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[Changeling: The Dreaming | Ironsworn] Dunkelblaue Teestunde der Seele
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Til wird von zweien der Ritter die Treppen hinunter geleitet, Marlies immer noch auf dem Arm, die Vollrüstungen klirren mächtig, während alle eilig die Stufen hinab joggen.
„Wie kommt Ihr hierher, Marlies?“, fragt Til im Laufen, mit ihr redet er natürlich wieder Gälisch, „Mit Zusjes Wunschring?“
„M-hm! Machen wir immer so, alles, was sie kann, hat sie von mir!“
Marlies scheint ja auch diesmal weniger zwanghaft zu lügen als Til und Fürst Ūrohso es tun — aber auf direkte Fragen mit der völligen Wahrheit antworten, das kann auch sie nicht.
„So ein Zufall! … Ich meine … dass Ihr beide am selben Tag anreisen würdet wie ich, nur wenige Stunden später, was sag‘ ich, quasi nur eine halbe Stunde später!“
„Das ist doch kein Zufall!“
„Was, ist es nicht?!“
„Doch, doch, alles Zufall. Nee, Til, das Träumen ruft uns doch zusammen.“
„Also willst Du mir sagen … da steckt schlicht das Schicksal dahinter, dass wir aufeinander treffen.“
„Nee, nicht irgendein Schicksal! Das Träumen! Erinnere Dich!“
„Ich hab‘ doch schon erklärt … das kann ich irgendwie nicht!“
„Dein Gedenken kommt bestimmt zurück.“
„Diese Traum-Mächte hätten uns auch gleich zusammenbringen können, wenn das stimmt, dass die das wollen. ... Ich war auf ziemlich vielen Irrfahrten mittlerweile!“
„Was glaubst Du, wie oft wir schon beim Schloss waren, meine Zusje und ich, und jedes Mal gehofft haben, dass Ihr anderen beiden dort erscheint! Immer wieder, nix und wieder nix!“
„Verstehe … Na, immerhin sind wir diesmal drei von vieren, nicht wahr? Das ist doch schon mal ein ganz guter Schnitt. … Jetzt dürfen wir uns nur nicht von irgendwelchen Spionen aus dem Wunderland auseinander treiben lassen!“
Damit verlassen sie das Treppenhaus, und joggen durch einen sonnigen Hof, zu einem kleineren Ausgangstor. Hinter dem führen gemeißelte Steinstufen hinab, auf die weite Ebene. Marlies deutet aufgeregt in die Richtung, in die Fuchur mit Atréju und Zusje verschwunden ist. Die Ritter salutieren, und wünschen auf Altdeutsch Glück. Til nickt ihnen höfisch zu, dann lässt er die sieben Kleinen Bunnies in seinen Rucksack hüpfen, und nimmt Marlies wieder auf den Arm.
Ein Wurf auf Wayfare+Fae beschleunigt Til, und von golden glitzernden Geschwindigkeitslinien verfolgt, schießt er in die angezeigte Richtung über die Ebene dahin!
… Immer ein paar Sekunden lang, dann muss er den Zauber erneuern. Aus der Ferne betrachtet muss das so aussehen, wie ein heller Punkt, der immer wieder dahinjagt, und dann wieder inne hält, wie unschlüssig.
„... Das ist ganz schön anstrengend auf die Dauer!“, japst er.
„Hast Du denn keine Macht über die Zeit?“, fragt Marlies.
„Doch“, beteuert Til, „ich stelle jeden Morgen meinen Wecker, und der Tagesverlauf gehorcht!“
„Das ist doch nicht das, was ich meine, Du Dummerle“, kichert der Kindling, „Ich meine, Macht über das Reich der Zeit! Für Deine Künste!“
„Ich weiß ehrlich gesagt nicht mal, wovon Du redest!“
„Um die Dauer Deines Zaubers zu verlängern! Sonst musst Du den ja ständig neu machen. Außerdem ist das gefährlich. Versuch‘ das nicht in der Herbstwelt, da würdest Du viel zu schnell all Deinen Glamour verlieren, Til.“
Er lacht, „Zaubern in der Herbstwelt? Oh, das ist eine hübsche Idee! Aber ich kann doch nur hier zaubern, wegen der Traumlogik und so, ich weiß das schon, habe ich schon tausendmal ausprobiert, drüben in der anderen Welt.“
„Schnickschnack, natürlich kannst Du zaubern in der Herbstwelt! Es ist nur ein bisschen schwerer.“
„Echt wahr?“
„Na ja, für viele ist es sogar ein bisschen leichter!“, flunkert sie übermütig.
Til ist versucht, diesem Gedanken nachzuhängen, der fasziniert ihn total. Diese Traum-Zaubereien könnten seinen Alltag deutlich leichter machen, und vor allem sehr viel amüsanter! Aber die Welt der Dunkelheit kommt ihm jetzt gerade fern und absurd vor.
„… In jedem Fall sind wir dem Ende der Ebene noch nicht sonderlich nahe gekommen!“, schnauft er.
„Bin ich zu schwer?“
„Du bist leicht wie eine Handvoll Daunenfedern, kleine Dame; der Rucksack ist’s, der schwer ist!“
„Warum laufen wir auch nicht als Tierchen? Das wäre doch viel schneller?“
„Ja, guter Gedanke. Hm … Aber in der Unendlichen Geschichte reicht es doch manchmal, Fuchur einfach laut zu rufen! Der scheint ein ziemlich gutes Gehör zu haben!“
„Au ja, versuchen wir‘s!“
Dafür würfle ich meinen Kontakte-Hintergrund, zu dem ja jetzt auch Fuchur und Atréju gehören, ohne alles weitere, nur die 2W10. Mindestens ein Achter müsste schon dabei sein, so gefühlt. Eine Sieben, nah dran. Also rufen die beiden ein Weilchen, aber kein züngelnder Drachenleib erscheint über dem Horizont, wo der violette Tulgee-Wald beginnt. Dann müssen sie wohl als Feldhase und Nerz rennen!
Auch auf flinken Pfoten wird es mehrere Stunden dauern, um die südwestliche Waldkante zu erreichen. Dafür muss mal ein Move her, um zu sehen, ob es unterwegs Zufallsbegegnungen gibt. Dafür wähle ich Gather Information, da die SCs ja die richtige Richtung finden müssen. Als Attribut sollten beide Konstitution nehmen, weil es so ein langer Dauerlauf ist. Marlies würfelt in ihrer Nerz-Gestalt also Konstitution+Überleben, um Zusjes Geruch auf dem Wind zu erschnuppern, und Til Konstitution+Wahrnehmung+Aspekt (‚In Wald und Feld von Instinkten geleitet‘). (Marlies Aspekt in Nerz-Gestalt habe ich so ähnlich definiert, nämlich ‚In Wald und Gewässern von Instinkten geleitet‘, aber dadurch gilt dessen Bonus-Würfel hier nicht, denn die Ebene ist ganz klar ein Gefielde.) Sieben Erfolge kommen zusammen, und die werden ein Weak Hit. Fast gehofft: Das führt die SCs zwar zum Ziel, gibt aber unterwegs eine Zufallsbegegnung!
Was nehmen wir denn da mal her? … Es sind Wunderland-Säbelzahn-Katzenraupen (‚Cat-erpillars‘!), abgerichtet von den Spionen der Herzkönigin. Eine Handvoll dieser wilden Schimären ist ungesehen davon gerobbt, um in der Ebene zu wildern. Und die SCs sollen als Zwischenmahlzeit herhalten, das wollen sie nicht.
Obacht: Säbelzahn-Katzenraupen!
Der Move Face Danger muss also gemacht werden! Da würfeln sie beide Geschick+Athletik, beide mit ihrem Aspekt ‚Furchtsamer Respekt vor großen Tieren‘ als Nachteil (Einser ziehen ab), und Til bekommt außerdem seinen Aspekt ‚Haken schlagen auf der Flucht‘ als vorteiligen Aspekt dazu. Beide haben auch durchaus einige Einser mit dabei, und bringen es dadurch gemeinsam nur auf fünf Erfolge. Die Challenge Dice jedoch lassen Gnade walten, und machen trotzdem einen Strong Hit daraus: Hase, Nerz, und Kaninchen locken die fünf Säbelzahn-Raupen auf die Baumgrenze zu, wo diese von ihren Bändigern wieder eingefangen werden können.
Mit pochenden Herzen verkriechen sich die Tiere im violetten Unterholz. Hier halten sie sich verborgen, bis ihre scharfen Sinne ihnen sagen, dass die Schimären fort sind.
An der Baumgrenze des Tulgey-Wald liegt ein Wall aus Gestrüpp, Totholz, und Heckengeflechten, das von der schlagartigen Ausdehnung des violetten Waldgebiets herrührt: Dies sind Pflanzenreste des grünen, Grimm‘schen Waldes, die der Tulgey praktisch vor sich her geschoben hat, während er seine Grenzen bis hier hinauf verschoben hat.
Wieder hinein in den Tulgey-Wald
Ab jetzt können die Freunde vielleicht die anderen drei Gesuchten wittern. Fuchur ist jenseits der Baumgrenze wahrscheinlich herunter gegangen, damit die drei die Waldgrenze näher unter die Lupe nehmen können. Dann haben sie auch Spuren hinterlassen.
Also ein weiterer Gather-Information-Move: Ich würfle Wahrnehmung+Überleben für sie beide, diesmal mit dem Aspekt ‚In Wald und Feld bzw. Gewässern von Instinkten geleitet‘, denn jetzt sind wir ja im Wald. Darin brillieren die beiden Tiere und bringen zehn Erfolge zusammen, aber eine Zehn bei den Challenge Dice macht dennoch nur einen Weak Hit daraus: Nach kurzer Suche finden sie die Fährte und einige Spuren im weichen Wunderland-Moos, aber auch hier lauert eine Gefahr.
Denn logischerweise sind hier nahe des Waldrandes die gefürchteten Spione der Herzkönigin unterwegs! Zwischen den violetten Farnen kauernd sehen die neun Tiere nun, wie mittelalterliche Fußsoldaten sich nähern, mit absurd langen, sehr dünnen Armen und Beinen. Einige führen sehr lange Hellebarden oder Spieße, die eigentlich etwas zu schwer für sein dürften, um sie sinnvoll im Kampf einzusetzen. Sie glotzen aus dümmlichen Froschaugen ins Halbdunkel, und pirschen sich vorsichtig voran. In der Ferne sieht man eine dieser vogelscheuchenhaften Gestalten, wie er zwei der schauderlichen Säbelzahn-Raupen an einer Kette führt.
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Froschige Fußsoldaten der Herzkönigin
Das ist dann ein Move für Face Danger: Wir werden versuchen, die Froschfressen zu umgehen, mit Geschick+Heimlichkeit. Die beiden würfeln crazy-viele Erfolge, die sich noch vermehren durch ihre Heimlichkeit-Spezialisierungen (Verstecken bzw. Samtpfoten). Das wird ein Strong Hit, und die Schimären staksen weit an ihnen vorbei, ganz mit der Baumgrenze beschäftigt, und vielleicht der Suche nach Zusje, Atréju, und Fuchur.
Als sie weg sind, hoppelt Til ins Abseits, um sich dort zurückzuverwandeln, und kommt als Kithain zurück; er tuschelt den anderen zu, „Vielleicht sollten wir uns einen von denen schnappen, und ihn ausfragen? Das sieht so aus, als wenn die nicht allzu helle seien! Abgesehen von dem einen, das war die intelligenteste Froschfresse, die ich je gesehen habe.“
Der Nerz nickt vorsichtig.
„Sind das eigentlich Pooka, wie wir?! Nee, oder? Wohl eher durch und durch Schimären …“
Nerz und Kaninchen quietschen leise durcheinander, hier scheinen die Meinungen auseinander zu gehen.
Ist einer der Anführer vielleicht in der Nähe? Das bestätigen die Orakelwürfel deutlich. Dann müssen wir den nur umstellen, wenn seine Froschmänner gerade nicht in Reichweite sind! Das mache ich mit einem weiteren Face-Danger-Move:
Til pirscht sich frontal auf ihn zu, Marlies als Nerz hinterrücks, um sich in dem Rückenbereich des Gegners zurückzuverwandeln. Die Kaninchen kommen von allen Seiten. So können wir den Kerl vielleicht in die Zange nehmen!
Das wird leider nur ein Weak Hit. Das muss bedeuten, dass meine Taktik klappt, wir umzingeln den Anführer — aber seine Froschfressen waren nicht so weit weg, und staksen mit großen Schritten sofort herbei, so dass die Umzingler jetzt ebenfalls umzingelt sind!
„Haaaaltt! Haalt! Alle bleiben, wo sie siiindd!“, schnarrt der Befehlshaber in krächzender Stimme. Er ist ein großer Dodo, etwa so groß wie ein Truthahn!
„Halte Deine Soldaten besser auch zurück!“, sagt Til, verharrt stehend in seiner Bewegung, die Hand demonstrativ auf dem Schwertgriff.
Er wechselt einen Blick mit Marlies, die sich gerade in ihrer Mädchengestalt aus dem violetten Farnwedeln erhoben hatte, und nun erschrocken blinzelt.
„Ja, ja, haha, schon gut!“, kräht der Dodo, „Wir wollen keine Scherereien mit Euch! Parley. Parleyyy!“
Marlies guckt Til hilfesuchend an, zu ängstlich, um was zu sagen, sie hält immer noch inne. Til begreift, dass der Dodo ja in viktorianischem Englisch redet! Und so ungewöhnlich das auch ist, Marlies spricht zwar fließendes Gälisch als Fremdsprache, aber fast kein Englisch.
„Ich kapiere, das hatte ich mir ja auch genau so gedacht!“, ruft Til ihr auf Gälisch zu, „Im Grimm‘schen Märchenwald wird vornehmlich Altdeutsch gesprochen, und im Tulgey-Wald das Englisch von 1900. Immer jeweils die Sprache ihrer damaligen Schöpfer!“
„Was soll das?“, fordert der Dodo, und stemmt seine anthropromorphen Arme in die Hüften und plustert sich auf, „Ich verlange, dass in korrektem Tone mit mir geredet wird, und in richtigem Englisch, nicht in Kauderwelsch!“
„Entschuldigen Sie!“, sagt Til also auf Englisch, „Aber wir sind nicht alle hier denselben Sprachen mächtig. Ich werde wohl dolmetschen müssen.“
„Dann sagen Sie, Sir, Ihren Leutchen mal bloss, dass Sie verloren haben, und sich nun zu ergeben haben. Ich deklariere hiermit meinen Sieg, Sir“, schnarrt der Dodo.
Til entgegnet, „Aber Sie sind ja der Umzingelte. Wir sind tausendmal so viele wie Sie.“
„Und meine Lakaien sind die besten Hellebardiere des Wunderlands, Sir! Haha, unterschätzen sie nicht ihre Kampfeslust und ihren Blutdurst!“
Til sieht sich ängstlich um, und stellt dabei aber fest, dass er in wirklich bornierte Froschgesichter guckt.
„Kaltblütig sehen sie aus“, gibt er zu, „Aber, davon abgesehen, nicht sehr blutgierig, wie ich finde. Vorhin habe ich sogar gesehen, wie ein lauer Luftzug einen Eurer Büttel umgeweht hat.“
„Ah so?“, kräht der Dodo, „Nun, das muss damit erklärt werden, dass sie schlecht gefrühstückt haben! So ist’s nun mal so nahe des Feindesland.“
„Feindesland?“
„Ja, weiß Gott. Ich hätte sie zwingen müssen, mehr Butterbrote und Scones einzupacken. Ich bin ein schlechter Anführer! Nun. Das alles hier, Sir, könnte womöglich ein Patt sein.“
Ein Dodo im Dienste der Krone
Til übersetzt etwas befremdet für Marlies auf Gälisch, dann schaut er den Dodo wieder an, und versucht bedrohlich zu klingen, „Wir wollen keine Gewalt. Aber wenn Sie es drauf anlegen, können wir ganz schön fiese Abmurkser sein. Verstehen Sie?“
„Ja ja, ich verstehe schon …“
„Dann ist ja gut …“
„Sie, Sir, sind ein Pooka! Die Kleine auch. Und diese Kaninchen, wer weiß! Gegen Leute wie Sie liegen Haftbefehle vor bei den königlichen Truppen!“
„Quatsch, wir haben gar nichts gemacht. Noch überhaupt nie.“
„Es obliegt mir, die Anweisungen durchzusetzen. Ich habe nun mal meine Befehle. Da kann ich nichts dafür, Sir.“
„Sind Sie nicht selber auch ein Pooka?“
„Unsinn! Ich bin ein Dodo, das sieht man ja wohl. Mit Euereins habe ich nichts zu schaffen. Sie scheinen Freischärler zu sein! Mit Truppen wie Ihnen, Sir, haben wir hier im Grenzgebiet nicht gerechnet.“
„Dann rücken Sie mal mit der Sprache raus. Was wollen Sie im Grenzgebiet?“
„Wir sind nur ein Kundschaftertrupp!“
„Geschickt, um das Schloss der Goldenen Sonne auszuspionieren?“
„Reine Routine, reine Routine! Ich bin dafür da, Sorge zu tragen, dass hier alles ritterlich und menschlich über die Bühne geht!“
„Aber, äh, Sie sind kein Mensch …“
„Na und? Die Krone hat mich ausersehen für diese Aufgabe, und ich werde sie machen!“
„Ja, ja. Man hat vielmehr gehört, die Herzkönigin habe mit ihrem ganzen Säbelrasseln sogar den Vormarsch der Grimgoriminatori zu verschulden!“
„Wie dem auch sei, sie ist die beste Verbündete in dieser turbulenten Zeit. Wir überlegen, ob wir auch hierzulande Allianzen anbieten sollten!“
Erneut übersetzt Til Marlies das Gesprochene.
„Willst Du ihn nicht fragen, ob er nicht einfach ins Wunderland zurückkehren kann? Jetzt, wo wir sie ertappt haben und so?“
„Genau mein Gedanke“, versichert Til auf Gälisch, und sagt auf Englisch zum Dodo, „Hören Sie, Sir! Die Entfaltung dieses Märchens dort darf nicht gestört werden. Es steht nicht geschrieben, dass der sagenhafte dritte Bruder es mit Truppen aus der Feder von Lewis Carroll zu tun bekommt, auf seinem Weg zum Schloss der Goldenen Sonne. Äh ... Sie verstehen? Es ist unabdingbar, dass sie sich fern halten. Diese Erzählung hier tritt gerade in eine hochsensible Phase ein!“
Das wäre einfach ein Compel-Move, wenn wir nicht von Hellebardenträgern umstellt wären, also ist der Move stattdessen Face Danger. Dennoch würfle ich Charisma+Überzeugen für Til und Marlies (der Kindling hat zwar nicht aktiv mit argumentiert wegen der Sprachbarriere, aber den Einfall am Schluss geliefert). Til hilft außerdem sein Aspekt ‚Überzeugter Pazifist’, für Marlies ist hier Aspekt ‚Schüchtern’ nachteilig. Insgesamt komme ich nur auf fünf Erfolge. Die werden immerhin noch ein Weak Hit. Dadurch büßen beide SCs einen temporären Punkt Willenskraft ein, und eine unvorhergesehene Wendung passiert — der Dodo-Kommandant mag überzeugt sein, aber seine Scouts nicht!
„Habt Ihr nicht gehört, Ihr Affen? Sofort nieder mit den Waffen!“, kreischt der Dodo seine Froschsoldaten an.
„Nieder mit den Laffen!“, wiederholen die gehorsamen Froschfressen mit ihren stumpfen Stimmen — und holen mit den Hellebarden und Spießen aus! Die vielen Pooka-Lügen haben sie so verwirrt, dass sie nun glauben, dies wäre ein Angriffsbefehl gewesen!
Also machen wir einen neuerlichen Face-Danger-Move, diesmal um abzuhauen.
Til zieht das Schwert von Yvamore, um die dürren Lulatsche auf Distanz zu halten, packt den Dodo am Schlafittchen, klemmt ihn sich unter den Arm. Marlies und die Kaninchen brechen aus dem sich auflösenden Ring der Umzingeler aus. Til hinterher.
Da muss ich nicht lange würfeln, denn schon der erste der beiden Würfe für den Move ist ein Patzer:
Marlies stolpert im unwegsamen Unterholz, und überschlägt sich kullernd im lila Gras. Til hechtet zu ihr, kniet sich neben sie, um ihr schnell aufzuhelfen, und Angriffe von ihr abzuhalten. Den kreischenden Dodo dabei immer noch unter dem Arm. Wie er mit den Vogelfüßen strampelt! Diese Sekunden reichen den langbeinigen Froschfressen, um den Ring erneut um sie zu ziehen, diesmal gründlich!
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Der Folge-Move ist also Pay the Price. ‚Something of value is lost or destroyed‘, sagt die Move-Tabelle. Wertvoll wäre die Kooperation des Dodo gewesen, die wir gerade halbwegs errungen hatten! Der wird nicht gern entführt, und alle eben noch erreichten Übereinkünfte sind nun wieder dahin. Das bedeutet für die laufende Szene folgendes:
Einer der Frosch-Landsknechte entreißt Til mit Schwung den flatternden Dodo, aber fällt dabei mit ihm vor lauter Schwung hinten über, als er ihn hat! Der Vogel kreischt, Daunen fliegen. Andere Hellebardiere springen herbei, um zu helfen. Das Gezeter ist mächtig. Die beiden Pooka und die Bunnies rennen sofort wieder weg, und die Froschsoldaten sind zu unkoordiniert, um ihnen direkt zu folgen. Dadurch entkommen sie im Zwielicht des Tulgey-Waldes, ohne eine große Verfolgungsjagd.
Til nimmt schnell die weinende Marlies auf den Arm, sie hat sich das Knie ein bisschen aufgeschürft bei ihrem Sturz. Das wird zwar hier im Träumen nicht lang weh tun, aber der Schreck ist trotzdem ziemlich groß.
„Na na, wird alles wieder gut“, sagt Til teilnahmsvoll (und wünscht sich, mehr Kompetenzen mit Kindern zu haben).
„Du musst pusten!“, flennt Marlies.
„Was jetzt?“
„Na, mein Knie!“
Ach so, stimmt, so macht man das doch bei kleinen Kindern, hätte man gleich drauf kommen können. Til setzt Marlies vorsichtig auf einen Felsen, und pustet also ihr Knie. Wird schon wieder besser.
Dann müssen die Bunnies als nächstes getröstet werden, die haben sich nämlich auch erschrocken, und fühlen sich obendrein daraufhin offensichtlich vernachlässigt. Das machen die beiden Pooka mit vereinten Kräften. Und dann muss vielleicht überhaupt mal eine Rast eingelegt werden, um allesamt zu füttern, aber lieber auf einem der Bäume, außerhalb von Hellebarden-Reichweite. Man weiß ja nie.
Marlies streichelt eins der (besonders vernachlässigten!) Kaninchen, während Til Panzerkekse, Gemüse, und Trockenfleisch aus seinem Rucksack auspackt und für alle das Richtige portioniert.
„Was wollte dieser komische Vogel überhaupt?“, fragt Marlies, immer noch etwas eingeschüchtert. Sie hat das Kaninchen auf der einen Hand und streichelt ihm mit der anderen über den Rücken.
„Ja, gute Frage, ich kenne den schon, diesen Kauz! … Das klang ja so, als wolle das Wunderland wissen, ob es sich in angrenzenden Traum-Realitäten Verbündete machen kann, oder?“, vermutet Til, „Einerseits kommen sie hierher, um die Grimm‘schen Märchen auszuspionieren, aber andererseits auch noch, um möglicherweise Allianzen anzubieten. Darum war der Dodo auch da, als Kommandant, der gleichzeitig als Vermittler einspringen kann, sollte sich eine Gelegenheit ergeben.“
„Du quatschst wirres Zeug, Til“, rügt Marlies, „was ist denn Grimmsch?“
„Na, genau dasselbe wie Carroll'sch. Ich glaube, dass die verschiedenen Märchen sich irgendwie überlappen. Verstehst Du? Zum Beispiel hier an dieser Stelle! Der Tulgey-Wald dehnt sich aus, und gleichzeitig trachtet auch die Herzkönigin danach, ihre Herrschaftsansprüche zu erweitern! Womöglich ist da sogar irgendein verborgener Zusammenhang.“
„Und Atréju und Fuchur, die haben sich ja auch hierher verirrt!“
„Richtig, wieder von woanders her. ... Und warum auch nicht, dies alles ist ja ein Traum! Hier kann wahrscheinlich alles geschehen. Ich kapiere nur viele der Gesetzmäßigkeiten noch nicht so ganz.“
Da muss mal der Move namens Make Camp gemacht werden, hier oben in den lila Wipfeln fühlen die Charaktere sich sicher vor möglichen Verfolgern. Mit einem Weak Hit kriegen beide Pooka einen Punkt Willenskraft zurück.
„Was ist eigentlich mit den beiden?“, will Marlies beim Essen wissen, „Da wo die sind, ist bestimmt auch meine Zusje!“
Was ist mit den gesuchten Phantásiern, treffen wir die hier während unserer Rast wieder? Nein, sagen die Orakelwürfel. Dann fragen wir das Orakel, was wohl stattdessen passieren soll, und das ist, Defend Spirit. Interessant, da nehmen wir mal den legendären Jubjub-Vogel her, der ist am ehesten geisterhaft:
Das Gespräch wird unterbrochen von einem schrillen Kreischen, das ganz in der Nähe ertönt. Ein riesiger Vogel scheint diese Laute auszustoßen, ähnlich wie der entsetzliche Vogel Roc, draußen in der Wüstenei! Er flattert scheinbar in Bodennähe hin und her, man hört ein Krachen im Unterholz.
Til und Marlies gucken sich erschrocken an, packen hastig zusammen, und gehen den Geräuschen des Aufruhrs leise nach, gefolgt von den Kaninchen.
Ein paar der Landsknechte des Dodo staksen auch hier durch das Dickicht, einige sind Froschfressen, andere Eidechsen. Mit Hellebarden, Kurzschwertern, und Knüppeln versuchen sie gerade hastig, die Quelle des Vogel-Gekreisch einzukesseln! Dieses ist tatsächlich aber kein Vogel Roc oder anderes Riesentier, sondern ein 'nur' pferdegroßer, weiß schimmernder Geistervogel. Seine Stimme ist viel lauter und enervierender als man (ob seiner Größe) meinen würde. Er verwendet hauptsächlich die Wucht seines Akustikterrors, um sich gegen die Landsknechte zu verteidigen.
„’Twas brillig, and the slithy toves / Did gyre and gimble in the wabe“
„Das ist der Jubjub-Vogel!“, raunt Marlies aufgeregt in Tils einen Hasenlöffel. (Sie hat einen Wurf auf Intelligenz+Gremayre geschafft.)
„Ja, da war sowas, nicht wahr? … Carroll‘s Nonsens-Gedichte …“, flüstert er, vage.
„Ich kenn‘ es ganz auswendig!“, flunkert Marlies, aber zitiert dennoch richtig, „Hüte Dich vor dem Jubjub-Vogel!“
„Wir müssen dem Flattermann irgendwie helfen, oder? Was wollen die Kerle mit dem?“, rätselt Til.
Die Orakelwürfel bstätigen meinen Verdacht, dass der Jubjub-Vogel hier derjenige ist, der sich verteidigen will, also sind die Knechte die Aggressoren, nicht umgekehrt.
„Zauber‘ irgendwas!“, empfiehlt Marlies leise, und kichert.
„Gute Idee. Nur was? Ich könnte die Angreifer gegeneinander hüpfen lassen … das hab‘ ich schon mal geschafft, sah witzig aus“, lügt Til.
„Mach‘ den Jubjub-Vogel schneller! Dann kann er ausbrechen!“
Das versucht Til, mit dem Quicksilver-Zauber, und erzielt (beim zweiten Anlauf) zwei Erfolge bei Wayfare+Fae. Der Jubjub-Vogel weiß gar nicht, wie ihm geschieht, er bewegt sich plötzlich doppelt so schnell in seinem Geflatter und Toben.
Ich würfle einfach mal Face Danger, um verborgen zu bleiben, während wir den Jubjub-Vogel weiter mit Feenkünsten unterstützen. Das könnte gehen mit Wahrnehmung+Heimlichkeit, die beiden SCs müssen die Szenerie im Auge behalten, während sie selbst unentdeckt bleiben. Gemeinsam erzielen die Changelings fünf Erfolge, das ergibt jedoch laut der Challenge Dice einen Fehlschlag. Der darauffolgende Pay-the-Price-Move muss bedeuten, dass die Landsknechte auf sie aufmerksam werden! Jetzt sind sie selbst Teil des Gefechts!
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Da heißt es natürlich mal wieder weglaufen, scheinbar ja die Hauptbeschäftigung meiner SCs! Dafür mache ich den Move Face Danger, mit Geschick+Athletik. Am liebsten in Tierform, aber dafür brauchen beide Pooka ein Momentchen, um sich im Dickicht zu verstecken und sich zu verwandeln, bekommen sie diese Gelegenheit, während die Landsknechte auf sie zu staksen? Die Orakelwürfel verneinen, also müssen wir mit unseren Spielwerten in Kithain-Gestalt wegkommen. Til würfelt Geschick+Athletik, und da er Marlies wieder auf dem Arm trägt, würfelt die Wahrnehmung+Aufmerksamkeit, um ihn mit Rückenblick über seine Schulter zu warnen, von wo die Hellebardiere jeweils heranpreschen. Acht Erfolge kommen zusammen, das ist um ein Haar am Strong Hit vorbei, also ein Weak Hit. Bei unserem Face-Danger-Move wähle ich als Negativkonsequenz diesmal den Folge-Move Endure Stress. Mit Tils frisch gesteigerter Willenskraft würfle ich sechs Erfolge, und die Challenge Dice gewähren daraufhin erstmals einen Strong Hit, so dass er durch den Move keine temporären Willenskraftpunkte verliert. Das ist opportun, denn er hat trotz der Rast eben nur noch derer drei.
Flucht durch den Tulgey-Wald
Immerhin konnte der gejagte Jubjub-Vogel durch unsere Einmischung erfolgreich die Flatter machen. Was passiert jetzt ansonsten? Das Orakel spricht: Leave Bond. Das klingt ja dramatisch. Bei Marlies dreht sich alles um den Eidbund der Pooka-Freunde, da wird sie ja wohl nicht jetzt spontan Til den Rücken kehren. Aber vielleicht geht es gar nicht um die Verbindung meiner Pooka-SCs, sondern jemand anderen? Vielleicht schießt sogar der Dodo seine Truppen in den Wind, oder umgekehrt? Das bestätigt das Orakel! Dann folgendermaßen:
Soundtrack: Floex, Yellow Furry Mushroom Tune
https://www.youtube.com/watch?v=ox1bVny59_4
Nach einer halben Stunde hektischer Flucht durch den Tulgey-Wald wähnen Til, Marlies, und die Kaninchen sich so halbwegs in Sicherheit. Til ist ganz schön am Japsen, seine Hasenlöffel zucken immer noch nervös, seine Tierinstinkte versuchen, die Schritte der Verfolger aufzunehmen. Aber diese scheinen tatsächlich hinter ihnen verhallt zu sein! Hier ist eine der gelben Sandwege. Die durch den Tulgey-Wald führen, nicht etwa geradlinig, sondern unsinnig in wilden Schlangenlinien. Knallbunt gefiederte Vogel-Schimären hocken in den niedrigen Zweigen der violetten und purpurnen Laubbäume, und leuchten den Sandweg hilfsbereit aus, denn anstelle von Schnäbeln haben sie altmodische Stab-Glühbirnen!
„Die sind lustig!“, kichert Marlies leise.
„Ja, wenn wir dem Pfad hier folgen, dann kommen wir vielleicht —“, flüstert Til, aber weiter kommt er nicht, denn als er aus dem lila Rhododendron tritt, prallt eine kleine, voluminöse Gestalt gegen ihn, in vollem Lauf!
Der Dodo gibt ein panisches Krächzen von sich!
„Alles okay, wir sind’s nur!“, ruft Til aufgeregt, wie um ihn zu beschwichtigen.
Das beruhigt den Dodo natürlich nicht im geringsten: „Ihr wollt mich schnappen! Verdammt!! Jetzt bin ich Euch Arglistigen direkt in die Arme gelaufen!“
„Nein, nein!“, beteuert Til, „Wir schnappen Sie nicht, Mister! Was treiben Sie denn jetzt hier?!“
„Ich hau‘ ab! Die Knechte haben gemeutert! Schock schwere Not!“
Auf Gälisch sagt Til zu der verdatterten Marlies auf seinem Arm, „Er haut ab, sagt er“, und fragt dann auf Englisch den Dodo, „Aber wo wollen Sie denn hin?“
„Rückzug! Rückzug zum Schlosse der Herzkönigin! Sie, Sir, und Ihre ganze pelzige Bande, Sir, Sie können mich nicht aufhalten! Hahaa! Ich bin Meister des Floretts! Keinen Schritt weiter, wenn Ihre Kniesehnen Ihnen irgendetwas bedeuten! Ich bin da eiskalt!“
„Ich … äh, ich sehe gar kein Florett!“, gibt Til zu bedenken.
„Na und? Ein wahrer Meister bedarf nicht mehr der Materie, er hat das Stoffliche transzendiert! Die Luft, Sir, ich führe die laue Luft ebenso tödlich in meinen Händen wie das schärfste Florett im Arsenal der Kartensoldaten!“
„Das … äh … das kommt mir vor wie Quatsch“, sagt Til.
Sie starren sich allesamt an.
Eine ungemütliche Stille entsteht.
Schließlich guckt Marlies Til verwirrt an, und er erklärt ihr auf Gälisch, was gesprochen wurde.
„Ich glaube, der ist verrückt“, stellt Marlies fest.
„Das würde doch zu seiner Staatsangehörigkeit passen, oder?“, fragt Til.
Auf Englisch fragt der Dodo, etwas verhalten, „Was ist mit der jungen Dame? Ist nicht von ihr zu erwarten, dass sie sich herablässt, mit dem Feind zu sprechen?“
„Nein, nein! Wir sind doch überhaupt keine Feinde!“, beteuert Til, sogar ohne Lüge, „Aber sie müssen schon Belgisch oder Gälisch reden, wenn Sie das Wort an die Dame richten!“
Kann er das vielleicht sogar? In Carroll‘s Wunderland-Geschichten sind viele der Tiere sehr gebildet und eloquent, geradezu Klugscheißer. Und die Orakelwürfel bestätigen sehr deutlich!
„Warum sagt einem das keiner? Das hätte gleich eingangs klargestellt werden müssen!“, krächzt der Dodo, nun auf akzentfreiem Gälisch, „Bewohner der schottischen Provinzen sind stets willkommene Gäste hier — zumindest unter normalen Umständen!“
Marlies kichert, „Wir sind tatsächlich Schotten, müssen Sie wissen, Herr Dodo!“
Til fragt ihn, „Und die Frosch-Typen und Eidechsen haben also gemeutert, ja?“
„Unser Bund wurde durch ihre Unbeugsamkeit besudelt, und die Schändlichen haben mich verlassen! Ich bin selbst schuld. Ich sagte ja vorhin bereits, ich bin kein rechter Anführer. Ich gestehe es! Meine Knechte wollen versuchen, zu den anderen Trupps aufzuschließen. Am Hofe der Herzkönigin bin ich ehrlich gesagt auch normalerweise Sprecher und Mediator. Das militärische Abenteuer liegt mir nicht sonderlich!“
„Das ist nicht schlimm!“, lacht Marlies, „Haben Sie zufälligerweise einen grünen jungen, einen weißen Glücksdrachen, und ein anderes Mädchen mit Nerzfell gesehen?“
„Hahh!“, kreischt der Dodo, nun wieder unerwartet lautstark, „Warum sollte ich Ihnen helfen, gnädige Dame? Sagen Sie mir das, Mylady! Sie haben versucht, mich zu entführen, nicht wahr, auf dass ich gerupft und geschlagen werde am Hofe des tyrannischen Herrschers der Goldenen Sonne!!“
„Aber nein …“, sagt Marlies mitfühlend.
„Oh doch! Der Ritter Hasenscharte dort, der hatte mich bereits in seinem Würgegriff! Beinahe wäre es aus gewesen mir mir! Gestehen Sie!“, und theatralisch zeigt der weiß behandschuhte Zeigefinger auf die Pooka, anklagend.
„Entschuldigen Sie mein Verhalten, Sir!“, sagt Til fest, „Wir wollten nur der Bedrohung durch Ihre Truppen entkommen!“
„Aber meine Truppen haben Sie rechtmäßig eingefangen“, entgegnet der Dodo, fast schmollend, „Sie dürfen sich als Kriegsgefangene der Krone betrachten, eigentlich. Streng genommen. Ich bin gerne bereit, mit dem Tyrannen vom Schloss der Goldenen Sonne in Verhandlung zu treten, zwecks eines Gefangenenaustauschs.“
„Wer wird denn da ausgetauscht?!“, fragt Til verwirrt.
„Na ja, Sie und die Kaninchen gegen mich! Das ist doch ganz klar! Ich bin ja derzeit auch (ohne meine meuternden Knechte, nicht wahr) Ihr Kriegsgefangener! Da beißt die Maus keinen Faden ab.“
„Also …“, setzt Til an, der zu verstehen versucht.
„… Also tauschen wir am Hofe der Goldenen Sonne Ihre Freiheit gegen meine Freiheit! Ich höchstpersönlich werde die Verhandlung führen. Ich bin sehr gewieft. Hinterher ist quasi alles wieder bei Null. Dann können wir sehen, wie der Konflikt sich weiter entspinnt.“
„Das ist total verrückt“, gibt Til zu bedenken.
„Aber auch total logisch!“, sagt der Dodo, verschränkt seine anthropromorphen Arme und hebt schnippisch den Schnabel, „Hm, nicht wahr, die nüchterne Logik gebietet derlei Vorgehen, auch wenn es verrückt sein mag!“
„Was ist denn jetzt mit den dreien?“, erinnert Marlies an ihre Frage, „Haben Sie die jetzt gesehen, oder nicht?“
Die Orakelwürfel sagen, nix hat er gesehen:
„Hah, damit diese drei Freischärler mich ihrerseits gefangen nehmen können, nicht wahr. So wäre ich doppelt gefangen, und Sie, Mylady, nur einfach. Damit Sie mich übertrumpfen können würden, in puncto Gefangensetzungen. Ich habe Sie natürlich durchschaut.“
Die beiden Changelings sehen sich an, sie wissen beide nicht genau, ob sie lachen oder sich vielleicht ein bisschen fürchten sollen.
„… Das wäre dann ja praktisch so, als wenn nur ich Ihr Kriegsgefangener wäre, und Sie gar nicht mehr meiner! Rein von der Logik der Zahlen her. Aber mich, Mylady, mich bekommen Sie nicht so leicht! Sie sehen, wie scharf mein Verstand ist!“
„Ja, ähnlich scharf wie das Schwert aus Luft, das er eben noch einsetzen wollte“, sagt Marlies halblaut, aber auf Belgisch, damit keiner außer ihr das versteht. Sie will nicht unhöflich sein.
Til sagt versuchsweise, „Hören Sie, mein Herr. Eigentlich will niemand hier kämpfen, oder Krieg führen, richtig?“
„Ja“, schnarrt der Dodo, „Aber Befehl ist nun mal Befehl! Sie haben ja keinen Begriff davon, was es hieße, sich ihro Gnaden der Herzkönigin zu widersetzen! Undenkbar!“
„Nein, da haben die kleine Dame und ich tatsächlich keine Vorstellung von!“, lügt Til gut gelaunt, „Aber sollten wir nicht dennoch unsere scheinbare Rivalität vergessen, Sir, und ein Stück gemeinsam weitergehen? Sie wollten doch auch dem Sandweg folgen, da lang, nicht wahr?“
„Au ja!“, freut sich Marlies.
„Ist das ein Trick?“, fragt der Dodo mit zusammengekniffenen Augen.
„Mitnichten, Sir!“, schmunzelt Til, „Und meine Art steht auch gar nicht im Ruf, auf Tricks zurückzugreifen. Aber ohne Ihre Knechte sind sie ganz allein! Sie wollen doch nicht, dass der Jubjub-Vogel Sie aufpickt?“
„Verflixt, Sie sind findige Verhandlungsführer!“, räumt der Dodo ein, „Sollten Sie mal die Seiten wechseln wollen, gibt es im Dienste der Herzkönigin sicherlich einen Platz für so geschickte Verhandler wie Sie! Oder halt, nein, lieber nicht. Am Ende nehmen Sie beide noch meinen Platz bei Hofe ein! Und dann heißt es schon wieder, ab mit dem Kopf!“
„Keine Sorge, Herr Dodo, das passiert schon nicht“, tröstet Marlies, „Wir werden Sie natürlich rund um die Uhr beschützen! Richtig, Til? Richtig?“
„Äh, jederzeit!“, nickt der hastig, „Aber wie heißen Sie überhaupt, Sir?“
„Ich bin Kommandant D. Dordingymew! D. Humbert Dordingymew, Esquire, Vasall der Herzkönigin.“
„Lass‘ mich mal runter, Til, ich muss knicksen!“, sagt Marlies, und stehend knickst sie sehr formvollendet, und sagt, „Ich bin Marlies Lore Girardin, und dies ist Til Haselberger! Und dies hier sind die ehrenwerten Kleinen Bunnies!“
Selbstzufriedenes Quieken ertönt aus Bodennähe, einige der kleinen Schimären stellen sich auf die Hinterbeine, stemmen die winzigen Pfoten in die Seiten, und strecken heroisch die Brust heraus.
„Sehr erfreut! ... Aber glauben Sie nicht, dass ich Ihnen Vertrauen schenke!“, sagt Sir Dordingymew, und wedelt aufgeregt mit einem weiß behandschuhten Zeigefinger hinauf zu Til, „Dies ist eine reine Zweckallianz! Vor den Kartensoldaten leugne ich alles!“
Schalter:
Evolution: Tils Wayfare-Feenkunst entfaltet sich weiterhin, und ich gebe ihm den dritten Punkt darin. Dadurch ist der Zauber Portal Passage freigespielt. Marlies derweil bekommt ein ersten Punkt in Ausweichen, und einen dritten Punkt in Empathie.
☀
Also folgt die neue Zweckallianz dem gewundenen Sandpfad. Das Geschrei des Jubjub-Vogels dringt aus großer Entfernung immer noch zu den Wanderern hinab, von irgendwo.
Die Orakelwürfel geben vor, Attack Passage. Die SCs bekommen aber auch keine Pause in diesem irren Wald! Den Orakelspruch deute ich so, dass ein Durchgang auf dem Weg liegt, wo sie erneut attackiert werden.
Vor den Wanderern liegt im violetten Zwielicht des Tulgey-Waldes eine kolossale Steinstruktur: Was von Weitem aussah wie ein Felsen, stellt sich als gemauerte, gebäudegroße Steinfigur einer Art Katzentier heraus, das sein Grinsemaul absurd weit aufreißt, und Zugang zu einem Tunnel bietet; der beleuchtete Sandweg führt dort hinein. Auf dem Buckel der Katze war einmal eine viktorianisch anmutende Gondelbahn-Station, die aber seit langem verfallen ist. Einzelne Gondeln sind noch zu sehen unter der Moosdecke. Die verschiedenen Lichtkegel über dem Weg sind jedoch ins Wanken und Zittern geraten, denn die Glühbirnenschnabel-Vögel sind sichtlich von irgendetwas in Unruhe versetzt.
Und in dem Moment, als die Wanderer sich vorsichtig auf den Katzenschlund zu bewegen, ist auch klar, warum: Die Landsknechte haben hier gelauert, aber nicht etwa innerhalb des Tunnels, sondern in den Büschen darauf! Raschelnd erheben sich die dürren Lulatsche aus ihren Verstecken, und legen Bögen und Armbrüste an.
Til sieht entsetzt zu D. Dordingymew herab, hat er die Fremden etwa absichtlich in diese Falle geführt? Aber der Dodo ist ebenso entsetzt wie die Pooka es sind. Entsetzter noch, denn er entdeckt den Anführer der Lauerer:
„Sir Gleanings!“, krächzt er.
Inmitten der Hellebardiere steht eine große Gestalt in einer wehenden, schwarzen Kutte, und sagt in dumpfer Stimme, „Du bist also zu den Kithain übergelaufen! Verräter. Das sieht Dir ähnlich!“, und das erschrockene Gesicht von D. Dordingymew spiegelt sich in dem seines Gegenübers.
Sir Gleanings, eine Schimäre der Herzkönigin
Sir Gleanings mag zwar ein Mensch sein, aber statt eines Kopfes lugt ein barocker Handspiegel unter seiner Kapuze hervor! Schrecken durchzuckt Til. Könnte dies etwa die Schimäre sein, die von manchen Kithain das Allsehende Auge genannt wird?
„Ergreift sie! Wer sich widersetzt, wird erschlagen!“, befiehlt der Vermummte, mit dramatischer Geste seines schwarzen Lederhandschuhs. Die Landsknechte stürmen aus ihren Positionen herab.
... In dem Moment schnellt, einem plötzlichen Sturmtosen gleich, jedoch auch endlich Fuchurs weiße Drachengestalt über der schmalen Lichtung herab!
Da mache ich mal zum ersten Mal in der Chronik eine reguläre Kampfsequenz, wie in Ironsworn beschrieben. Die startet mit dem Move namens Enter the Fray. Ich definiere diesen Hinterhalt als Gefahrvoll (was hierbei heißt, dass jeder Erfolg zwei Fortschritt einbringt gegen sie, sie aber auch zwei Wundlevel austeilen, wann immer sie dazu kommen). Dann muss ich würfeln, um auf den Überfall zu reagieren: Ich würfle für Til Wahrnehmung+Aufmerksamkeit, um die Lage zu erfassen, und für Atréju (für sein überraschendes Flugmanöver) Geschick+Athletik+Aspekt (‚Aufrechter Krieger‘), + den relevanten Hintergrund-Aspekt von Fuchur (‚Fliegt wie ein lebender Blitz‘). Maximale zehn Erfolge kommen dank Atréju zustande, aber die Challenge Dice gewähren nur einen Weak Hit. Das bedeutet, dass ich wählen muss; ich gebe Til und Atréju Willenskraft-Punkte zurück, und überlasse den Schergen die Initiative.
Da die Gegner die Initiative ergreifen, muss ich den Move namens Clash machen:
Til zückt das bläulich gleißende Schwert von Yvamore, und pariert die ersten Knüppelschwinger und Schwerthiebe, weicht dabei zurück, mit Marlies, den Bunnies, und dem Dodo hinter sich. Fuchur beschreibt einen Bogen direkt darüber, und braust bedrohlich nah über den Köpfen der froschigen Landsknechte hinweg.
Atréju würfelt dasselbe wie eben, er ist voll in seinem Element! Til würfelt Geschick+Nahkampf+Aspekt (Überzeugter Pazifist, kämpft nur defensiv‘), +Hintergrund-Aspekt seines Schwertes (‚Eignet sich auch hervorragend zum Parieren‘). Atréjus Flugmanöver bringt uns locker einen Strong Hit ein! Drei Schaden werden also von uns ausgeteilt (einer zusätzlich dank dem Strong Hit), bei Gefahrvollen Kämpfen bedeutet das gleich mal sechs Fortschritt. Und wir übernehmen die Initiative.
Die Frosch- und Eidechsenmänner prallen zurück, entsetzt über das Auftauchen des Flugdrachen, viele purzeln von der Wucht seines Fahrtwindes von den Stelzenbeinen, verlieren ihre Bewaffnung.
Dann folgt statt einem Clash-Move jetzt (dank der Initiative) ein Strike-Move:
Fuchur geht noch tiefer, und fährt mit tiefem, dröhnenden Gelächter durch den größten Pulk von Landsknechten, um sie zu zerstreuen. Atréju feuert mehrmals Pfeile vom Drachenrücken mit seinem Kurzbogen, allerdings nicht um zu töten, sondern zu entwaffnen. Til konzentriert sich weiterhin darauf, seine Schützlinge zusammenzuhalten und Angriffe mit dem Zauberschwert zu parieren.
Gemeinsame neun Erfolge für den Strike-Move, aber eine Neun beim Wurf mit den Challenge Dice gewährt dennoch nur einen Weak Hit. Also machen wir weitere zwei Schaden, aber verlieren dabei wieder die Initiative in dem Gewühl. Damit ist der Kampf-Fortschritt dennoch bei glatten zehn. Sobald ich einen Strong Hit hinbekomme, kann ich versuchen, den Kampf zu beenden.
Um Getümmel machen meine Charaktere also wieder einen Clash-Move, im verzweifelten Versuch, zusammenzubleiben, während die tierhaften Knechte entweder in blinder Wut attackieren, oder bereits kopflos durcheinander flüchten! Diesmal gelingen Til (dank Willenskraft-Einsatz) richtig viele Erfolge:
Das Hin- und Herschnellen des Schwerts von Yvamore ist nur als blaues Leuchten wahrnehmbar, manchmal springen Funken, als Klingen krachend aufeinander treffen! Atréju dreht ab und Fuchur steigt etwas höher, und seine geschickten Vordertatzen pflücken den vermummten Anführer von seiner Position über dem Tunneleingang!
Ein Strong Hit ist gefallen! Ich würfle für den Move namens End the Fight: Trotz einer Acht und einer Neun ist unser eingespielter Fortschritt von beiden Challenge Dice unterboten, also erneut ein Strong Hit! Die Truppen der Herzkönigin sind damit restlos geschlagen! Quakend suchen die Froschfressen und Echsen ihr Heil in der Flucht.
„Setzt ihn frei!“, zetert D. Dordingymew nahe der Panik, „Das ist mein Befehlshaber!“
„Wo ist Zusje?“, ruft Marlies konfus, „Til, Zusje sitzt nicht mehr auf dem Drachen!“
„Bleibt bloss zusammen!“, ruft Til, ängstlich, dass noch ein vereinzelter Knecht einen letzten Ausfall versuchen könnte, das glühende Schwert in defensiver Haltung erhoben.
Das Tohuwabohu ist beträchtlich.
Atréju hat Fuchur auf dem Katzengebäude aufsetzen lassen, und mustert nun die Kapuze des Gefangenen. Er sieht nur sein eigenes Gesicht im rissigen Spiegel, skeptisch und ablehnend hat er sein grünes Kinn erhoben.
„Wir erfüllen dem Vogel dort seinen Wunsch“, beschließt Atréju in fester Stimme, „Und lassen Dich laufen. Jemandem seine Freiheit zu nehmen ist uns zuwider. … Aber kehre zurück zu Deiner Herrscherin, Spiegelgesicht, und ersuche sie in unserem Namen, die Kriegstreiberei sein zu lassen!“
Sir Gleanings bleibt in sein ominöses Schweigen gehüllt. Er sieht noch einmal zu dem Dodo und den Pooka, wobei er denen ihre eigenen Gesichter zeigt, ein eigenes hat er ja nicht. Dann schreitet er mit flatterndem Mantel davon, verschwindet im violetten Halbdunkel.
„Danke, Atréju!“, keucht Til, „Das war knapp!“
„Atréju? Wo ist meine Zusje?“, will Marlies furchtsam wissen.
Der Junge erwidert, „Nachdem wir herausgefunden hatten, wie viele Wunderland-Kämpfer hier sind, sagte sie, sie müsse schleunigst zurückkehren in ihre Eremiten-Klause. Um ihre Wahrsage-Orakel zu befragen. Wir haben sie dorthin geflogen, und sind zurückgekehrt, nur um sehen zu müssen, dass Ihr auf dem Pfad gerade in eine Falle lauft!“
Til steckt das Schwert wieder weg, und sagt zu dem Dodo, „Nun, dann trennen sich hier wohl schon wieder unsere Wege, Herr Dordingymew. Genauso hatte ich es vermutet, ehrlich gesagt! … Ihr könnt Euch nun wieder Euren eigenen Truppen anschließen, nicht wahr?“
„Neeeinn!!“, kräht dieser aufgeregt, „Das war ein völliges Malheur! Der Sir Gleanings denkt nun, ich sei zu Euch übergelaufen!“
„Dann müsst Ihr ihm eben erklären, wie‘s wirklich war“, belehrt Marlies.
„Bevor ich dazu komme, irgendwas zu erklären, hat die Herzkönigin doch schon meine Enthauptung befohlen! Nicht die kleinste Silbe wird man mich krächzen lassen, um die Angelegenheit zu beschönigen!“
„Das ist ja schrecklich“, sagt Til verärgert, „Nun, dann bringen wir Euch eben zurück auf die Ebene der Goldenen Sonne. Unser Fürst wird Euch Zuflucht gewähren! Ich hatte mal eine Erdkundelehrerin, der ich schwören musste, dafür zu sorgen, dass kein weiterer Dodo ausgerottet wird, sollte ich jemals noch einen treffen.“
„Echt? So eine coole Lehrerin!“, lobt Marlies.
„Ja, echt!“, nickt Til, und wünschte fast, dass es keine Lüge gewesen wäre.
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