensichtlich andere Methoden.
Als weitere Anmerkung es geht bei der X-Card nicht um die Vermeidung von Triggern, schon gar nicht im Sinne von Auslösern von psychischen Belastungen, sondern um die Markierung von Spielinhalten die man nicht möchte.

Rollenspiel ist nicht da um Resilienz aufzubauen und die X-Card kann Resilienz schaffen
Zunächst dient Rollenspiel, außerhalb des therapeutischen Rahmen, nicht dazu Resilienz zu trainieren oder zu verstärken.
Wenn es das machen würde, wäre es nicht in der Form das man mit dem Schrottgewehr einmal Sachen an die Wand schießt mit der Hoffnung ein erwünschtes Trainingsfeld zu treffen.

Darüber hinaus ist die X-Card kein Mittel mit dem man auf die Frage "Was machst du ?" reagiert und wenn man positiven Streß ausgesetzt ist muss man die X-Card nicht benutzen.

Wenn man es auf biegen und brechen auf Resilienz schieben mag setzt die Verwendung der X-Card die Schwelle zur Analyse und der Kommunikation eigener Bedürfnisse herab. Das heißt, wenn man beim Chef im Büro ist und dieser Dinge fordert wie unentgeltliche Überstunden, es keine Gehaltserhöhung gibt oder anderweitig eine Überschreitung vorliegt, kann eine Einstellung bei der die Verwendung der X-Card im Hobbybereich normal ist dazu führen das man eher einen Widerspruch gegen die Setzung wagt.

Ich halte es ansonsten für Paradox bzw. hypokritisch wenn man erst fordert das die X-Card nicht verwendet werden soll um ein Therapieziel zu erreichen (Aufbau von Resilienz) nur um dann die These in den Raum zu werfen das die X-Card das macht. Gerade auch unter der Betrachtung das die X-Card nicht dafür gestaltet wurde um die Konfrontation mit Triggern im psychologischen Sinn zu vermeiden.

Man gibt durch die Nutzung der X-Card nicht mehr von sich Preis als man mag
Wenn man nicht preisgeben möchte, dann benutzt man die X-Card nicht.
Wenn man nicht konkret eingrenzen mag was man störend findet so bietet einem die X-Card deutliche Möglichkeiten es so vage wie möglich zu halten.

Das spiegelt sich dadurch wieder das unter anderen in der präsentierten Anekdote unklar ist was genau der Auslöser war und es sich bei Mutmaßungen respektive Spekulationen belässt. Es fehlt mir auch der Einblick wie der skizzierte Intrigant die Information für den niederträchtigen Umgang mit dem X-Card Nutzer einsetzen kann. Zumal hinzukommt das bei einem Versuch die Information auch den nicht-intriganten Spielern zur Verfügung steht und diese entsprechende Manipulationsversuche erkennen und eingreifen können.

In Bezug auf entsprechende Informationen halte ich Tools die sich an tatsächliche Trigger richteten (Lines & Veils, Sitzung 0, Checklisten) für brisanter als die X-Card. Heißt wenn man auf dem Ankreuzzettel einmal rote Punkte bei allen Sachen zum Thema "Sex" setzt gibt das mehr Informationen preis als wenn man jetzt die X-Card zieht weil man gerade keine Interaktion mit einem Hund haben mag.
Sowohl in Bezug auf die schwere als auch auf den Umstand das vielleicht gar kein z.B. Hund vorkommt.

Jede Handlung ist politisch respektive ideologisch
Die bis dahin vorgebrachten Argumente, auf allen Seiten, zeugen von einer Wertvorstellung respektive eine Ideologie.
Man kann sich davon nicht befreien und die X-Card macht das Zusammenspiel nicht mehr oder weniger ideologisch oder politisch.

In Bezug auf Conventions ist es zudem das der Zwang zu einer X-Card damit argumentiert werden kann, dass man Personen welche die Ideologie haben das es gut sei im Rollenspiel Resilienzen durch Konfrontation aufzubauen in der Umsetzung dieser Wertevorstellung einschränken kann.

ich kann mich hier voll anschließen. Ich hatte in mehr als 30 Jahren Rollenspiel 2-3 Situtionen, in denen eine X-Card toll gewesen wäre, wir sie aber noch nicht hatten. Alles in sehr vertrauten Runden. Und deswegen find ich sie gut.
Ich würde aber auch nochmal dafür plädieren, von dieser harten Trauma-Trigger Vorstellung wegzukommen. Es gibt einfach auch andere Situationen, in denen man gerade nicht in eine bestimmte Richtung weiterspielen möchte. Bei mir z.B. ist vor 2,5 jahren einer meiner besten Freunde gestorben. Und da gab es in den Wochen und Monaten danach einige klare "Trigger" wie die Todesart, aber auch völlig unverfängliche, nicht vorhersehbare Themen, die mich dann stark an ihn erinnert haben, z.B. kochen oder fotografieren. Ich bin da nicht Traumamäßig von getriggert worden, aber ich hätte halt heulend am Spieltisch gesessen. Auch nicht so gut für die Rollenspielsession. Da fand ich es immer supergut, zu wissen, ich brauche nur zu tappen oder stop zu sagen, dann biegen wir woanders hin ab, ich drück die Tränen weg und lebe meine Trauer in besseren und sebtsgewählten Momenten aus und hab stattdessen noch einen schönen Rollenspielabend.
Inzwischen bin ich geneigt zu glauben, dass an der DnD Satanic Panic in den 80ern was dran war. Allein, es waren nicht die Inhalte. Es waren die Regeln, die aus der Hölle kommen...

Offline unicum

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Die Nutzung der X-Card trainiert Resilienz ab

Weil mich das früher mal umgetrieben hat als das Wort "Resilenz" en vouge wurde,...

und vorab - ich bin weder Psyciater noch Psycologe - aber ich habe mich wegen meinen Eltern (Die gerade noch so Kriegsgeneration) mal um dieses Thema gekümmert (Und wenn Krieg (mit all dem was dazu gehört) nicht traumatisiert, was soll sonst traumatisieren?)
https://de.wikipedia.org/wiki/Resilienz_(Psychologie)

Ich glaube man kann Resilienz nur sehr bedingt "trainieren" also weder im positiven noch im negativen sinne (also auch nicht ab-trainieren). Viel wird da wohl schon in den ersten Lebensjahren passieren und wenn man dann als "alter Sack" am Rollenspieltisch sizt ist eh kaum noch etwas zu machen.

Offline Freeport

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Ja. Aber wie geschrieben erachte ich das im konkreten Fall als Vorteil.
Im Rollenspiel ist es doch im Gegensatz zum Straßenverkehr meistens etwas positives, wenn die Spieler:innen sich trauen?
Tatsächlich geht es dabei nicht um die Betroffenen, sondern um die gesamte Gruppendynamik. Die Helmgeschichte ist eine der bekanntere Fälle, aber Studien zeigen diese Entwicklung in allen Bereichen (Politik, Schulsituationen und ein paar andere sehr sinistre Beispiele, wie Casinos und Scientology-Recruitment - aber das hat nichts mit der X-Card zu tun. ;) ), auch wenn Rollenspiel meines Wissens nach nie gesondert studiert wurde. Aber der Hang ein bisschen weiter zu gehen, wenn es eine institutionalisierte Reißleine gibt, kommt bei so etwas wie der X-Karte klar zum Tragen. Und das ist eben nicht immer eine gute Sache, sondern kann schnell zu einer "Radikalisierung" führen (klingt mal wieder hochdramatisch, der Scope ist hier natürlich sehr klein), die gerade bei sensiblen Themen eben näher an die Grenze schlägt, die zum Triggern führt (oder im kleineren zu einer unangenehmen Situation. Das ganze nennt sich übrigens "Opt-Out-Fallacy".

In der Krisenkommunikation (die unter anderem auch die Kommunikation mit Traumapatienten etc umfasst) wird daher schon seit Jahren davon abgeraten, solche Tools einzusetzen, es wird mehr darauf geachtet eine Vertrauensatmosphäre zu schaffen, als kommunikative Rettungsanker auszulegen.

Das ist natürlich alles sehr allgemein, und wenn man allgemein spricht, lügt man ja eigentlich immer. ;) Wenn es in deiner Gruppe gut funktioniert und alle damit okay sind, prima. Dennoch halte ich es für wichtig zu wissen, was so ein Tool auslöst, auch, wenn es nie genutzt wird. Und ich persönlich halte eine offene, persönliche und emphatische Kommunikation immer für den besten Weg, wenn da alles stimmt, braucht man keine Karten. Das ist natürlich auch keine Weltwahrheit, sondern einfach meine Erfahrung/Meinung. ;)

Now I'm confused. No, wait! Maybe I'm not...

Offline ghoul

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Die X-Card um Trauerarbeit zu vermeiden? Ich weiß nicht, ob das funktioniert. Wenn in einer oberflächlich harmlosen Situation jemand die X-Karte antippt, weiß ich nicht, ob die anderen Teilnehmer wissen, worauf sich das bezieht? Kochen? Das Foto? Oder war es die Beschreibung des NSCs? Schwupps hat man eine Diskussion, die die X-Card eigentlich vermeiden will.
Bricht aber jemand im Freundeskreis plötzlich in Tränen aus, dann unterbricht man und kümmert sich um die Person.
Tactician: 96%
PESA hilft!
PESA diskutiert.

Zensur nach Duden:
Zitat
von zuständiger, besonders staatlicher Stelle vorgenommene Kontrolle, Überprüfung von Briefen, Druckwerken, Filmen o. Ä., besonders auf politische, gesetzliche, sittliche oder religiöse Konformität.

Offline postkarte

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Ich finde, dass in der ganzen Diskussion hier deutlich wird, dass es sich eben bei der X-Card nicht um ein »safety tool« handelt, sondern um ein »wellness tool«. Tatsächlich halte ich die Bezeichnung »safety« oder »Sicherheit« für maximal anmaßend. Es geht hier nicht um Helme auf der Baustelle, sondern darum, ob man einen schönen Abend verbringt. In dem Sinn bin ich auch voll bei allen diesen Dingen dabei. Aber mir würde es damit viel besser gehen, wenn sich nicht jeder zum Experten für Trigger, Resilienz usw. macht und normales Verhalten (»das macht mir keinen Spaß, wenn da gerade Kinder abgemetzelt werden«) pathologisiert.

Offline Teylen

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Tauerarbeit findet in der Regel nicht über das Rollenspiel statt. Sage ich jetzt aus Erfahrung damit das ich an diesem Thema arbeite.
Wenn man die X-Card antippt sagt man normalerweise kurz worauf es sich bezieht. Wie erwähnt wird nicht erwartet das andere Gedanken lesen können.
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Offline Freeport

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Ich finde die Einwände von Freeport durchaus wichtig zur Abwägung.
Ich finde aber nicht, dass die "Ursache" dafür, dass es Sicherheitsüberlegungen braucht, abgestellt werden soll.

Man kann doch unmöglich dafür plädieren, dass in keinem Spiel mehr irgendetwas Schlimmes passieren darf?
Man muss also die X-Card durch etwas ersetzen, was ihre Probleme nicht hat, oder mehr auf die Eigenverantwortung der SpielerInnen schieben. Oder?

Natürlich hast du recht, man sollte nicht alles sein lassen, nur in der Angst, dass jemand ein Problem damit haben könnte. Das ist ja das schwierige an der Geschichte, die Übergänge sind fließend und die kausalen Zusammenhänge oft nebulös - denn viele Abenteuer sind ja auch besonders spannend, weil es um Tabuthemen oder emotional heftige Szenen geht - und da liegen die Grenzen bei jedem anders und auch die Coping-Mechanisms sind individuell.
Ich mache mir immer Gedanken vor einem Abenteuer darüber, was die Thematik mit meinen Spielern macht -und auch mit mir (gerade wenn es darum geht, NSCs zu spielen, die üble Sachen tun...). Ich habe da bis dato mit dem offenen Dialog immer Erfolg gehabt und lasse Sachen, bei denen ich ganz persönlich nicht sicher bin lieber weg - es gibt immer andere Wege, eine Story zu spinnen. Und sei es nur, dass ich Placeholder nutze und die Thematik nur anklingen lasse, anstatt die Gruppe voll reinzuwerfen.
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Offline aikar

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Und ich persönlich halte eine offene, persönliche und emphatische Kommunikation immer für den besten Weg, wenn da alles stimmt, braucht man keine Karten.
Und da stimme ich dir zu. In der eigenen Runde, im eigenen Freundeskreis. Aber ich kann und will nicht mit jeder Vereins- oder Con-Runde mit Wildfremden offene Gespräche über ihre Probleme führen und sie wohl auch nicht mit mir.

Ich mache mir immer Gedanken vor einem Abenteuer darüber, was die Thematik mit meinen Spielern macht
Und das ist löblich. Aber man weiß halt nicht immer, was die Thematik mit den Spieler:innen macht. Klar vermeide ich gerade wenn ich mit Fremden spielen Extremthemen wie Gewalt gegen Kinder (gut, das vermeide ich sowieso, weil ich es selber nicht haben will). Aber hier wurde als Beispiel Kochen genannt, weil es an einen kürzlich Verstorbenen erinnert. So was kann man nicht vorhersehen.
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Offline Freeport

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Nein, das kann man nicht alles vorhersehen, das ist richtig. Aber egal, wie viele Karten oder andere Safety/Wellness/Kommunikationstools du implementierst, ein Restrisiko bleibt immer - das Beispiel mit dem Kochen würde ich da ehrlich gesagt zu zählen - denn es ist absolut verständlich, wenn der/die Spieler*in sich so fühlt, aber das kann echt keiner kommen sehen.
Es kann immer irgendwo was geben, was eine Person unerwartet mitnimmt. Aber auch dann brauche ich persönlich keine Karte - die Reaktion der Person, die da mit mir an Tisch sitzt hat mir persönlich da immer gereicht. Und bei Fremden gehe ich eh anders vor, ich spiele keine problematischen Inhalte mit Menschen, die ich nicht kenne.
Ich möchte hier aber auch die Selbstverantwortung der Spieler nicht vernachlässigen - ich muss auf einem Con damit rechnen, Abenteuer mit gewissen Inhalten zu erleben. Ich habe selber schon Rollenspielrunden und sogar Cons abgesagt, weil ich mich dem nicht gewachsen gefühlt habe.

Und es geht mir hier nicht um offensichtliche Dinge, wie Kinder abschlachten (wo immer das Beispiel jetzt herkam :D). Jemand, der damit kein Problem hat, hat da das Problem. Es geht um solche Dinge wie - kann ich als SL meine Spieler anschreien, weil ein NSC es tut? Erwähne ich häusliche Gewalt? Wie anatomisch werden meine Beschreibungen von Verletzungen?
« Letzte Änderung: 30.01.2024 | 11:02 von Freeport »
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Offline Teylen

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Und es geht mir hier nicht um offensichtliche Dinge, wie Kinder abschlachten (wo immer das Beispiel jetzt herkam :D)
Mich stören Kinder NSC in Vampire schon lange bevor denen irgendwas angetan wird.
Und dank Interview mit einem Vampir, Let the right one In und anderen Werken ist es jetzt nicht so offensichtlich.
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Offline Freeport

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Ah, das macht Sinn. Und kann ich gut verstehen. Insbesondere seit ich selber Vater bin (seit eineinhalb Jahren) bin ich was das Thema angeht auch sehr empfindlich geworden.

Woran sich die Problematik wieder deutlich zeigt - vor drei Jahren hätte ich mit einem Kindervampir glaube ich keine Probleme gehabt, heute nimmt mich das schon mit. Ich würde jetzt keine Sitzung abbrechen, wenn mal einer vorkommt (ich verstehe das Narrativ dahinter), aber wenn es zu heftig wird, würde ich da auch laut geben. Selber Mensch, andere Umstände. Deswegen passt man am Tisch aufeinander auf. :)
« Letzte Änderung: 30.01.2024 | 11:09 von Freeport »
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Klingenbrecher

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Wer mich liest weiß das ich vieles aus der aktuellen Szene ablehne. Jedoch ist für mich die X-Karte ein wirklich gutes Werkzeug.

Mit der XCard stoppt das Spiel und alle können ihr Gesicht waren. Einerseits der Edglord der das alles feiert und halt die Schneeflocke die scheinbar das System oder die Handlungen in diesem Spiel falsch eingeschätzt hat. Natürlich sagen jetzt hier User das ihre Abenteuermärchen zensiert oder abgwürgt werden. Jedoch wenn ich nun mal mit unbekannten Personen spiele muss ich damit rechnen das bestimmte Spiele falsch eingeschätzt werden.

Das ist für mich sogar noch eher das Problem als jede Art von Safetytools. Spielerinnen und Spieler in Systemen und Settings die für sie ungeeignet sind. Wer bin ich es den Leuten zu verbieten was sie spielen möchten. Wenn ich jedoch ein Paket auf dem Rücken habe das mir die Anteilnahme an dieser Art von Unterhaltung unmöglich macht. Ja was will ich dann an diesen Tisch oder dieser Gruppe.

Die XCard ziehen weil ich jetzt etwas Mittelpunkt sein möchte? Das wird es geben und ich unterstelle hier auch eine gezielte Nutzung von bestimmten Personenkreisen. Wenn ich eine Sache Verachte dann reallife Elendstouristen. Also Personen die einfach BS quatschen für Aufmerksamkeit. Natürlich muss man hier acht geben was man wie sagt. Wenn Jedoch Person mit halb harte oder feuchte Hose von seinem / ihrem tragischen Zwischenfall berichtet das die gexte Szene völlig in den Schatten stellt werde ich aufmerksam und bitte diese Personen den Tisch aus Gründen zu verlassen.

Aussortieren und Gatekeepen trifft auf meinen Privaten Tisch zu. Kampagnen spiele ich nur mit Freunden und mit neuen Hobbyfreunden erstmal nur Oneshots sowie vereinzelte Abenteuer. Daher habe ich privat nie eine XCard auf den Tisch.

Offline aikar

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Und bei Fremden gehe ich eh anders vor, ich spiele keine problematischen Inhalte mit Menschen, die ich nicht kenne.
Ja, halte ich auch so. Du weißt aber tatsächlich nicht, was alles für diese Personen problematische Inhalte sein könnten. Und da kommt die X-Card ins Spiel.
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Offline Fillus

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Es ist ja leider auch nicht immer schwarz/weiß sondern hat viele Abstufungen. Wenn z.B. ein Kindstod zu Story gehört und erwähnt wird, ist es immer noch ganz anders als wenn es ausführlich geschildert wird. Einfach schwer da Grenzen zu erkennen, wobei ich denke die allermeisten haben da eine natürliche Grenze und würden bestimmte Themen nie ausführlich schildern. Aber es gibt Themen die Unwohlsein oder Angst hervorrufen, mit denen man absolut nicht rechnet.

@Fillus etc.:
Denke schon, dass es grundsätzlich Bedarf für einen behutsameren Umgang miteinander und mit schwierigen Themen aller Art gibt. Und einige dieser schwierigen Themen gehören mehr oder weniger zum Kern einiger beliebter Genres (Gewalt, alle möglichen Arten von Monster, Grausamkeiten, Gefangenschaft, Folter etc.)

Ich habe keine Phobien oder so, weiß aber, dass Dinge mich schnell mitnehmen und dass ich die dann nicht mehr "los werde" und tagelang schlechte Gedanken und manchmal Alpträume habe. Braucht kein Mensch. Ist mir auch nicht unangenehm, kann gern jeder wissen, nimmt mir nichts an Männlichkeit, ich komme zurecht. Glaube schon, dass ich ziemlich gefestigt bin und kann auch im "echten Leben" gut mit allen möglichen schwierigen Situationen umgehen. Nur im Spiel muss ich wirklich keinen Stress dieser Art haben.

Bin da ganz bei dir. Das vernünftige (achtsame) Miteinander ist ein Muss. Ich erlebe es auch immer wieder, wie Mitspielende zu wirklich guten Freunden und Freundinnen werden, weil das dann automatisch so kommt.

Auch sind Ängste oder Unwohlsein zu zeigen keine Schwäche oder kratzen an der Männlichkeit. Eher das Gegenteil, denn nur mit dem nötigen Selbstwertgefühl/Selbstbewusstsein gibt man sich wie man ist und alle haben was, dass bei ihnen kein gutes Gefühl hinterlässt.