Sitzung 19
Der Heilige von Bruckstadt #10
Ein Spielbericht von Wolfi.
Ein letzter Kannibale ist noch übrig. Er steht an der Seilwinde und kurbelt daran. Vermutlich lässt er gerade seinen abscheulichen Meister mit dem Kimono oder den seltsamen Halbling in die Tiefe. Er stirbt, ehe er Osanna Mühlstein überhaupt hinter sich bemerkt. Einige Sekunden nach seinem Tod ist unten ein Knall zu hören: Die Fracht ist wohl unsanft gelandet. Seltsamerweise folgt auf den Knall eine Art lustvolles Stöhnen.
Bevor sich die Gruppe den Schacht genauer ansieht, inspizieren die Helden den Raum. Eine große Tafel mit vielen Stühlen zeugt von einem Festmahl der Kannibalen. Niemand möchte so genau wissen, was serviert wurde. In einer Ecke steht eine Staffelei mit einer bemalten Leinwand. Das Bild erinnert an eine Kinderzeichnung. Es zeigt eine Stadt, auf die sich etwas zubewegt – vielleicht eine Straße, eine Schlange oder ein Fluss. Darüber sind fliegende Objekte zu erkennen. Es könnten Vögel, Kanonen oder Fledermäuse sein. Auf den Feldern vor der Stadt scheinen sich entweder Schafe oder tote Soldaten zu befinden. Ein seltsames Bild.
In einer anderen Ecke steht ein mit klarer Flüssigkeit – augenscheinlich Wasser – gefluteter Sarkophag, in dem ein Stück Seife schwimmt. Die Decke über dem Sarkophag zeigt ein Fresko wilder Dämonen. Daneben steht eine große Reisetruhe ohne nennenswerten Inhalt.
An der Wand hängt eine Fackel. Melchor Goldstein wittert einen geheimen Mechanismus: Er drückt und dreht am Fackelhalter, und tatsächlich öffnet sich eine Geheimtür. Dahinter befindet sich ein Korridor, in dem eine tote Frau mit aufgedunsenem Gesicht und weit aufgerissenen Augen auf dem Boden liegt. Sie wurde eindeutig stranguliert. Am Ende des Korridors wartet eine verschlossene Eisentür. Hinter ihr liegt eine kleine Halle mit drei weiteren Reisetruhen und einem Lager aus Strohballen. In einem Eimer finden sich schrecklich stinkende Exkremente. Sonst entdecken die Helden nichts von Interesse.
Also beschließen sie, den Aufzug nach unten zu nehmen. Er führt sie in eine große, spärlich beleuchtete Halle, die komplett leer ist. Drei Türen befinden sich dort: Im Westen eine Holztür, durch die ein Lichtschein zu sehen ist, im Osten eine Gittertür aus Metall und im Süden eine schwere Steintür.
In diesem Moment werden Wesensveränderungen in der Gruppe offensichtlich. Till wirkt plötzlich teilnahmslos und defätistisch. Unterkofler öffnet seine Hose und erleichtert sich auf die Holzkonstruktion des Aufzugs. Arik greift Unterkofler ohne Vorwarnung an. Den anderen gelingt es, Arik festzuhalten, ihm Wasser ins Gesicht zu schütten und ihm etwas Alkohol zu geben. Schließlich beruhigt er sich. Doch die übrigen Gruppenmitglieder sind durch das seltsame Verhalten zutiefst beunruhigt.
Plötzlich öffnet sich die Holztür und heraus treten die hagere Gestalt mit dem Kimono und der Halbling. Der Kimono-Mann beginnt zu sprechen, wirkt dabei jedoch geistig verwirrt. Kein Wort verliert er über das Massaker, das die Gruppe an seinen Kannibalen-Freunden angerichtet hat. Stattdessen brabbelt er von einem Festessen, das er mit den Helden teilen wolle, und schwärmt von dem Gemälde oben, das er für ein großes Kunstwerk hält. Das also ist Stelzer.
"Wo ist das Grab des heiligen Jakobus?", fragt Till Dreyfus ungeduldig. Stelzer murmelt etwas vom "Befrager", der sie bereits in der "Fragstatt" erwarte, antwortet jedoch nur ausweichend. Viel interessierter scheint er an seinem Gemälde zu sein: "Was habt ihr auf meinem Bild erkannt?"
Der junge Mietling Rolf, der im Krieg zu viele Gräuel gesehen hat, antwortet, er habe eine Schlange, Fledermäuse und tote Soldaten erkannt. "Falsch!", sagt Stelzer und bricht ihm unvermittelt drei Finger der rechten Hand. Die Heldengruppe ist wie versteinert von dem bizarren Schauspiel. "Dann sind es eben Schafe und Kanonenkugeln!", ruft Rolf verzweifelt.
Stelzer fordert ihn auf, sein Hemd zu öffnen. Vermutlich, um ihn noch härter schlagen zu können. Es ist die 20-jährige Agnes Auerbach, die nicht mitansehen kann, wie der 14-jährige Rolf gequält wird. Sie greift Stelzer an. Die anderen springen ihr zur Seite. Am Ende sind der Halbling und ein weiterer Kannibale tot, und Stelzer ist schwer verletzt. Wie von Sinnen ruft er: "Magdeburg! Wir sind alle aus Magdeburg!" Dann empfiehlt er den Helden, jeder möge einen seiner Finger abtrennen und davon kosten. Was ist das nur für eine Faszination für Finger?
Die Gruppe fesselt den seltsamen Gesellen und erkundet weiter die Katakomben. Im nächsten Raum – offenbar eine Schlafstätte mit Exkrementen-Eimer und einem Strohlager – finden sie eine Grabnische mit einer aus Menschenhaar geflochtenen bunten Decke und sechzehn Saphiren in einem Beutel.
Eine weitere Tür steht offen. Dahinter liegt ein Flur mit einem Boden aus feuchtem Lehm. Über den Boden verstreut liegen dutzende schmutzige Schuhe und Stiefel, alle mit Lehm verschmiert. In einem Kanaldeckel verschwindet gerade noch eine Ratte.
Der Korridor führt nach Norden zu einem größeren Raum. Vor diesem zweigt ein quadratischer Raum nach Osten ab, in dem es offenbar eine Explosion gegeben haben muss. Die Wände sind mit verblichenen Malereien von Menschen in Togen bedeckt. Überall stecken Glasscherben in den Wänden, und an der rußgeschwärzten Decke ist ein faustgroßes Loch.
Auch von dort führt ein Korridor weiter, dessen Boden mit Unrat übersät ist. Dazwischen entdecken sie eine größere Steinscherbe mit einer lateinischen Inschrift. Till Dreyfus hebt die Scherbe auf und liest laut vor: "SCHLACHTET IHN UND EUCH WIRD GEGEBEN."
Als er sich gerade umdreht, um einen beißenden Kommentar abzugeben, trifft ihn der Blick blutrünstiger Augen. Alle seiner Mitstreiter – außer Unterkofler – stürzen sich plötzlich auf ihn!
Zum Glück hat Till noch einen Schlafzauber memoriert und bringt alle augenblicklich zum Einschlafen. Das rettet ihm das Leben. Er und Unterkofler fesseln die Schlafenden. Nach einer Weile kommen sie wieder zu sich, können sich jedoch nicht erklären, warum sie Till dermaßen hinterhältig und brutal angegriffen haben.
Die Gruppe steht vor einer zugemauerten Tür. Die massiven Mauersteine lassen ein Aufbrechen unmöglich erscheinen. Also erkunden sie den großen Raum am Ende des Korridors.
Es handelt sich um eine regelrechte Halle mit kuppelförmiger Decke und einer steinernen Galerie mit Balustrade, die über eine Treppe erreichbar ist. Oben und unten befinden sich je zehn Grabnischen. Unterkofler öffnet eine von ihnen, doch eine graue, zähflüssige, stinkende Masse erhebt sich daraus und greift an. Erst Osannas mit Weihwasser getränkte Pike macht die Kreatur unschädlich.
Abgesehen von einem weiteren Kanaldeckel gibt es hier nur eine Tür nach Westen. Sie führt in einen Raum mit einem bizarren Anblick: Von der Decke hängen an Schnüren menschliche Schädel. Auf den Boden hat jemand einen Kreis aus Salz gestreut, in dessen Mitte ein Stück Weihrauch langsam vor sich hin glimmt.
Weiter südlich liegt ein Raum mit zehn weiteren Grabnischen. Die Gruppe öffnet eine zur Probe und findet darin ein Kinderskelett mit grotesken Missbildungen: viel zu langen Fingern und einem vergrößerten Schädel. Zwischen seinen Rippen blinken antike Münzen, die sie an sich nehmen.
Wieder stoßen sie auf eine zugemauerte Tür, die diesmal jedoch weniger stabil wirkt. Nach mehreren kräftigen Stößen bricht sie auf. Dahinter befindet sich die Statue einer kopflosen, zusammengesunkenen alten Frau mit römisch wirkendem Gewand. Von der Decke hängt an drei Ketten eine Bronzeschale mit glühenden Kohlen. Am Sockel der Statue ist eine Inschrift zu lesen: "Nähre die Flamme mit der Missgeburt und empfange mein Geschenk." Till wirft einen der deformierten Kinderschädel in die Glut – doch nichts passiert.
Ratlos kehren die Helden zum Aufzug zurück. Zwei ungeöffnete Türen bleiben: eine Steintür nach Süden und eine Gittertür nach Osten. Die Steintür führt in einen Korridor mit vier Gefängniszellen. Sie blicken in jede der Zellen:
In der ersten Zelle ist nichts außer einem Spiegel. Rolf starrt etwas zu lange hinein, sieht sich plötzlich selbst als Gefangenen und hört die Worte: "Endlich kommst du, um mich zu retten." Er weigert sich fortan, einen Schritt weiterzugehen. In der zweiten Zelle liegt eine gefolterte Frau mit eingeschlagenen Zähnen, zerrissenem Kleid und gebrochenen Armen und Beinen. Die dritte Zelle enthält nichts außer einem Fass, einem Strick von der Decke und dem Wort "AUSWEG" an der Wand. In der vierten Zelle sind die Wände mit Runen und Zeichen beschmiert – aus Kot.
Angewidert verlassen die Helden das Verlies und öffnen die letzte Tür: die Gittertür im Osten. Dahinter führt eine Wendeltreppe nach unten.
Jeder in der Gruppe wird später eine leicht andere Version dessen erzählen, was sich in den nächsten Minuten unten abgespielt hat. Es waren einfach zu viele schreckliche Dinge gleichzeitig. Doch vergessen wird es keiner der fünf je können.
Am Fuß der Wendeltreppe befindet sich ein Raum mit einem massiven Metallstuhl mit Spangen für Hände, Füße und Kopf – ein grausames Folterinstrument. Plötzlich sitzt Arik, der eben noch neben ihnen stand, auf dem Stuhl, festgeschnallt und unfähig, sich zu bewegen. Hinter ihm erhebt sich eine hagere Gestalt in weißem Gewand – der Befrager.
„Wie lautet der Name deines Großvaters?“, schmettert der Befrager Arik entgegen. Obwohl Arik die Frage beantwortet, erhält er einen brutalen Schlag mit einem Folterwerkzeug.
Till Dreyfus handelt schnell: Er will mithilfe eines Unsichtbarkeitszaubers hinter den Befrager treten und ihm das Grabtuch über den Kopf werfen, in der naiven Hoffnung, damit nicht nur die Gruppe, sondern ganz Bruckstadt zu retten. Doch nichts passiert.
Die Befragung geht gnadenlos weiter. Auch Osanna und Agnes werden befragt:
„Wann bist du zuletzt mit einem Mann zusammengelegen?“ – Osanna, die lesbisch ist, und die 20-jährige Agnes haben dieselbe Antwort: „Noch nie!“ „Bekennst du dich, ein Hurenbock zu sein?“ – an Unterkofler gerichtet. „Haben wir hier einen Heiden und Hexer?“ – an Till Dreyfus.
Während die Befragungen unerbittlich weitergehen, finden sich auch Agnes und Unterkofler zeitweise selbst auf dem Folterstuhl wieder. Doch niemanden trifft es so schlimm wie den armen Arik. Er stirbt schließlich an den schweren Verletzungen, die ihm der Befrager zufügt.
Immer wieder befragt die geisterhafte Erscheinung im Priestergewand die Helden (und zwar nicht unbedingt den Helden, der grad auf dem Stuhl stitz), ob sie sich schuldig bekennen. Es sieht so aus, als würde, wer sich schuldig bekennt, selbst auf dem Stuhl landen, und bei einem “ich bin unschuldig" würde der aktuelle Delinquent noch grausamer misshandelt werden. Aber die Zeit reicht nicht, um ein Muster zu erkennen. Sicher ist nur: Schließlich sitzt Osanna auf dem Stuhl.
Verzweifelt versuchen die anderen, den Befrager aufzuhalten. Melchor spritzt Weihwasser, Agnes schießt einen Pfeil ab – doch dieser gleitet durch den Befrager hindurch und zerschellt an der Wand. Till geistert panisch herum, klettert durch den Kanal unter der Kuppelhalle, findet jedoch nichts.
Da sie nicht weiterkommen, versuchen die Helden verzweifelt, Informationen aus dem schwer verletzten Stelzer oder der gefolterten Frau aus der Zelle zu bekommen. Doch niemand kann helfen. Schließlich gelingt es Osanna irgendwie, ihre Froschtröte zu erreichen und trötet dem Befrager mitten ins Gesicht - tatsächlich scheint ein Stück davon abzufallen, woraufhin der Fragherr verschwindet. Osanna ist frei!
Till und Unterkofler öffnen die Tür im Norden. Dahinter finden sie ein kleines Zimmer mit einer "Eisernen Jungfrau" – ein Folterwerkzeug, das die Jungfrau Maria darstellt. Es ist ganz aus Eisen, nur der Kopf ist aus Holz und bunt bemalt. Neben ihr klafft ein Fäkalien-verschmierter Schacht, offenbar ein Abflusskanal. Auf dem Boden liegt eine Phiole mit der Aufschrift: "Tränen durch Schmerz. Heilung durch Tränen." Sie wird eingesteckt.
Unterkofler öffnet den Bauch der „Eisernen Jungfrau“, aus dem eine weitere graue, stinkende Masse hervorquillt. Sie wird mit Weihwasser vernichtet. Agnes betet.
So geht die Suche nach dem Grab des Jacobus weiter. Unterkofler entschließt sich, sein gesamtes Schwarzpulver zu verwenden, um die massive zugemauerte Tür im Nord-Osten zu sprengen. Dahinter liegt ein prunkvoller Altar zu Ehren Jötsquatels, des Krötengottes. In einer Vertiefung am Altar scheint Flüssigkeit geopfert werden zu müssen. Eine Inschrift fordert auf: „Gib, und dir wird gegeben.” Agnes lässt einige Tropfen ihres Blutes in die Vertiefung fallen – doch nichts passiert.
Die Helden sehen einander an. Irgendetwas muss ihnen doch einfallen.