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[Werewolf: The Apocalypse | Ironsworn] Wyldreise

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Die Roten Klauen


Zoe muss wieder einen Rage-Wurf machen vor Schreck, aber auch der gelingt nicht. (Das ist natürlich nützlich für die Stammesverhältnisse!) Sie verfällt also nicht in Raserei, sondern wirft sich zu Boden, macht sich klein, schlingt die Arme um den Kopf.
„Fresst mich nicht! Fresst mich nicht!“, bringt sie panisch heraus. Ächzend verwandelt sie sich in ihre Lupus-Form, während die fremden Wölfe sie misstrauisch langsam umkreisen an ihr schnüffeln.
Das Rudel-Alpha signalisiert ihr auf Lupin, dass offensichtlich sie es sei, von der ihr Geister-Helfer gesprochen hätte! Sie stinke nach den Zweibeinern auf dem verbotenen Gelände.
Zoe erhebt sich vorsichtig, und signalisiert, dass sie dort war, sie würde geprüft von den Kindern der Erdmutter.
Die Roten Klauen ziehen ihre Lefzen hoch, und versuchen, keine Abscheu auszudrücken bezüglich dieser Kinder-der-Erdmutter. Allesamt sind das Zweibeiner! Die hätten mit ihnen ausgehandelt, dass sie nicht auf dem freien Gelände dort vorne jagen dürften. Die Roten Klauen haben den Kindern-der-Erdmutter schließlich murrend geschworen, alle Menschengebiete am Fuß des Berges weiträumig zu meiden. Die eigentlichen Jagdgründe der Klauen sind weit von hier entfernt. Heute Nacht aber haben die Ronin den Gestank von Weberinnen-Maschinen und Irrsinns-Wasser mit sich gebracht, von Fleisch, das nicht von ihnen selber gerissen wurde, und sie haben auch die schrecklichen Klänge der Stadt unten am Fuß des Berges hier hinauf getragen! Die Roten Klauen hätten deren Hiersein schon in zu vielen Nächten aus der Ferne erdulden müssen! Sie würden sie jetzt überfallen, die Schwachen töten, und hinterher alle Überlebenden des Waldes verweisen!
Zoe gibt ihnen winselnd zu verstehen, dass sie gehen könnte, und vorher eine Warnung aussprechen! Dann müsse kein Blut vergossen werden — und ihr selbst hilft es, wenn diese Zweibeiner jetzt weggehen ...

Dank ihrer Reinblütigkeit hat sie vier Erfolge bei Charisma+Überzeugen! Die Roten Klauen schleichen knurrend um sie herum, dann bedeutet ihr das Rudel-Alpha, es sei einverstanden. Aber sie habe sich zu beeilen!

Dank Zoes Überzeugen-Erfolg ist dies ein Milestone für ihren Eid. Sie hat damit vier Punkte Fortschritt. Jetzt muss sie noch irgendwie vermitteln, das Messer zurückkriegen, und vergraben!

„Straße-In-Die-Nacht!“, keucht Zoe aufgeregt, als sie zu den Feuertonnen zurück läuft, „Was Du vorhin vermutet hast, ist jetzt doch eingetroffen! Ein Rudel von Roten Klauen ist hier!“
„Was?! Wieviele?“
„Eine ganze Handvoll! Sie wollen, dass Ihr geht … bitte, das müsst Ihr machen, sonst gibt es Blutvergießen! … Und Du und Asphalt-Feuer, Ihr seid nur zu zweit!“
Der große Biker erhebt sich, späht mit seinem einzelnen Wolfsauge in die Richtung, aus der Zoe kam.


Hier ist ein Profil für ihn:

Maverick Lane, Straße-In-Die-Nacht
Alter: 38; Stamm: keiner (Ronin); Vorzeichen: Ahroun; Blut: Garou; Aufzucht: Homid
Attribute: Geschick 3, Konstitution (Zähigkeit) 4, Stärke (Hebetechnik) 2, Charisma 3, Erscheinungsbild 2, Manipulation 1, Geistesschärfe 2, Intelligenz 2, Wahrnehmung 2
Fertigkeiten: Athletik 3, Aufmerksamkeit 2, Ausdruck 1, Ausweichen 2, Einschüchtern (Grobheiten) 4, Empathie 3, Handgemenge (Kloppereien) 4, Überzeugen 2, Ur-Instinkt 2; Fahren (Motorrad) 5, Handwerk 3, Heimlichkeit 1, Nahkampf 3, Schusswaffen 2, Überleben 1; Gesetz 1, Etikette 1, Nachforschung 1, Zurechtfinden (Highways) 4.
Hintergründe: Kontakte (einzelne Fenrir-Auftraggeber in den USA) 3, Ressourcen 2
Gnosis: 2
Rage: 6
Willenskraft: 6
Gaben: Master of Fire, Resist Pain
Ausrüstung: Motorrad-Weste und -Hose (Zugeeignet), Pornosonnenbrille, Motorrad, Werkzeug, Jagdmesser, Kompass, Verbandskasten, Rucksack, Schlafsack, Proviant.


Ich würfle also Charisma+Überzeugen, und dank den Bonuswürfeln durch Reinblütigkeit kommen drei Erfolge zusammen. Straße-In-Die-Nacht würfelt Willenskraft dagegen, und kommt nur auf zwei Erfolge! Ihm ist sehr klar, dass die Roten Klauen sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen werden, und dass sie keinen Humor haben!
„Verfackt. Na gut, wir machen Schubrakete. Was ist mit Dir, Schnalle? Wir nehmen Dich besser mit! Wir können Dich irgendwo absetzen!“
„Was? Nein, ich muss doch …“
„Nix! Die Roten Klauen sind fanatische Unmenschen! Wir lassen Dich doch nicht hier, damit die Dich noch verputzen! Die dienen den Kräften des Wylden! Die sind unberechenbar!“
„Ich muss es versuchen, mit denen einig zu werden! Die haben doch alte Allianzen mit den Kindern Gaias. Die werden mir schon nichts anhaben. Ich muss meinen Aufnahmeritus abschließen! Ich muss!“, bringt Zoe schwach hervor. Sie würfelt erneut, um den Banditen zu überzeugen, und kommt auf sechs Erfolge! Dieser würfelt erneut stur dagegen, aber kommt nur auf drei.
„Na gut. Jeder muss seine Erfahrungen selber machen, gehört auch zum freien Leben dazu!“, und er röhrt wild, „So, Leute, zusammenpacken, aufsitzen! Schubrakete, es geht nach Norden!“

Damit hat dann doch die traditionelle Herangehensweise den Erfolg für Zoe gebracht, und dafür bekommt sie endlich den benötigten Willenskraft-Punkt! Damit schöpft sie wieder Mut.

Dass das Gelände kurz darauf frei ist von den Bikern, stellt einen Meilenstein dar für die Queste. Damit haben wir sechs Punkte Fortschritt.

Zoe sucht zitternd nach den Roten Klauen hinter der Baumgrenze, aber die sind verschwunden, als wären sie nie da gewesen. Was für rätselhafte Wesen! Der Morgen graut jetzt, der Sturm ist abgeflaut, nur noch ein leichter Wind weht. Nervös sucht sie die Baumgrenze nach dem Knochenmesser ab, überall unter Ästen, wo ein großes Eichhörnchen herumgeklettert sein könnte. Ein Patzer fällt, sie realisiert irgendwann, dass sie dieselbe Stelle schon mehrfach abgesucht hat! Alles sieht gleich aus im grauen Morgenlicht.

Da ertönt das Pfeifen und Geschnatter eines Eichhörnchens über ihr, sagen die Orakelwürfel!

„Da bist Du ja endlich wieder! Wo hast Du‘s versteckt?!“
Das Schnattern fragt, warum es dem fremden Wolf-Wandler-Mädchen wohl trauen solle? Vorhin habe sie nach ihm geschnappt!
„Ja, aber nicht mit Absicht, das war ein Reflex!“
Geworfene Aststückchen und Eicheln bringen zum Ausdruck, ach ja? Woher wisse es denn, wann der nächste solche Reflex käme?
„Sag' mal, wie heißt Du überhaupt?!“
Ein Geräusch, das klingt wie ‚Quireep‘ ertönt, das könnte durchaus der Eichhörnchen-Name sein.
„‚Quireep‘?!“
Das Gepfeife lobt, das sei jetzt das Klügste, was das Wolfwandler-Mädchen die ganze Nacht über gesagt habe.
„Wo ist das Messer, das Du geklaut hast? Das gehört mir nicht, ich muss es wieder abgeben! Mein Aufnahmeritus hängt da dran!“
Es keckert fröhlich, das wurde gut versteckt. Die Wolf-Wandlerin müsse auf dem Gelände suchen! Es sei an einem bestimmten Ort hier!

Was ist denn der Tipp, den Quireep gibt? Die Tabellen Location Descriptor und Location sagen: Peaceful Forest.

Entsprechend wird geschnattert!
„Friedlicher Wald, was meinst Du damit? Hier ist ein einsamer Berghang, der Wald ist überall friedlich! Zumindest jetzt, wo die Bikergang weg ist! Und Deine Beschwörer, die Roten Klauen!“
Das Keckern klingt vergnügt.
„Sag' schon!“, ruft Zoe, fast brüllt sie. Ihre Wut brodelt erneut in ihr.

Ich lasse sie Geistesschärfe und Enigmas würfeln, und erreiche gerade so einen Erfolg!

„Der Wald ist da friedlich, wo keiner mehr ist, der Stress macht …“, sagt sie nach einem Moment, „Mich eingeschlossen!“
Einer Ahnung folgend überquert sie schnell das Farmgelände. Auf der gegenüberliegenden Seite zu der Stelle, wo sie eben an der Baumgrenze stand, hängt das Knochenmesser des Ältesten von einem Ast. Zoe rennt hin, nimmt es an sich, keuchend vor Nervosität und Erleichterung.
„Danke, Quireep! Danke!“, raunt sie in den Wald.

Daraufhin gräbt sie mit ihren Krallenhänden ein tiefes Loch in der Mitte des Farmgeländes. Sie betrachtet die drei Waffen des Ältesten nachdenklich. Sie sind primitiv, aber sehr kunstfertig hergestellt, die Messer sind beinern, der Dolch aus so etwas wie Feuerstein. Es sind womöglich keine Stammes-Erbstücke, wie die Silber-Klaive, aber dennoch beeindruckend. Sie selber könnte die gebrauchen; wenn jemand die ihr Zueignen würde, dann hätte sie Werkzeuge, die sie in der Penumbra benutzen könnte, wenn ihre eigenen Klauen mal nicht weiter kämen. Sie seufzt, legt die Habseligkeiten vorsichtig in das Erdloch, und vergräbt sie. Sie verwischt alle Spuren so, wie Wintermoon Tooth es ihr und Kylah mit den Feuerstellen gezeigt hat. Sie fühlt ein seltsames Gefühl von Andacht.

Dann rennt sie in den Wald zurück, in die Richtung, aus der sie vorhin kam.

Das war ohne Frage ein Milestone bei der Queste. Hiermit sind acht Fortschritt-Punkte erreicht.

Drei Erfolge fallen bei Wahrnehmung+Zurechtfinden für den Rückweg! Das trägt wahrscheinlich ebenfalls zum Gelingen der Sache bei!

Ist das ebenfalls noch ein Milestone? Das Orakel sagt deutlich, ja! Mit zehn Punkten Fortschritt kann fast nichts mehr passieren, nur noch Würfelpech bei den Challenge Dice kann den Erfolg verhindern. Nur noch im Fall eines 10er-Pasch ist Wintermoon Tooth zwischenzeitlich gestorben. Also würfle ich die 2W10 …:

Es ist ein windiger Vormittag, als Zoe endlich die Stelle am Long Trail wieder erreicht. Sie sieht Kylah nervös aufspringen, und sieht den Ältesten am Feuer sitzen, immer noch an den Steinhaufen gelehnt.
„Wintermoon-Tooth-rhya …! Ich bin zurück! Kylah! Ich habe …“
„Wer tritt ans Feuer, noch ohne eigenen Namen?“, sagt der Älteste schwach.
„Ich bin’s, Zoe!“, sagt sie, und fällt neben ihm auf die Knie.
„Hast Du meine Prüfung bestanden, Welpe? Du musst die Wahrheit sprechen.“
„Ja, Ältester! Die Waffen sind vergraben, ohne dass jemand mich aufgehalten hat oder es beobachtet hat!“
„Gut! Forderst Du Aufnahme in den Stamm der Kinder Gaias?“
„… Ja!“
„Lasst es so gesungen werden. So sei es. Willkommen.“

Zoe und Kylah umarmen sich hektisch, dann schaut Zoe auf den Ältesten herunter, und bricht in Tränen aus, weil sie denkt, er hat soeben sein Leben ausgehaucht, ganz friedlich lächelnd sitzt er da, reglos. Kylah prüft seine Atmung, und sagt, er lebe aber noch. Sie will den Long Trail hinauf rennen, und versuchen, einen Garou zu finden weiter oben, jetzt, wo sie wieder zu zweit sind. Zoe weigert sich aber, Kylah gehen zu lassen — was ist, wenn das Rudel der Roten Klauen doch noch hier irgendwo ist? Also läuft sie selber wieder los. Binnen einer Stunde hört sie fernes Wolfsgeheul und antwortet verzweifelt darauf. Schließlich kommt sie zur Feuerstelle zurück, mit vieren der Kinder Gaias, die sehr schnell und präzise eine Trage aus Stöckern bauen, um den Ältesten hinauf zum Caern zu transportieren. Er stirbt tatsächlich auf dem Weg, die Augen friedlich lächelnd geschlossen, wie auf einem eigenen Stufenpfad zum Himmel. Zoe hält Kylah bei der Hand, sie stützen sich gegenseitig an steileren Stellen, sie ist mittlerweile zu erschöpft, um nochmal zu flennen. Wenig später erreichen sie das Umland des Caerns der Sonnenbeschienenen Steine.

Aber Lichtblicke gibt’s natürlich auch, denn Zoe hat ihre erste Queste abgeschlossen, was ihr drei EXP zusätzlich einbringt (aufgrund des gewählten Schwierigkeitsgrads Gefahrvoll). Sie ist soeben in ihrem Stamm aufgenommen worden, erhält zwei permanente Punkte Ruhm und einen permanenten Punkt Ehre, und kann ab jetzt temporäre Punkte in allen drei Ansehen-Kategorien sammeln.

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Die Septe der Sonnenbeschienenen Steine
Lage: Glastonbury Mountain, Green Mountain National Forest
Rang: 3
Typ: Enigmas (Weisheit)
Caern-Totem: Geist des Bennington-Dreieck
Stammesstruktur: Kinder Gaias, mit gelegentlichen Abgesandten der Roten Klauen und Stillen Streicher, offen für Besucher von allen Stämmen
Bevölkerung: Um die 15 Garou und fünf bis zehn Blutsgeschwister sind zu jeder Zeit vor Ort
Barriere-Wert: 3


In der Nähe des Gipfels des Glastonbury Mountain, weitab von allen Wander- und Kletterpfaden, liegt die Septe der Sonnenbeschienenen Steine. Zoe und Kylah dürfen zuerst nur ins Umland, wo verborgene Forsthütten von den Bewohnern und deren Blutsgeschwistern liegen. Der Tod des Quiao Ju Wintermoon Tooth sorgt zuerst für viel Aufsehen, und darüber werden die Fragen betreffend der beiden Neuankömmlinge vorerst zurück gestellt. Die Septenherren haben natürlich bereits von dem skandalösen Überfall auf Jewell Island gehört, und Wintermoon Tooths Aufbruch von dort. Dass er aber hierher unterwegs war, hatten sie noch nicht gewusst.

Dementsprechend nehmen sich vorerst anstelle von Garou mehrere Blutsgeschwister den Mädchen an, was denen ganz recht ist. Binnen des Ankunftstages bricht bei ihnen beiden die Art von Erkältung aus, die man wohl zu erwarten hat, wenn man im November im nassen, kalten Wald übernachtet und nachtsüber durch den Regen marschiert. Bei Zoe geht sie am selben Abend schon wieder restlos weg, es ist, wie Echoing Tide zu ihr gesagt hat, ihr Immunsystem ist unschlagbar. Sie verbringen den folgenden Tag in dem Badehaus, in Zubern mit dampfendem Wasser und handgewonnenem Pinienöl. Das ist für Zoe fast etwas zu viel Luxus auf einmal nach den Ereignissen der letzten, entbehrungsreichen Nächte; in ihr toben übrige Wut, Trauer, und Hochgefühl. Kylah ist dabei offensichtlich etwas schreckhaft; wann immer jemand von draußen reinkommt, glaubt sie, sie beide würden jetzt hier rausgeschmissen werden, und macht sich bereit, zu gehen. Immerhin sind sie nur zu Gast in der Fremde, und überhaupt ist sie, Kylah, ja nur eine kleine Knochenbeißerin aus Detroit. Zoe hat schon wieder Tränen in den Augen, als sie das hört, und greift die Hand der anderen, und wispert ihr ins Ohr, „Denk' nicht immer, dass andere Dir was wegnehmen wollen, weil Du schlechter seist als die, Kylah! Ich lass' nicht zu, dass irgendwer Dir irgendwas wegnimmt! Für mich bist Du die Beste, die es gibt!“
„Zoe, Du Jammerlappen!“, näselt Kylah erkältet zurück, in gedämpfter Stimme, „Ich denk' doch nur, dass die ihr Dampfbad auch mal selber wieder benutzen wollen könnten! Wir sind schon seit Stunden hier drin!“
Aber sie macht dennoch ihre Hand nicht los, und Zoe legt ihre Schläfe an Kylahs Undercut, und weint lautlos noch ein bisschen weiter. Sie kann ihre Dankbarkeit ihrer Freundin gegenüber nicht richtig in Worte fassen, und kann nur hoffen, dass diese sie trotzdem irgendwie versteht.
Als sie sich abtrocknen, sind sie jedenfalls ganz schrumpelig vom heißen Wasser.
„Ich schwör', seit die Dich für ihren Stamm ausgeguckt haben, bist Du voll melodramatisch geworden, Zoe!“, sagt Kylah keck, „Ich beginne schon die Zoe zu vermissen, die hinter Lennings' dämlicher Videothek Dreckskerlen spontan die Schweinefressen poliert!“
„Oh, die Zoe gibt’s auch noch, Kylah, keine Sorge. Das ist auch die, die in Grünstreifen-Wäldern Leuten die Brustkörbe zerbeißt, und sich Mühe geben muss, die hinterher nicht zu fressen. Ich spür' es, wie es in mir brodelt, weißt Du.“
„Aber zwischendurch bist Du voll das Tränentier. Das muss dieses neue Totem sein, zu dem Du jetzt gehörst.“
„Re'em.“
„... Das Einhorn!“, lacht Kylah.
„Ich glaube, der Brauch kommt aus Zeiten, wo die Leute noch nicht an buntes Plastik gedacht haben, oder an Hipster in Plüschanzügen, wenn sie an Einhörner dachten. Welches Totem hat Dein Stamm eigentlich?“
„Die Ratte!“, sagt Kylah, und ihre Zähne blitzen, weil sie so breit lächelt dabei.
Komisches Tier, um darauf stolz zu sein, aber Kylah ist mächtig stolz.
Als sie aus dem Dampfbad kommen, und durch die Novemberkälte eilen, zu der Blockhütte, die ihnen zugewiesen wurde, fragt Zoe, „Was wirst Du denn jetzt machen?“
„Meinen verschissenen Schnupfen auskurieren!“
„Nee, dann. Hinterher. Wenn die mich zur Westküste schicken …“
„Endlich nach Detroit zurück … und hoffen, dass nicht wieder diese Zoe aus dem Nichts angestürmt kommt, und mich von der Busstation wegzerrt!“
„Nee, diesmal wahrscheinlich nicht. Außer, dieser Ort wird auch angegriffen. Ach Du meine Fresse, weißt Du was? Jede Zuflucht, in der wir bisher waren, war umkämpft. Jede einzelne!“
Sie schlüpfen in etwas kratzige Second-Hand-Nachthemden, die hier bereitliegen, und klettern in ihre Gästebetten.
„Du klingst fast, als würde Dich das wundern! So ist das die halbe Zeit über, soweit ich das verstanden habe.“
„So ein Wahnsinn. … Aber was machst Du dann, zu Hause in Detroit?“
„Wieder in die Schule, allen eins vorheucheln, von wegen, Grippe gehabt. Passt zu meinem Schnupfen, die Behauptung, vielleicht kann ich den da mit hinnehmen, als Beweismittel.“
„Und dann?“
„Schule fertig machen.“
„Und dann?“
„Frag' nicht immer weiter ‚und dann‘, Zoe! Worauf willst Du hinaus?!“
„Das ist alles Illusion, Kylah“, sagt Zoe energisch, und setzt sich auf, funkelt ihre Freundin wild an, „Alles, diese ganze Detroit-Scheiße, Schule, Wohnungen, Jobs! Die … Welt der Weberin!“
„Ja, aber ich will mich in eine gute Position bringen in der Welt der Weberin! Um meinen Leuten zu helfen! Dem Carjack Pack, und allen.“
„Also … in die Politik? Oder reich werden?“
„Quatsch, mein Stamm hat tausend Möglichkeiten, von denen 500 überhaupt nicht mal das Geringste mit Geld zu tun haben. Netzwerke gibt’s überall, Zoe. Überall.“
„Hm, ja, ich glaube, ich verstehe. … Was würdest Du im Leben machen, wenn nichts schief gehen könnte an Deinen Plänen?“, sagt Zoe und lässt sich wieder in die Kissen plumpsen.
Kylah putzt sich geräuschvoll die Nase, und sagt, „Das hast Du mich im Sommer schon mal gefragt, weißt Du noch? Und da hab' ich gelogen: Eine Punkband gründen, die berühmt wird.“
„Weiß ich noch. Und Du hast schließlich gesagt, Du würdest in der Band nicht mal spielen wollen, nur alles drumherum regeln. Du wärst bestimmt irgendwann 'ne fantastische Tourmanagerin …“
„War alles gelogen, weil ich Dir gegenüber ja nicht die Katze aus dem Sack lassen durfte. Hätte ja sein können, dass Du Dich doch noch als ganz zahmes Girl entpuppst, das nie einen beißen oder anknurren würde.“
„Prima, dass ich nicht enttäuscht habe diesbezüglich. Ich beiße, knurre, geifere, und hab' keinerlei Tischmanieren mehr.“
„So 'ne Art Terror-Barbie!“, ergänzt Kylah begeistert, „Blond, wuschelig, sexy, und leider total wild auf Menschenblut! Mit Zähnen wie Meißeln!“
Zoe presst sich beide Hände aufs Gesicht, die Ellenbogen zeigen zur Decke. Hoffentlich wird sie nicht schon wieder emotional!
Kylah fährt fort, „Na ja, vergiss' es, für Barbie hast Du aber zu kurze Beine, und einen zu kleinen Vorbau. Aber worauf willst Du hinaus?“
Zoe sieht sie an, die Augen sind tatsächlich nicht feucht, nur fragend.
„Was hältst Du von der Westküste? Da ist auch jede Menge Punkszene! LA und so!“
„Soll ich Dich da mal besuchen …? Mach' ich glatt! Aber Dein Stamm zahlt das Flugticket, nicht meiner, dass das mal klar ist!“
„Und mit mir da wohnen?“, fragt Zoe halblaut.
„… Scheiße. Komische Frage! Wir sind ja nicht mal Blutsschwestern! Ich hab' nur für Borrow-Bus auf Dich aufgepasst. Ich soll ja wohl nicht weiterhin Deine Babysitterin sein!“
„Doch, bitte“, sagt Zoe, schnörkellos, hilflos.
Kylah lacht sie aus, sie klingt amüsiert.
Zoe lacht auch, etwas scheu.



Die Kinder Gaias sind ein bunt zusammengewürfelter Haufen verschiedener kultureller Wurzeln


Am dritten Tag ihres Hierseins ist auch Kylahs Erkältung bereits wieder weg, dank den erstaunlichen Kräutermitteln der Garou. Heute endlich nehmen sich die Septenmitglieder endlich Zeit für sie. Zwei Galliards sind dabei, die alle Einzelheiten hören wollen, wie auch Novak Malgrimov das im Herrenhaus gemacht hatte. Man ist etwas erstaunt, dass ein bisher völlig unbekannter Welpe hier im Überzeugungston von sich als Stammesmitglied spricht, als Cliath der Kinder Gaias. Zwar fast ohne Wissen über das Brauchtum, aber dafür mit offensichtlich frischen Kampferfahrungen. Ihre Armwunde ist endlich verheilt, und auch ihr herausgebrochener Eckzahn ist mittlerweile nachgewachsen. Zoe berichtet also den Galliards von ihren Erlebnissen.

Bei der Geschichte von der Klaive-Übergabe an den Ronin Walks-Through-The-Gray-Woods druckst sie etwas herum, immerhin hat sie dieses Erbe weggeschenkt, im Glauben, sie hätte direkten Anspruch darauf. Möglicherweise war alles, was sie getan hat, dem Gezücht des Fenris (zu dem sie ja in Wirklichkeit doch nicht gehört) einen ihrer Schätze vorzuenthalten. Das wäre wohl mal eine gute Gelegenheit gewesen, stattdessen Ehre anzusammeln! Die Galliards aber sind erstaunlicherweise gar nicht entrüstet, sie schmunzeln: Hier ist Zoes eigentliches Erbe in ihr zum Vorschein gekommen, das eines Kindes Gaias. Die Ältesten werden ihre Taten deshalb tatsächlich loben, aber anders als gedacht. Hier in diesem Stamm gilt die Geschichte nicht als verpasste Chance, sondern als Akt der Barmherzigkeit.

(Leider gibt’s trotzdem keine Ansehen-Punkte nachträglich, weil Zoe ihrem Stamm noch nicht angehört hatte zu diesem Zeitpunkt.)


Wintermoon Tooth wird auf dem Friedhof der Gefallenen Helden zeremoniell beigesetzt. Der Sichelmond scheint mittlerweile wieder, der ja im Leben sein Vorzeichen-Mond war. Mirabelle Thunder-Magic-Spoke und Elliot Echoing Tides und ein paar andere Garou von Jewell Island treffen noch rechtzeitig ein, um am Versammlungsritus für den Verstorbenen teilzunehmen, sowie einige der Töchter des Ältesten. Geschichten und Legenden aus dem Leben von Wintermoon Tooth werden auf dem Friedhof am Berghang erzählt, manche in Form von Wolfsgeheul. Zoe ist erstaunt über die schiere Menge an ruhmreichen Taten, und wie weit die Gedächtnisse der Kinder Gaias zurückreichen — der Theurge war 98 Jahre bei seinem Tod, und viele seiner Großtaten haben sich in den 50ern, 70ern, und 90ern ereignet. Die jüngeren Garou berichten oder singen davon, mit einer Leidenschaft und einer Fülle von Details, als wären sie persönlich dabei gewesen.

Dass es ihm als letzte Handlung auf seiner letzten Reise noch gelungen ist, einen neuen Welpen zu prüfen und in den Stamm aufzunehmen, auch noch eine mit spürbar reinem Blut, sehen viele als gutes Omen an. Viele fragende Blicke treffen Zoe. Einige der Bodenständigeren scheinen nicht recht zufrieden damit: Wurde schon der Ritus der Feuertaufe bei Zoe versäumt, wäre es umso wichtiger gewesen, ihren Aufnahmeritus wiederum nach allen Regeln der Kunst durchzuführen. Nicht übereilt, praktisch nebenher, auf einer Flucht! Aber der Krieg in den Schatten hat dies eben unmöglich gemacht.

Mehrfach wird Zoe nach ihrem Stammesnamen gefragt. Es sei Brauch, dass sie ihn aus den Ereignissen rund um ihren Aufnahmeritus ableitet. Der Name käme von selbst zu ihr, sagen die Werwölfe.


Am Tag darauf kniet Zoe neben Kylah in den Gemüsebeeten am Rand des Caerns, sie machen sich gerade nützlich, indem sie umgraben.
„… Kickt-Organhändler-In-Den-Arsch“, ist Kylahs erster Vorschlag zu diesem Thema.
„Aber das war ja noch vor dem Ritus! Außerdem wäre es dann doch eigentlich Tunkt-Organhändler-In-Den-Matsch!“
Kylah zuckt die Schultern, „Aber das war toll! Das könnte schon Dein Verdienstname sein.“
„Redet-Mit-Eichhörnchen. … Oder, Wird-Von-Angepisstem-Eichhörnchen-Mit-Eicheln-Beworfen.“
„Zu lang!“
„War auch nur'n Witz. Hm, Stiftet-Frieden-Zwischen-Bikergang-Und-Wolfsrudel. Oder so ähnlich.“
„Wieder zu lang! Dann vielleicht … Heult-Rum-Wegen-Bluttaten!“
„Oh ja, der ist vermutlich gut, der passt zu mir. … Sag' mal, Kylah, hast Du eigentlich auch einen Stammesnamen? So wie Lousy Five Bucks, und Shady Sabina?“
Sie zuckt die Schultern, „Bei uns Knochenbeißern mischt sich das ziemlich durch mit den Spitznamen, die wir sowieso haben. Ich könnte nicht mal sagen, ob Lousy Five Bucks und Shady Sabina Spitznamen sind, oder wirklich Verdienstnamen. Mein Arsch, ich weiß doch nicht mal, wie die beiden bürgerlich heißen!“
„Warum das denn nicht? Wäre doch praktisch!“
„Nee, wär's nicht! Für den Fall, dass man mal einkassiert und vernommen wird. Von den Mächten der Weberin, oder vom Feind. Verstehste? Die von meinem Stamm haben mir im Herbst schon ein Verhör-Training gegeben. Namen, die ich von vornherein nicht kenne, können auch nicht aus mir rausgekitzelt werden.“
Zoe lässt ihr Pflanzschäufelchen sinken, und sagt entsetzt, „Meine Güte, Kylah! Ich will auf keinen Fall, dass Du Dich in solche Gefahren begeben musst!“
Diese schüttelt den Kopf, „Aber mit Dir durch den Regensturm marschieren ohne richtige Winterklamotten, das geht? Oder von Konzern-Häschern gewürgt werden!“
„Nee, das will ich auch nicht! Ich …“
„Halt' mal die Luft an, Zoe! Und heul' bloß nicht wieder. Wir sind immerhin sowas wie Geheimagenten, kapierst Du nicht? Wir Blutsgeschwister zumindest. Ihr Werwölfe seid sowas ähnliches, so ein Zwischending, quasi die Schocktruppen.“
„Aber wozu das alles? Ich kapiere nicht ganz, worum es bei diesem Krieg in den Schatten überhaupt geht!“
„Äh, das hab' ich auch noch nicht so völlig verstanden, ehrlich gesagt. Ich bin ja auch noch neu dabei, bis Anfang des Jahres war mein Leben ganz normal bescheuert. ... Die Frage stell' Du mal lieber Deinen Ältesten an der Westküste …!“
„Und die Garou halten das geheim?“
„Da gibt’s irgendeine große Weltverschwörung, und irgendeine olle Prophezeihung, die seit der Jahrtausendwende angefangen hat, sich zu erfüllen. Wenn die Normalos in der Weberinnen-Welt das rausbekommen würden, wär' von heute auf morgen absolute Massenhysterie, angeblich. Mehr weiß ich auch nicht.“

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Was sagen die Orakelwürfel denn sonst noch zum Aufenthalt im Caern der Sonnenbeschienenen Steine? — Summon Safety. Beschwörung passt natürlich bestens zu einem schamanischen Ort. Aber wie wird Sicherheit heraufbeschworen? … Oho, vielleicht in Gestalt eines Geistes, der Zoe durch die Umbra führen soll. Das ist dann naheliegenderweise ein Avatar von Re'em.

In dieser Nacht nehmen ein paar der Ranghöheren Zoe mit zum Versammlungsareal des Berghangs, einer Freifläche unter einer weiten, hölzernen Dachkonstruktion. Eine große Gestalt in einem zerfransten, grauen Mantel wartet dort auf sie, zusammen mit ein paar der Theurgen. Der Fremde wendet ihr unter seiner Kapuze das Gesicht zu, und sie erschrickt.
„Wir haben jemanden in der Umbra gefunden, den wir heraufbeschworen haben, damit er Dich über die Mondbrücken eskortieren kann, Zoe. Jemanden, der menschenähnlich genug erscheint, dass Du Dich unterwegs mit ihm verständigen kannst!“
Zoe und die Erscheinung sehen sich in die Augen. Der Fremde wirkt ganz und gar echt, stofflich, nicht etwa durchscheinend wie ein Gespenst. Er ist jedoch auch offensichtlich kein Mensch. Auf seiner Stirn ragt ein einzelnes Horn empor. Ein feiner Geruch liegt in der Luft, es riecht ‚bläulich schimmernd‘, zumindest ist das die einzige Beschreibung, die Zoes Verstand hergibt.



Der Avatar-Geist


„Stell‘ Dich ihm vor!“, raunt eine von den Werwölfen ermahnend, „Sage ihm Dein Begehr!“
„Oh, äh, ja. Hallo, ich bin Jennifer Zoe Matherson. Freut mich, Dich hier zu treffen. Ich soll … ich will zur Septe des Westlichen Auges!“
Der Avatar deutet eine Verneigung an, und sagt in tiefer, etwas kratziger Stimme, „Ich werde Iándor genannt. Ich bringe Dich dorthin, junge Garou, denn ich erkenne Dich als Teil von Re'ems Stamm.“
„Wann willst Du aufbrechen, Zoe?“, fragt einer der Garou.
„Wieso, ist denn schon alles bereit dafür?! Ich …“
„Jetzt, wo Dein Beschützer hierher beschworen ist, können wir jederzeit den Ritus der Geöffneten Brücke für Euch ausführen. Thunder-Magic-Spoke und Echoing Tide werden Dich zu Eurem Ziel begleiten, denn auch sie haben Erledigungen in der Septe des Westlichen Auges zu machen. Sobald Du soweit bist, könnt Ihr aufbrechen.“
„Das ist etwas plötzlich! … Was ist mit Kylah?“
„Wir haben unsere Blutsgeschwister schon alles arrangieren lassen. Sie wird von Bennington aus zurück nach Hause gefahren werden, von unseren Artverwandten. Auf eine Reise durch die Umbra könntest Du Deine Verbündete ohnehin nicht mitnehmen, denn die Menschen können das Geisterreich nur in ihren Träumen betreten.“
„Ich verstehe. … Ich muss noch Lebewohl sagen! … Dann bin ich bereit, sobald er es ist“, sagt Zoe tapfer, und nickt in Richtung der außerirdischen Erscheinung.


Erneut muss sie sich von ihrer Weggefährtin verabschieden, und sie kann nicht sagen, dass es durch die Wiederholung leichter fällt. Kylah spöttelt erneut über Zoes Gefühlsduseligkeit. Zoe erzielt vier Erfolge bei Wahrnehmung+Empathie, und begreift jetzt endlich, dass Kylah sich die ganze Zeit über doch nur deshalb so ausdrückt, weil sie damit über ihre eigene Unsicherheit hinweg zu täuschen versucht. Wahrscheinlich hat die 16-jährige Sorge, dass sie in Augen anderer überhaupt nichts ist, wenn sie nicht zumindest als hartgesottener Punk rüberkommt. Zoe schließt sie fest in die Arme, und dankt ihr nochmal, und sie versprechen sich gegenseitig, sich in San Francisco zu treffen, sobald Gelegenheit ist. Ihr sentimentales Gesuch von neulich, dass die Blutsschwester doch einfach mitkommen könne, wagt Zoe nicht nochmal zu wiederholen, dafür scheint die Gelegenheit gerade nicht günstig.



Ein Schrein nahe des Herzens des Caerns der Sonnenbeschienenen Steine


Der Halbmond scheint hell über den Wäldern an der Bergflanke, als Zoe mit Mirabelle und Elliot auf das Herz des Caerns zu geht. Der Zeremonienmeister der Septe ist hier, mit seinen drei jungen Trommlern, um den Ritus zu beginnen, der sie durch die Umbra hindurch schicken soll. Zwischen den Holzsäulen einer großen Pagodenkonstruktion erwartet sie schon das Wesen Iándor, mit seinem gleichzeitig gütigem und gestrengen Gesicht.
„Ich sehe voraus, dass es gutes Wetter in der Umbra gibt für diese Reise!“, sagt die Stimme des Avatars ruhig.
„Es gibt Wetter in der Umbra?“, wagt Zoe zu fragen.
„Ja“, sagt Mirabelle lächelnd, „Sternenschauer und Sonnenstürme und sowas! Komm' jetzt! Wir zollen dem Geist des Bennington-Dreiecks unseren Respekt, bevor wir gehen. Dort ist sein Schrein.“
Die Theurgin bedeutet Zoe vor einem kleinen, steinernen Altar in die Hocke zu gehen, wie sie es tut. Dort sind im Kerzenschein kleine, ölgemalte Bilder aufgestellt, welche allesamt die mysteriösen, moosbewachsenen Steinhaufen im Wald zeigen. Es scheint viele davon zu geben auf dem Glastonbury Mountain. An einem von denen war das Lagerfeuer, während ihrem Aufnahmeritual. Mirabelle spricht leise ein Gebet in der Hohen Zunge. Sie endet auf Englisch (wahrscheinlich um Zoe teilhaben zu lassen), „… Mögen all die Rätsel, die Du den Sterblichen aufgibst, weiterhin unsere Existenz verschleiern, großer Geist des Bennington-Dreiecks, immerdar.“
Als sie sich wieder abwenden, fragt Zoe neugierig, „Was sind die Dinger auf den kleinen Ölbildern? So eins habe ich auf dem Hinweg gesehen!“
„Das sind sogenannte Cairns“, erklärt Mirabelle.
„Hä? Ich dachte, dies hier wäre ein Caern!“
„Gleicher Wortstamm, aber andere Funktion! Die Cairns auf dem Glastonbury Mountain sind so etwas wie prähistorische Altäre. Das bedeutet, dass dieser Berg schon in grauer Vorzeit als heilige Stätte bekannt war. Das Caern-Totem, der Geist des Bennington-Dreieck, verwendet sie heutzutage, um auf dem Berg schnell von Punkt zu Punkt zu reisen. Nicht unähnlich wie die Reise, die uns jetzt bevorsteht!“
Zoe zögert ein Weilchen, dann raunt sie aufgeregt, „Geografie war neben Sport das einzige Schulfach, in dem ich ziemlich gut war! Ich bin ziemlich sicher, dass das unmöglich ist! Teleportation, ja, vielleicht für einen Geist …!“
Mirabelle dreht sich nach ihr um, streicht ihr über die Wange, und sagt, „Aus Dir spricht nur das Lampenfieber. In der Umbra sind wir wie Geister, erinnere Dich. Das Wylde hat gewaltige Macht in der Umbra! Du wirst schon sehen, wie die Gesetze der Weberin dort gebogen werden.“
„Gesetze der Weberin?“
„Die physikalischen Gesetze von Zeit und Raum! … Sag' mal, bist Du eigentlich anfällig für Jetlag?“
„Wieso?“
„Ich frag' nur.“

Die drei Kinder Gaias treten vor Iándor, und dieser nickt ihnen zu. Der Garou-Ritenmeister im Hintergrund ist mittlerweile in seiner imposanten, aber ungeschlachten Glabro-Form, knurrt und schnarrt und summt in ekstatischer Trance, zu den Trommeln, die gespielt werden. Dann öffnet er in feierlicher Geste eine massive, mit komplexen Mustern beschnitzte Holztruhe. Als das Halbmondlicht von außerhalb der Pagode ins Innere der Truhe fällt, wird es hell von einem glänzenden Objekt darin reflektiert — dem Pfadstein. Es ist ein großer, blank polierter Brocken eines ungeschliffenen, hellweißen Steins, wie Marmor. Der Ritenmeister lenkt das Licht mit Spiegeln gegen die Felswand, und sofort entsteht eine faszinierende optische Täuschung, bei welcher der solide Stein plötzlich im Lichtschimmer so aussieht wie ein steinernes Durchgangstor!
„Folgt mir, Anhänger von Re'em!“, sagt Iándor, und schreitet direkt darauf zu.


Hier sind Spielwerte für den Geist, nur für den Fall das sie noch gebraucht werden auf der Reise:

Iándor, Avatar von Re'em
Willenskraft: 8, Rage: 5, Gnosis: 8, Essenz: 21.
Kräfte:
Airt-Sinn: Der Geist kann Richtungen in der Umbra bestimmen und Geisterfährten finden. Mit einem Gnosis-Erfolg kann er bestimmte Individuen oder Orte aufspüren.
Fährtenleser: Indem er einen Punkt Essenz ausgibt, kann dieser Geist jedes spezifische Ziel aufspüren.
Heilkraft: Dieser Geist kann bis zu zwei Wundlevel eines verwundeten Charakters heilen. Er muss dafür einen Gnosis-Wurf machen gegen 7, oder gegen 9 bei Verheerendem Schaden. Pro Szene darf jedes Ziel nur einmal hierdurch geheilt werden.
Materialisierung: Mit einem erfolgreichen Gnosis-Wurf gegen die örtliche Barriere kann der Avatar sich in der Fleischwelt materialisieren.
Zungen: Der Geist ist dazu in der Lage, mit Wesen aus der stofflichen Welt zu kommunizieren. Die tatsächliche Sprache des Ziels ist unerheblich, es muss nur in Hörweite sein.

Hier sind auch unsere derzeitigen Garou-Begleiter:

Mirabelle Simmons, Thunder-Magic-Spoke
Alter: 32; Stamm: Kinder Gaias; Vorzeichen: Theurge; Blut: Garou; Aufzucht: Homid; Rang: Adren
Attribute: Geschick 3, Konstitution 3, Stärke 3, Charisma 3, Erscheinungsbild (Abenteuerlich) 4, Manipulation 2, Geistesschärfe 3, Intelligenz (Kombinationsgabe) 4, Wahrnehmung 3
Fertigkeiten: Athletik (Rennen) 4, Aufmerksamkeit 3, Ausdruck 3, Ausweichen 3, Einschüchtern 3, Empathie (Verschwiegenes) 4, Handgemenge 3, Überzeugen 3, Ur-Instinkt 3; Anführen 3, Handwerk 2, Heimlichkeit 3, Nahkampf 2, Überleben 2; Enigmas (Umbra-Gleichnisse) 4, Etikette 3, Linguistik 3, Okkultismus (Animismus) 4, Medizin 3, Nachforschung 3, Rituale 3, Zurechtfinden 2.
Hintergründe: Alliierte (Septe des Westlichen Auges) 2, Alliierte (Septe der Hand Gaias) 2, Geister-Netzwerk 3, Ressourcen 1, Riten 3.
Gnosis: 6
Rage: 4
Willenskraft: 7
Gaben: Calm, City Running, Exorcism, Name The Spirit, Resist Pain, Sense Weaver, Sense Wyrm, Spirit Speech, Staredown
Riten: Awakening, Binding, Summoning.
Ausrüstung: Klapp-Taschenspiegel an Halskette, Lederkleidung, Knochenmesser (alles Zugeeignet), Talens


Elliot Hadock, Echoing Tide
Alter: 27; Stamm: Kinder Gaias; Vorzeichen: Philodox; Blut: Garou; Aufzucht: Homid; Rang: Fostern
Attribute: Geschick 3, Konstitution (Wetterfest) 4, Stärke 3, Charisma 3, Erscheinungsbild 3, Manipulation 2, Geistesschärfe 3, Intelligenz 3, Wahrnehmung 3
Fertigkeiten: Athletik (Schwimmen) 4, Aufmerksamkeit 3, Ausdruck 2, Ausweichen 2, Einschüchtern 2, Empathie (Durchschauen) 4, Handgemenge 3, Überzeugen (Verhandlungen) 4, Ur-Instinkt 3; Anführen 1, Handwerk 2, Heimlichkeit 3, Nahkampf 3, Seefahrt (Kleinboote) 4, Überleben 3; Enigmas 1, Etikette 3, Linguistik 2, Okkultismus 2, Medizin 2, Nachforschung 2, Politik 2, Rituale 3, Zurechtfinden 2.
Hintergründe: Alliierte (Septe der Nebelumwobenen Bucht) 3, Alliierte (Septe der Sonnenbeschienenen Steine) 1, Blutsgeschwister (in Portland, Maine) 2, Ressourcen 2, Riten 1.
Gnosis: 5
Rage: 5
Willenskraft: 6
Gaben: Calm, City Running, Resist Pain, Scent of the True Form, Truth of Gaia
Riten: Binding
Ausrüstung: Lederkleidung, Wintermantel, Knochenmesser (alles Zugeeignet), Talens, kleines Segelboot (ankert nahe bei Portland)



Die Mondbrücke


Unter ihren Füßen erstreckt sich eine geradlinige Bahn, die hinaus führt in die weite Sternennacht, in ihrem Ansteigen erinnert sie tatsächlich an eine Brücke. Zoe berührt sie mit den Handflächen, und sinkt dann auf die Knie, sie sieht fassungslos genauer hin. Obwohl die Bahn aus reflektiertem, gekrümmten Licht besteht, ist sie gleichzeitig wie Stein, von Rissen durchzogen, an einigen Stellen eingekerbt. An manchen Stellen werden Lichtpartikel wie Staub von ihr geweht.
„Unfassbar“, sagt Zoe zu sich selbst.
„Immer wieder schön, es durch die Augen von jemandem zu sehen, der es sich vorher noch nie ausgemalt hat!“, lächelt Echoing Tide.
„Wir sollten uns beeilen … Iándor wird nicht anhalten, damit wir uns an der Umbra-Landschaft weiden können! Und wir sollten seinen Schutz nicht verlieren. Nur für den Fall der Fälle …“, sagt die Theurgin.
„Ich dachte, die Mondbrücken seien von den Mondinnen beschützt?“, fragt Elliot.
„Das ist alles so … wow …“, ächzt Zoe.
Mirabelle antwortet, „Ja, das werden sie ganz gewiss. Aber man weiß nie, was passiert. Ich habe ein ominöses Gefühl, und auf derlei ist zu hören, in der Umbra. … Zoe, auf die Füße mit Dir, folge uns!“
Die Angesprochene gehorcht zögerlich, „Und sie kann wirklich nicht einstürzen? Unter uns … ohh … sind nur Wolken …“
„Halt' Dich bloß auf der Brückenbahn, Zoe!“, sagt Mirabelle, ihre aschblonden Haare wehen in geisterhaftem Wind, „wir sind hier hoch oben im Ätherischen Reich! Das unter uns ist nicht direkt die Fleischwelt, das sieht nur so aus. Aber wer fällt, der stürzt in ein anderes Reich innerhalb der Umbra, wahrscheinlich auf Nimmerwiedersehen.“
Zoe bebt wie Espenlaub, und hakt sich bei Mirabelle unter.
Die kosmische Schönheit um sie her ist etwas zu viel, ihr Verstand und ihre Sinne fließen schier davon über.
„Wenn ich gewusst hätte, dass das hier mich erwartet, wäre ich schon bei der ersten Gelegenheit hierhin gegangen …“, keucht sie, „Mit Crash Site dem Knochenbeißer auf seine Mondpfade ...“
Mirabelle lacht leise, „Die Mondpfade sind tiefer unten in der Umbra gelegen, Zoe. Sie schlängeln sich durch die gesamte Nachtseite der Schöpfung. Mondbrücken wie diese hier werden nur durch einen Ritus geschaffen, immer nur zeitweilig, wie reflektiertes Licht, das hin und her geworfen wird.“
„Ooohhh …“, bringt Zoe hervor, und schaut taumelig wieder auf ihre Füße, in der Furcht, das Licht könne jederzeit damit aufhören, reflektiert zu werden.
Mirabelle fährt gelassen fort, „Sie sind die sicherste Art, zwischen Caerns zu reisen. Für diesen Fußmarsch nach Nevada bräuchten wir in der Fleischwelt etwa eintausend Wegstunden. Aber auf der Mondbrücke werden wir binnen einer Stunde da sein. … Leider ist das Mondbrücken-Netz nicht mehr das, was es einmal war. Die Nation ist um die Jahrtausendwende gesplittert, und viele Septen erhalten die Verbindungen nicht mehr aufrecht, aus Angst, oder Groll. Das Caern der Sonnenbeschienenen Steine aber hat noch Beziehungen zum Caern der Glitzernden Beute in Las Vegas. Das ist in etwa das Maximum an Reichweite für eine Mondbrücke von Glastonbury Mountain aus ... Ganz bis nach San Francisco gibt es keine direkte Verbindung zur Westküste. Wie ein Flug in der Weberinnen-Welt, bei dem man umsteigen muss, verstehst Du das soweit?“
„Ich glaube …“
„Das Caern der Glitzernden Beute in Las Vegas wird derzeit von Knochenbeißern gehalten. Wir werden mit ihnen verhandeln müssen. Aber für Verhandlungsgeschick ist unser Stamm weltbekannt, Zoe! Wenn die Knochenbeißer uns ebenfalls eine Mondbrücke aufbauen, erreichen wir noch heute Nacht das Caern des Westlichen Auges.“

Die Mondbrücken sind zwar ziemlich sicher, aber es gibt keine Garantien für irgendwas in der Umbra! Die Orakelwürfel sagen hierzu, außerordentlich stimmig, Construct Path. Der vorgezeichnete Pfad ist ja bereits entstanden … nun aber wird ein zweiter geschaffen!

Während die drei Garou dem stummen Avatar folgen, immer höher auf der Brückenbahn, werden die Sterne heller, ihr Licht wird gleißend, so deutlich, wie keine irdische Kamera es aufnehmen könnte. Bekannte Sternbilder sind ebenso zu sehen wie völlig Unbekannte, in unvorstellbarer Ferne. Die große Erscheinung in der grauen Kutte hält plötzlich an. Zoes Augen folgen Mirabelles Blick, die unter ihnen etwas entdeckt hat: Eine weitere Mondbrücke spannt sich wenige Meter unter ihrer eigenen, oder zumindest so etwas in der Art. Schimmernde Geister-Körperchen setzen sich zusammen, und formieren so etwas wie durchscheinende Wegplatten. Die entstehende Bahn führt unter der Mondbrücke hinweg. Wenn sie hier nach Westen wandern, schlussfolgert Zoe, dann baut sich der andere Weg nach Süden. Aber irgendetwas sagt ihr, dass sie hier mit der Weberinnen-Logik ihres bisherigen Lebens sowieso nicht weiterkommt, auch, was Himmelsrichtungen betrifft.
Iándor wendet sich zu ihnen um, und sagt, „Ihr habt Euch zu entscheiden, welchen Weg Ihr nehmen wollt, Anhänger von Re'em. Kräfte des Wylden haben Euch soeben angeboten, ihnen zu folgen. Vielleicht ist dies ein direkter Weg zum Caern des Westlichen Auges, vielleicht auch nicht. Das Ziel wird nicht genannt, oder steht noch nicht ganz fest. Aber sie wollen Euch nichts Schlechtes. Entscheidet Euch also: Weiter der Mondbrücke nach, oder in diese neue Richtung?

Aufregung ist eine starke Emotion, also muss die arme Zoe mit ihren vollen sechs Rage-Würfeln einen Wurf machen. Bei Halbmond ist die Schwierigkeit nur noch sechs,  und sie entgeht nur um Haaresbreite der Fuchsraserei. Sie zuckt unkontrolliert hin und her, Fell beginnt sie zu bedecken. Mirabelle behält sie fest untergehakt, und packt sie mit der freien Hand auch noch am Schlafittchen.
„Sollen wir den Neuzugang entscheiden lassen?“, knurrt Echoing Tide, „Die Spannung scheint zu viel für sie zu werden!“
„Bloss weiter … wie uns geheißen … es darf nicht schon wieder … etwas schiefgehen …“, röchelt Zoe, fährt sich mit den Krallenhänden über die haarigen Wangen, versucht, sich zu sammeln.
Mirabelle scheint der Versuchung des unbekannten Pfades willentlich widerstehen zu müssen. Dann nickt sie, und murmelt so etwas wie ein Dankesgebet an die fremden Geister unter ihnen, wahrscheinlich erklärt sie, dass sie deren Angebot ablehnen müssen.
„Sind die jetzt nicht … irgendwie erzürnt?“, fragt Zoe ängstlich, als sie weitergehen.
Die Theurgin erwidert, „Das würde ja voraussetzen, dass man eine Art Ursache-und-Wirkung-Denkweise verwendet. So wie wir, die wir in der Welt der Weberin aufgewachsen sind. Den Geistern des Wylden ist dies eher fremd. Sie handeln nur nach unverfälschtem Instinkt.“
„Dann ist ja gut …“, grollt Zoe, ihre Nerven flattern immer noch ganz gewaltig.
„Da bin ich nicht so sicher“, murrt Mirabelle, „Irgendetwas sagt mir, dass wir noch bereuen werden, ihre Abkürzung nicht genommen zu haben …“

Schalter:
„… Bevor wir in Kontakt mit einer Dir fremden Septe treten, Zoe, sollten wir etwas gegen Deinen Zorn tun!“, sagt Echoing Waves besorgt.
„Dagegen kann man nichts tun“, murrt diese, „außer jemand findet sich, an dem ich den abreagieren kann. Und dann bin ich kein schöner Anblick …!“
„Das geht uns allen so, Zoe. Du bist nicht allein.“
Plötzlich versagt ihr die Stimme, und sie kann nur noch flüstern, als sie entgegnet, „Wie lebt Ihr damit?! Das ist ein Albtraum! Das kann einen jederzeit dazu bringen, zu töten! Wir sind Ungeheuer!“
„Gaia die Erde hat uns zornig geschaffen, damit wir Ihre Krieger sind. Wut kann ein unglaublicher Treibstoff sein“, sagt Mirabelle empathisch, „Aber Du musst sie zu beherrschen lernen.“
„Das kann ich mir nicht einmal vorstellen!“, gibt Zoe zu, schüttelt kleinlaut den Kopf, „Das ist das heftigste Gefühl, das ich je hatte! Das macht mit mir, was es will! Der Mond macht mir mir, was er will!“
„Du musst eben Deine Klinge zu führen lernen, Stammesschwester“, sagt Echoing Tide, „Aber bis Du das kannst, gibt es andere Mittel und Wege.“
„Welche?“, fragt Zoe flehentlich.
„Unser Stamm kennt Techniken von unseren alliierten Geistern, die Wut in Gleichmut verwandeln können. Lass' mich Dir das zeigen. Dann kannst Du gleich vor die Knochenbeißer treten, ohne uns und denen gefährlich zu sein.“
„Ja, bitte …“
Echoing Tide stellt sich genau neben Zoe, legt eine Hand auf ihre Stirn, die andere auf ihre Schulter.
„Erzähl' mir alles, was Dich letztlich aufgeregt, bedrückt, oder gekränkt hat, Zoe.“
„Was? Das ändert doch nichts!“
„Erzähl' es mir bitte trotzdem.“



Sie hält das zuerst irgendwie für Hippie-Lala, und berichtet nur stockend von den Momenten bei ihrem Aufnahmeritus, welche die sechs vollen Rage-Punkte gebracht haben. Die schießwütigen Park Ranger. Ihr eigenes, instinktives Schnappen nach dem Eichhörnchen-Geist, was diesen gegen sie aufgebracht hatte. Die gezielten Provokationen der Bikergang. Je mehr davon sie berichtet, desto leichter fällt es ihr. Kaum ist es ausgesprochen, ist es nicht mehr so schlimm! Ihre Rage sinkt ab auf vier, durch die Gabe Calm. Verwundert blinzelt sie Echoing Tide an: „Meine Güte! Ich fühl' mich tatsächlich etwas leichter. Bringst Du mir bei, wie das geht?“
Er lässt sie los und klopft ihr auf die Schulter, „Die Geister werden es Dich lehren, wenn die Zeit reif ist! Bis dahin hast Du Deine Stammesgeschwister dafür. Komm', wir gehen weiter.“


Die drei Wanderer folgen der Geistererscheinung nach, und treten hinter ihr hinaus in eine Art Kellerraum. Jede Menge Kerzen und bunte, elektrische Lichter sind hier verteilt. Kunstvoll platzierte Spiegelscherben werfen deren Lichter hin und her. Zoe sieht sich desorientiert um, die Mondbrücke scheint auch hier hinter einer soliden Steinwand in die Unendlichkeit zu führen, als wäre ihre Existenz nur ein verblüffender Spiegeltrick.
Kratzige Stimmen lachen, heulen, und knurren durcheinander. Auch hier ertönen Trommelrythmen, aber diese werden mit Drumsticks produziert, auf einer alten Plastiktonne.
Eine Stimme übertönt die anderen: „Willkommen im Caern der Glitzernden Beute, Gaia-Kinder! Was schleppt Ihr uns an?“
„Habt dank! Ich bin Mirabelle, die Ranghöchste unter uns. … Was meint Ihr mit anschleppen?“
„Talens, Plunder, Frischfleisch, Manna, Stoff, Cash! Irgendwelche Güter, die Ihr am Start habt! Tribut, komm' schon, Sweetie, Tribut. Informationen tun's auch, wennse ordentlich saftig sind.“
Zoes Blick wandert etwas erschrocken umher. Die Knochenbeißer, die sich hier versammelt haben, sind ziemlich düster aussehende Gestalten, in stinkenden, abgerissenen Klamotten. Der Sprecher ist sehr gedrungen, sehr zäh, und natürlich sehr haarig, und hat eine echt häßliche Fresse, mit überbreitem Mund voller krummer Zähne, und ungleich großen Augen.
„Ich bin der Septen-Obermacker, klar?“, fügt er hinzu, „Jumps-The-Borderline, Adren der Knochenbeißer! Alles hier unten hört auf mein Kommando!“



Jumps-The-Borderline


Mirabelle und Elliot wechseln einen Blick, und der Philodox sagt, „Wir haben ein Paar Talens bei uns, die wir Euch anbieten können. Vor allem einige Pfeilspitzen für Plagentöter-Pfeile.“
„Das' alles?“, knurrt der Septenherr, „Ischa ganz schön mau!“
„Wie hätten wir denn beispielsweise Weberinnen-Bargeld durch die Umbra bringen sollen, Jumps-The-Borderline-rhya?“, fragt Echoing Tide.
„Noch nie was von Fetisch-Geldsäcken gehört, oder was? Hä?“, knurrt dieser, irgendwie gleichzeitig gut gelaunt und garstig.
Mirabelle sagt, „Wir haben Kunde mitzuteilen von den letzten Schachzügen des Feindes bei der Ostküste. Unser Rudel war tief darin verwickelt. Wir selbst haben das abtrünnige Rudel bekämpft, das sich dort gerade von Eurem Stamm abgewendet hat.“
„Bah, ja, die Verräterschweine“, sagt der Septenherr angepisst, aber er winkt ab, „Euren Kriegsbericht brauchen wa nicht, die Stillen Streicher war'n längst hier. Wir wissen schon alle Einzelheiten. Zeigt halt ma' her, Eure Talens, erstma drauf gucken.“

Zoe sieht sich verwirrt um, während die Ranghöheren über ihren kleinen Fetisch-Objekten brüten, den Talens, und murmelnd über sie verhandeln. Immer weitere Septenmitglieder kommen neugierig dazu gelaufen, durch mannshohe Stahlröhren, die in diesen Kellerraum führen, zu Fuß als Penner, oder auf vier Pfoten als gerupft aussehende, magere Wölfe.

Werden die Ranghöheren sich handelseinig? Leider nein, sagen die Orakelwürfel! Na, dann:

Die gierigen Kennerblicke der Septenmitglieder sind nicht erbaut über die vorgezeigten Talens.
„Ihr wollt uns wohl einen Streich spielen, wa?“, braust Jumps-The-Borderline auf, „Wo is'n überhaupt Euer Ragabash, der sollte doch wohl für Streiche zuständig sein! Mit'n paar ollen Talens woll'nse uns abspeisen, die schicken Herrschaften. Dafür, dasse unsere Brückenverbindung benutzen durften! Und womöglich habter auch nichts, was Ihr anbieten könnt für Eure Weiterreise? Soll'n wir den Ritus vonner Geöffneten Brücke für Euch durchführen für'n Appel und'n Ei, oder was!“, faucht er, richtig aufgebracht.

Da muss wohl ein Charisma+Überzeugen-Resultat her. Das übernimmt der Philodox, Echoing Tide. Er hat leider dank dieser Eröffnung auch schon ordentlich Rage aufgestaut! Trotz fünf roter Würfel kommt aber glücklicherweise kein Brutales Resultat, stattdessen erzielt er fünf Erfolge! Mirabelle hat vorhin offensichtlich nicht zu viel versprochen: Die Kinder Gaias sind hervorragende Verhandlungsführer. Elliot schlägt einen saloppen Tonfall an, und scheint den Knochenbeißern schon einmal ihre Befürchtung zu nehmen, die fremden Reisenden wollten hier von oben herab mit ihnen reden, oder sie gar herumkommandieren. Dann arbeiten sie gemeinsam einen Deal aus. So widerborstig sind sie ja doch nicht, die Knochenbeißer hier unten!

„… Was für ein Ort ist das hier denn?“, fragt Zoe in der Zwischenzeit leise Mirabelle, „ich dachte, die Mondbrücke führt nach Las Vegas!“
Die Theurgin raunt zurück, „Tut sie auch. Wir sind unter Vegas!“
Zoe begreift, dass dieses spezielle Caern halt nicht an einer majestätischen Bergflanke oder auf einer verwunschenen Insel liegt, sondern irgendwo unterirdisch. Sie muss an den Undersalt Market in Detroit zurückdenken.

Ein paar der anderen zerlumpten Septenmitglieder erklären der verdutzten Zoe ein paar der Details: Das alte Netzwerk von Fluttunnels zieht sich meilenweit unter Las Vegas dahin. Fledermäuse, Ratten, und Spinnen so groß wie Tennisbälle leben hier unten ebenfalls, und es besteht konstante Flutgefahr (weshalb die Bewohner ihre Campingzelte auf Bierkisten aufstellen, für den Fall, dass das Wasser steigt). Polizei-Razzien sind ebenfalls gefürchtet, aber tatsächlich wagen die Cops sich kaum mehr hier herunter, nachdem einige Knochenbeißer allzu harsch durchgegriffen haben, um ihre Blutsgeschwister zu beschützen. Irgendwo im Gewirr dieser Tunnels liegt das Caern der Glitzernden Beute.


Caern der Glitzernden Beute
Lage: Fluttunnels unter Las Vegas, Nevada
Rang: 3
Typ: Straßenwissen (Weisheit)
Caern-Totem: Die Große Schrotthalde
Stammesstruktur: Knochenbeißer, bedingt offen für Besucher von anderen Stämmen
Bevölkerung: Um die 15 Garou und fünf bis zehn Blutsgeschwister sind zu jeder Zeit vor Ort
Barriere-Wert: 3


Wie sieht denn der Deal aus, der mit der Knochenbeißer-Septe gemacht werden kann? Die Orakelwürfel sagen dazu, Hide Problem. Großartig, dazu weiß ich was:

Nachdem die Neuankömmlinge sich also alle drei den Knochenbeißern vorgestellt haben, und auch die meisten der anwesenden Septenmitglieder ihre Namen gesagt haben (Zoe kann sich so schnell nur wenige merken, in der bunt gemischten Fülle aus Stammesnamen, Spitznamen, Vorzeichen, Rangestiteln, und Septen-Ämtern), winkt der Anführer sie hinter sich her.
Sie laufen durch einige der metallenen Röhren, ihre Schritte hallen, unwirklich verzerrt. An einigen Stellen steht das Regenwasser knöcheltief.
„Braucht kein' Schiss zu haben, dass wer Euch sieht, hier ist noch einer der Bereiche, wo die Menschlinge nicht rein können. Nich' mal uns're Blutsgeschwister“, erklärt Jumps-The-Borderline in gedämpftem Ton.
„Hier leben auch Blutsgeschwister? … Und auch Normalos?“, fragt Zoe erstaunt.
„Sowas wie 300 Menschen nennen das hier ihr heimliches Zuhause“, sagt er, und hält inne, deutet hinauf: „Seht Ihr? Die Lichter da oben, durch den Regenablauf, das is' Las Vegas Boulevard. Die rennen da eifrig hin und her, und ha'm keinen Schimmer, dass wir hier unten sind! … Aber das is' nich' das, was ich Euch zeigen wollt'. Kommt, hier lang.“
Sie schleichen um eine Abzweigung, die vor einem schweren, rostverkrusteten Rundgitter endet.



„Die Drecksviecher haben das genau hier gemacht, genau an dieser Stelle, weilse genau wissen, dass wir das da nich' so leicht weg machen können. Aber dass wir's auf jeden Fall finden würden. Die kennen sich hier noch aus wie in ihrer Scheiß-Westentasche.“
Jenseits des Gitters sieht Zoe gar nichts, obwohl auch sie ihre Augen zu wölfischen Nachtaugen verwandelt hat. Nur ein paar Stahlpfeiler sind in den Boden und die Wände getrieben worden. Vermutlich mit Crinos-Stärke. Die Tunnelwand ist mit einem Wandbild beschmiert.
„Das ist übelste Blasphemie“, hört sie jedoch Echoing Tides in schauderhafter Stimme knurren, seine Zähne werden zu scharfen Fängen, und seine Augenbrauen werden buschig. Man hört ihm Wut und Abscheu an.
Zoe späht angestrengt. Das meterhohe Wandbild ist mit bräunlicher Farbe gemalt, und stellenweise mit etwas Scharfkantigem ins Metall gekratzt. Es sieht aus wie das Werk eines Wahnsinnigen. Dann erst realisiert sie, dass es eine Glyphe darstellt, so wie die archaischen Krallen-Glyphen, welche die Garou in ihren Caerns in viele der Oberflächen ritzen. Es wirkt wie eine komplizierte Spirale.
(Sie weiß nicht genau, was das zu bedeuten hat, aber das ominöse Gefühl gibt ihr einen der abgelegten Rage-Punkte zurück.)
„Der Feind ist hier! Direkt vor Eurer Tür! Wann ist das gemacht worden?“, grollt Mirabelles Stimme.
„Vor'n paar Nächten. Die Pfeiler war'n dafür da, um Köppe von welchen vonnen Menschlingen drauf aufzuspießen. Einer war unser Blutsbruder, Stupid Melvin! Die Köppe ha'm wir mittlerweile schon wech genommen. Aber man kann nur durche Penumbra da ran, und aufer annern Seite is' da alles voller Strukturspinnen. Immerhin sind wir hier inner Großstadt! Jeder Schritt is' riskant.“
„Heißt das, ein Angriff steht direkt bevor?“, knurrt Mirabelle.
„Oh nein, nicht schon wieder!“, entfährt es Zoe.
Jumps-The-Borderline antwortet, „Nee, das wüsst'n wir! Wir schicken all unsere Geister aus, die spionieren für uns. Das hier war noch keine Kriegserklärung, das war nur'n kleiner Gruß! Die woll'n uns nur Angst machen. Wir jagen die Drecks-Monster nieder, sobald die sich wieder ran wagen, das glaubt ma'. Aber … und das is' der springende Punkt: Keiner darf bisher davon was erfahren! Das is'n Problem, das erstma nich' bekannt gemacht werden darf!“
„Warum!“, fordert Echoing Tides zu wissen.
„Mann, Gaia-Kind, weil wa den Glaswandlern und Schattenherrschern oben inner Stadt versprochen hab'n, dass sowas nich' mehr passieren kann! Die fordern das Caern wieder von uns ein, wenn die das hören, dass Tänzer der Schwarzen Spirale hier rumschleichen!“
Mirabelle nickt, und sagt langsam, „Ich glaube, ich verstehe. Das Caern der Glitzernden Beute ging schon durch viele Hände. Die anderen Stämme würden es für ihre eigenen Zwecke nutzen wollen.“
Jumps-The-Borderline nickt ärgerlich, „Jau, und die brauchen nur den kleinsten Grund, es uns streitig zu machen! Wenn aber die Snobs da oben das hier unter ihre Kontrolle kriegen, dann wird aber Großreine gemacht! Dann verlieren aber ma' 300 Menschlinge auf ein' Schlag ihr Dach über'm Kopf! Von uns Knochenbeißern ganz zu schweigen.“

Sie kehren wortlos zurück ins Versammlungsareal des Caerns. Das ist ein großer Raum mit Wänden aus Mauerwerk, wo viele Camping- und Polstermöbel herumstehen, und an Feuerstellen gekocht und gebacken wird.
„Was also können wir für Euch tun?“, fragt dort Mirabelle leise.
„Kennter nich' die Vegas-Regel? ‚Was im Caern der Glitzernden Beute passiert, das bleibt im Caern der Glitzernden Beute!‘ Das' die Vegas-Regel.“
„Äh, die kenne ich so ähnlich“, hebt Zoe an zu widersprechen, aber beißt sich auf die Zunge. Sie sollte ja nicht klugscheißen.
„Aber gut, dassde fragst, Sweetie!“, fährt der Septenherr fort, „Als erstes heißt das, Ihr erzählt keinem wem von unser'm scheiß Problem. Nirgendwo. Wir kümmern uns da drum. Mit unsern beiden Rudeln und der ganzen Septe. Haben wir den Totems hoch und heilig geschworen! Is' aber unsere Sache. Geht die annern Stämme erst was an, wenn wir unsere ruhmreichen Jagdlieder davon in den Nevada-Nachthimmel rauf heulen. Klar?“
„Verstanden. Aber warum habt Ihr dann uns davon erzählt?“, fragt Elliot.
„Weil unsere Vorgänger hier unten ma‘ gute Verbündete war'n mit Eurer Septe in Vermont! Weil Ihr Gaia-Kinder 'n Ruf habt als Neutrale! Und weil Ihr Arschl— weil Ihr arschig-mittellos hier aufgekreuzt seid, ohne 'ne ordentliche Gegenleistung für die Durchquerung unseres Caerns anzubieten zu haben!“

Schalter:
Wir befragen das Orakel, was denn die Rolle der Besucher sein soll während dem nächsten Schachzug der Knochenbeißer? Guard Barrier sagen die Würfel; sehr cool, das ist geradeheraus:

„Morgen Nacht scheuchen wir se auf“, erklärt einer der räudigen Ahrouns aus der Septe, „Da brauchen wir dann zusätzliche Reißzähne! Euch! Wir hätten eigentlich 'n paar der jungen Glaswandler von oben aus der Stadt gefragt, die wir ganz gut kennen, aber Ihr seid besser, Ihr drei seid in das Kräfte-Gefüge von Vegas nicht verwickelt! Während wir den Feind hetzen, sind beide unserer Rudel beschäftigt. Es gibt aber eine bestimmte Stelle in den Fluttunnels, die ins Caern führt. Und da die Wyrmbrut es mal zwei Jahre lang selber beherrscht hat, kennen sie die natürlich auch! Könnt' deshalb sein, dass welche von denen morgen Nacht da ihr Glück versuchen! Ihr müsst da die Stellung halten!“
„Seiter dabei?“, will Jumps-The-Borderline wissen.
Mirabelle nickt sofort, und Elliot bestätigt seinerseits, „‚Bekämpfe den Wyrm, wo immer er haust und wann immer er sich zeigt!‘ ... Außerdem haben wir hier eine junge Ahroun als Mitreisende, die nicht weiß, wohin mit ihrer Wut!“
Zoe sieht ihn an, und nickt dann determiniert.


Es gibt einen farblosen, wässerigen Matsch aus Reis und Gemüseresten zu essen, aber immerhin ist genug davon für alle in der Septe da. Zoe sieht sich im Versammlungsraum um, die abgerissenen Menschen balgen und knuffen sich zwar ordentlich bei der Essensausgabe, aber tatsächlich scheint es ihnen immens wichtig zu sein, dass alle was zu Essen abkriegen, und alle gleich viel haben. Als wäre das ihre heimliche, größte Tugend. Das findet sie irgendwie rührend. Schon schmeckt die restliche Pampe ein bisschen besser.
Mirabelle und Elliot lassen sich gerade Pläne der Katakomben zeigen, einer der Knochenbeißer hat sie auf dem Camping-Klapptisch zwischen ihnen ausgebreitet.
„Wer sind das, diese Tänzer der Schwarzen Spirale?“, fragt sie.
Mirabelle sieht sie schweigend an.
Zögerlich fragt Zoe weiter, „Dieser angeheuerte Werwolf, der in der Casco Bay den Pfadstein gestohlen hat … der gehörte doch auch zu denen, oder? Der Feind hat einen eigenen Werwolf-Stamm!“
Mirabelle sagt, „Ich habe ja gesagt, die Garou-Nation ist um die Jahrtausendwende gesplittert. Erinnerst Du Dich?“
Zoe nickt.
„Ein paar Stämme aber sind schon früher aus der Garou-Nation verschwunden. Einige sind ausgerottet worden. Einer ist gefallen.“
„Gefallen?“
„Einst waren sie die Weißen Heuler, blutsverwandt mit den Pikten der schottischen Highlands. Leidenschaftlich wie die Fianna, edel wie die Silberfänge, mächtig wie das Gezücht des Fenris. So heißt es zumindest. Dann haben sie sich allesamt nach Malfeas hinab begeben, um den Wyrm in seinem eigenen Höllenloch zu stellen, und das Böse aus dem Universum zu tilgen.“
Zoe erschaudert, „Offensichtlich hat das wohl nicht geklappt, was?“
„Sie sind nie zurückgekehrt. Was aber zurückgekehrt ist, ist der Stamm der Tänzer der Schwarzen Spirale. Wer ihrem Stamm beitritt, den ergreift der Wahnsinn ebenfalls. Sie verachten das Wylde und spotten der Weberin. Ihr Meister ist der Wyrm.“
„Aber ... aber es gibt doch zwölf andere Stämme! Auf der ganzen Welt verstreut, nicht? Könnten wir uns nicht alle zusammentun, um die Verräter platt zu machen?“
„Und seit der Industrialisierung ist der Wyrm die stärkste Macht von den dreien geworden. Damit sind auch seine Bastarde der zahlenmäßig überlegene Stamm. Und leider sind alle anderen Stämme untereinander zerstritten. Nun, das ist der Punkt, wo wir gefragt sind, als die Vermittler der Garou-Nation.“
„Boah, kompliziert. Kylah hat gesagt, es gibt so eine Art Weltverschwörung! Wann bekomme ich davon erzählt?“
„Erst in der Septe des Westlichen Auges. Es wurde schon viel zu viel überstürzt bei Deiner Ausbildung, Zoe.“
„Aber morgen Nacht müssen wir gegen die kämpfen!“
Mirabelle hebt die Hand, „Das ist noch nicht einmal gesagt. Wir halten die Stellung, die die Knochenbeißer uns zuweisen, nicht mehr, nicht weniger. Hinterher reisen wir über die neue Mondbrücke weiter, wie ausgehandelt. Und dann endlich werden all Deine Fragen beantwortet werden.“

Übernachtet wird in verlassenen Zelten in einigen der leerstehenden Räume. Überall liegt gehorteter Plunder, Unrat, zurückgelassene Habseligkeiten. Und beim näheren Hinsehen ist zu entdecken, dass all dieses Zeug dekoriert ist mit winzigen, handgeschnitzten Tierfigürchen, kunstvoll arrangierten Fundstücken, Kerzen, und Lämpchen, als wäre den Septenbewohnern alles um sie her heilig, sogar der Unrat. Zoe kommt nicht umhin, erneut über die Knochenbeißer zu staunen. Wenn nur nicht der Geruch wäre.


In der darauffolgenden Nacht ist die gesamte Septe der Glitzernden Beute in heller Aufruhr. Alle hasten durcheinander, packen ihren Plunder, warten ihre Waffen, brüten über Lageplänen, beten zu ihren Totems, zanken sich untereinander, jaulen und zetern, und fallen sich versöhnlich wieder in die Arme. Ein Drittel der Septenbewohner bleibt hier, als letzte Defensivlinie für den Fall, das alles zur Hölle geht draußen in den Tunnels. Die beiden Rudel haben die Hinweise ihrer vielen ausgeschickten Geister zusammengesetzt, und schwören dem Septenherren grimmig, die Feinde auszuschnüffeln und niederzujagen. Die Luft ist dick vor Anspannung.


Wenige Stunden später kauern die drei Kinder Gaias in einer der Tunnelröhren, direkt vor einem Rundgitter. Dies ist ein geheimer Seiteneingang zum Caerngelände, haben die Knochenbeißer ihnen erklärt, die Obdachlosen außerhalb des Heiligtums kennen den nicht, aber die Tänzer der Schwarzen Spirale werden ihn auskundschaftet haben, als sie vorletztes Jahr das Caern zwischendurch für sich erobert hatten. Sie bekommen für diese Tat schon einmal einen Punkt Ehre. (Yay, mein erster im Spiel gesammelter temporärer Ansehen-Punkt!)

Garou-Glyphen sind in das Gittertor eingekratzt, und mehrere kleine Talismane hängen davon herab. Das ganze Ding ist ein Fetisch, unmöglich zu knacken durch Dietriche, Flex-Sägen, oder magische Tricks! Nur wer den Schlüssel verwendet, kann hier hindurch (da der Schlüssel auch ein Fetisch ist), derzeit trägt Mirabelle diesen.

Was also sagen die Orakelwürfel zu dieser Szene? Uncover Greed. Atmosphärisch. Bedeutet das, dass jemand vom Stamm der Knochenbeißer durch Habgier auf die Seite des Feindes gezogen worden ist? Diese Vermutung bestätigen die Orakelwürfel.

Das Scharren von krallenbewehrten Wolfspfoten auf metallenen Rohren ist mal von hier und mal von da zu hören. Scheinbar ist es den Knochenbeißer-Rudeln tatsächlich gelungen, das Rudel der Spiraltänzer einzukesseln? Eine gnadenlose Hetzjagd scheint stattzufinden, irgendwo in dem verlassenen Tunnelsystem ... Hoffentlich nur durch die unbewohnten Sektionen. Und wer genau sind die Gejagten, wer die Jäger? Das Echo trägt die Geräusche meilenweit, gedämpft und verzerrt. Zoe zittert vor Anspannung, sie bekommt einen Rage-Punkt und hat nun wieder ihre vollen sechs roten Würfel.

Plötzlich biegt eine einzelne Gestalt vor den drei Wächtern um die Ecke, und steht schwer atmend in dem Tunnel. Zoe erschreckt, aber ihr Gegenüber erschreckt noch viel mehr, denn er blickt ja hier in drei Paar reflektierende Wolfsaugen in menschlichen Umrissen!

Was ist das denn für einer? Confident Warrior who wants to Travel to a Place, entscheiden die Orakelwürfel. Außerdem ist das kein vereinzelter Werwolf, sondern einer der Knochenbeißer-Blutsbrüder.

„Schnell, lasst mich durch, lasst mich da rein!“, keucht der, als er näher rennt, „Ich hab‘ den Anschluss an meine Verwandten verloren! Ich muss zurück ins Caern, hier draußen machen die mich kalt, wenn ich allein hier rumlaufe!“
Das klingt plausibel, also müssen die Garou Wahrnehmung+Empathie würfeln zum Durchschauen.
„Da stimmt doch irgendwas nicht“, knurrt Zoe, ihre Stimme klingt guttural und bedrohlich.
Das wiederum gibt dem Philodox Grund, seine Gabe Truth of Gaia zu verwenden. „Ist das auch die Wahrheit?“, fragt Echoing Tide streng, und schnuppert wölfisch in die Richtung seines Gegenübers.
„Ich bin einer der Krieger der Septe, auch wenn ich nur Blutsbruder bin! Macht das verdammte Tor auf!“
„Aber sprichst Du die Wahrheit, wenn Du sagst, Du habest unabsichtlich Anschluss an Deine Verwandten verloren!“
„Natürlich! Hör' auf mit Deinen Spielchen, Mann! Aufmachen!“, gehetzt sieht er sich um.
Echoing Tide würfelt für seine Gabe, drei Erfolge:
„Du lügst“, sagt er kalt, „Was führst Du wirklich im Schilde?“
„Mann, die sind wahrscheinlich direkt hinter mir! Die häuten mich lebendig!“, schreit der Typ, rüttelt wie wild an den Gittern.
„Das war nicht gelogen!“, knurrt der Philodox, „Da sind wirklich welche hinter dem her. Macht Euch kampfbereit!“

Den Verräter zu überführen bringt zwei Punkte Weisheit. Natürlich sind die Kinder Gaias zu barmherzig, als dass sie ihm als Lohn für seinen Verrat gönnen würden, von den aufholenden Schwarzen Spiralen in Fetzen gerissen zu werden. Also muss Mirabelle hastig das Tor aufschließen, und es hinter dem Typen wieder zuwerfen! Der aber hat sein Stemmeisen dabei, um das in das Scharnier des Tors zu rammen, um es offen zu halten, was dann seinen widerlichen Verbündeten die Extra-Sekunden erkauft, um es zu stürmen!
Als er das versucht, übernehmen Zoes Instinkte die Kontrolle über sie, sie brät dem großen Kerl eins mit einem schweren Stuhlbein über, das sie aus einem der Unrathaufen hat. Benommen bleibt der Lulatsch liegen. Mirabelle bekommt im letzten Moment das Tor wieder abgeschlossen, als die beiden kreischenden Bestien mit grünlich schwarzem Fell ihre Position erreichen!



Tänzer der Schwarzen Spirale


Spiraltänzer-Infiltratoren
Alter: 23/26; Stamm: Tänzer der Schwarzen Spirale; Vorzeichen: Ragabash; Blut: Garou ; Aufzucht: Homid
Attribute: Geschick 3, Konstitution (Zähigkeit) 4, Stärke 3, Charisma 2, Erscheinungsbild 1, Manipulation (Teuflische Einflüsterungen) 4, Geistesschärfe 3, Intelligenz 3, Wahrnehmung 3
Fertigkeiten: Athletik 3, Aufmerksamkeit 3, Ausdruck 2, Ausweichen 3, Einschüchtern (Todesdrohungen) 4, Empathie 2, Handgemenge 3, Überzeugen 3, Ur-Instinkt 2; Heimlichkeit (in Homid-Form) 4, Nahkampf 3, Überleben 2; Etikette 2, Okkultismus 1, Nachforschung 2, Zurechtfinden 3.
Hintergründe: Alliierte (Werwölfe in Las Vegas) 3, Blutsgeschwister 2, Kontakte (Verbrechersyndikate in Las Vegas) 2, Ressourcen 1
Gnosis: 3
Rage: 3
Willenskraft: 5
Gaben: Blur of the Milky Eye, Smell of Man, Rathead
Ausrüstung: Silbermesser


Diese beiden sind die Omegas des Spiralen-Rudels, und somit die schwächsten. Sie führen hier ihren Backup-Plan durch, um in die Septe einzudringen und zu spionieren. Sie sind beide Ragabash, und teilen dasselbe Profil.

Runde 1: Die Spiraltänzer kriegen die Initiative, da sie den Überfall durchführen. Der eine fletscht geifernd die Fänge und messert blitzschnell Zoe. Er macht entsetzliche acht Level Schaden mit seiner Klinge, von denen sie aber vier absorbiert bekommt. Ihre Gesichtshälfte qualmt leicht, und eisiger Schmerz durchzuckt sie: Das Messer, das der Crinos-Gegner ihr über die Schläfe gezogen hat, ist aus Silber! (Wäre sie nicht noch in Homid-Form, hätte sie nicht einmal zum Absorbieren würfeln können!) Der andere Angreifer beißt Mirabelle in die Seite, und sie nimmt zwei Wundlevel hin.
Zoes klaffende Schnittwunde an der Schläfe beginnt wieder langsam zuzuwachsen; schreiend vor Schmerz nimmt sie ihre Glabro-Form an, hebt ihre krallenbewehrten Pranken defensiv.
„Silber! Entwaffnet sie!“, ruft Echoing Tide, packt die Pranke von dem einen Monster. Mirabelle versucht sich zu verwandeln, aber nur ihre Venen schwellen an und ihre Fänge wachsen.
Dann aktivieren die eingesetzten Rage-Aktionen: Der eine Ragabash lacht gurgelnd, und vergräbt seine Fangzähne in Zoes Schulter, macht diesmal sieben Wundlevel. Von denen kassiert sie nach dem Absorbieren noch drei, und ist jetzt auf sechs insgesamt, das bedeutet wohl bald erstmal gute Nacht. Mirabelle verwandelt sich in ihre schwarzweiße Crinos-Gestalt, und beißt dem Spiralänzer in den Waffenarm, oberhalb der Stelle, die Elliot festhält, für drei Level Verheerenden Schaden. Zoe gibt einen Rage-Punkt aus, um eine Runde lang ihren heftigen-5-Wundabzug zu ignorieren, und sie tut es der Leitwölfin gleich bei ihrem Gegenüber, aber dieses absorbiert allen Schaden.
Der Tänzer reißt seinen Arm von Elliot und Mirabelle los, holt rasend schnell aus, und rammt Mirabelle das Silbermesser in den Oberschenkel ihrer Crinos-Gestalt. Da sie nun verwandelt ist, kann sie nicht den Silber-Schaden absorbieren! Sie nimmt fünf Wundlevel hin, und ihr Fleisch qualmt wie versengt! Damit hat sie nur noch das achte Extra-Wundlevel durch ihre Crinos-Form (Hausregel), bevor sie kampfunfähig wird.
Zoe hat noch eine Rage-Aktion, ihre Verwandlung schreitet fort in Crinos-Gestalt, ihre Klauen zucken über die Körpermitte des Gegners, und reißen tiefe Wunden, er nimmt fünf Wundlevel. Elliot geht ebenfalls in Crinos-Form und sein Biss fügt seinem Gegenüber ein Wundlevel zu.

Runde 2: Der eine Ragabash sticht Mirabelle mit seinem blutigen, qualmenden Silbermesser in den Rücken, und sie fällt zu Boden, kampfunfähig. Sein heiseres Triumphgeheul ertönt gespenstisch. Der andere Tänzer holt sich gierig sofort mit seinen Fängen den Schlüssel für das Tor, den sie immer noch in der Hand gehalten hat — mitsamt Mirabelles Hand! Blut spritzt signalrot durch den Tunnel. „Neeeinn!“, brüllt Zoe fassungslos heraus, und beißt dem Ragabash in den Nacken, spürt seine Wirbel knacken und krachen, drei weitere Wundlevel machen ihn kampfunfähig. Elliots Klauen verpassen dem anderen ein weiteres Wundlevel.
Dann sind die Rage-Aktionen wieder dran: Zoes kommen beide zuerst, sie macht mit einem Hinterlauf einen Schritt vorwärts, ins Genick des niedergestreckten Gegners (noch während dieser dabei ist, in seine Homid-Gestalt zusammenzuschrumpfen), und ihre Krallen ziehen erneut Blut, drei weitere Wundlevel für den verbleibenden Spiraltänzer. Echoing Tide schlitzt dem Feind von der anderen Seite her den Torso mit den Krallen auf, und stinkende Eingewide klatschen auf den metallenen Boden.

In dem Moment hört die Wut auf, Zoes Schmerzen zu unterdrücken, und sie taumelt zurück, kracht mit dem Rücken gegen das verteidigte Gittertor, sinkt kraftlos daran herab. Aber ihr blutüberströmter Leib ist bereits dabei, sich zu regenerieren, sie spürt, wie ihr zerkratztes Gewebe an der Schläfe weiter nachwächst, Muskelstränge und Hautschichten sich überall in ihr neu bilden. Benebelt sieht sie dabei zu, wie Echoing Tide den blutigen Stumpf abschnürt, der bisher Mirabelles linke Hand war! Mit zitterigen Fingern bekommt er die Blutung gestoppt. Die gekillten Angreifer haben sich zu zwei brutal aussehenden jungen Männern zurückverwandelt, blassgesichtig und narbenübersät.

Das war ein teuer erkaufter Sieg, er hat nur einen Mitstreiter gekostet! Alle drei Charaktere bekommen Ehre und Ruhm für die Verteidigung des Caern und den Sieg über die Infiltratoren.

Die beiden Knochenbeißer-Rudel haben mehrere weitere der Tänzer der Schwarzen Spirale erwischen und reißen können. Im Versammlungsareal erfahren Zoe und Elliot, was sich zugetragen hat.

Was passiert im Nachhinein der Aufruhr? Defy Trade, sagen dazu die Orakelwürfel. Da muss es um den Handel gehen, den die Kinder Gaias mit dem Septenherren gemacht haben. Heißt das, Jumps-The-Borderline wurde bei der Jagd verletzt? Die Orakelwürfel bestätigen dies, mit Pasch, er wurde also sogar in Stücke gerissen von den scheinbar Gejagten.

Ein neuer Septenanführer wird jetzt erwählt werden müssen — und bis das nicht geschehen ist, weigert der Zeremonienmeister der Septe sich schlicht, eine Mondbrücke zu öffnen! Diesen Handel hatte Jumps-The-Borderline mit den Fremden gemacht, und der ist tot, und der Zeremonienmeister war von vornherein dagegen gewesen!
„… Eure persönlichen Händel mit Jumps-The-Borderline sind mit ihm gestorben!“, raunzt der alte Knochenbeißer, und damit ist diese Diskussion beendet.

Die Heilerinnen der Septe kümmern sich jedoch bereitwillig auch um Mirabelle, sie ist eine von vielen Verletzten. Zoes Messerwunde ist mittlerweile ganz verheilt, aber sie spürt immer noch die Eiseskälte der Silberklinge. Die Wunden von Klauen und Fängen werden sorgfältig gereinigt, die werden länger brauchen, mehrere Tage. Der Ritus der Reinigung wird über alle an den Kämpfen Beteiligten ausgesprochen, um sie von der Verderbtheit der Spiraltänzer zu befreien.

Mirabelle wird überleben, sagen am Ende der Nacht die Heilerinnen der Septe. Sie wird warten müssen, bis ihre Hand nachgewachsen ist, das wird schmerzhaft, und schlimme Narben werden bleiben. Aber binnen einer Woche wird sie wieder regeneriert sein. Zoe fällt ein Stein vom Herzen. Selbst wenn sie nun von Las Vegas aus trampen müssen nach San Francisco — Hauptsache, sie sind noch alle drei zusammen.

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