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[Ich erzähle euch von] Tierras Quebradas

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Swanosaurus:
Um mein Spanisch-Niveau zu erhalten oder zu verbessern, habe ich beschlossen, mir eine Rollenspiel-Schwarte zuzulegen und sie zu lesen. Und weil Tierras Quebradas https://edicionestyt.com/products/tierras-quebradas-aventuras-entre-la-ley-y-el-caos mich so angelacht hat, habe ich es mir gleich mit sämtlichen Supplements besorgt.

Gleich in der Einleitung gibt der Autor offen zu, dass sein System erst einmal ein auf Cyberpunk 2020 basiertes Hausregelwerk für Sturmbringer/Die jungen Königreiche war und auch in diesem Setting gespielt wurde. Als ihm klar wurde, dass das Spiel sich durchaus publizieren ließe, entwickelte er mit den "Tierras Quebradas" (etwa: Zerrissene Lande) sein eigenes Setting, und um das schon mal vorwegzunehmen: Es fängt den Geist von Moorcocks Vorlage in vielerlei Hinsicht großartig ein, viel besser als die meisten anderen Elric-inspirierten Rollenspiele - so gut, dass der Autor sich den einen oder anderen größeren Twist leisten kann, ohne die Anbindung an die Vorlage zu verlieren.

Kurz vorweg: Gedruckt habe ich die erste Edition, werde aber beim Lesen auf die aktuelle Revised Edition als pdf wechseln, die wohl regelseitig eine Edition 1.5 ist. Am Settingteil hat sich allerdings nichts geändert.

Das Buch fängt mit 15 Seiten recht süffiger Opening Fiction an, mehrere Geschichtenfragmente, die den aktuellen politischen Zustand der Welt anreißen (der dann in der Folge nochmal beschrieben wird): Die Zentralmacht der bespielten Welt ist das Patriarchat, ein autoritärer bis faschistoider Kirchenstaat im Dienste der Götter der Ordnung, in dessen meisten Provinzen die einfachen Leute bis aufs Blut ausgebeutet werden. Erzfeind des Patriarchats ist das Scharlachrote Imperium, das derzeit auf eine große Insel zurückgedrängt ist und dessen Herrscherin sich mit den Göttern des Chaos in eine unsterbliche Schreckenskreatur verwandelt hat. Hinter der Entstehung dieser beiden Erzfeinde steht ein Krieg des Vorgängerreichs des Patriarchats gegen die Merení, ein nichtmenschliches Volk, das einst aus einer anderen Ebene eingewandert ist und den Nordkontinent besiedelt hat. Die Merení verehrten traditionell die Elemente und das kosmische Gleichgewicht, der Krieg und eine tragische Liebesgeschichte zwischen einem General des Ordnungsreichs und einer Merení-Prinzessin haben jedoch dazu geführt, dass letztere sich dem Chaos zugewandt und ihr eigenes Reich gegründet hat.
Im Osten gibt es Merendrak-Reich, einen abtrünnigen "Offshoot" des Scharlachroten Imperiums, der von Drachenreitern beherrscht wird. Im Prinzip ist das Volk der Melnibonéer hier also dreigeteilt: In die radikalen Chaosverehrer des Scharlachroten Imperiums, die gemäßigt-liberalen Chaos-verehrenden Herrscher von Merendrak und in die Restet der "alten" Merení, die die Elemente und das kosmische Gleichgewicht verehren und sich in Zurückhaltung üben.

Dann gibt es noch ein paar Länder mit mehr oder weniger liberaleren und flexibleren Auslegungen des Ordnungs- oder Chaos-Kults - im Prinzip sind moralische Grau- bis Schwarztöne hier auf allen Seiten in Hülle und Fülle geboten, merklich versucht der Autor, kein kosmisches Prinzip grundsätzlich besser oder schlechter wegkommen zu lassen.

Ein auffälliger Unterschied zu den Jungen Königreichen ist tatsächlich das hohe Maß an religiöser Organisation in fast allen wichtigen Ländern, das habe ich von Sturmbringer nicht so Erinnerung. In den meisten Ländern wird die Ordnung oder das Chaos verehrt, die jeweils andere Seite verfolgt.

Soweit, so begeistert bin ich - das ist natürlich alles nicht unglaublich tiefgründig, aber fängt doch gut die philosophische Ader von Moorcock ein, wenn es um die Frage geht, nach welchen Prinzipien Gesellschaften geordnet sind und wie die Menschen die kosmischen Kräfte interpretieren und für ihre Herrschaftszwecke einspannen.

Einen herben Dämpfer erhält meine Begeisterung allerdings mit der Schilderung der pseude-afrikanischen Region von Imanguk und dem Dschungel südlich davon, die wirklich vor negativen Afrika-Klischees strotzt (und da der Autor in der Einleitung klar sagt, dass die Tierras Quebradas so eine Art "alternatives Europa" sind, ist auch ziemlich klar, dass Imanguk und der Südkontinent ein alternatives Afrika darstellen sollen). Die Imanguk sehen sich als die Nachfahren einer gefallenen menschlichen Vorläuferzivilisation, die nun vom Dschungel überwuchert ist, und werden im Prinzip als faule Kinder dargestellt, die nichts gebacken kriegen und in ihrem Ahnenkult immer nur ihren großen Vorfahren nachweinen. Die Dschungelbewohner und die Imanguk werden als gewalttätig und extrem patriarchal (Frauen und Kinder sind Eigentum der Männer) beschrieben, ihre eine Stadt ist ein chaotischer Jauchepfuhl, allseits herrscht Desorganisation, Faustrecht und Kriminalität. Die im Dschungel lebenden Stämme halten den Dschungel für die ganze Welt, begegnen Außenseitern mit abergläubischer Angst oder Gewalt und haben auch sonst von nix nenr Plan. Die eine positiv dargestellte Stadt des Kontinents, Puerto Libre, ist - na so was - eine alte und inzwischen unabhängige Kolonie des Imperiums ...

Ich frage mich echt, wie dieser Teil des Settings zustandekommen konnte - ich nehme mal stark an, dass der Autor auch hier "sozialen Realismus" betreiben wollte anstatt zu idealisieren und zu exotisieren, aber im Endeffekt wirft er einfach nur mit rassistischen Klischees um sich; willst du in dem Setting einen dunkelhäutigen Menschen spielen, dann ist der Default erst mal, dass du - wenn du nicht gerade die Ausnahme bist - wahrscheinlich faul, gewalttätig, kriminell und abergläubisch bist.

Der Teil des Settings hat mir die Lektüre echt ein bisschen vermiest. Ich habe ihn jetzt zum Glück durch und lese ihn weiter; wenn ich Tierras Quebradas jemals spiele, dann werde ich DIESEN Teil des Settings ganz sicher nicht in der Form verwenden; letztendlich sind das bisher nur ca. 5 Seiten in dem ganzen Buch, aber die gehören in die Tonne gekloppt.

Der Rest ist, wie gesagt, durchaus vielschichtig und konsistent in der Settingentwicklung, und der Autor gibt sich wirklich Mühe, keine einfachen Antworten auf die Fragen nach Gut und Böse zu geben. Um so unerklärlicher dieser Totalaussetzer ...

caranfang:
Das ist das Problem. Entweder verwendet man Klischees, die leider oft genug auf Tatsachen basieren und deren Gründe eigentlich immer ignoriert werden, oder man versucht auf Klischees zu verzichten und schafft etwas, was am Ende nicht funktioniert, weil es entweder unglaubwürdig oder sehr ideologisch auf geladen ist. ich würde mich nicht darüber aufregen, dass igrendeine Kultur einer Fantasywelt auf irgendwelchen Klischees basiert.

Swanosaurus:

--- Zitat von: caranfang am 11.08.2024 | 14:47 ---Das ist das Problem. Entweder verwendet man Klischees, die leider oft genug auf Tatsachen basieren und deren Gründe eigentlich immer ignoriert werden

--- Ende Zitat ---

Tatsachenbasiert hätte der Autor sich halt auch für eine Menge anderes entscheiden können - warum hat er z.B. noch extrem patriarchale Verhältnisse bei den Stämmen obendraufgesetzt? Da gibt es so generalisierend in Bezog auf Afrika wirklich gar keinen Grund für, und es aus dem Setting von TQ erklärt es sich auch nicht. Und das Gewalt, Desorganisation und Kriminalität in der wirklichen Welt vielleicht was mit Kolonialisierung zu tun hat, fällt auch unter den Tisch, weil die Imanguk hier nie kolonialisiert war und die einzige Kolonialstadt auf ihrem Land eine liberale, wohlständige Handelsmetropole ist ... nee, die Imanguk "sind halt einfach so". Wenn ihr Land als eines beschrieben wäre, das durch Kolonialismus zugrunde gerichtet wurde, wie es in der wirklichen Welt der Fall ist, dann fände ich eine so negative Beschreibung sehr viel verdaulicher ...

flaschengeist:
 8), danke für diesen Einblick in die Welt von Tierras Quebradas. Kannst du noch bissel was zur Spielsystem schreiben, also:

Welche Würfelmechanik wird verwendet (meine, Cyberpunk 2020 war 1d10+x gegen MW)?
Welche Attribute, abgeleiteten Werte und ggf. Fertigkeiten gibt es?
Gibt es Klassen oder Stufen?
Wie ordnest du das System von der Komplexität und Regeltiefe her ein, eher Leicht-, Mittel- oder eher Schwergewicht?


Swanosaurus:

--- Zitat von: flaschengeist am 11.08.2024 | 14:56 --- 8), danke für diesen Einblick in die Welt von Tierras Quebradas. Kannst du noch bissel was zur Spielsystem schreiben, also:

Welche Würfelmechanik wird verwendet (meine, Cyberpunk 2020 war 1d10+x gegen MW)?
Welche Attribute, abgeleiteten Werte und ggf. Fertigkeiten gibt es?
Gibt es Klassen oder Stufen?
Wie ordnest du das System von der Komplexität und Regeltiefe her ein, eher Leicht-, Mittel- oder eher Schwergewicht?

--- Ende Zitat ---

Der Thread ist Read-in-Progress, bei den Regeln bin ich noch gar nicht, vom Überfliegen/Schnellstarter her kann ich sagen:

Ja, Würfelsystem ist 1d10+Skill gegen Mindestwert.
Es gibt recht viele Fertigkeiten (so um die 60, wenn man die ganzen freien Spalten z.B. für Waffenspezialisierungen mitrechnet), deren Basiswerte von den Grundattributen abgeleitet sind.
Keine Klassen und Stufen.
In Sachen Komplexität sieht es für mich nach einem Mittelgewicht aus, z.B. etwas leichter als Mythras, etwas komplexer oder gleichauf mit D&D5.

Als Hauptattribute gibt es nur Körper, Geist und Seele, allerdings wird Körper noch durch einen separaten Größenwert (-3 bis +3) modifiziert, je nachdem, ob es um Agilität oder Kraft geht. Und Attraktvität funktioniert glaube ich ähnlich in Bezug auf Seele.

Insgesamt sieht es nach einem konventionellen System aus, wo eventuell Twists verborgen liegen, weiß ich natürlich noch nicht.

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