Autor Thema: Meine Gedanken zu Red Herrings im Wandel der Zeit  (Gelesen 1987 mal)

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Offline Zed

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Re: Meine Gedanken zu Red Herrings im Wandel der Zeit
« Antwort #25 am: 18.02.2024 | 22:17 »
Mir kommt gerade noch die Frage in den Kopf - sind RHs nicht auch irgendwie in Mittel gegen Railroading? Plötzlich muss ich entscheiden - ist der Vampir der Mörder, weil er am Tatort gesehen wurde (angeblich um spazieren zu gehen) oder doch das Blumenmädchen in deren Korb ein mechanisches Vampirgebiss gefunden wurde von dem sie behauptet die nie gesehen zu haben.
Wenn die Aufgabe, die die Gruppe zu lösen hat, klar und vielleicht sogar vorgegeben ist, dann ist der Red Herring ja eher "bloß" Ablenkung von diesem Ziel. In diesem Fall klingt das Abenteuerkonzept für mich railroadig: "Finde heraus, wer die Tat begangen hat - und lass Dich von falschen Fährten (nicht) ablenken."

In eher sandboxigen Abenteuern ist das Abenteuer ja das, was beim Spielen passiert. Hier können Aufgaben zwar auch mal klar formuliert sein, müssen es aber nicht. Entsprechend kann ein Red Herring dann eine Ablenkung sein - oder es ist schlicht eine Storyschleife, die halt geschieht. Kurz: Ich deute den Einsatz eines Red Herrings eher als Hinweis auf im Grunde railroadiges Spiel.

Mit meiner Gruppe spiele ich vorzugsweise sandboxig. Häufig sind die Ziele, die meine Gruppe sich eigentverantwortlich vornimmt, nicht die Ziele, die sie erreichen. Nicht selten eröffnet sich ihnen während ihrer Planumsetzung ein größerer Zusammenhang als der, den sie sich zunächst erwartet haben. Insofern gibt es bei uns zumeist keine wirklichen Red Herrings (im Sinne von reinen Ablenkungen), auch weil alles, was ihnen begegnet, ihnen vielleicht (Jahre) später erneut in einem anderen Kontext mit neuer Bedeutung wieder begegnen kann.

Offline Radulf St. Germain

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Re: Meine Gedanken zu Red Herrings im Wandel der Zeit
« Antwort #26 am: 19.02.2024 | 18:07 »
Ich habe ja die These, dass es gute und schlechte RHs gibt. Die schlechten bremsen das Spiel aus, die guten machen Spaß und bringen es in Fahrt.

(Meine These zum Railraoding ziehe ich erstmal zurück, ist doch etwas komplexer.)

Offline Issi

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Re: Meine Gedanken zu Red Herrings im Wandel der Zeit
« Antwort #27 am: 20.02.2024 | 09:40 »
Kenne einen Spielleiter der immer mal wieder dieses uralte Spiel "Superbrain" (?)
auspackt. Man hat da ne Reihe von (5?)verschiedenen Steinen, und muss durch Ausschlussprinzip herausfinden, welche Kombination er gewählt hat.( Richtige Farbe am richtigen Platz)

So ähnlich ist das mMn auch mit den roten Fischchen.

Wenn eine falsche Fährte einen Sinn hat, dann den, dass man damit etwas sicher ausschließen kann.
Gerade das hilft mir dann weiter auf die richtige Lösung zu kommen.

Ala " Der Gärtner, der gute Gründe hatte, kann es sicher nicht sein, denn der war zu dem Zeitpunkt bereits zu Sülze verarbeitet und verspeist."

" Die Dienerin war es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht, denn die wurde zum Zeitpunkt des Mordes mit ihrem heimlichen Liebhaber erwischt."
Usw.

Sprich: Was so verlockend aussah, muss sich durch Recherche als falsch, oder zumindest als unwahrscheinlich herausstellen können.
Sodass sich die richtige Lösung dadurch besser eingrenzen lässt.

"Cluedo" funktioniert ähnlich. 
(Und ist eine Sandbox  ;))
« Letzte Änderung: 20.02.2024 | 10:10 von Issi »

Offline KWÜTEG GRÄÜWÖLF

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Re: Meine Gedanken zu Red Herrings im Wandel der Zeit
« Antwort #28 am: 20.02.2024 | 11:25 »
Hmmm, mich wundert es bei diesem und ähnlichen Threads, wie sehr es viele Leute anscheinend nervt, wenn ihre Charaktere teilweise scheitern und nicht als andauernd erfolgreiche coole Socken glänzen können. Nicht nur bei investigativen, sondern auch kämpferischen oder sonstigen Umständen scheint es allgemein als schlechter Stil betrachtet zu werden, wenn der SC sich als fehlbar erweist. Kann aber sein, dass ich das jetzt überspitzt so wahrnehme.

Ich würde es eher als langweilig betrachten, wenn alles andauernd wie am Schnürchen klappt, und sich jede Entscheidung des SC als total genial, richtig und wegweisend erweist.

Ein permanentes Dauerscheitern fände ich auch ätzend und ich würde nicht bei sowas mitspielen wollen, klar, aber ebenso wenig könnte ich eine permanente Erfolgstour genießen. Das spannende am Rollenspiel ist es doch, dass man auch was falsch machen kann, und dass einem dann nicht trotzdem noch irgendwie der Erfolg geschenkt wird. Zumindest für mich.

Daher finde ich Rote Heringe und potentiell falsche Spuren per se nicht schlecht, das erhöht in meinen Augen den Reiz und den Realismus der Umwelt. Und wenn der SL flexibel ist, kann er auch aus einer stur nachverfolgten falschen Spur ein episches Abenteuer machen, das halt in ganz andere Gefilde abdriftet, als wie wenn die Gruppe den "richtigen" Hinweisen gefolgt wäre. Man entdeckt halt statt dem intriganten Schmuggelmeister, der das Hafenviertel kontrolliert, die geheime Troglodytenzivilisation in den Höhlen unter der Kanalisation.

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Re: Meine Gedanken zu Red Herrings im Wandel der Zeit
« Antwort #29 am: 20.02.2024 | 12:17 »
Ist vielleicht auch (wie immer ::)) ein Stück weit eine Definitionsfrage: ab wann zählt eine wie auch immer geartete "Ablenkung" schon als roter Hering? Muß da Absicht dahinterstecken oder kann es auch ein Versehen sein, muß sie von der SL kommen oder reicht's schon, wenn sich die Spieler freiwillig selbst verrennen...?

Persönlich würde ich jetzt gerade, wo ich das so schreibe, das Etikett vielleicht wirklich nur an Sachen hängen, bei denen vom Abenteuer/der SL einigermaßen klar vorgesehen ist, daß die Spieler dann auch möglichst darauf hereinfallen sollen -- ein schon weitgehend fest eingeplanter Plotumweg gewissermaßen. Aber da mag auch "nur" meine aktuelle Stimmung aus mir sprechen.

Offline Outsider

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Re: Meine Gedanken zu Red Herrings im Wandel der Zeit
« Antwort #30 am: 20.02.2024 | 12:59 »
Die roten Heringe welche ich kenne (eigentlich fast alle aus CoC Publikationen / Systemlosen Detektivgeschichten) sind gar nicht mal als Plotumweg angelegt. Es sind nur weitere Informationen aus einem Wust an Fundstellen welche nichts mit dem eigentlichen Plot zu tun haben (einfach weil eben nicht immer alles in einer Spielwelt mit der Gegenseite zusammenhängt). Da müssen die Spieler für sich selbst herausfinden ob eine Info zum Plot gehört oder nicht und das gestaltet die Welt dann lebendig.

Wenn die SC da verstärkt drauf einsteigen kann es natürlich zu einem eigenen Plot werden aber das macht meist keinen Sinn da die RH´s ab einem bestimmten Punkt ziemlich deutlich tote Enden sind. Ich kenne aus der Praxis auch keinen SL der ab einem bestimmten Punkt (wenn das Abenteuer mit seinem Wissen sichtbar entgleitet) nicht fünfe Gerade hat sein lassen und den Spielern klipp und klar gesagt hat sie sind auf einem falschen Weg. Aber auch das war so extrem selten das ich jetzt nicht mal ein bestimmtes Beispiel im Kopf habe.

Ein RH hat meiner Erfahrung auch nicht etwas mit Scheitern zu tun. Außer natürlich das Abenteuer und der SL legen es knallhart drauf an, dass der RH bis zum Ende nicht (oder nur sehr schwer) als RH zu erkennen ist. Das wiederum ist dann für mich aber kein RH mehr. Das wäre dann feste Struktur des Abenteuers und eher ein roter Pottwal. Den man weder übersehen noch umgehen kann, weil er alles andere verdrängt. Sowas ist mir in der Praxis aber noch nie begegnet (als RH) als komplette Fehlleitung kenne ich solche Szenarien aus Vampire, SR und einem Space Gothic Abenteuer. Aber da ist die Fehlleitung faktisch Teil des Systems aka wir werden ja sowieso alle verarscht, intrigiert oder manipuliert. Das zu erkennen ist deutlich schwerer als einen RH.
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Offline General Kong

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Re: Meine Gedanken zu Red Herrings im Wandel der Zeit
« Antwort #31 am: 20.02.2024 | 13:54 »
Bewusst falsche Spuren un Detektivabenteuer sind in Ordnung, wenn sie etwas für das Spielerlebnis bringen.
Allerdings halte ich nichts davon, die Spieler bewusst immer wieder aufs Glatteis zu führen uns sie durch Fledermausschwärme von Spuren taumelt zu lassen, von denen 9 von 10 vollkommen in die Irre führen und "halt da sind", also nicht vom Täter gelegt sind(kann ja wieder eine Spur sein) oder einen interessanten Subplot bilden.
Nein - für solche Zeitverschwendung ist mir diejnappe Spielzeit zu schade.
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Re: Meine Gedanken zu Red Herrings im Wandel der Zeit
« Antwort #32 am: 20.02.2024 | 14:15 »
Ich denke, da muß man noch mal ein Stück zwischen "der Spielwelt" einer- und "dem Abenteuer" andererseits trennen. Denn die Spielwelt hat ja normalerweise schlicht gar keinen "Plot"; die ist einfach nur da, und in welche Ereignisse die Spieler ihre Charaktere verwickelt sehen wollen und in welche nicht, ist auf dieser Ebene erst mal recht frei ihnen überlassen. Entsprechend gibt's da auch keine großartigen roten Heringe außer vielleicht solchen, die irgendwelche Figuren bewußt (und nicht mal unbedingt wegen speziell der SC) auslegen mögen; abseits von innerweltlichen Ablenkungs- und Täuschungsmanövern zwischen Charakteren ergibt der Begriff da nicht mal besonders viel Sinn.

Das Abenteuer dagegen hat seinen Plot praktisch per Definition schon zumindest ansatzweise -- einfach schon, weil es eben etwas beinhaltet, worum es geht, und die SC damit vor eine konkrete Aufgabe stellt (auch, wenn sie die vielleicht erst einmal selbst herausfinden müssen). Und mit der habe ich dann tatsächlich etwas, wovon die Spieler abgelenkt werden und ihre Spielzeit mehr oder weniger "nutzlos verschwenden" können, anstatt der "eigentlichen Angelegenheit" nachzugehen; ob und wie stark sie sich dann im Einzelfall darüber beschweren mögen, ist dann natürlich individuelle Geschmackssache, aber da würde ich persönlich einfach das Hauptrisiko sehen.

Offline Issi

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Re: Meine Gedanken zu Red Herrings im Wandel der Zeit
« Antwort #33 am: 20.02.2024 | 16:49 »
Naja, nehmen wir an "Graf Grausam ist tot", dann ist auch ohne speziellen Plot anzunehmen, dass ihn nicht jeder gern hatte.
Bei Kriminalfällen ist die allererste Frage meist: Wer hatte ihn denn nicht so gerne?
Und wenn das mehr als eine Person war, geht es weiter mit:
Wer von denen könnte es gewesen sein?
(Wer hatte die Möglichkeit dazu?- Persönlichkeit? Rein Körperlich/Geistig Zeit/Ort?  usw. Alibi, Zeugen, Beweise etc.)

Wenn wir nur einen Verdächtigen haben, und der war es auch - und kann (was noch wichtiger ist) auch leicht überführt werden, ist die Sache schnell gegessen.
Inwieweit das jmd. gerne spielen würde, ist ne andere Frage.

Im Normalfall ist das nicht ganz so einfach.
Der Täter versucht natürlich auch seine Spuren zu verwischen.
In Krimis zur Unterhaltung hatte der Verstorbene häufig mehr als einen Feind oder war so beliebt, dass es schwer ist einen zu finden.

Das ist dann auch die Version die sich besser für Rollenspiel eignet, denn selbst in Sandboxen spielt man letztlich auch um dabei einen gewissen Reiz (Ein Gefühl von Ermittlung)zu haben.

Die Spielleitung spielt die Bösen ja selbst in Sandboxen nie so schlau und böse, wie sie könnte, sonst wäre auch hier der Spaß gefährdet.
Sprich: Die SPL müssen ne Chance haben.
Die Täter sind nicht unfehlbar. Und die Aufklärung wird nicht extra behindert.
(Im Zweifelsfall auch gefördert)

Was RH im Normalfall verschaffen ist Zeit.
Ob sie immer Spannung verschaffen, weiß ich nicht. - Geübte SPL erkennen doch Recht schnell, wenn es sich um einen handelt.
Es gibt allerdings auch Krimis die selbst das für sich zu nutzen wissen.
Ala "Der schreit so offensichtlich nach-" ich bin der Täter", der kann es nicht sein. " - Doch am Ende stellt sich dann heraus - er war es doch- die Leser/Zuschauer haben ihn nur für einen RH gehalten. Das ist dann schon "Täter als RH getarnt."
« Letzte Änderung: 20.02.2024 | 17:29 von Issi »