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[Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten

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Sashael:

--- Zitat von: flaschengeist am 12.11.2024 | 23:58 ---Keine Figur wird so beschrieben, dass ich eine Bindung zu ihr aufbauen kann. Dementsprechend ist mir auch egal, was diesen Figuren geschieht. Im Schatten aus der Zeit flieht beispielsweise im letzten Abschnitt der Protagonist vor einem diffusen Schrecken. Im Grunde spannend aber halt nur, wenn einem sein Überleben (und seine geistige Unversehrtheit) nicht am Allerwertesten vorbei geht.

--- Ende Zitat ---
Aber warum ist das bei dir so?

Kannst du nur mit Personnagen mitfühlen, wenn die für dich wie bekannte Freunde sind?

Ich persönlich brauche keinen Bindungsanker, damit mich das Schicksal einer Person berührt. Die darf nur kein ausgewiesenes Arschloch sein. Aber ein "leeres Blatt", dass in Panik vor etwas Unbekanntem flieht, sorgt nicht dafür, dass ich das Unbekannte als "irrelevant" und "nicht gruslig" einstufe. Was die Voraussetzung dafür ist, dass ich die Geschichte nicht unheimlich finde.
Eher so im Gegenteil. Was diesem 08/15 John Doe passiert, kann wortwörtlich jedem passieren.

Das Argument "Ich finde den Protagonisten flach und farblos und deswegen finde ich die Geschichte einfach nicht unheimlich" kann ich wirklich Null nachvollziehen.
Das Eine hat mit dem Anderen in meinen Augen nichts zu tun. Ich kann mit fortschreitender Identifizierung/Bindung mit dem Protagonisten an seinem Schicksal mehr Anteil nehmen, aber das Unheimliche, das Unbekannte, das Grauen sind davon unbetroffen.

flaschengeist:

--- Zitat von: tartex am 13.11.2024 | 12:14 ---Ich lese ihn genau deshalb. Weil der so eine entspannende Distanz zu anderen Personen in den Stories schafft - inklusive dem Erzähler.

--- Ende Zitat ---

Das freut mich für dich und alle anderen, denen Lovecrafts Geschichten - aus welchen Gründen auch immer - Vergnügen bereiten :). Geschmäcker sind nun einmal unterschiedlich.

Daher tut es mir sehr leid, dass hier zwischenzeitlich geschlossen wurde. Wenn man es schafft, Geschmacksfragen nicht mit Wahrheitsfragen zu verwechseln, ist ein Austausch so viel produktiver - wie dieser Faden glücklicherweise ebenfalls zeigt.



--- Zitat von: Megavolt am 13.11.2024 | 19:06 ---Vielleicht sollte jeder mal seine Lieblingsgeschichten nennen (oder sein meistgehasstestes Stück), dann könnte man auch bei einer erneuten Annäherung ein bisschen sortieren und hätte vielleicht einen insgesamt günstigeren Zugang.

--- Ende Zitat ---

Klingt produktiv  :d.


--- Zitat von: Sashael am 14.11.2024 | 12:40 ---Kannst du nur mit Personnagen mitfühlen, wenn die für dich wie bekannte Freunde sind?

--- Ende Zitat ---

Nicht nur aber je mehr ich mich mit einer fiktiven Figur identifizieren kann, desto mehr nehme ich Anteil. Und ich habe eben bemerkt, dass mich (neben vielen anderen Dingen) auch dieser Punkt daran hindert, Lovecrafts Geschichten etwas abzugewinnen.


--- Zitat von: Sashael am 14.11.2024 | 12:40 ---Aber warum ist das bei dir so?

--- Ende Zitat ---

Fragst du dich, warum ich mich nicht mit Lovecrafts Figuren identifizieren kann? Oder findest du es komisch, dass der Identifikationsgrad mit einer Figur und das Ausmaß der Anteilnahme an ihrem Schicksal zusammen hängen?

Sashael:

--- Zitat von: flaschengeist am 14.11.2024 | 18:21 ---Fragst du dich, warum ich mich nicht mit Lovecrafts Figuren identifizieren kann? Oder findest du es komisch, dass der Identifikationsgrad mit einer Figur und das Ausmaß der Anteilnahme an ihrem Schicksal zusammen hängen?

--- Ende Zitat ---
In gewisser Weise das zweitere.
Ich finde es komisch, dass dir die Ursache des Schicksals einer Figur egal zu sein scheint, wenn du die Figur nicht tief genug kennst.

Ich versuche zu erklären:
Bei Lovecrafts Geschichten geht es um das Unbekannte Grauen. Und zwar ein gleichgültiges und anteilsnahmsloses Grauen aus einem Winkel des Weltraums, der zu fremd und absonderlich ist, als dass wir ihn überhaupt logisch erfassen können. Durch merkwürdige Umstände bricht es über unsere Welt herein und hinterlässt an der Stelle Tod und Wahnsinn.

Die Protagonisten sind Boten dieser Ereignisse. Klar, wenn es sich um Figuren handeln würde, die wir gut kennen und mögen, würde uns das persönliche Schicksal von ihnen näher gehen, aber es würde eigentlich nichts an der Ursache des Grauens ändern.
Die Absicht der Geschichten ist imo nicht, die Leser mit den Figuren mitleiden zu lassen, sondern ihnen einen Alptraum zu zeigen, der womöglich nur hinter der nächsten Ecke (oder in der Antarktis) auf sie wartet.

Und wenn jetzt manche sagen "Die Geschichten finde ich nicht gruslig, denn die Protagonisten find ich blass und farblos", dann fehlt da in meinen Augen der Bezug zur Geschichte. Es geht ja nicht darum, WEM etwas passiert, sondern WAS da geschieht.

tartex:

--- Zitat von: Megavolt am 13.11.2024 | 19:06 ---Vielleicht sollte jeder mal seine Lieblingsgeschichten nennen (oder sein meistgehasstestes Stück), dann könnte man auch bei einer erneuten Annäherung ein bisschen sortieren und hätte vielleicht einen insgesamt günstigeren Zugang.

--- Ende Zitat ---

Meine Lieblingsgeschichte ist Dagon. Sozusagen Lovecraft in höchster Konzentration. Es gibt gar keine Nebencharakter, nur einen einzelnen verlorenen Menschen, der durch den Schlamm watet und ein paar Felsen anschaut. Sehr starke Atmosphäre auf sehr kleiner Fläche konzentriert.


Und zum Thema  ganzallgemein lasse ich mal den Elitisten raushängen: Lovecraft ist vielleicht so wie Musik. Klar, es gibt viele, die mögen nur die eingängigsten Songs, die ihnen regelmäßig im Radio vorgespielt werden. Aber nicht wenige wollen je nach Stimmung auch mal was anderes hören. Vieles davon ist vielleicht nicht so zugänglich, aber darum geht es ja gerade nicht. Auf einige Sachen muss man sich einlassen können oder wollen. Dass die Mitsing-Hooks fehlen ist nicht Bug, sondern Feature. Die Hooks würden dich nie das fühlen lassen, was der andere Zugang ermöglicht. Sehe ich bei Literatur sehr ähnlich.

Megavolt:

--- Zitat von: tartex am 14.11.2024 | 18:47 ---Meine Lieblingsgeschichte ist Dagon. Sozusagen Lovecraft in höchster Konzentration. Es gibt gar keine Nebencharakter, nur einen einzelnen verlorenen Menschen, der durch den Schlamm watet und ein paar Felsen anschaut. Sehr starke Atmosphäre auf sehr kleiner Fläche konzentriert.

--- Ende Zitat ---

Dann ziehe ich mir das bei nächster Gelegenheit mal rein und bin sehr gespannt.  :d

Ich finde es lustig, dass ich trotz eingeschränkter Textkenntnis den Lore im Großen und Ganzen doch irgendwie kenne, aber halt vermittelt durch Sekundärquellen. :) Ich bin nach wie vor der Meinung, Lovecraft profitiert immens durch die endlosen Raffinationen und Reflexionen durch andere Kreative, und das halte ich eigentlich nicht für einen Makel, sondern empfinde die Erkenntnis, dass Stoffe dadurch nicht nur runtergewirtschaftet, sondern auch stark aufgewertet werden können, als interessant und arg bedenkenswert.

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