Rick Evanko
in der Messe
Ricks 24 Stunden waren ein Schauspiel. Er hatte stets versucht, eine gesetzte Mine zu machen, sich nichts von der Panik ankennen zu lassen, die Mundwinkel zwar etwas verkrampft, das Gesicht aber so offen wie möglich, so gut es eben geht in einer solchen Situation - und wie es eben geht, wenn man jahrelang vom Militär glatt geschliffen und abgestumpft wurde. Tief in sich drin hatte Rick abgeschlossen mit sich, der Nexus Three und der Crew. Wir werden braten. Rick suchte dennoch die Nähe der anderen, wollte nicht allein sein. Allein sein, bedeutete, die Geister der Vergangenheit, den Beweis seines unzähligen Scheiterns gegenüberzustehen und sich zu verantworten.
Jones, Taylor, Wu, O’Ryan, Garcia, Brown, Williams, Murphy… Zerfetzte Leiber und schmierige Hände vom Blut, wenn die Notamputation schnell und unter dreckigsten Bedingungen durchgeführt werden musste. Und in Zukunft? Reihen sich Weeks, Avilés, Rollmann, Zavislak, Walgreen und McGarrill in die Reihe ein? Nein... wir braten gemeinsam. Und dann...? Ruhe. Werden wir genauso schreien, wie die Verwundeten? Werden wir auch betteln und nach unseren Eltern rufen?
Rick war sich bewusst, dass er zwei Seelen hatte. Eine, die noch immer bereit war, das Leid der anderen zu sehen, zu fühlen, die sich wünschte, er könnte sie trösten und ihnen helfen. Die andere war kalt, Zynismus hatte sie geformt, die unzählbaren Male, als er das Licht in den Augen seiner Kameraden verlöschen sah. Meist kontrollierte dieser Teil seiner Seele den anderen, doch die Grenze zwischen den beiden, die Kontrolle, entglitt Rick, wenn er müde war. Überlastet. Angespannt. So wie jetzt. Etwas bäumte sich gegen ihn auf, ihn ihm drin. Fuck. Es setzte ihm zu.
Die Nachricht der Kassandra drang erst einmal nur halb in Ricks selbstbezogenes Hirn. Aber als die Nachricht durchdringt und sich in seinem Kopf festsetzt, beginnt plötzlich ein anderer Teil von ihm zu erwachen. Ein taktischer Teil. Ein Schiff. Eine Möglichkeit zu entkommen.
"Vielleicht ist ihr Funk gestört? Wieviel kommuniziert die KI? Wie viel steuert sie?" Er blickt Avilés an und schiebt gleich eine weitere Frage hinterher: "Und wie lange, bis sie andocken wird? Wie lange dauert der Tankvorgang bei einem Schiff dieser Größenordnung?"
144 Stunden bis zur Selbstzerstörung. 11 Tage.
Vorräte und Co können wir schnell verlegen, ein paar Stunden gezielte Arbeit. Vielleicht... Vielleicht...
Hoffnung keimt in Rick auf. Ein Gefühl, dass er lange nicht mehr gespürt hat.