Pen & Paper - Rollenspiel > Pen & Paper - Spielberichte
[Werewolf: The Apocalypse | Ironsworn] Wyldreise
Schalter:
Das geht jedenfalls in der darauffolgenden Nacht so weiter: Beide Malgrimov-Kids konkurrieren miteinander um Zoes Zeit. Ein bisschen besitzergreifend sind sie ja schon. Aber gleichzeitig auch geistreiche Gesprächspartner, alle beide ...
Novak nimmt akribisch Zoes Bericht auf, nicht schriftlich, er merkt sich einfach alles genauestens. Er zeigt ihr eine der recht beeindruckenden Hausbibliotheken, und stellt ihr die Bibliothekare vor. Chessa wiederum lässt Zoe von ihren Zofen in verschiedene Kleider stecken und ihre Haare auf verschiedene Arten frisieren.
In dieser Nacht dürfen außerdem endlich die Knochenbeißer im Herrenhaus erscheinen. Die Werwölfe der beiden Stämme tauschen untereinander die Neuigkeiten aus, die sie in den letzten Nächten zusammentragen konnten. Bisher keine Spur von Zoes Stamm, oder Elias Roves-With-The-Morning-Clouds, aber alle halten dies für eine Sache, die nur noch wenige Nächte dauern wird, jetzt, wo die Neuigkeit über das Mondbrücken-Netzwerk verbreitet wurde.
Chessa Malgrimov setzt sich mit Zoe, Kylah und ihrem Diener Stoyan ab, in eins der Musikzimmer.
„Endlich können wir auch mal was sagen“, sagt Chessa mit genervter Geste, „immerzu diese Ehrerbietung gegenüber den Älteren! So. Das ist also Ihre Kylah, Miss Matherson! Miss Kirby, ich habe schon so viel über Sie gehört!“
Kylah macht Glubschaugen, mit denen sie die Werwölfin mustert. Zoe vermutet, sie ist in ihrem bisherigen Leben noch nie als ‚Miss Kirby‘ angesprochen worden.
„Bleiben Sie weiterhin an Zoe Mathersons Seite? Zumindest, bis diese endgültig ihrem Stamm übergeben werden konnte?“
„Äh … ja. So hatte ich mir das eigentlich gedacht“, sagt das Punk-Mädchen defensiv.
„Treu wie das Gold des Helios!“
Zoe lächelt Kylah an, „Danke!“
„Klaro. Ist jetzt auch egal, kommt auf noch'n paar Nächte nicht mehr an.“
„Ich und mein Herr Onkel Jaromir haben darüber gesprochen, ob man Miss Kirby nicht bis dahin auch hier im Hause mit einquartieren könnte, Miss Matherson. An leeren Zimmern herrscht ja kein Mangel. Dann könnten Sie ihre Blutsschwester um sich haben!“
Chessa Malgrimov guckt wissend zwischen beiden hin und her, als hätte sie genauestens mitbekommen, dass Kylah neulich Nacht unangemeldet vor dem Gebäude erschienen ist!
Zoe schluckt. Aber das adelige Mädchen scheint es nicht böse zu meinen, im Gegenteil.
„Wenn das ginge …!“, setzt Zoe an.
Chessa lächelt, „Ich bespreche das noch einmal genauer! ... Ich glaube, es wäre Zeit für etwas Tee. Stoyan?“
„Sehr wohl, Miss“, sagt der Diener mit seiner sanften Stimme, und erhebt sich sofort.
So treues Personal wie Stoyan Volansky ist heutzutage schwer zu finden!
„Nimm' Miss Kirby mit, Du kannst Ihr die Küche zeigen! Sie kennt sich hier ja noch gar nicht aus!“, ordnet Chessa an.
„Sehr wohl. Miss Kirby?“
Kylah zieht eine Augenbraue hoch, aber trottet dann Stoyan nach.
„Sie ist ein Segen, Ihre Blutsschwester. Und so exotisch anzusehen!“, grinst Chessa anerkennend.
„Sie ist gar nicht meine Blutsschwester …“
„Ja, sie ist ein Knochenbeißer, unübersehbar“, erklärt Miss Malgrimov, „aber sie steht mit Ihnen in Kontakt, Zoe, sie agiert, als wäre sie die Ihre.“
„Die meine?!“
„Damit die Garou ihre Fähigkeiten zum Einsatz bringen können, brauchen sie die Unterstützung einer exzellenten Dienerschaft, Miss Matherson. Eines Netzwerks von Helfern und Helfershelfern.“
„Mit Kylah bin ich aber befreundet!“
„Ja, unbenommen. Ich bin ja mit meinem Stoyan auch befreundet! Sehr innig sogar!“
„Ist der Ihr Liebessklave?“, rutscht es Zoe nun doch heraus.
„Manchmal, wenn mir das Gemüt danach steht!“, kichert Chessa, „Da ist er noch begabter als in seiner Rolle als Hausdiener!“
„Wow. Das ist mir zu hoch, glaube ich. Die Leibeigenschaft ist in den USA aber übrigens abgeschafft, Miss Malgrimov.“
„Außer natürlich, wenn sie konsensuell ist, Miss Matherson! Abgesehen davon ist von Leibeigenen gar nicht die Rede. In diesem Hause sind die Blutsgeschwister devote Diener, das ist die natürliche Ordnung der Dinge. Auch in der Ehe natürlich; hinter allen großen Stammeshelden stehen starke Gattinen oder Gatten. Ich werde meinen Gemahl schon zu verteidigen wissen, mit Zähnen und Klauen, wenn es mal soweit ist.“
„Oder einfach einen anderen Werwolf heiraten“, sagt Zoe, etwas verwirrt.
„Dann bekommen Sie aber keine Garou-Nachkommen, Zoe Matherson. Und das in einer Zeit, in der wir vom Aussterben bedroht sind.“
„Wirklich?!“, sagt Zoe verblüfft, und ihr fällt ein, dass Shady Sabina auch sowas in der Art gesagt hatte.
„Sie sollten langfristig Ihre Kylah als Dienstmagd behalten, die ist ein verborgenes Goldstück, ein Rohdiamant. Das merkt man. Vielleicht geben die Knochenbeißer sie her. Aber Sie sollten sich in jedem Falle einen Blutsbruder suchen vom eigenen Stamm, für alles weitere.“
„Ich hatte in den letzten Wochen eher das Gefühl, Kylah ist die, die mir die Ansagen macht. Immerhin weiß die viel besser Bescheid über all das hier … und sie kann einen kühlen Kopf bewahren. Das scheint etwas zu sein, das mir abhanden gekommen ist!“, und Zoe schaut auf ihre bandagierte Wade hinab.
„Sehen Sie's, wie Sie möchten!“, flötet Chessa, „Ah, da bringen die beiden den Tee!“
Zoe steht schnell auf, um Stoyan und Kylah mit den Silbertabletts zu helfen. Allein schon deswegen, um den Gegenbeweis anzutreten zu dem, was Chessa ihr gerade gesagt hat.
„Bleiben Sie doch bitte sitzen, Miss Matherson, denken Sie an ihre Verwundung!“, sagt Stoyans ehrerbietige Stimme, fast ein wenig vorwurfsvoll.
☀
Nach Mitternacht machen sie alle gemeinsam einen Spaziergang durch den verwilderten Park, mit altmodischen Taschenlampen in Händen, manche von ihnen mit Augäpfeln, die sie zu denen von nachtsichtigen Wölfen verändert haben. Das Six o' Clock Carjack Pack geht voran, und unterhält sich bestens gelaunt mit einigen der anderen Garou aus der Villa.
Die Malgrimov-Cousins haben sich mit Zoe ein wenig zurückfallen lassen.
Novak hat eine Weile Simons und Ribkicks Stimmen gelauscht, und sagt schließlich leise, „Die Knochenbeißer sind wirklich so etwas wie ein Phänomen. Wo andere Stämme nur Hindernisse und Korruption sehen, entdecken die Gelegenheiten. Kein Wunder, dass die sich Ihre Freundschaft verdient haben, Zoe Matherson.“
Chessa nickt angeregt, und ergänzt, „Deren Stamm steht im Rufe, sich den Mittellosen und Entrechteten anzunehmen, den Waisen der modernen Welt. So wie auch Ihnen!“
Zoe fragt verhalten, „Weil ich ein … Verlorener Welpe bin?“
„Ja …“, sagt die Adelige, aber macht schmale Lippen, sie sieht aus, als würde das nicht das gewesen sein, das sie meint.
Zoe bohrt nach, „Waisen der modernen Welt? Was meinen Sie noch, Chessa?“
„Nichts weiter. Nun … Sie, Zoe, dürften von ziemlich reiner Abstammung sein. Wie mein lieber Cousin und ich, und unsere Herren Väter. Man meint, dieselbe Reinblütigkeit Ihnen anzumerken! Ihr Stamm müsste deshalb höchst interessiert sein, Sie umgehend in seinen Kreis aufzunehmen!“
„Selbst, wenn! Sie haben doch vorhin gesagt, wir seien eine aussterbende Art! Da kommt's doch wohl auf jeden an!“
Die Schattenherrscherin nickt bedächtig, „Sehr wohl. Mittlerweile hätte sich Ihr Stamm also sputen müssen, der hätte sich durchaus melden können …“
„Wollen Sie damit sagen …“, hebt Zoe an, aber plötzlich fühlt sie Angst.
Novak spricht stattdessen weiter, „Was meine Cousine sagen will, ist vermutlich dies: Wir sind im Krieg, Miss Matherson, und der Feind schläft nicht. Vielleicht besteht das Caern, zu dem Ihr Großvater Elias und damit Sie ursprünglich gehört haben, gar nicht mehr. Dann wären Sie stammeslos, bis zu dem Zeitpunkt, zu dem Sie sich selbst einen Stamm wählen unter den zwölf Verbleibenden.“
„Oh … und könnte ich da ganz frei wählen, hypothetisch?“
Chessa sagt, „Weitgehend. Der Stamm, in den Sie aufgenommen werden möchten, wird Ihnen eine Aufgabe stellen. Dies ist der Aufnahmeritus!“
„Aber wie erfahre ich, wer diese zwölf Stämme sind? Und wie ich mich an die wenden kann?“
„Da helfen wir Ihnen natürlich weiterhin, Ehrensache!“, sagt Novak.
„Verlassen Sie sich ganz auf uns“, bestätigt Chessa.
Schalter:
Kylah packt also ihre Reisetasche, um in das Herrenhaus umzuziehen. Der VW-Bus liefert sie vor dem Haupteingang ab, und sie springt raus. Das Knochenbeißer-Rudel nutzt diese Gelegenheit, um sich von ihr und Zoe zu verabschieden, und von ihren Schattenherrscher-Verbündeten.
„… Was hat das zu bedeuten?“, fragt Zoe verblüfft, „Ihr könnt doch noch nicht weg! Was ist mit diesem Gangrydge? Und so lange ich noch nicht abgeholt worden bin, bekommt Ihr doch auch noch nicht Eure Belohnung!“
„Das Caern in Detroit hat uns zurückgepfiffen“, erklärt Simon, „was die Mütter und Väter sagen, wird gemacht! Unsere Stammesältesten, verstehst Du?“
„Ich … ich will nicht, dass Ihr geht“, sagt Zoe hilflos.
Simon lacht, „Oh, hört Ihr, Ihr räudigen Hunde? Wir können leider dem Befehl unseres Stammes nicht nachkommen, Zoe will nicht, dass wir gehen!“
Alle lachen vergnügt.
„Ach, Du“, sagt Zoe, und knufft ihn. Dann umarmen sie sich.
„Wir lassen ja Kylah hier. Dein Stamm muss aber dafür sorgen, dass die zurück nach Detroit kommt, wenn Du hier weggebracht wirst!“
„Versprochen.“
„Und Lousy Five Bucks bleibt vorerst in Lowdale. Der kann da erstmal noch ein bisschen rumschmarotzen. An den könnt Ihr Euch wenden, sollte irgendwas sein.“
„Lousy Five Bucks will nicht in seine Hood zurück?“
„Sutter Cross' Gang hat mehrmals versucht, dem Organe rauszuschnitzen! Der hat erstmal weiterhin Bock auf Landluft!“
„Verstehe ich. Hey, ich komme Euch besuchen, sobald ich wieder in Detroit bin.“
„Wir freuen uns drauf! Wir reservieren eine Schweinehälfte dafür!“, grinst Simon.
Zoe umarmt nochmal alle. Massalfassar rasselt feierlich mit seiner schmuddeligen Plastikrassel.
Kylah umarmt ihrerseits auch alle ihre Stammesgefährten, Simon etwas länger als die anderen.
… Weil da nämlich doch was geht zwischen den beiden!, sagt sich Zoe, trotzig, sie lässt sich die Vermutung nicht ausreden, und sie lächelt süffisant.
Im Verlauf der Nacht versuchen die Hausdienerinnen, auch Kylah neu einzukleiden, besonders eifrig versuchen sie, ihr ein schlichtes Rüschenkleid anzuschnacken, so ähnlich wie sie selber welche tragen. Die Punk-Biene ist vor allem befremdet darüber, das ist ganz und gar nicht ihr Style, lieber will sie weiterhin abgerissen herumlaufen. Zoe hilft ihr dabei, die Blutsschwestern schließlich abzuwimmeln.
„Die wollten mich ernsthaft als Pinguin verkleiden!“, sagt Kylah empört, als sie weg sind, und Zoe und sie ihr Bett beziehen, in dem Gästezimmer, das man ihr zugewiesen hat.
„Die haben hier ein wenig festgefahrene Vorstellungen von Bosshaftigkeit!“, sagt Zoe.
„Psst!“, rügt Kylah sie, „Du darfst nicht ablästern, hab' ich Dir doch gesagt!“
„Ja, stimmt. Entschuldige, vergessen.“
„Wahrscheinlich hast Du hier schon mega auf die Schnauze gekriegt in meiner Abwesenheit“, raunt Kylah, „wegen den großen Reden, die Du immer schwingst. Kommt da etwa die fiese Zahnlücke her?“
„Nee, alle lieben mich!“, flüstert Zoe verschmitzt, „Abgesehen von einer vereinzelten Standpauke vom Hausherren!“
„Aha!“, sagt Kylah nur, als wäre damit zugegeben worden, dass sie eben doch auf ganzer Linie Recht gehabt hätte.
☀
Dann ist da noch die Sache mit dem Fenrir-Stammesfetisch zu klären! Zoe hat, wenn auch murrend, Novaks Rat befolgt, und ist die letzten drei Tage mehrheitlich in ihrer haarigen Glabro-Form gewesen. Im Verlauf der heutigen Nacht verbessert sich der Zustand ihrer Verwundung erneut, nun ist sie runter auf zwei Wundlevel, und humpelt kaum noch. Die übrige Gewehrkugel hat die Leibärztin ihr gestern auch rausgeholt, mit einer Kugelzange (die Gelegenheit ist günstig, weil Zoe derzeit nur drei Rage-Punkte hat und deshalb nicht schon wieder austicken kann), die ist sie jetzt auch los, alles ist schon wieder restlos verheilt.
Zoe in ihrer Glabro-Form, ungewohnt vielleicht, aber zumindest nützlich in ungeheizten Räumen
Damit wäre schon wieder denkbar, das Gelände zu durchkämmen nach einem gewissen, verborgenen Ronin. Zoe (groß und haarig, in Glabro-Form) und Kylah sitzen in den frühen Morgenstunden in der weitläufigen, geschäftigen Küche, in der Nähe des Kachelofens, und machen sich nützlich, sie schälen kiloweise Kartoffeln für die Köchinnen. Dabei erzählt Zoe in gedämpfter Stimme von dem Geheimnis, welches das adelige Mädchen ihr anvertraut hat — und dass sie früher oder später eine Gegenleistung einfordern wird.
„… Dabei habe ich Dir doch gesagt, lass' Dich auf nix ein!“, flüstert Kylah.
„Das war erst später, dass Du mich gewarnt hast. Da hatte ich das schon versprochen!“
„Na und? Hättest Du Dir auch selber denken können, das liegt doch auf der Hand! Brauchst doch nicht mich, um Dir immer alles vorzukauen!“
„Ey, voll gemein“, flüstert Zoe, wenn auch grinsend, „Werd' ja nicht frech, sonst tüten wir Dich doch noch in so ein rüschiges Service-Kleidchen ein! Sieht bestimmt mega-süß aus!“
Kylah guckt vom Kartoffelschälen auf: „Sag' mal, Zoe, hast Du sie noch alle?“
Zoe zögert, und raunt dann, „Entschuldige. Wollte nur witzig sein. Hast Recht, das war doof.“
Jetzt ist ihr selber auch schon so Alphawolf-Blödsinn rausgerutscht, wie die Schattenherrscher den verzapfen!, rügt sich Zoe in Gedanken selbst, das muss sie ganz schnell wieder bleiben lassen! Sie hat letztlich definitiv zu viel Zeit mit den Malgrimovs verbracht.
„… Also kann Chessa Malgrimov jetzt jederzeit zu Dir marschieren und irgendwas verlangen!“, zischt Kylah, den Faden wieder aufnehmend.
„Ja, aber nur eine Gefälligkeit. Nicht gleich'n Mordauftrag oder so.“
„Woher willst Du denn wissen, ob für die ein Mordauftrag nicht eine bloße Gefälligkeit ist?!“
Zoe schluckt. Dann aber sagt sie, „Die sind hier gar nicht so schlimm. Ich glaub', Du siehst Gespenster.“
„Nee, Werwölfe sehe ich, Zoe. Werwölfe.“
☀
Kylah und Zoe entscheiden sich also, vor Morgengrauen nochmal einen Spaziergang zu machen, der sie (ganz zufällig) entlang der Außenbereiche des Grundstücks führt. Vielleicht kann Zoe ein Zeichen von einem fremden Werwolf dort erschnüffeln! Vielleicht ist dieser Landstreicher ja auch gar nicht so schlimm, wie Miss Malgrimov neulich angedeutet hat.
Besteht die Chance, ihn auf diese Weise zu finden? Die Orakelwürfel verneinen.
Zoe konzentriert sich zwar auf ihre wölfische Witterung, aber in was auch immer für einem Erdloch der Ronin lebt, er hält sich gut verborgen. Alles, was man findet, sind gelegentlich abgenagte Tierknochen im Gras, und die können natürlich auch von den ganzen Schattenherrschern stammen, die auf dem Gelände ein und aus gehen. Die Mädels werden also erneut Chessa dazu befragen müssen. Zu dem Zeitpunkt geht auch die Morgendämmerung los, und die beiden sollten längst in ihren Betten sein.
Als sie wieder von draußen reinkommen, hören sie im Salon nebenan zwei Stimmen streiten, die sich gerade in leidenschaftliche Rage geredet haben:
„… Sie wird schon nicht fortgehen!“
„Das weißt Du nicht! Nichts ist sicher. Du immer mit Deiner Vergangenheit und Zukunft! Ich sage Dir, was zählt, ist der Augenblick! Hah!, ich sage Dir noch etwas: Noch bevor sie ihre Entscheidung trifft, egal ob sie bleiben oder gehen will, stehle ich der Holden einen Kuss!“
„Ach ja, und dann willst Du damit irgendetwas gewonnen haben, oder wie? Was würde das schon zählen, wenn sie uns dennoch verlässt!“
„Eine Trophäe!“
„Du willst sie mir wegnehmen! Aber da musst Du früher aufstehen. Ich, mein Lieber, ich habe meinen Punkt längst gemacht! Mit Dir knutscht die Holde bestimmt nicht.“
„Oh, Du weißt selbst, wie ich auf junge Maiden wirke. Diesmal wird es nicht anders sein, Du wirst schon sehen! Ehe Luna ihr Gesicht wieder wechselt, habe ich der Verirrten einen Kuss gestohlen!“
Die beiden jungen Romantiker streiten sich im Blauen Salon. Zoe und Kylah wechseln einen konfusen Blick, und Kylah gestikuliert hastig nach oben, Zoe nickt, und sie schleichen schnell davon, zu ihren Zimmern hinauf.
„... Lass' Dich nicht im Schlaf knutschen von dem blassgesichtigen Traumprinzen!“, wispert Kylah, Zoe unterdrückt ein Prusten.
„Ich bin hier schon leidgeprüft! In den ersten Tagen hier hat bereits wer heimlich an meiner Tür gelauscht, geradezu wie manisch!“
„Boah, reichlich creepy. Welcher von den beiden?“
„Habe ich nicht rausgefunden. Vielleicht beide abwechselnd!“
„Bestimmt der Traumprinz. Immerhin hat der das groß angekündigt, dass er Dir einen Kuss stehlen will!“
„Wieso höre ich eigentlich immer stehlen?“, sagt Zoe und grinst wölfisch, „der muss nix stehlen, den knutsche ich auch so! Hast Du mal einen näheren Blick auf den geworfen, wie der Macker aussieht?“
Kylah kichert, und zuckt die Schultern, da kann nicht mal sie was dagegen sagen.
„Gut, dass Du jetzt hier einquartiert bist, Kylah! Plötzlich ist das hier ein bisschen wie in einer Jugendherberge!“
„Hä?“
„Na ja, wie Jugendherbergen so sind, Klassenfahrt oder so: Alle möglichen Hormone kochen hoch, man schleicht über knarrende Dielenbretter, tuschelt heimlich auf dem Gang, und dann verschwinden alle schnell in ihren Zimmern!“
Sie kichern erneut, und verschwinden dann schnell in ihren Zimmern. Bevor noch die Hausdiener sie hören, und wissen wollen, was sie bei Morgengrauen noch auf den Beinen machen.
☀
Hier sind zwischendurch mal die Profile der jungen Malgrimovs:
Novak Malgrimov, Remembers-Many-Paths
Alter: 20; Stamm: Schattenherrscher; Vorzeichen: Galliard; Blut: Garou ; Aufzucht: Homid; Rang: Cliath
Attribute: Geschick 2, Konstitution 2, Stärke 2, Charisma 3, Erscheinungsbild (Eleganz) 4, Manipulation 3, Geistesschärfe 2, Intelligenz (Erinnerungsvermögen) 4, Wahrnehmung 2
Fertigkeiten: Athletik 3, Aufmerksamkeit 3, Ausdruck 3, Einschüchtern 2, Empathie 2, Handgemenge 2, Überzeugen 3, Ur-Instinkt 2; Auftritt 3, Heimlichkeit 3, Überleben 1; Enigmas 1, Etikette 3, Linguistik 2, Nachforschung 3, Okkultismus 1, Politik 3, Riten 2.
Hintergründe: Reinblütig 3, Ressourcen 2, Riten 2
Gnosis: 3
Rage: 4
Willenskraft: 5
Gaben: Climb Like an Ape, Mindspeak, Seizing the Edge
Ausrüstung: Klappbarer Taschenspiegel an Kettchen, verstecktes Messer in Handgelenk-Halterung
Chessa Valeriya Malgrimov, Dark-Veils-of-Whispers
Alter: 19; Stamm: Schattenherrscher; Vorzeichen: Theurge; Blut: Garou ; Aufzucht: Homid; Rang: Cliath
Attribute: Geschick 2, Konstitution 2, Stärke 1, Charisma 3, Erscheinungsbild (Püppchenhaft) 4, Manipulation 3, Geistesschärfe (Berechnend) 4, Intelligenz 3, Wahrnehmung 2
Fertigkeiten: Athletik 2, Aufmerksamkeit 3, Ausdruck 3, Einschüchtern 2, Empathie 3, Handgemenge 2, Überzeugen 3, Ur-Instinkt 2; Auftritt 1, Handwerk 1, Heimlichkeit 3, Überleben 2; Enigmas 2, Etikette 3, Linguistik 2, Nachforschung 3, Okkultismus 3, Politik 3.
Hintergründe: Blutsgeschwister (Stoyan Volansky) 1, Reinblütig 3, Ressourcen 2, Vorfahren 2
Gnosis: 3
Rage: 3
Willenskraft: 5
Gaben: Climb Like an Ape, Spirit Speech, Seizing the Edge
Ausrüstung: Klappbarer Taschenspiegel an Kettchen, verstecktes Messer in Fußgelenk-Halterung
Schalter:
Am nächsten Abend passt Zoe Miss Malgrimov ab, um vertraulich mit ihr zu reden, (und sie zu der Sache mit dem Ronin zu befragen). Da bekommen prompt einige der Hausbewohner spitze Ohren — buchstäblich, denn mehrere rangniedere Schattenherrscher sind heute zugegen. Chessa dirigiert den Gast unauffällig außerhalb von Hörweite.
Ich würfle Charisma+Überzeugen, um die Adelige dazu zu bringen, nähere Details zu verraten. Das klappt mit drei Erfolgen: Chessa ist entzückt, dass Zoe auf ihre Anregung hin handeln will! Sofort willigt sie ein, die Besucherin dorthin zu führen, wo ihr Herr Onkel dem Ronin Zuflucht gewährt.
Apropos, der Hausherr. Der wurde uns ursprünglich definiert als ein Mystiker, der ein Geheimnis hütet. Weil er Mystiker sein soll, haben wir ihn natürlich zu einem Theurgen gemacht; und Geheimnisse hüten natürlich die meisten Schattenherrscher. Was aber ist das Geheimnis, das gerade relevant bei Zoes Besuch ist? Ist es das Hiersein dieses Ronins? Unwahrscheinlich, vermute ich, aber das Wurfresultat ist 76, laut Orakel-Tabelle um ein Haar noch eine Bestätigung! Mit anderen Worten: Was Chessa heimlich Zoe offenbart hat, das will ihr Herr Onkel vor dem Gast geheim halten! Vielleicht, weil er fürchtet, die Welpin könne tatsächlich eine Fenrir sein, und das entwendete Erbe ihres Stammes einfordern! Ist das der Fall? Eine 99 fällt auf dem W100, absolut, und mit dem Pasch ist dies erneut ein extremes Resultat, es gibt also noch eine besondere Dreingabe! Uh, spannend! Die Natur dieser Bewandtnis möchte ich nicht entscheiden, sondern auswürfeln. Die Orakelwürfel sagen hierzu, Escalate Secret. Die Geschichte um ein Geheimnis wird also hier Fahrt aufnehmen. Das Geheimnis um Zoes Verbindung zum Stamm des Gezüchts des Fenris? Die Orakelwürfel bejahen, abermals mit Pasch! Das entwendete Erbstück, das der Ronin bei sich trägt, kann also sehr genaue Antworten liefern! Cool! Setzen wir das Puzzle doch mal folgendermaßen zusammen:
Mit gerafften Rocksäumen ihres leicht zerschlissenen, hellgrauen Rüschenkleids eilt Chessa Malgrimov vor Zoe her, durch das hohe Gras des verwilderten Waldgebiets. Immer wieder sieht sie sich um, Zoe erschaudert jedes Mal, denn Chessas Augen reflektieren goldbraun das Mondlicht als Raubtieraugen! Sie selbst sollte das auch tun, aber sie kann sich nicht konzentrieren, sie ist so aufgeregt. Muss sie den verbrecherischen Landstreicher wirklich herausfordern, um ihm das Erbe ihres Stammes abzunehmen? Was ist, wenn sie schon bei der Verwandlung versagt, wie es ihr neulich passiert ist, unter dem Dreiviertelmond?
Miss Malgrimov sieht aufgeregt und glücklich aus, sie scheint es schon länger vor zu haben, den Eindringling auf dem Gelände zu stellen, und umso freudiger zu sein, dass dies in Gesellschaft ihrer Zoe geschieht.
Zwischen dem Steinmäuerchen, das die Grundstücksgrenze kennzeichnet, und ein paar dicken Bäumen sind ein paar feuchte Bretter, Europaletten, und Stücke von Dachpappe aufgeschichtet.
Chessa geht geschmeidig wie ein Luchs in die Hocke, nimmt Deckung im hohen, gelben Gras. Zoe tut es ihr nach.
Die Adelige wispert, „Dort ist das Versteck! Er lebt hier im Schmutz, wie der Landstreicher, der er ist!“
„Ist er ein Knochenbeißer?!“, flüstert Zoe verwundert.
„Nein, ich habe doch gesagt, was er ist: Ein Ronin! Stammeslos! Die Knochenbeißer mögen die ewigen Omegas sein in der alten Garou-Nation, aber immerhin sind sie noch so etwas wie ein Stamm! Die Ronin hingegen sind einsame Wölfe. Herumtreiber, Tagelöhner, Geächtete! Ich vermute, mein Herr Onkel Jaromir will diesen hier als Söldner einsetzen für eine bestimmte Aufgabe, wenn die Zeit reif ist! Bis dahin vegetiert er hier, der Lump! Ich fürchte ihn, seine bloße Anwesenheit auf dem Grundstück.“
„Könnte einem direkt leidtun.“
„Während Sie das sagen, Zoe, puhlt er sich wahrscheinlich Schmutz von den Fußkrallen, mit dem geheiligten Erbe Ihres Stammes!“
Da ist natürlich was dran, und Zoe bekommt bei dem Gedanken einen neuen Rage-Punkt, ist jetzt wieder auf vier. Sie zieht ungewollt die Lippen hoch, und entblößt ihre wachsenden Fänge, und ihre brutale Zahnlücke.
„Stellen Sie ihn! Aber bedenken Sie, dass er von Onkel Jaromir vorläufig Zuflucht gewährt bekommt. Es wäre nicht rechtens, ihn fortzujagen oder zu töten! Aber Ihr Erbe einzufordern, das ist Ihr gutes Recht!“
Zoe kriecht also auf allen Vieren durch das hohe Gras, so leise sie kann. Jetzt ist sie froh, dass sie nur in dem ollen Winterpulli, Unterhosen, und Gummistiefeln hier anmarschiert ist, obwohl ihr scheiße kalt ist — wahrscheinlich wird sie sich gleich verwandeln müssen, ob es ihr passt oder nicht! Sie ignoriert beim Näherkriechen ihre schmerzende Beinwunde. Drei Erfolge bei ihrem Geschick+Heimlichkeit-Wurf! Der Landstreicher scheint gerade zu dösen unter seinem Regenschutz!
Zoe erreicht das Mäuerchen, sieht die Silhouette darunter. Sie ist nahe genug! Im Kriechen nimmt sie nach und nach ihre Glabro-Form an.
Schon reckt sie den Kopf unter den Unterstand, ihre Pranke schnellt vor, und packt den Kerl am Schlafittchen, die Fangzähne gefletscht, die freie Hand erhoben, die Finger bedrohlich verkrallt! Mit drei Erfolgen bei Charisma+Einschüchtern fährt der andere Werwolf aus dem Halbschlaf auf, völlig überrumpelt. Er ist ein sehniger Kerl mit dunklen Augen und langen, fettigen Haaren.
„Ende der Fahnenstange, Freundchen!“, knurrt Zoe einschüchternd, „Du rückst jetzt das Diebesgut raus! Und wenn ich Dich auch nur eine falsche Bewegung machen seh' … wenn Du auch nur eine haarige Nasenspitze bekommst … dann spürst Du meine Krallen!“
Das sitzt. Der sehnige Fremde winselt, und zeigt ihr seine Kehle. Instinktiv erkennt Zoe dies als Unterwerfungsgeste: Ihr Gegner gibt vorerst auf!
„Raus da!“, knurrt sie. Sie kriecht rückwärts, bleibt in der Hocke, kauernd im hohen Gras. Ungeübt wie sie ist, gelingt es ihr nicht, die Glabro-Form aufrecht zu erhalten, und unwillkürlich verwandelt sich in ein Mädchen zurück. Der Ronin kriecht aus dem Unterstand, kauert sich vor sie, unterwürfig, aber sprungbereit.
„Ich habe Erlaubnis, hier zu sein! Es mag nicht so aussehen, aber es stimmt! Der Hausherr gestattet es mir!“
„Womöglich. Aber ich will Dir auch gar nicht ans Leder — ich will das Erbstück von dem fremden Stamm, das Du geklaut hast!“
Der Ronin schnuppert irritiert in ihre Richtung.
„Du bist diese Teenagerin, die sich seit einer Woche hier auf dem Grundstück herumtreibt. Ich habe Deinen Geruch bereits verfolgt, hier im Wald.“
„Schnauze! Her mit dem Diebesgut! Du willst wahrscheinlich nicht, dass ich Dich irgendwo verpetze!“
Er hebt beschwichtigend seine schmutzigen Hände, aber fragt neugierig, „Wie heißt Du, Mädchen?“
„Äh, geht Dich nix an. Ich habe sowieso bisher nur einen Menschennamen.“
„Ich bin Gareth Walks-Through-The-Gray-Woods, ehemals vom Stamm der Schattenherrscher, jetzt Ronin im Dienste der Herrschaft dieses Gebiets.“
Er setzt sich auf einen flachen Stein neben dem Bretterhaufen, ganz langsam, und fixiert Zoe dabei.
Gareth Walks-Through-The-Gray-Woods, der Ronin
„Okay, meinetwegen. Rück' das Diebesgut raus.“
„Ich … ich kann's nicht …“, sagt Gareth, und zieht behutsam ein langes, graviertes Silbermesser aus einem Hüftgurt, und schaut darauf hinab. Seine Bewegung ist so andächtig, dass sie relativ unbedrohlich auf Zoe wirkt — er erscheint beinahe gebannt. Die Silberklinge ist fast so lang und breit wie eine Machete. Sie ist spiegelblank im Licht von Mond und Sternen, definitiv das Sauberste an der gesamten Erscheinung von Wanders-Through-The-Gray-Woods. Selbstvergessen sieht er darauf herab.
„Das ist dieser Fetisch …“, knurrt Zoe.
Die Klaive
„Er ist mir zugefallen! Ein anderer Stamm schuf ihn einst, ja, das stimmt. Aber ich habe ihn mir zu eigen gemacht, und bei vielen Taten ruhmreich gegen die Kräfte des Wyrms geführt! Ich bin ihr würdig geworden, der Silber-Klaive vom Nebelbach-Grab. Dies empfindet auch der Geist so, der in sie eingebunden ist!“
Und der Ronin streicht mit den ledrigen Fingerspitzen der freien Hand über das gravierte Messerblatt. Seine Hornhaut qualmt ein ganz klein wenig bei der Berührung, wie als hätte er eine Kerze verlöscht.
Das scheint das Silber zu sein, vermutet Zoe erstaunt, sie fühlt eine unangenehme Kälte von der Klinge ausgehen, ganz deutlich.
„Schluss mit den Sentimentalitäten“, knurrt Zoe, „Du weißt, dass ich im Recht bin. Sie gehört dem … äh, dem Gezücht des Fenris, und ich soll sie ihnen zurückbringen!“
„Ich kann’s nicht … ich würde Dir die Klaive herausgeben, Mädchen, ich habe jahrelang vermutet, dass einmal diese Nacht kommen würde, diese Einforderung … aber … Nun, Du musst verstehen … Das Leben eines einsamen Wolfes ist unerbittlich. Ich bin in manchen Gegenden bekannt dafür, dass ich diese Klaive führe. Mein Ruf basiert darauf, dass ich ihr Herr bin, und von meinem Ruf hängt für mich ab, dass ich ein paar Fetzen Fleisch von der Beute abbekomme, und einen Schlafplatz! Ein Ronin hat kein Rudel, kein Caern. Nur seine Nützlichkeit für wechselnde Septenherren hat er anzubieten! Ich kann Euch nicht das geben, was meine größte Nützlichkeit ausmacht, schönes Kind.“
Zoe fühlt Mitleid in sich aufsteigen. Dann aber geht ihr auf: Dieser Dude hätte nicht längere Zeit als einsamer Wolf auf der Straße überlebt, wenn er nicht in der Lage wäre, andere zu bequatschen! Wenn sie sich von ihm verarschen lässt, dann ist sie selber Schuld!
„Pech gehabt, Diggi! Ich versteh' total Dein Problem, aber ich kann auch nix dafür. Ich bin wegen dem Erbstück hier. Kannst ja die Schattenherrscher einfach fragen, ob sie Dich zurücknehmen! Und Dir dann ein neues Fetischobjekt verdienen, von Deinem eigenen Stamm!“
Erstmals seit er seine Klinge gezogen hat, sieht Gareth davon auf, zu Zoe. Diese erhebt sich aus dem Gras, ohne den Blick abzuwenden. Ihr wird bewusst, dass da ein kampferprobter Schurke sitzt, der eine übergroße Silberklinge in der Hand hält, eine Waffe, deren Kälte sie auf zwei Meter Entfernung bereits fühlt! Diese Situation könnte ordentlich gefährlich sein, für sie selbst!
Ihre Blicke treffen aufeinander. Plötzlich hat auch Gareth der Ronin goldbraune Wolfsaugen, seine Stirn ist ledrig und wulstig, seine Nasenwurzel ebenfalls, und die Haut dort wirft viele dicke Falten, die an wölfische Mimik erinnern. Zoe fletscht aggressiv die Zähne. Der Kerl hält sie hin, und er macht sie wütend! Sie beginnt den Wunsch zu spüren, ihn zu beißen! Sie starren einander unverwandt in die Augen. Das Gespräch hat aufgehört, sich um Argumente zu drehen — aber ist trotzdem nicht vorbei! Sie starren beide grimmig, ohne zu blinzeln.
Zoe ist ungeübt im Niederstarren, und erzielt keine Erfolge, während der Ronin einen erreicht. Zoe winselt ungewollt, tritt einen Schritt zurück. Sie senkt jedoch nicht den Blick, sie konzentriert sich, und starrt weiter. Schweiß erscheint auf Gareth's wulstiger Stirn. Er geht in sprungbereite Haltung, spannt sich wie eine Feder! Über drei Runden würfeln die Opponenten einen Facedown (W:TA-Grundbuch, S. 200). Zoe kommt in Runde zwei auf beinahe genügend Erfolge, und braucht nur noch einen, um Gareth endgültig niederzustarren! In Runde drei fällt jedoch für sie ein Brutales Resultat! Die Anspannung wird zu groß, als dass sie sie weiter aushalten könnte, ihre Fänge werden schlagartig übergroß, sie schüttelt den Kopf wild, und krallt wutentbrannt in die Richtung des Sitzenden! Damit hat sie den Starr-Wettkampf jedoch automatisch verloren. Sie spürt dies instinktiv. Gareth steht entschieden auf, weiter den Blick auf sie geheftet; sie kann seinen Blick plötzlich nicht mehr ertragen, sie winselt, und senkt den Kopf, kauert sich vor ihm zusammen.
„Damit wäre das wohl geklärt, Du gut behütetes Wohlstandskind!“, knurrt er kalt, „Du bist Gast meines derzeitigen Herren, also töte ich Dich nicht. Die Klaive vom Nebelbach-Grab kriegst Du nicht, sie ist mein! Jetzt pack' Dich, geh' in das hübsch beheizte Herrenhaus zurück!“
In dem Moment schnellt im Affekt Zoes eine Hand vor, und sie hat die Hand des Ronin umklammert, mit der er den Dolch hält. Sie gibt ein Grollen von sich, ihre Hand scheint die seine zurückhalten zu wollen, oder vielleicht versuchen zu wollen, ihm die Beute zu entreißen. Aber in dem Moment, als sie den Griff berührt, geschieht etwas Seltsames …
„Meine einstige Klaive!“, sagt Zoe, in leicht verändertem Ton, und erhebt sich aus ihrer Kauerposition, sieht Gareth an.
Ein Vorfahren-Geist hat sich von der Situation an etwas erinnert gefühlt, und schlagartig Besitz von Zoes Leib ergriffen!
Kapiert der Ronin aber sofort, woran er hier ist? Nein, sagen die Orakelwürfel!
„Zurück, behütetes Mädchen! Oder ich breche mein Versprechen von eben, und mache ein neuerliches Opfer für die Klaive aus Dir!“, und er erhebt die schimmernde Klinge zum Zustechen.
„Das wirst Du nicht tun, junger Bursche“, sagt Zoes Mund gelassen, „Denn meine Klinge aus der altvorderen Zeit ist nicht bereit, das Blut meiner Linie zu vergießen! Sie wurde im berühmten Caern der Blutfaust geschmiedet, im Schwarzwald, für meine edle Sippe, und die gab sie an mich weiter. Ich erinnere mich an alles …! Du, Stammesloser aus der Blutlinie der Schattenherrscher, hast sie dem Erbe meiner Leute nur entwendet. Du kannst Dein erbärmliches Leben vor den schnappenden Kiefern des Großen Fenris retten, indem Du sie an die Fenrir zurück gibst!“
Ich würfle erstmals Zoes Vorfahren-Hintergrund, um zu sehen, wie tatkräftig die Raubritterin von einst ihr hilft, während sie Besitz von ihr ergriffen hat. Immerhin ein Bonus-Würfel wird generiert!
Der Ronin würfelt jedoch höher, und schüttelt widerborstig den Kopf: „Wer auch immer Du jetzt sein magst, Deine Zeiten mit dieser Klinge sind vorbei, und meine sind da! Wenn ich sie nicht habe, Vorfahre, habe ich nichts mehr!“
„Glaube nicht, dass Du meinem einstigen Stamm nehmen kannst, was ihm gebührt.“
„Weiche!“
„Fürchte den Zorn des Großen Fenris, Lebender!“
„Ich fürchte nichts!“, bringt der Ronin mit letzter Kraft heraus.
„Dann verwirkst Du jetzt das letzte, was Dir als Stammeslosem auf Gaia noch bleibt: Deine Ehre ...!“
Ich habe munter Einschüchterungsversuche gewürfelt, und dieser gelingt endlich!
„Meine Ehre ...“
Gareth Walks-Through-The-Gray-Woods legt die Krallenhand vor das Gesicht, während er den Kopf senkt, und demütig reicht er der Raubritterin von einst die Klaive.
Diese hebt die Klinge in das Mondlicht, und sagt anerkennend, „Ah! Ich habe Dich so lange nicht gesehen, alter Verbündeter … es müssen Jahrhunderte gewesen sein! Seit … seit ich Dich damals … aufgegeben habe. An dem Tage, als ich meine Heimat und mein Rudel verlor …“
Zoe wird umspült von Erinnerungsfetzen aus einem Leben, das nicht ihres ist. Ihr schwindelt, sie versucht, sich auf den Beinen zu halten. Sie begreift, was es mit dem intensiven Traum vor einigen Tagen auf sich hatte, der Flucht aus den Ruinen, und ihrer Zugehörigkeit zum weithin gefürchteten Stamm des Gezüchts des Fenris.
Es ist plötzlich völlig still an der Grundstücksgrenze. Zoe fühlt sich schlagartig wieder klar. Sie weiß auch auf einmal genau, was sie tun will.
„Also stimmt es, und dies gehört von Beginn an dem Stamm des Gezüchts des Fenris“, sagt sie leise, jetzt wieder ganz sie selbst, und besieht die Waffe andächtig.
Gareth Walks-Through-The-Gray-Woods nickt, bedenkt das Vermächtnis aus alter Zeit mit einem letzten Blick. Er ist besiegt, er sieht aus, als würde er einen alten Freund verlieren.
„Du brauchst diese Klinge, um Dein Auskommen zu haben, Ronin?“
„Nimm' sie. Sie gehört ja Dir! … Verzeih', dass ich Dir gedroht habe, Mädchen.“
Zoe hält dem Gegenüber den Dolch hin: „Ich gebe sie Dir.“
Er zögert, „Wie …?“
„Ich gebe sie Dir. Du brauchst sie nötiger als ich. Meine Vorfahrin hat sie ihrerzeit aufgegeben … und warum sollte sie nicht heute jemandem wie Dir zugute kommen? Hier, nimm'. Du wirst sie sicher weiterhin gut führen.“
Gareth sieht die Fremde verwirrt an, dann verneigt er sich, und umschließt mit beiden Händen ganz langsam, ganz andächtig, den Dolch. Ihrer beider Fingerkuppen qualmen ganz leicht von der Berührung des Silbers.
„Das werde ich Dir so schnell nicht vergessen“, sagt er leise, „In diesem Leben nicht mehr.“
Schalter:
Diese überraschende Erfahrung von Besessenheit muss wohl besprochen werden, Zoe hat ja gar keine Ahnung, was sie da gepackt hatte. Dazu sagen die Orakelwürfel Debate Fear. Da weiß ich dann schon, wie diese Nacht weitergeht: Mit einer weiteren Gardinenpredigt vom Hausherren!
Zoe drückt sich ängstlich durch die Tür, und tritt in das große Speisezimmer im Erdgeschoss, in das sie eben zitiert wurde. Es ist nur schummerig beleuchtet. Am Kopf des Tischs sitzt mit wie üblich grimmig verschlossenem Gesicht Jaromir Twilight-Cloak, auf sechs weiteren Stühlen sitzen die adeligen Kids, und ein paar andere Schattenherrscher und höhergestellte Blutsgeschwister, deren Namen Zoe noch nicht kennt.
„Verlorener Welpe, Miss Matherson, setz' Dich“, ordnet der Hausherr an.
Zoe schleicht sich zu einem der Stühle. Die Schattenherrscher haben düstere Minen aufgesetzt, nur die Malgrimov-Kids gucken etwas eingeschüchtert drein.
Twilight-Cloak eröffnet, „Miss Matherson, meine Nichte Chessa hat mir anvertraut, sie habe Dich vorhin als Gefäß einer Deiner Vorfahren beobachtet!“
Zoe sieht hilfesuchend das adelige Mädchen an, die nickt ihr ermutigend zu.
„Ich … glaub' schon, dass das so war. Ich weiß nicht, ich habe sowas vorher noch nie erlebt!“
„Der Kontakt zu den Geistern der Stammes-Vorfahren ist eine ernste und würdevolle Sache! Chessa steht ihrerseits im regen Austausch mit unseren Vorfahren. Sie aber ist eine Theurgin, und daher sowieso affin für die Stimmen der Geisterwelt. Sie sollte es an diesem Punkt ihrer Ausbildung beurteilen können, dass Deine Erfahrung von Besessenheit vorhin echt war.“
„Was hat das Ganze zu bedeuten?“, fragt Zoe schüchtern.
„Das muss debattiert werden!“, sagt Mister Malgrimov, und seine Stimme wird ein wenig lauter, fast warnend, „Wir sind in höchstem Maße interessiert, junge Dame, welche Kunde dieser Besucher aus altvorderer Zeit gebracht hat!“
Zoe schluckt, und fragt sich, was genau sie sagen darf! Sie darf Chessa hierbei nicht ans Messer liefern, indem sie petzt, dass sie beide sich ungefragt raus zu dem Ronin geschlichen haben. Warum hat das Dummerle überhaupt ihrem Onkel irgendwelche Details gesteckt?! Jetzt haben sie beide den Ärger damit!
„Ich nehme an, sie war hier, um sich ein Erbstück anzusehen, das sie zu ihrer Zeit selbst gehabt hatte …“, sagt Zoe versuchsweise, „vielleicht, um zu sehen, ob's heute in guten Händen ist. Glaube ich. Sie schien auch irgendwie besorgt um mich! … Ich weiß nicht viel mehr. Es hat nur wenige Augenblicke gedauert, Sir … kaum hatte es angefangen, war sie auch schon wieder weg. Kurz war es so, als sei ich … nicht nur ich, sondern eher sie …“
„Sie, Zoe, waren in diesem Moment beide auf einmal!“, erklärt Chessa aufgeregt, „Die Vorfahren besuchen die Gegenwart, um uns Lebenden zu helfen! Per sogenanntem Channeling ...!“
Ihr Onkel hebt die Hand, um sie zu bremsen, und das Wort wieder zu ergreifen: „Sehr wohl. Was jetzt uns Versammelte interessiert, Miss Matherson: Hatte Ihre Vorfahrin ein spezielles Ansinnen bezüglich diesem Ort …? Hat sie Ihnen etwas über Ihren Stamm offengelegt? Wenn es jemand weiß, zu wem Sie gehören, Miss, dann Ihre Ahnen!“
„Nein, sie … sie hat nichts Genaues gesagt … sie hat irgendwie durch meinen Mund gesprochen, glaube ich“, sagt Zoe, und erschaudert vor Befremden und Ehrfurcht, „Aber sie hat zu dem Stamm gehört, von dem hier gesprochen wurde. Den Fenrir. Ich habe neulich schon von ihr geträumt, ihren Lebzeiten.“
Da muss Zoe mal Charisma+Überzeugen würfeln, um darüber hinweg zu täuschen, dass sie die eigentlichen Umstände der Begebenheit zurückhält! Sie schafft ordentliche vier Erfolge.
Die älteren Schattenherrscher am Tisch wechseln Blicke, und reden in gedämpften Stimmen ein paar Worte in der Hohen Zunge.
Zoe guckt fragend zwischen ihnen hin und her, sie traut ihnen nicht so recht.
„... Damit sollte unsere zentrale Frage danach, welchem Stamm wir den Verlorenen Welpen zu übergeben haben, eigentlich geklärt sein“, verkündet Jaromir, „Danke, Miss Matherson, Sie waren sehr hilfreich, Sie können gehen. Wir führen die Debatte unter uns zu Ende.“
„Äh … okay …“
„Ich geleite Sie noch hinaus“, und der Hausherr erhebt sich.
Draußen auf dem Korridor raunt er Zoe leise zu, „Hat das Bewusstsein Ihrer Vorfahrin das gesuchte Erbe wohl gefunden? Was denken Sie …?“
„Ich … ich glaub' schon. Vermutlich wollte sie das Objekt aber nicht wirklich wiederhaben … sie hatte es zeitlebens freiwillig aufgegeben.“
Die Orakelwürfel rollen, um zu entscheiden, ob Jaromir seine Trumpfkarte ausspielt, und er tut es:
Der Schattenherrscher greift Zoe beim Handgelenk, und hebt es mit eisernem Griff auf seine Gesichtshöhe, schnuppert daran. Sie erschrickt, und versucht sich zu entziehen.
Er raunt, „Sie riechen nach meinem einstigen Stammesbruder, Miss! Die einstige Besitzerin der Klaive hat den heutigen Besitzer angetroffen. Meine Nase täuschen Sie nicht!“
Zoe würfelt drei Erfolge bei Wahrnehmung+Empathie: Mister Malgrimov wirkt nicht vorwurfsvoll, nicht, als hätte er sie ertappt — er wirkt defensiv, als sei er selbst ertappt worden!
„Ihr ehemaliger Stammesbruder?! Waren Sie einmal nähere Bekannte mit Gareth?“
Der große Mann rückt seine goldgeränderte Brille zurecht, und raunt, „Wir waren Rudelgefährten. Als Walks-The-Gray-Woods noch nicht aus dem Stamm verstoßen war. Wir haben gemeinsam unseren Aufnahmeritus durchlaufen! Dies sind Bande der Kameradschaft, die man niemals vergisst. Überdies brauche ich den Ronin mit seine Klaive für unmittelbare Vorhaben. Darum gewähre ich ihm Unterschlupf.“
„Ich fand ihn im Grunde einen ganz netten Typen …“
„Schweig', Kind, was weißt denn Du! Nun … um ehrlich zu sein, ich hatte Bedenken, dass Streitereien um den Fetisch ausbrechen könnten, um diese Klaive aus alter Zeit. Derartiges kann sehr erbittert werden. Was mein Haushalt jetzt am wenigsten braucht, junge Dame, ist eine Stammesfehde mit dem Gezücht des Fenris!“
„Äh, das kann wegen mir ein Geheimnis bleiben, Sir. Ich hatte sowieso nicht vor, davon zu erzählen.“
„Ihre Vorfahrin … sie ist nicht erzürnt, Miss Matherson ...?“
„Ich denke nicht, das hätte man ja wohl deutlich gemerkt! Ist ja wohl schwer zu übersehen, wenn einer wie wir zornig ist, nicht?“
Mister Malgrimov klopft Zoe mit seiner Pranke leicht auf die Schulter, und verschwindet zurück in das Zimmer. Er scheint wohl alles gehört zu haben, was er zu wissen brauchte.
Zoe geht gedankenverloren die knarrende Treppe hinauf, um Kylah alles zu erzählen. Ihr fallen die Details des dramatischen Traums neulich wieder ein, sie sind wieder ganz klar. Nur das, worauf es der heidnischen Raubritterin am meisten ankam, das Wissen, das sie unbedingt retten wollte, für das sie sogar Ehre und Stammeszugehörigkeit geopfert hatte — die Lage des Runensteins — das weiß Zoe nicht mehr. Aber vielleicht sprechen diese Geister irgendwann erneut zu ihr …
☀
In der Nacht darauf ist in Zoes Mund das Zahnfleisch um die Zahnlücke herum heftig geschwollen, es juckt und pocht wie irre! Zoe denkt, ihr bliebe hier in Neuengland aber auch gar nichts erspart: Sie hat hier nicht nur die Gelegenheit verstreichen lassen, einen unschätzbar wertvollen Stammes-Fetisch der Fenrir für sich einzufordern, sondern auch ihren Eckzahn eingebüßt, und jetzt obendrein auch noch eine Zahnfleischentzündung dazu bekommen. Als sie jedoch im Verlauf der Nacht im Spiegel erneut ihre Oberlippe hochschiebt, entdeckt sie etwas Erstaunliches — die schneeweiße Spitze eines Zahnes ist dort zu sehen, wie er das rosige Fleisch durchsticht. Ihr ausgeschlagener Zahn beginnt neu nachzuwachsen!
Als sie den beiden Malgrimov-Cousins jubelnd diese Nachricht kund tut (die sitzen gerade in einem der Billiardzimmer und lesen, beziehungsweise üben auf dem Cello), geben die sich nicht sonderlich überrascht.
„Ich riet Ihnen ja, möglichst viel Zeit in Ihrer Glabro-Form zuzubringen, Miss Matherson!“, lächelt Novak.
„Das bedeutet, meine Zähne sind gar nicht künftig schwächer als vorher! Ich bekomme meinen Biss wieder zurück!“
„Die Erdmutter hat ihre Krieger mit sagenhaften Regenerationskräften ausgestattet!“, bemerkt Chessa.
Zoe, bringt ungläubig hervor, „Heißt das … wenn mein Blinddarm raus muss, oder ich eine Hand abgebissen kriege, oder was auch immer … dass das auch alles wieder nachwächst?!“
Chessa Malgrimov hebt die Schulter, „Normalerweise, ja. Bei einem abgetrennten Arm oder Bein täten Sie gut daran, diese mitzunehmen. Das ist einfacher, das wieder anzunähen, als zu warten, bis es sich selbst rekonstruiert hat.“
„Chessas Herrn Vater ist das seinerzeit einmal passiert!“, wirft Novak ein.
„Ja“, bestätigt sie, „der Vorfall auf der Ölbohrinsel, 2009.“
Kylah ist hinter Zoe her gekommen, und sagt, „Aber komm' jetzt ja nicht drauf, das auszunutzen, um jede Nacht die Zahnfee zu bescheißen!“
Die Malgrimovs lachen beide.
☀
Schließlich hat Zoe genug Mut zusammengekratzt für den lange aufgeschobenen Anruf bei den Eltern. Sie lässt sich die altmodische Wählscheibe erklären bei dem klobigen, schwarzen Telefon in einem der Schreibzimmer. Dann zwingt sie sich, die Nummer zu wählen, mit zitterigen Fingern.
Wie reagieren denn die lieben Eltern? Die Orakelwürfel sagen, Search Blood. Mal wieder recht poetisch, und äußerst passend. Zoe ist ja von ihrem Blut, und sie haben wie vermutet bereits alle Register gezogen bei der Suche nach ihr.
Während sie den Schwall von Fragen über sie ergehen lässt, ruft sich Zoe immer wieder ins Gedächtnis, dass sie keinesfalls ‚den Schleier heben‘ darf. Jetzt gerade will sie eigentlich in Tränen ausbrechen, und heulend alles aber auch alles berichten! Ich gebe einen Willenskraft-Punkt für sie aus, um sich zur Beherrschung zu zwingen, und würfle Manipulation+Überzeugen. Drei Erfolge, nicht schlecht … Zoe tischt die Geschichte von der Lerngruppe aus reichen Gleichaltrigen auf, die spontan mit ihr zur Ostküste gefahren sind, wo sie jetzt bei denen in einem Ferienhaus lebt. Sie habe einfach mal raus gemusst aus Detroit. Sie hangelt sich gewissermaßen an den eigentlichen Begebenheiten entlang. Ihre Stimme bebt kaum. (Ihre Hände zittern mächtig dabei, aber das können Mom und Dad ja nicht sehen.) Sie würde sich hier draußen auf die Abschlussprüfungen vorbereiten, vor allem bräuchte sie dringend Abstand! Natürlich verspricht sie, sich regelmäßig zu melden, trotz des verloren gegangenen Smartphone.
Als es ihr endlich gelungen ist, das Gespräch zu beenden, legt sie den schweren, schwarzen Telefonhörer auf und heult doch ein bisschen. Ihr altes Pflichtgefühl meldet sich wieder. Vielleicht kann sie das alles wieder hinbiegen, langfristig. Vielleicht kann sie dafür sorgen, dass ihre Eltern etwas von ihrem Verschwinden haben — indem es ihr gelingt, die Sache mit ihrem Großvater für sie aufzuklären …
☀
In den frühen Morgenstunden dieser Nacht kommt plötzlich Bewegung in den Haushalt in der Villa. Alle Blutsgeschwister laufen geschäftig umher, und einige der niederrangigen Schattenherrscher machen sich gerade abmarschbereit, indem sie versteckte Waffen umgurten und sich schwarze Fellmäntel überwerfen, sie strömen wölfische Anspannung aus; sie gehen offensichtlich auf die Jagd. Zoes Nerveneden scheinen in tierhafter Aufregung ebenfalls zu vibrieren, sie bildet sich ein, das Blut der Beute wittern zu können, es beinahe schmecken zu können! Im Halbsatz wird von ‚dem Söldner‘ geredet, und Zoe vermutet, Gareth Walks-In-The-Gray-Woods würde ebenfalls seinen lange geplanten Auftrag erhalten in dieser Nacht.
„Verlorener Welpe!“, ruft Jaromir Twilight-Cloak, als er Zoe begegnet, „Pack' all Deine Habe zusammen! Ihr brecht in einer halben Stunde auf, mein Chauffeur bringt Euch herüber nach Portland. Du wirst dort den Repräsentanten Deines Stammes vorgestellt werden!“
Zoe reißt die Augen auf und atmet tief ein. Egal, wie lange sie auf diesen Moment warten musste — jetzt, wo er endlich da ist, fühlt sie sich völlig überrumpelt.
Schalter:
Also geht es in einem großen, schwarzen Mercedes Benz raus aus dem White Mountain National Forest, nach Portland, einer Großstadt an der Küste, oberhalb von Boston. Das ist eine zweistündige Autofahrt, und jetzt in den frühen Morgenstunden kommen sie gut durch auf den Autobahnen. Es wird wenig gesprochen. Kylah, Zoe und Miss Malgrimov sitzen hinten, Novak Malgrimov vorn bei dem kleinen Chauffeur in dem schwarzen Anzug. Zoe und Kylah haben ihre Reisetaschen im Kofferraum, für den Fall, dass sie von Portland aus gleich weiterreisen sollen. Das ist bisher noch nicht einmal klar — alles, was die sogenannten Stillen Streicher heute Nacht den Schattenherrschern ausgerichtet haben, ist, dass mehrere Abgesandte nach South Portland gekommen seien, um Zoe in Augenschein zu nehmen. Ob sie daraufhin ihren Welpen gleich mitnehmen würden in ihr Versteck — oder ob es für die Neue vorerst noch einmal zurück zum Herrenhaus der Malgrimovs gehen würde — steht noch überhaupt nicht fest!
Zoe registriert, dass sie schon die ganze Zeit über Kylahs Hand hält, ihr Herz klopft heftig.
„Normalerweise hätte natürlich mein Herr Vater es sich nicht nehmen lassen, Sie daselbst Ihren Verwandten zu übergeben!“, sagt Novak vorne, „Aber seine Anwesenheit zusammen mit seinen Untergebenen ist heute unabdingbar in seinem Caern, um seine Pläne in Bewegung zu setzen. Dort muss augenblicklich gehandelt werden, Sie verstehen. Er entrichtet Ihnen seine Grüße, Miss Matherson!“
„Sagen Sie schon, Novak! Ist das Gangrydge, wegen dem plötzlich alle so aufgescheucht sind?“
„Oh, nein. Nicht hier in New Hampshire. Aber dieser Gangrydge hat viele Blutsverwandte; der Feind hat viele Gesichter! Sorgen Sie sich dennoch nicht. In wenigen Stunden werden die Pläne meines Herrn Vaters alle der Reihe nach aufgegangen sein, und diese Aufruhr wird dann bereits wieder vorbei sein. Viel wyrmisches Blut wird in den nächsten Stunden fließen.“
„Ich muss Ihnen ja auch noch mein Gesuch antragen, Zoe!“, flüstert von der anderen Seite Chessas Stimme in Zoes Ohr.
„Aber, ich habe doch … aus dem Geheimnis, dass Sie mit mir geteilt haben, gar keinen Profit geschlagen!“, flüstert Zoe zurück.
Sie spürt die Nasenspitze und Unterlippe der Adeligen an ihrem Ohr, und ganz leise wispert die Stimme, „Dafür kann ich ja nun nichts! Ich habe Ihnen das Fenrir-Erbstück auf einem Silbertablett serviert! Was Sie daraus gemacht haben, das lag ganz bei Ihnen!“
„Äh …“
Chessa wispert weiter, „Wenn ich einen Wunsch frei hätte, Miss Matherson — einen, der Ihre Schuld bei mir zu meinem Leidwesen ein ganzes Stückchen übersteigt — so würde ich mir wünschen, dass Sie an uns denken, wenn Sie ihren Stamm endgültig wählen!“
„Ich dachte, die wählen mich?“
„Beides natürlich. Aber wer weiß, was noch passiert, dort in Portland! Wer weiß, auf was für Charaktere Sie gleich überhaupt treffen! Wenn Sie doch noch, Miss Matherson, in die Situation kämen, ihren künftigen Stamm frei zu wählen … dann wollte ich, dass Sie an uns dächten!“
„… Das geht?!“
„Zweifeln Sie nicht daran, dass ich mich für Sie einsetzen würde, Zoe! Wir beide waren binnen der vergangenen Woche ein vortreffliches Gespann! Finden Sie nicht?“
Zoe nickt, sie mag die exzentrische Adelige zugegebenermaßen.
Das also war es, was Chessa Malgrimov und ihr Cousin die ganze Zeit eigentlich wollten, vermutet Zoe: Sie nach und nach dem eigenen Stamm abspenstig machen. Vielleicht durften die Knochenbeißer deswegen auch anfänglich nicht in die Villa, um ihnen dabei nicht reinreden zu können! Aber sie, Zoe, eine Schattenherrscherin?! Schwer vorstellbar. Wenn auch nicht völlig unvorstellbar. … Wenn sie das alles mal beurteilen könnte, was das überhaupt genau bedeutet, Teil eines dieser geheimen Stämme zu sein! Zoe beißt sich ratlos auf ihre Unterlippe.
Portland, Maine
Am Rand der Hafengegend von South Portland finden sich ein paar Viertel mit stillgelegten Lagerhäusern, die heutzutage als Outlet Stores und Restaurants genutzt werden. Es ist um diese Nachtzeit fast gänzlich ausgestorben. Der erste Morgenglanz beginnt, fahl über den Herbsthimmel zu kriechen. Die Nachtbeleuchtung in diesem Straßenzug ist schummrig blau-grau.
Der Treffpunkt ist ein früheres Café; aus dem oberen Stockwerk dringt gedämpfter Lichtschein. Der schwarze Benz hält davor. Einige vermeintliche Hafenarbeiter sitzen wie zufällig auf den Stufen des Gebäudes, und nicken dem Chauffeur zu.
„Wahrscheinlich sind das deren Blutsbrüder, die hier abgestellt wurden, um das Treffen zu schützen“, vermutet der Fahrer.
Schon ist Novak Malgrimov ausgestiegen, und gentlemanhaft hat er die hintere Wagentür geöffnet, und galant seiner Cousine heraus geholfen. Zoe steigt als nächste aus, sie spürt, wie Novak dabei begierlich an ihrem Blondschopf schnuppert, sie sehen sich in die Augen, er hat ein gewinnendes, kleines Lächeln aufgesetzt. Ach ja, dies ist die vielleicht letzte Chance, dem Verlorenen Welpen den Kuss zu stehlen, wie er seiner Cousine so angeberisch angekündigt hatte! Zoe muss grinsen, ein wenig nervös, aber durchaus freudig.
Vorerst hilft Novak, ganz Edelmann, noch Kylah aus dem Auto, die natürlich murrt, „Lassen Sie mal, das kann ich schon allein!“
„Ich fühle mich verantwortlich für Sie, und für Ihr Wohlbefinden, Miss Kirby!“, säuselt er. Als sie draußen ist, streicht er mit beiden Händen über ihre Wangen, schließt die Augen, und, behutsam aber bestimmt, küsst er Kylah!
„Aber wie …“, sagt Zoe verblüfft.
Kylah ist offensichtlich überrumpelt, aber schiebt ihn trotzdem nicht weg, überhaupt scheint es ein ziemlich guter Kuss zu sein.
„Novak!“, rügt Chessa, „Doch nicht hier!“
Er löst sich von Kylah, lächelt sie spitzbübisch an. Die Punk-Biene lächelt zurück, presst dann unsicher ihre Lippen aufeinander, und macht, dass sie neben Zoe kommt.
„Ich sagte doch, ich stehle der Holden einen Kuss, ehe Luna sich verwandelt!“
Zoe guckt perplex Novak an, dann ihre Freundin, die amüsiert mit den Schultern zuckt.
Die vermeintlichen Hafenarbeiter machen unterdessen die Tür frei, einer von ihnen ist dunkelhäutig und sehr dünn und sehnig, seine Augen sind sehr aufgeweckt, an seiner Jacke baumeln mehrere Knochentalismane.
„Die Luft ist rein“, raunt er, er hat einen fremdländischen Akzent, „geht schnell hoch, in den ersten Stock.“
Chessa verabschiedet sich mit huldvollen Umarmungen von den beiden, Novak mit eleganten Handküssen.
„Jetzt ist aber mal gut damit, Mister!“, sagt Kylah, sie will jetzt nicht auch noch einen Handkuss aufgedrückt kriegen.
Zoe ist währenddessen etwas verwundert über die Innigkeit von Miss Malgrimovs Verabschiedung. (Sie war bisher nicht so der Typ für Umarmungen; man ist ja sogar immer noch beim förmlichen Siezen!) Leise fragt Zoe, als sie sich umarmen, „Was ist denn nun der Gefallen, den Sie von mir einfordern werden, Chessa?“
„Damit komme ich alsbald auf Sie zurück, Zoe!“, flüstert diese freudig.
Der Chauffeur scheucht Zoe und Kylah ins dunkle Gebäude.
„Wir sehen uns gleich nochmal“, raunt Miss Malgrimov dabei Zoe zu, „Wir gehen hier nicht weg, bevor wir nicht wissen, dass Sie in guten Händen sind!“
Diese nickt aufgeregt.
Als die Tür sich schließt, sagt Zoe, „… Alle stehen auf Dich, Kylah!“, immer noch etwas perplex, „Sind es die Regenbogen-Haare? Ist es das Mascara? Was ist Dein Erfolgsgeheimnis!“
„Ach, Quatsch!“, winkt die ab, ihr Lächeln unterdrückend, „Konzentrier' Dich, hier geht’s um was ganz anderes! Du triffst jetzt Deine Leute, versuch' bloss, einen guten Eindruck zu machen!“
„Ja, richtig. Danke, dass Du mitkommst! Ich hab' ganz schön Muffensausen, ehrlich gesagt.“
Sie durchqueren den dunklen, früheren Schankraum im Erdgeschoss, alle Stühle stehen auf den Tischen, unter Plastikplanen. Das schummerige Licht kommt von oben, vom Kopf der Treppe.
Sie steigen nervös die knarrenden Stufen hinauf. Der Raum oben gehört auch zum damaligen Café, an einem Tisch weiter hinten sitzen ein paar Leute im Schein einer Camping-Elektroleuchte, im Raum verteilt stehen weitere. Alle sind in ihrer Menschengestalt, aber an ihren Augen und Gesichtern ist klar etwas Lauerndes, Tierhaftes zu erkennen, das auf ihre wahre Natur hinweist ...
Was hält das Schicksal denn an dieser Stelle für die Charaktere bereit? Laut den Tabellen Character Descriptor, Character Role, und Goal ist der Anführer dieser Gruppe eine ‚wütender Mystikerin, welche die Nahrungsversorgung sichern will‘.
Demand Danger, sagen die Orakelwürfel außerdem zum weiteren Geschehen. Demand Danger, das Einfordern von Gefahr ... Das trifft zwar sehr gut meinen eigenen Gusto, denn ich will an dieser Stelle eine Actionsequenz. Aber das wusste ich vorher ja auch schon. Wie fordern NSCs in dieser Szene Gefahr ein? Vielleicht kann das Orakel das für mich eingrenzen? Ich würfle erneut: Gather Vow, es wird nach Gefahr verlangt, weil man sich anlässlich eines Eids versammelt hat. Da kristallisiert sich doch schon eine Story heraus. Dies muss dann nämlich der gemeinsame Eid dieses Rudels von Unbekannten sein. Sie haben die Queste am Laufen, den Verlorenen Welpen einzusammeln, aber sich gleichzeitig einer Gefahr zu stellen. Das liefert dann auch den Grund, warum sie nicht einfach zu Twilight-Cloaks Villa gekommen sind für die Übergabe — die Gefahr war zu groß, dass sie dabei auch den Feind dorthin locken!
Dann will ich gerne noch wissen, was für ein Feind das ist; naheliegend ist das Verbrecherpack, dem auch Evan Gangrydge angehört. Aber vielleicht sind es auch neue Gegner, da gibt’s vielfältige Möglichkeiten. Die Orakelwürfel entscheiden, erstere Option. Dann bin ich wieder startbereit, setzen wir das alles folgendermaßen zusammen:
„Wer seid Ihr?“, fragt eine der Versammelten halblaut. Sie wirkt wie die Anführerin, sie unterdrückt mühsam ihre Wut und Anspannung.
Die Leitwölfin im Rudel der Kinder Gaias
„Äh, ich bin Zoe Matherson. Der … ‚Verlorene Welpe‘. Das ist meine Freundin Kylah Kirby.“
„Willkommen im Kreis Deiner Familie, Kind Gaias!“, sagt die Anführerin, tritt vor Zoe, beschnuppert sie, und schließt sie dann vorsichtig in eine unerwartete Umarmung! Plötzlich hat sie ihre Wut von eben im Griff, und wirkt ganz sanft.
„Hä?“, lässt Kylah sich vernehmen, „Ihr seid von den Kindern Gaias geschickt worden?! Aber das muss ja ein Missverständnis sein, Zoe gehört zum Gezücht des Fenris!“
Die große, sehnige Frau behält beide Hände auf Zoes Schultern, und mustert sie. Zoe ist überfordert, sie sieht Kylah an, und sagt verlegen, „Ich glaube nicht, dass ich wirklich zu den Fenrir gehöre …“
„Du bist Elias Roves-With-The-Morning-Clouds' Enkelin!“, sagt die Unbekannte, „Athro unseres Stammes, seinerzeit auf der anderen Seite unseres Kontinents im Dienst der berühmten Septe des Westlichen Auges!“
In dem Moment jedoch fahren mehrere der Silhouetten am Tisch zusammen, recken ihre Köpfe in die Luft, und beginnen in tierhafter Geste zu wittern!
„Sie sind da, Mirabelle! Sie haben uns gefunden! ... Ausgerechnet jetzt!“
„Endlich! Unser Eid erfüllt sich!“, grollt eine andere Stimme.
„Wyrm!“, knurrt noch ein anderer, seine Stimme klingt wie in Trance, und zutiefst angeekelt.
Es bleibt keine Zeit für Erklärungen: Das große, rückwärtige Fenster des einstigen Lagergebäudes platzt nach innen, und Splitter glänzen im Licht der Elektrolampe. Sie kommen vom Dach her, und sind einfach durch die Scheibe nach drinnen gesprungen!
„Macht sie nieder! Schützt die beiden Mädchen! Gaia führe Eure Klauen!“, schreit Mirabelle über den Krach von splitterndem Glas und dem Knurren und Schnarren der massigen, zornigen Gegner.
Navigation
[0] Themen-Index
[#] Nächste Seite
[*] Vorherige Sete
Zur normalen Ansicht wechseln