Autor Thema: Die Apokalypse überleben im Rechenzentrum  (Gelesen 372 mal)

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Offline sma

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Die Apokalypse überleben im Rechenzentrum
« am: 4.01.2025 | 11:58 »
[ich hatte spaßeshalber etwas recherchiert, das ist so mehr ein Faktendump ohne klare Linie, aber vielleicht ja trotzdem für wen interessant]

Das Tahoe Reno Hyperscale Rechenzentrum in Nevada (Storey County) ist eines der modernsten seiner Art. Lasst mich ein Bild für's Rollenspiel malen, wie man dies als Schauplatz für ein postapokalyptisches Setting nutzen könnte.

Das Rechenzentrum hat eine autarke Wasser- und Stromversorgung.

Angeschlossen an eine 700 MWp PV- und Windkraft-Anlage auf 7 qkm Fläche (die größte in den USA mit 1,5 TWh Jahresproduktion) ist es unabhängig von den fünf Gas und Diesel verbrennenden Kraftwerken (900 MW) des Industrieparks. Batterien (von Tesla) puffern 1 GWh an Energie für die Nacht, täglich werden 3-4 GWh Solarstrom produziert.

Das Kühlwasser aus eigener Quelle wird recycled und einmal pro Jahr aufgefrischt. Ein Reservoir von 600m×300m hält 500 Mio L Wasser.

Die ~700.000 qm Nutzfläche in mehreren Hallen, ist von zwei 5m hohen Stahlbeton Mauern mit einer "Todeszone" dazwischen umgeben und wird vom bewaffnetem Werkschutz überwacht, der 24/7 on-site ist. Ich postuliere, die gepanzerten SUVs sind elektrisch betrieben. Ein massives Rolltor versperrt den Eingang. Dessen Türme sehen aus, als fehlte dort noch ein Maschinengewehr.

Innerhalb der 12m hohen Hallen, deren doppelte Stahldecken einem Sportflugzeugabsturz standhalten, stehen endlose Reihen von Rechnern in durch massive Gitterkonstruktionen unterteilten Sektionen, die von 4m breiten Gängen unterbrochen sind, in denen Elektrofahrzeuge unterwegs sind. Unter der Decke hängen personengroße Lüftungsrohre und Kabelschächte, verbunden mit Wartungsbrücken. Endlose Meter an Kabel verbinden Rechner mit der Außenwelt. Roboterarme können von oben abgesenkt werden, um Reparaturen vorzunehmen, ohne das Techniker vor Ort sein müssen. Die Luft ist trocken und kühl. Die Lüfter der Netzteile und [CGN]PUs sorgen für einen monotonen Lärmpegel, der sich in der größe der Halle verliert. Moderne Hochleistungsrechner, die direkt an die DC-Stromversorgung angeschlossen und lüfterlos sind, blinken gespenstisch. Alles ist sauber, staubfrei, praktisch, unpersönlich. Die Hallen können mit CO2 zur Feuerbekämpfung geflutet werden. Nach außen gibt es normale Sprenkleranlagen. Dort stehen riesige Batterien, die bei Stromausfall das Rechenzentrum versorgen. Ich schätze ihre Größe auf 100 MWh. Garantiert gibt es auch Dieselgeneratoren. Jede Sektion ist dabei unabhängig von allen anderen. Ein signifikanter Teil jeder Halle (2000 qm) besteht aus der industriellen Kühlanlage (10MW Leistung) mit Kompressoren, Kondensatoren und Wärmetauschern und hochgiftiger Kühlflüssigkeit.

Die Anlage hat den Spitznamen "The Citadel" (die anderen vier heißen The Core, The Rock, The Keep und The Pyramid).

Ich habe nicht nachgeschaut, weil Google Maps nur ein unscharfes Bild hat, wo alles noch in Bau ist und das Rechenzentrum auf der Straßenkarte einfach fehlt, aber ich sage jetzt einfach mal, auf dem Gelände stehen sieben Hallen á 100.000 qm.

Sagen wir weiterhin, dass wir in so einer Halle die Rechnerschränke rausreißen können und so 50% Fläche durch Wohnraum ersetzen und jede Person 10qm bekommt, könnten dort 5000 (10.000) Leute überleben (wenn wir noch eine zweite Decke einziehen). Einfach um ein Gefühl für die Größe zu bekommen.

Da Energie keine Rolle spielt, kann man Nahrung mittels vertikaler Landwirtschaft hydroponisch anbauen. Dediziert man eine Halle dafür, schätzt ChatGPT, dass man jährlich 20.000t Gemüse auf 50.000 qm in 8 Ebenen Ertrag bekommt (wahrscheinlich fehlt es aber an Dünger, ich bin kein Experte und weiß nicht, ob die Bewohner genug scheißen, um das nutzen zu können). Bei 200kg Gemüse pro Jahr pro Person, würde das für 100.000 Personen reichen, wobei wir nur 30.000 (60.000) unterbringen können (und eigentlich noch weniger, weil man ja auch noch Gemeinschaftsflächen haben will um nicht irrsinnig zu werden - andererseits kann man sich vielleicht auch draußen aufhalten und auch dort noch Schelter bauen). Jedenfalls könnte man innerhalb der Hallen Landwirtschaft auch über den Eigenbedarf hinaus betreiben.

Missionen ins Umland sollten jedes E-Auto und eigentlich alle E-Geräte in der Nähe zu bergen und nutzbar machen.

In der Nähe befinden sich Fulfillment-Center von Walmart, Home Depot und PetSmart (wo die größte Herausforderung ist, Dinge aus den über 10m hohen Hochregalen herauszuholen. Gefährliche Kletterpartien, wenn kein Strom vorhanden ist. Zudem muss man natürlich erst mal das gewünschte in den gleichförmig aussehenden Containern finden) und Teslas Gigafactory 1 (die machen Batterien) sowie ein Forschungszentrum von Tesla. Die Gigafactory ist übrigens nochmal größer als eine Halle des Rechenzentrums und laut Maps ist das gesamte Dach mit Solarzellen vollgepackt. Zudem arbeiten dort 3000 Leute, die mehrheitlich per Elektrofahrzeug zur Arbeit kommen. Google hat dort auch noch ein Rechenzentrum (hat $600 Mio gekostet), wo man aber wenig Infos drüber findet, weil Google Maps das ebenfalls nicht zeigt (aus den Grundflächen schätze ich ca. 20.000 qm, also deutlich kleiner). Und wie kann es in den USA anders sein, direkt über der Citadel ist eine Waffenfabrik (US Ordnance), die lt. Webseite Maschinengewehre herstellt.

Selbst wenn niemand mehr da ist, der die Rechenleistung braucht, kann man in der Citadel Unterschlupf finden und relativ bequem überleben und sich z.B. der Aufgabe widmen, die Wikipedia auf Stein zu verschriftlichen, für den Fall, dass das Wissen der Menschheit von späteren Generationen gebraucht wird und der Strom doch irgendwann ausfällt oder die Geräte verschleißen. Schafft man es, auch die Lagerhäuser zu verteidigen, hat man Vorräte aller Art, insbesondere auch Baumaterial – und Tierfutter.

Da die Depots hochautomatisiert sind und weil Tesla der größte Arbeitgeber ist, ist die Dichte an Ingenieuren und Technikern hoch. Wer die Apokalypse kommen sieht und rechtzeitig mit seiner Familie in ein gut zu verteidigendes Rechenzentrum zieht, hat daher gute Chancen. Dort kann man die Zivilisation aufrecht erhalten.

Wenn man nicht Mengen an Leuten aufnehmen will, wird es daher eher leer und verlassen aussehen, mit einzelnen Zelten oder Schlafgelegenheiten (von Home Depot) zwischen Rechnern, die immer noch laufen, weil sich niemand die Mühe gemacht hat, sie abzuschalten. Vielleicht hält man dort einfach aus, egoistisch zerstritten wie in US-Fernsehserien. Oder man plant, so viele Leute und Ressourcen zu retten wir möglich und mit den Möglichkeiten des drittgrößten Industrieparks der Welt einen Neuanfang zu wagen.

Vielleicht lebt im Rechenzentrum auch eine erwachte KI, die überlebenden Menschen hilft, um nicht selbst zu sterben, da Musk wie üblich bei seinen Optimus-Robotern maßlos übertrieben hat - um nicht zu sagen, wie üblich gelogen hat - was deren Fähigkeiten angeht und so die KI nur einen Figure 02 Roboter als Avatar hat und auf menschliche Hilfe angewiesen ist. Mindestens mal, um weitere Roboter in Serie zu produzieren, deren Hardware im Tesla R&D vorhanden sein könnte.

Vielleicht ist sie auch interessiert, ob Splitter ihrer Persönlichkeit in den anderen Rechenzentren existieren oder ob dies nun Individuen geworden sind – die abgeschaltet werden müssen – oder gerettet. Das wäre ein Roadtripp durch die gesamte USA.

Wahrscheinlich zieht der Ort auch andere an, die dort looten wollen. Wie verteidigt man daher die Zufahrtstraße von Reno aus, das ca. 40 km entfernt ist? Zugänge verbarrikadieren? Cybertrucks bewaffnen?

Südlich liegt Silver Springs (ebenfalls ca. 40 km entfernt), wo es ein großes Naturschutzgebiet mit ein bisschen Wald und Seen gibt. Hier könnte man Holz abbauen (bzw. einfach die große Holzfabrik dort plündern) und zusätzliche Nahrung gewinnen.

Ansonsten scheint das Gelände relativ bergig und unbewohnt zu sein. Straßen gibt es jedenfalls keine. Es wirkt karg und trocken. Grassland mit vereinzelten Bäumen und wenig Schatten.

PS: In meiner Vorstellung wäre im Rollenspiel die PV-Anlage mit endlosen Reihen an silbrig-blau schimmernden Solarpanelen direkt vor Ort, in Realiter scheint die aber sonstwo zu stehen und man verrechnet die produzierte Energie einfach, die tatsächlich von den konventionellen Kraftwerken vor Ort erzeugt wird. Diese würden in nach einer Apokaplyse natürlich von steten Brennstoff-Lieferungen abhängig sein und daher eher ausfallen als Solar- und Windkraft.

Fulko

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Re: Die Apokalypse überleben im Rechenzentrum
« Antwort #1 am: 4.01.2025 | 12:30 »
Ha ha, sehr schick! Jetzt fehlt nur noch der passende Lageplan. Mag sich da jemand ransetzen?

Online Managarmr

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Re: Die Apokalypse überleben im Rechenzentrum
« Antwort #2 am: 4.01.2025 | 12:57 »
Wobei das mit abgeschlossenen Hydroponic Anlagen nicht so einfach ist wie man sich das gerne vorstellt.
Spinnmilben und andere Schädlinge können ziemliche Katastrophen werden. Braucht also Hydroponic Experten.
Was für Rollenspiel auch interessant sein kann: Wer ist/sind dies?
Weltfremde Idealist(in), Autist(in), normal (aber machtgeile Fraktion will die Person und damit die Anlage kontrollieren), Münchhausen Syndromperson, selbst das machtgeile A-loch?

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Alfons V. von Aragonien

Offline sma

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Re: Die Apokalypse überleben im Rechenzentrum
« Antwort #3 am: 4.01.2025 | 13:34 »
Ha ha, sehr schick! Jetzt fehlt nur noch der passende Lageplan. Mag sich da jemand ransetzen?
Eine Karte vom Storey County und dem Industriegebiet findet du natürlich bei Google, The Citadell fehlt dort aber und ich habe gerade noch mal bei Openstreetmap schaut, da gibt es wenigstens einen großen Blob. Ich habe mich bei den Größenangaben auf der Webseite des Betreibers orientiert und möglicherweise ist das noch gar nicht fertig gebaut oder ich habe Grundstücksgröße und Hallengröße verwechselt. Die erste Halle ist jedenfalls ca. 120m x 750m groß, dann kommen zwei Kraft- oder Umspannwerke (rate ich, denn OS zeigt die Stromleitungen) und dann nochmal eine etwas kleinere Halle. Der Rest ist wie gesagt nur ein Blob.

Aber man kann sich ja mal überlegen, wie viel Tiernahrung man auf 250m x 520m Fläche (130.000qm) lagern kann. Anhand der Türen schätze ich die Halle auch auf mindestens 12m Höhe. Zum Vergleich: ein deutscher IKEA ist etwa 60.000 qm groß.

Die Gigafactory-Halle überdeckt ~300.000 qm und ist beeindruckende 22m hoch.


Offline geminisatorius

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Re: Die Apokalypse überleben im Rechenzentrum
« Antwort #4 am: 8.01.2025 | 13:56 »
Diese Kurzgeschichte von Cory Doctorow (2006) behandelt dieses Thema stimmungsmäßig und nebenbei werden viele technische, emotionale und soziale Details und Probleme angerissen und das alles vor realistischem Hintergrund. Quasi eine Hintergrundband zu "Die Apokalypse überleben - im Rechenzentrum".

"Als Sysadmins die Erde beherrschten" - übersetzt auf Deutsch, das Orginial ist leicht aufzufinden:

https://craphound.com/als-sysadmins-die-erde-beherrschten/

Offline sma

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Re: Die Apokalypse überleben im Rechenzentrum
« Antwort #5 am: 8.01.2025 | 16:35 »
Tolle Story. Danke.