Autor Thema: [Deadlands] Savage West Solo Play  (Gelesen 18558 mal)

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #225 am: 3.06.2024 | 19:18 »
Kinraide hat bereits beim Flug von Banshee hierher online mehrere Hilfegesuche verbreitet, um den vermissten Shadrack zu lokalisieren. Es gibt verschiedenste Netzwerke für sowas, denn an Vermisstmeldungen und Verschollenen herrscht in der verwahrlosten Kolonie kein Mangel. Diese Hilfegesuche haben schließlich auch Erfolg gehabt, und die Nachricht hat on-planet den Gesuchten erreicht, kurz nachdem er in Temptation in einem Hotel und bei HI-Terminals seinen Namen angeben musste. Die Nachricht lautete, er möge schnellstmöglich Kontakt zu Tunnel Station aufnehmen ...

Rex und Zamantha hatten noch nicht allzu viel Zeit seit ihrer Ankunft in Temptation für die Suche nach ihrer benötigten Codeleser-KI. Die Koordinaten, welche Maiqarooba vorsingen kann wie ein Lied, können nur von speziellen GIS-Systemen interpretiert werden. Systeme dieser Baureihe stammen noch aus der Zeit der ursprünglichen Kolonisierung vor fünfzig Jahren, und sind mittlerweile fast überall eingemottet. Nur hier in der Großstadt sollten irgendwo noch welche übrig sein, in den Kellern irgendwelcher einstiger Bergbau-Behörden, oder Bastler-Schuppen. Aber da Zamantha und Rex sowieso veraltete HI-Hardware brauchen, können sie auch gleich dem Gesuch aus dem fernen Orbit folgen, und nach Tunnel Station kommen, wo es solche Systeme ebenfalls noch geben muss.

Die Explosivo dockt seit den letzten zwei Wochen regelmäßig in Portal. May lebt in einem winzigen, kargen Hotelzimmerchen des Handelshafens, und hat sehr viel Zeit damit zugebracht, sich durch Flirts und Behexung die Zugangsberechtigungen für die gewünschten Datenarchive zu erschleichen. Dabei hieß es allerdings, höchst vorsichtig vorzugehen, denn auch hier ist das Übernatürliche bekannt, und HI ist ein misstrauischer, konspirativer, und elitärer Scheißverein. Sie beschäftigen eine eigene Riege okkulter Spezialisten, keine Syker, sondern Techniker. Und die Colonial Rangers, die hier kommen und gehen, sind auch nicht viel besser in Augen der Hexe. Sie hat also alles daran gesetzt, durch ihr geballtes Unwissen dieser Ära nicht aufzufallen. Die benötigten Zugangsberechtigungen hat sie tatsächlich erst am Tag von Rex‘ Ankunft bekommen.



Jenseits des Bereichs von Portal öffnen sich nun dank mehreren Zahlencodes die Korridore, die nur für bestimmte Besucher und HI-Personal bestimmt sind. Hier ist die Umgebung sauberer und moderner als im Handelshafen, geradezu piekfein.
„Diese gottverdammten Lackaffen“, murmelt Rex halblaut, als sie den breiten Gang entlang gehen, auf das gebuchte Terminal zu.
„Ja, ich sag‘ doch, elitäre Bande“, kommentiert die Hexe lapidar, „von diesen Böden könnte man essen. Sieh‘ mal, sie haben sogar kleine Automatons zum Aufwischen, heutzutage heißen die ‚Roboter‘, das kommt aus dem Spanischen oder so“, und sie deutet auf eine dahin flitzende Reinigungsdrone.
„Roboter kommt aus dem Russischen“, kommentiert Rex grimmig.
„Besserwisser! Warum bist Du so angespannt? Hier kommt uns keiner auf die Schliche, wir sind sicher, das ist alles rechtens, ich hab über eine Woche hieran gearbeitet!“, flüstert sie.
„Das ist es gar nicht, was mir zu schaffen macht“, raunt er zurück, „Diese ganze Firma, Hellstromme Industries! Die sind wie ein sarkastischer Gruß aus unserer eigenen Lebzeit. Dies hier, May B., sind die Erben der einstigen Wasatch-Eisenbahn, meiner früheren Arbeitgeber. Im Eisenbahnkrieg habe ich lange Zeit für die gekämpft, draußen in Utah!“
„Wird schon keiner mehr davon wissen, dass Du kleiner Opportunist 1876 zu Union Blue übergelaufen bist!“
„Bah, unerheblich. Die Wasatch war ja nicht wie Black River, Schätzchen, wo man Euch arme Mädchen zu lebenslanger Loyalität abgerichtet hat. Als Söldner seine Arbeitgeber zu wechseln war nicht unüblich. Das ist auch gar nicht mein Problem ... Doktor Hellstromme hat Faraway entdeckt, als uralter Mann, irgendwie konserviert durch seine Dampfmaschinen! Sein verdammter Konzern hat von der Besiedlung am meisten profitiert! Als der Faraway War ausgebrochen ist, wird Hellstromme zurückhaltend daneben gestanden haben, und sich weiter die Taschen vollgestopft, wie eh und je. Ich, verstehst Du, ich persönlich habe diesen Schweinen geholfen, diesen Weg zum Ruhm einzuschlagen! Pioniere wie ich haben nichtsahnend diese Unmenschen zu den Sternen befördert!“, und er muss sich am Riemen reißen, um nicht laut zu werden, als er das sagt.
„Na, immerhin bist Du nicht auf einer teuflischen Mädchenschule indoktriniert worden, wie Du selbst sagst!“, grinst May B., mit fiesem Seitenblick.
„Ja, aber unerheblich, was mit mir selbst war“, raunt Shadrack angespannt, „ich habe damals im Weird West gedacht, das Ziel der Zugbarone ist nur der Exklusivvertrag, der winken sollte, wenn die Transkontinentale Eisenbahnlinie vollendet ist. Was anschließend mit diesen Großkapitalisten im Verlauf der Dekaden geschehen könnte, das habe ich mir nicht einmal ausgemalt! Und jetzt sind wir hier, in einer Zukunft, die womöglich von Konzernen ins Verderben gestürzt wurde, Firmen wie jener, für die wir damals im Eisenbahnkrieg gearbeitet haben! … Die Tragweite von Hellstrommes Verbrechen wird mir jetzt erst klar.“
„Was glaubst Du, warum seit 13 Jahren Funkstille mit der Erde herrscht?“, fragt May B., nun ihrerseits ängstlich.
„Vielleicht wollten sie die Kolonie vorerst loswerden. Auf Eis legen. Der Krieg hier muss teuer gewesen sein, und seine arkanen Phänomene schwer zu vertuschen.“
„Es war aber auch Krieg auf der Erde zu diesem Zeitpunkt. Rex … weißt Du noch, was Du gesagt hast, nachdem ich und John von dem … Machtgefüge in Hyperborea berichtet hatten?“
Die beiden wechseln einen Blick, Rex wagt es nicht, zu antworten. Er wagt nicht einmal, daran zu denken. Schweigend öffnen sie den Raum mit ihrem gebuchten Terminal.

Die Archive sind gewiss aufschlussreich für unsere Wild Cards. Ein einzelner Besuch wird es nicht tun; sie werden mehrfach wiederkommen müssen. Zwar haben sie Kinraide und Fourth Wall, die ihnen bei der Computerbedienung dann und wann helfen können, aber sie wollen die beiden Spacer nicht konstant neben sich sitzen haben, um sie nicht zu tief mit in ihre Recherche hinein zu ziehen.
„… Vorerst schützt ihr Unwissen sie“, meint Shadrack dazu.

Vieles, was man einem guten Geschichtsbuch entnehmen könnte, werden unsere Wild Cards hier ermitteln können. Vom Ausgang des Amerikanischen Bürgerkriegs hat May B. schon gewusst, vom Fortbestehen der Konföderierten Staaten von Amerika und der tragischen Errichtung der Mason-Dixon-Mauer, eine geteilte Nation, die nie zu ihrer eigentlichen Brüderlichkeit zurück gefunden hat. Sie lesen vom Schrecken der beiden Weltkriege, mit Syker-Attentätern und der entfesselten Macht des Atoms. Das Geheimnis von Ghost Rock als arkane Substanz wird anscheinend irgendwann gelüftet, aber der Öffentlichkeit nie mitgeteilt, dank weltweit operierender Geheimdienste. Alle Industrienationen sind schließlich vom Ghost-Rock-Bergbau abhängig, mehr als von Braunkohle, Atomkraft, oder Solarenergie. Schließlich beginnt der okkulte Untergrund, zu einem okkulten Overground zu werden: Die UN scheint direkt vor dem Faraway War ganz genau dasselbe gemacht zu haben wie Black River, sie haben sich eine Riege an menschlichen, okkulten Geheimwaffen herangezogen, um ihren Krieg für sie zu führen, aber nicht als eine einzige Firma wie Black River es ihrerzeit war, sondern als weltweiter Länderbund. Dies war die Psychic Legion, die sie der EXFOR zur Seite gestellt hatte.

Speziellere Informationen in Tunnel Station’s Datenbanken sind allerdings lückenhaft: Die Wild Cards bekommen nicht umgehend heraus, wer die Eisenbahnkriege gewonnen hat, oder was genau aus den einzelnen Zugbaronen geworden ist, oder aus dem Royal Court. Es gibt in den Datenbanken nur Informationsschnippsel, und um die zusammenzusetzen, bräuchten sie einfach noch viel mehr Zeit. Und in einigen Fällen noch umfassendere Berechtigungen von HI … Was seit dem Ausfallen des Interspace Tunnel auf der Erde geschehen ist, ist hier natürlich gar nicht festgehalten, denn auch HI hat diese Informationen scheinbar nicht: USA und CSA waren jedenfalls damals Teil von zwei weltweiten Länder-Allianzen, die um Faraways Ressourcen stritten, um die schwindenden Ghost-Rock-Reserven der Erde, allen voran das amerikanische Great Maze, und über Lösungen für den verheerenden Klimawandel, der begonnen hatte.
„… Und Gomorra? Hat man die Hauptader je gefunden, die es dort geben sollte? War der ganze Ghost Rock schließlich kriegsentscheidend, wie angenommen?“, flüstert May B. irgendwann, ihr schwirrt der Kopf von all den Informationen.

Fiebrig suchen sie weiter. Um Gomorra, Kalifornien, ranken sich offensichtlich zahllose Legenden und Halbwahrheiten, historisch gesehen war es die wichtigste Boomtown der Westbewegung neben Dodge City, Deadwood, Tombstone, Lost Angels, Virginia City, und Salt Lake City. Die Unionsarmee hat die Siedlung schließlich für die Nordstaaten erobert, konnte sie aber nicht halten, als bürgerkriegsartige Anarchie ausbrach, unter anderem, weil die Mother Lode schließlich gefunden wurde, die Hauptader. Neben dem Interesse beider Regierungen und der Zugbarone sprechen die Archive von zahlreichen Privatinvestoren, die für das Schicksal der Stadt entscheidend waren. Nicht nur die Whateleys werden erwähnt, sondern auch eine Gang namens Maze Rats, und eine Gemeinschaft, die einem apokalyptischen Christentum anhing, die sich einfach ‚the Flock’ nannte. So wie Virginia City und Deadwood soll die Siedlung Gomorra mehrmals niedergebrannt und wiederaufgebaut worden sein. Gomorras Schicksal, und seine genaue Bedeutung für die Rail Wars und den Bürgerkrieg, ist hier nicht festgehalten …
„… Aber hier gibt es so viele fehlende Datensätze“, grübelt Shadrack, „mehr als bei anderen Themen …“
„Glaubst Du etwa, HI hat die Geschichte zensiert? Weil die Begebenheiten zu heiß waren für die Öffentlichkeit?“
„Nein, nicht HI, die waren ja damals noch die Wasatch-Eisenbahn … dies hier trägt meines Erachtens nach die Handschrift der Männer in Schwarzen Dustern.“
Beide erschaudern.
"Gottverdammt, ich wünschte, wir wären statt auf der Vostros auf der Erde gelandet, nicht in diesem verlorenen Hinterweltler-Sonnensystem, dort hätten wir mehr Zugriff auf all diese brisanten Informationen!", grollt der Hexslinger.
"Rex, was immer genau dort geschehen ist, und was auch immer die Reckoners bewerkstelligt haben mögen ... ich könnte mir vorstellen, dass es verdammt nochmal ein großes Glück war, nicht auf den Planeten Erde versetzt worden zu sein im Jahr 2094!", flüstert May B. furchtsam.
Schweigen macht sich breit.
„Und später …?“, fragt May B. schließlich, und navigiert weiter.
„… Sieh’ mal, es stimmt, was Dein Freund Kaenan sagt“, meint sie schließlich, „unser Gomorra war später noch einmal berühmt, und zwar als Filmkulisse, in den späten 1960ern und den 1970ern! Sieht aus, als wären Historien-Stücke über unsere Lebzeit ziemlich populär gewesen damals! Und … ich fass‘ es nicht, sieh‘ mal hier!“
Shadrack blinzelt ungläubig auf den Bildschirm, von dem ihm — scheinbar hämisch, und auf jeden Fall prächtig gelaunt — das Gesicht von Luca Byrd entgegen lacht. In Farbe, obwohl es doch nur Schwarzweiß-Fotografie gab, als er so ausgesehen hat.



„Vor diesem Knaben gibt es einfach verdammt nochmal kein Entkommen“, murmelt er genervt.
„… in der Rolle des historischen Luca Byrd, Terence Hill“, liest May B. die Bildunterschrift vor, „hey, da haben sie einen ausgesucht, der wirklich verblüffend ähnlich aussieht!“
Shadrack legt sich genervt die Hand vor die Stirn, dann schaut er aber wieder auf: „Ich habe den Film übrigens bei mir, zumindest die spätere Neuauflage. Wir müssten nur hier irgendwo einen passenden Stecker für das Modul finden. Vielleicht sagt der uns, was in etwa 1879 geschehen wird! … Damals geschehen ist. Sehr wahrscheinlich ist darin zu sehen, was aus Mister Byrd und den anderen wird. Und vielleicht finden sogar wir Erwähnung … bevor wir aus der Weltgeschichte verschwunden sind.“
Erneut sehen die beiden sich an.
„Ich weiß nicht, ob ich all dieses Wissen ertragen kann …“, haucht May B., „die Verantwortung.“
Shadrack tupft sich Schweiß von der Stirn, und schweigt.

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #226 am: 15.06.2024 | 12:26 »
Während die Neuankömmlinge sich also an ihre Recherchen wagen und sich eingewöhnen, machen wir einen GM Move. Es ist, Foreshadow Trouble! Dazu weiß ich gleich was:

An dem Abend nach dem dritten Besuch der Archiv-Terminals nimmt in der schäbigen Hotellobby ein aufgeregter Fourth Wall hastig May B. beiseite.
„Hand aufs Herz, Miss Ortega! Hast Du Dich irgendwann innerhalb der letzten zwei Wochen mal verplappert? So richtig verplappert, Stations-Bewohnern gegenüber?“
May spannt sich sofort unwillkürlich an, „Nein, wieso? Ich meine, nicht, dass ich wüsste. Wem gegenüber denn?“
„Egal, wem gegenüber! Hätte irgendjemand sein können, die unauffälligsten Fressen, egal, wo. Könnten alle von dem beauftragt worden sein. Spielt keine Rolle! Du hast keine komischen Gespräche geführt, während Kinraide und ich mal weg waren?“
„Fourth Wall, Du machst mich verdammt noch eins nervös. Vor wem müssen wir uns in Acht nehmen, spuck‘s aus!“
„Ein Colonial Ranger hat heute bei der Docking Bay wo wir liegen nach Dir gefragt.“
„Das kann doch tausend Gründe haben, oder? Die sind doch so 'ne Art Polizeikräfte, richtig?“
„Ich will nur ausschließen, dass es stichhaltige Gründe sind, Chica!“
„Na ja …! Rex und ich stöbern seit Tagen in HIs Archiven rum! Und er hat eine geschmückte Stammesprinzessin bei sich, und einen riesigen Anouk, der hauptsächlich Kauderwelsch redet! Und dann gibt’s Dich und Kinraide, mit konstanter Bierfahne und Schwermetall auf den Ohren! Mit anderen Worten: Wir sind alle nicht sehr unauffällig!“
„Ich hab‘ eine Bierfahne?!“, fragt Fourth Wall verdutzt, und checkt seinen Atem mit der hohlen Hand.
May legt den Kopf schief und funkelt ihn wild an, er soll beim Thema bleiben.
„Vielleicht hat auch HI bei dem Ranger gepetzt, vielleicht überprüfen sie heimlich Eure Dateizugriffe …“, vermutet er.
„Das können die?!“, fragt May B. entgeistert, „aber die sind doch nie mit in unserem Raum!“
Der Spacer muss lachen, trotz der Ernsthaftigkeit der Situation.
„… Seht einfach zu, dass Ihr unauffällig bleibt“, rät er dann, „Rangers sind wie streundende Köter. Wenn man ihnen keinen Grund gibt, immer weiter zu schnüffeln, dann hauen sie bald wieder ab, um woanders das Beinchen zu heben.“

Was ist dieser Gesetzeshüter denn für einer? Wir befragen die Orakelkarten und erhalten erstmal einen Joker. Ein Zufallsereignis wird dadurch ausgelöst! Dieses soll sein, physically Communicate technical History. Das klingt stark danach, als habe HI tatsächlich registriert, wie viel historisches Wissen May und Rex bei ihnen abgerufen haben. Damit hat sich Fourth Walls Vermutung also schon mal bewahrheitet, aber das sagen wir unseren Helden noch nicht. Dann zurück zur Identität des Colonial Rangers, fragen wir die Karten erneut: Er ist ein physical Adherent who wants to physically Escape. Ein Anhänger rationalen Gedankenguts also, der sich körperlich irgendetwas entziehen möchte. Vielleicht bestimmten Teilen seines Dienstes, unten auf dem abergläubischen Planeten. Das bringt ihn dazu, so weit draußen herumzuschnüffeln.


An Bord der Explosivo beraten sich die Charaktere kurz darauf.
„Was für eine Dreckschleuder“, murrt Shadrack, und hebt mit spitzen Fingern eine halbleere Chipstüte von einem der Sitze, um den Platz seiner Holden anzubieten.
„Hat er mein Schiff gerade Dreckschleuder genannt?“, lässt Fourth Wall sich vernehmen.
Hat er nicht gesagt“, staunt Kinraide.
„Schauen Sie nicht so Brutalo-mäßig, Shadrack“, mahnt Fourth Wall, „die Explosivo ist eine Dreckschleuder, aber die verdammt verlässlichste im ganzen Quadranten! Und ich bin hier El Capitan, klar? … Wenn wir einen Colonial Ranger im Nacken haben, dann haben wir möglicherweise demnächst auch die EXFOR im Nacken. Die brauche ich aber beide, als potentielle Auftraggeber.“
„Worauf wollen Sie hinaus, junger Mann?“, fragt Shadrack.
„Kinraide und ich decken der Death Metal Queen hier den Rücken, wenn’s Problemchen gibt, das ist versprochen. Jetzt gibt’s aber Euch andere drei auch noch, das potenziert das Gefahrenpotenzial. Exponentiell, wie Ihr ausseht. Vor allem der lustige Anouk.“
Zamantha sieht Rex an, und fragt gelassen, „Würdest Du ihn fragen, ob er das alles tut, weil er sein Herz verloren hat an Deine hübsche Kampfgefährtin?“
„Quatsch“, versetzt Fourth Wall, „ich bitte Sie, Ma‘am, ich hab‘ unten auf dem Planeten eine Süße! Miss Ortega hier hat mir verreckt nochmal mein Leben gerettet! Unter Spacern gibt’s sowas wie Anstand und Ehre“, und er holt Luft, um rhetorisch so richtig loszulegen, was seine Weltraumehre betrifft.
„Aber worauf willst Du hinaus, Fourth Wall?“, will jetzt May B. wissen.
„Hä? Ja, ach so, es wäre langsam doch mal nützlich, zu wissen, wer Ihr eigentlich seid. Allein deswegen, damit wir den Colonial Ranger von Eurer Fährte abwimmeln können. Sollte die Sackratte demnächst wieder hier vor der Docking Bay stehen und weiterfragen. Das ist ernst. Wir wissen nur, dass Ihr an Bord der Vostros wart! Aber es ist klar, dass Ihr beiden nicht auf der Erde wart, oder auf Banshee gelebt habt!“
„Diese Information wird Euch reichen müssen“, sagt Shadrack vorsichtig, und er wirft entschuldigend Zamantha einen Seitenblick zu, die ihn aufmerksam anblickt.
„Ich finde, wir sollten‘s ihnen sagen, Rex!“, sagt May B. verhalten, „Fourth Wall und Kinraide sind die treuesten Compadres gewesen die ich mir hätte wünschen können! Die verraten uns nicht.“
„Ich verrate Euch auch nicht, Shaddrakk“, stellt Zamantha leise fest.
„In Ordnung“, sagt Rex grimmig, „wir packen aus. Aber nicht jetzt“, und er sieht Zamantha in die Augen, „ich werde erst die rechten Worte dafür finden müssen. Unsere Geschichte ist dergestalt, dass man ihr wahrscheinlich nur Glauben schenken kann, wenn man alle Details kennt.“
„Ja ja, Ihr seid so Verschwörungstheoretiker, haben wir schon gecheckt!“, sagt Fourth Wall, „und zwar von so einer ganz speziellen Truppe, so 'ner Art Stuntman-Truppe, schon klar. Die Lady hier hat einem Skinny die Stirn geboten, und ihn sogar verwundet, und ist dabei nicht von seinem Blitz-Gelöt zerlegt worden! Das können verdammt wenige von sich behaupten. Das ist alles ziemlich stark! Da steckt was ziemlich Großes dahinter, irgendwas echt Ominöses, das ist mal klar! … Mir ist geradezu, als hätte Black Sabbath von Euch gesungen, auf ihrem Dehumanizer-Album von neunzehnhundertfackenneunzig!“
„Hä wieso? Was hat Black Sabbath denn da gesungen?!“, fragt die Hexe verwirrt; sie hat in den letzten zwei Wochen viel Zeit mit den Audio-Dateien der Explosivo verbracht, und ist mittlerweile selber auch Fan.
„Au Backe, jetzt geht’s los“, seufzt Kinraide.
Computer God! Der Track heißt Computer God! Die Lyrics beschreiben, dass die Menschheit eigentlich in künstlichen Schlaf versetzt ist, im übertragenen Sinne, versteht Ihr, und eine Art dämonische Intelligenz sie beherrscht! Als hätte Black Sabbath das neunzehnhundertfackenneunzig irgendwie gespürt, und künstlerisch zum Ausdruck gebracht! Die vierte Wand bröckelt, versteht Ihr, Leute?“, und vor lauter Aufregung macht er sich eine weitere Dose Bier auf.
„Die vierte Wand? Ist das auch wieder so eine Metapher? Ist das etwa darum Dein Funkname?“, fragt die Hexe.
Fourth Wall nickt Bier trinkend, aber Kinraide widerspricht, „Quatsch, Alter, Du heißt doch so, weil Du während Deiner Ausbildung an einem einzigen Tag viermal die Schallmauer durchbrochen hast!“
„Beides stimmt … beides stimmt!“, japst der Spacer. Er steigert sich in seine Aufregung hinein.

Zeit, May B.s Impulsive-Nachteil auszuspielen!

„…Wir kommen aus dem Jahr 1876, Fourth Wall. Die Vostros ist eine Art Geisterschiff, das irgendwie die Grenzen von Raum und Zeit überwindet. Es ist ebenso instabil wie unsere Heimatregion.“
Es gibt dabei ein Klicken, und Rex Shadrack hat plötzlich seinen einen Revolver in der Hand, hat ihn auf die vorlaute Hexe gerichtet, seine Augen haben sich verfinstert, und blitzen geradezu. Nur eine halbe Sekunde später hat May B. ihren Colt gezogen und auf ihn gerichtet.
„Du bist zu weit gegangen“, knurrt Shadrack tonlos.
„Runter mit den Plempen, Ihr seid an Bord eines Raumfahrzeugs!“, ruft Fourth Wall.
„Sie haben ein Recht, es zu erfahren! Das sind unsere Freunde! Sie da ist sogar Deine Liebhaberin! Mach‘ nicht schon wieder auf Oberboss!“, zischt May B., dann aber breitet sich unwillkürlich ein Grinsen auf ihrem Gesicht aus. Beide sehen sich an, Aug’ in Auge, Pistolenlauf gegen Pistolenlauf. Dann stecken sie ganz langsam ihre Waffen wieder weg, genau gleichzeitig.
Sie fügt hinzu, „... Brauchst Dich hier auch gar nicht aufzuspielen, würdest mich eh nicht abknallen, wir beide sind nämlich auch Freunde. Du bist der beste Freund den ich habe in diesem verrückten Sonnensystem!“
Shadrack knurrt unartikuliert, und stapft den Gang herunter, öffnet das Schott, und geht nach draußen. Synthetische Luft schnappen.
„Maiqarooba!“
„Warum sagt er eigentlich immer seinen eigenen Namen?“, fragt Kinraide.
„Das ist nicht sein wirklicher Name“, sagt Zamantha, „und er hat im Übrigen Recht. Ihr solltet nicht streiten.“
May B. mustert sie neugierig, „Und Sie, Miss Muroa, als Rex‘ bessere Hälfte? Glauben Sie mir?“
„1876 …?“
„Ganz recht.“
„1876. Zeitreisen per Geisterschiff. Eine Band namens Black Sabbath. … Ich muss darüber nachdenken.“
„… Soll ich den Song mal abspielen?“, fragt Fourth Wall in die entstehende Stille, „der fetzt total, der geht ab wie Doktor Hellstrommes Hirn in 'nem Tank, in den man Brausepulver schüttet!“

Soundtrack: Black Sabbath, Computer God
https://www.youtube.com/watch?v=T8bvi1gewB8


Eine der kleinen Hafenbars von Portal trägt den beschaulichen Namen ‚Scrap Metal‘, die Theke und die Tische sind nämlich krude aus Raumschiffschrott zusammengeschweißt. Es hat einen gewissen Charme, findet May. Hier hat sie für sich und Rex einen Tisch in der hintersten, dunkelsten Ecke gesucht, ganz so, wie sie es früher immer im Old Moon Saloon gemacht haben.



„Bist Du sicher, dass Du nicht doch einen Whiskey willst?“, fragt sie.
„Nein, ich bin trocken, seit wir weiter raus in den Westen sind. Dabei bleibt’s. Der Alkoholismus wird mich vernichten, wenn ich ihn nicht vernichte.“
„Gesprochen wie ein echter Paranoiker!“
„Dieses sogenannte Sprudelwasser ist großartig! Genau das, was ich daheim immer vermisst habe bei einem schönen Glas Wasser. Was ist das überhaupt für komische Musik in dem Laden hier? Bist Du öfters hier?“
„Der Track ist ja gleich vorbei. Dann spielen die bestimmt wieder Beethovzart oder irgendeine gottverdammte Weicheier-Musik“, sagt May, dann sieht sie ihm in die Augen: „… Wir hätten es ihnen sowieso erzählen müssen, Rex. Diese Leute haben richtig viel aufs Spiel gesetzt für uns. Und je länger wir hier bleiben, desto mehr riskieren sie weiterhin. Und Deine Freundin verdient doch auch, dass Du ihr die Wahrheit sagst!“
„Ja, ich weiß. Hätte mir nur gewünscht, es nicht in einem Moment der Schwäche auszuplaudern. Sondern überlegter. Die Wahrheit ist schwer zu glauben, ich selbst würde es nicht glauben, wenn ich nicht bis zum Halse drin stecken würde.“
„Was hast Du Deiner Zamantha denn bisher erzählt?“
„Habe einfach improvisiert. Habe alles auf Gedächtnisverlust geschoben, aufgrund des langen Kälteschlafs an Bord der Vostros.“
May B. grinst und knufft ihn in die Seite: „Hey, wow, das ist echt gut! Simpel und irgendwo in der Nähe der Wahrheit! Wünschte, das wäre mir eingefallen! Ich hab‘ immer nur rumgedruckst und geschwiegen.“
Rex grinst auch, „Wir hätten uns absprechen sollen! Aber — ach ja — es gab ja keine Gelegenheit seit unserer Flucht von dem verdammten Geisterschiff.“
„Jetzt mal ehrlich, Mister Shadrack. Was ist mit dieser Zamantha Muroa?“
„Was soll mit ihr sein? Das Schicksal ihres Dorfs steht hier auf dem Spiel, und sie ist sehr firm in ihrer Rolle der Beschützerin.“
„Sie guckt Dich an, als wäre sie Deine Weisungsbefugte! Stehste da drauf? Ist die jetzt wirklich Deine Zuckerpuppe, oder was?“
Shadrack schaut plötzlich ungewohnt defensiv drein, „Glaubst Du, ich bin hier … etwas zu weit gegangen?“
„Wieso? Etwa, weil sie dunkel ist und Du weiß?! Komm‘ schon. Sieh‘ mich an, meine Eltern hat das auch nicht gestört.“
„Nein, nicht das. Das scheint heutzutage überhaupt keine Bedeutung mehr zu haben. Gottlob. … Unser Abraham Lincoln hatte damals wohl gewissermaßen doch den richtigen Riecher, was?“
„Hast Du … unser Gespräch gerade genutzt, um Deine bedepperte Yankee-Propaganda mit unterzubringen?!“
Shadrack hebt die Schultern und lächelt süffisant. Die Nordstaaten haben es eben besser gewusst, steht deutlich in seinem Blick, und das kann man ihm nicht nehmen. Plötzlich wirkt er irgendwie entspannter.
„… Das meine ich gar nicht“, lenkt er ein, „ich meine, was unseren Altersunterschied betrifft.“
May zieht amüsiert eine Schnute, und entgegnet, „Wie alt ist Zamantha, etwas älter als ich, so Mitte zwanzig? Ja, das ist schon ein bisschen. Ich kannte aber in Arkansas Ehepaare, die viel weiter auseinander waren.“
„Zweihundert Jahre auseinander, May B., zweihundert. Das macht mir niemand in Arkansas so schnell nach. Von der Generation, der Zamantha Muroa angehört, wurde noch nicht geträumt, als wir auf der Erde gelebt haben. Große Güte, der Planet, auf dem sie gezeugt wurde, war noch nicht von Menschen entdeckt. Macht mich das …“
„… Irgendwie pervers? Ja, Du bist pervers, Shadrack, aber das ist doch nicht neu! Du ritzt Wikinger-Runen in Deine Pistolenkugeln, und feuerst sie mit Hilfe von unsichtbaren Dämonen auf Deine Gegner ab, immer mit dem Ziel, die gottverdammte Weltverschwörung aufzuhalten!“
„Vielleicht könnte meine Verbindung mit ihr das Gefüge von Zeit und Raum verändern …“
„Gefüge von Zeit und Raum, oho! Ich würde sagen: Wenn das das Gefühl ist, das Du hast, wenn Ihr knutscht, dann würde ich sagen, Du hast alles richtig gemacht! Lass‘ sie ja nicht laufen!“
„Du würdest also sagen, alles ist sowieso egal?“
„Ich würde sagen, wir fahren allesamt zur Hölle in einem Holzeimer, und wir können genauso gut die Fahrt in vollen Zügen genießen!“, sagt sie großspurig, und ext ihren Drink.
Shadrack sieht sie an und lächelt hintersinnig.
„Ich glaube, Du bist schon betrunken, May B.“, bemerkt er dann.
„Nach nur einem Whiskey! Ich bin voll aus der Übung, seit wir in Faraway sind! Aber Dir einen vorzusaufen ist lustig, vielleicht besonders deswegen, weil Du nicht mitsaufen willst.“
„Zum Wohlsein.“
„Die Frage ist nur“, fährt May B. fort, „wird Miss Muroa nicht einsam sein, wenn Du sie mit zurück nach Hause nehmen solltest? Sie wirkt, als sei sie mit Maiqarooba mehr vertraut als mit den meisten Spacer-Fuzzis hier oben!“
„Was meinst Du damit, zurück nach Hause nehmen? Wir kommen nicht durch den Tunnel zur Erde!“
„Ich meine 1876. Wir haben tagelang diese Scheiß-Datenbank durchforstet. Wir haben zwar nur oberflächliche Informationen, aber davon immerhin eine ganze Menge. Wir wissen jetzt, dass wahrscheinlich“, und sie gestikuliert vage in den Schankraum, „… all das hier passiert, wenn die Geschichte abläuft wie bisher. Aber wenn wir das, was wir jetzt wissen, zurück nach 1876 bringen?“
„Du sprichst davon, nachträglich Einfluss auf den Verlauf der Ereignisse zu nehmen? Das klingt ungeheuer gefährlich … beim kleinsten Fehler könnte etwas Unvorhergesehenes …“
„Das klingt wie eine unglaubliche Chance, Rex. Ich habe geschworen, die Kräfte der Reckoners gegen sie einzusetzen. Wir müssen zurückkehren, und es weiter versuchen. Und zwar zurück nach Gomorra, dem Sammelpunkt von allem, um das zu verhindern, was 1879 geschehen könnte.“
„Interessant. Ich habe auch schon mit diesem Gedanken gespielt. Nur, wie soll das gehen?“
„Was weiß ich, Du Strahlemann! Aber im Sommer hast Du gesagt, Du vermutest einen Rückgang der okkulten Phänomene. Als wir durch Utah geritten sind, weißt Du noch?“
„Ja, nach allen esoterischen Forschungsergebnissen die ich kenne, wäre das naheliegend. Das Übernatürliche ereignet sich oftmals zyklisch.“
„Ja, weißt Du was? Falsch geraten, Keule. Zyklisch, mein Arsch. Zweihundert Jahre später gibt’s immer noch Ghost Rock, Walkin‘ Dead, und immer neue Magieformen. Selbst hier, in einem anderen Planetensystem! Keine Rückkehr zur guten, alten Zeit! Wir müssen einschreiten, Rex“, sagt sie, mit einer fast beängstigenden Intensität, und schenkt sich einen Neuen ein, „nur, daher meine Ausgangsfrage, was machen wir dann mit Deiner Zamantha?“
Shadrack versucht sich vorzustellen, wie er Zamantha seiner einstmals zurückgelassenen Familie in Neuengland vorstellt. Vor seinem inneren Auge trägt sie dabei ein gelbes Rüschenkleid, und absurderweise trotzdem noch ihre Anouk-Schmuckketten aus Weltraumschrott.
„Ich kenne ein paar wenige unserer Zeitgenossen, die durchaus glückliche Mischehen führen! ... Aber Zamantha wäre nicht glücklich in dieser Zeit. Sie findet mich als Person ja schon rückständig. Sie hätte nichts verloren im Amerika der 1800er, in einem Krieg, der zu allem Überfluss ursprünglich um die Sklaverei entbrannt ist! Ich muss mich schämen, weiße Plantagenbesitzer überhaupt meine Zeitgenossen zu nennen.“
„Du bleibst jetzt aber nicht einfach Deinerseits hier zurück, in der Zukunft, nur weil sie das Schönste ist, was unter Banshees Sonne herumläuft!“
„Oh lala! Das klingt beinahe eifersüchtig!“
„Du hast ja keine Ahnung, Mann! Wie auch immer, wir brauchen Dich in Gomorra. Wir müssen das alles abwenden, alles, was geschehen wird. Geschehen ist. Irgendwie.“
„Wie auch immer, May B., wird Zamantha Muroa nächstes Jahr einen Digger-Häuptling heiraten, um ihr Einflussgebiet zu vergrößern! Ich bin nur ein kurioser Seitensprung für sie. Wenn es einen theoretischen Rückweg geben sollte, zurück in unsere eigene Zeit, nach Gomorra, dann würde ich ganz gewiss mitkommen.“
Sie nickt zufrieden, und nippt an ihrem Getränk, „Hm! Dann müssen wir diesen Rückweg also nur noch finden!“
« Letzte Änderung: 15.06.2024 | 14:08 von Schalter »

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #227 am: 17.06.2024 | 16:51 »
Könnte ein bisschen tricky werden! Nicht ganz so tricky ist es glücklicherweise, Zamantha bei der Decodierung von Maiqaroobas Lied zu helfen. Die Prinzessin ist immer noch dabei, an Bord der Station das richtige KI-System ausfindig zu machen. Es handelt sich um ein Geo-Informations-System aus der Zeit der Erstbesiedlung Banshees vor fast fünfzig Jahren. HI hat wie erwartet Geräte von dem veralteten Modell noch — nur wo genau auf Tunnel Station die vor sich hin stauben, ist nicht so leicht herauszubekommen.



In den Tiefen von Tunnel Station gibt es zahllose verstaubte Archive und Lagerhallen



Die Umstände jedoch, unter welchen ursprünglich das geheimnisvolle Lied zu dem Anouk kam, können jetzt bereits geklärt werden, einfach durch May B.s Hexenkünste. Am folgenden Morgen setzt sie sich mit ihm in den Frachtraum der Explosivo, und beginnt ihm in die Ohrlöcher zu wispern, um Speak Language zu aktivieren. Das gelingt auf Anhieb:
„Wo kommst Du her, Maiqarooba?“, flüstert May B. leise.
Der Anouk zieht seine wulstigen, violetten Augenbrauen hoch, und blinzelt sie verwundert an. Er entgegnet etwas auf seiner Sprache, was für May B. verständlich ist als, „Nanu, was kommt als nächstes, können jetzt auch Barkas fliegen …? Wie kann das sein, dass ich Dich verstehe?!“ Seine Stimme klingt tief und durchdringend wie die der meisten Anouks, und ein bisschen, als würde er mit einer heißen Kartoffel im Mund reden.
Die Hexe kichert, und wispert, „Ich habe ein paar unsichtbare Freunde, die sprechen alle Sprachen der Erde, und offensichtlich auch die Sprachen die‘s auf Banshee gibt! Kannst Dich mir anvertrauen, keine Angst, Maiqarooba.“
Er zögert nachdenklich, dann sagt er beschwingt, „Aber ja, gute Zusammenarbeit! Wo ich herkomme? Das Stammesdorf meiner Eltern lag im Fertile Crescent, in der Nähe von dem Ort, den die Erdlinge gebaut haben, den sie Temptation nennen. Ich bin eigentlich Maiqo Zodorooq-Asook, vom Clan der Asooja. Wir sind einer der stolzen Clans der Asai. Und Du bist May-Bee, vom selben Clan, von dem auch der ist, den wir Shaddrakk nennen! … Wir sind Verbündete!“
„Ja, genau! Kriegst ja doch einiges mit, obwohl Du unsere Sprache nicht verstehst! Muss ziemlich nervtötend sein für Dich, das alles hier.“
„Hmmm. Nein, wieso? Ich wollte schon immer einmal hinauf zu Banshees Sternen, dahin, wo Ihr Erdlinge herkommt! Es mit eigenen Augen sehen! … Was für ein vortreffliches Abenteuer!“
„Dein Wort drauf, Pardner! … Kannst Du mir erzählen, woher Du das Lied kennst, das Du Shadrack und Zamantha vorgesungen hast?“

Ja, das wollen wir gerne wissen, kleine Hexe. Habe ich mir noch nichts zu ausgedacht! Also die Orakelkarten rausgeholt: Die Karten sagen, physically Take New Knowledge. Klingt, als wären die Koordinaten jemandem möglicherweise gewaltsam abgenommen worden! Also fragen wir die Orakel weiter, wem denn? Das Ergebnis ist, die Informationen sind einem mystisch interessierten Commoner abgenommen worden, von Local Inhabitants. Dementsprechend:

„Als ich vorletztes Jahr bei meinem Handelsposten war am Rand des Fertile Crescent, kam eines Tages ein Erdling zu uns, May-Bee“, berichtet Maiqarooba gelassen, „es war einer von den Schürfern, aus einer der früheren Boomtowns. Er war halb verdurstet! Der einzige Überlebende einer Expedition hinaus in die Great Wastes.“
„Wonach hatte diese Expedition denn gesucht?“
„Dasselbe, wonach die meisten Kolonisten trachten, Ghost-Rock-Vorkommen natürlich!“
„Und wenn Dein Lied eigentlich Koordinaten beschreibt, dann … führen diese Koordinaten natürlich zu einem solchen Vorkommen.“
„Der Erdling war überzeugt davon. Nur seine alte Maschine konnte dieses Lied erdichten. So eine hatte er, und er hat sie es uns vorsingen lassen. Derjenige unter uns Anouks mit dem besten Gedächtnis sollte zuhören, um es sich zu merken! Das war ich. Mein Gedächtnis ist sehr, sehr gut. Der Erdling sagte, das Lied der alten Maschine sei das Wertvollste, was er anzubieten habe. Ich solle es ja gut bewahren! Und das habe ich.“
„Aber Momentchen, Maiqarooba, hast Du nicht gesagt, Du warst damals bei einem Handelsposten …? Wofür hat der Kerl denn seine ach-so-wertvollen Koordinaten eingetauscht?“

Die Orakelkarten sagen daraufhin, physical Community.

„… Dafür, dass wir ihn zurück nach Temptation bringen. Wir Anouks sind zäh und stark. Wir hatten an dem Handelsposten außerdem mehrere Barka-Fuhrwerke. Der Schürfer war fast verdurstet, und am Ende seiner Kräfte. Er wollte bloss zurück in die Erdlings-Stadt, um seine Familie wiederzusehen. Sonst nichts mehr.“
Das solltet Ihr dem glauben?! Der hatte doch alles aufs Spiel gesetzt für diese Expedition in die Great Wastes! Wenn das wirklich eine nennenswert große Ghost-Rock-Ader ist, wäre er verdammt noch eins ein gemachter Mann gewesen!“
Maiqarooba schüttelt mitfühlend den Kopf, „Der Schürfer hat gesagt, er wolle den Reichtum nicht mehr. Die Suche hatte alle seiner Kameraden das Leben gekostet. Er hat gesagt, er habe seitdem verstanden: Die Gier nach mehr Reichtümern habe alle Kolonisten ins Verderben geführt, hier in Faraway. Er wollte nur noch zu seiner Familie zurückkehren — und die Great Wastes vergessen.“
„Tragisch …“, sagt May B. nachdenklich.
„Anderen kann es aber zugute kommen, was ihm so viel Pech gebracht hat. Ich habe im Dorf der Thra’Door den Orrax-Kriegern davon erzählt! Das Dorf braucht die Reichtümer der Erdlinge, wenigstens deswegen, weil es versteckt bleiben muss! Leider gab es aber auch dort nur Streit deswegen …“
Maiqarooba senkt den Kopf, seine fremdartige Mimik sieht für die Hexe aus, als sei er bekümmert. Der Anouk scheint nicht beabsichtigt zu haben, dass es in Zamanthas Dorf so viel Unfrieden gab um seine Person.
„Und was willst Du für Dich selbst, Maiqarooba? Zurück zu diesen … Tandoori-Anouks?“
„Thra‘Door-Anouks!“
„Upps, ja sicher, 'tschuldigung ...“
„Ich war im Dorf der Thra’Door nur für eine Weile untergekommen. Ich bin ein reisender Händler. Früher oder später wäre ich weitergezogen.“
„Ehrlich gesagt, mein lila Amigo, könntest Du richtig viel Geld machen mit Deinem Geheimnis. Ich meine … so gerne ich Rex und seine Zamantha habe … die sind beide ziemlich hochnäsig … die würden die ganzen Credit Dollars, die dieser Claim abwirft, wahrscheinlich dem Dorf der Thra’Door einverleiben. Keine Ahnung, ob sie Dir nennenswert was abgeben wollen davon … müsste man mal verhandeln ...!“
Maiqarooba sieht mit einem nachdenklichen Mona-Lisa-Schmunzeln ins Nichts.
„… Haste mir zugehört, Pardner?“, wispert May schließlich, unsicher, ob ihr Hexenspruch vielleicht bereits seine Wirkung verloren hat.
„Ich bin nicht hinter dem her, was Ihr Erdlinge ‚das große Geld‘ nennt, May-Bee!“, sagt der Anouk schließlich, ganz zufrieden, „ich muss in die Gesellschaft kommen von Verbündeten, die verstehen können, was die vielgestaltigen Steine sagen! Verbündete, die verstehen können, was Sturm und Gestein für uns bereit halten!“

Genau, denn als Maiqarooba noch gar nicht selbst im Spiel war, hatten wir ja als sein Charakter-Ziel ermittelt, physically Obtain mystical Allies! (Und zwar hier: https://www.tanelorn.net/index.php/topic,122886.msg135220381.html#msg135220381)


Gelingt es derweil Zamantha Muroa, das gesuchte KI-Gerät zu finden? Die Orakelwürfel bestätigen das knapp. Also muss man nur noch Maiqarooba dorthin bringen, und sein memoriertes Lied vorsingen lassen, dann hat Zamantha den Schlüssel, um ihr Dorf reich zu machen! Einen GM Move gibt’s zwischendurch auch: Advance a Plot! Oh, wie nice! Da fällt mir gleich ein Plot ein:



Kinraide ist normalerweise eher der relaxte Typ


„… Ihr beiden interessiert Euch doch für die Vostros, richtig?“, fragt Kinraide an Bord der Explosivo während der Hektik, die soeben entstanden ist. Zamantha hat vorhin das richtige Quartier an Bord der Raumstation gefunden, und will nun eilig den Anouk abholen; Shadrack ist besorgt, dass HI‘s Schergen erneut herumspionieren könnten, um die Koordinaten zu stehlen und ihnen zuvor zu kommen beim rechtskräftigen Erwerb des Claims; May B. und Fourth Wall wiederum sind besorgt wegen dem Herumschnüffeln des Colonial Ranger neulich.
„Was hat denn das jetzt damit zu tun?“, fragt Shadrack den dicken Funker misstrauisch, „was ist mit der Vostros?“
Kinraide zuckt unsicher mit den Schultern, und sagt, „Ein Kumpel von mir hat mir gerade gesteckt, dass sie wieder auf‘m Radar aufgetaucht ist. Diesmal in Reichweite von Deadrock. Das ist ein Ort im Belt, gar nicht allzu weit von hier ...“


Während Rex und May B. also in einer der tiefer gelegenen Gerätehallen von HI darauf warten, dass Maiqaroobas Lied von der KI ausgewertet wird, wechseln sie einen angespannten Blick.
„Denkst Du die ganze Zeit über auch, was ich denke?“, fragt sie.
„Solcherlei ‚Denkst-Du-Was-Ich-Denke-Fragen‘ enervieren mich einigermaßen“, knurrt der Hexslinger, „das ganze Jahr über folgte daheim auf der Erde daraufhin immer irgendein hundsdämliches Witzchen von Mister Byrd!“
May B. grinst, und sagt, „Was die Vostros betrifft, meine ich!“
„… Du stellst Dir vielleicht vor, sie ist weiterhin instabil, und neuerliche Portale könnten sich an Bord auftun!“, raunt er.
Die Hexe nickt aufgeregt, „Ja, ganz genau! Wenn wir an Bord zurückkehren mit jeder Menge Feuerkraft, um die Void Spiders und Walkin’ Dead und das ganze Kroppzeug auszuräuchern, dann könnten wir diesmal das Scheiß-Wrack eingehender erforschen! … Stell’ Dir das nur vor! Vielleicht haben sich neue Übergänge in unsere eigene Gegenwart geöffnet …!“
„Das ist furchtbar riskant …“, beginnt Rex.
„Das sagt Du immer, Du olle Unke!“
„Das Raum-Zeit-Kontinuum ist nicht eben so etwas wie die Eisenbahn von Chicago nach Wichita! Vielleicht haben sich an Bord neuerliche Portale aufgetan, May B. — aber die führen diesmal vielleicht geradewegs in die Deadlands! Oder in eine noch andere Zeit, viele Jahrtausende entfernt, eine Epoche wie Hyperborea, die für unseren begrenzten Menschenverstand gar nicht mehr begreiflich ist! Oder auf einen Planeten, der überhaupt keine Atemluft hat, und keine Gravitation!“
„Ja, ja, mach’ mal halblang. Hast ja Recht. Wir brauchen jemanden, der für uns orakeln kann. Einen Weissager, wie Joseph Eyes-Like-Rain unserer Zeit einer war! Oder diese Carlotta Rovaro in Denver.“
„Interessante Idee. Aber wen?“
„… Kannst nicht Du Deine Karten befragen?“
Shadrack zögert, und sagt dann, „Das könnte ich durchaus versuchen. Aber ich bin ein Laie; solch einen Orakelspruch den Manitous abzutrotzen ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Glücksspiel. Willst Du unser Schicksal in die Hände eines Glücksspiels legen, May B.?“
„Hah! Wäre doch nichts Neues, Pardner!“


Fourth Wall und Kinraide sind gerne bereit, die anderen Wild Cards wieder weg von Tunnel Station zu bringen. Zamantha hat an diesem Abend bereits alle Schritte unternommen, um bei den Behörden für die ermittelten Koordinaten einen Claim abzustecken. Die Besitzrechte können daraufhin über mehrere Ecken den Thra’Door-Anouks zugespielt werden, und danach auch die Gewinne, welche der Claim erwirtschaften wird. Nun will Zamantha natürlich schnellstmöglich zur Planetenoberfläche zurückkehren, um Häuptling Yoxoon und den anderen davon zu berichten, und alles weitere in die Wege zu leiten. May B., Rex, und Fourth Wall lässt der Gedanke jedoch nicht los, was es mit der neuerlichen Sichtung der Vostros auf sich haben könnte.
„… Und Deadrock liegt so ziemlich auf unserem Weg nach Banshee“, sinniert Fourth Wall, „so wie die Konstellationen gerade stehen. Ist dementsprechend kein großer Umweg, und Kinraide und ich können dort obendrein ein paar der Waren zu Credits machen, die wir neulich hier an Bord genommen haben.“
„Was ist das für ein Ort?“, knurrt Shadrack angespannt, seine Pfeife zwischen den Zähnen.
„Och, einer von zahllosen ausgehöhlten Asteroiden im Belt“, sagt Fourth Wall, „ist längst ausgebeutet was Ghost Rock und andere Bodenschätze betrifft. Aber die Spacer dort haben ihre Einrichtungen trotzdem nicht aufgegeben; ist heutzutage ein großer Truck Stop, quasi für Leute wie uns. Natürlich weniger schick als Tunnel Station! Noch ein Stück raubeiniger!“


Das verlangt wohl nach einem GM Move: Ein Zufallsereignis! Es ist, socially Harm a technical Current Need. Die Erfüllung eines derzeitigen Bedürfnisses wird gesellschaftlich verhindert. Na ja, unsere Wild Cards wollen alle schleunigst Richtung Banshee abfliegen. Sieht so aus, als habe die Gemeinschaft von Tunnel Station was anderes für sie im Sinn! In wessen Gestalt wird dies denn offenbar? Die Orakelkarten sagen: Social Mystics who want to physically Harm a mystical Plot Arc. Mit anderen Worten, Mystiker oder Verschwörer sind der Crew der Explosivo auf die Schliche gekommen, die nun die Allgemeinheit anstacheln, unsere Helden nicht weg zu lassen. Und da es diesen Mystikern laut den Karten um einen ‚mystical Plot Arc’ gehen soll, heißt das, dass sie ahnen, dass May und Rex Zeitreisende sind …!

Während die Crew der Explosivo also ihre Startvorbereitungen trifft und den Kurs zum Asteroidengürtel programmiert, bildet sich ein Grüppchen aus Spacern an ihrer Docking Bay. Gleichzeitig beginnen Kinraides Funkkanäle heiß zu laufen. Alle möglichen Raumpiloten fordern, dass die Explosivo-Crew Stellung bezieht zu einem Gerücht, das sich gerade auf Tunnel Station über sie verbreitet.



„… Die Stinkstiefel drohen sogar damit, zur Stationsleitung zu dackeln deswegen!“, sagt Kinraide ratlos, über seine Anzeigen gebeugt.
„Hat der vermaledeite Law Dog was damit zu tun? Hat der die aufgehetzt?“, fragt May B. aufgebracht.
Der Funker winkt ab, „Nee, glaube ich nicht. Der Pöbel hier will wissen, was Du und Rex für welche seid. Von wegen, ob Ihr Schmuggler oder Reaper-Outlaws wart unten auf Banshee. Der Colonial Ranger, nee, der steckt da nicht hinter, der könnte ja einfach erneut aufmarschieren und direkt Antworten verlangen! Das hier ist die Handschrift von wem anderen. Einer, der mit Tricks und Volksverhetzung arbeitet. Hier heißt es ... das Phantom vom Chacona Mountain hat auch seine Finger mit im Spiel hier ... und ein halbes Dutzend anderer zwielichtiger Fressen ...“
„Seht Ihr, Leute“, knurrt Fourth Wall mit einem Blick auf die Menge, die sein Schiff umlagert, „das kommt davon, wenn man sich mit dem okkulten Untergrund einlässt. Jetzt ist der okkulte Untergrund bei unserer Docking Bay aufmarschiert um Euch in den Arsch zu beißen. Manisches Gesocks.“
„Wieso okkulter Untergrund?“, fragt Rex alarmiert.
Fourth Wall weist auf die vielen Glücksbringer und Talismane an den Raumanzügen einiger der Belagerer, einer in dem Grüppchen macht auch gerade esoterische Schutzzeichen über sich in der Luft.
„Woran glauben die denn?“, will die Hexe neugierig wissen.
Fourth Wall zuckt die Schultern und reißt sich eine Bierdose auf, „Tja, Faraway ist ein großer Schmelztigel aller Weltreligionen! Und es sind seit 13 Jahren äußerst dunkle Zeiten hier, abergläubische Zeiten! Habe ich doch auf dem Hinflug hierher schon gesagt, Death Metal Queen. Du und Mister Shadrack seid nicht die einzigen, die an das sogenannte Reckoning glauben.“
Kinraide sagt, „Je länger wir jetzt mit dem Abflug warten, desto eher kann es sein, dass das ganze Aufsehen auch HI‘s Interesse weckt, und das vom Colonial Ranger. Fourth Wall, sieh‘ doch bitte mal zu, dass Du die abgewimmelt kriegst, und zwar pronto!“
Fourth Wall nickt entschlossen: „Fuck yeah. Miss Muroa, begleiten Sie mich bitte mit raus. Ihnen fressen die womöglich aus der Hand, Sie sind gut mit Worten!“
Rex Shadrack tritt dazu, und grollt, „Dann komme ich auch mit. Ich bin gut mit Androhungen von Konsequenzen.“

Wir machen hier ein Quick Encounter, um die aufmarschierten Verschwörungstheoretiker zu beschwichtigen und zu zerstreuen. Wenn das klappt, wird die Explosivo starten können, wenn nicht, werden offizielle, unliebsame Instanzen eingeschaltet werden.
Fourth Wall wirkt auf seine Spacer-Kollegen ein, und erzielt einen dicken Erfolg. Zamantha Muroa übernimmt schließlich das Reden, und erreicht dank ihrem Very-Attractive-Bonus ein Raise. May B. derweil hält sich im Hintergrund und verstärkt mit ihren Hexenkünsten das Auftreten der Stammesprinzessin, und kommt mit Spellcasting auf ein Raise, und verleiht ihr eine besondere, hochherrschaftliche Aura der Glaubwürdigkeit! Shadrack steht neben ihr wie ihr fieser Wachhund, und begnügt sich damit, widerspenstigen Spacern berechnende Blicke zuzuwerfen, und würfelt einen hohen Intimidation-Erfolg. Das Quick Encounter hat mit Bravour geklappt, nun hält fast niemand mehr die Explosivo-Crew für Reaper, Verschwörer, oder Okkultisten, egal wie schillernd und geheimniskrämerisch sie in den vergangenen Wochen hier erschienen sind. (Maiqarooba kann sich aus dem Quick Encounter raus halten, derartige Interaktionen sind auch nicht eben seine Stärke.)

Damit gehen alle Wild Cards an Bord des Schiffes, und die Antriebe werden hochgefahren. Ob diese neueste Verwicklung noch Folgen haben wird, draußen im Dunkel, oder an dem Truck Stop namens Deadrock, das werden die Orakelwürfel zu entscheiden haben … aber Folgen wird es sehr wahrscheinlich geben. Vorerst schwebt die Explosivo ungehindert aus dem Hangar der Station, und jagt dann hinaus ins weite All ...
« Letzte Änderung: 23.06.2024 | 13:22 von Schalter »

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #228 am: 23.06.2024 | 23:54 »
Soundtrack: Deep Purple, Space Truckin'
https://www.youtube.com/watch?v=hHOrpFeXUao

Reisezeiten im Weltall variieren je nach derzeitiger Konstellation. Fourth Wall macht wie immer seine Astrogation, um den Kurs zu berechnen, und laut Tabelle (Lost Colony-Regelbuch, S. 67) dauert der Raumflug von Tunnel Station in den Asteroidengürtel 1+W10 Tage. Da kommen wir auf fünf Tage, größtenteils ereignislos. Genug Zeit für Rex Shadrack, allen anderen an Bord gründlich das Pokern und das Faro-Spiel beizubringen. Da sie wie üblich mit aktiviertem Gravity Drive fliegen, gibt es unterwegs immerhin halbe Schwerkraft an Bord, das reicht gerade so, um die Karten auf dem Tisch zu halten. Über die unglaubliche Behauptung von May B. über die Herkunft der beiden Zeitreisenden betrifft, werden während dieser Zeit nur wenige Worte verloren. Die anderen scheinen jetzt erstmal ein Weilchen zu brauchen, um das alles sacken zu lassen.

Laut Encountertabelle passiert ansonsten nichts auf diesem Flug — bis zum Ankunftstag, für den ziehe ich einen Joker! Das gibt gleich zwei Encounter auf einmal, kurz vor Deadrock. Die beiden Resultate sind Freighter und Homestead.

Die Frachtschiffe, welche die Explosivo am fünften Reisetag überholt, wollen auch Zwischenstop auf Deadrock machen und dann weiter nach Banshee. Kinraide tauscht gutgelaunt über Funk eine Weile mit denen sein Spacer-Latein aus.

Haben die Fuzzis auf den Frachtern wohl auch von der Vostros gehört? Immerhin nähern wir uns den Koordinaten, wo sie geortet worden sein soll! Die Orakelwürfel bejahen das:

„… Seht mir bloß zu, dass Ihr nicht auf den Kurs geratet, dem die Vostros folgt!“, warnt der Funker auf dem Frachtschiff Kinraide.
„Wieso?“, fragt dieser munter zurück, „die ist doch harmlos! Seit sie wieder im Faraway-System ist, soll sie keine Kampfhandlungen versucht haben. Vielleicht funktionieren die Waffensysteme nicht mal mehr!“
„Aber habt Ihr Knaller nicht die Vids gesehen? Da an Bord geht der Zombie-Virus um! Alles schwer verseucht! Nichts, was an Bord der Vostros abnibbelt, bleibt tot! Es gibt mehrere Vids davon, wie‘s da an Bord aussieht, alter Schwede! Ich für meinen Teil würde nicht mal deren Flugbahn kreuzen, nicht, dass sich noch ein Wrackteil löst von dem klapperigen Kasten, und mit unserem Frachtschiff kollidiert, da ist überall die Ätze von dem Zombie-Virus dran!“
„Was soll das denn sein, ein Zombie-Virus?“, fragt May B. verdutzt aus dem Hintergrund, die Stiefel auf den Armaturen.
Kinraide schließt den Funkkanal und dreht sich zu ihr um: „Na, irgendwo müssen die Gerüchte von der Zombie-Invasion doch herkommen! So 'ne Gerüchte gibt’s hier im Dunkel genauso wie on-planet auf Banshee. Ich hab‘ eins der Vids von Bord der Vostros gesehen, total verstörend, wandelnde Leichname! Das deckt sich mit Euren Berichten! … Viele Leute glauben, das hängt mit Verunreinigungen von irgendwelchen Lebenserhaltungssystemen zusammen. Oder irgendwas, das aus HIs Geheimlabors entkommen ist! So wie in den alten Vids von Terra, klar? Sie beißen einen, und schon ist man infiziert, und wird selbst ein Zombie, bu-hu, hungrig nach Gehirnen!“
Die Hexe winkt ab, „Ach Bullshit, Untod ist nicht ansteckend. Rex hier ist bei Syracuse mal volle Möhre von einem Walkin‘ Dead gebissen worden, und dem ist überhaupt nix passiert. Außer, dass es sofort genäht werden musste! Mit zehn Stichen oder so! Die Walkin‘ Dead sind ein Phänomen von Besessenheit durch Manitous.“
„Stark“, kommentiert Fourth Wall vom Pilotensitz aus, und dreht sogar Deep Purple ein bisschen leiser dafür, „woher willst‘n das wissen? War das damals im Alten Westen Stand der Zombie-Forschung oder was?!“
„Nee, Quatsch“, ereifert sich May B., „aber ernstzunehmende Okkultisten wussten das schon, und vielleicht treue Leser des Tombstone Epitaph. Das ist nicht wie bei Werwölfen oder Nosferatu. Lykantrophie und Vampirismus, die werden über den Biss übertragen. Das, was Ihr ‚Zombies‘ nennt, kommt von dämonischer Besessenheit.“
Shadrack ist ins Cockpit gekommen, und mischt sich ein: „Überhaupt wunderlich, dass Ihr hier heutzutage den Begriff Zombie verwendet. Unserer Zeit hießen diese Erscheinungen Walkin’ Dead. Zombie sagten nur die Voodoo-Hexer bei der Bayou-Vermillion-Eisenbahn. Der Begriff muss sich nach unserer Zeit irgendwann in die Umgangssprache verirrt haben! … Schön übrigens, dass wir hier schon wieder so offen über Arkanwissen plaudern!“, und er sieht rügend auf May B. hinab.
Die winkt ab, „Komm‘ schon, Rex, die beiden hier leben in einer Zeit die von okkulten Mächten völlig unterwandert ist, und wissen nicht mal einen Scheiß! Die wissen nicht mal, was ein Walkin‘ Dead ist und vermutlich auch nicht, wie man ihn wieder abgemurkst kriegt!“
„Nur, dass das bei uns draußen im Weird West halbwegs verbreitet war, heißt ja nicht, dass wir jetzt hier Gerüchte säen müssen!“, knurrt er.
Fourth Wall versucht auch mal was zu sagen, aber kriegt keine Gelegenheit, die Hexe fährt fort: „Wir sollten denen helfen. Die wissen hier gar nicht, was sie vor 13 Jahren getroffen hat. Dass das ursprünglich mit den Reckoners zusammenhängt. Und wir? … Wenn alles klappen sollte wie erhofft, dann sind wir in wenigen Tagen wieder weg, und dann lassen wir die Menschen und Anouks hier zurück! … Die armen Schweine fangen fast wieder bei null an, Rex, mit Nachforschungen, die wir unserer Zeit bereits gemacht hatten!“

Shadrack will weiterhin Paroli bieten, aber in dem Moment gibt Fourth Wall gerade das Signal, dass er vom Gravity Drive auf reguläre Geschwindigkeit herunter schalten muss; sie erreichen nun den Belt, da ist das wahnwitzige Tempo des Gravity Drive zu gefährlich. Alle sollen sich anschnallen und losen Krempel vertäuen. Was nicht festgemacht ist, beginnt zu schweben, Shadracks Pfeife und Tabakbeutel im Küchenbereich zum Beispiel, denn in dieser Fluggeschwindigkeit gibt’s keine künstliche Schwerkraft. May B. beginnt sich langsam an das Prozedere zu gewöhnen; Rex, Zamantha, und Maiqarooba sehen allerdings aus, als sei ihnen etwas blümerant.

Dabei passiert die Explosivo einen kleineren Asteroiden, in dessen Kruste eine winzige Station eingebaut wurde, im Grunde nicht mehr als ein abgelegenes Farmhaus (das ‚Homestead‘, das die Encountertabelle angegeben hat). Die Fensteröffnungen leuchten heimelig in der Dunkelheit.

Wir würfeln auf der Reaktionstabelle aus dem SWADE-Grundbuch: Die Asteroiden-Einsiedler sind der Explosivo gegenüber Neutral eingestellt. (Die werden also nicht von sich aus funken, oder gar das Feuer eröffnen.)

„Wie viele von solchen besiedelten Felsbrocken gibt’s hier im Belt eigentlich?“, fragt May B. verwundert im Vorüberfliegen.
„Hunderte“, ruft Fourth Wall gutgelaunt über den Heavy Metal hinweg, „viele sind aktive Minen, andere sind ausgebeutete Minen, die nur noch als Wohnraum herhalten. Wie ja auch Deadrock! Ein hübsches Leben eigentlich, wenn man ordentliche Lebenserhaltungssysteme am Laufen hat, und gute Beziehungen zu Händlerschiffen!“
„Und nette Gesellschaft, und keine Angst vor Einsamkeit, so weit draußen“, vermutet May B., und versucht hinter den Fensterchen Gesichter zu erkennen.
„Ganz recht!“, bestätigt Fourth Wall, „und gute Waffensysteme gegen Raumpiraten helfen auch, und keine Angst vor Gruselgeschichten! Womit wir wohl wieder bei Eurem Thema wären …!“
Shadrack folgt Mays Blick nach draußen, und sagt nachdenklich, „Ich habe im Weird West Männer und Frauen gesehen, die mit ähnlicher Zähigkeit an einem Stückchen Land festgehalten haben. Egal, wie abgelegen, hitzeverbrannt, oder von Rothäuten heimgesucht. Hauptsache, sie konnten es das ihrige nennen! So ist der Mensch wohl.“
May B. nickt gedankenverloren, und sagt, „Aber egal wie abgelegen, in unserer Zeit konnte man immerhin zur Not in einen Planwagen steigen, und binnen ein paar Monaten in die Zivilisation zurückkehren! Die Hombres dort sind völlig abhängig von ihrer Technik — wenn die mal ausfällt, ist sofort Feierabend für immer!“
Fourth Wall winkt ab, „Och, wir heute haben mehr Urvertrauen in die Technologie. Das war wohl im Alten Westen noch nicht so …“
May B. grinst, „Ja, die vielen instabilen Dampfmaschinen und der Große Eisenbahnkrieg haben uns das damals auch schwer gemacht! … Warum sprichst Du eigentlich immer vom Alten Westen? Heißt das etwa, Fourth Wall, Du glaubst uns?“
„Keine Ahnung mehr, was ich glauben soll, Miss Ortega! Klingt ja 'n bisschen gestört, was Ihr uns neulich auf Tunnel Station erzählt habt! Aber Ihr beide, Du und Mister Shadrack, Ihr scheint es felsenfest zu glauben! Und wir helfen Euch in jedem Fall. … Schaut mal, da vorne liegt Deadrock!“



Deadrock
Abgelegener Asteroiden-Truck-Stop, bevölkert von ein paar hundert verlorenen Seelen und zwielichtigem Gesocks — Furcht-Level 3

Gut, dass Fourth Wall und Kinraide hier eine Menge Leute kennen. Laut den Gerüchten um die Vostros wird der Aufenthalt unserer Wild Cards auch nicht lange dauern, denn das Geisterschiff soll laut Berechnungen der Beobachter hier bald vorbeifliegen.

Wir machen natürlich trotzdem einen GM Move: Erneut soll laut diesem ein Zufallsereignis geschehen. Die Orakelkarten sagen, Revealing of History. Fetzig, und wahrscheinlich sehr nützlich für unsere Zeitreisenden! Es gibt noch viele Hintergrundinfos, die sie auf Tunnel Station nicht herausbekommen konnten. Oder warten hier an dieser Stelle vielleicht Offenbarungen zur speziellen Geschichte der Vostros? Das wäre doch ganz atmosphärisch! Das fragen wir mal die Orakelwürfel, aber die sagen, ‚Nein, und außerdem‘, von dem Gespensterschiff haben also die meisten der raubeinigen Spacer hier gar nichts gehört, oder bezweifeln seine Existenz. Dann würfle ich stattdessen auf der Tabelle für Themes aus Ironsworn, um zu ermitteln, um welche Art historischer Offenbarung es geht: ‚Path’ ist das Ergebnis. Das klingt nach der Geschichte des Interspace Tunnel, der war ja der prominenteste ‚Pfad‘ dieses Sonnensystems, als er in Betrieb war. Oder ist die Straße zur Hölle gemeint?

Die Weitgereisten vertreten sich die Beine auf den wimmeligen Etagen des Handelshafens von Deadrock.



Hier ist das Klientel tatsächlich deutlich unzivilisierter als auf Tunnel Station: Langhaarige, Tätowierte, schwer Bewaffnete, skandierende Apokalyptiker, Bordellkunden, Besoffene, und Streitsucher sind hier unterwegs; es gibt Scrapper, Bauchladenverkäufer, schrottige Roboter, allerlei Söldner, Punks, und Space Trucker. May B. und Zamantha werden vielerorts von den ungewaschenen Spacern geradezu mit Blicken ausgezogen. (Es gibt auch eine Frau mit ungewöhnlichem Geschmack in der Menge, die offensichtlich Maiqarooba mit Blicken auszieht.) Dabei entdeckt May B. eine neueröffnete Bar, ein Schuppen namens ‚Houston‘.
„Schaut mal, ‚Original-Südstaaten-Hausmannskost‘ steht da dran, da würde ich nicht nein sagen, und essen müssen wir sowieso. Vielleicht ein Vorgeschmack auf mein Zuhause, sollte irgendwie alles gut gehen.“
„Was ist das, Houston?“, fragt Zamantha.
„Eine Stadt in Texas, in Nordamerika“, erklärt Rex, „wo man, wie ich am Rande bemerken muss, früher alldieweil nur begrenzt für Kochkünste berühmt war …! Aber vielleicht erfreut es May B.s Südstaatler-Seele, auch wenn sie ja gar nicht aus Texas stammt.“
„Ja, ja“, gibt May B. zurück, „hey, wenn Du hier eine Bar findest, die zufällig irgendeinen lustigen Yankee-Namen hat, dann gehen wir da als nächstes rein!“

Als sie in den Schankraum treten, sehen sie die zu erwartenden nostalgischen Erinnerungsstücke an den Wänden und unter Glasvitrinen. Keine Bürgerkriegs-Paraphernalia jedoch, sondern vor allem Dinge aus der Frühgeschichte der Raumfahrt.
„… Ja, kein Wunder“, kommentiert Fourth Wall, die Nase bereits tief in der Burger-Karte, „Die Konföderation hatte in den 1960ern kurzzeitig das fortschrittlichste Weltraumprogramm aller Länder auf Terra. Erster erfolgreicher Raumflug und so. Houston, Texas, war daraufhin die größte Raumhafenstadt die's überhaupt gab. Später sind alle HI-Flüge zum Interspace Tunnel auch von da gestartet. Ich erinner‘ mich auch noch vage an Houston, kurz vor’m Abflug auf dem Kolonie-Schiff, meine Fresse, das ist jetzt aber schon lange her … das Bier dort war okay, hat mein Alter gesagt ...“
May B., Shadrack und Zamantha machen neugierig die Runde durch den leeren Schankraum und nehmen die gerahmten Fotos näher unter die Lupe.
„… Merkwürdig“, knurrt Shadrack, während er mit zusammengekniffenen Augen die Plakette unter einer der Fotografien liest.
May B. stellt sich neben ihn und schaut auch darauf, es ist ein Bild des halbfertigen Interspace Tunnel im Sonnensystem von Terra, in den 2040ern. Ein erfurchtseinflößender Ring aus Metall, fast identisch mit Tunnel Station.
„Ja klar, die Erde hat natürlich auch einen solchen. Auf der einen Seite gingen die Raumschiffe rein, und aus der anderen kamen sie raus. Die 130 000 Lichtjahre dazwischen wurden irgendwie ‚zusammengefaltet‘, so dass die Reise nur ganz kurz gedauert hat, nicht Jahrhunderte oder was“, sagt sie, „hat Fourth Wall mir auf dem Flug von Banshee erklärt. Nur eben, wie HI das technisch gemacht hatte, konnte nie einer schnallen. Wahrscheinlich dasselbe, was wir in der Top of the World Lode gesehen haben, und in der vermaledeiten Wild Dog Gorge.“
„Ja“, sagt Shadrack gedankenvoll, „nur eben nicht als wild auftretendes Phänomen, wie unserer Zeit, sondern kontrolliert von Hellstromme Industries herbeigeführt! Auf das bloße Betätigen eines Knopfes hin! Faszinierend. Der alte Drecksack hat sich sogar getraut, das im größtmöglichen Stile zu kommerzialisieren. Aber weißt Du, was ich noch merkwürdiger finde?“
„Viel merkwürdiger geht schon gar nicht mehr. Der Scheiß mit den interstellaren Reisen wirkt auf mich so wie ... wie das Erscheinen des Dampfross auf meine Cheyenne-Vorfahren gewirkt haben muss … im Grunde unfassbar.“
Shadrack tippt auf die Plakette neben dem Bilderrahmen: „Hier steht als Beisatz, dass der Tunnel HIs größte Erfindung war auf dem Gebiet der Neuen Wissenschaft. Danach kamen nur noch ein paar militärische Technologien. Sowas haben wir ja auch schon in HIs Datenbanken gelesen, neulich. Nach 2063 hat die Neue Wissenschaft keine Öffentlichkeit mehr bekommen … und wurde nur noch im Geheimen weitergeführt. … Womöglich in gänzlich veränderter Form!“
„Ja … Die Techniker in Tunnel Station waren ja allesamt Scrapper irgendeiner geheimen, neumodischen Art.“
Shadrack nickt grüblerisch, „Als hätte das, was unserer Zeit in Roswell und Fort 51 und mit unserem geschätzten Collegium der Interräumlichen Physik angefangen hatte, 2063 plötzlich sein Ziel erreicht. Aber welches Ziel?“
„Du meinst, der Interspace Tunnel war die größte aller Erfindungen? Das goldene Kalb der Eierköpfe?“
„Vielleicht. Vielleicht gab es auch noch eine andere Innovation, von der wir nichts gelesen haben. … Aber was könnte dahinter stecken? Wie kann die Neue Wissenschaft um 1863 auftauchen und 2063 schlagartig wieder verschwinden?“
May B. zuckt die Schultern, und senkt ihre Stimme noch weiter: „Sieh‘ Dir doch unsere eigenen Künste an, Rex. Die Hexenkunst: Ganz groß im Mittelalter, ausgestorben nach der Inquisition. Danach noch einmal groß im Weird West, dank Mina Devlin. Bis 2094 erneut ausgestorben. … Zumindest habe ich hier in den vielen Wochen seit es uns hierher verschlagen hat, keine Kolonistin gesehen, die eine Hexenschwester hätte sein können! Und Hoyle‘s Huckster-Techniken? Ganz groß im Weird West nach dem Reckoning. Jetzt ebenfalls wieder ausgestorben. Wäre übrigens auch schwer zu verstecken, die pokern heutzutage ja gar nicht mehr, die spielen ja nur noch so ‚Videospiele‘ und so was.“
„Du willst sagen, wir sind Relikte der Vergangenheit?“, grinst Shadrack erheitert.
„Alles, was ich sagen will, ist … wir sollten zusehen, dass wir unsere Ärsche an Bord der Vostros schwingen, und dass wir da an Bord ein Portal finden, das zurück nach Hause führt!“


Kinraide macht sich nach dem Essen daran, seine Connection zu erreichen, um die Kursdaten der Vostros zu errechnen. Ist das geschehen, muss die Explosivo sie nur noch abpassen, wenn sie an Deadrock vorbei fliegt, und May B. und Rex an Bord bringen.

Während Kinraide das tut, würfeln wir uns einen GM Move: Foreshadow Trouble!

Fourth Wall entlädt mit der Hilfe vom Kraftmeier Maiqarooba kurz darauf gerade ein paar Kisten aus dem Laderaum der Explosivo. May B. sitzt auf einem der Triebwerke und sieht ihnen von oben zu. Dabei springt ihr ein kleines Raumschiff ins Auge, das weiter hinten in der Hangar-Halle des Asteroiden an einer der Docking Bays gelandet ist. Die Leute, die aussteigen, kommen ihr flüchtig bekannt vor. Sie weiß nur nicht sofort, von wo. Sie haben einen Typen in ihrer Mitte, der einen hellgrauen Kapuzenmantel trägt, und dessen Gesicht man nicht sehen kann im trüben Licht der Halle. Die Spacer scheinen sich suchend umzusehen. May B. schiebt reflexartig ihren Stetson tiefer in die Stirn, und zieht den Kopf ein. Unten weist sie flüsternd Fourth Wall darauf hin, und der sagt, „... Ja, klar! Das sind doch ein paar von den Visagen aus Portal. Die, die Euren Abflug verzögern wollten! Sieht aus, als habe Miss Muroa doch nicht alle von denen ganz überzeugt. Ein Shuttle ist uns bis hierher gefolgt. Die wollen Euch nicht so einfach den Abgang machen lassen wie‘s aussieht!“

Dann fragen wir mal die Orakelwürfel, ob Kinraide heute die Flugroute der Vostros errechnet bekommt! Die Würfel sagen, ‚Ja, und außerdem‘:

Das Geisterschiff wird morgen bereits Deadrock passieren … und es gibt obendrein eine tollkühne Crew von Plünderern, die bereits plant, sie dort abzupassen und an Bord zu gehen! Dies sind beileibe nicht die ersten Spacer, die sich an solch einem Entermanöver versuchen, es waren schon mehrmals EXFOR-Marines und Reaver an Bord der Vostros in den letzten Monaten. Keiner von denen hat jedoch fette Beute gemacht. Aber die Enter-Crew, die sich hier auf Deadrock zusammengeschart hat, will das ändern!

May B. gelingt es im Handumdrehen, sich dort mit einzuzecken: Diese Spacer sind froh über jede weitere helfende Hand. (Das unsere Helden in Wirklichkeit gar nicht vor haben, auf dem Rückweg nach Deadrock beim Tragen zu helfen, müssen sie den Spacern ja nicht auf die Nase binden!)
« Letzte Änderung: 24.06.2024 | 00:06 von Schalter »

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #229 am: 28.06.2024 | 14:58 »
„… Abflug gleich morgen früh, das ist plötzlicher als gedacht“, sagt Shadrack, „immerhin haben wir bis dahin noch einiges an Vorkehrungen zu treffen! Nicht zuletzt haben wir noch niemanden aufgesucht, der uns eine glaubhafte Voraussage machen konnte bezüglich dem Erscheinen von Portalen an Bord. Das ist bis jetzt nicht viel mehr als Wunschdenken von uns!“
May B. sagt aufgeregt, „Hier wimmelt‘s doch von zwielichtigen Gestalten! Hier wird es ja wohl fahrendes Volk geben, wo jemand das Zweite Gesicht hat. … Oder meinetwegen irgendeinen zurückgelassenen Syker aus dem Faraway War oder sowas.“
Shadrack klingt misstrauisch, „Und wenn es hier keine vertrauenswürdigen Okkultisten gibt, dann muss ich es mit meinen Kartenlegetechniken selbst versuchen, wie auf Tunnel Station besprochen.“
Fourth Wall sagt, „Ich kenn‘ mehrere Bars, wo wir vorsichtig mal nach irgendwelchen Hoschis aus dem okkulten Untergrund anfragen können.“
„Was ist mit denen aus dem kleinen Transportschiff …?“, fragt May B. zögerlich, „die, die uns seit Tunnel Station folgen? Vielleicht können die uns jemanden empfehlen!“
Fourth Wall verzieht das Gesicht, „Der Kerl in dem Kapuzenmantel ist wahrscheinlich das Phantom vom Chacona Mountain.“
„Wer ist das?“, verlangt Shadrack zu wissen.
Fourth Wall murrt, „Pah, der lässt dann natürlich seine Häscher wieder bei meinem Schiff aufmarschieren, sobald die uns entdeckt haben, und macht denselben Aufruhr wie auf Tunnel Station! Die sind heiß auf Sensationen, die wollen Krawall! Wäre vielleicht besser, wenn die uns gar nicht erst entdecken hier auf Deadrock.“
„Ich frage noch einmal, wer ist das?“, und aufkommende Ungeduld in Shadracks Stimme treibt seine Zuhörer wie immer zur Eile an.
„Das weiß eben keiner!“, sagt Fourth Wall hilflos, „der tritt doch immer vermummt auf! Vermutlich entstellt worden im Krieg, oder was weiß ich denn. Auf dem Chacona Mountain, auf dem Kontinent One, da gibt’s ein paar Dörfchen, wo Anouks und Kolonisten den für so eine Art Volkshelden halten. Hat eine kleine Anhängerschaft, seit ein paar der Online-Vids von dem am Kursieren sind. Selbst hier draußen im Dunkel.“
Kinraide fügt hinzu, „Seine Leute sind aber vor allem Hacker, und zwar ziemlich gefürchtete …“
„Was meinst denn mit Hacker?“, fragt May B. angriffslustig, „nach wem hacken die denn, ich bin da auch nicht schlecht, ich habe hier eine Machete, und einen Tomahawk!“
„Äh, ja nee … heutzutage sind Hacker Leute, die Computernetze auf andere Weise verwenden können als sie eigentlich gedacht sind … und gerade die EXFOR und HI haben sehr viele Netze, die streng geheim sind. Die Leute vom Phantom haben denen ein paarmal online so richtig den Arsch auf Grundeis gehen lassen.“
„Warum machen die das?“, will Shadrack wissen, „ist das nicht tollkühn? Ich dachte, die EXFOR sind diejenigen, die das bisschen Infrastruktur bewahren, das es seit der Abschottung von der Erde überhaupt noch gibt? Warum sollte man die angreifen?“
Zamantha reckt das Kinn vor, und versetzt, „Warum? General Warfield hat versucht, einen Auslöschungskrieg gegen die Ureinwohner zu führen. Und er hat bis heute immer noch nicht davon abgelassen. Es gibt viele Gegenstimmen gegen seine Tyrannei, sowohl von Anouks sowie auch von Kolonisten.“
„Touché“, nickt Shadrack, „wenn Du es so sagst, leuchtet es wohl ein.“
Kinraide fährt fort, „Von der politischen Gruppe die sich um das Phantom zusammengeschart hat, kommen jedenfalls Aufrufe zu Militär-Boykotten, zu Vandalismus, manchmal zu Ökoterror. Viele Leute werfen sie deswegen von vornherein in einen Topf mit den Reapers. Wahrscheinlich ist das aber Bullshit, weil ihre Hacking-Taktiken offensichtlich eben nicht der persönlichen Bereicherung dienen.“
Fourth Wall zerdrückt seine Bierdose, und sagt, „Na das hat uns ja noch gefehlt! Wenn das Phantom vom Chacona Mountain Euch ausgeguckt hat als seine Widersacher, dann prost Mahlzeit!“
„Und wenn der Kapuzen-Heini und seine Hacker-Compadres solche Unruhestifter sind, warum schnappen die nicht die Colonial Rangers?“, fragt May.
Zamantha antwortet, „Das wurde letztes Jahr schon versucht. Das Gesetz hat diese Leute aber bisher nie bekommen, weil die Anouks sie schützen. Und die Wildnis Banshees ist sehr weit, und voller Verstecke. … Wie auch meine eigenen Schützlinge Dir bestätigen könnten ...“
„So so? Ist dieses sogenannte Phantom so wie Sie, Miss Muroa, unter die Ureinwohner gegangen?“
„Nein, das nicht. Es heißt … er sei auf dem Chacona Mountain von den Toten auferstanden. Die vielgestaltigen Steine bei der Grabstelle, wo man ihn beigesetzt habe, hätten ihn … irgendwie vor dem Tod bewahrt. Daher auch der Name.“
Shadrack und May B. wechseln alarmiert einen Blick, und der Hexslinger sagt, „Daher weht der Wind! Der verdammte Kerl ist ein Harrowed!“
Fourth Wall macht, „Hä?“
May erklärt, „Eine besondere Art von Walkin‘ Dead! Wir hatten‘s in Gomorra schon mit so einem zu tun. Verflixt zähe Burschen, diese Harrowed. Behalten angeblich in ihrem Unleben ihre eigene Persönlichkeit aus Lebzeiten, im Gegensatz zu normalen Walkin’ Dead. Sind aber verdammt dazu, die nach und nach an den Manitou zu verlieren, der sie reanimiert! Wir hatten‘s mit einem Südstaaten-Soldaten zu tun, der am Ende gänzlich von seinem bösen Selbst übernommen worden war. Nur ein Trick hat geholfen, den loszuwerden, das ging nur, weil wir seine persönliche Schwachstelle kannten!“
Fourth Wall gestikuliert aufgeregt, „Wir können jetzt aber nicht runter zum Chacona Mountain fliegen, um mal angelegentlich die Lebensgeschichte des Phantoms zu erfragen, so von wegen persönliche Schwäche und so! Ihr beiden Dudes habt einen Flug zu erwischen — und zwar morgen!“


Da hat Fourth Wall natürlich Recht. Die Zeitreisenden sind aber zu nervös, um mit einem Harrowed im Nacken eine derart wichtige Mission zu beginnen. Ein Colonial Ranger ist in der Hangar-Halle nicht auszumachen, man kann also die Verschwörer nicht einfach vom langen Arm des Gesetzes packen lassen. Also beschließen die beiden Wild Cards, den Verfolger selber zur Rede zu stellen.

Fragen wir doch mal die Orakelwürfel: Können die beiden ihrem Verfolger in einer dunklen Ecke des Hangars entgegen treten, ohne Aufmerksamkeit zu erzeugen? Die Würfel bestätigen dies!

Abseits des Geschehens bei den Docking Bays unterredet sich also der Vermummte gerade leise mit zweien seiner Spacer. Mit klopfenden Herzen treten die Wild Cards von hinten an die Verfolger heran, um den Spieß umzudrehen. Die drei Gegner wirbeln herum, in den Augen der Spacer ist Wiedererkennen zu sehen, und unverhohlene Angst, als sie Shadracks mörderischen Blick sehen.



Das Phantom vom Chacona Mountain trägt seine hellgraue Synthetik-Kapuze, und darunter eine alte Atemmaske vor dem Gesicht, wahrscheinlich nicht wegen deren eigentlicher Funktion, sondern nur, um hier unerkannt zu bleiben.
„Vorteilhaft, dass der Bengel nicht nach verrottendem Fleisch stinkt, wie Jeff Hollins seinerzeit“, knurrt Shadrack, als er sein Gegenüber mustert.
Es stimmt, der Vermummte hat überhaupt keinen Geruch.
Eine Weile schweigen alle, die beiden Wild Cards auf der einen Seite, der Vermummte und seine Anhänger auf der anderen.
„Was wollt Ihr?“, fragt der Hexslinger schließlich in dumpfem Ton, in seiner Stimme liegt so viel Bedrohlichkeit, dass er nicht einmal die Hände auf seine Pistolengriffe zu legen braucht.

Was antwortet der Unbekannte denn alles? Wir machen an dieser Stelle mal einen GM Move: Reveal a New Detail. Da habe ich was Hübsches für unsere Wild Cards in petto, was vielleicht ein neues Licht auf ihre bevorstehende Mission wirft:

„… Allem voran wollen wir wissen, wie die Frau in den Great Wastes den Skinny verwunden konnte — noch dazu im freien, telekinetischen Flug! Wir haben einige der besten Hacker in Faraway um uns geschart, aber auch die konnten nichts über Euren Hintergrund herausbekommen. Warum gibt es zu Euren Personen online keinerlei Spuren? … Wir wollen wissen, warum Ihr so ausseht wie die historischen Gestalten May B. Wickett und Rex Shadrack! Der Mann ist sogar so gekleidet. Alles an dieser Garderobe scheint zu stimmen, bishin zum schwarzen Zylinder.“
Die Wild Cards überspielen ihre Verblüffung, May verengt die Augen zu Schlitzen. Die Stimme des Vermummten hört sich komisch an hinter der Maske, ein bisschen blechern und monoton. Er klingt ansonsten wie ein junger Mann.
Er fährt fort: „Außerdem wollen wir wissen, was Ihr auf Tunnel Station bei Hellstromme Industries gesucht habt. Und was Ihr hier auf Deadrock plant.“
„Hier kann man doch rumlaufen wie man will, hier gibt’s doch die schrillsten Aufmachungen zu begaffen!“, knurrt May B., „was soll an unserer Kleidung so Besonderes sein? Wie kommt Ihr überhaupt auf diese beiden Namen?“
„Weil Ihr für uns exakt so ausseht wie May B. Wickett und Rex Shadrack, auf der Fotografie“, antwortet der Vermummte kühl.
„Wir haben Euch auf Tunnel Station heimlich geknipst, und die Gesichter fotometrisch mit der alten Aufnahme von damals verglichen“, fügt einer der Untergebenen hinzu.
„Welcher?“, verlangt die Hexe zu wissen.
„Dem Schwarzweiß-Foto aus dem Alten Westen, das man online noch finden kann.“

(Das ist das New Detail, das durch den GM Move offen gelegt werden soll ...!)

Shadrack und Wickett werfen sich einen gehetzten Blick zu: Es gibt ja gar keine Fotografie von ihnen beiden zusammen, sie haben zur Zeit der Schwarzweiß-Kameras nie eine anfertigen lassen. Das war teuer und aufwändig. Sie hatten in dem halben Jahr, in dem sie gemeinsam halb Nordamerika durchquert hatten, auch ganz anderes zu tun. Irgendetwas ganz Seltsames geht hier vor. May B. fühlt, wie ihre Nackenhaare sich aufstellen.
Das Phantom sagt in die Stille hinein, „Ihr habt bei HI tagelang in den Geschichtsarchiven gesucht, nach allem, was wir wissen. Vorher habt Ihr bereits daheim auf unserem Planeten Eure Spuren hinterlassen in unserem Staub. Ihr fühlt Euch … fremd an. Wir wollen wissen, was Euch hierher gebracht hat … welche Kräfte dahinter stecken …“, jetzt raunt die monotone Stimme nur noch. Obwohl sein Tonfall immer noch kalt und unbeteiligt klingt, wirkt seine Stimme äußert enervierend.
„Du bist ein Harrowed, richtig?“, setzt der Hexslinger leise dagegen, „von wegen, irgendwelches Gestein des Chacona Mountain habe Dich vor dem Tod bewahrt. Du bist ein toter Kadaver, und ein Manitou hält Dich in Bewegung! Die Frage für uns ist jetzt nur … hat die menschliche Seele gerade die Kontrolle über Dein Tun … oder stehen wir hier in Wirklichkeit dem Manitou gegenüber!“
Das Phantom antwortet dumpf, „Wir sind nicht das, was Ihr Harrowed nennt. Wir sind auch nicht mehr der, der wir zu Lebzeiten waren. Wir sind das Gestein vom Chacona Mountain.“
Perplex schweigen die beiden Wild Cards. Ein Transportwagen surrt in der Nähe vorbei, und seine Scheinwerfer fallen auf den Vermummten, für einen Sekundenbruchteil erhellt der Lichtkegel sein Gesicht unter der Kapuze. In dem Moment sieht er so aus, als wäre er tatsächlich kein normaler Mensch, aber er hat auch nicht die verrottete Visage eines Walkin‘ Dead. Eine glänzende Schicht scharfkantiger Kristalle scheint seine Züge zu bedecken.
„… Das kostet uns ein müdes Zucken mit der Arschbacke, um die lokalen Autoritäten auf Euch Unruhestifter aufmerksam zu machen, Freundchen“, sagt May B. trotzig, „dann wollen wir doch mal sehen, wer dann hier die Fragen stellt.“
„Unsere Leute haben genau die Lage gepeilt, bevor wir vorhin hier gelandet sind“, sagt das Phantom ruhig, „Hier sind derzeit keine Gesetzeshüter. Ihr könnt uns nichts anhaben. … Das scheint ein Patt zu sein.“

Machen wir mal einen GM Move, um diese Situation aufzulösen. Die Würfel entscheiden, Advance a Threat! Das passt mir ausgezeichnet in den Kram, denn dann lassen wir folgendes geschehen:

Von einer der Docking Bays dringt plötzlich entsetztes Geschrei. Arbeiter scheinen durcheinander zu rennen, so schnell sie in der halben Schwerkraft von Deadrock eben können. Shadrack und Wickett haben beide die "klassischen Helden-Nachteile" Curious und Heroic nicht, so dass sie nicht gezwungen sind, direkt auf solcherlei Gefahrenquellen zu reagieren; sie bleiben auf die unmittelbare Gefahr fokussiert, die hier in der Gasse theoretisch jederzeit losbrechen könnte zwischen ihnen und den drei Fremden. Wie sieht’s denn mit dem sogenannten Phantom und seinen beiden Untergebenen aus? Die Orakelwürfel sagen, auch die regen sich nicht. Die fünf Gegner stehen sich weiterhin gegenüber, die Hände nervös an den Waffen. Dem ängstlichen Shadrack läuft eine saukalte Schweißperle über die Stirn, während man das Schnappen glitschiger, übergroßer Kiefer hört bei einer der Docking Bays, gerade so außer Sicht ...

„… Also gehen wir allesamt wieder unserer Wege?“, bringt Shadrack zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, „Ihr mischt Euch verdammt nochmal nicht in unsere Angelegenheiten ein, und dafür vergessen wir, dass wir Euch hier gesehen haben!“
Das Phantom ist ebenfalls unsicher geworden, der Kerl versucht, einen Seitenblick zu erhaschen auf die Quelle des Geschreis, ohne den vermummten Kopf abwenden zu müssen — was ein tödlicher Fehler sein könnte, wenn man Erdlingen wie diesen zweien gegenüber steht.
„Nein. Unsere Steine vergeben nicht. Unser Sand vergisst nicht. Ihr werdet uns sagen, wer Ihr seid, und was Ihr plant …“
In dem Moment kommt etwas zwischen den dunklen Pipelines hindurch geflogen, knallt gegen eine davon, und bleibt zu Füßen der Spacer liegen. Die hellgraue Kapuze hat plötzlich signalrote Sprenkel. Alle schauen entgeistert auf das runde Objekt am Boden: Es ist nur ein Raumhelm, der von einem Schutzanzug abgerissen worden ist. Der Kopf des Trägers steckt jedoch noch darin! Durch das aufgeklappte Visier sehen sie seine aufgerissenen Augen entsetzt starren.

Da muss wohl ein Wurf gegen Nausea gemacht werden. May B. schafft den locker, Shadrack entgeht dem Fatigue-Level nur dank seinem Reroll durch seinen Guts-Vorteil. (Er hat auch -2 für Yellow, zuzüglich -2, weil seine Leichen-Phobie getriggert wird, und -1 wegen dem Furcht-Level, der arme Hund.)

Jetzt vollständig enerviert bewegen beide Gruppen sich hastig rückwärts voneinander weg, um einen Blick auf die Docking Bay zu werfen!

Bei einem der kleinen Transportschiffe ist ein blutiges Scharmützel ausgebrochen. Vage menschenähnliche Gestalten haben sich hier unter die Spacer geworfen, mit aufklappenden Mäulern voller gebogener Reißzähne, die sie da haben, wo bei einem Menschen der Kopf sitzen sollte, und hin und her schnellenden Tentakeln! Ein paar Punks feuern Plastikgeschosse aus ihren Maschinenpistolen auf die außerirdischen Monster. Der Rest der Spacer flüchtet in heller Panik.



Es sind verdammte Strangler, dimensionsreisende Dämonen, unseren Helden bekannt aus den Minen Gomorras! Nach dem Nausea-Wurf wegen dem Enthaupteten müssen die beiden Wild Cards jetzt erneut Spirit-Würfe machen, diesmal gegen den Terror der Strangler. Erneut packen es beide. Sie ziehen ihre Sechsschüsser und machen sich bereit, die Scheusale dahin zurückzuschicken, von wo sie gekrochen kamen!

Orientieren wir uns doch mal an den leicht variierten Stranglern, wie sie in der Derelict-Ship-Zusatzbox von Shadows of Brimstone beschrieben werden (‚Dark Strangler‘). Die sind sozusagen eine Subspezies von jener Variante, wie sie im Weird West anzutreffen ist. Dementsprechend sehen die Profile dieser Weltraummonster diesmal aus.


Dark Stranglers
Vicious, headless demons with an array of squirming tentacle arms and claws, Stranglers stand just short the height of a man. Often hunched over, they use their arms as well as their legs to move, charging at their targets with demonic speed.
Attributes: Agility d6, Smarts d4, Spirit d6, Strength d6, Vigor d6
Skills: Athletics d6, Fighting d6, Intimidation d8, Notice d4, Stealth d6
Pace: 6, Parry: 5, Toughness: 5 (1)
Special Abilities:
• Alien Physiology: Stranglers get a +2 bonus to recover from being Shaken. Called Shots do no extra damage.
• Armor (1): This critter has leathery skin. The armor can by bypassed by aiming at the maw (Called Shot at –2).
• Bite: Str+d6, AP 2. Stranglers only bite after successfully Grappling prey with their tentacles.
• Claws: Str+d4.
• Eyeless Sight: These creatures get no vision penalties whatsoever (Illumination, fog, blindness, etc.).
• Fear: Stranglers cause Fear checks.
• Size −1: A strangler is a little shorter than a man.
• Space-Born: Dark Stranglers may exist in the vacuum of space and move in zero-g without negative effects.<
• Teleport Urge: Up to once in every 13 hours, Dark Stranglers can instinctively teleport from a space with pitch darkness towards another such space within 10 miles. This teleport movement may either be towards living prey, or towards the nearest dimensional portal.
• Tentacles: A strangler has two tentacle actions without Multi-Action penalty and Reach 1. It gets a +2 bonus on Grappling attempts. Bound or Entangled prey may be automatically hit with a Bite.
• Wall Walker: Dark Stranglers have additional suction cups on hands and feet, and can cling to spaceship walls. On the battle map, they may move through enemy models.
• Weakness (Gravitation): Dark Stranglers get -1 to all rolls in regular gravitation (Banshee, Earth, or higher). When targeted by powers or attacks with a Gravitation Trapping, the take +4 damage, and are at —4 to resist such powers.


Runde 1: Die Strangler beginnen die Kampfsequenz, ihre augenlose Sicht hat die beiden neuen Ziele bemerkt, die sich nähern. Drei lassen von den Spacern an der Docking Bay ab, und preschen auf Shadrack und Wickett zu. Alle drei haben je zwei Attacken mit ihren peitschenden Fangarmen. Beide werden getroffen und taumeln zurück, Shadrack kassiert eine Wunde, und braucht gleich mal zwei seiner drei Bennies um sie zu absorbieren, es bleibt nur ein fieser Schnitt quer über den einen Wangenknochen. Dann ist Rex am Zug, benutzt seinen Vorteil Fan the Hammer, um den einen Sechsschüsser auf die Angreifer zu entleeren. Er visiert sowohl ihre drei unmittelbaren Angreifer an als auch die weiter hinten im Gewühl (wobei er dann keine Einser und Zweien würfeln darf, denn sonst trifft er Innocent Bystanders). Er trifft vier Strangler, und tötet drei; derjenige der ihm gegenüber steht wird nur angeschossen und ist Shaken. May B. hebt ihren Stahl-Tomahawk, und versenkt das Axtblatt bis zum Anschlag zwischen den Schultern des Weltraummonsters, wodurch es endgültig zu Boden geht.

Runde 2: Shadrack beginnt die zweite Runde. Er wechselt kurz einen gehetzten Blick mit May B., und joggt dann weiter auf die Docking Bay zu, wo das Kampfgetümmel ausgebrochen ist. Das Phantom hat sich dort ebenfalls in den Nahkampf geworfen, und hinterlässt tiefe Schnittwunden im ölige Fleisch der Strangler mit seinen Klauenhänden (vielleicht spezielle Kampfhandschuhe …?). Der Hexslinger wechselt die Pistolen, und feuert aus der, die noch geladen ist, und eliminiert dank Rapid Fire zwei weitere Monstren. May B. läuft Rex hinterher, aber sie besinnt sich deutlicher den Sicherheitstipps was Feuergefechte an Bord von Raumstationen betrifft (immerhin ist sie mit Fourth Wall geflogen): Statt ebenfalls mit Blei rumzuballern, wirft sie als Multi-Action zuerst den Tomahawk, trifft mit Raise und einem ekelhaftem Gluckern einen der Strangler, schwarzes Blut spritzt, und die Kreatur geht zugrunde, währenddessen hat May ihre Machete aus der Gürtelhalterung gerissen, und versucht den nächsten Strangler aufzuschlitzen, vor dem sie zum Stehen kommt, aber diesen verfehlt sie.
Damit sind die Weltraumgeschöpfe an der Reihe, und krallen mit ihren längen, öligen Klauen nach den Gesichtern der Herannahenden, Shadrack entgeht jedoch dem Angriff mit einer halben Drehung, Wickett pariert mit ihrer Machete.

Runde 3: Noch vier Strangler sind um die Docking Bay versammelt beziehungsweise klettern an dem dort dockenden Shuttle. Nun lassen die Kreaturen von den letzten hilflosen Spacern ab, und richten allesamt ihre Aufmerksamkeit auf unsere Helden. Der Hexslinger erhält alldieweil einen Joker! Er verwendet erneut Rapid Fire, trifft zweimal mit Raise, und erschießt zwei der Angreifer. Die Hexe ist direkt nach ihm am Zug, und steckt die Machete weg, zieht ihren einen Colt Army, um mit Rapid Fire ihrerseits die letzten zwei Viecher wegzuschießen. Und würfelt Schlangenaugen und eine zwei, ein Patzer!

Da könnte jetzt alles mögliche passieren. Holen wir uns Inspiration vom One Page Solo Engine und würfeln auf der Tabelle für Failure Moves: Reveal an Unwelcome Truth. Beim Drübernachdenken fällt mir dazu was Passendes ein:

May B. verfehlt beide ihrer Ziele, stattdessen trifft ein Querschläger einen menschlichen Bewaffneten in der Nähe der Docking Bay … und dieser trägt den dunkelgrünen Kampfanzug der Soldaten der EXFOR! Es mag ja sein, dass keine der Autoritären auf Deadrock war, als das Phantom und seine Hacker vorhin hier gelandet sind … aber mittlerweile hat sich das geändert! Glücklicherweise ist der Schadenswurf nicht so hoch, dass May B.s Kugel die Infanterierüstung durchdringt. Aber die Aufmerksamkeit des Soldaten hat sie gewonnen!
Zwei Strangler sind also noch übrig, und hiermit schlagen sie zu, mit peitschenden Fangarmen. Beide Wild Cards kassieren zwei Angriffe, aber winden oder ducken sich rechtzeitig aus dem Weg.

Runde 4: May beginnt die Runde dank Level Headed-Vorteil, wechselt lieber wieder die Waffen, und macht mit einem weiten Schwinger mit ihrer Machete eine Wild Attack auf einen der Strangler. Außerirdische, schwarze Eingeweide klatschen auf den Hallenboden. Shadrack schießt mit zwei präzisen Revolverschüssen sein außerirdisches Gegenüber nieder.

Die Weltraumkreaturen sind allesamt ausgelöscht, nur noch ein paar der übergroßen Mäuler öffnen und schließen sich im letzten Reflex, wie als wäre ihre Blutgier auch im Tod noch nicht gestillt. Rex setzt seinen vom Kopf verlorenen Zylinder wieder auf, May B. zieht mit zusammengebissenen Zähnen und einiger Kraftanstrengung ihren Tomahawk zwischen den Schulterblättern des einen Stranglers heraus.

Fourth Wall und Zamantha kommen in diesem Moment angerannt, und zerren die beiden weg, durch die kopflose Menge hindurch. Keinen Moment zu früh, denn auf der anderen Seite des Kampfplatzes ordnen sich gerade die EXFOR-Marines!
„… Die werfen Euch schon allein deswegen in ihre Zelle, dass Ihr hier scharf geschossen habt, an Bord einer Raumstation!“, ruft Fourth Wall über das Geschrei der Menge hinweg, „ganz zu schweigen davon, dass Ihr wahrscheinlich wieder insgesamt verdächtig seid in deren Augen!“

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #230 am: 28.06.2024 | 15:24 »
Natürlich sind also mittlerweile doch Streitkräfte an Bord, und zwar Truppen der EXFOR! Deren Kommandant versucht, die Kontrolle über die Station an sich zu reißen, und lässt außerdem in kurzen Intervallen Durchsagen auf den Gängen des Handelshafens ertönen, mit dem dringenden Gesuch, die „Aufständler“ von der Docking Bay den Marines zu übergeben!



Direkt nach ihrem Kampf müssen die SCs sich in eine der alten Unterkellerungen im Asteroiden-Gestein zurückziehen, um nicht geschnappt zu werden. Die Orakelwürfel geben vor, dass das Phantom vom Chacona Mountain und dessen Spacer-Crew ebenfalls dort landet in der allgemeinen Hektik! Es gibt nicht viele Zugänge zu den Wartungsschächten, und die Trucker von Deadrock machen gerade keinen Unterschied zwischen den Wild Cards und den Verschwörern vom Phantom. Immerhin haben sie scheinbar gemeinsam gegen die Weltraumungeheuer gekämpft.

Kurz erhaschen die Zeitreisenden einen klaren Blick auf das unverhüllte Gesicht des Fremden, bevor er seine Kapuze und Atemmaske wieder richten kann. Er scheint tatsächlich kein lebendiger Mensch im eigentlichen Sinne mehr zu sein, nur die Hülle eines Mannes, aber auch ganz bestimmt kein Walkin' Dead, wie die Wild Cards sie von der Erde kennen ...




Hier unten müssen May B. und Rex wohl oder übel abwarten, dass die anderen SCs ihre Abflugvorbereitungen für sie treffen. Sie können in den nächsten Stunden jedenfalls nicht ihre Köpfe aus dem Untergrund heraus stecken, dann kriegt sofort die EXFOR ihre Ärsche.

Alle Spacer, mit denen die Wild Cards es jetzt zu tun bekommen in den Wartungstunnels, reden natürlich aufgeregt von den Spukerscheinungen in der Hangar-Halle. Einige vermuten, dass der Spuk von der Vostros gekommen ist, und ein Vorzeichen dafür war, dass sie tatsächlich in wenigen Stunden Deadrocks Position kreuzen wird. Immer mehr panische Stimmen werden laut.
„... Plötzlich haben wir nur noch Zeit für die allernötigsten Dinge, Rex“, raunt May B. ihrem Begleiter zu, „während wir hier unten warten, müssen wir ein paar der Hombres hier ins Bild setzen.“
Shadrack sieht sie bestürzt an, und flüstert zurück: „Worüber denn ins Bild setzen? Wir haben doch auch keine Erklärung für das Auftauchen dieser Kreaturen! Wir wissen nur, dass sie zu jenen Erscheinungen gehören, die jenseits der Zeit stehen, weil wir sie auch in Gomorra angetroffen haben!“
„Ich meine nicht die, Rex. Ich meine … das Reckoning. Dies ist unsere letzte Chance, die Kolonisten zu warnen. Ich hab‘ lange drüber nachgedacht … Dies hier sind Leute, die seit 13 Jahren das Übernatürliche kennen, aber nicht begreifen, was es damit auf sich hat. Sie wissen nichts von der Schlacht von Gettysburg, den Walkin’ Dead, dem Großen Beben, den Eisenbahnkriegen! Die kennen nur die Ereignisse aus ihrer eigenen Zeit! Es liegt an uns, denen zu helfen, das Puzzle weiter zusammenzusetzen! Wir müssen das tun, Rex!“
„Viel zu gefährlich.“
Wir müssen! … Vielleicht schaffen wir es ja wirklich nach 1876 zurück, Pardner, und vielleicht gelingt es uns, die Reckoners daheim zu besiegen. Dann passiert das alles hier vielleicht nie! Aber was ist … wenn es uns nicht gelingt? Wenn wir irgendwo im Universum oder der Geschichte verloren gehen, wie Du gesagt hast?“
„Du meinst, dann bleibt Faraway wie es ist, und die Kolonisten und Anouks müssen sich selbst helfen.“
Sie blinzelt eine wütende Träne weg, und schaut ihm in die Augen.


In die Wartungstunnels werden schließlich binnen der nächsten Stunden also eine Reihe von Interessierten eingeschleust. Fourth Wall, Zamantha, und Kinraide haben auf die Schnelle alle Stationsbewohner zusammengesucht, die ihnen vertrauenswürdig erschienen — oder zumindest nicht wie Leute, die womöglich für die EXFOR spionieren.

Während sie wie auf glühenden Kohlen warten, werden May B. und Rex hier unten erneut von dem Vermummten aufgesucht. Das Phantom hat mittlerweile eins und eins zusammengezählt, und vermutet, dass es nicht mögliche Reichtümer sind, welche die beiden Verdächtigen zur Vostros ziehen.
„Unsere Leute haben sich aus der Ferne Zugang zu streng geheimen Messergebnissen verschafft, die Hellstromme Industries gerade gemacht hat“, sagt die monotone Stimme, „diesen Messungen nach sind einige der Anomalien im Raum-Zeit-Gefüge an Bord der Vostros noch aktiv — oder es haben sich zumindest mittlerweile Neue aufgetan.“
Shadrack zieht scharf die Luft durch die Nasenlöcher ein, während er ihr Gegenüber mustert.
„Warum sollten wir Dir glauben?“, fragt May B. skeptisch, „nach allem, was wir über Dich und Deine Crew wissen, könnte Dein Interesse genauso gut darin liegen, uns in unser Verderben zu schicken. Wir wissen ja nicht einmal, ob Du ein Harrowed bist oder nicht.“
„Wir bedauern, dass Ihr keinen Grund habt, uns zu trauen. Unter anderen Umständen wären wir möglicherweise gar keine Widersacher gewesen.“


„Danke, dass Ihr hier seid“, beginnt May B. unsicher, „ich nehme das als eine Art Vertrauens-Vorschuss. Zumal die meisten Spacer auf Deadrock gar nicht an die Existenz der Vostros glauben. Tja, wir haben vor, ein Bergungskommando zu begleiten, das dorthin fliegen wird!“
Einer der Plünderer ruft großspurig: „Von wegen, Bergungskommando! Wir reißen da alles raus, was nicht niet- und nagelfest ist! Ihr Knochenköppe könnt an der Existenz der Vostros ja weiter rumzweifeln, während Ihr demnächst bestaunt, wie vollgestopft mit Beute die Laderäume unseres Schiffs sind! Wollen wir doch mal sehen, wer dann am lautesten lacht!“
May B. reißt das Wort wieder an sich, indem sie fortfährt, „Wenn wir an Bord der Vostros sind, können wir wahrscheinlich eine Weile Funkkontakt zu unserem eigenen Schiff halten. Und berichten, was wir dort an Bord entdecken. Vielleicht stolpern wir dabei sogar über eine Erklärung für die Existenz dieses verdammten Geisterschiffes! Das könnte Euch allen hier nützen, versteht Ihr? Denn was auch immer dahinter steckt, dass die Vostros auf ihrem rätselhaften Kurs ins Faraway-System zurückgekehrt ist, es ist Teil einer ganzen Reihe von Geschehnissen. … Wir selber gedenken aber nicht, hierher zurückzukehren! Jemand anderes muss an unserer Stelle auf Deadrock verbreiten, was wir an Bord finden. Jemand muss die Geschichte weitererzählen.“
May B.s Augen funkeln mit einer ganz merkwürdigen Intensität, als sie das sagt, wie mehrere Leute im Raum bemerken. Das letzte Geraune verstummt, und die Umsitzenden richten allesamt ihre Blicke auf die beiden Sprecher. Auf vielen der Gesichter erscheint Verwirrung. Als könnten jetzt in dieser schweren Stunde Gerüchte ihnen helfen, Geschichtenerzählen …!
Shadrack wechselt einen Blick mit Wickett, und fährt an ihrer Stelle fort: „Wir heben also nun ein Aufgebot aus, Leute. Eins, das Tod und Teufel nicht fürchtet. Eins, das sich ins Dunkel hinaus wagt, und bereit ist, auf eigene Faust für Gerechtigkeit zu sorgen. Ein Aufgebot, das für uns das Steuer übernehmen kann, hier in Faraway. Wir haben verdammt nochmal wenig Zeit dafür. Es gibt hier in diesem Raum sicher eine Menge Fragen zu klären, und wir werden nur wenige beantworten können. Wir müssen in wenigen Stunden die Vostros erreichen, dort an Bord gehen, und zu unserer eigenen Bestimmung zurückkehren. Zu unserer eigenen Aufgabe. Aber wir können das Faraway-System auf keinen Fall so zurücklassen wie es ist — kontrolliert von menschlichen Tyrannen, und bedroht von den Kräften der Reckoners! Wir werden diesen Kampf weiterführen müssen, und zwar an verschiedenen Fronten. Diese, Faraway, ist eine davon. Es braucht ein neues Aufgebot, um sich all dem anzunehmen.“
„Was soll'n das heißen, ‚Aufgebot‘?“, fragt einer der Umsitzenden, „was‘n das für‘n Retro-Begriff? Meint Ihr damit, so 'ne Art Gang, oder was?“
Shadrack erklärt, „Im Alten Westen, damals auf der Erde, gab‘s vielerorts noch keine richtigen Gesetze. Oder zumindest nicht genug Leute, die sie durchsetzen konnten. Darum mussten die Pioniere damals sich selber helfen. Wenn es Kräfte gab, die eine Siedlung bedroht haben — Outlaws oder schlimmeres — dann haben sie ein Aufgebot zusammengestellt, das losreiten konnte, um auf eigene Faust für Gerechtigkeit zu sorgen. Das ist dieselbe Lage, in der auch Ihr hier seid! Die EXFOR und HI helfen Euch nicht, und die Colonial Rangers sind zu wenige. Dabei sind Euer Problem aber verdammt nochmal nicht nur Outlaws, Ihr habt es mit den Kreaturen zu tun, die von der Vostros kommen … und noch weit mehr, in allen dunklen Ecken von Faraway. Und dieser Spuk wird wahrscheinlich immer schlimmer werden, bis Ihr ihn mit vereinten Kräften austreibt! Aber jemand muss den Anfang machen. Der Zeitpunkt dafür ist heute.“
„Ihr meint die Anouks und die Skinnies!“, ereifert sich einer der Zuhörer.
„Nein, verdammt!“, protestiert May B., „die Ureinwohner sind doch genauso davon betroffen wie die Kolonisten. Ich sehe auch mehrere Anouks hier im Raum. Wir müssen uns alle zusammenschließen, denn das, was Euch bedroht, ist viel schlimmer als alles, was im Faraway War passiert ist. Ihr habt es hier mit den Reckoners zu tun.“
„Mit den was?!“, wollen mehrere wissen, und eine bebende Stimme fragt nervös, „Sind etwa die das, die für den Tunnel-Kollaps verantwortlich sind?!“
Shadrack sagt mit beschwichtigend erhobenen Händen, „Das können wir auch nicht sagen, aber ganz sicher hängen die auch mit diesem Ereignis zusammen! Diese Kräfte wurden vor 200 Jahren auf der Erde aufgerüttelt, und haben längst ihre Fangarme hierher ausgereckt. Der Faraway War wird sie angelockt haben — wenn sie ihn nicht sogar selber entfacht haben, aus dem Verborgenen heraus, durch die Taten der Skinnies! Damals nannte man sie jedenfalls Reckoners, zumal man ihre eigentlichen Namen nicht kennt; sie waren Teil der Abrechnung des Raven. Wir wissen bis heute nicht genau, was die sind. Wir werden Euch aber alles darüber erzählen, was sie tun, seit dem Reckoning von 1863 … und wie ihr sie verbannen könnt! Asteroid für Asteroid, Siedlung für Siedlung, und Spukgeschichte für Spukgeschichte!“
May B. nickt, und fügt hinzu: „Und wenn Ihr dieses Wissen habt … dann seid Ihr am Zug.“

Angespanntes Schweigen macht sich breit. Man meint, das Knirschen zu hören, wie es langsam durch die massigen Felswände des Asteroiden wandert.
« Letzte Änderung: 28.06.2024 | 15:41 von Schalter »