Den Grafikstil finde ich toll, die Idee eines bodenständigen "Sense of Wonder" Settings spricht mich voll an und das System sieht angenehm einfach aus und daher hatte ich letzte Woche mal den Schnellstarter mitgespielt. Hat Spaß gemacht, aber als jemand, der City of Mist (oder Otherscape) nicht kennt, war ich jetzt auch nicht hellauf begeistert, wie die Demo präsentiert wird.
Zum einen sind drei Beispielcharaktere ein bisschen wenig. Dann ist die Geschichte arg linear und zu kurz. Bekämpfe ein Monster, setze dich ohne Konsequenzen mit Dorfbewohnern auseinander, diskutiere mit einer zugeknöpften Elfe und gib ihr letztlich den Schatz. In zwei Stunden ist man damit durch ohne zu hetzen.
Hauptsächlich störe ich mich an der Präsentation der Regeln. Sie brauchen 8 Seiten um mit echt vielen Worten relativ wenig zu sagen und dann immer noch nicht, 100% eindeutig dabei zu sein. Das müsste besser gehen.
Ein Charakter hat Tags. Für eine Probe versuche ich möglich viele davon ins Spiel zu bringen, indem ich den SL davon überzeuge, dass sie in der Situation passend sind. Optional kann die SL einen Modifikator vergeben. Optional kann ich einen Tag "verbrennen" um ihn 3× zu zählen. Dann würfle ich mit 2W6+|Tags|+Modifikator möglichst hoch. Wann eine Probe notwendig ist, sagt die SL.
Bei 7+ erreiche ich was ich will, bei 10+ ohne (negativen) Nebeneffekt. Bei 6- erleide ich nur den Nebeneffekt. Wenn die SL es erlaubt, kann ich einen Nebeneffekt mit einer weiteren Probe abwehren, bei der ich wieder Tags zähle (aber andere, weil Doppeldippen ist verboten).
Anhand einer Liste mit Vorschlägen, wie man die gewünschte Handlung klassifizieren kann, kann das Ergebnis in "Stärke" umgerechnet und dann von irgendwelchen Werten abgezogen oder addiert werden, die die SL als Grundlage für zukünftige Modifikatoren heranzieht. Eine weitere Liste klassifiziert mögliche Herausforderungen oder Gefahren um zu wissen, was die SL eine Probe fordern sollte.
All das sollte man doch auf einer Seite noch besser beschreiben können, als ich jetzt in 3 Minuten in drei Absätzen hier.
Grundsätzlich gefällt mir das so, weil das eine einfache "wie geht die Geschichte weiter" mit "hoch ist gut" Mechanik ist, die durch die Konsequenzen immer wieder neue Aspekte ins Spiel bringt.
Mein größter Kritikpunkt ist, dass IMHO die SL beim Präsentieren der Herausforderung oder Gefahr auch unbedingt die Konsequenz ansagen muss, denn ansonsten können wir uns den ganzen Kram schenken, denn sich die Konsequenz erst nachträglich zu überlegen macht alle Würfe beliebig und für "beliebig" fasse ich die Würfel nicht an. Ich will als Würfelnder wissen, was auch dem Spiel steht! Das macht es spannend. Es ist regelkonform, es so zu machen, sollte aber explizit als Spielprinzip genannt werden.
Ich denke, es wäre auch noch wichtig, explizit zu sagen, dass man als Spieler nicht auf der abstrakten Ebene sich bei den Tabellen bedient, sondern erzählt, was man machen will und dann der SL überlässt, die Handlung zu klassifizieren und in ad-hoc Regeln zu kleiden. Ganz Old School halt.
Schließlich sollte man vielfach beliebten Quantenrucksack nicht dadurch entwerten, dass man zuvor festlegen muss, was man jetzt dabei hat. Dann brauche ich das Konzept gar nicht.
Zudem ich's ein bisschen immersionsbrechend finde, wenn ich zwar jetzt keine Angel habe, aber wir kurz Rasten, ich diese dann offenbar in meinem Rucksack doch finde (so eine 2m Angel kann man schon mal übersehen) und nach der Rast dann statt einer Schleuder dabei habe. Das ist ein bisschen so wie bei BG3, wo ich zwar Leute unter Zeitdruck retten muss, kurz vor dem Boss-Gegner aber noch schnell mal schlafe und die Welt auf mich wartet.
Ich bin auch unsicher, ob ich als Spieler wirklich ein "dein Gegenüber ist fremdenfeindlich-3 und müde-1, deine Kleidung macht aber Guten Ersten Eindruck-2, daher hast du -2 auf den Wurf" hören will. Das ist ziemlich mechanisch für ein sonst recht freies Spiel. Ein bisschen abmildern könnte man es, indem man diese Tags nicht gewichtet, sondern einfach nur zählt, wie auch die des Charakters. Aber die Regeln sagen ja auch, das ganze Gerechne ist optional, für schnelle Proben zählt nur, ob's klappt.
Den Versuch, das Szenario im AMA Livestream zu spielen und dabei die Regeln zu erklären fand ich extrem stimmungstötend, glücklicherweise hatten wir schon gespielt als ich den mir angeschaut hatte, sonst hätte ich das Spiel überhaupt nicht weiter gewürdigt. Ich versehe schon, das sie die Regeln mit allen Details zeigen wollten, aber leider ist darunter das Rollenspiel komplett verschütt gegangen.
Um mit was Positivem zu enden: Ich kann mir vorstellen, dass eine Charaktererschaffung durch das Zusammenstellen von "Theme Cards" eine schöne schnelle Sache ist. Mir gefällt auch, dass man freiwillig ein -1 auf seinen Wurf im Austausch für einen Erfahrungspunkt in Kauf nehmen kann und so relativ schnell mehr Tags "freischalten" kann.