Autor Thema: [Changeling: The Dreaming | Ironsworn] Dunkelblaue Teestunde der Seele  (Gelesen 1859 mal)

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Nachdem mich mein Spiele-Projekt mit der Mischung aus Werewolf: The Apocalypse und den Ironsworn-Mechaniken so hervorragend amüsiert, habe ich kürzlich einen Versuch gestartet, dasselbe auch noch mit meinem anderen Lieblings-Setting aus der alten World of Darkness zu machen: Mit Changeling: The Dreaming! Die beiden Settings sind sich im Kern sehr ähnlich, und erzählen fast denselben Metaplot, aber mit anderen Stilmitteln. Also habe ich mir mal die dritte Edition von Changeling: The Dreaming (C:TD) von 2017 zugelegt, um eine parallele Solo-Play-Chronik damit zu spielen. Puh, eine Menge Lesestoff, ich eigne mir das mal nach und nach an, und spiele bis dahin nach bestem Wissen (aus meinen geliebten früheren Spielerfahrungen mit C:TD als Spieler) und Gewissen (alles ist erlaubt). Möglicherweise gibt’s sogar beizeiten mal ein Crossover mit den Werwölfen von nebenan, mal sehen!

Also dann, keine Angst vor Kinderkram und Sentimentalitäten, und los geht`s!

Hausregeln
Ich spiele nach den Regeln von C:TD, dritte Edition. Die oWoD-Regeln, so elegant sie auch sind, laden wie immer dazu ein, mit ihnen ein bißchen herumzutüfteln. Es kommen also folgende Hausregeln zum Einsatz:

Aspekte
Als erstes hätte ich gerne Vor- und Nachteile für meine Charaktere. Statt aber das optionale System für Merits & Flaws aus dem Changeling:TD-Grundregelwerk zu nehmen, definiere ich Vor- und Nachteile maßgeschneidert für alle Charaktere. Diese Logik übernehme ich aus Fate Core und The Pool RPG. Sogenannte ‚Aspekte‘ können, je nach Spielsituation, Vor- oder Nachteile sein.
Werte: Bei Charaktererschaffung verteile ich pro SC 5 Punkte unter diesen Aspekten. Mehr als fünf Aspekte können aufgeschrieben werden, aber nur solche, die auch einen Punktwert erhalten, können als Vorteile verwendet werden.
Boni oder Einser: Wenn diese im Spiel narrativ genau zur Situation passen und in diesem Moment einen Vorteil darstellen, geben sie Bonus-Würfel in Höhe ihres festgelegten Wertes. Wenn Aspekte genau zur Situation passen, aber nachteilig sind, werden Einser von den Erfolgen beim betreffenden Wurf abgezogen (‚Regel der Eins‘, siehe unten).
Wenn in einer Situation denkbar ist, dass der Aspekt sich sowohl vorteilhaft als auch nachteilig auswirkt, zählen für den Wurf sowohl die Bonus-Würfel als auch der Abzug durch Einser.
Auslösen von Aspekten: Pro Wurf kann nur höchstens ein Aspekt als vorteilig eingebracht werden, und auch nur höchstens ein Aspekt als nachteilig. Die Entscheidung, ob ein Aspekt in der Situation gelten soll, liegt immer beim betreffenden Spieler (immer vor einem Wurf entscheiden).
Wann immer ein nachteiliger Aspekt zum Tragen kommt und wenigstens eine Eins fällt, erhält der betreffende SC einen Punkt Willenskraft zurück, bis zu einmal pro Szene.
Hintergrund-Aspekte: Bei Changeling:TD haben die SCs sogenannte Hintergründe, die als Teil der Charaktererschaffung festgelegt werden. Anstelle davon, mich in die jeweiligen Sub-Systeme für magische Stätten, Gefährten, und Artefakte einzuarbeiten (die auch etwas unausgegoren sind), gebe ich diesen Hintergründen ebenfalls einfach eigene Aspekte. Diese können von den SCs genutzt werden, als wären solche zusätzlichen Aspekte ihre eigenen. Hierfür müssen sie natürlich mit ihrem jeweiligen Hintergrund interagieren. Hintergrund-Aspekte bekommen Boni in Höhe des dem zugehörigen Hintergrund zugewiesenen Punktwerts. Durch Steigerung des Wertes des Hintergrundes steigen dementsprechend auch seine Aspekte.

Wie genau das insgesamt mit den Aspekten in dieser Chronik funktionieren soll, wird dann weiter unten ersichtlich, ich playteste das im laufenden Spielbericht.

Erfahrungspunkte:
Charaktere bekommen nach jeder Session, an der sie beteiligt waren, pauschal drei EXP.
Abgeschlossene Questen: Nach Abschluss von dem Ironsworn-Move namens Undertake a Journey, oder einem Delve (Erklärung zu Moves siehe unten) bekommen sie einen zusätzlichen EXP. Nach Abschluss von Questen bekommen sie ebenfalls zusätzliche EXP, und zwar einen, plus weitere in Höhe der gewählten Schwierigkeitsstufe der jeweiligen Queste (also Unliebsam = 2, Gefahrvoll = 3, Formidabel = 4, Extrem = 5, Episch = 6).
Hintergründe und Aspekte kaufen: Charaktere dürfen in dieser Chronik auch Punkte in Hintergründen für EXP kaufen (basierend auf der Regel im Tribebook: Bone Gnawers Revised von Werewolf:TA); Hintergründe und Aspekte kosten ihren derzeitigen Punktwert x2, um sie um ein Level zu erweitern, und je drei EXP, um das erste Level darin zu erhalten.

Heilkunde:
Kinain und andere Sterbliche können nach Verwundungen mit der Medizin-Fertigkeit zusammengeflickt werden binnen einer Stunde. Die Schwierigkeit für Intelligenz+Medizin ist dabei sechs, plus der Wert des derzeitigen Wundabzugs des Verwundeten. Ein Erfolg senkt eine Wundstufe, mehrere Erfolge senken zwei. Dies geht bei Schlagschaden und Tödlichem Schaden (nicht aber bei Verheerendem Schaden).

Moves:
Wo inhaltlich passend machen Charaktere in dieser Chronik Moves aus dem Ironsworn-Regelwerk und der Erweiterung Delve. Allem voran sind die Mechaniken der Eide nützlich (der Move namens Swear an Iron Vow, und die Moves die damit zusammenhängen), sowie für Reisen (der Move namens Undertake a Journey, und die damit zusammenhängenden Moves).
Fertigkeitswürfe für Moves: Statt einen Eigenschafts-Wurf nach Ironsworn-Regeln zu machen (W6+Boni), machen die SCs hier natürlich Fertigkeits-Würfe wie im regulären Changeling-Regelwerk beschrieben für den jeweiligen Move. Ein SC muss einen zur Herangehensweise passenden Fertigkeitswurf machen; dies darf normalerweise auch ein Teamwork-Wurf sein zusammen mit einem anderen Charakter, oder eine Extended Action mit zwei aufeinander folgenden Würfen selber Art. Die Schwierigkeit dafür ist sieben. Die Anzahl der erzielten Erfolge wird verwendet, um sie mit den Challenge Dice (2W10) zu vergleichen wie bei Ironsworn üblich (um einen Strong Hit, Weak Hit, oder Fehlschlag zu ermitteln). Hat einer der an den Fertigkeitswürfen für den Move beteiligten Charaktere einen Patzer, scheitert der Move automatisch.
Moves mit Situations-Bonus: Manchmal geben Ironsworn-Spielregeln an, dass ein Situations-Bonus für einen bestimmten Move gilt (wie zum Beispiel Reise-Etappen nach dem Verlassen einer befreundeten Siedlung). In solchen Fällen sinkt die Schwierigkeit für den Fertigkeitswurf auf 5.

Regel der Eins:
Einser-Ergebnisse bei Wurfresultaten ziehen in dieser Chronik keine Erfolge vom Wurf ab. Die einzige Ausnahme dazu sind nachteilige Aspekte, die je nach Situation zum Tragen kommen, siehe oben. Patzer (Einser, aber keine Erfolge) funktionieren nach normalen Regeln. Zum Ausgleich ist die Grundschwierigkeit bei allen Würfen um eins erhöht (also normalerweise standartmäßig sieben).

Schadenswürfe:
Überschüssige Erfolge beim Trefferwurf sind normalerweise laut Regelwerk Bonus-Schadenswürfel für den darauffolgenden Schadenswurf. Das führt in meiner Erfahrung mit dem Regelsystem leider oft zu der absurden Situation, dass ein offensichtlich meisterlicher Angriff mit sehr vielen Erfolgen dennoch zu einem sehr schlechten Schadenswurf führt (die dann womöglich auch noch alle absorbiert werden). Das scheint mir seit langem bereits etwas frustrierend, und außerdem narrativ schwer erklärbar. Die Hausregel, die ich hier playtesten möchte, ist die folgende: Alle Erfolge beim Angriffswurf nach dem ersten (der benötigt wird, um überhaupt zu treffen), werden beiseite gelegt. Diese werden beim Schadenswurf nicht mehr mitgewürfelt — sie gelten bereits als Erfolge für diesen Schadenswurf.

Willenskraft:
Zusatz-Erfolge und Rerolls kaufen: Wie im Grundregelwerk beschrieben darf normalerweise ein Punkt Willenskraft ausgegeben werden, bevor ein Wurf gemacht wird, um im Voraus einen zusätzlichen Erfolg zu generieren. In dieser Chronik kann außerdem zusätzlich nach einem Wurf für einen Punkt Willenskraft so viele Resultate neu gewürfelt werden wie der Spieler möchte ('Reroll'). Einser dürfen auf diese Weise allerdings nicht neu gerollt werden. Nach einem Patzer (Einser, aber keine Erfolge) besteht diese Option gar nicht, der Wurf muss ein Misserfolg oder Erfolg sein damit ein Reroll gekauft werden darf.
Stress: Stressituationen kosten die Charaktere oft einen Punkt temporäre Willenskraft, besonders durch den Ironsworn-Move namens Endure Stress.


Setting-Anpassungen
Meine Changeling-Chronik braucht nur minimale Anpassungen, abweichend vom Original-Setting:

Fabelhafte Pooka:
Eine der kleinen Setting-Veränderungen die ich machen möchte, betrifft eine meiner absoluten Lieblings-Charakteroptionen bei Changeling:TD, die Feenspezies der Pooka. Die ersten SCs, die in der Chronik vorkommen sollen, sind daher solche Tier-Feen. Im Originalspiel hat jedes Pooka eine Affinität zu einem einzelnen, festen Tier. Inspiriert von der Darstellung des Pooka in Holly Blacks ‚Spiderwick‘-Geschichten, und von den Lunars in White Wolfs Parallelwelt-Setting ‚Exalted’ sollen die Pooka in dieser Chronik gemischte Affinitäten haben. Ein Lurch-Pooka kann also gleichzeitig auch noch Fledermausflügel haben, oder ein Eichhörnchen-Pooka ein Äffchen-Gesicht oder Widderhörner. Die Verwandlung in die Tiergestalt ist dennoch auf die Spezies festgelegt, zu der die Hauptaffinität besteht (aber mit der Kunst Metamorphosis kann der Charakter natürlich nachhelfen, und sich auch in die Gestalten seiner anderen Tieranteile verwandeln).
Die Tiermerkmale bekommen geringfügige Sonderregeln, welche ich ebenfalls über die jeweiligen Aspekte der SCs festlege. Wie das im Einzelnen aussehen soll, ist unten ersichtlich, bei den Charakter-Profilen.


Ich bin wie sonst stubenhocker-mäßig drauf, also ist das Ganze ein Solo-Play-Projekt. Ich würfel' also introvertiert vor mich hin und schreibe mit dem Tablet nebenher alles mit. Ich mache das wie bei meinen Solo-Kampagnen bei beispielsweise Werewolf: The Apocalypse, Werewolf: The Dark Ages, Deadlands, Ghostbusters, und Fading Suns.

Im Spielbericht sind Textpassagen, wo's um die Solo-Play-Spielmechaniken geht, kursiv geschrieben, um das besser vom restlichen Text trennen zu können.
Ich verwende der Übersicht halber die alten Übersetzungen vom Verlag Feder & Schwert, wo es Sinn macht. Die Fertigkeit Kenning übersetze ich allerdings in dieser Chronik lieber mit 'Gewahren' (statt dem von Feder & Schwert verwendeten Wort 'Erkennen'). Die Magieregeln von C:TD haben sich seit dieser deutschen Edition deutlich geändert (und sind dadurch nun endlich richtig stimmig), deren Begriffe lasse ich im Text daher Englisch. Abstraktere Spielbegriffe aus Ironsworn lass' ich ebenfalls Englisch, die werden immer in kursiv angegeben, um sie vom Rest des Textes abzuheben.

« Letzte Änderung: 16.02.2025 | 21:02 von Schalter »

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Start-Charakter
Wahrscheinlich wird das eine Art Pooka-Chronik, mal sehen. Habe schon eine Menge Ideen dafür. Praktisch: Hier ist deren Hintergrund-Kithbook von damals online zu finden.
Einer von ihnen macht den Anfang in der Handlung:



Til Haselberger
Alter: 32; Kith: Pooka (Hase/Löwe); Hof: Licht; Erben: Eremit/Schelm; Schein: Wildling
Attribute: Geschick 3, Konstitution 2, Stärke 3, Charisma 3, Erscheinungsbild 2, Manipulation 1, Geistesschärfe 3, Intelligenz 3, Wahrnehmung (Hasen-Ohren) 4
Fertigkeiten: Athletik 3, Aufmerksamkeit 3, Ausdruck 2, Empathie 2, Gewahren 2, Überzeugen 3; Etikette 1, Handwerk 1, Heimlichkeit 2, Überleben 1, Tierkunde 3; Computer 1, Enigmas 1, Geisteswissenschaft 2, Gesetz 2, Gremayre 1, Linguistik 2, Politik 3, Nachforschung 2
Hintergründe:
 • Freistatt (Taschenrealität in Vogelhäuschen) 2
 • Ressourcen (Doppelhaushälfte, Grundstück, und Job) 2
 • Schimäre (Die Kleinen Bunnies) 3
Aspekte:
 • Hat jahrelang als Aktivist versucht, seine Nachbarschaft zu retten +1
 • Kann nicht loslassen +1
 • Sein Kopf verwandelt sich in den eines Hasen, wenn er melancholisch ist +1
 • Löwen-Schwanz mit Quaste hilft beim Balancieren +1
 • Abgeklärt, wünscht allen Leuten insgeheim Gutes +1
 • Sinnkrise
 • Überzeugter Pazifist
Künste: Metamorphosis 2, Oneiromancy 1, Wayfare 1
Reiche: Actor 3, Fae 2
Glamour: 4
Willenskraft: 5

Die jeweiligen Aspekte seiner Hintergründe werden aufgelistet, wenn diese im Spiel etabliert worden sind. Bisher ist Til nämlich zwar schon Erwacht, hat aber leider keine Ahnung, was los ist, und was seine eigentlichen Fähigkeiten sind.

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Nimm' Dir eine schöne Tasse Tee und vielleicht etwas Möhrenkuchen, wir fangen an:




Hinter der Wand der Doppelhaushälfte kommt der Gesang einer Opernsängerin hervor, sehr klassisch. Die Nachbarn haben den Fernseher wieder laut gedreht. Tagsüber ist es oft nur 50er-Jahre-Jazz oder Oldies, das kann manchmal ganz behaglich sein. Früher ist das Til nie aufgefallen, dass die Musik durch die Wand dringt. Er bemerkt es erst in letzter Zeit, es ist dann ein wenig, als wäre jemand im Nebenzimmer, als wäre gerade irgendein Besuch da — irgendwelche Gäste seiner Eltern vielleicht, wie früher in der Kindheit. Geräusche, die einen ein bisschen ablenken, die einen aber auch einlullen, irgendwie behaglich eben.

Soundtrack: Pascal Schumacher, Prelude to Robert M
https://www.youtube.com/watch?v=8qxkJJFY9bU

Til sitzt auf dem Korbstuhl in dem Raum direkt neben der Veranda. Auf der Veranda selbst ist es jetzt im Januar natürlich zu kalt, aber er guckt trotzdem gerne raus, durch das große Fenster auf den abendlichen Garten. Seine Straße wird von gelblichem Straßenlaternenlicht beleuchtet, nur vereinzelt kommen Leute vorbei. Sein Buch liegt bereit auf seinem Schoss, aber er schlägt es nicht auf. Er schaut auf das Buchcover, und dann herab an seinen Füßen, die etwas zu lang und zu schmal sind für die Socken. Und natürlich sind die bedeckt von weißem Fell. Die Pfotenpolster sind aber praktisch, durch die fühlt man die Kühle des Dielenbodens kaum. An den Handflächen und Fingerspitzen hat er sowas auch, er hat sich längst dran gewöhnt.

Zu allem Überfluss bemerkt er, dass außerdem der Hasenkopf zurück ist. Das muss wohl mit seiner Gemütslage zusammenhängen, oder mit der Feierabend-Zeit, oder damit, dass es draußen schon dunkel ist. … Ehrlich gesagt hat er noch nicht kapiert, was genau es ist, das das in ihm auslöst. Früher hatte er manchmal Angst, dass das tagsüber bei der Arbeit in der Volkshochschule passieren könnte, vor seinen Zuhörern. Ist aber nie passiert. Und das Fell und den Löwenschweif beachtet ja glücklicherweise niemand. Davon bekommt man nicht so viel zu sehen, scheinbar reicht das, um im Alltag über sein absurdes Aussehen hinwegzutäuschen.

Er stellt seine Hasenohren auf, und hört sogleich die Opernsängerin noch deutlicher, und auch die Geräusche von der Straße. Vor allem schnauzen sich dort draußen gerade Fußgänger gegenseitig an, ein Angeberauto lässt großspurig seinen Motor aufheulen, ein Hund kläfft wie verrückt. Irgendeine der allabendlichen Streitereien scheint sich dort entsponnen zu haben. Til schließt die Augen und kneift sich genervt in die Nasenwurzel. (Seine Nasenwurzel liegt jetzt natürlich wieder woanders und ist breiter als vorher, die Stelle über der haarlosen Hasennase.) Vielleicht sollte er raus ins Kalte gehen und nach dem Rechten sehen, die Streiterei der Leute in Vährwerder ist ihm zuwider … aber Sich-Einmischen ist ihm leider nicht weniger zuwider.

Aus dem Augenwinkel meint Til plötzlich, etwas Helles gesehen zu haben, das über den Rasen gehuscht ist. Schon wieder. Das passiert alle paar Abende! Diese Tierchen sind aber immer zu schnell als dass er erkennen könnte, was das ist! Eichhörnchen und Bisamratten haben ja nicht so ein helles Fell.

Er fühlt sich versucht, aufzustehen und in die Küche zu gehen, vielleicht kann er den hellen Schemen durch das Fenster dort noch einmal entdecken? Seine Hasenlöffel registrieren in dem Moment leise Geräusche … das feine Klappern eines Glasbehälters, der sich millimeterweise auf den Kacheln der Anrichte bewegt, während sein Holzdeckel abgehoben wird …
Es ist das Keksglas.
Als Til befremdet in Richtung der Küche geht, bildet er sich wieder ein, einen weißen Schemen zu sehen, diesmal aber hinter sich auf dem Flur, in Bodennähe. Er dreht sich jäh um, aber in diesem Moment ist da nichts mehr. Er hört irgendwo hinter sich ein Kichern, ganz leise, durch und durch vergnügt … so wie diese Stimme klingt doch kein Erwachsener, und eigentlich auch kein Kind …

Die Ironsworn-Regeln geben vor, dass man einen Inciting Incident inszenieren soll, also ein Auslösendes Ereignis für den Charakter. Dieses führt dann automatisch zur ersten Queste. Wie soll der Inciting Incident für Til denn geschehen, der Auslöser für sein Abenteurerleben? Das weiß ich noch nicht. Vielleicht mal eine Tarotkarte ziehen! Das Orakel ist ‚die Welt‘, sehr passend zum Auftakt der Chronik. Aber was bedeutet die Karte für diesen ereignislosen Feierabend? ‚Sicherer Erfolg, Reise, oder Umgebungswechsel‘, ist die Interpretation der Karte. Das bestätigt mich darin, was ich langfristig sowieso inszenieren wollte, dann machen wir das eben gleich jetzt:

Til findet sich in seinen Pantoffeln und in seinem blau gestreiften Pyjama in den Straßen von Hamburg-Vährwerder, durch die er wandert, und er sieht sich staunend um. Er weiß mit einem Mal überhaupt nicht mehr, wie er hierher kam! Er ist doch nicht einfach aus dem Haus gegangen, denn warum hätte er das denn in Hausschuhen und Schlafanzug machen sollen. Und überhaupt ist es sommerlich warm, und es ist ja auch noch gar nicht dunkel! Ein goldenes Nachmittagslicht erfüllt die Straßen. Die beiden Cafés, die während der Pandemie bankrott gegangen sind, haben auf mysteriöse Weise heute plötzlich wieder geöffnet. Blumen und Efeu schmücken die Eingänge. Leute sitzen an kleinen Cafétischen davor und unterhalten sich miteinander, und amüsieren sich offensichtlich prächtig. Als wäre es immer so gewesen; als wären die Läden nie weg gewesen. Nachbarn treffen sich auf der Straße, und einer begrüßt einen anderen mit freundschaftlichem Schlag auf die Schulter. Tils früherer Nachbar Günther ist auch hier, der alte Knabe, er müht sich ab mit einer schwer beladenen Schubkarre mit Erde vom Gartenumgraben. Obwohl Til nur im Schlafanzug ist, hilft er Günther sofort, bevor er noch umkippt, und gemeinsam leeren sie die Schubkarre schließlich aus, und der Alte bedankt sich strahlend, richtig glücklich über die nachbarschaftliche Hilfe, und offensichtlich auch glücklich über seine eigene Gartenarbeit. Ein kleines Kind fährt ein neues, rotes Fahrrad auf dem Bürgersteig und klingelt ausgelassen immer wieder, der Ton ist aber nicht enervierend — er ist wie Musik.
Til wird schlagartig klar, was dies für ein Gefühl ist, das er hat: Ein ganz starkes Gefühl von Zugehörigkeit, von Zuhausesein.
„… Wo ich schon hier bin, kann ich auch gleich mal schauen, ob die Bäckerei noch auf hat“, sagt er vergnügt zu sich selbst, dann hat er nach seinem unerwarteten Ausflug im Pyjama wieder Brot im Haus.
Die eine Gasse erkennt er wieder, das war früher immer seine geheime Abkürzung zu der Bäckerei. Wenn man durch die geht, spart man locker zwei Minuten (im Vergleich zu seinen Eltern, die den normalen Weg gehen). Hier ist er ja schon seit Jahren nicht durchgegangen! Er bildet sich ein, den Duft von Frischgebackenem schon erschnuppern zu können.

Die Gasse macht unerwartet jedoch allmählich einen Bogen nach links, und wird immer schmaler, und scheinbar auch immer länger. Seine Erinnerung daran, dass man hier direkt zur Bäckerei kommt, scheint Til zu trügen …! Das ist wohl die einzig mögliche Erklärung. Die werden diese Gasse und den Häuserblock ja wohl kaum einfach umgebaut haben, seit er zum letzten Mal hier durchgegangen ist.
Er hält inne und schnuppert die Luft, in einer tierhaften Geste, wie ein Hase eben. Unter die wohligen, altbekannten Gerüche des Stadtteils hat sich mittlerweile ein anderer, neuer Geruch gemischt, wie er bemerkt: Ein Waldduft, es riecht ganz leicht nach moosigem, feuchten Boden und Tannennadeln. Seine Nase bebt und seine Löffel stellen sich auf. Da die gewundene Gasse dem Waldgeruch entgegen führt, kann er genauso gut einen kurzen Abstecher dorthin machen. Er kann sich nicht entsinnen, dass der kleine Hölznerforst am Rand von Vährwerder je so intensiv gerochen hat …
Irgendwie aufregend. Seine Schritte tragen ihn unwillkürlich schneller.

Während er die viel zu lange, viel zu schmale Gasse entlang läuft, wird der Geruch der Wildnis stärker, und seine Löffel registrieren Vogelgezwitscher. Die Geräusche seiner Nachbarschaft weichen den Klängen der Natur.

Seine Pantoffeln setzen auf dichtem, weichen Moos auf. Er schüttelt sie von den Füßen, und geht barfuß weiter, spürt das Moos unter den Fußballen. Das Licht hat nun eine grünliche Qualität, wird zu Zwielicht unter den mächtigen Baumkronen. Til schaut sich mit offenem Mund um, dreht sich im Gehen um sich selbst. Wild gemusterte Nachtfalter und Glühwürmchen umschweben ihn. Eins setzt sich auf seine Nase, als Zwischenhalt, bevor es weiterfliegt. Der Abendwind wispert in den Zweigen, und aus den dichten Farnen im Unterholz dringt wieder das Kichern, das er sich auf dem Flur seines Hauses eingebildet hat.
« Letzte Änderung: 26.01.2025 | 22:27 von Schalter »

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Das Orakel soll uns mal ein Stichwort geben zu dem, was im Wald passiert, hier ist schließlich so ziemlich alles möglich: Diesmal ziehe ich keine feierliche Tarotkarte, sondern rolle einfach die Orakelwürfel wie normalerweise bei Ironsworn üblich. Defend Prize, ist das Ergebnis. Ui, das klingt als wolle ein Einheimischer seine Beute gegen den dahergelaufenen Eindringling verteidigen. Die Orakelwürfel bestätigen diese Vermutung nicht nur, sie zeigen eine 100, das ist auch ein Pasch, daher ein sogenanntes ‚extremes Resultat‘. Dies scheint eine bedeutsame Begegnung zu sein, wahrscheinlich ist dieser Gegner eine Art persönliche Nemesis. Für die Identität des Wesens würfele ich auf den Tabellen Descriptor, Role, und Goal, und bekomme Manipulative Forrester who wants to Restore a Relationship. Aber was ist die oben erwähnte Beute, die er verteidigen will? Das Themen-Orakel sagt, Humanity. Melodramatisch, die ganze Menschheit … oder ist seine eigene Menschlichkeit gemeint …?

Auf einem Steinhügel steht eine ziemlich grotesk aussehende Holzfigur, ein vogelscheuchenhaftes Gestell aus langen Stöckern und Knochen, mit einem Hirschschädel als Kopf. Til zuckt zusammen und legt die Ohren an, als es hinter den Baumstämmen in Sicht kommt. Die Figur scheint eine Art Grenzmarkierung zu sein, oder eine heidnische Kultstätte zu kennzeichnen. Aber niemand ist hier. Er entspannt sich ein wenig. Eine Weile mustert er das primitive Gestell.
„Hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt, Du“, sagt er halblaut.

Ich mache den Ironsworn-Move namens Gather Information und lasse meinen SC durch die Betrachtung Intelligenz+Gremayre würfeln. (Bei Changeling:TD ist Gremayre die Entsprechung der Fertigkeit Okkultismus.) Vielleicht erinnert er sich an eine folkloristische Legende, die ihn auf die Natur dieses Konstruktes kommen lässt. Um reelle Chancen zu haben, müsste ich zwei Würfe machen für meinen Move, da brauche ich entweder einen weiteren Charakter zur Unterstützung, oder viel Zeit für eine Extended Action. Beides habe ich nicht, also läuft's auf nur zwei Erfolge heraus. Ich würfle die Challenge Dice gegen zwei, und erhalte einen Neuner-Pasch. Da beide Challenge Dice höher sind als die Anzahl meiner Erfolge, ist das ein Fehlschlag, und durch den Pasch ein extremer Fehlschlag noch dazu. Bei Gather Information bedeutet ein Misserfolg, dass die Erforschung statt Hinweisen eine unerwartete Bedrohung zutage fördert!

Til erinnert sich also durchaus an ein solches mythologisches Motiv, von dem er mal gelesen hat — Bryndrick, der Baumborken-Wächter! Diese Schreckensgestalt ist im Druidentum des alten Europa aufgestellt worden an Orten der Greuel, und er glaubt, gelesen zu haben, dass dem Bryndrick auch eigene Missetaten zugeschrieben waren, wie das Bringen von Albträumen und Säen von Zwietracht!
Das ist das Negativ-Resultat seines Misserfolgs, er glaubt nun an diese Spukgeschichte, weil er sich an sie erinnert, als sei es ein Fakt.

Deswegen ist es umso schlimmer, als die Holzfigur plötzlich den Kopf mit dem morschen Hirschgeweih schief legt, und die übergroße Hand hebt! Ein leises Knarren untermalt ihre Bewegungen!



Der druidische Bryndrick


Soundtrack: Bryce Dessner & Kronos Quartet, Aheym
https://www.youtube.com/watch?v=7m4kE-agpM8

Da würfeln wir mal Willenskraft für unseren Helden. Zwei Erfolge, das reicht immerhin, um nicht Reißaus zu nehmen. Mit schlotternden Knien weicht Til jedoch zurück.
Mit einer beinahe eleganten Bewegung verlagert die Holzkonstruktion ihr Gewicht von einem Stelzenbein auf das andere. Dabei klappert ein großer Schlüsselbund an ihrer Hüfte. Merkwürdigerweise ist dies das einzige an ihm, das nicht krude aus Naturmaterialien gemacht ist.
„Go dtuga Dia síocháin agus rath leat“, tönt eine leise Stimme, „Der Baumborken-Wächter hat lange keinen Kithain mehr gesehen. Schon gar nicht hier, so nah am Waldrand.“
Es klingt, als würden keine Stimmbänder die Worte erzeugen, sondern im Wind ächzende Zweige!

Das ist zuviel, der mythologische Bryndrick will ihm ans Leder, denkt Til entsetzt!
Er wirbelt herum, und rennt weg so schnell ihn seine langen Hasenbeine tragen! Zweige peitschen gegen seine Schultern, er legt erneut die Löffel an im Rennen, taumelt beinahe im Unterholz, setzt mit großen Sprüngen über ein paar bemooste Felsen und Baumstämme hinweg. Sein Nackenfell und die Quaste seines Löwenschweifs haben sich wild gesträubt. Nach ein paar Minuten sieht er sich mit vor Angst gefletschten Zähnen über die Schulter um. Ist das Ungeheuer hinter ihm her?!

Neben dem falschen Schluss, den mein SC gerade gezogen hat, muss außerdem auf der Tabelle des Folge-Move Pay the Price gewürfelt werden. Das Resultat ist, dass er Schaden hinnimmt. Kein Wunder bei der kopflosen Flucht!

Als er sich also im Wegrennen umdreht, stolpert er über ein paar Wackersteine und Baumwurzeln im Halbdunkel des Waldes, und kullert eine erdige Böschung herab!

Den Ironsworn-Move namens Endure Harm brauche ich nicht zu machen, die Changeling-Regeln haben ja ein eigenes System für Schaden. Ich ermittle eine zufällige Zahl Wundlevel und würfle zum Absorbieren dagegen, es bleibt eines.

Til landet desorientiert in den Farnen am Fuß der Böschung, voller blauer Flecken und Abschürfungen, sein Pyjama voller Erde und Baumgrün. Japsend und mit ängstlich aufgestellten Hasenohren sieht er sich um, lauscht panisch in die Dunkelheit.

Das ist doch alles nicht schlecht als Auslösendes Ereignis für die Abenteurerlaufbahn, jetzt fällt mir auch ein gute Queste für Til ein: Vorerst muss es ihm nur gelingen, nach Hause zurück zu kommen. Das machen wir mit der
Queste (Gefahrvoll): Den Schlüssel von Bryndrick erlangen, um zur Freistatt zurückzukehren, und zurück nach Hause in die Wachwelt zu gelangen.
Was genau das heißen soll, wird sich im weiteren klären:

„Wo bin ich hier …?“, wispert Til zu sich selbst, „Wie komme ich jetzt zurück?!“
Ihm fällt auf, dass er die Orientierung verloren hat. Er könnte nicht mal sagen, in welcher Richtung der Waldrand lag! Und noch viel schlimmer: Es dringt jetzt in sein Bewußtsein, dass er ein leises Scheppern und Klicken gehört hat, als er eben die mysteriöse Gasse verlassen hat, die aus seiner sonnigen Nachbarschaft hinaus geführt hat, und in den duftenden Wald hinein. … Wenn er jetzt darüber nachdenkt, klang es wie eine Tür … die hinter ihm ins Schloss gefallen war!
„Aber natürlich ist das hier alles ein Traum!“, sagt er laut zu sich selbst, laut genug, um seine Angst zu übertönen, und das Trommeln seines Herzschlags.
„Ich muss nur wieder aufwachen!“, fügt er entschlossen hinzu.
Das Rauschen des Waldes wird lauter, bedrohlicher, als eine Windböe die nächtlichen Wipfel schwanken lässt.
Til sinkt noch etwas weiter in sich zusammen und zieht die Mundwinkel seiner Hasenschnauze herunter, sieht kurz so aus als wolle er versuchen, seinen Hasenkopf in seinen Pyjamakragen einzuziehen. Da sitzt er im Ginster, ein Häuflein Elend, wie ein verschrecktes Karnickel.

Was ist unser nächstes Stichwort? Die Orakelwürfel sagen poetisch, Construct Dream. Da wir ja hier schon im Traum-Reich sind, kann das nur bedeuten, dass ein weiterer, anderer Traum an dieser Stelle entsteht. Ist das ein Bauwerk innerhalb des Waldes? Das verneint das Orakel. Die Würfel bestätigen stattdessen, dass es ein anderer Teil des Waldes ist, also womöglich eine angrenzende, verwandte Traum-Realität.

Soundtrack: Philip Glass, Prelude to Endgame
(Leider auf YouTube nicht wirklich am Start, gibt's aber auf Spotify.)

„Ich bin einfach nur ein bisschen schizophren, das ist alles!“, sagt Til halblaut zu sich selbst, als er sich endlich aufrappelt, und versucht, dabei entschlossen zu klingen, „Das kommt, weil ich vorhin noch so lange bei der Arbeit Datensätze sortiert habe und sowas; das ist Kleckerkram, das hätte ich einfach mal den Praktikanten überlassen sollen! Morgen wäre auch noch rechtzeitig gewesen! Ja, das rächt sich dann, dann ist man eben nach Feierabend total überspannt!“
Er sieht sich um, und nickt wie zur Bestätigung, „Genau, das bin ich doch, überspannt! Ich brauche mehr Schlaf, mehr Regelmäßigkeit, mehr Routine! … Elektrolyte ist auch wichtig ...“
Er hält kurz wieder die Schnauze, und lauscht in den Wind, das Blätterrauschen und die Tiergeräusche sind überwältigend, insbesondere durch ihre Eindringlichkeit, sie wirken unleugbar real.
„Ein lebendiger Bryndrick, dass ich nicht lache!“, ermuntert er sich, halblaut, „… Also dann: Aufwachen!“
Er konzentriert sich darauf.
„Aufwachen.“
Das Waldesrauschen und Windbrausen werden nicht im geringsten leiser. Die tiefen, urtümlichen Düfte der Wildnis an Tils Nase sind betörend. Der auffrischende Wind trägt nur noch weitere heran.
„Na los, jetzt aber: Aufwachen! Streng' Dich an, Haselberger!“
Er reißt schlagartig wieder die Augen auf, und sieht den dunklen Wald. Angefüllt mit ominösen, samtenen Halbschatten. Unverändert.
Irgendwas scheint sich zu nähern, im Gebüsch, zwischen den dicht stehenden Stämmen … vielleicht schleicht ein Tier sich an. Vielleicht eine ganze Meute. Und er steht hier hoch aufgerichtet herum, auch noch bedeckt mit schneeweißem Fell, das einem in der Dunkelheit als einfaches Ziel ins Auge springen kann …!
Seine Schrunden und blauen Flecken ignorierend rennt Til weiter …

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Dabei gerät er unweigerlich tiefer in den dunklen Märchenwald. Da das Orakel die Konstruktion eines anderen Traums vorausgesagt hatte, schicken wir ihn in neuentstehende Grenzgebiete des legendären Tulgee-Wald herüber, ursprünglich aus der Feder vom großen Lewis Carrol, wem auch sonst!

„Aufwachen … aufwachen … einfach mal: Aufwachen!“, keucht Til vor sich hin, während er durch das Nachtdunkel hastet. Ein bisschen manisch wirkt das.
Um ihn herum explodieren kugelrunde Rhododendronbüsche mit freudigem Blätterrascheln aus dem dunklen Nichts in neue Existenz. Es werden immer mehr, spontane Buschwerk-Genesis. Ihre Blätter sind betörend violett. Ein ganzes, neues Ökosystem pufft nach und nach herbei.
Da endlich, zwischen dem neuentstandenen Bewuchs: Ein einzelnes Zeichen von Zivilisation! An einem lavendelfarbenen Baumstamm prangt ein großes Schild, in Form eines Pfeils, beinahe wie ein Wegweiser. ‚Attention please!‘, steht dort, in großen Lettern eingedrechselt.
„Achtung bitte, genau“, sagt Til nervös zu sich selbst, „Achtung, das ist gut. Alle Achtung. Da geht’s endlich raus aus dem Unterholz, ganz bestimmt.“
Kurz hinter dem Schild sieht er in einem unerklärlichen Ambiente-Licht auch einen gewundenen Pfad, bestehend aus so etwas wie goldgelbem Sand, der zwischen den Stämmen hindurch führt. Til kichert überdreht, als er seine Hasenfüße auf den Sandweg setzt, er fühlt sich ein kleines bisschen erleichtert, aber nicht wegen dem gefundenen Weg: Das Aberwitzige der Umgebung ist der eigentliche Anlass dafür. Er kommt noch nicht darauf, an was ihn dies hier erinnert, aber es ist so ungemein drollig, und eben auch trippy, weil es eben völlig real erscheint.

Natürlich gabelt sich der Weg bald. Til versucht verzweifelt, sich zurechtzufinden, und eine Route einzuschlagen, die ihn in die Zivilisation zurück führt, oder zumindest zurück zum Waldrand vorhin!

Ich mache für das ausgiebige Absuchen eine Extended Action, mit zwei aufeinander folgenden Würfen auf Wahrnehmung+Überleben. Damit mache ich den Move Gather Information, vielleicht findet sich hier irgendwo eine hilfsbereite Siedlung. Leider wird ein Fehlschlag dabei ermittelt. Also wieder ein Wurf auf der Tabelle vom Move Pay the Price: ‚Eine überraschende Entwicklung verkompliziert Deine Queste‘, sagt diese.

Also Momratzen! Momratzen auf den Pfaden, Momratzen im Unterholz, Momratzen bedecken die Baumstämme. Normalerweise marschieren sie nur in Gruppen von wenigen hundert, wie bewegte Teppiche. Hier aber hat irgendetwas sie aufgescheucht, und in Massen hierher getrieben!



Die alte Regel aus Kindertagen gilt auch hier: Tritt' nicht auf die Momratzen!


Und was steckt hinter dieser vorhergesagten ‚überraschenden Entwicklung‘? Dafür ziehe ich wieder eine Tarotkarte, und bekomme den Herrscher. Der steht für Tradition, institutionelle Weisungen, und Konformität. Interessant, denn das ist so ziemlich die Antithese von allem, was dem typischen, Carrol'schen Wunderland-Bewohner im Sinn steht! („We're all mad here!“) Also ist hier wohl ein Grenzkonflikt am Laufen …

… Und hinter der Biegung des Pfades bewegen sich große, bedrohliche Schemen: Jedes Mal, wenn einer der mächtigen, stählernen Füße sich auf dem Sand aufsetzt, gibt es ein gedämpftes Stampfen. Til reißt seinen fassungslosen Blick von den wimmelnden Flächen aus Momratzen los, und heftet ihn auf das Trio aus Hünen. Jeder von denen ist zweieinhalb Meter hoch, und sie sind von schwarz glänzenden Rüstungen bedeckt. Die vielen einzelnen Rüstungsteile lösen sich bei jeder Bewegung, stehen ab wie aufgestellte Käferflügel, und schnappen wieder fest aneinander, wenn ein Schritt gemacht ist und die Stiefel aufsetzen …! Es ist ein unglaublicher Anblick, wenn man Sehgewohnheiten hat wie Til aus dem normalen Alltagsleben. Die Momratzen wuseln vor den Geharnischten her, und scheinen Angst zu haben, zertreten zu werden. Die schwarzen Ritter bewegen sich schwerfällig, ohne jede Hast.

Diese Erscheinungen sind beinahe so schrecklich wie der heidnische Bryndrick vorhin. Til hechtet ins Buschwerk, und kauert sich zusammen.

Hier sind schon mal Spielwerte für diese Schimären, für später:


Grimgoriminatori
Attribute: Geschick 2, Konstitution 5, Stärke 7, Charisma 3, Erscheinungsbild 0, Manipulation 2, Geistesschärfe 2, Intelligenz 2, Wahrnehmung 2
Fertigkeiten: Athletik 2, Aufmerksamkeit 2, Ausdruck 3, Einschüchtern 5, Empathie 1, Überzeugen 1; Bogenschießen 3, Etikette 4, Heimlichkeit 1; Gesetz 4, Gremayre 2, Nachforschung 2
Aspekte:
• Gnadenlose Hüter der Gesetze +4
• Schwer gepanzert +5
• Langsam und schwerfällig
• Unspontan
Willenskraft: 7
Ausrüstung: Streitkolben oder Schwerter, Schilde; manche haben Pfeil und Bogen; Gesetzestexte in Buchwälzern und Schriftrollen, Verträge, alles in fremdartiger Runenschrift, Siegelwachs, Siegelringe, und amtliche Stempel.


Tils überaus scharfe Ohren hören ein leises Schluchzen über das Stampfen der Harnischstiefel, das Brausen des Nachtwinds, und das Rascheln der flüchtenden Momratzen. Er sieht sich ängstlich um. Jemand kauert nicht weit von ihm ebenfalls in einem der violetten Büsche, er sieht die Gestalt zwischen den Zweigen hocken. Sie gibt ein mattes Licht ab, vor allem ihre Haare und die Insektenflügel auf ihrem Rücken. Es ist ein kleines Mädchen, offensichtlich gebannt vor Schrecken, sie unterdrückt ihr Schluchzen so gut sie kann.

Tils Mitleid überwiegt seine Angst vor den nahenden Geharnischten. Er will versuchen, zu dem Kind herüber zu gelangen, ohne gesehen zu werden. Dabei darf er natürlich außerdem nicht auf vereinzelte Momratzen treten!

Dafür mache ich den Move namens Face Danger. Die beiden Charaktere können hierbei zusammenarbeiten. Für Til würfele ich Geschick+Heimlichkeit, für das kleine Mädchen Wahrnehmung+Aufmerksamkeit. … Nice, acht Erfolge kommen dabei zusammen. Die Challenge Dice zeigen leider eine Neun, aber glücklicherweise auch eine Eins, also immerhin ein Weak Hit. Beim Move Face Danger heißt das, ich muss ein Negativ-Resultat aus einer Liste aussuchen, da nehme ich das Erbebnis ‚stressig’. Der SC verliert dabei bei den Original-Regeln Punkte von Ironsworns Spielwert namens Spirit; für meine Charaktere nach WoD-Regeln heißt das stattdessen entsprechend, einfach einen temporären Willenskraft-Punkt einbüßen.

Til huscht in weiten Sprüngen von Deckung zu Deckung, die ängstlich dahin wuselnden Momratzen im hohen Gras meidend, und wird dabei den drei gepanzerten Hünen näher ansichtig. Hinter ihnen kommen noch weitere den Waldweg entlang! Einer trägt sogar eine düstere Fahne an einer Lanze. Sie sehen aus wie eine Grenzpatrouillie oder die Vorhut einer Besatzerstreitmacht. Entsetzen erfüllt ihn, besonders wegen der schauderlichen Größe der Ritter. Menschen sind das nicht! Er achtet auf die Mimik des flennenden Mädchens, das offensichtlich begriffen hat, dass er ihr helfen und zu ihr rüberschleichen will. Sie schüttelt hektisch den Kopf, wann immer er aus einer seiner Deckungen herausspringen will, aber die Luft gerade nicht rein ist. Dadurch hilft sie ihm, sein Schleichen zu koordinieren, sozusagen als Ausguck.

Mit heftig klopfendem Herzen kommt Til neben dem Mädchen an, und kauert sich im Schutz des Busches zusammen, in dem auch sie hockt. Sie hat tapfer mittlerweile aufgehört zu weinen, und guckt ihn aus großen Augen an. Sie ist wahrscheinlich acht oder neun, mit langen, dünnen Haaren, einer Stupsnase, und leuchtend smaragdenen Pupillen. Sie ist bildschön. Ihr schmuddeliges Nachthemd ist hinten aufgerissen, damit die beiden kleinen, grünlich schillernden Insektenflügel herausschauen können. Ihre Ohren laufen spitz zu.



Ein Kind hat sich im Tulgee-Wald verlaufen


„Nicht weinen, ich bin ja da!“, keucht Til, aber seine Stimme klingt alles andere als selbstsicher.
„Jak masz na imie?“, haucht ihre brüchige Stimme.
„Sprichst Du Deutsch?“, flüstert Til überfordert, und auf Englisch ergänzt er, „Kannst Du Englisch?“
„Tak, troche“, sagt sie, und fügt hinzu, dann auf Englisch, „bisschen Englisch versteh' ich.“
„Sehr gut!“, raunt Til, in derselben Sprache, „Was ist hier los? Wer sind die?!“
„Wunderland hat sich eben größer gemacht“, wispert das brüchige Stimmchen, „wächst an Märchenwald heran. Hat sich neue Wege gemacht, rozumiesz? Die da kommen, um neue Grenze zu erobern.“
„Verstehe ich nicht! Und wer sind die?!“
Urojenie! Ritter von Alleinherrscher!“
„Von wem?!“
„Alleinherrscher. Urojenie-König, weißt Du das denn nicht?!“
„Ich bin hier völlig fremd! Und außerdem ist das hier sowieso ein Traum!“, zischt Til.
„Aber Du weißt das doch … Du bist Freund von Niedzwiedz. Du bist doch Zajaczek …“
„Ich bin Til Haselberger!“
Das Mädchen schweigt verunsichert.
„Was soll das heißen, Uroje-Dingens-König? Wer ist das? Warum schickt der Truppen hierher?“
„König von Grimgoromn! Frieden zwischen Herzkönigin und Grimgoromn bedroht! Grimgoromn greift nach Tulgee-Wald.“
„Tulgee-Wald …“, wispert Til gebannt.

Jetzt schaltet er vielleicht, Kinderbuch-Motive sind normalerweise voll sein Ding. Der Begriff Tulgee-Wald ist das einzige von den vielen fremden Wörtern, das er schon mal gehört hat. (Er kann schließlich kein Polnisch.) Wir lassen ihn mal Intelligenz+Gremayre würfeln. Keine Erfolge, aber Einser: Ein Patzer! Unser Held zieht einen völlig falschen Schluss, wie bereits beim Bryndrick:

„Tulgee-Wald! Na klar, dieser Ort in der Bibel! Buch soundsoviel, Vers … was weiß ich. Dieser Traum hier … bedient sich biblischer Motive.“
Das geflügelte Mädchen schüttelt verwirrt den Kopf.
„Dann ist Grimgoromn auch etwas Biblisches, ja? So wie Megiddo, oder Golgatha!“
„Bist Du Glupi geworden, Zajaczek?“
„Du musst bitte aufhören, halb in Fremdsprachen zu reden! Ich kann Dir überhaupt nicht folgen!“
„Ein Glupi! Einer, der nicht gescheit ist!“, und auf ihr verweintes Gesicht beginnt sich sogar ein Lächeln zu schleichen.
„Werd' bloss nicht frech! So, genug davon. Wir hauen jetzt hier ab!“
„Wie? Kann nicht mit, wenn Du Dich in Hasen verwandelst. Du zu schnell.“
„Ich kann mich nicht noch mehr in einen Hasen verwandeln! Wie ich aussehe ist schon schlimm genug.“
„Schlimm …?“
„Na, das Fell, und der Schweif, und heute Abend ist auch schon wieder der Kopf dazugekommen. Die Menschen müssen schon all ihre Höflichkeit zusammennehmen, um darüber hinweg zu sehen.“
„… Als richtiger Hase, Du zu schnell. Ich kann nicht hinterher.“
„Okay, okay. Es ist ein Traum, was? Schon klar. Da kann sowieso alles passieren. … Nee, ich verwandle mich schon nicht noch weiter, keine Sorge. Komm' auf meinen Arm, ich trag' Dich.“
„Wir müssen weg aus Tulgee-Wald! Zu gefährlich!“, sagt das Kind, als es auf Tils Arme klettert, und sich in seinem Fell festklammert.
„Ja, okay. Ich komme aus der anderen Richtung, dahin gehen wir. Da ist der Wald nicht violett, sondern dunkelgrün.“
„Ist der grüne Märchenwald. Geht jetzt nicht mehr. Jetzt überall Momratzen, und Urojenie-Ritter, ganz bestimmt.“

Til darf wieder Intelligenz+Gremayre würfeln, und diesmal kapiert er zumindest endlich eine Sache:

„Violetter Tulgee-Wald und grüner Märchenwald! Schon klar, alles klaro … das ist, als würde ein Traum in einen anderen Traum übergehen, dort an dieser Stelle …! In gewissem Sinne logisch. … Traum-Logik eben!“
Das kleine Mädchen schweigt und klammert sich an ihm fest, seine Gegenwart scheint sie schlagartig zu beruhigen. Immerhin etwas, denkt sich Til. Er späht hinaus auf den Waldweg. Die Grimgoromn-Ritter marschieren schwerfällig dort entlang, sie sind noch nicht weit gekommen, und wirken sehr aufmerksam, drehen im Laufen ihre Visiere nach links und rechts. Ein Schauder läuft Til über den Rücken. Er wird rennen müssen als sei der Teufel hinter ihm her.

Wir machen denselben Move wie eben, Face Danger, diesmal, um schnell und ungesehen wegzukommen. Das Kind schaut über Tils Schulter nach hinten zu den Verfolgern, und der Hase tut das, was Hasen so gut können, und rennt wie bekloppt weg! Acht Erfolge bekommen die beiden zusammen. Die Challenge Dice rollen, und eine Acht ist leider dabei, also nur ein Weak Hit. Das bedeutet, dass wir entkommen, aber nur mit einer Negativkonsequenz: Das kündigt hier eine neuerliche Gefahr an. Da fällt mir direkt was zu ein:

In seinem wahnwitzigem Sprint dringt etwas an Tils Hasenohren, das ihn instinktiv einen Haken schlagen lässt. Er presst seinen Rücken an einen Baumstamm, in Deckung.
„Co jest nie tak?!“, wimmert das geflügelte Mädchen.
„Oh nein, oh nein“, raunt Til, drückt sie noch fester an sich, und linst vorsichtig um den Baum herum, in die Richtung, in die er eben noch gerannt war. Und seine scharfen Ohren haben ihn nicht getrogen: Zum Knarren der lavendelfarbenen Bäume im Tulgee-Wald hat sich ein anderes Knarren dazu gemischt … feiner, umher wandernd. An seiner Hüfte klimpern die vielen Schlüssel leise.
„Der Bryndrick!“, presst Til hervor.

Die Schimäre verfolgt ihn offensichtlich. Logischerweise ist das dann aber sogar ein Milestone auf Tils Queste, denn er muss ja den richtigen Schlüssel von dieser Schimäre ergattern, um seine Aufgabe zu erfüllen. Das weiß er nur noch nicht! Damit steigt jedenfalls der Fortschritt auf zwei (jeder Milestone gibt bei einer Gefahrvollen Queste zwei Fortschritt-Punkte, von bis zu zehn möglichen). Da der Bryndrick jedoch aufgrund einer Negativ-Konsequenz erschienen ist, und der arme Til ihn sowieso zu meiden versucht, kann er jetzt nicht gezielt mit ihm interagieren, um noch einen Meilenstein zu erreichen. Im Gegenteil, er muss Reißaus nehmen!

Das Holzkonstrukt stakst auf seinen geschickten Stelzenbeinen umher, sein breites Hirschgeweih bewegt sich hin und her, während sein Schädel nach seinem Ziel späht! Es bewegt sich mit absurder Eleganz und Leichtigkeit, in Anbetracht seiner Größe, und der Tatsache, dass es nur aus alten Stöckern zusammengebaut ist!
„Der ist nicht mir auf den Fersen, nee nee, keine Sorge! Der vertritt sich nur die Beine!“, lügt Til in gedämpfter Stimme.
„Wird auch angelockt, von Urojenie-Rittern!“, wispert das Mädchen.
„Ja, könnte sein. Genug Lärm machen sie ja. Nicht unsere Sorge, alles kein Ding!“
„Du lügst, Zajaczek!“, flüstert das Mädchen furchtsam, „Du sein wie Niedzwiedz! Darfst nicht lügen!“
„Nein nein, keine Bange. Wir sind sicher vor dem. Wir machen jetzt weiter die Biege!“

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Ja, die Biege machen willste, Til! Dafür wirst Du durch die Grenzgebiete des Tulgee-Wald müssen mit Deinem Findelkind, und der ist ganz bestimmt nicht biblisch, wie Du glaubst, sondern Carrol'sch, und es hausen auch noch weit merkwürdigere Kreaturen drin als Momratzen! Das soll ein Delve werden, wie in der Ironsworn-Erweiterung beschrieben. Dies ist natürlich kein Dungeon, sondern ein Wildnisgebiet, also definiere ich es (nach den Regeln in Ironsworn: Delve) als ‚Wild Tanglewood‘. Entsprechend sind die Encounter- und Umgebungstabellen. Wenn wir da durch sind, erreichen wir den Märchenwald wieder, und finden vielleicht (vielleicht!) zur heimischen Freistatt zurück! Das Missionsziel des Delve ist einfach nur, das Grenzland zu durchqueren. Diese Gegend des Tulgee-Wald definiere ich als Gefahrvoll. Den Delve durch den Tulgee-Wald abzuschließen bedeutet dann einen weiteren Milestone für die laufende Queste.

Der erste Move ist dann Delve the Depths: Til bewegt sich leise und hastig, und würfelt Geschick+Athletik. Das polnische Mädchen unterstützt ihn erneut mit Wahrnehmung+Aufmerksamkeit. Lumpige drei Erfolge, oh ha. Die Challenge Dice sind uns dennoch gnädig, und machen daraus immerhin noch einen Weak Hit. Also wird auf der Tabelle des Moves gewürfelt. Der Wurf ergibt die ersten zwei Punkte Fortschritt, aber gleichzeitig muss der Folge-Move namens Reveal a Danger gemacht werden. Dessen Tabelle leitet mich weiter zur gewählten Theme Card, ‚Wild‘, und diese wiederum ergibt, ‚Hazardous Terrain‘.


„Das gibt’s doch irgendwie alles nicht …!“, bringt Til hervor, und verlangsamt seinen Sprint, bleibt schließlich stehen. Das Mädchen auf seinem Arm wendet sich um, schaut in seine Laufrichtung.
Hier ploppen wieder Büsche auf in der Dunkelheit, wo vorher keine waren, wie raschelnde Blätterexplosionen, die daraufhin als lila Strauchwerk bestehen bleiben. Als wären sie auf herkömmliche Weise an dieser Stelle gewachsen. Dazwischen schlängeln sich Dornranken am Boden, bedecken die Hügel, und als sie in die von ihnen gewünschte Form gewachsen sind, vergrößern sie noch ihre Dornen ein wenig, bevor sie erstarren.



Dornranken auf Speed


„Das war vorhin noch nicht da! Das war vorhin der Rückweg!“, protestiert Til.
„Drum herum gehen?“
„Ja, klar … oder an irgendeiner Stelle … drüber weg …“

Wir würfeln wieder für Face Danger. Das Kind kann mit Wahrnehmung+Aufmerksamkeit vielleicht eine Stelle finden, wo Totholz oder niedriges Astwerk über die Dornen hinweg führen, und Til kann darüber hinweg klettern. Und beim Balancieren hilft ihm sein Löwenschweif, da kann ich erstmals einen meiner Aspekte vorteilig einbringen, und bekomme einen Bonus-Würfel. Geilo. Damit kommen die beiden Charaktere gemeinsam auch auf acht Erfolge, das kann sich sehen lassen! Die Challenge Dice zeigen eine Sechs und eine Zehn, also dennoch nur ein Weak Hit. Das bedeutet wohl, dass es wieder Schaden gibt! Da die blauen Flecken von vorhin längt geheilt sind (Changelings heilen ein Level schimärischen Schaden jede Viertelstunde innerhalb des Träumens), war Til zwischenzeitlich wieder voll fit geworden.

Mit präzisen Schritten balanciert Til über einen dicken, niedrigen Ast, der über das fies aussehende Dornenfeld hinweg führt. Er ist fast auf der anderen Seite angekommen, da rutscht er im feuchten Moos aus, und fällt! Er steuert seinen Sturz instinktiv so, dass er das Kind auf seinem Arm mit dem eigenen Körper noch schützen kann, aber landet rücklings in den Dornen. Er absorbiert etwas von dem Schaden, und nimmt nur ein erneutes Wundlevel hin. Er fletscht die Zähne, es gelingt ihm, nicht laut vor Schmerz und Erschrecken aufzuschreien. Wer weiß, ob ihre Verfolger noch in Hörweite sind!

Kurz darauf hocken die beiden in einem neuerlichen Versteck, und das Mädchen zieht eine lange Dorne nach der anderen aus Tils blutigem, weißen Rückenfell.
„Aua, aua, aua! Vorsichtig!“, bringt er hervor, der Schrecken sitzt ihm immer noch in den Knochen.
„Nicht wehleidig sein, Zajaczek! Ist gleich vorbei.“
„Warum nennst Du mich eigentlich immer so?“, flüstert er.
Du bist Zajaczek. Freund von Niedzwiedz!“
„Ja, klar, und wir fahren immer in unserem Zirkuswagen durch Osteuropa und alles. Aber wie heißt Du überhaupt?“
„Geheim.“
„Was soll das heißen, geheim? Ist Dein Name geheim?!“
Sie nickt, und zieht den nächsten Stachel raus.
„Aua. Hm, aber wie soll ich Dich denn bitteschön nennen?“
„Aneta …“
„Okay, na also, wer sagt’s denn. Du sprichst Polnisch, oder?“
„Still halten, Zajaczek. Nicht zappeln.“
„Ich zappele gar nicht, überhaupt nie. Aua.“
„Du musst mir sagen, wo ist Niedzwiedz! Bitte! Geht es ihm gut?“, und Anetas Flüstern klingt plötzlich drängend, beinahe ein bisschen verzweifelt.
„Ich habe keine Ahnung, worauf Du anspielst! ‚Nie-Ätsch-Wedsch und Zaja-Scheck‘, ja? Klar, habe ich schon mal gehört, es fällt mir bestimmt wieder ein. Autsch. Ich mache Dich dann bekannt mit den beiden!“
Til ist verdutzt, als er sich selbst beim Flüstern zuhört. Was soll eigentlich diese ständige Flunkerei? Er will das arme Kind natürlich beschwichtigen, aber es dauernd hinters Licht führen zu wollen ist doch auch nicht die Lösung! Zugegeben, er neigt manchmal ein bisschen zu Ausflüchten, im normalen Leben, im Wachzustand. Aber jetzt nimmt das Überhand, jetzt muss auch mal Schluss sein damit!

(Tatsächlich ist das natürlich seine Frailty, die sich hier immer deutlicher zu manifestieren beginnt, denn so wie seine Artverwandten ist Til, ob er will oder nicht, ein totaler Lügenbold!)

Das Kind schweigt zurückhaltend, und zieht die letzten Dornen aus seinem Rücken.
„Das ist schon viel besser. Danke!“
„Zu lange gedauert! Schnell weiter!“
Til zieht sein schmuddeliges Pyjamaoberteil wieder an, und nimmt Aneta wieder auf den Arm.
„Wir sind ja fast da“, lügt er, ohne auch nur darüber nachzudenken. Innerlich beißt er sich auf die Hasenzunge. Er weiß von seinen gleichaltrigen Freunden, die schon Kinder haben, sehr gut, dass Kinder es nicht mögen, wenn man ihnen was vormachen will.

Darauf folgt also dann der nächste Move für Delve the Depths, um weiteren Fortschritt zu erhalten. Ich würfle diesmal Geschick+Überleben für Til, +erneut seinen Aspekt, weil er sicherlich mehrmals wieder irgendwo rüber balancieren muss in dem unwegsamen Terrain. Für die Kleine würfele ich diesmal Wahrnehmung+Enigmas, denn das neuentstehende Grenzland des Tulgee-Wald folgt nur zum Teil geografischen Gesetzen, ansonsten Traumlogik. Fünf Erfolge kommen dabei raus. Erneut ein Weak Hit. Das bringt laut der Beschreibung des Moves meinen Fortschritt rauf auf vier Punkte, aber erneut zum Preis des Folge-Moves Reveal a Danger. … Hier ist eine Falle aufgestellt worden, sagt die Domain Card.

Der müssen die beiden Charaktere erneut via Face-Danger-Move entgehen. Til soll Geschick+Aufmerksamkeit dafür verwenden, und Aneta Wahrnehmung+Aufmerksamkeit. Sechs Erfolge, immerhin. Aber die Challenge Dice zeigen eine Neun und eine Zehn! Ein Fehlschlag also. Das zwingt uns zum Folge-Move Pay the Price. Unsinnig in diesem Fall einen zufälligen Effekt zu erwürfeln, denn dieser Move muss logischerweise einfach heißen, dass Til mit Aneta auf dem Arm in die Falle tappt:

Unter seinen Fußpolstern fühlt Til plötzlich ein leichtes Schnappen, und sofort fahren Dornranken aus dem Waldboden vor ihm, und bilden eine hohe Wand, sie wachsen binnen Sekundenbruchteilen in die Form eines viktorianischen Zauntores! Dasselbe geschieht daraufhin links und rechts von ihnen, und als Til entsetzt herumwirbelt, auch hinter ihnen! Die Zaun-Ranken sind dornenbewehrt, und sind drei Meter hoch gewachsen!
„Das ist Zaunkraut!“, quietscht Aneta angsterfüllt, „Müssen Ritter von Grimgoromn hier gepflanzt haben! Urojenie!“
„Sag' mir was, das ich noch nicht weiß!“, keucht Til.
„Jetzt sie haben uns! Glauben, wir sind aus Tulgee-Wald!“
„Ich bin aber aus Hamburg, ich komme ja nur am Wochenende im Tulgee-Wald vorbei, oder an anderen biblischen Orten!“, flunkert Til, sinnlos.
„Wissen Urojenie-Ritter aber nicht!“, haucht Aneta angstvoll.
„Bist Du eine Art Ureinwohnerin vom Tulgee-Wald?“
„Nie“, verneint sie auf Polnisch, und fügt auf Englisch hinzu, „Habe mich verlaufen. Vor langer Zeit schon ...“
„Dann erklären wir das diesen Rittern eben einfach, wenn sie hierher kommen, um ihre Falle zu kontrollieren.“
„Nützt uns nichts.“
„Hey, aber Du hast doch Flügel, Kleine! Du kannst ja einfach hier raus fliegen, und Hilfe holen!“
Sie schüttelt hilflos den Kopf, „Kann nicht fliegen!“
Ja stimmt, aerodynamisch sieht das nicht gerade aus, ihre Rückenflügel sind wohl zu klein, um sie in die Lüfte zu heben. Schade eigentlich, das wäre jetzt vermutlich die Rettung gewesen.

Und sind die nahenden Schritte der Grimgoromn-Ritter bereits zu hören …? Die Orakelwürfel sagen, nein, mit Einser-Pasch. Ein extremes Resultat also: Diese Falle ist bereits vergessen.

Til und Aneta sehen, wie die rapide wachsenden Randbereiche des Tulgee-Wald dichter werden, dort hinten, wo sie beide gerade hergekommen sind. Immer weitere Baumstämme wachsen aus dem Waldboden zwischen anderen Baumstämmen, und beginnen nach und nach eine fast undurchdringliche Wand zu bilden. Das Erdreich wölbt und hebt sich unter dem rasant wachsenden Wurzelwerk darin, der Dornen-Käfig nimmt Schräglage ein. Til kämpft um Gleichgewicht, Aneta schreit auf. Die ganze Falle bewegt sich auf einer Scholle aus bröckelndem Erdreich langsam davon!

„Müssen hier raus! Szybko!“, wimmert das Mädchen, „Mach' uns ganz klein, Zajaczek!“
„Wie bitte?!“, fragt Til entgeistert, aber dann bildet er sich ein, zu begreifen, was sie meint. Dies ist doch nichts weiter als ein Traum! Er träumt sich und sie einfach klein, klein genug, um zwischen den Dornranken-Gitterstäben raus hüpfen zu können!
Instinktiv kauert er sich zusammen, legt seine Ohren an, legt die Arme um das Kind, und flüstert, „Schrumpfen! Schrumpfen! Schrumpfen!“

Das ist das sogenannte ‚Schelmenspiel’ für diesen Zauber. Til weiß nicht genau, was er da tut, seine Zauberei ist noch rein intuitiv. Das Schelmenspiel senkt die Schwierigkeit von sieben auf fünf, und ich würfle Tils Feen-Kunst Metamorphosis, mit dem Effekt Worms & Giants, und das verwendete Reich (Fae, weil er sich und Aneta bezaubert). Drei Erfolge! Weniger hätte es auch nicht sein dürfen. Hier im Träumen kostet mich das nicht mal Glamour-Punkte.

Til guckt groß, und blinzelt verwirrt. Auf ein Viertel ihrer eigentlichen Größe geschrumpft, sehen sie nun die Ranken-Gitterstäbe hoch über sich hinauf ragen!
„Es hat funktioniert! Wie im Märchen, oder in Alice im Wunderland!“, staunt Til fassungslos.
Erdklumpen rollen an ihnen vorbei, jetzt nicht mehr als Nichtigkeit, sondern als ernste Unannehmlichkeit, während die wachsenden Baumwurzeln die Gitterfalle weiter davon schieben.
„Idz teraz! Szybko!“, ruft Aneta, und ihre kleine Hand packt Tils haariges Handgelenk.
Nacheinander hüpfen sie zwischen den Ranken hindurch, ins Freie. Die Dornen an den Gitterstäbe sehen jetzt nicht mehr nur fies aus, sondern lebensbedrohlich!
Auf der anderen Seite rappeln sie sich zwischen den tanzenden Erdbrocken auf, Til nimmt Aneta bei der Hand, und geschrumpft wie sie sind rennen sie davon!

Daraufhin darf ich wieder den nächsten Delve-the-Depths-Move machen. Ich würfle dasselbe wie beim letzten Mal, um voranzukommen und nach einem neuen Waldweg Ausschau zu halten. Der Hasenmann würfelt Wahrnehmung+Überleben, das Mädchen Wahrnehmung+Enigmas. Sieben Erfolge (unter anderem dank Tils Wahrnehmung-Spezialisierung, die Zehner in gleich zwei Erfolge verwandelt)! Die Challenge Dice belohnen uns: Ein Strong Hit, dank Dreierpasch! Der Fortschritt für den Delve steigt auf sechs, und der Strong Hit beschert uns den Folge-Move namens Find an Opportunity! In diesem Fall darf ich das Resultat aus der Tabelle von Find an Opportunity frei aussuchen. Ui, was soll ich nehmen, will ich lieber eine Abkürzung finden, oder einen magischen Gegenstand? Kann mich nicht entscheiden … die Orakelwürfel sagen, Abkürzung!

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Mit Aneta auf dem Arm läuft Til durch einen Hasenbau zwischen den Baumwurzeln, geduckt, die Ohren eingezogen. Manchmal rieselt Erdreich vor ihnen herab, aber das Rumoren im Waldboden hat aufgehört. Der Tulgee-Wald scheint nun zufrieden mit seiner neuen Gestalt, zumindest hier an dieser Stelle …! Til keucht vor sich hin, determiniert, das langsamere Vorankommen durch ihrer beider neuer Körpergröße zu kompensieren, indem er einfach schneller rennt! Im Vorübereilen sieht er gelegentlich Wandbilder im Wurzelwerk. Die haben Hasen- oder Kaninchenpfoten hier eingeritzt, um sich gegenseitig geheime Botschaften zu vermitteln. (Die meisten sind aber Strichmännchen-Zeichnungen, die offensichtlich andere Kaninchen darstellen sollen.) Manchmal kommen sie vorbei an aus Stroh geknüpften Teppichen, und winzigen Möbelstücken. Leuchtende Pilze dienen an ein paar Stellen als Stehlampen!

Sehr biblisch ist das alles hier unten aber nicht, findet Til. Mit vier Erfolgen bei Geistesschärfe+Gremayre kommt er jetzt endlich darauf, nachdem er vorhin selber von Alice im Wunderland gesprochen hat, dass es auch überhaupt kein Bibel-Thema hier gibt.
„Ach, klaaar, Tulgee-Wald!“, sagt er laut, „Jetzt kapiere ich! Lewis Carroll! Das alles hier … das ist Teil des Wunderlandes!“
„… Glupi!“, meint er die Kleine auf seinem Arm murmeln zu hören.

Als Effekt der Abkürzung darf ich einen sofortigen Folge-Move machen, und nehme wieder Delve the Depths, und durch diesen Schleichweg bekomme ich laut Regeln einen Bonus. Ich versuche Wahrnehmung+Athletik für Til, und erneut Wahrnehmung+Aufmerksamkeit für Aneta, und komme auf maximale 10 Erfolge! Sie schießen praktisch durch die Tunnels zwischen den Baumwurzeln. Til verlässt sich immer mehr auf seinen Hasen-Instinkt.
Natürlich zeigen die Challenge Dice aber eine Zehn, wie könnte es anders sein, also wieder nur ein Weak Hit. Entsprechend wird wieder auf der Tabelle von Delve the Depths gewürfelt. Das Resultat ist, dass ich Fortschritt markieren darf, und zwar zweimal, das bringt unseren Delve-Fortschritt auf volle 10! Außerdem jedoch soll ein Reveal-a-Danger-Move folgen. Die Domain Card sagt, eine Kreatur des Tulgee-Wald ist hier auf der Jagd! Das wird einen Face-Danger-Move bedeuten, um zu entkommen! Also dann:


Als Til seinen Hasenkopf aus dem Erdloch steckt, scheint der nächtliche Wald friedlich. Der riesige Sichelmond scheint auf die Wildnis herab, und bringt ihre Violett- und Mint-Töne zum Leuchten. Er lächelt. Mit Aneta auf dem Arm klettert er aus dem Erdreich empor.
„Jetzt müssen wir nur noch etwas von der Morchel finden, die uns wieder groß macht!“
„… Morchel?“
„Na, der Pilz aus dem Kinderbuch! Alice im Wunderland! Die eine Seite macht klein, das sind wir schon, die andere Seite macht wieder groß!“
„Wir sind doch Wrózki, das können wir ganz von allein …“
„Was bitte?“
„Feen …“
„Ja, haha, Du bist eine Fee, kleine Dame. Ich bin nur ein schizophrener Fremdsprachenlehrer, der einen irren Traum hat.“
Nicht verleugnen, Zajaczek!“, sagt Aneta, fast ein Wimmern, irgendwie schmerzlich.
Til schaut sie verwundert an, aber sie birgt ihr Gesicht im Fell an seinem Pyjamakragen. Was er gerade gesagt hat, scheint sie als etwas ganz Schreckliches empfunden zu haben.

In dem Moment gibt es eine rasante Bewegung hinter ihnen, und etwas schnellt auf sie zu! Til sieht einen violett und braun gemusterten Schlangenkopf, aus seiner derzeitigen Perspektive betrachtet erschreckend groß!
Sofort prescht er mit Aneta in den Armen davon, so schnell er irgendwie kann! Die Schlange hinter ihnen ist schnell, aber sie hat den Nachteil, dass ihre Schwanzspitze in einem Knochenfortsatz endet, der absurderweise wie ein Rechen aussieht. Als wäre sie halb Tier, halb Gartengerät! Sie recht den Waldboden, während sie dahin gleitet, eigentlich voll schön und nützlich für das Ökosystem irgendwie. (‚This snake is a rake‘, vielleicht würde Lewis Carroll mir dafür wohlwollend an den Hut tippen?) Für die geschrumpften Charaktere leider keinen Deut weniger entsetzlich dadurch!

Ich mache den Move Face Danger zum Wegrennen, und die Challenge Dice gönnen uns trotz acht akkumulierten Erfolgen wieder nur einen Weak Hit. Die Fliehenden entkommen zwar, aber Til wird erneut verwundet, das wird ein verzweifelter Streich mit dem knöchernen Schlangen-Rechen sein!

Die Rechen-Zähne durchschlagen seinen Arm, Blut spritzt! Kurz darauf verschwindet er mit seinem Findelkind jedoch in den dichteren Farnen und zwischen Felsbrocken. Der Durchschlag tut weh wie Hulle, rotes Blut strömt über seinen Schlafanzugärmel. Dann schließt sich die Wunde bereits wieder, und das Fleisch beginnt sich nachzubilden. Auch sein Zauber von vorhin hört auf zu wirken, und mit einer Art Schluckauf-Geräusch schießen Til und Aneta in die Höhe. Das Mädchen schlägt konfus mit den Flügelchen. Til sieht sich um, und guckt dann auf die Rechen-Schlange hinab. Jetzt aus vierfacher Höhe. Diese glotzt aus großen, gelben Augen auf ihre vermeintliche Beute. Dann versucht sie schnell ihre Mimikry, sie macht sich ganz lang und stocksteif, und tarnt sich als handelsüblicher Rechen!

Til sieht sich keuchend um. Die violetten Bäume und Büsche sind hier durchmischt mit grünen Pflanzen. Sieht aus, als wären sie der Stelle nahe, die jetzt der Übergang des Tulgee-Wald in den Märchenwald ist.

Ich mache dafür den abschließenden Move namens Locate Your Objective, durch die tolle Abkürzung durch die Hasentunnel ist ja unser Fortschritt auf 10. Und tatsächlich, ein Strong Hit! Die Charaktere haben es geschafft, sie bekommen einen Willenskraft-Punkt zurück und haben den Tulgee-Wald verlassen.
Das wiederum stellt zwei Fortschritt-Punkte dar für meine eigentliche

Queste (Gefahrvoll): Den Schlüssel von Bryndrick erlangen, um zur Freistatt zurückzukehren, und zurück nach Hause in die Wachwelt zu gelangen.

„So, dann haben wir glaube ich endlich etwas Zeit zum Reden“, raunt Til im Weitergehen, „Jetzt erzähl' bitte mal, Aneta. Wer bist Du, und was sollen diese ganzen Andeutungen!“
„Das weißt Du doch!“, jammert sie leise an seiner Schulter, „Du bist doch Zajaczek! Sag' nicht, dass Du’s nicht mehr weißt!“
„Nein, nein, nicht weinen. Ich weiß alles noch“, lügt Til schnell.
„Wo ist Niedzwiedz? Geht’s ihm gut?“
„Äh, wann hast Du ihn noch gleich zum letzten Mal gesehen …?“
„Als ich weggegangen bin! Ich hab' ihn allein gelassen. … Ging doch nicht anders! Geht’s ihm gut?“, schluchzt sie.
„Ach der, na, Du kennst ihn doch, der ist doch unverwüstlich! Hat immer ein Liedchen auf den Lippen letztlich. Ist mopsfidel.“
Aneta hebt den Kopf und sieht Til mit feuchten Augen an, „Lügst auch nicht, Zajaczek? Musst die Wahrheit sagen!“
„Nein, nein, ich lüge doch nicht, es ist alles ganz prächtig. Ich kümmere mich ja um ihn“, lügt Til hilflos. Er ist ein bisschen ärgerlich über sich selbst, aber jetzt gerade wünscht er sich sehnlichst, dem armen Kind irgendwie helfen zu können, und sei es, indem er eben einen Trost erfindet.
„Versprichst Du's?“, sagt sie leise, ganz verzweifelt.
„Aber ja!“, sagt er sofort, ganz von Herzen, völlig ehrlich. Wie auch immer das gehen soll.

Und da habe ich Tils nächsten Eid! Ich formuliere den so:
Queste (Extrem): Das Wesen namens Niedzwiedz finden und beschützen.
Er hat noch keine Ahnung, wie er das machen soll und was das alles bedeutet, also definiere ich seinen Eid als Extrem. Diese selbstgewählte Aufgabe wird ihn eine ganze Weile beschäftigen!
Ich mache also den Move Swear an Iron Vow. Dank einem Willenskraft-Punkt erreiche ich sechs Erfolge bei Charisma+Überzeugen, und die Challenge Dice unterbieten beide eine Sechs: Ein Strong Hit! Yay! Das gibt direkt Willenskraft zurück, und Til fühlt sich äußerst determiniert.


„Ich habe vorhin von meiner Nachbarschaft geträumt. Das war wunderschön! Wir gehen wieder dahin zurück, Aneta. Vielleicht ist Dein Freund dort sogar.“
„Zuerst gehen in Holz-Giebel-Brunnen-Dorf. Deinen Arm verbinden.“
„Ist schon nicht mehr so schlimm, war glaube ich nur ein Kratzer.“
„Sieht aber schon schlimm aus. Wir gehen zu Dorf. Und neue Vorräte holen. Dörfler machen uns Pfannkuchen.“
„Na gut!“
„Lass' mich runter, kann alleine laufen.“
Til setzt Aneta behutsam ab, sie nimmt ihn bei der Hand, und zieht ihn in eine Richtung. Sie scheint sich an den Weg zu erinnern wie in Trance.

Dieser Teil des Waldes ist dunkler und erscheint ganz in natürlichen Farbtönen. Die Pflanzen wirken ebenso stilisiert wie die im Tulgee-Wald, wie ein lebendig gewordenes Gemälde. Aber gleichzeitig ist diese Umgebung urwüchsiger, mit Flechten und Hängemoosen, und ohne das seltsame Ambiente-Halblicht, das von überall und nirgends gleichzeitig zu kommen schien. Der Mond scheint hell über den Wipfeln, an ein paar Stellen dringt sein Licht glitzernd durch die Blätter hinab. War er über dem Tulgee-Wald noch ein Sichelmond, ist er hier dennoch ein Vollmond! Til bildet sich außerdem ein, ein schmunzelndes Mondgesicht darauf zu erkennen, das aber immer weg ist, wenn er zwischendurch klare Sicht auf den Himmelskörper hat.

„Was ist das für ein Ort, dieses Holz-Giebel-Brunnen-Dorf?“
„Dörfler mögen mich!“
„Ja, wie sollten sie auch anders? Du hast sie bestimmt alle mir-nichts-Dir-nichts um den Finger gewickelt! Oder wohnst Du da etwa?“
„Nein …“
„Wo bist Du überhaupt zuhause …?“
„… Dort ist das Dorf! Siehst Du?“
Zwischen dem dichten Astwerk vor ihnen dringt oranger Lichtschein hervor, von Fackeln und Laternen. Eine kleine, altmodische Siedlung scheint in diesem Märchenwald zu liegen.

Tatsächlich ist es ein mittelalterliches Dorf, mit einem übermoosten Steinwall und kleinen Wehrtürmen. Müde aussehende Wachen mit Lederhauben stehen dort herum. Die Dächer und Giebel niedlicher, rustikaler Häuser sind über die Mauer hinweg auszumachen, viel zu schmal und zu spitz zulaufend, um historisch korrekt zu sein. Eher wie ein Ort in einem Vergnügungspark, denkt sich Til.



Holz-Giebel-Brunnen-Dorf


Aneta tritt vor das große hölzerne Tor in der Mauer, und ruft unsicher etwas auf Polnisch daran empor.
Til sieht sich derweil neugierig um.

Und was ist mit dem Bryndrick? Ist er ihnen weiterhin gefolgt? … Ja, sagen die Orakelwürfel, und jetzt sind seine Schritte zu hören!

„Aneta! Wir müssen sofort da rein!“, ruft Til erschrocken, „Die müssen uns da reinlassen, oder wir müssen wegrennen! Der Bryndrick ist hier!“
Sie sieht ihn verstört an. Aber in dem Moment öffnet sich bereits eine schmale Personentür innerhalb des Tores. Til nimmt schnell das Mädchen auf den Arm und zwängt sich herein, und zischt den Wächtern zu, „Macht zu, macht zu! Ihr müsst alles verrammeln!“
Auch die Gesichter der Wachen haben etwas Stilisiertes an sich, sie sind ein wenig karikaturenhaft. Ansonsten wirken sie ganz so wie mittelalterliche Leute. Hastig verbarrikadieren sie ihr Tor wieder. Die vielen urig aussehenden, unterschiedlichen Häuschen sind fast alle dunkel um diese Nachtzeit. In vielen gehen gerade nach und nach Lichter an. Merkwürdigerweise nur in den Kellerräumen.
„Ihr seid zurück, Hoheit! Endlich!“, sagt einer der Wächter zu Aneta, etwas bedröppelt.
„Nicht so nennen. Schnell jetzt, bitte!“, sagt sie, dann redet sie auf Polnisch weiter.
Die Wachen nicken verständig, als wäre Polnisch ihre Zweitsprache. Traum-Logik, sagt sich Til konfus.
Einer der mittelalterlichen Wachmänner führt ihn die Kopfsteinpflasterstraße herunter, auf eines der Häuser zu. Er wirkt ehrerbietig Til gegenüber, aber auch etwas erschrocken wegen seines Äußeren. Er ist bemüht, etwas Abstand zu dem Besucher zu halten, und nicht zu starren.
„Können Sie etwa … sehen Sie mich etwa als Hase?!“, fragt Til bestürzt.
„Ja, Herr. Du bist ja ein Schratiger, Herr, ein Robin Gutfreund, einer vom Schönen Volk“, sagt der Büttel diensteifrig.
„Ein was?“
„Von draußen aus dem Walde! Wir schätzen die Kithain hier sehr. Das weißt Du sicher, Herr. Jeder Haushalt in diesem Dorfe, der etwas auf sich hält, beherbergt einen Boggan!“
„Einen was? Hm … Kithain?!“
Dieses Wort hatte auch der schauderhafte Bryndrick verwendet, zu Beginn dieses abstrusen Erlebnisses, dieses Fiebertraums; das ist es doch, was das hier ist, denkt sich Til, ein Fiebertraum. Aber im selben Moment wird ihm klar, dass eine übergreifende Logik alles zu durchziehen scheint — selbst verschiedene Traum-Reiche die normalerweise eigentlich nichts miteinander zu tun haben sollten, wie der Tulgee-Wald und der Grimm'sche Märchenwald!

Der Medicus der Dorfes reinigt seine Verletzungen, renkt ein, und bandagiert, was er kann. Er nimmt Tils Fell, Hasenpfoten, Hasenkopf, und Löwenschweif äußert interessiert unter die Lupe.
„… Du solltest zu einem Alchimisten gehen, nicht zu einem Medicus, Herr! Ich bin auf die Physiologie von Menschen spezialisiert. Ich habe getan, was ich konnte!“
„Du siehst mich also auch als halben Hasen!“, ruft Til, „Bei mir zuhause sehen alle darüber hinweg … oder sie sind blind dafür!“
„Du, mein Freund, bist ein Pooka!“, sagt eine vergnügte Stimme aus Bodennähe.
Til schaut herab, und sieht einen kleinen, dicken Mann neben dem Medicus stehen. Er hat ein koboldhaftes, äußerst gütiges Gesicht, und ist ebenfalls mittelalterlich gekleidet.
„Äh, guten Abend.“
„Schönen, gesegneten guten Abend, mein fellbedeckter Freund! Willkommen in Holz-Giebel-Brunnen-Dorf! Sei' uns von Herzen willkommen!“
„Bist Du einer von diesen …“



Dwyddle Umswydd, ein einheimischer Boggan


„Ein Boggan, ja natürlich! Nicht wahr, ein Heinzelmann! Wir sind sowas wie Cousins zwölften Grades, Du und ich, Du verstehst. Und dass Du mir ja keine Streiche spielst hier im Dorfe, erst recht zu nachschlafender Stund'! Dies hier sind rechtschaffene Leute!“, und der kleine Boggan schaut zu dem übermüdeten Medicus hoch, der gerade seine Sachen wieder zusammenpackt, sein Blick ist sehr gütig, und sehr teilnahmsvoll. Geradezu so, als wäre er persönlich verantwortlich für diesen Menschen.
„Draußen vor den Toren geht ein Bryndrick um! Ein echter, einer der lebt und sich bewegt!“, platzt Til ängstlich heraus, und ohne es zu wollen hängt er noch eine dicke, fette Lüge mit dran, „Ich kenne einen, der ihn erforscht hat, so eine Art Druiden, der sagt auch, die Dinger sind nicht ohne!“
„Donner und Doria! Dann solltest Du Deinen Freund den Druiden bitten, den Bryndrick wieder auszutreiben! Dieses Dorf gehört zum Lichten Hof, wir Boggans haben dafür zu sorgen, dass es eine fröhliche Gemeinde ist! Wir brauchen keine Druiden-Götzen, wir respektieren sie und sie respektieren uns, aus respektvoller Ferne.“


Kurz darauf ist Til auf den Wehrgang geklettert, und steht zwischen den Wachen mit ihren Fackeln, sie alle spähen nervös in die dunklen, rauschenden Wälder hinab.
„Ich nehme an, ich könnte irgendwie mit ihm kommunizieren …“, sagt Til schließlich, „Er ist möglicherweise nur hinter mir her, nicht hinter Euch!“
„Nur hinter Dir? Unwahrscheinlich“, sagt eine der Wachen, „Der Tulgee-Wald hat sich jüngst ausgedehnt, Herr. Die Häscher aus Grimgoromn sind davon angezogen worden, und versuchen, die neuen Grenzgebiete zu besetzen. Derartiges Säbelrasseln muss etwas wie einen Bryndrick ja geradezu anlocken.“
Til sieht den Mann von der Seite an, und sagt, „Wieso, was hat er denn davon? Will der sich etwa mit den anderen Finsterlingen verbünden?“
„Im Gegenteil, Herr! Die Druiden würden doch die Truppen von Grimgoromn aus allen Wäldern vertreiben, wenn sie nur könnten! Der König und seine vielen Gesetze sind denen doch zuwider. Und die Grimgorominatori zertrampeln Setzlinge und Erdreich, das können die Druiden überhaupt nicht leiden.“
„Die was?!“
„Die Grimgoriminatori, Herr! Es sind heute Nacht welche von ihnen unterwegs, darauf wette ich, das sagt mir das Kribbeln in meinem kleinen Zeh!“

Als Til wieder herabgeklettert kommt, haben sich auf dem Vorplatz kleine Gruppen aus schlaftrunkenen Menschen gebildet, die untereinander reden, und am Rand, in den Schatten der Häuschen, haben außerdem kleine Gruppen von Boggans selbiges getan. Einer davon winkt Til heran. Er folgt der Geste, und geht neben den Heinzeln in die Hocke.
„Das ist ja eine schöne Bescherung, die Ihr uns da eingebrockt habt! Jetzt müssen wir alle miteinand' die Ärmel hochkrempeln, und die versalzene Suppe auslöffeln!“, sagt einer.
„Du bist mit der Hoheit hergekommen, oder, mein lieber Pooka?“, fragt der aus dem Haus des menschlichen Medicus.
„Äh, ja. Wo ist sie überhaupt?“
„Na, was denkst denn Du, Freund Pooka! Meine liebe Frau Gemahlin hat sich ihrer angenommen, und sie erstmal in einen Badezuber gesteckt, im Hause des Kesselmachers. Das arme Kind war ja schon wieder wochenlang im Walde unterwegs.  Und dabei ist sie eine Hochwohlgeborene! Nun zu Dir! Du musst uns helfen, unsere lieben Menschen gegen jenes Schreckgespenst zu verteidigen, ich bitt' Dich. Der einzige Bryndrick, von dem ich je gehört habe … der soll am Waldrand stehen, in der Nähe einer Freistatt.“
„Einer was?“
„Einer Freistatt, Freund Pooka! Ein Dörflein dessen lange Gassen zu allerlei Menschen führen, so sagt man! Es besteht erst seit Kurzem!“
„Da komme ich ja her!“
„Dann ist diese Freistatt die Deine? Bist Du ihr Fürst? Oder bist Du der Vasall ihres Herrschers, vielleicht ein Kundschafter?“
„Man hätte sich proper vorstellen sollen!“, bemerkt einer der Boggans, etwas beleidigt, „Das wäre das Rechte gewesen, sich nach seinem Eintreffen zuallererst einmal allen proper vorzustellen!“
Til sagt, „Das ist mir alles viel zu hoch! Äh, ich bin dort plötzlich gewesen, bevor ich mich hierher verirrt habe, raus in diese Wälder. Ich will dahin zurück, um Aneta in Sicherheit zu bringen, und zu versuchen, ganz zurück nach Hause zu kommen. Aufwachen aus diesem Traum, versteht Ihr?“
„Aufwachen aus dem Traum …“, sagt einer der Boggans verwirrt.
Ein anderer fragt erstaunt, „Freund Pooka, sag' an: Bist Du etwa ein Wechselbalg?!“
„Wie jetzt?“, fragt Til verwirrt.
„Ein Changeling! In der Krippe gegen einen menschlichen Säugling ausgetauscht, oder womöglich direkt in den Leib eines Sterblichen gefahren? Meiner treu! Ein Bewohner der Herbstwelt, für den es Gewohn ist, von Herbstmenschen umgeben zu sein!“
Einer der anderen grummelt, „Das passt, ich habe gleich gedacht, es haftet ihm was Banales an. Ein Quäntchen Sterblichkeit!“
„Ich weiß nicht, was ich antworten soll! Ich dachte eigentlich, ich träume nur …“, sagt Til, und ergänzt unwillkürlich, „Ihr braucht Euch jedenfalls keine Sorgen um Eure Menschen und Euer Dorf zu machen, ich weiß ja alles Wissenswerte über diesen Bryndrick, von meinen Druiden-Freunden, versteht Ihr? Ich bin ja darauf vorbereitet, ihn in seine Schranken zu verweisen!“
Die zutraulichen Gesichter der Boggans hellen sich auf, und sie schauen ihren Gast erwartungsvoll an. Der guckt überrumpelt drein. Was ist das denn für eine schlimme Eigenschaft, die er da heute an den Tag legt, dieses Lügenmaul, das ständig allen Leuten irgendwelche Sachen verspricht, nur um sie zu begütigen?!
« Letzte Änderung: 16.02.2025 | 22:06 von Schalter »

Offline Schalter

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Na, jetzt kann Til mit seinem Lügenmaul versuchen, den Tag zu retten, indem er den Bryndrick begütigt. Zitternd tritt er vor das Tor des Dorfes, in seinem albernen Pyjama, mit seiner Fackel in der einen Pfote. Er leuchtet damit umher.
Hat die knorrige Stimme nicht vorhin Gälisch gesprochen? Gälisch kann Til zufällig auch, er wird sich schon mit dem Ungeheuer verständigen können. Vorerst versucht er es nochmal mit Englisch, und ruft halblaut: „Bryndrick? Wo bist Du? Zeige Dich, ich muss mit Dir reden!“
Er sieht im Dunkeln zwei sehr große, aus Hölzern bestehende Hände sich bewegen, mit sehr langen Fingern, die in spitzen Krallen zu enden scheinen. Dort steht das Biest! Die menschlichen Wächter haben gesagt, er solle im Zweifelsfall das schauerliche Konstrukt einfach mit seiner Fackel anstecken, bestimmt sei es brennbar. Aber auch diese Vorstellung behagt Til gar nicht, er verabscheut derartige Gewalt, er war schon Pazifist vor seiner Zeit als Bürgerrechts-Aktivist, zuhause in der normalen Welt.
„Oh Mann, oh Mann“, murmelt er angsterfüllt, während er sich zwingt, vorsichtig näher zu gehen, die Fackel hoch erhoben. Die Blicke der Wächter auf dem Wehrgang in seinem Nacken beruhigen ihn nicht im Geringsten. Sie haben ihre Kurzbögen zur Hand, um ihm zu helfen — aber er vermutet, bei dieser Dunkelheit ist es ebenso wahrscheinlich, dass die ihn in den Rücken treffen wie dass sie einen Glückstreffer bei ihrem gemeinsamen Widersacher landen!

Ich rufe mir schnell nochmal ins Gedächtnis, was die Orakel eingangs über diesen Widersacher vorausgesagt haben: Manipulative Forrester who wants to Restore a Relationship; Til scheint seine Nemesis; und die Beute, die der Bryndrick verteidigen will, ist seine eigene Menschlichkeit.

„S-s-sei gegrüßt“, stottert Til furchtsam, als er dem Ungeheuer gegenüber tritt.
Das zwei Meter hohe Konstrukt sagt, wenig vertrauenserweckend, „Habe ich Dich!“
Tils Hasen-Instinkte schreien danach, dass er umgehend fliehen müsse! Mit schlotternden Knien verharrt er jedoch.
„Warum bist Du mir gefolgt? W-w-was willst Du?“
„Du kamst aus der neuen Freistatt heraus! Du bist Kithain. Es ist anzunehmen, dass Du geradewegs aus der Herbstwelt hinaus gewandert kamst“, sagt die Stimme, die klingt wie knarrende Buchenstämme, „Der Herbstwelt, von der viele Schimären sich furchtsam erzählen, dass sie bereits ausgestorben sei, allen Glamours beraubt, alles in ihr der Sterblichkeit anheim gefallen. Du bist demnach der Gegenbeweis.“
„Das mag ja sein! Aber ich bin der offizielle Repräsentant der Nachbarschaft, die in den Mauern jenes Ortes lebt, den Ihr hier draußen ‚Freistatt‘ nennt! Ich habe sogar einen Ausweis dafür, äh, in meiner Jacke. ... Die habe ich dort vergessen.“
„Bist Du dort der Fürst, oder nicht? Hast Du zu entscheiden?“
„Andere Frage, Bryndrick: Was machst Du hier? Warum interessiert Dich die Freistatt?“
„Ich kam vor Kurzem in diesen Teil der Ewigen Wälder. Hier habe ich die neue Freistatt gefunden. Hier habe ich außerdem erfahren, dass die Streitkräfte der Herzkönigin nicht weit sind — und die Streitkräfte des Alleinherrschers von Grimgoromn. Der Geruch von Krieg liegt auf dem Wind. Aaskrähen werden vermutlich bald in den Zweigen der Bäume sitzen, und der Waldboden wird das Blut der Gefallenen trinken, als zusätzlicher Dünger. Die Zeit wird knapp.“
„Unsinn! Es gibt immer eine friedliche Lösung! Lass' und mal schön zivilisiert bleiben, Bryndrick.“
„Glaubst Du das wirklich? Du hast eine Million Jahre die Menschheit beobachtet, Kithain, so wie ich es habe!“
„Eine Million Jahre?!“
„Sie sind Kriegstreiber, oh Kithain. Auch die Herbstmenschen, von denen Du her kommst, mit ihrer sogenannten Zivilisation.“
„Dann, äh, dann höre ich richtig? Dann hast Du wohl auch ein Interesse an Ruhe und Frieden?“, sagt Til, und denkt sich, er müsse das Konstrukt irgendwie austricksen. (Er hat ja eingangs die falschen Schlüsse gezogen, und ist seitdem überzeugt davon, gelesen zu haben, dass Bryndricks darauf aus seien, Missetaten zu begehen.)
„Ich will Frieden … für die Ewigen Wälder.“
„Das klingt, als hätten wir doch so einiges gemeinsam!“
„… Und ich will Zugang zu der Freistatt. Wenn Du behauptest, sie zu halten, dann begehre ich Erlaubnis von Dir, Kithain!“
„Nö, ist nicht!“, entfährt es Til trotzig, „Das ist ein Traum, in dem Du nix zu suchen hast. Du gehörst in den Wald, nicht nach Hamburg-Vährwerder!“
„Ist das Dein letztes Wort, Kithain?“, knarrt die Stimme unheilverkündend.
„Mein letztes! Ich bin zu keinerlei Verhandlungen mehr bereit, jetzt und immerdar!“, entfährt es Tils Lügenmaul unüberlegt.
„Dann, Kithain, dann bleibt die Freistatt eben für uns beide unerreichbar! Für mich, weil Du mich nicht dort herein bittest; für Dich, weil Du närrisch versäumt hast, Dir selbst den Rückweg zu sichern. Die Tür ist hinter Dir ins Schloss gefallen, und ich sehe keinen Schlüssel, den Du um den Hals trägst, oder in der Tasche Deines seltsamen Gewandes!“
Til grimassiert, und schaut auf den Schlüsselbund an der Seite des Wesens.
„Du hast einen Schlüssel, für meine Freistatt?! Hast Du den etwa geklaut?! Gib' wieder her!“
„Ich brauchte ihn ja nur abzuziehen aus einer der äußeren Türen! Die Freistatt schien letztlich herrenlos. Von irgendjemandem errichtet, und sofort wieder vergessen, ungenutzt, ein unbesetzter Thron. Aber ich brauche Erlaubnis, um einzutreten.“
„Wir sollten auf jeden Fall verhandeln, mein guter Bryndrick! Ich sage ja, ich bin mit Freuden zu Verhandlungen bereit! Sieht doch so aus, als könnten wir beide hier profitieren.“

Ich mache an dieser Stelle mal den Move Compel, um mehr Fortschritt für meine Queste einzuspielen. Jetzt ist Til wieder alleine, und muss eine Extended Action machen dafür. Er versucht es mal mit Charisma+Überzeugen. Ich bringe außerdem seinen Aspekt ein: ‚Hat jahrelang als Aktivist versucht, seine Nachbarschaft zu retten (+1)‘. Das könnte ihn legitimieren als jemanden, der Anspruch auf die Freistatt erheben darf. Hussa, neun Erfolge! Die Challenge Dice gönnen mir aber dennoch nur einen Weak Hit. Mein SC wird also seinen Willen kriegen, aber nur unter einer Bedingung.

Til erklärt also: „Du machst dir offensichtlich falsche Vorstellungen davon, was innerhalb der Mauern dieser Freistatt so abgeht! Das ist nicht so ein muckeliges, mittelalterliches Dorf wie das dort drüben. Das ist mein Traum, ja? Hamburg-Vährwerder, der Stadtteil, wo ich aufgewachsen bin … aber nicht so, wie er ist, sondern so, wie er eigentlich sein sollte! Alle mögen sich gerne! Helfen sich gegenseitig, freuen sich, dass es die anderen gibt! Vährwerder, wie es vielleicht nie sein wird, weil die Energiekonzerne die vermaledeite Fernwärmetrasse da durch bauen wollen, und dafür das meiste davon abreißen. Aber in diesem Traum, innerhalb der Mauern dieser sogenannten Freistatt, da ist genau das zu finden!“ Er merkt, wie eine Träne ihm aus dem einen Hasenauge läuft, und glücklicherweise sogleich im Fell auf seiner Wange versickert.
„Also bist Du der Beschützer dieses Ortes, in gewisser Weise?“
„Wir haben ja richtig lange versucht, das abzuwenden, mit unserer BI, verstehste, unserer Bürgerinitiative! War die beste Zeit meines Lebens! Na ja, ob wir irgendwas langfristig erreicht haben, steht derzeit noch in den Sternen. Aber die Freistatt, das scheint eine Vision davon zu sein, wie es sein könnte! Und da hier alles mit Traumlogik funktioniert, kann man von da raus marschieren, direkt in den Märchenwald! … Das, mein klapperiger Freund, heißt aber nicht, dass es da drin einen Thronsaal gibt, mit einem Thron, auf dem Du oder ich hocken könnten!“
Der Bryndrick schüttelt bedächtig seinen Hirschschädel, und entgegnet, „Ich begehre nicht, auf einem Thron zu sitzen! Mir verlangt nach Menschlichkeit. Ich wurde vor 2100 Jahren von den Druiden von Eire in diese Gestalt gebracht, von Traditionen, die längst verraten und vergessen sind in der Herbstwelt, und jetzt läuft meine Zeit ab! Würde ich Fuß in die Herbstwelt setzen, würde ich vermutlich augenblicklich vergehen. Aber die Freistatt, oh Kithain — nicht ganz hier und nicht ganz dort — die könnte die Art von Kontakt sein, die ich brauche, um weiterhin in den Ewigen Wäldern zu überdauern!“
„In gewisser Weise … kapiere ich, glaube ich!“, nickt Til zögerlich.
„Dann willige ein, im Tausch gegen den Schlüssel! Viele Schlüssel habe ich gesammelt im Verlauf der letzten Jahrhunderte, ja. Den Deinen habe ich hier ebenfalls.“
„Nee, anders: Du gibst mir den Schlüssel, und ich verspreche, einen Weg zu finden, Dich in Kontakt mit modernen Menschen zu bringen. Meine Fresse, an der Uni kannte ich damals sogar einen Dude, der immer sagte, er selber wolle Druide werden. Hab' noch seine Telefonnummer.“
„Es sei“, sagt der Bryndrick tonlos, seine Stimme klingt fest.
„Hand drauf?“
„Nicht, so lange Du die Fackel in der anderen hältst!“
„Hey, vertrau' mir!“
„Du bist ein Pooka.“
„Willst Du etwa sagen, unsereins sei nicht vertrauenswürdig?“
„Hier ist der Schlüssel. Ich überlasse ihn Dir. Du findest mich am Waldrand, auf dem Stein, so wie am vergangenen Abend! Ich erwartete Dich binnen drei Tagen und Nächten!“, und die langen Zweigfinger nehmen einen der Schlüssel vom Bund ab, und legen ihn ins Moos. Dann weicht die Gestalt auf ihren geschickten Stelzenbeinen lautlos aus dem Lichtkreis der Fackel zurück.
Til liest den Schlüssel auf.



Das ist dann ein Milestone bei seiner
Queste (Gefahrvoll): Den Schlüssel von Bryndrick erlangen, um zur Freistatt zurückzukehren, und zurück nach Hause in die Wachwelt zu gelangen.

Jetzt habe ich sechs Punkte Fortschritt, und muss nur noch zur Freistatt zurückfinden!
Aber mich deucht, das wird durch weitere Entwicklungen erschwert …! Machen wir das mal so:


Til schaut dem Bryndrick nach, aber der ist schon im Nachtdunkel verschwunden. Er steckt den großen, verzierten Schlüssel behutsam in seine Pyjamatasche. Dabei zucken seine Hasenlöffel: Er hört ein Donnertosen, das sich rapide nähert! Er sieht zurück zur Grenze der kleinen Lichtung, auf der Holz-Giebel-Brunnen-Dorf steht. Auch die Wachen auf den Wehrgängen schauen aufgescheucht in die Richtung aus der das Donnern kommt. Das ist kein Gewitter … das ist Hufschlag!

Til spurtet sofort zurück Richtung Tor. Nach wenigen Sätzen hält er inne, und wirft sich ins Buschwerk, in Deckung: Die Quelle des Lärms ist nämlich bereits hier, es sind Reiter auf schwarzen, geharnischten Pferden. Sie tragen dunkle Kapuzenmäntel, die dramatisch im Wind wehen. Einer von ihnen trägt eine Lanze mit einer wehenden Fahne, die verdächtig ähnlich aussieht wie die der riesigen Geharnischten … der Grimgoriminatori!
„Fuck!“, keucht Til, und presst sich ganz flach auf den Boden.
Die Reiter, die aus dem Wald geprescht kommen, sind nur menschengroß. Das muss die Vorhut sein, ein Kundschaftertrupp! Möglicherweise eilen die den Grimgoriminatori voraus! Der Anführer der vermummten Reiter hält vor dem Tor des Dorfes, und sein Pferd tänzelt davor hin und her, während er etwas zu den Wachen hinauf ruft.



Schwarz geharnischte Reiter


Til versteht über die Distanz hinweg nicht, was gerufen wird. Es klingt herrisch, aber nicht unhöflich; es ist keine direkte Einschüchterung. Eine der Wachen auf dem Wehrgang wendet sich in die Richtung, in der Til verschwunden ist, und gestikuliert aufgeregt — er solle sich bloß davon machen!
„Von wegen, ich muss doch auf Aneta aufpassen!“, flüstert Til, ohne die Kleine geht er nicht, und er hat sich ja immer noch nicht den Boggans namentlich vorgestellt!

Er schließt die Augen, und konzentriert sich fieberhaft wieder darauf, sich klein zu wünschen, wie vorhin, wie in Alice im Wunderland! Geschrumpft als eine Art Däumling kann er den Belagerungsring durchbrechen, durch irgendein Mauseloch ins Innere der Mauern schlüpfen, und zu seinen Verbündeten zurück finden!

Statt in einen Däumlings-Till verwandelt erhebt er sich jedoch als Vierbeiner … seine Arme sind weiße Vorderläufe mit kurzen Krallen, seine Beine sind kraftvolle Hinterläufe, gespannt wie Sprungfedern. Der lange Löwenschweif scheint ein Puschelschwanz geworden zu sein, nur der Hasenkopf fühlt sich unverändert an.
„Am Ende hatte Aneta auch damit Recht, ich bin ein Hase“, will er sagen, aber er hört nur eine Art leises Quieken. Dann übernehmen tierische Gedankenprozesse seinen Verstand.
« Letzte Änderung: 28.01.2025 | 20:44 von Schalter »

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Hier sind Spielwerte für den Hasen (da Tils reguläre Aspekte in dieser Gestalt nicht gelten, verteile ich fünf Punkte für alternative Aspekte in der Tiergestalt):

Feldhase
Attribute: Geschick (Wendigkeit) 4, Konstitution 2, Stärke 1, Charisma 2, Erscheinungsbild -, Manipulation -, Geistesschärfe 3, Intelligenz 2, Wahrnehmung (Hasen-Ohren) 5
Fertigkeiten: Aufmerksamkeit 3, Athletik 3, Ausweichen (Haken schlagen) 4, Empathie 2, Heimlichkeit (Verstecken) 4, Überleben 3
Glamour, Willenskraft, Künste, und Reiche: Wie in der menschlichen Gestalt.
Gesundheitsstufen: OK, -1, -2, -3
Aspekte:
• In Wald und Feld von Instinkten geleitet +2
• Hakenschlagen auf der Flucht +1
• Macht mächtig große Sprünge +1
• Begnadeter Buddeler +1
• Furchtsamer Respekt vor großen Tieren
• Tiefe Naturliebe


Ich mache nicht gleich einen ganzen Ironsworn-Move, sondern würfle einfach schnell mal regulär Geschick+Athletik, um die Dorfmauern zu erreichen. Mit zwei Erfolgen wird der Hase Til nicht entdeckt, und sucht panisch nach einem Loch im Mauerwerk, durch das er nach innen kriechen kann.

Die Orakelwürfel sind aber nicht so gnädig, als dass sie mir so eines gewähren würden. Die Bollwerke von Holz-Giebel-Brunnen-Dorf sind äußerst gründlich gemauert — immerhin gibt es hier jede Menge Boggans, und diese Heinzelmännchen sind nun mal die ultimativen Handwerker!

Der weiße Hase beginnt wie wild im Kreis zu springen, wie in so etwas wie ungebremster, bemitleidenswerter Nagetier-Wut! Das mache ich als neuerliches, intuitives Schelmenspiel für einen spontanen Feenzauber. Diesmal verwendet Til Wayfare, mit dem Effekt Hopscotch, um schlichtweg über die Befestigungsmauer hinweg zu springen!



Seine instinktive Magie hebt den Feldhasen hoch in die Luft


Leicht wie eine Feder setzt er auf der anderen Seite auf dem Kopfsteinpflaster auf. Verdattert schaut der Feldhase sich um, das hat er nicht kommen sehen! Um ihn her rennen die mittelalterlichen Dörfler durcheinander, und ein paar der Boggans auch! Til springt hin und her, damit nicht auf ihn getreten wird. Dabei sieht er, wie die Boggans gerade durch eine Bodenluke im Kopfsteinpflaster verschwinden. Der Hase rennt dorthin, und will die kleinen Leute zur Rede stellen. Er stößt natürlich nur ein Pfeifen und Quieken aus, und aufgeregt klopft er instinktiv mit dem Hinterlauf.
„Ach, Du bist das!“, sagt einer der Boggans aufgeregt zu ihm, „Freund Langohr!“
Es ist der Heinzel aus dem Haushalt des Medicus vorhin.
„Du bist hier, weil Du auf die Hochwohlgeborene Acht geben willst, was? Das ehrt Dich, gewiss bist Du trotz allem Teil des Lichten Hofes!“
Hektisches Quieken und Klopfen.
„Ja, ja, ja. Wohlan, wir evakuieren uns gerade vorläufig! Zum Schutze der Hochwohlgeborenen sind wir natürlich ebenfalls verpflichtet! Sie ist bereits unten in unseren Fluchttunnels. Kommt, Freund Langohr!“
Til nickt zaghaft, und will auf die Luke zugehen, dann aber fällt ihm siedend heiß ein: Er hat ja vor lauter Überraschung und Euphorie, sich in einen Hasen verwandelt zu haben, seinen Schlüssel schon wieder vergessen! Der muss noch an der Stelle liegen, wo er die spontane Verwandlung durchgemacht hat! Er jagt zurück. Die Hopscotch-Kunst trägt ihn instinktiv erneut über die Mauer hinweg, diesmal auf Anhieb, ganz ohne Schelmenspiel.

Er prescht durch das hohe Gras. Hört das Stampfen von Pferdehufen hinter sich, die Herolde in den langen Mänteln haben ihn bemerkt! Sofort beginnt er Haken zu schlagen wie verrückt. Er glaubt, Pfeile hinter sich durch die Luft pfeifen zu hören! In Todesangst erreicht er den Rand der Lichtung, und das Gebüsch, in dem er vorhin Deckung gesucht hatte. Das Gras ist noch platt von seiner menschlichen Gestalt. … Kein Schlüssel! Und der Hufdonner ist direkt hinter ihm. Die schauderhaften Reiter holen zu ihm auf, die anderen haben ihren Ring um Holz-Giebel-Brunnen-Dorf gezogen. Der Feldhase meint, auch die ersten hünenhaften Gromgoriminatori herbei stapfen zu sehen. Die Truppen des unbekannten Reiches Grimgoromn haben offensichtlich begriffen, dass mit dem Auftauchen des dressierten Hasen etwas ganz und gar nicht stimmt. Jetzt ist alles aus! Til lässt alle Hoffnung fahren, und verschwindet Haken schlagend im Wald.

Um einen Rückzug durchzuführen, muss er instinktiv den Weg finden, und dafür wird er den Move namens Gather Information machen müssen. Nur vier Erfolge bei seiner Extended Action (Geschick+Überleben), daraus machen die Challenge Dice einen Fehlschlag. Das bedeutet Pay the Price! Die Logik der Szene gebietet, dass der Feldhase umzingelt wird, von den Reitern in ihren Flattermänteln.

Bogensehnen knarren bedrohlich, als aus den Sätteln tänzelnder Pferde heraus Kurzbögen ihn anvisieren. Die Schergen halten ihn nicht für einen normalen Nager, das ist mal klar, die ahnen, was er ist.

Das erfordert einen weiteren Move, um ihren Ring zu durchbrechen! Diesmal ist das Face Danger. Ich würfele dasselbe wie eben, um zwischen den Reitern auszubrechen, und Haken schlagend wegzukommen. Ein Weak Hit nur. Als Negativ-Konsequenz wähle ich diesmal ‚you are delayed‘, Til gelingt es also, seine schauderhaften Verfolger im dichten Wald abzuhängen, aber nur in einer stundenlangen Hatz. Damit sind alle Hoffnungen dahin, rechtzeitig zum Dorf zurückzukehren um mit den Frauen, Kindern, Boggans, und Aneta zu fliehen!

Die Sonne geht auf über einem blassblauen Horizont, als der große Feldhase sich endlich ganz sicher ist, die Reiter aus Grimgoromn wirklich abgehängt zu haben. Hier ist er nicht allzu weit weg vom Waldrand, er kann versuchen, den Weg zurück zu finden, von wo er am Abend gekommen war. Aber was nützt ihm das, ohne den Schlüssel …?

Dennoch versuche ich mich erneut am Move Gather Information, hoffentlich gelingt er diesmal. Yeah, acht Erfolge bei Wahrnehmung+Überleben. Die Challenge Dice spendieren uns diesmal einen Strong Hit! Als dann:

Der Morgensonnenschein glänzt auf einer anderen menschgemachten Struktur, eine Ummauerung, aber diese sieht aus der Nähe betrachtet aus wie die 60er-Jahre-Backsteinmauern von Hamburgs Vorort Vährwerder. Dort sind auch die schmalen Türchen im Mauerwerk zu sehen, sehr stabil aussehend, und alle verschlossen. Der Feldhase seufzt verzweifelt, und verwandelt sich schlagartig zurück in Til Haselberger. Dieser erhebt sich, und schlurft zu der Backsteinmauer herüber. Hier findet er sogar seine Pantoffeln wieder, und schlüpft hinein. Die Nacht ist rum, es ist bestimmt längst Zeit zum Aufstehen. Und er hängt hier fest, in einem immerwährenden Traum, in den Ewigen Wäldern einer Welt der Allegorien. Er bleibt vor der nächstbesten der Türen stehen, und lässt die Stirn seines Hasenkopfes dagegen sinken. So nah, und doch so fern. Dann endlich fällt ihm das Gewicht in seiner Schlafanzug-Brusttasche auf.
Schlafanzug?! Aber den hatte er doch verloren bei seiner Verwandlung in seine Feldhasen-Gestalt! Er greift aufgeregt an seine Brusttasche, und seine Finger umfassen den Schlüssel! Er fummelt ihn entgeistert heraus, und schaut darauf hinab: Er war gar nicht weg! Til muss laut auflachen.
„Klar, Kinderbuch-Logik!“, sagt er zu sich selbst, „Warum sollte nicht der Pyjama zu Fell geworden sein, als ich mich verwandelt habe — mit allem Inhalt?“

Der Gather-Information-Move eben hat mir als Milestone zwei Punkte Fortschritt gegeben, jetzt ist die Queste bei acht Punkten, alle Elemente sind zusammengesetzt. Ich versuche sie abzuschließen, mit dem Move Fulfill Your Vow. Eine Fünf und eine Drei, beides unterbietet acht, also ein Strong Hit!

Til rennt aufgeregt um die runde Backsteinmauer herum, und probiert den Schlüssel in allen Türen aus! Die Schlüssellöcher haben jede nur erdenkliche Form und Größe. Im achten passt er, und dreht sich mit einem befriedigenden Klicken und Klacken im Schloss! Die Freistatt steht ihm wieder offen!

Bevor er hindurch tritt, sieht er sich noch einmal um, zum morgendlichen Wald: Wo mag jetzt die kleine Aneta sein? Was wird mit Holz-Giebel-Brunnen-Dorf? Was ist mit dem Bryndrick? All dem wird Til sich annehmen müssen. Vorerst aber wird er wach werden müssen, und aufstehen, duschen, frühstücken, und zur Arbeit in die Volkshochschule fahren! Hoffentlich hat er noch nicht verschlafen!

Die morgendlichen Straßen innerhalb der Freistatt sind noch leer, ein wundersames, verwunschenes Morgenlicht hängt über ihnen. Til läuft in seinen Pantoffeln hindurch, in seinem dreckigen, zerschlissenen Pyjama, ein Lächeln auf dem Hasengesicht. Er hat die Tür zu den Ewigen Wäldern vorsichtshalber hinter sich abgeschlossen. Was aber mit dem Schlüssel machen? Vorerst versteckt er ihn hinter einem losen Stein am Straßenrand, mit einem schelmischen Kichern. Die Stelle kann man sich gut merken, sie ist direkt unter dem Vogelhäuschen an der Kreuzung.
Vogelhäuschen …
Vogelhäuschen?!
« Letzte Änderung: 16.02.2025 | 16:49 von Schalter »

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Jévons Meisterwerk von damals


Til blinzelt auf ein geschnitztes Objekt in seinen Händen. Jévon hatte das geschnitzt, damals, und Til für seinen Garten überlassen. Dort, wo die Gruppe sich immer getroffen hatte, sollte es bleiben, fand Jévon. Til schaut an sich selbst herab, er trägt Pyjama und Pantoffeln, hier sind sie nicht verdreckt oder zerschlissen. Er liegt auf seiner Couch, in seinem Wohnzimmer!
Ruckartig setzt er sich auf. Drückt das geschnitzte Vogelhäuschen an sich. Jetzt fällt ihm wieder ein, was passiert ist:

Er hatte nicht einschlafen können am vergangenen Abend, also war er noch einmal auf die Couch umgezogen, und hatte schließlich aus einer Laune heraus das Vogelhaus zur Hand genommen … und dann hatte er zum ersten Mal genauer hinein geblickt … und zu seinem grenzenlosen Staunen etwas darin gesehen, etwas Helles, das sich bewegte … wie eine ganze Szenerie, im Nachmittagssonnenschein …

Dann muss er wohl doch eingeschlafen sein, und sich in eben diese Szenerie versetzt gefühlt haben, wie in einem Traum …


Mit seinem Dad sitzt Til an diesem Nachmittag auf seiner Veranda, beide haben ihre Winterjacken an, und haben dampfende Tassen mit Früchtetee in den Händen. Schauen auf den Garten des kleinen Grundstücks, und auf die Straße. Wegen Til könnten sie auch in der Küche sitzen und es warm haben, aber sein Dad mag praktisch immer draußen sein, ganz das hartgesottene Nordlicht.



„… Ich bin immer noch wischi-waschi davon“, gibt Til gerade zu, „alles war so real. Und alle Sachen, von denen ich Dir im letzten halben Jahr oder so erzählt habe, haben da plötzlich Sinn gemacht, in diesem Traum.“
„Der Hasenkopf und so“, sagt sein Dad unbestimmt.
„Genau. Der ist seit heute früh auch wieder verschwunden, gefühlt. Nur das Fell und der Schweif sind noch da.“
„Na, und jetzt? Du kannst ja wohl kaum wieder dahin zurück, um einen heidnischen Spinner hin zu bringen!“
„Äh … einen heidnischen Spinner?!“
„Einen, der für Dich mit dem Buhmann redet. Dem Stöcker-Mann.“
„Bryndrick heißt sowas! Ja. Und weißt Du was, ich habe vorhin auf der Arbeit heimlich nebenher auf Wikipedia geguckt. Bryndricks wurden im Druidentum gar nicht als Fieslinge angesehen, wie ich gestern gedacht hatte. Eher im Gegenteil, das sollten Beschützer des Waldes sein.“
„Aber Du hast dem zugesagt, dass Du einen findest, der mit ihm redet. Vielleicht als Gesellschafter. Vielleicht gar, um das Druiden-Brauchtum wieder neu zu lernen!“
„Ja, stimmt“, kichert Til, „Ich vermute, ich hätte alles versprochen. Hatte ganz schön Muffensausen.“
„Aber Du wirst es wohl auch einhalten müssen, oder?“, fragt sein Vater, „Wer weiß, was das mit Deinem Unterbewussten macht, wenn Du's nicht tust, binnen der nächsten zwei Tage. Aber wie bekommst Du jemanden dorthin? Du kannst ja wohl kaum Deinen Studenten-Kumpel von damals zu Dir einladen, vor das Vogelhäuschen setzen, und sagen, ‚Wärst Du jetzt bitte so frei, da auch rein zu klettern?‘, der guckt Dich ja an als wärst Du irgendwo entsprungen!“, und sein Dad muss lachen, und Til muss mitlachen.
„Keine Ahnung, das stand nicht in dem Wikipedia-Artikel drin, was man da macht. Ich frage mich aber noch viel mehr: Wie finde ich Niedzwiedz? Der Name allein ist echt mal kein besonders guter Anhaltspunkt! Habe ich mittlerweile auch rausgekriegt: Das ist Polnisch, und heißt Bärchen! … Was denn wohl für'n Bärchen?“
„Vielleicht ihr Teddybär.“
„Vielleicht! Ich … werd' heute Nacht mal versuchen, wieder davon zu träumen. Dann laufe ich zurück zum Dorf, und frage die Kleine nochmal dazu. Diesmal mit mehr Zeit!“
„Hast Du schon ein Traumtagebuch angelegt?“
„Nee. Sollte ich?“
„Keine Ahnung. Hat Deine Mutter mal eine Weile gemacht. War große Mode in den Siebzigern, sowas. Nicht, dass Du was wichtiges aus diesen Träumen vergisst.“
„Hm! Ich habe ein paar Sachen aufschreiben müssen, vor allem die Namen und Orte. Wenn ich das nicht gemacht hätte, hätte ich sie glaube ich hinterher vergessen. Merkwürdig eigentlich! An den Rest erinnere ich mich aber, als sei es gestern gewesen!“
„Es war gestern, Du Schafskopf! Gestern Nacht.“
Hasenkopf bitteschön. Ja, aber sonst sagt man doch immer, Träume würden sich so schnell anfühlen, als seien sie so weit weg!“
„Stimmt.“
„Siehst Du, und das ist bei diesem hier nicht so! Als wäre es gar kein Traum gewesen.“
„Aber was war es dann?“
„Mensch, Dad, Du bist doch der mit dem angefangenen Psychologie-Studium von anno dazumal! Sag' Du's mir!“
Tils Vater lacht, und trinkt noch einen Schluck Früchtetee, und sagt nichts dazu.
„… Na ja, Du kennst mich ja, Dad. Ich bin wohl eben ein sentimentaler Mensch.“
„Ich mag das, dass Du sentimental bist, Til“, sagt sein Vater.


Soundtrack: Pilip Glass, Aguas de Amazonia: Japurá River
https://www.youtube.com/watch?v=N0b5-D2YliQ

An diesem Abend sitzt Til wieder in seinem Wohnzimmer, auf der abgeschrabbelten grünen Couch mit den Fransen, das Vogelhäuschen in Händen, und betrachtet es, versucht, in denselben weggetretenen Zustand zu kommen, in dem er gestern gewesen sein muss, als er das glitzernde Licht im Inneren entdeckt hatte. Er hat sich ursprünglich sogar Kerzen angezündet, um die richtige Stimmung zu begünstigen, aber die hat er kurz darauf schnell wieder ausgemacht, denn offene Kerzenflammen sind ja wohl das Dümmste, was man machen kann, wenn man vorhat einzuschlafen.
„Das ist ja aber sowieso noch so eine Frage“, sagt Til zu sich selber, „War ich überhaupt eingeschlafen? Oder war ich vielleicht tatsächlich körperlich verschwunden …?“
Das zu sagen kommt ihm ein bisschen übergeschnappt vor. Aber es ist nicht ganz von der Hand zu weisen: Dort, wo die knöcherne Schwanzspitze der Tulgee-Wald-Rechenschlange letzte Nacht seinen Arm durchbohrt hat, ist eine leichte, helle Narbe zu sehen unter dem Hasenfell!
Til baut seinen Laptop auf im Buchregal, richtet dessen Webcam aus auf das Sofa, und Film ab. Wenn er jetzt verschwindet in dem Moment in dem er einschläft, ist das die Sensation, der Beweis als Filmdatei!

Er schläft aber nicht ein, und die Webcam filmt ihn stundenlang, wie er sinnlos auf das Vogelhaus starrt. Wie er schließlich tierisch müde wieder auf den Klapprechner zu kommt, und in die Kamera sagt, „Na, es war auf jeden Fall einen Versuch wert, nicht?“, und sie abschaltet.

Die Kamera macht übrigens dasselbe, was auch die Augen der Menschen im Alltagsgeschehen zu machen scheinen: In der Filmdatei erscheint Til als ganz normaler Dreißigjähriger mit dunklen Haaren, kein Fell oder sowas.

Heute, am Samstag, klickt er sich nochmal durch den Film auf seinem Laptop. Eher der Beweis dafür, dass er spinnt, dieser Film, nicht für das Gegenteil.
Er will laut zu sich selber sagen, dass er vermutlich doch einfach überspannt ist, nichts weiter, aber als er dazu ansetzt, fällt ihm die Reaktion von Aneta ein, im Tulgee-Wald. Als er gesagt hatte, sie sei ja vielleicht eine Fee, aber er, er sei nur ein schizophrener Fremdsprachenlehrer, der einen irren Traum habe. Als habe er ihr fühlbar Leid zugefügt mit diesen Worten. Das bereut er nachträglich immer noch, wenn er auch nur daran zurückdenkt.

Noch ein Tag, um den Handel mit dem Bryndrick zu vollenden. Am Sonntag muss er jemanden mit dem bekannt gemacht haben. Und wenn nicht? Vermutlich passiert gar nichts. Vielleicht war es ja doch nur ein Traum. Aber wenn der Bryndrick doch in irgendeiner Art und Weise real sein sollte … und 2100 Jahre alt sein sollte, wie er gesagt hat … dann könnte Til sich vorstellen, dass der ein ziemlich langes Gedächtnis hat.


Til geht am Samstagnachmittag zu der Stelle zwischen seinen Beeten, wo damals die Gartenhütte stand, die sie alle so geliebt haben. Ein paar der Planken und Pfähle liegen da noch, halbwegs sauber gestapelt, als Bauholz. Für weitere kleine Projekte. Til werkelt normalerweise in jeder freien Stunde an seinem Grundstück herum. Jede vorstellbare Optimierung ist mittlerweile gemacht. Eine neue Gartenhütte hat er aber nie gebaut. Egal, wie gut er die hinkriegt, die kann nie ein Ersatz für die werden, die damals hier stand.

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Am Sonntagabend hat Marvin Schlüter zurückgeschrieben, auf Facebook. Til nutzt es nur noch für solche Zwecke, um Leute von früher nochmal zu kontaktieren. Mit anderen Worten nutzt er es normalerweise gar nicht. Dass er die Telefonnummer seines Kommilitonen noch habe, war natürlich gelogen. Der Bryndrick hat's möglicherweise geglaubt, oder auch nicht, schwer zu sagen, ob der eine Vorstellung davon hat, was eine Telefonnummer ist. Aber über die Online-Plattform hat er Marvin gefunden, und nach nur einem Tag hat der zurückgeschrieben.

'Oho, Til! Das sind ja ganz neue Töne! Klar bin ich noch am Druidentum interessiert. Aber ehrlich gesagt, keine richtige Zeit mehr für solche Hobbies. Mache jetzt seit einem Vierteljahr ein Aufbauseminar für Management!'
Drei freudige Smileys.

Das scheint Marvin ziemlich wichtig zu sein, sein Aufbauseminar. Als bloßes Hobby hat er das mit den Druiden damals nie bezeichnet, eher als wahre Bestimmung. Til schreibt trotzdem seine Telefonnummer in eine Rückantwort, und schlägt vor, mal zu telefonieren.
An diesem Abend kommt aber nichts mehr von Marvin Schlüter.


Eine Stunde oder zwei glotzt Til in sein Vogelhäuschen, bereit für alles oder nichts. Schließlich gibt er auf, und döst ein, ohne irgendwas darin gesehen zu haben.

Soundtrack: Steve Reich, Nagoya Marimba
https://www.youtube.com/watch?v=Wtt7qO9160I

Ein Kichern weckt ihn wieder auf.
Er blinzelt verwirrt, und seine Augen bewegen sich im dunklen Wohnzimmer umher. Da war ein Kichern, zu hoch selbst für ein Kind. Er wartet ab, lauscht angestrengt. Seine menschlichen Ohren hören nur die leisen Geräusche der nächtlichen Straße draußen.
Er erhebt sich vom Sofa, um vielleicht endlich mal ins Bett umzuziehen.
Ein merkwürdiges Gewicht auf seinem Kopf macht sich dabei bemerkbar. Da ist etwas Warmes, Flauschiges. Er fasst verdutzt dahin, und sofort ist das Warme, Flauschige nicht mehr auf seinem Kopf, sondern auf seiner Schulter. Er wendet den Kopf, und sieht in das Gesicht eines kleinen, weißen Wesens. Ein kleines, weißes Kaninchen. Es tippt ihm mit einer Vorderpfote auf die Schulter, wie um ihn auf etwas aufmerksam zu machen. Seine Mimik ist ungemein menschenähnlich.
„Äh, ja? …“, fragt Til verwirrt.
Es deutet mit seiner winzigen Pfote nach rechts. Til schaut nach rechts, in sein dunkles Wohnzimmer. Das Warme, Flauschige huscht von seiner Schulter, und ist verschwunden.
Ein Tippen auf seiner linken Schulter. Er schaut verstört dorthin, und sieht in das Gesicht des kleinen Bunnies. Seine Pfote deutet aufgeregt nach links. Es schmunzelt.
„Ist das so eine Art Trickserei?“
Kopfschütteln. Das kleine Bunny wirkt beinahe empört.
Er schaut also nach links. Dort ist das dunkle Fenster zur Straße, hinter den geschlossenen Vorhängen kommt etwas Straßenlaternenlicht hervor.
Ein Blick auf seine Schulter zeigt, dass das Tierchen verschwunden ist.
Til steht also doch auf, und hört dabei entgeistertes Quiek-Quiek vom Fußboden. Er springt zurück, und sieht vor seinen Füßen ein weißes Kaninchen, ebenfalls beinahe cartoonartig kugelförmig, und ungemein flauschig. Es springt auf seinen winzigen Pfoten vor ihm hin und her, und scheint sich gewaltig aufzuregen, geradezu erbost scheint es.
„Was … was mache ich denn?“, fragt Til hilflos.
Quieken, hin und her springen.
„Ich glaube, dann kann ich Dir auch nicht helfen …!“, sagt er.
Er geht rüber ins Bad, er will sich die Zähne putzen, und dann ins Bett. Das winzige, kugelförmige Etwas springt neben ihm her, und wetzt gelegentlich um ihn herum. Als würde irgendetwas an seinem Verhalten es tierisch aufregen.
„Ich tret' nicht auf Dich, keine Sorge“, sagt Til begütigend, „Meine Leichtfüßigkeit ist schon erprobt, und zwar an echten Momratzen! Auf die bin ich auch nicht getreten, okay?“
Das weiße Etwas bleibt auf der Türschwelle zum Badezimmer und springt quiekend auf und ab. Ein zweites Exemplar mit ähnlichen Körperdimensionen hoppelt fröhlich dazu, sieht seinen Artgenossen an, sieht zu Til auf, und beginnt sogleich ebenfalls, quiekend auf und ab zu springen. Er mustert die beiden niedlichen Gestalten befremdet, während er sich die Zähne putzt.
„Das is' nur eine Zahnbürschte“, sagt er nebenher, „auch die isch völlig ungefährlich!“
Schließlich wendet er sich seinem Spiegelbild zu, weil er die Zahnpasta ausspucken will. Auf seinem Kopf sitzt auch schon wieder eins der winzigen Kaninchen, und es schneidet mit seinen menschenähnlichen Gesichtszügen den anderen beiden in einem fort wilde Grimassen. Sie regen sich gar nicht über ihn auf, sondern über diese Possen ihres Artgenossen! Das Bunny auf seinem Kopf checkt, dass er es entdeckt hat, und stellt das Grimassieren ein.



„Wer oder wasch seid Ihr?“, fragt Til es, den Mund voller Zahnpasta.
Dann dämmert es ihm. Er spuckt die Zahnpasta aus, und sagt aufgeregt, „Ihr seid die Kicherer! Ihr wart das, vorletzte Nacht, am Keksglas! Ihr … ihr huscht bei Dämmerung über meinen Rasen, und ihr hoppelt durch meine Doppelhaushälfte, und ihr versucht, bei mir Kekse zu klauen!“
Das Bunny auf seinem Kopf kichert glucksend, dann taucht es unvermittelt hinab, Til spürt es in seinem Pyjamakragen, und fühlt es rasant über sein Rückenfell wuseln. Er versucht es zu schnappen, macht dabei ziemlich alberne Verrenkungen, und sieht wahrscheinlich ziemlich bescheuert aus. Seine Zahnbürste fliegt, und landet tanzend im Waschbecken. Das Bunny dreht eine Runde horizontal um seinen Torso, und katapultiert sich dann unter dem Pyjamaoberteil hervor, landet auf den Badfliesen. Die anderen beiden beginnen es sofort zu jagen, um sich für die Grimassen zu revanchieren. Sie rennen alle drei im Kreis, so schnell sie können, bis sie ganz offensichtlich vergessen haben, warum sie das tun.
„Habt Ihr vielleicht Bock auf was zu Essen?“, fragt Til versuchsweise.
Aufmerksam schauen alle drei zu ihm hoch.
Er macht einen vorsichtigen Schritt über sie hinweg, und geht in die Küche, sie hoppeln ihm neugierig hinterher.
„Oh, ach so, die Kekse von vorgestern habe ich mittlerweile selber aufgegessen … aber was habe ich sonst noch … hm, Kekse sind für Kaninchen sowieso nicht das richtige, oder?“
Er vernimmt empörtes Quiek-Quiek, die Kleinen Bunnies scheinen da ganz anderer Ansicht zu sein, wenn sie verstanden haben, was er gesagt hat.

Til verbringt die nächste Stunde damit, auf der Couch zu sitzen, und den drei Bunnies nach und nach alle Karotten, Äpfel und Brokkoli reinzufüttern, die er gerade im Haus hatte. Immer abwechselnd. Für so kleine Tiere haben sie alle drei einen Mordsappetit. Sie versuchen auch gar nicht, ihn irgendwie in die Pfanne zu hauen, während er sie füttert. Ein ganz komisches Glücksgefühl hat Til ergriffen. Er sieht den drei Wesen beim Mumpfeln zu, und legt nach, wann immer eins wieder das Maul aufsperrt.

Plötzlich hebt er den Blick, wie aus einer Ahnung heraus, und sieht sofort das kunstvoll geschnitzte Vogelhaus im Buchregal, wie es aus dessen Innerem heraus golden leuchtet ... Wie als sei es selbstverständlich, dass es das nachtsüber tut. Er bekommt unwillkürlich feuchte Augen.


Kurz darauf ist Til wieder unterwegs in den Straßen seiner Nachbarschaft, oder besser gesagt, der Traum-Version seiner Nachbarschaft. Die Kleinen Bunnies hoppeln um ihn herum, jetzt sind sie zu fünft. Es ist ziemlich viel los, die Vorbereitungen für ein Straßenfest laufen. Mehrere Leute sehen Til kommen und winken ihn enthusiastisch rüber zu sich, er soll ihnen helfen.
„Warum bist Du denn schon wieder im Schlafanzug?“, fragt eine seiner Nachbarinnen amüsiert, hier ist es ja wieder erst Nachmittag.
„Hier, hilf' mal anpacken“, sagt ein anderer, „Hierfür muss man nicht besonders geschickt sein, nur kräftig!“
Das hat Mahir gesagt, der kann doch gar nicht wissen, dass Til als Handwerker nur halb so gut ist, wie er dabei enthusiastisch ist. Mahirs Gesicht ist ganz verschmitzt. Es ist, als würden alle hier sich genau kennen, nicht nur flüchtig. Til macht mit beim Aufstellen einer Klappleiter, und Aufhängen von Wimpeln, und Einschlagen von Nägeln, und alle miteinander haben ziemlichen Spaß, und dabei geht ihm auf, dass er einfach ewig damit weitermachen könnte. Das ist möglicherweise das Paradies, ein ganz simpler, unkomplizierter Himmel auf Erden.
Aber den kann er später noch haben, jetzt wollte er sich doch erst einmal um seine eiligen Angelegenheiten kümmern! Er setzt sich also ab, und widerwillig reißen auch die fünf Bunnies sich los (die hatten sich von den Kindern streicheln lassen, beziehungsweise gestenreich versucht, die Erwachsenen herumzukommandieren, teilweise sogar mit Erfolg).

Til holt den Schlüssel aus seinem Versteck am Straßenrand.
„Hätte ich mir was anderes anziehen sollen?“, fragt er die Kaninchen unsicher, das war ihm vorhin in der normalen Welt noch gar nicht in den Sinn gekommen.
Eins schüttelt mit Bestimmtheit den Kopf, eins nickt vorwurfsvoll. Die anderen drei legen die Köpfe schief und blinzeln ihn fragend an.


Damit sind jetzt die beiden Hintergründe Schimäre und Freistatt im Spiel, die ich Til bei Charaktererschaffung gegeben habe. Die versehe ich mit Aspekten in Höhe ihres eigenen Punktwertes (wie hier eingangs erklärt), und zwar folgendermaßen:

Schimäre: Die Kleinen Bunnies
Die Kleinen Bunnies tauchen immer wieder unverhofft aus dem Träumen auf, um sich füttern zu lassen, Streiche zu spielen, und zwecks energetischem Herumhoppeln. Es ist unmöglich zu sagen, wie viele es eigentlich sind; sie sehen alle gleich aus und sie wuseln auch immerzu wild durcheinander. Möglicherweise umfasst die Schimäre eine ganze Gruppe scheinbar unabhängiger Tierchen.
Aspekte:
 • Sie lieben es, Kithain und sogar Sterbliche zu bezaubern oder zu foppen, mit Faxen, Possen, und hektischem Quiek-Quiek +2
 • Untrügliches Gespür für leckeres Happa +1

Freistatt: Das Gemeinde-Vogelhäuschen
Einer der Bürgerrechts-Aktivisten namens Jévon hat vor seinem Wegziehen ein meisterhaft geschnitztes Vogelhäuschen als Andenken dagelassen. Der Traum von einem geretteten Stadtteil überlebt, und ist irgendwie in seinem Inneren enthalten. In dem Vogelhäuschen befindet sich eine Taschendimension mit einem Traum von dem Zuhause, welches die Bürgerrechtler-Gruppe erreichen wollte, und außerdem ein Zugang tiefer hinein ins Träumen.
Aspekte:
 • Der Traum des geretteten Stadtteils füllt Besucher mit Glamour +1
 • Immer neue verwinkelte Sträßchen und Seitengassen führen ins Träumen +1
« Letzte Änderung: 29.01.2025 | 20:54 von Schalter »

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Also gut, Til, dem Brötchenduft der Bäckerei gefolgt bis zur Abkürzung, und dann in der langen Gasse dem Waldgeruch hinterher. Zur Tür hinaus in die Wildnis, wo die grüne, prachtvolle Unendlichkeit des seltsamen Märchenwaldes sich auftut. Und bloß sorgsam hinter sich abschließen diesmal!
„… Aber was mache ich diesmal mit dem Schlüssel?“, fragt er die Kleinen Bunnies, „Nicht, dass ich den wieder verliere, oder mir einbilde, ihn verloren zu haben!“
Die Bunnies stellen sich auf die Hinterläufe, und springen danach, mit ausgestreckten Vorderpfötchen.
„Soll ich Euch den anvertrauen? … Hm. Seid Ihr überhaupt vertrauenswürdig? Ihr dürft den auf gar keinen Fall verbummeln!“
Alle fünf nicken überzeugt. Einige deuten anklagend auf einige der anderen und schütteln vorwurfsvoll die Köpfe, wie um anzudeuten, dass dieses Bunny als einziges total unzuverlässig sei. Da sie aber immer andere bezichtigen, und überhaupt alle fast gleich aussehen, hat das wenig Aussagekraft.
„Okay, na gut. Hier, sucht ein gutes Versteck dafür. Und merkt Euch auch, wo das Versteck ist.“
Mit einem äußerst selbstzufriedenen Kichern tragen die Wesen den großen Schlüssel davon, verschwinden in den Farnen.
„Hoffentlich war das auch eine gute Idee“, sagt Til, als er ihnen nachschaut.
Dann macht er sich auf, um den großen Stein wiederzufinden, auf dem der Bryndrick vorgestern aufgestellt war.
„Ich sag's ihm einfach, wie es ist“, sagt Til ermunternd zu sich selbst, um seine Nervosität herunter zu spielen, „es gibt schon mehrere Interessenten, sogar eine ganze Reihe. Aber ich brauche noch mehr Zeit! Drei Tage und Nächte, alles klar. Ein bisschen knapp!“

Findet er ihn wohl? Wahrscheinlich genug, ist ja noch nicht lange her. Die Orakelwürfel sagen alldieweil, nein! Soso. Und da die Endlosen Wälder nun mal endlos sind, und ich nicht weiß, welche meiner Ideen für die Kampagne ich als erstes einbauen soll, ziehe ich wieder eine Tarotkarte als Orakel. … Es ist der Tod! Glücklicherweise repräsentiert der nicht das physische Ableben, sondern das Ende eines Sachverhalts, oder eines Interesses, und dadurch eine gesteigerte Fähigkeit der Selbstwahrnehmung. Das ist interessanterweise aber genau Til Haselbergers Thema, denn einer seiner Aspekte ist, ‚Kann nicht loslassen‘. Sieht so aus als würde die heutige Odyssee möglicherweise kathartisch und lehrreich für ihn werden — oder ihn im Gegenteil in seinem Unwillen loszulassen bestätigen!

Auf dem Weg durch den dunklen Märchenwald holen jedenfalls die Kleinen Bunnies Til wieder ein. Ihr Kichern verrät sie, obwohl sie sich verborgen halten, unter Farnen und Huflattich. Scheinbar versuchen sie wieder, ihn zu foppen. Til schmunzelt, es ist gewissermaßen beruhigend, sie dabei zu haben, zu wissen, dass jemand auf seiner Seite ist, zumindest so im Großen und Ganzen.
„Also dann, Leute, zuerst kurz zum Bryndrick, dann nach Holz-Giebel-Brunnen-Dorf. Dort reden wir mit Aneta und den Boggans. Unterwegs fragen wir alle vernunftbegabten Wesen nach Niedzwiedz, die wir treffen! Aber wir erzählen Aneta nix davon, hört Ihr? Die muss ja nicht wissen, dass wir in Wirklichkeit noch gar keinen Plan haben, wo ihr Freund Niedzwiedz steckt! Und wer das überhaupt ist! Kapiert?“
Leises, konspiratives Bunny-Gekicher erklingt aus der Botanik.

Til sieht sich verwundert um, hier müsste doch eigentlich so langsam mal die Stelle mit den runden Findlingen am Waldrand kommen! Eigentlich müsste sie hier sogar längst gewesen sein, wenn er näher drüber nachdenkt! Dann jedoch sieht er im Zwielicht zwischen den Bäumen etwas Zweigwerk, das sich offensichtlich selbsttätig bewegt.
„Hier ist er!“, raunt er alarmiert, und schleicht näher, „Heda!“, ruft er ängstlich.
Die raschelnden Zweige halten inne, dann kommen sie näher.
„… Du bist aber nicht der Bryndrick!“, sagt Til erstaunt.
„Der Bryndrick?! Bewahre, nein!“, sagt die Stimme des Wesens. Es besteht ganz aus Pflanzenmaterial, aber es ist kein Druiden-Konstrukt, sondern es ist offensichtlich von selbst in diese Form gewachsen, und mit frischen, grünen Blättern bedeckt.



„Mein Name ist Setzling“, fügt es hinzu, „Der Bryndrick dieser Gegend, pah, der ist ein oller Griesgram, der würde mir bestimmt nicht helfen.“
„Dir helfen? Wieso, was brauchst Du denn?“
„Grimgoriminatori sind auf dem Vormarsch in diesen Teilen der Ewigen Wälder! Ich muss Hilfe holen!“
„Oh, ich habe selber schon welche davon gesehen. Vorgestern. Deren Kundschafter wollten mir das Lichtlein ausblasen! … Aber an mir haben sie sich die Zähne ausgebissen, denn glücklicherweise kenne ich ja ihre Schwachstelle!“
Sofort merkt Til, dass er da schon wieder unnötigerweise eine faustdicke Lüge mit drangehängt hat, schlimm ist das, ganz automatisch, wie ein Gewohnheitslügner!
„Was Du nicht sagst! Und, Fremder, warst Du wohl schon einmal in der Nähe des Everreach?“
„Ja, ja. Klar. Äh. Wieso?“
„Würdest Du mich begleiten? Die Bäume meiner Heimat rufen verzweifelt nach Hilfe! Die stampfenden Hufe der schwarzen Reiter von Grimgoromn nahen! Keine Wurzel ist sicher! Und indes haben wir mit innerem Aufruhr zu ringen!“
„Ich, äh, ich würd' Dir schrecklich gern helfen, Setzling. Aber ich habe so viel eigene Angelegenheiten zu regeln. Die, wie sagst Du, die Grimgori … minatori, die haben vorletzte Nacht schon genug Schaden angerichtet hier, in der Umgebung. Ich muss erstmal hier nach dem Rechten sehen!“
„Hast Du die Bäume denn noch nicht gefragt?“
„Komische Frage. Wie sollte das denn gehen? Hör' mal, ich bin kein richtiger Hippie. Ich kuschle keine Bäume!“
„Wer spricht denn von Kuscheln, Du junger Narr! Fragen sollst Du, Du bist doch ein Pooka, Eurereins beherrscht doch das Reich der Natur!“
„Oh ja?“
„Gewiss. Aber ich kann ja für Dich fragen, wenn Du nicht weißt, wie!“
„Ich muss vor allem eines wissen: Wer ist Niedzwiedz, und wo kann ich jemanden diesen Namens finden? Ich muss ihn wohlbehalten nach Holz-Giebel-Brunnen-Dorf bringen!“
„Die Bäume raunen sich so manches zu, Fremder, tragen so manche Mär weiter, von Ast zu Ast, Wurzel zu Wurzel! Als dann! Du begleitest mich zum Everreach, und hilfst meinem Zuhause! Dafür frage ich die hiesigen Bäume nach Deinem Niedzwiedz!“
„Das klingt ziemlich gut!“, und Til dreht sich nach den Bunnies um, „Was sagt Ihr?“
Diese hoppeln freudig auf und ab, wodurch sie immer wieder kurz aus ihren Verstecken zwischen den Grasbüscheln auftauchen. (Til ist sich nicht völlig sicher, ob sie sich nicht über jede andere Ansage ebenso sehr gefreut hätten, Hauptsache, es gibt was zu erleben!)
„Wenn wir unsere eigentlichen Aufgaben für Dich verschieben, wirst Du aber für mich den Bryndrick aufsuchen müssen, Setzling“, gibt Til zu bedenken, „Ich habe nur noch bis morgen früh, um meinen Handel mit ihm zu klären. Ich will ihn nicht verdrießlich machen. Du kennst Dich doch gut aus hier, in diesen Ewigen Wäldern, und bist doch so was wie ein Laufbursche …?“
„Ich bin der Herold der hohen Bäume!“
„Herold, genau! Das ist gut. Würdest Du für mich den Bryndrick um Aufschub bitten, während ich und die Kaninchen uns Deiner Sache annehmen?“
„Ich merke, Du bist eine Fee des Lichten Hofes, Pooka! Gerechtigkeit und Loyalität scheinen Dir ein hohes Gut zu sein! Das lobe ich mir. Es sei!“
„Topp, die Watte quillt.“
„Wie meinen?“
„Nichts, schon gut. Auf geht’s, zeige uns den Weg!“

Für ein so untersetztes Wesen ist der Setzling ziemlich schnell auf seinen Wurzel-Füßen, während er Til und seine schimärischen Freunde immer tiefer in den urwüchsigen Märchenwald hinein führt.
Plötzlich stehen sie vor einer dunkelbraunen Wand, wo der Setzling innehält.
„Siehe, Fremder: Everreach!“
„Wo?“
Der Setzling deutet feierlich hinauf. Tils Blick folgt seinen Zweigfingern, und der Mund klappt ihm auf. Denn sie stehen ja gar nicht vor einer Wand, wie fälschlicherweise angenommen, sondern vor den Wurzeln eines titanischen Baumes, der so gewaltig ist, dass Tils Wahrnehmung ihn zuerst gar nicht erfasst hat! Seine Krone erstreckt sich erst in einigen Kilometern Höhe in den Himmel, und sein Astwerk scheint von hier unten betrachtet das gesamte Himmelsgewölbe zu stützen.



„Everreach …“, keucht Til.
Natürlich war das gelogen, dass er schon einmal hier gewesen sei. Aber jetzt, wo er hier steht, ist ihm, als würde der Name ihm doch irgendwie vertraut vorkommen, und selbst dieser unfassbare Anblick … vielleicht aus einem früheren Traum? Vielleicht aus der Kindheit?
„… als würde ich mich daran erinnern, von irgendwann …“
Der Setzling kommentiert misstrauisch, „Sagtest Du nicht, Du seist schon hier gewesen?“
„Ja, ja! War ich doch auch!“, versichert Til hastig.
„Wie so viele von Euch Kithain, nicht wahr. Vor Euch liegt das uralte Labyrinth von Aevalorn! Es ist ein Wallfahrtsort, der weit über die Grenzen dieses Reiches hinaus bekannt ist. Es sei Dir und Deinen Schimären-Freunden nunmehr erlaubt, einzutreten! Mögest Du mehr Erfolg haben als die anderen Deinesgleichen, die mit schändlichen Absichten herkamen.“
„Ja, danke! Mal sehen. Halt, Moment. Andere, mit schändlichen Absichten?“
„Ihr, Herr Pooka, seid nicht die ersten in den Ewigen Wäldern, die ich um Hilfe frage!“
Til überrascht das wenig, er guckt auf den Setzling herab. Der hat sich ihm und den Kleinen Bunnies ja vorhin geradezu an den Hals geworfen. Der scheint die Menschenkenntnis zu haben von einer … na ja, einer Pflanze.
„Worin lag denn ihre Verwerflichkeit?“
„Sie haben geheuchelt, den Bäumen meiner Heimat helfen zu wollen, aber kaum hatte ich sie hierher gebracht, waren sie beseelt von ihrem eigentlichen Vorhaben. Sie haben schon seit längerer Zeit danach getrachtet, das Labyrinth von Aevalorn zu finden. Sie sind Schatzjäger! Sieh' Dich vor, wenn Du Everreach betreten hast!“
„Betreten?!“
„Erinnere Dich, Pooka! Du musst in den Everreach eintreten, um daraufhin das Labyrinth von Aevalorn zu erreichen! Sei' gewarnt: Meine hohen Vorfahren, die Bäume Aevalorns, sind in Trauer. Wegen einerseits den schweren Schritten der Grimgoriminatori, die nahen, und andererseits der Last des Vergangenen, das innerhalb unserer Grenzen spürbar geworden ist. Und ihr Leid manifestiert sich nun in irreführenden Pfaden, Trugbildern, und Stimmen aus der Vergangenheit. Euch ist der Eintritt gestattet, denn wir erhoffen uns von Euch, dass Ihr den Wächtern des Waldes helfen könnt, zu bergen, was verloren ward.“
„Okay …“
„Schwöre es! Ich kann mir nicht erlauben, erneut einen Kithain und Wechselbalg hierher geführt zu haben, der insgeheim eigenen Zielen folgt! Du gehörst dem Lichten Hofe an, im Gegensatz zu den anderen vorhin. Schwöre es, Pooka! Schwöre, dass Du versuchen wirst, den Bäumen von Aevalorn zu helfen, gegen die Grimgoriminatori, und mit ihrem eigenen Kummer!“
„Klar doch!“, nickt Til unüberlegt, „Und ich weiß ja schon, wer diese Spitzbuben eigentlich waren, jene anderen Kithain, nicht wahr? Ich schwöre, Euch zu helfen!“

Da hat der Lügenbold aber einen weiteren Eid geleistet, ohne groß darüber nachzudenken, und zwar diesen:

Queste (Gefahrvoll): Versuchen, den Bäumen von Aevalorn zu helfen, gegen die Grimgoriminatori, und mit ihrem eigenen Kummer.

Til und die Kleinen Bunnies schauen gebannt an dem titanischen Baum hinauf.
„Ich kann ja überhaupt nirgendwo einen Eingang ausmachen!“, sagt Til schließlich. Als er wieder herunter zum Waldboden blickt, wo der Setzling war, muss er jedoch sehen, dass das Pflanzenwesen verschwunden ist! Wahrscheinlich bereits los geeilt, um seinen Teil des Abkommens zu erfüllen, und den Bryndrick um Aufschub zu ersuchen ...

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Ich würfle einfach mal meinen Hintergrund-Wert meiner Schimären, also 3W10. Und siehe da, zwei Erfolge: Die Kleinen Bunnies haben schon einen Weg gefunden, der für Leute von ihrer Körpergröße taugt, Löcher im Wurzelwerk führen in hohle Bereiche des Everreach hinein! Die Kaninchen haben bereits freudig dort umher zu tollen begonnen, und huschen hinein und hinaus, spielen sich gegenseitig Streiche.
„Nicht schlecht, aber das hilft mir ja nichts, ich bin zu groß!“, sagt Til, aber dann haut er sich die Pfotenhand vor die Stirn, er könnte es ja mittlerweile besser wissen; und er klettert behende zwischen die riesenhaften Wurzeln. Als großer Feldhase kommt er von dort zurück gesprungen.

Der Hase und die Bunnies kriechen aufgeregt durch die sich windenden Gänge im Holz. Die Kaninchen quasseln und quieken leise vor sich hin. Dieser Tunnel scheint gemacht von Nagetieren wie ihnen. Til meint, ein immer wiederkehrendes Geräusch zu hören, eine Art langsames, dumpfes Pulsieren. Bei der Vorstellung, dies könnte so etwas wie der Lebensrythmus des uralten Baumes sein, eine Art Herzschlag, läuft es ihm heiß und kalt den Hasenrücken herunter, vor lauter Ehrfurcht.

Die Gänge verästeln und weiten sich, längst sind sie groß genug, damit ein Boggan hindurch kriechen könnte, ein Menschenkind, schließlich sogar ein Erwachsener. An einigen Stellen ist das Holz klebrig von einer dünnen Schicht aus golden glänzendem Harz. Til setzt einmal unabsichtlich eine Pfote hinein, und ist genervt darüber, jetzt wird seine Pfote stundenlang klebrig sein … stattdessen merkt er aber, dass die Flüssigkeit binnen Sekunden einzieht, und sein Vorderlauf sich daraufhin wunderbar geschmeidig anfühlt.
Die Kleinen Bunnies pesen freudig um den Feldhasen herum, und laufen jeden Tunnel mehrmals ab, um sich gegenseitig zu überrumpeln, aus immer neuen, unerwarteten Gängen heraus huschend.

Ich mache einen Move für Undertake a Journey. Der Baum Everreach ist ja nur der Zugang zur eigentlichen Stätte, darum begnüge ich mich damit, diese Reise als Unliebsam zu definieren.

Die erste Etappe ist das Durchqueren der sich weitenden Gänge. Ich würfle Geschick+Athletik für den Hasen, als Extended Action. Die Bunnies helfen nach Kräften mit, den richtigen Weg zu finden. Neun Erfolge, aus denen die Challenge Dice ehrgeizig dennoch nur einen Weak Hit machen. Das gibt die ersten drei Punkte Fortschritt für die Reise, aber kostet einen Punkt Supply. Und Til ist ja erneut nur im Schlafanzug hier eingetroffen! Laut Ironsworn kann es Spirit oder Momentum kosten, wenn kein Supply mehr da ist, und diese beiden Spielwerte sind bei mir einfach Willenskraft, also lege ich davon einen temporären Punkt von Til ab.

Als sie zwanzig Minuten unterwegs sind, knurren ihnen allen die Mägen. Die Kaninchen werden etwas flegmatischer, und umschwärmen Til quengelnd. Sie haben sich ja auch nonstop verausgabt, seit sie hierher gekommen sind. Er wird was zu Mumpfeln für sie auftreiben müssen, und für sich selber auch.

Also muss ich den Move Resupply machen. In diesem Baum gibt es bestimmt irgendwelche Futterpflanzen für uns. Ich würfle Wahrnehmung+Überleben für den Hasen, und die Challenge Dice gewähren einen Weak Hit. Er entdeckt schließlich an einer Stelle, wo Sonnenlicht nach drinnen fällt, üppige Kleefelder an den Innenseiten des Stammes. Die sechs Nagetiere fallen glücklich darüber her, und ich bekomme wieder zwei Supply-Punkte.

Gesättigt verwandelt sich Til zurück in seine Feengestalt. Er pflückt einiges an Klee, Kräutern, und Pilzen für später, verstaut das in seinem Pyjamaoberteil, und bindet dieses als Bündel zusammen.



Kurz geht ihm der Gedanke durch den Kopf, dass es klasse wäre, mit dem Baum sprechen zu können, wie vorhin der Setzling gesagt hatte. Dann könnte er persönlich danke sagen. (Die Situation ist so fantastisch, dass ihm nicht einmal in den Sinn kommt, was für ein gefühlsduseliger Gedanke das womöglich ist, zumindest betrachtet aus seiner sonstigen Alltags-Perspektive.)


Evolution: Damit habe ich genug Erfahrungspunkte zusammengesammelt, um Til einen vierten Punkt in Geschick zu spendieren. Immerhin hat er neulich seine Hasennatur entdeckt, das macht ihn auch in menschlicher und menschenähnlicher Gestalt gewandter. Da er nun vier Punkte in Geschick hat, erhält er dadurch auch eine Spezialisierung dafür, diese definiere ich als ‚Schnelligkeit‘.


Über ihnen weitet sich schließlich das Innere des Baumstamms zu einem Hohlraum, der wie das Innere eines riesenhaften Turmes kilometerweit hinauf führt. Til und die Kaninchen staunen mit offenen Mündern. Hier formt das Harz feine, ätherische Gebilde, die in der Höhe frei hinab hängen, golden glänzende Tropfen erinnern an komplizierte Kristalllüster, oder vielleicht Notenleitern. Ein goldgelber und silbriger Lichtschein erhellt das Innere des Everreach. Hoch, hoch oben über ihnen ist ein Astloch zu sehen, geformt wie eine hohe, schmale Tür, hinter der man Tageslicht sehen kann.
„Da scheint's raus zu gehen … nach Aevalorn“, raunt Til mit wohligem Erschaudern.
Einige der fünf Bunnies nicken bestätigend, als wüssten sie genau Bescheid über jenes verwunschene Reich. (Ein paar andere schütteln die Köpfe.)

Das Innere der Wände sieht relativ gangbar aus, mit halb offenen Tunnels, die an den Innenwänden entlang führen. An vielen Stellen bilden große, symbiotische Pilze Plattformen, die meterweit in den Raum hinein ragen. Möglicherweise wird man springend und kletternd ganz bis zu der Tür hinauf kommen.



Das Innere des Everreach ist eine ganz eigene Welt


„Seid Ihr eigentlich schwindelfrei, Bunnies?“, fragt Til vorsichtshalber, den Blick immer noch nach oben gerichtet.
Aber die Bunnies haben enthusiastisch bereits den Aufstieg begonnen, wie er bemerkt, er muss sich beeilen, hinterher zu kommen. Nur eins nicht, das hält sich die winzigen Pfoten vor die Augen und weint. Til hebt es behutsam auf, streichelt es über den Rücken, und setzt es auf seine Schulter. Sofort hellt seine Mine sich auf, als es sich an dem Hasenfell festklammert.
„Gut festhalten! Kannst die Augen zu machen, wenn Dir mulmig wird!“
Aber das muss es gar nicht mehr, es schmunzelt wieder, vielleicht wollte es ja auch nur eine Mitfahrgelegenheit.

Diese Reiseetappe ist mit Geschick+Athletik zu bewältigen, ich mache eine Extended Action für Til, und sein Löwenschweif-Aspekt hilft da auch wieder, denn hier muss balanciert werden. Ein paar halsbrecherische Hüpfer von Pilz zu Pilz sind ebenfalls unumgänglich. Die Bunnies finden das alles total prima, Til schlottern etwas die Knie, denn er sieht gelegentlich nach unten, und sie sind mittlerweile hunderte von Metern über dem holzigen Boden! Aber mit seinem frisch gesteigerten Geschick und dem Aspekt-Bonus kommt er auf elf Erfolge bei seinen beiden Würfen, zehn ist das Maximum. Sauber. Die Challenge Dice bestätigen: Strong Hit. Dieser Waypoint verschafft uns die nächsten drei Punkte Reise-Fortschritt, jetzt sind wir auf sechs.

Stunden später wandern der Pooka und seine kleinen, schimärischen Freunde durch Tunnels in den Innenwänden, die steil aufwärts führen. An manchen Stellen sind tatsächlich Treppenstufen eingedrechselt in das Holz, teilweise passend für Wesen ihrer Körperdimensionen (teilweise aber auch gedacht für Wesen, die sehr viel kleiner sind, aber trotzdem Treppenhäuser mögen). An den Stellen, wo die Tunnels zum Innenraum des Baumes hin offen stehen, vermeidet Til es bewusst, hinab zu schauen, sie müssen viele Kilometer hoch oben sein mittlerweile. Sie kommen an einigen der Harztropfen-Kristalllüster vorbei, die wundersamen, getrockneten Gehänge geben ein feines Klingeln von sich. In einigen der Hohlräume finden sie auch Kampfspuren, und in manchen sogar menschenähnliche oder tierische Skelette. Zuerst ist Til entsetzt und ihm wird etwas übel: Abenteurer mit Rüstungsteilen und Marschgepäck haben hier vor langer Zeit ihr Leben ausgehaucht. Dann sagt er sich jedoch, dass dieses unglaubliche Ökosystem, das sie durchqueren, eben ein Ort von Leben, aber gleichzeitig auch von Tod, und von Erneuerung zu sein scheint.

Tiefer in den hölzernen Hohlräumen leitet sie das Phosphoreszieren von Teichen aus goldenem Baumharz. Ein oder zweimal hält Til ein paar der fünf tollkühnen Kaninchen davon ab, vor lauter Neugier hinein zu plumpsen. Dabei sieht er sein Spiegelbild im glänzenden Harz … und erschaudert:
Die Reflexion zeigt plötzlich seine Gartenhütte, als sie noch auf dem Grundstück stand! Es ist eine abendliche Szene, die Bürgerinitiative ist dort versammelt, wie damals immer! Er sieht sich, Jette, Jévon, David, und die vielen anderen. Sie lachen und reden durcheinander. Halb ist das heutige Treffen Vorbereitung für ihr kommendes Gespräch mit dem Stadtrat, halb ist es eine Party. Es läuft Musik aus Boxen, und zwei Akustikgitarren versuchen gerade, analog mitzuspielen. Til hört vage die Töne, wie als würden sie aus seiner Erinnerung an seine Ohren getragen werden. Ist das noch die Zeit, in der sie — abgesehen von ihrer politischen Arbeit — nebenher die Theatergruppe waren, oder schon die, wo daraus die D&D-Gruppe geworden war? Sie sehen alle so glücklich aus. Oder kommt Til das nur im Nachhinein so vor? Er weiß nicht, ob er an jenem Abend so besonders happy gewesen war, mehr als sonst. Das weiß man ja manchmal besser im Nachhinein. Die merkwürdige Vision verblasst, und beinahe hätte er die Hand ausgestreckt, um sinnlos zu versuchen, sie festzuhalten, und nur seine Finger mit Baumharz verklebt. Jetzt sieht er nur noch sein eigenes Spiegelbild — jetzt aber nicht mehr das fellbedeckte Gesicht eines Dreißigjährigen, sondern das eines weißen Hasen. Auf seiner Schulter sitzt eins der Bunnies, es wirkt nicht traurig, eigentlich ganz vergnügt. Die anderen gucken ähnlich drein, während sie durch die holzige Höhle hoppeln.

Nun hat Til die magische Eigenschaft des Baumharzes kennengelernt. Die nächste Etappe wird also vor allem beinhalten, sich nicht allzu sehr ablenken zu lassen von den Spiegelbildern der goldenen Harzteiche, wo lebende Erinnerungen erscheinen.

Dafür würfle ich Geistesschärfe+Enigmas für das Vorankommen. Aber: Ich habe Til ja als Aspekt gegeben ‚Kann nicht loslassen‘, das ist in dieser Situation leider kein Vorteil, der seinen Bonus-Würfel einbringt, sondern ein Nachteil, der stattdessen dafür sorgt, dass Einser bei den Würfen jeweils Erfolge abziehen! (‚Regel der Eins‘, siehe oben.) Ich mache mich auf grandioses Verlorengehen gefasst … aber siehe da, keine Einser fallen, und die Extended Action bringt mir sechs Erfolge, das ist ordentlich! Die Challenge Dice gönnen uns einen Weak Hit dadurch. Wir markieren also erneut drei Fortschritt-Punkte, auf Kosten eines Punktes Supply. Tils mit Klee und Wurzeln gefüllter Proviant-Beutel wird halbleer gegessen bei den Pausen, die sie unterwegs einlegen. Hoffentlich werden sie bewirtet, wenn sie vor die Herrscher von Aevalorn treten …?

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Nahe der Ausgangstür des Everreach


Damit ist es dann auch Zeit für den abschließenden Move namens Reach Your Destination, denn die Tür nach draußen ist in greifbare Nähe gekommen. Da muss ich unseren Reise-Fortschritt von neun einfach mit den Challenge Dice unterwürfeln. Eine Neun ist als eins der beiden Wurfresultate dabei, also nur ein Weak Hit: Die Kletterer erreichen die Stelle mit der Ausgangstür, aber eine unvorhergesehene Gefahr oder Komplikation ereignet sich dabei. Spannend, da nehme ich was aus meiner Ideensammlung für dieses Abenteuer:

„Haltet ein!“, sagt eine blechern klingende Stimme hinter Til und den fünf Kaninchen, als sie sich der hell erleuchteten Öffnung nähern. Es klingt nicht sehr bedrohlich, beinahe kraftlos.
Til dreht sich erstaunt um, und gefriert in der Bewegung. Es ist einer der vermummten Kundschafter der Grimgoriminatori! Jener Reiter in schwarzen Kapuzenmänteln, die neulich versucht haben, ihn mit Pfeilen zu spicken! Der Ritter trägt unter seinem Mantel eine matt glänzende Rüstung, und schultert ein übergroßes, schartiges Schwert. Auf zweiten Blick sieht er jedoch nicht aus, als wäre er bereit zum Duell, eher so, als würde er gebeugt laufen unter der Last der riesigen Klinge, als würde er ein Kreuz tragen.
„Du … Du bist einer der …“, stammelt Til ängstlich.
„Ave, Fremder! Ich bin einer der Späher des Alleinherrschers von Grimgoromn. Möge das Recht Grimgoromns Dich stets schützen auf Deinen Wegen.“
„Äh … danke? … Wieso Recht?“
„Die Grimgoriminatori versuchen, das Gesetz ins wilde Land zu bringen. Wir sind ihre Vasallen.“
„Das finde ich ja prima“, lügt Til, „Hey, wie viele von Euch sind denn hier?“
„Ich bin der einzige. Ich bin den Grimgoriminatori voraus geeilt, wir waren einer der Vortrupps. Nur ich habe es hierher geschafft. Ich werde versuchen müssen, auf eigene Faust Aevalorn auszukundschaften.“
„Aus rein altruistischen Motiven heraus, nehme ich an. Du bist … ein Ufo … Urojen …“
„Urojenie werden wir in manchen Zungen der Sterblichen genannt, oder Schimären. Gewiss. Und Du bist ein Pooka, halb Schimäre, halb Tier.“
„Logisch.“
„Ich kann nicht gestatten, dass Du nach Aevalorn hinein trittst, so wie die beiden anderen vor Dir.“
„Oh? Warum denn das, Rittersmann?“
„Ihr seid womöglich Agenten des Setzlings! Dieses Wesen ist ebenso gesetzlos wie die anderen Bewohner der Ewigen Wälder! Dazu gehören auch Aevalorn, und der Tulgee-Wald. Man wird über Dich Gericht halten müssen, um dies genauer zu überprüfen.“
Die Stimme hinter seinem Helmvisier klingt jedoch nicht anklagend, eher hoffnungslos.
„Ja, ja, versteh' schon. Das geht Dir gegen den Strich. Aber hey, der Setzling hat gesagt, er gehört zu etwas, das der Lichte Hof genannt wird! Denen scheint Recht und Ordnung wichtig zu sein! Siehst Du? Die gehören zum Lichten Hof! Hier sind keine Widersacher für Dich und Deine Jungs!“
Der Vermummte schüttelt griesgrämig den Kopf, „Oh doch! Dem Lichten Hofe anzugehören reicht bei weitem nicht. Nur das Gesetz von Grimgoromn kann das Chaos und die Verwerflichkeit dieser unbeugsamen Lande in die Knie zwingen.“
„Aber was willst Du von mir?“
„Die Harzteiche des Everreach haben mir Dein Erscheinen eben vorausgesagt! Es gibt einen der Teiche, den Du noch nicht gesehen hast. Du wirst mich dorthin begleiten müssen. Und Du wirst Deine Komplizenschaft mit dem Setzling überdenken!“
Til zögert. Die Visionen des Baumharzes ziehen ihn magisch an, zugegeben. Aber er hat nun mal einen Eid geleistet, und durch seine Feennatur ahnt er deutlich, dass er den nicht einfach brechen darf! Außerdem ist dieser schwarze Ritter total suspekt, dessen Kumpane wollten Til doch zu einem Nadelkissen-Hasen verarbeiten mit ihren Flitzebögen, vielleicht war er hier sogar mit dabei vorgestern, man sieht ja ihre Gesichter nicht!

„Klar, gute Idee“, hört sich Til spitzbübisch sagen, selber etwas erstaunt über sich, „Aber zuerst müssen wir hurtig einen Blick durch die Tür werfen! Ich nehme an, die Herren von Aevalorn haben möglicherweise bereits ihr Empfangskommittee geschickt. Wir müssen sicher gehen, dass die Luft rein ist! Sonst sind wir mir-nichts-Dir-nichts ihre Kriegsgefangenen!“

Ich mache aus dieser Begegnung den Compel-Move. Ich muss das Vertrauen des schwarzen Ritters gewinnen, um ihn zu betrügen. Meine Extended Action mit Charisma+Überzeugen ergibt acht Erfolge. Ein Strong Hit, hurrah! Dementsprechend:

Der Grimgoromn-Scout lässt sich also bereitwillig hinter Til her lotsen. Erst erscheint Tils Hasenkopf hinter dem aus dem Holz gewachsenen Türrahmen, dann das Helmvisir des Ritters. Dann fünf neugierige, kleine Kaninchenköpfe.
Hinter dem Everreach ist eine unfassbare Weite gelegen, in welcher Baumkronen zu erahnen sind, aber alles ist erfüllt von silbernem Nebeldunst. Unterhalb der Zugangstür jedoch gibt es erneut zahllose Pilze, die wie Plattformen an der Außenrinde hinab führen. Sie sehen recht elastisch aus, so wie die im Innenraum es sind ...
Til raunt, „Ihr seid doch ein Scout, Rittersmann! Ich jedoch habe nur die Sehstärke eines hundsgemeinen Feldhasen. Wagt Euch ein Stücklein näher, werft noch einen genaueren Blick! Wenn Einheimische dort sind, müsst Ihr sie erspähen, sonst werden wir aufgegriffen!“
Der schwerfällige Geharnischte nickt besorgt, und schiebt sich geduckt durch die Türöffnung.
Tils Löwenschweif wischt auf dem Boden nervös hin und her, als der Vermummte ihm den Rücken zuwendet. Noch ein Schrittchen … der Ritter beugt sich spähend hinab …
Zwei Hasenhände schubsen mit aller Kraft den Nichtsahnenden nach draußen! Es klirrt und klappert, als er auf einer der Pilzplattformen draußen aufschlägt!
„Yesss!“, ruft Til arglistig, „Wachen, Wacheeeen! Schnappt ihn Euch! Der's ein Spion aus Grimgoromn!“
Die Kleinen Bunnies springen auf und ab und ihre winzigen Pfötchen geben sich High Fives.
Der Geharnischte ist nicht einfach liegen geblieben; trampolinartig ist er von dem elastischen Pilz geschleudert worden, und auf den nächstniedrigeren geworfen worden, erneut klappert und rasselt es.
Mit frenetischem Schmunzeln schaut Til ihm nach, halb ist der Geharnischte schon von Nebelschlieren umgeben da unten. Die Hasenaugen suchen aufgeregt nach Bewegungen von Wächtern, irgendwo in der Nebelsuppe. Wenn dies das einzige Tor nach Aevalorn ist, müssen hier ja einheimische Torwächter sein.

Aber sind da welche? Die Orakelwürfel verneinen!

„Möglicherweise ist das hier nicht das, was ich erwartet hätte …!“, gibt Til zu, und versucht angestrengt, einen klaren Blick durch die Nebelschwaden zu erhaschen.
Die Kleinen Bunnies hopsen schon einmal an ihm vorbei, die Plattformen herab, von Pilz zu Pilz. Til folgt ihnen also, und klettert hinterher. Da, wo der schwarze Ritter zuletzt aufgeschlagen ist, liegen nur noch ein paar abgesprengte Rüstungsteile.
Jetzt etwas weniger siegesgewiss sieht Til sich in der Nebelsuppe um, „Er hat sich davongemacht, der wackere Kämpfer! Na, bestimmt verzeiht er uns den Streich, oder, Leute?“
Die Bunnies nicken begeistert, sie fanden das offensichtlich klasse, warum sollte das Opfer eines so gelungenen Streiches das nicht auch mit Humor betrachten?
Til streicht sich nervös die Tasthaare glatt, und sieht sich ängstlich um.
„Wir müssen jedenfalls pronto die hiesigen Wachen alarmieren, Freunde!“, zischt er, „Die müssen sich den Kerl kaufen! Und zwar im Pulk, das war das größte Schwert, das ich je gesehen habe! Zu der Gelegenheit können wir denen auch gleich unsere Dienste anbieten, was? Immerhin haben wir's dem Setzling versprochen.“
Die Kleinen Bunnies gucken alle groß, und deuten dann alle mit den Pfötchen auf Til.
„Ja, schon gut, ich hab’s versprochen. Aber Ihr helft mir, bitte!“
Gönnerhaftes Nicken.
„Das ist gut. Ich habe ehrlich gesagt keinen Schimmer, in was für einer Sache wir hier drin stecken! Für einen normalen Traum ist das alles hier viel zu kongruent. Wer weiß, was hier los ist!“


Hier draußen angelangt müssen sie glücklicherweise nicht wieder kilometertief hinab klettern, um den Waldboden zu erreichen. Das Labyrinth von Aevalorn erstreckt sich nämlich überhaupt nicht ebenerdig, wie Til angenommen hatte — es ist ein unendlich verästeltes Netz aus Zweigwerk der riesigen Bäume. Zahllose von ihnen bilden natürliche Brücken von Baum zu Baum. Viele Bäume haben Löcher und Hohlräume, halb verborgen von Hängemoosen, und führen durch geheime Gänge. Je tiefer sie steigen, desto mehr umgibt wieder Waldesduft die Wanderer. Dieser hier hat eine fremdartige, moosige Note. Die vielen Vogelrufe aus den Ästen klingen merkwürdig, irgendwie sehnsuchtsvoll und melancholisch. Die Baumriesen sind klein im Vergleich zum Everreach — aber dennoch haben die Stämme der meisten den Umfang von Burgmauern. Über ihren Kronen ist durch die Nebelschlieren ein mintblauer Himmel zu sehen, der in ewiges Abendzwielicht getaucht zu sein scheint. Lichtquellen durchdringen jedoch immer wieder den Nebel, durch die biolumisiszenten Blätter, die silbrig, golden, oder violett schimmern. Besonders auffällig ist an einem bestimmten Punkt das goldene Glitzern in der Distanz, offensichtlich ein ganzer Thronsaal, wo in den Zweigen Hof gehalten wird!



Jenseits des Everreach: Das Labyrinth von Aevalorn


Tief unter den Reisenden, wo man den dunklen Waldboden erahnen kann, blinken einzelne bläulich leuchtende Pilze, und es glänzen goldene Bäche, die das magische Baumharz dort bildet. Es fließt durch ganz Aevalorn hindurch, wie ein Fluss von Lebenskraft und Erinnerungen.

Zuerst einmal sucht Til aufgescheucht nach Waldläufern, irgendwelchen Einheimischen, die er alarmieren kann. Er könnte auch den Laternenschein des Thronsaals in der Distanz ansteuern, aber das ist ein langer Marsch. Bestimmt gibt es hier Grenzpatrouillien?
« Letzte Änderung: 2.02.2025 | 08:49 von Schalter »

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Das will ich mit dem Move namens Gather Information lösen! Dafür würfle ich Wahrnehmung+Aufmerksamkeit, und den Löwenschweif-Aspekt bringe ich auch wieder mit ein, denn unterwegs muss ständig balanciert werden auf den Ast-Brücken. (Das Astwerk scheint wie geschaffen für Til.) Seinen Aspekt ‚Kann nicht loslassen‘ bringe ich ebenfalls ein, denn dies scheint ein Wald der Erinnerungen zu sein, und das Gewisper der Bäume lenkt Til ungemein ab. Einser ziehen also bei diesen beiden Würfen Erfolge ab. … Er erzielt dennoch locker maximale zehn Erfolge. Seine Spezialisierung kommt hier ja ebenfalls wieder ins Spiel, die scharfen Hasenohren verwandeln Zehner-Ergebnisse in doppelte Erfolge. Also ein Strong Hit, so entscheiden die Orakelwürfel. Das führt uns zu den Geräuschen von Wächtern des Labyrinthes, und gibt obendrein einen dringend benötigten Punkt Willenskraft zurück (anstelle des Ironsworn-Spielwertes namens Momentum).

Die Aevalori sind nicht etwa Tolkien'sche Waldelfen, wie Til bereits so halbwegs vorausgesetzt hatte, sondern gänzlich ätherische Gestalten. Ihre Haut hat dieselbe silbrig-weiße Farbe wie der Nebel, und ihre Glieder und Hälse sind beinahe grotesk lang und dünn, aber in jeder Bewegung zeigt sich übermenschliche Gewandtheit und Grazie. Sie sind bemalt mit blauen Halbkreisen, eine Art Stammes-Schmuck, und sie tragen schlanke Bögen und Wurfspeere. Als der keuchende, abgehetzte Til mit einem Sprung auf ihrer Astbrücke aufsetzt, gefolgt von fünf wuseligen Bunnies, schauen die Eingeborenen erstaunt, beinahe angefasst. Sie scheinen es gar nicht zu mögen, wenn ihre beinahe lautlosen Bewegungen und Flüsterstimmen von Fremden gehört werden!




Aevalori-Scouts
Attribute: Geschick (Wendigkeit) 5, Konstitution 3, Stärke 2, Charisma 3, Erscheinungsbild 4, Manipulation 2, Geistesschärfe 3, Intelligenz 3, Wahrnehmung (Gefahrensinn innerhalb Aevalorns) 4
Fertigkeiten: Athletik (Klettern) 4, Aufmerksamkeit (Hypersensibel) 5, Ausdruck 2, Ausweichen (Reflexe) 4, Empathie 3, Gewahren 3, Überzeugen 2; Bogenschießen (Zielschüsse) 4, Etikette 3, Handwerk 2, Heimlichkeit (Verborgen halten) 4, Überleben 3, Tierkunde 2; Enigmas 3, Gesetz 1, Gremayre 2, Medizin 2, Nachforschung 1, Politik 1
Aspekte:
 • Wächter von Aevalorn +3
 • Ehrenvoll +2
 • Hüter von Geheimnissen +1
 • Leiden, wenn die Bäume von Aevalorn Kummer haben
 • Gedankenverloren
 • Stolz
Glamour: 3
Willenskraft: 6
Ausrüstung: Langbögen, Köcher mit Pfeilen, Wurfspieße, Jagdmesser, Kleidung aus Pflanzenmaterial, kultische Bemalung, Proviant, Heilkräuter


„Hallo, äh, schönen guten Morgen, oder Abend, oder wie auch immer man diese Tageszeit nennt, die ihr hier habt!“, sagt Til versuchsweise.
Die Augen der silberhäutigen Kundschafter mustern ihn befremdet.

Sprechen diese Wesen denn Tils Sprache, so wie die Leute in Holz-Giebel-Brunnen-Dorf es getan haben? Nö, sagen die Orakelwürfel. Dann wird Til sich anderweitig verständigen müssen!

Verzweifelt versucht er minutenlang, mit Gesten und Fingerzeigen zu beschreiben, weswegen er sie alarmieren will. Das Wort Grimgoromn kennen die Späher jedenfalls! (Die Kleinen Bunnies sind ungemein hilfreich, indem sie ebenfalls gestikulieren wie wild und um die Aufmerksamkeit der Fremden haischen, aber mit irgendwelchen anderen, eigenen Botschaften!)
Daraus mache ich nicht gleich einen Move, sondern nur einen regulären Wurf, immerhin ist der Typ Fremdsprachenlehrer. Das wird er ja wohl hinkriegen? Also Geistesschärfe+Linguistik. Jawoll, zwei Erfolge: Dass es einen einzelnen Eindringling aus Grimgoromn abzuwehren gibt, das bekommt er den Scouts vermittelt! Nicht schlecht! Ihrerseits geben sie ihm mit ihren leisen, klangvollen Stimmen zu verstehen, dass eine Person namens Aelhunara das Sagen an diesem Ort zu haben scheint. Von dieser Wesenheit sprechen die Aevalori mit allergrößtem Respekt. Eine gewisse Ysandra scheint hier ebenfalls eine Rolle zu spielen.

Die Aevalori brechen plötzlich die Vermittlungsversuche ab, und beginnen geduckt die Astbrücke entlang zu laufen, so lautlos wie fallende Blätter! Einer von ihnen macht schon einmal seinen Bogen schussbereit. Sie spähen und lauschen in die Richtung, wo der Stamm des Everreach im Nebeldunst verschwindet, wo die Wurzeln der Baumgiganten verlaufen müssen, irgendwo dort unten im Zwielicht. Dann klettern die drei los, in diese Richtung, verschwinden außer Sicht.
„Ja, macht ihm ordentlich Feuer unter seinem Panzerplatten-Arsch“, sagt Til halblaut.
Aber war dieser Grimgoromn-Spion überhaupt eine wirklich niederträchtige Schimäre? Er wirkte vor allem wie einer, der ebenso schwer an seiner Vergangenheit trägt wie an seinem überdimensionalen Schwert.

Aber wir haben geschworen, Aevalorn gegen Grimgoromn zu helfen. Also ist dies der erste Milestone auf der
Queste (Gefahrvoll): Versuchen, den Bäumen von Aevalorn zu helfen, gegen die Grimgoriminatori, und mit ihrem eigenen Kummer.
Jeder erreichte Milestone bringt zwei Punkte Fortschritt.

Nachdem die drei Scouts uns nicht direkt sagen konnten, an wen wir uns zu wenden haben (wo zum Beispiel diese Aelhunara residiert), können wir genauso gut als nächstes den Thronsaal mit den vielen, feierlichen Lichtern ansteuern. Til joggt weiter die Astbrücken entlang, in die Richtung aus der die drei Ureinwohner kamen, und hinein in eins der Astlöcher, durch die Tunnels. Er kichert überdreht. Die Umgebung ist so fantastisch, dass ihm schwindelig wird.

Aber bevor wir uns bei Hofe vorstellen können heißt es, erneut nach Proviant suchen! Ein weiterer Resupply-Move ist nützlich, hier gibt es bestimmt viele leckere Futterpflanzen für Leute wie uns. Ich habe den Kleinen Bunnies den Aspekt ‚Untrügliches Gespür für leckeres Happa (+1)‘ gegeben. Diesen Bonus-Würfel rolle ich jetzt natürlich wieder mit. Sieben Erfolge, aus denen die Challenge Dice dennoch einen Fehlschlag machen, mit einer Sieben und einer Neun. Schön doof, das bedeutet Pay the Price:

Die Bunnies haben ein paar Baumäste gefunden, auf denen äußerst üppige Erbeersträucher gedeihen. Während sie darauf zu klettern, schnappt unter Tils Gewicht jedoch einer der Äste entzwei, und er schmiert ab! Schreiend verschwindet er im Nebeldunst!

Er durchschlägt im Fallen mehrere Lianen, und es gelingt ihm in seiner Panik, eine davon zu greifen, das Pflanzenmaterial rutscht ihm durch die Finger und die Reibung versengt seine Pfotenpolster! Dann schließlich reißt die Liane, und Til kullert auf einen der tiefer gelegenen, breiten Äste. Fast alle Energie ist durch die rettende Liane aus seinem Sturz absorbiert worden, er hat nur die verbrannten Handflüchen und ein paar blaue Flecken zu beklagen. Er schnappt sich sein zusammengeknotetes Pyjamaoberteil mit dem Proviant, und rappelt sich auf. Hier unten ist es merklich dunkler, er ist dem Waldboden zehn bis zwanzig Meter näher gekommen. Er sammelt die abgerissene Liane auf, wickelt sie auf und legt sie sich über die Schulter wie eine Taurolle. Vielleicht braucht man später noch ein improvisiertes Kletterseil. (‚Kann nicht loslassen‘, wie gesagt.)

Was geht denn hier unten so ab? Da hole ich mir ein neues Stichwort vom Orakel. Die Würfel sagen Reject Truth, die Zurückweisung der Wahrheit. Es scheint dabei um eine der Wahrheiten zu gehen, die sie selbst betreffen.

Til horcht auf das Greinen und Quieken der Kaninchen weiter oben.
„Ich bin hier! Mir fehlt nichts!“, ruft er keuchend. Der Nebeldunst schluckt seine Stimme.
Er lauscht angestrengt, und seine zuckenden Hasenlöffel nehmen ein anderes Geräusch wahr: Ein Knarren und Summen auf dem Höhenwind. So ähnlich wie die Stimme des Bryndick, aber so tief und langsam, dass es kaum hörbar ist. Er reißt die Augen auf, als er plötzlich begreift: Das sind die Bäume! Der Aevalorn-Wald spricht, die Bäume raunen ihre Botschaften untereinander! Ganz so, wie der Setzling behauptet hat! Angestrengt hört er hin. Er kann dem Gemurmel dennoch nichts entnehmen, außer einem vagen Eindruck von Furcht und Bereuen. Irgendetwas leugnen sie … etwas, das so schlimm für sie ist, dass sie es in ihrem tiefen Raunen nicht wahrhaben wollen!

Ein Schauder läuft Til über den Rücken. Was könnte so schlimm sein, dass derart mächtige, alte Lebensformen wie diese Baumgiganten es verdrängen …?

Da mache ich mal den Move Endure Stress. Dafür würfle ich zweimal Willenskraft, und das Resultat ist ein Fehlschlag. Das kostet Til also einen temporären Willenskraft-Punkt.

Til legt die Ohren an und zittert, als ein unartikulierter, urzeitlicher Terror ihn zu beschleichen beginnt. Wenn der ganze Wald schon in Angst lebt, was könnte jemand wie er schon ausrichten?! Dann hört er das Wuseln der Kaninchen, die einen Weg hinab gefunden haben, und geht ihnen entgegen. Quiekend rennen sie um ihn herum.
„Schon gut, schon gut! Mir wäre schon nichts passiert, außerdem war das ja nur zum Training. Alles für meine Zirkusnummer!“, schwindelt er, und streichelt ihnen liebevoll über die Köpfe.

Dann werden wir den Resupply-Move wohl noch einmal wiederholen müssen, um die Erbeeren zu ernten.

Daraufhin schlagen wir den Weg zu den fernen Lichtern in den Baumkronen ein: Wenn diese Aelhunara dort Hof hält, kann sie uns vielleicht näher instruieren?

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Aus diesem Weg mache ich keinen weiteren Reise-Move, sondern einfach den Move Face Danger. Die Wanderer müssen nur das Wirrwar aus Zweigbrücken passieren. Ein Strong Hit: Hoppi, wie munter sie zu sechst durch die Labyrinthe aus Geäst und hohlen Bäumen eilen, dass es nur so eine Freude ist! Die schwindelerregenden Tiefen sausen nur so unter ihnen hinweg.

Die Lichter der weiten Baumhaus-Terrasse kommen immer näher in den Nebelschlieren. Schließlich balancieren Til und die fünf Kaninchen im Gänsemarsch von einer Astbrücke hinab, und setzen Fuß auf die Planken der Plattform. Das Schloss ist gänzlich aus Holz, und meisterhaft und organisch in den Baumgiganten hinein gebaut, viele Kilometer über dem Waldboden. Bioluminiszente Blätter erhellen die Szenerie ebenso wie zahllose orange und goldene Laternen. Til und seine Freunde sehen sich staunend um. Einige der feingliedrigen, silberhäutigen Aevalori kommen auf ihn zu, etwas misstrauisch, aber ihre Gesichter spiegeln eine klare Vermutung wieder, was es mit seinem Erscheinen auf sich hat.
„Seid uns willkommen, Reisende, am Hofe der Hohlkrone!“, sagt einer von ihnen, ehrerbietig, aber vorsichtig. Hier immerhin scheint man Englisch zu sprechen.
„Habt Dank! Ich, äh …?“
„Auch Dich schickt der Setzling, nicht wahr? In dieser Gewandung darfst Du nicht vor die hohe Dame treten, Pooka.“
„Öhm, ja. Fein. Wenn Ihr mir eine Tüte gebt für meinen Klee, dann kann ich meinen Proviant umfüllen, und mein Pyjamaoberteil wieder anziehen ...“
„Es scheint wahr zu sein, Du bist ein Geschöpf der Herbstwelt. Ein Wechselbalg. Sind dies etwa Menschenkleider? Dies ist entgegen der Bräuche. Wir werden Dich neu einkleiden müssen, bevor wir Dich der hohen Dame vorstellen können.“
„Äh, das ist mein zweitliebster Schlafanzug! Aber gut, wie Ihr meint.“
Ein anderer der Höflinge sagt, „Du hast bereits einen Teilsieg errungen gegen einen Späher aus Grimgoromn! Unsere Geschwister wussten eben davon zu berichten, und die hohen Bäume tragen die Kunde davon bereits weiter. Kommt, werte Gäste, sicher begehrt Ihr Speis' und Trank.“
„Klasse. Die Bunnies haben bestimmt auch schon wieder Appetit. … Hof der Hohlkrone, ja? Regiert hier Aelhunara?“
Die ätherischen Gestalten ziehen überrascht die haarlosen Augenbrauen hoch: „Aber nein! Aelhunara ist die Schutzherrin unserer Art, Fremder. Du solltest ihren Namen besser nicht leichtfertig aussprechen! Du bist ein Pooka, Du hast nichts mit ihr zu tun. Den Hof der Hohlkrone regiert unsere hiesige Fürstin, Ysandra!“
Ein anderer fügt hinzu, „Du wirst eine Audienz mit der gnädigen Dame Ysandra bekommen, Fremder. Später.“


In einem der Zimmer ist Til mittlerweile neu eingekleidet, in ähnlichen, handgewebten Sachen wie die Aevalori sie tragen. Jetzt, in der Kleidung der hiesigen Ureinwohner, kommt ihm das Geschehen mit einem Mal wirklicher vor, weniger wie ein abstrakter Traum. In ihm mischen sich Beklemmung und gleichzeitig Faszination, als er bemerkt, dass dies so ist. Die Bunnies spielen verstecken auf der langen Tafel, zwischen den Resten des Mahls.
Zwei der Höflinge treten ein, mit leichten Bewegungen und ernsten Gesichtern. Es sind ein Mann und eine Frau (wie man auf zweiten Blick sieht; ihre Spezies ist ziemlich androgyn).
„Die Herrin ist bald bereit dazu, Dir eine Audienz zu geben!“, sagt die eine leise. Sie hat ein Sonnensymbol auf der Stirn aufgemalt.
Der andere fügt hinzu, „Wie ist Dein Name, Reisender? Zu welchem Herren gehörst Du?“
„Til Haselberger! Ich bin für mich allein unterwegs, quasi auf eigene Faust!“
Die beiden ätherischen Figuren nehmen still auf einem der Diwane Platz.
„Es heißt, Du habest dem Setzling geschworen, Aevalorn zu helfen“, sagt der eine von ihnen, „Du seist einer, der jene von Grimgoromn kennt, und sie zu bekämpfen weiß. Du kenntest deren Schwachstelle, heißt es.“
Til setzt sich im Schneidersitz dazu, „Ja, mag schon sein. Wobei, ehrlich gesagt bin ich Pazifist. Aber bei dem Spion vorhin hat ein billiger Trick geholfen. Haben Eure Wächter den mittlerweile dingfest machen können?“
„Die Bäume berichteten, dass der schwarze Ritter sich geschlagen geben musste, und nun auf der Flucht ist. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis unsere Geschwister ihn endgültig niederjagen.“
„Immerhin! Aber Euer Problem hier ist irgendwie zweierlei, oder?“, fragt Til vorsichtig, „Ihr habt Angst vor Grimgoromns Zugriff … besonders deswegen, weil es Euch gleichzeitig an innerer Stabilität fehlt. Oder?“
„… Die hohen Bäume sind in schrecklicher Aufruhr, Fremder. Wir fühlen ihr Leid. Ihre Stimmen sind zu Klageliedern geworden, und ihr Harz zeigt schmerzliche Erinnerungen.“
Til legt den Kopf schief, und muss an das denken, was der Everreach ihm gezeigt hatte. Diese Erinnerung war ja wohl alles andere als schmerzlich! Er würde gerne noch viele weitere davon gezeigt bekommen. Nur zu gerne. Kurz fragt er sich, was es wohl war, das der schwarze Ritter entdeckt hatte.
„Hm, ich hatte auch irgendwie den Eindruck, draußen im Labyrinth … dass ihre Stimmen etwas verdrängen. Irgendeine größere Wahrheit. Aber ich verstehe ihre Sprache nicht. … Aber wie kann ich Euch helfen? Kann Eure Herrin mir sagen, was zu tun ist?“
„Ysandra ist unsere Fürstin, eine der mächtigsten Herrscherinnen des Labyrinths von Aevalorn. Sie wird Rat wissen ...“


„Der Hohlkronen-Hof begrüßt seinen weitgereisten Gast aus anderen Teilen der Ewigen Wälder! Neiget das Haupt vor der Herrscherin, Ysandra Alrya!“, verkündet ein schmuckbehängter Herold von den anmutigen Ureinwohnern.
Lady Ysandra ist eine astrale Erscheinung, eine Fee mit blassblauer Haut und einer aus magischem Holz geschnitzten Krone. Sie schreitet erhoben den Hauptes heran, umringt von einer kleinen Entourage aus Gestalten. Diese sind keine Aevalori, sondern Traumgestalten, die aus lebendigen Schatten und durscheinenden Spiegelbildern bestehen, und sich trotzdem aufrecht im dreidimensionalen Raum bewegen.



Lady Ysandra Alrya von der Hohlkrone


Die Hohe ergreift ohne weitere Umschweife das Wort: „… Du weißt Mittel und Wege, um die Schergen vom düsteren Herrscherreich Grimgoromn zu bekämpfen, Pooka! So heißt es über Dich! Sag' an, ist das die Wahrheit?“
„Ich habe den schwarzen Ritter aus dem Everreach vertrieben, oder etwa nicht? Aber, äh, Mylady, mir scheint, das Labyrinth hat ein ganz anderes Problem! Was ist mit den Bäumen selbst?“
„Sie legen uns den eigentlichen Grund ihres Kummers nicht offen, Fremder! Meine Untertanen die Aevalori leiden schrecklich darunter. Aber auch sie wissen nicht die Ursache! Und dabei sind sie die Wesen, die bereits am längsten Aevalorn bevölkern, und am tiefsten im Einklang sind mit seinen Gesetzmäßigkeiten. Möglicherweise kann uns nun also jemand helfen, der eigentlich ganz fremd in unseren Landen ist! Wir lassen nichts unversucht. Darum hat die große Aelhunara den Setzling ausgeschickt, als ihren Herold, um Weise aus anderen Teilen des Träumens zu holen. Wechselbälger wie Du sind nun unsere Hoffnungsträger! Vielleicht hält ja sogar die Herbstwelt, in die Ihr Euch wagen könnt, die Antwort bereit — paradoxerweise.“
„Ich wurde schon mal ein Wechselbalg genannt! Bitte sagt mir, Mylady: Was hat es damit auf sich?“
Ysandra hebt das Kinn und schmunzelt mitleidig, „Das weißt Du nicht mehr, nicht wahr? Ja, es heißt, die Changelings verlören die meisten Erinnerungen an ihre wahre Natur in ihrem sterblichen Schein. Die Nebulae des Vergessens trennen Euereins vom Träumen. Eine schreckliche Halbexistenz in den Schatten, nicht ganz Feen, nicht ganz Sterbliche!“
„Äh. Weiß nicht, ehrlich gesagt!“
„Ja“, lacht Ysandra hochmütig, „Du kannst natürlich auch dies nicht mehr beurteilen! So höre: Das Nahen der Verheerungen des Winters ohne Ende hat die Kithain zu manch einer verzweifelten Tat gebracht. Oh wie gut weiß ich dies, denn keines der Kith ist davon so sehr betroffen wie wir Sidhe! Außerhalb dieser Ländereien sind Kithain meines Blutes fast vollständig ausgedünnt. Wir müssen uns seit Langem verbarrikadieren, an Orten wie diesem. Welche Schmach, als Wechselbalg umgehen zu müssen, in der Herbstwelt — am Ende aller Zeiten und allen Gelächters!“
„Aber, aber, Hoheit … äh … so schlimm ist das gar nicht …“
„Und warum sind dann jene wenigen Sidhe, die in die Welt der Sterblichen zurückgekehrt sind, nur Schatten ihrer einstigen Noblesse, oh Fremder?“
„Sind sie das? Äh, ich kenne ehrlich gesagt keine … anderen … Feen … in der Welt, aus der ich komme, Hoheit …!“
„Und doch wird die Herbstwelt von den Sidhe-Häusern beherrscht, Pooka.“
„Oh? Soso!“
„Sie sind für uns hier in Aevalorn unerreichbar geworden! Du, Fremder, bist derzeit unser einziger Kontakt!“
„Was ist mit diesen anderen Changelings, die der Setzling angeblich angeschleppt hat?“
„Oh, die Verwerfung! Wohl haben jene Aevalorn betreten, aber den Hof der Hohlkrone haben sie nie erreicht. Wahrscheinlich sind sie nunmehr verloren im Labyrinth. Ihre Klugheit und Determination war nicht groß genug … oder sie sind tatsächlich hierher gekommen, um uns Einheimische zu betrügen! Ich weiß es nicht zu sagen! Du, Til Haselberger, Du bist vorläufig der letzte, auf den wir unsere Hoffnungen setzen können. Denn die stampfenden Schritte der Grimgoriminatori sind bereits in anderen Teilen der Ewigen Wälder zu vernehmen. Sie sind erste Vorboten des Winters ohne Ende. Aufgescheucht von seiner Kälte, und kalt sind auch ihre Herzen und ihre Kriegswaffen.“
Til läuft unwillkürlich ein Schauder über den Rücken. Die melodramatische Stimme der Hohen ist äußerst klangvoll, und eindringlich.
„Du wirst nun in meinem Namen ausziehen müssen, und Deinen Schwur dem Setzling gegenüber erfüllen! Zum Ruhme der Hohlkrone! Ich gebe Dir überirdisches Leuchten, Til Haselberger; einen faustgroßen Ball aus reinem Kristall; und das Schwert von Yvamore! All dies sollst Du zum Lohn erhalten, wenn Du Deine Suche vollendest, und das Banner meiner Regentschaft im Labyrinth hisst!“
Til zögert. Etwas in Lady Ysandras Ton ist zu sehnsüchtig, beinahe lauernd. Misstrauen regt sich in ihm, wie ein bimmelndes Alarmglöckchen.
„Sagt, Mylady …? War es nicht das Wesen namens Aelhunara, welche den Setzling ausgeschickt hat?“
„Die Urmutter der Aevalori, gewiss! Was spielt das für eine Rolle? Was lässt Euch zögern?“, verlangt Ysandra gestreng zu wissen.
„Nichts, nichts. Aber warum habe ich dann Euer Banner zu hissen?“
„Der Hohlkronen-Hof ist der mächtigste Herrschersitz im Labyrinth von Aevalorn, und noch dazu eine der letzte Bastionen des hohen Volks der Sidhe in diesen Teilen des Träumens! In wessen Namen sollten Deine großen Taten vollbracht werden, Weiser aus der Herbstwelt, als im meinigen! Ich gebe Dir die versprochen Stücke aus meiner Schatzkammer, und ich lasse Deine Taten besungen werden in herzzerreißenden Liebesliedern, welche die Sterblichen noch auf ihren Lippen haben werden, bis der Winter ohne Ende sie hinweg wischt!“
Til schaut Ysandra ernst und traurig aus seinen schwarzen Hasenaugen an, und sagt, leise aber fest, „Ich brauche bitte Bedenkzeit, Mylady. So gern ich mein Tun in Eure Dienste stellen will — und das will ich, ehrlich! — ich habe mich vorerst mit meiner Kaninchen-Sippe zu beraten. … Was die Natur meines Eides gegenüber dem Setzling betrifft!“
„Es sei! Du scheinst dem Lichten Hof aufrichtig zu dienen, Pooka. Vergiss' nie eine Schuld, das sagt unser Gesetz! Sehr wohl. Wir ziehen uns zurück! In sieben Stunden erwarte ich Deine endgültige Antwort, Changeling. Und dann wirst Du ausziehen gen dem geheiligten Harzherz!“
„Sieben Stunden? Das … scheint weit mehr Zeit als nötig, Mylady.“
„Nimm' Dir die Zeit, alles reiflich zu überdenken, und dann schlaf', Ihr seid unsere Gäste. Wenn Du immer noch ungenutzte Mussestunden übrig hast, so überlege Dir ein paar Lieder und Legenden, die Du dem Hohlkronen-Hof darbieten kannst, oh Weitgereister! Ich schätze es, von meinen Untergebenen unterhalten zu werden. … Sieben Stunden, vergiss' nicht! Auf bald!“
Damit macht sie ihren Abgang, gefolgt von ihrer kleinen, phantomhaften Entourage.


Gedankenvoll eins der Bunnies streichelnd geht Til daraufhin neben den Aevalori-Höflingen her, die ihn zu seinem Gastgemach zurück eskortieren. Die restlichen Kaninchen tollen um sie herum.
„… Ist die Lady Ysandra die einzige vom Volk der Sidhe in diesem Reich?“
„Ja, Freund“, sagt eine der dünnen Stimmen, „Nur sie ist übrig. Einst gab es einen ganzen Hofstaat von Sidhe in Aevalorn. Einige sind vor langer Zeit geflohen, als erste Zeichen des Winters kamen. Andere sind verschollen gegangen im Labyrinth. Die Wälder sind schließlich über alle Besitzungen der Sidhe hinweg gewachsen. Nur der Thronsaal bleibt heutzutage, in großer Höhe, unter der Hohlkrone des hohlen Baumes in dem wir uns befinden.“
Andächtig und gehorsam neigen die Aevalori die kahlen Häupter, als von der Geschichte ihrer Regentin gesprochen wird.
„Also existiert diese Provinz nur noch als ein Überbleibsel?“
„Sie existiert ja kaum überhaupt, Freund“, sagt leise und furchtsam die Hofdame mit dem Sonnensymbol auf der Stirn, „Der Glanz der Sidhe verlischt allmählich in allen Gegenden des Träumens.“
„Sie sagte aber, ihr Kith regiert die Herbstwelt! Die normale Welt, aus der ich komme!“
„Auch dort verblasst ihr Glanz, heißt es …“
„Also ist das hier alles nur so eine Art Schmierenkomödie?!“, entfährt es Til, „Sollte nicht einer von Euch Eurer Herrin mal sagen, dass dies hier nur noch Mummenschanz ist?! Sie wäre woanders besser aufgehoben! … Und vermutlich auch sicherer, sollte wirklich Grimgoromn hier einfallen, um zu versuchen, Euch sein Gesetz aufzuzwingen!“
„Wir würden niemals die Dreistigkeit besitzen, einer Sidhe derartiges zu sagen, Freund Pooka. Sie ist unsere Herrin und Regentin, nach wie vor!“
„Aber eigentlich gehört Ihr doch zu Aelhunara, oder? Aelhunara ist von Eurem Volk!“
Die Aevalori schweigen betreten, während sie weiter durch die Gänge laufen. Offensichtlich geziemt es sich nicht, so zu reden, und ganz besonders nicht, die Herrschaftsansprüche der Sidhe anzuzweifeln ...

Als die Höflinge Til in seinem Gästezimmer abgeliefert haben, hält er die Frau mit dem Sonnensymbol noch einmal auf.
Halblaut sagt er, „Ist das nicht womöglich das Falsche, bei diesem Mummenschanz weiterhin mitzuspielen? Von mir wird das ja offensichtlich auch erwartet! Gibt es keinen Rat von Eurer eigentlichen Schutzpatronin, Aelhunara?“
Sie raunt zurück, „Aelhunara lebt tief ins Labyrinth zurückgezogen, Fremder! Ihr Rat hat uns schon lange nicht mehr erreicht. Uns bleibt wenig anderes zu tun, als weiterhin aufrichtig zu dienen. Obschon wir keine Kithain sind, binden unsere Loyalitäten uns doch an den Lichten Hof!“

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Til grübelt eine Weile in dem Gästegemach. Schließlich sieht er draußen in dem ewigen Zwielicht zwei andere Gestalten in den Ästen des Baumlabyrinthes umher trotten. Diese sind keine Aevalori, eher das genaue Gegenteil: Muskelbepackt, grobschlächtig, und bullig. Sie scheinen fieberhaft etwas zu suchen: Einer hat eine Wünschelrute in den Pranken, der andere ein Pendel!
„Schaut mal, Bunnies! Glaubt Ihr … das sind vielleicht die vermissten anderen Changelings aus der Herbstwelt, die der Setzling angeworben hatte, noch vor uns? Die, die angeblich im Labyrinth verloren gegangen sind!“
Die Bunnies postieren sich neben Til, und spähen neugierig in dieselbe Richtung.
„Lasst mich mal machen … ich sehe mir die mal aus der Nähe an!“

Er geht durch den Raum zurück, fasst angespannt die Anlaufbahn bis zum Balkon ins Auge. Rennt dort entlang — aber bleibt dann im letzten Moment ängstlich stehen, schaut hinab. Unter ihm gähnen unermessliche Tiefen, nebelverhangen. Er geht zurück, holt noch einmal Anlauf, rennt los, und springt.

Das Anlaufnehmen ist dann wieder mein Schelmenspiel für Hopscotch, um magisch bis rüber in den nahen Nachbarbaum zu springen. Die Kaninchen hüpfen auf und ab und scheinen quiekend anfeuern zu wollen. Drei Erfolge bei einem Wurf auf Wayfare+Fae! Til schnellt in die Luft, und wird von der Kraft seines Sprunges davon getragen …! Er reißt vor Überforderung den Mund auf um zu schreien, als er den Wald unter sich hinweg ziehen sieht, aber er bringt keinen Ton hervor.

In den verzweigten Ästen hinter den beiden großen Gestalten setzt er schwerelos auf.
„Hui! Na, das war ja was“, sagt er keuchend.
Die beiden Lulatsche fahren erschrocken herum. Aus der Nähe betrachtet sind sie ganz bestimmt nicht die Art von Kreaturen, von denen man will, dass sie die Nerven verlieren! Til blinzelt sie perplex an, und macht vorsichtshalber einen Schritt rückwärts. Es sind zottige Ungeheuer mit geschwungenen Hörnern und mächtigen Zähnen.



Zwei andere Changelings: Finstere Trolle


„Na guck“, grollt einer der beiden, und lässt sein Pendel sinken, „es wird Regen geben, die Mümmelmänner fliegen so tief!“
Er hat Englisch geredet, aber mit einem deutlichen Ami-Akzent.
Der andere trägt eine Wünschelrute vor sich her, und fletscht grimmig seine großen, weißen Zähne.
„Verzeiht bitte mein plötzliches Erscheinen, meine Herren! Ich war gerade in der Gegend, und dachte, ich komme kurz auf einen Sprung vorbei!“
„Lüg' nicht!“, knurrt der eine Hüne angepisst, „Du kommst direkt von dort hinten, aus dem Thronsaal der Hohlkrone! Dann bist Du der neueste Duckmäuser an Ysandras Hof!“
„Und wer sagt Dir, dass ich die feine Herrin nicht vielmehr einfach genasführt habe, und meine Loyalität nur vorgegaukelt ist? Hm? Um vielleicht an ihre Geheimnisse ran zu kommen …!“
„Das sieht jemandem wie Dir ähnlich! Niemals in klaren Sätzen antworten! Immer rumlabern!“
„Rumlabern?“
„Du bist doch ein Pooka! Oder?“
„Nein, wieso? Was seid Ihr denn für welche?“
„Wir sind Trolle!“
„Ja, so seht Ihr aus. Wie einer finnischen Sage entsprungen! Und Ihr seid zufällig auch die anderen aus der normalen Welt, die der Setzling hierher geholt hat! Stimmt’s oder habe ich Recht?“
„Die anderen? Du bist also auch ein Wechselbalg! Du kommst aus der Herbstwelt.“
Til setzt sich im Schneidersitz auf einen Ast, und sagt, „Die Lady Ysandra hat Euch schon vermisst, Leute! Die hat sich schon Sorgen um Euch gemacht. Es wär' bestimmt echt nett, wenn Ihr mitkommen würdet an ihren Hof. Der Beerenkompott ist wirklich saulecker. Und dann könnten wir drei ja vielleicht zusammenarbeiten!“

Ich mache mal für den weiteren Verlauf der Unterredung den Move Gather Information. Vielleicht nützt Til obendrein auch sein Pooka-Geburtsrecht namens ‚Vertrauter‘? In seinen melancholischen Hasenaugen erscheint eine ganz tiefe Empathie, welche instinktiv Zuhörer dazu bringt, mehr zu sagen als sie ursprünglich vorhatten.
Ich würfle daher für den Move zweimal Charisma+Empathie, als Extended Action. Ein Strong Hit ist das Resultat:


„Wir geben aber nichts auf die Sidhe, und auf die Aevalori-Langhälse auch nicht! Wir sind nur wegen dem Harzherz hier!“
„Aber das hieße ja, dass Ihr den Setzling verarscht hättet! Dass Ihr Euch nur hierher führen lassen habt, um Eure eigene Sache zu verfolgen, oder? Das ist doch nicht die feine, englische Art! Von uns Erdlingen erwartet man hierzulande doch mehr, oder etwa nicht?“
„Du laberst immer noch rum, Hase“, knurrt der größere Troll, „Laber, laber, sülz! Merkst Du das selber eigentlich? Wir sind vom Finsteren Hof. Wir können tun und lassen, was uns gefällt.“
„Jau. Wir haben vor Wochen den Eid geschworen, das Harzherz von Aevalorn zu finden. Uns blieb wenig anderes übrig als den Setzling auszutricksen. Wir müssen das Herz des Waldlabyrinthes finden. Koste es, was es wolle!“
„Was wollt Ihr denn dort? Wollt Ihr womöglich einen Schatz klauen oder so?“, fragt Til befremdet.
„Sehen wir für Dich aus wie Plünderer, Hase?“, grinst einer der beiden, äußerst hämisch.
„Ähm.“
„Recht hättest Du! Aber diesmal nicht. Diesmal wollen wir nichts wegholen, wir wollen beide etwas dalassen. Das Plündern, das werden die Grimgoromn-Truppen übernehmen, und zwar bald genug, wenn sie hier einfallen! Dies ist die vielleicht letzte Chance, noch einmal das zu tun, was wir zu tun geschworen haben.“
„Die alten Legenden aus Aevalorn besagen es, Fremder! Und Du — Du bist ein Narr, hierher gekommen zu sein, ohne die vorher studiert zu haben! Das Harzherz hat eine Reihe wundersamer Fähigkeiten. Es ist der Urgrund für das Leben der Bäume im Labyrinth, von ihm gehen die goldenen Harze aus, und die Kraft der Erinnerungen. Und es vermag noch eine weitere Sache, die manchem nützlich sein kann. Es kann einen nämlich im Gegenteil auch vergessen machen.“
„Wer würde etwas vergessen wollen?“, fragt Til verdutzt.
„Wir beide, Du Narr! Darum haben wir uns zusammengeschlossen. Wir sind fast am Ziel unserer Suche.“
„Wir sind hierher gekommen, um Ballast abzuwerfen“, grunzt der andere.
Beide sehen plötzlich kummervoll aus, als würden diese grobschlächtigen Kerle insgeheim schwer tragen zu haben an etwas Bestimmtem, wie ein Schatten ihrer jeweiligen Vergangenheit. Was auch immer dieser Dunkle Hof ist, seine Mitglieder scheinen nicht böse zu sein, nur skrupellos, vermutet Til.
„Aber sagt doch mal? Wie kann man denn freiwillig etwas vergessen wollen?“, hakt der Pooka nach.
Die beiden Trolle haben widerwillig auch Platz auf den Ästen genommen, und der eine füllt ihre beiden Trinkhörner mit Brandy aus seiner Pulle.
„... Das begreifst Du nicht, was? Du ringst noch darum, jede Erinnerung zu bewahren, wann immer Du das Träumen wieder verlässt! Ist Dir überhaupt jemals etwas Schlimmes zugestoßen in Deinem Leben?“
„Nein, mir ist im Leben noch nie etwas Schlimmes passiert“, entgegnet Til prompt.
„Nun, uns schon, Jungspund. ... Du kennst mich vielleicht unter dem Namen Erynn Cloudstride! Ich war ein berühmter Pilot in den Luftboot-Rennen von Vondarswarad! Ich und … mein Bruder. Wir waren für unsere halsbrecherischen, tollkühnen Flugmanöver bekannt, eine Weile lang ungeschlagene Champions. Zwei völlig unbedeutende Autoschrauber in unseren sterblichen Leben in Wisconsin, drüben in der Welt der Menschen … aber ruhmreiche Flieger-Asse im legendären Vondarswarad! Damals haben wir nicht geahnt, dass hier im Träumen der schimärische Tod auch das Ende des Lebens in der Herbstwelt bedeutet! Wir dachten, wir sind unauslöschlich, und all dies sei letztlich nur ein Traum. Ich habe unsere letzte Bruchlandung überlebt, aber mein Bruder hat es nicht. Allein die Erinnerung an die Geräusche schon gereichen dazu, um mich durch meine Albträume zu verfolgen. Das Jaulen der Antriebe, das Geschrei, das mir in den Ohren gellt, das Krachen und Scheppern. ... Oh, wie gern würde ich diesen Tag ungeschehen machen, Fremder! Aber das ist unmöglich, denn so große Kontrolle über die Zeit hat niemand, nicht einmal die mächtigsten der Sidhe. Aber ich kann vergessen, das allein bleibt mir, und im Vergessen liegt vielleicht Vergebung. Das Mittel zu diesem Zweck liegt im Labyrinth von Aevalorn versteckt. Ich kann mein Leben retten, sowohl hier als auch daheim in der Herbstwelt, indem ich diese Suche beende.“
„Das tut mir Leid, das zu hören“, sagt Til, diesmal ohne zu lügen, „Kann ich vielleicht etwas für Dich tun?“
„Gesprochen wie einer vom Lichten Hof, fürwahr!“, knurrt der Troll grimmig, „Dabei wüsstest Du, dass es manchmal keine Lösung gibt, wenn Du den Codex des Finsteren Hofes begriffen hättest; und auch, dass sich manchmal einfach jeder selbst der nächste ist! So will es die Natur wirklich, denn die Natur ist wild und grausam. Ich helfe mir schon selber, Pooka. Unsere Queste ist beinahe abgeschlossen.“
„Und Dein Kumpan hilft Dir ebenfalls“, stellt Til fest.
Dieser meldet sich zu Wort, „Was weißt denn Du schon! Wir verfolgen dieselbe Suche, ja, aber aus unterschiedlichen Gründen! Wenn Du glaubst, das Geschick des Erynn Cloudstride, dieses ‚Gevatters Autoschrauber’ aus Wisconsin hier, das kümmere mich großartig, dann hast Du Dich aber geirrt! Ich bin Norgri Frostglow. Bei mir sind's die Gesichter meiner lebendigen Verwandten, die mich verfolgen. Ich hatte nicht das Glück, Changelings unter meinen Familienmitgliedern zu haben, sie alle sind Herbstmenschen. Ich bin durch mein Erwachen etwas geworden, das sie niemals werden begreifen können. Sie können mich ja nicht einmal sehen als das, was ich wirklich bin, mit ihren Herbstmenschen-Augen! Fliehen musste ich aus meinem damaligen Leben, und alle Spuren verwischen in der banalen Welt, um als Troll leben zu können! Immer noch fahnden sie mir nach, sie durchkämmen die Herbstwelt in eben diesem Moment, während wir hier sitzen und miteinander sprechen. Ihre Gesichter sind's, die ich vergessen muss. Erst dann kann ich wirklich frei sein, und meinen Platz unter meinesgleichen gänzlich einnehmen.“
„Kommt Dir das nicht falsch vor?“, fragt Til verblüfft, „Was ist, wenn Du irgendwann doch zurück willst zu ihnen?“
„Ihr vom Lichten Hof seid zu weichherzig“, erwidert Frostglow, „Manche Entscheidungen hat ein Wechselbalg zu treffen, die dann lebenslang zu gelten haben. Ich gedenke, ein großer Held zu werden in meiner Troll-Sippe! So eine Inkarnation als Wechselbalg ist nicht lang! Da ist keine Zeit, die ich mit einem halben Leben in einer falschen, bürgerlichen Existenz vergeuden dürfte, unter Herbstmenschen, die glauben, ich sei nach wie vor einer von ihnen!“
Die zwei Trolle sehen sich gegenseitig in die Augen, ihre Blicke wirken hart und bitter, aber determiniert.
„Der Codex der Finsteren!“, knurrt der eine.
„Der Finst'ren Codex!“, grollt der andere.
Mit diesem Trinkspruch hauen sie ihre Trinkhörner aneinander, und saufen aus.
Beide lachen rau.
„Wir haben nur begrenzten Proviant dabei, inklusive Brandy, deshalb haben wir nix für Dich übrig!“, erklärt der eine Til.
„Das macht gar nichts. Ich bin Früchtetee-Trinker“, sagt Til, und lächelt die beiden traurig an.
Eigentlich mag er sie irgendwie, aber mit einer Zusammenarbeit wird das wohl tatsächlich nichts. Er hat auch keine Lust, zu versuchen, sie aufzuhalten; vielleicht ist es nicht recht, was sie da vorhaben, aber für sie ist es womöglich das richtige. Jedenfalls wirken sie überzeugt von ihrer Sache, der Queste, die sie für sich gewählt haben.

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Mit einem neuerlichen Hopscotch-Zauber katapultiert sich Til zurück auf den Freibalkon seines Gästezimmers in dem Baum mit der Hohlkrone. Die Kaninchen umschwärmen ihn aufgeregt, und er berichtet.
„… Das bringt mich darauf, Bunnies: Vielleicht können wir Lady Ysandra tatsächlich helfen, aber anders, als sie denkt? Was bringt ihr das, an dieser Besitzung hier festzuhalten, wo deren Bedeutung für das Reich doch eigentlich bereits geschwunden ist? Habt Ihr gesehen? Selbst ihre persönliche Leibgarde besteht nur aus Schatten und Spiegelbildern! Wenn wir ihren ganzen Firlefanz mitmachen, und unsere Aufgabe in ihrem Namen verfolgen und all das, dann bestätigt sie das doch nur darin, sich weiter an ihrem Irrglauben festzuklammern. … Sollten wir vielleicht versuchen, sie dazu zu bringen, das einzusehen?“
Die Bunnies gucken unbestimmt, eins gähnt schläfrig. Das wird Til wohl selbst entscheiden müssen! Erstmal sollten sie tun wie geheißen, und etwas Schlaf nachholen. Das Schlafgemach ist sauber, und nicht unbequem.


Til wird von einem der Aevalori-Höflinge geweckt, wahrscheinlich ist es bald Zeit für seine nächste Audienz mit der Herrscherin.

Ich hole mir ein neues Stichwort vom Orakel: Locate Structure. Hä, das soll Til doch sowieso tun, eine Struktur lokalisieren, nämlich das Harzherz. Aber vielleicht geht’s bei diesem Orakelspruch gar nicht um ihn! Uh, dazu weiß ich was Gutes:

„Du musst sofort aufbrechen auf Euren Weg zum Harzherz, Herr!“, raunt der Höfling.
„Was'n los …?“, fragt Til schlaftrunken.
„Die Struktur ist bereits entdeckt worden! Unsere Geschwister, die Kundschafter, haben unserem Hofe die entsetzliche Kunde gerade zugetragen!“
„Ach so, nee, keine Bange. Das sind diese beiden Trolle, die wollen was ganz anderes dort, die sind keine Gefahr für Eure Sache.“
„Trolle? Nein, Herr, keine Trolle! Der geharnischte Spion aus Grimgoromn ist's, der dem Harzherz näher kommt!“
„Aber ich dachte, die Kundschafter hätten den dingfest gemacht!“
„Er ist ihnen im letzten Moment entkommen! Nur Du kannst jetzt durchgreifen … Du kennst als einziger die Schwachstellen jener aus Grimgoromn! Du musst ihn stellen, und erneut aufhalten!“

Til grimassiert. Diese leichtfertige Flunkerei hat ihn in ganz ordentliche Schwierigkeiten gebracht! Aber irgendetwas an seiner Natur lässt ihn widerstreben, jetzt noch zu versuchen, das Ganze aufzuklären. Könnte schon sein, dass er Mittel und Wege findet, erneut mit dem Späher fertig zu werden, sagt er sich, wenn schon nicht aus tatsächlicher Gewieftheit, dann vielleicht einfach wieder spontan!

Jedenfalls ist gar keine Zeit, zu versuchen, bei einer Audienz die Sidhe von ihrer Selbsttäuschung abzubringen: Til muss sofort losziehen. Er bekommt etwas Gepäck und Proviant, und joggt wenig später aus dem Baum mit der Hohlkrone hinaus, über die Astbrücken hinweg, weiter auf das Zentrum des Reiches zu. Die Kleinen Bunnies hüpfen ihm prächtig gelaunt hinterher. Sie werden flankiert von drei der Aevalori-Scouts, die ihnen helfen sollen, das sagenhafte Harzherz zu lokalisieren.

Dies wird ein weiterer Delve, mit dem Ziel, das Harzherz im Zentrum diesen Teils des Labyrinths zu erreichen. So tief in Aevalorn ist es alles andere als ungefährlich, und außerdem ist der Delve ein Wettrennen gegen die Zeit, um den Geharnischten aus Grimgoromn rechtzeitig zu stellen. Ich stufe die Aufgabe als Formidabel ein. Habe ich sie gelöst, ist das gleichzeitig ein Milestone für meine laufende
Queste (Gefahrvoll): Versuchen, den Bäumen von Aevalorn zu helfen, gegen die Grimgoriminatori, und mit ihrem eigenen Kummer.

Entsprechend machen wir als erstes den Move Discover a Site: Das Labyrinth von Aevalorn bekommt wie alle Sites zwei Delve-Karten, und zwar als Theme ‚Ancient‘ und als Domain ‚Tanglewood‘.

Los geht’s, der Move zum Vorrücken namens Delve the Depths wird gemacht. Bisher geht’s weitgehend geradeaus, und Til und seine Begleiter joggen und hüpfen durch das immense, dichte Zweigwerk. Wir bewegen uns also mit Hast, und Til würfelt dafür Geschick+Athletik, mit dem Balancieren-Bonuswürfel. Neun Erfolge, aus denen die Challenge Dice aber nur einen Weak Hit machen. Das lässt mich auf der Tabelle des Move Delve the Depths würfeln, und beschert mir den ersten Punkt Fortschritt, und obendrein den Folge-Move Find an Opportunity (als wäre es ein Strong Hit gewesen).

‚An aspect of the history or nature of this place is revealed‘, sagt die dazugehörige Tabelle. Das klingt nach dem magischen Baumharz, oder dem Flüstern der Bäume. Die Waldläufer durchqueren also eine Baumreihe, wo üppige, goldene Harzbäche fließen, in denen es verdächtig schillert: Im Harz sammeln sich Visionen und Erinnerungen. Daran darf ein Folge-Move hängen. Ich würfle für Til Geistesschärfe+Enigmas, und die Aevalori unterstützen ihn. Gemeinsam schaffen sie aber nur vier Erfolge, und laut den Challenge Dice ist das dann auch ein Fehlschlag. Also noch ein Folge-Move, nämlich Pay the Price: Das muss wohl bedeuten, dass zwei der Jäger sich in den schmerzlichen Erinnerungen verlieren! Machen wir das so:

Vor Tils geistigem Auge geistern immer wieder Eindrücke von damals, von einzelnen der Charaktere, welche in Vährwerder bei der Gruppe dazu gekommen waren, die ihren Stadtteil schützen wollte. Ihnen durch das goldene Harz in die Gesichter zu sehen ist wie ein belebtes Fotoalbum anzuschauen. Aber Til kann leider nicht bei einzelnen verweilen, er muss doch etwas über das Harzherz selber herausfinden! So etwas scheinen auch zwei seiner Aevalori-Begleiter entdeckt zu haben, sie stehen vor einem der Harz-Bäche, wie sie an den uralten Stämmen hinab fließen, wie reglos. Und als Til näher heran tritt, sieht er, dass auch an den Wangen der beiden Tränen hinab fließen.
„Was seht Ihr?“, fragt er leise, „Etwas über den Wald? Etwas über die Gründe seines Kummers?“
Leider kann er nicht sehen, was sie sehen. Sie berühren leicht die Finger des jeweils anderen, wie sie da so Seite an Seite stehen, und sind gelähmt vor Mitgefühl.
Ihre dritte Mitstreiterin redet leise auf sie ein, aber sie sind gebannt von der Vision. Dann wenden sie sich ab, folgen suchend dem Harzstrom, um die Baumrinde herum.
„Wie können wir ihnen helfen?“, fragt Til ratlos.
„Gar nicht, Fremder. Wir müssen sie gewähren lassen. Sie sind gerade völlig von der Erinnerung des Waldes ergriffen.“
„Wie lange kann das dauern, was glaubst Du?“, fragt Til, und sieht die andere Kundschafterin an, „Wir müssen uns doch beeilen?“
„Es dauert zu lange“, sagt sie, „Wir gehen allein weiter. Die Visionen werden sie nicht in Gefahr bringen, aber sie sind offensichtlich auch gerade unwiderstehlich für die beiden.“

Mit klopfendem Herzen folgt Til weiter seiner Führerin, jetzt ist ihre Gruppe schlagartig kleiner geworden. Ich würfle erneut für Delve the Depths, jetzt mit Geschick+Enigmas, um den Visionen und Harzströmungen zu folgen (hoffentlich, ohne selbst auch davon fortgelockt zu werden!). Wieder nur vier Erfolge, und das wird laut den Ergebnissen der Challenge Dice ein Fehlschlag. Das zieht den Folge-Move Reveal a Danger nach sich!

Ich habe Bock auf eine ordentliche Konfrontation, also würfle ich gar nicht erst, sondern wähle direkt solch eine Begegnung. Eine Weile pirschen sich Til und die Jägerin, gefolgt von den Kaninchen, jetzt etwas langsamer über die Astbrücken voran, während sie versuchen, sich einen Reim auf die Eindrücke im fließenden Harz zu machen. Vor ihnen wird der Wald plötzlich ganz still. Nicht nur die klagevollen Vogellieder verstummen, sondern auch das Blätterrauschen, und das Gewisper der Stämme.
Tils Hasenlöffel zucken, und richten sich höher auf, er fragt alarmiert, „Was ist los?!“
„Still!“, haucht die Aevalori, wendet sich in einer fließenden Bewegung ab und kauert sich zusammen, „Macht Euch klein, keinen Laut, nicht bewegen!“
Til wirft sich ins Moos auf seinem Ast, und die Bunnies huschen lautlos in Astlöcher und sind verschwunden.
„Was ist denn …?!“, zischt Til.
„Düsterzirp-Schwarm! … Keinen Laut! Versuche zu machen, dass Dein Herz nicht allzu schnell schlägt!“, zischt die Frau.
Na ja, letzteres klappt umso weniger bei dieser Ansage!
Die Stille vor ihnen wird drückend. Ganz in Tils Nähe landet ein einzelner, handtellergroßer Insektenkörper auf dem Ast. Es ähnelt einer Motte und einem Käfer, hat aber durchscheinende Flügel. Sein gesamter Torso ist ein ringförmiges Maul! Til unterdrückt ein angewidertes Geräusch.



Ich mache mal einen schnellen Geschick+Heimlichkeit-Wurf für ihn, ganz ohne Move, und er erreicht drei Erfolge, das ist ordentlich. Das insektoide Ding entdeckt ihn nicht, und es zerstäubt daraufhin zu gräulichem Dunst, der wieder geisterhaft hinweg schwebt!

Dann ist wieder etwas zu hören, ein Summen und Brummen, als würden die Bäume sich gegenseitig Warnungen zuflüstern. Ein wirbelnder, graublauer Nebel erscheint, der mal hierhin, mal dorthin getragen wird. Bei näherem Hinsehen flattern in ihm die zahllosen durchscheinenden Flügel dieser Kreaturen! Es wird dunkel, als wenn ihre Leiber das Licht absaugen würden!

Ein Willenskraft-Wurf muss gelingen, um bei diesem Anblick reglos zu verharren, mal sagen gegen Achter. Til schafft das nicht, seine Führerin nur ganz knapp. Aber damit ist es gelaufen, dann folgt unweigerlich eine Konfrontation:

Til springt auf, und wetzt wie von Sinnen davon, die Arme um den Hasenkopf geschlungen! Er kann vor Angst keinen klaren Gedanken mehr fassen!
Die Jägerin hinter ihm reagiert sofort, sie greift einen großen, losen Ast und schleudert ihn davon, krachend fällt er in die Tiefe.
Der Düsterzirp-Schwarm macht kurz eine Bewegung in Richtung Til, dann aber schnellt er brausend und tosend dem herab polternden Ast nach.
„Lauft so schnell Ihr könnt!“, hört Til die Aevalori keuchen, während sie ihm hinterher rennt. Ja, aber das macht er doch schon! Gehetzt sieht er sich nach den Kaninchen um, die ihnen alle fünf ebenfalls nachspringen. Der Düsterzirp-Schwarm steigt hinter dem Baum, von dem aus sie losgerannt sind, wieder auf, und ballt sich bedrohlich zusammen!

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Daraus mache ich keinen Kampf-Move, denn niemand außer der Aevalori hat Waffen, hier heißt es einfach wegrennen! Also ist der Move schlicht Face Danger. Ich würfle Geschick+Athletik für Til, unterstützt von der Jägerin. Dabei sind die beiden richtig gut, zehn Erfolge. Ein Strong Hit! Das gibt einen dringend benötigten Willenskraft-Punkt zurück und sorgt dafür, dass die Fliehenden entkommen:



Bestimmte Bäume bieten Schutz gegen den Düsterzirp-Schwarm


Die Kundschafterin lotst sie in einen der hohlen Bäume hinein. Hier pressen sie sich gegen die Innenwände, und halten die Luft an. Das Dröhnen des Düsterzirp-Schwarms kommt zwar heran, aber umrundet nur mehrmals den Baum, dann verschwindet es schlagartig. Nur etwas von dem blaugrauen Dunst ist noch zu sehen, der sich verflüchtigt.
Til folgt der Aevalori nach draußen, mit zitternden Knien. Er hat alle fünf Bunnies auf dem Arm, die sich schutzsuchend an ihn pressen.
„Was war das? Sind sie weg? Warum sind sie abgehauen?“
„Der Düsterzirp-Schwarm will durch seine Opfer hindurch fliegen, und ihre Gedanken stehlen, und das Gefühl aus ihren Fingern und Zehen. Sie hören und sehen nicht, aber sie spüren Bewegungen! Dieser Baum jedoch ist geschützt! Eine der alten Runen ist in seine Rinde geschnitzt, siehst Du?“, raunt sie, und deutet über die Öffnung des hohlen Baumstamms. Tatsächlich ist dort ein kompliziertes, ornamentales Zeichen unter dem Moos zu sehen.
„Danke, Du hast uns gerettet!“, haucht Til, „Sag' mal, wie heißt Du überhaupt?“
„Jinva, Fremder. Der Baum war es, der uns gerettet hat!“, und ihre langen Finger streichen dankbar über seine Borke. Til tut es ihr nach, immer noch perplex.

Die Charaktere sind dem Harzherz dadurch immer noch nicht viel näher gekommen, aber immerhin sind sie noch am Leben, das ist schon mal ein Pluspunkt! Den nächsten Delve-the-Depths-Move mache ich mit Geschick+Heimlichkeit, um schnell — aber nun vorsichtig — voran zu kommen. Til und Jinva erreichen gemeinsam neun Erfolge. Das ist dann auch ein Strong Hit! Also bekommen sie ihren zweiten Punkt Fortschritt, und außerdem den Folge-Move Find an Opportunity. Dieser soll an der jetzigen Stelle bedeuten, dass Jinva im nahen Harzstrom eine Ahnung erhält von einem ihr bisher unbekannten Weg, der auf das Harzherz zu führt.

Sie klettern jetzt durch das Geäst abwärts, immer tiefer; und tiefer wird dabei auch das Dunkel des Waldes.
„Warst Du schon einmal beim Harzherz, Jinva?“, fragt Til im Klettern.
„Ich war schon in unmittelbarer Nähe. Es gibt viele Wächter dort, von meinem Volk!“
„Aber Du kennst trotzdem den Weg nicht mehr genau?“
„Das Labyrinth ändert sich, so wie die Nebelschleier, die hindurch wandern … oder, Fremdling Til, das Harzherz ist es, das seine genaue Position verändert. Niemand weiß es zu sagen!“
„Wow …!“, macht Til leise.

Ich schließe dadurch wieder einen Move an, Delve the Depths, und da dieser als automatischer Folge-Move von Find an Opportunity ermöglicht wird, sinkt die Schwierigkeit dabei um eins. Ich würfle Geschick+Athletik für Til (der klettert einfach nur), und Geschick+Enigmas für Jinva (die folgt nebenher ihrer Interpretation der Erinnerungen des Waldes). Acht Erfolge, und ein Weak Hit wird daraus. Dies bringt obendrein einen Punkt temporäre Willenskraft zurück. Ich würfle auf der Tabelle des Moves, und laut dem Resultat darf ich den dritten Punkt Fortschritt markieren, aber muss erneut den Move Reveal a Danger folgen lassen. Der Abstieg führt sie direkt in Richtung ihres Ziels, aber durch eine weitere Gefahr hindurch.

Die Tabelle des Moves Reveal a Danger gibt eine Begegnung mit einer einheimischen Kreatur an, und das wiederum bedeutet wohl, dass der Düsterzirp-Schwarm seine Beute abermals aufgespürt hat!

Das leise Brummen und Dröhnen setzt wieder ein, direkt über ihnen, und es wird noch dunkler. Jinva und Til wechseln gehetzt einen stummen Blick. Zurück zu dem hohlen Baum mit der Schutzglyphe geht längst nicht mehr. Jetzt müssen sie hinab klettern so schnell sie nur können!

Dafür mache ich wieder den Move Face Danger. Beide würfeln Geschick+Athletik, um zu klettern wie verrückt, und sich teilweise durch Sprünge oder Hangeln auf niedrigere Äste fallen zu lassen. Für Til fallen drei Erfolge. Ich bringe für Jinva ihren Aspekt ‚Leidet, wenn die Bäume von Aevalorn Kummer haben‘ ein, das scheint dramaturgisch passend (was bedeutet, dass diesmal die ‚Regel der Eins’ für sie gilt), und tatsächlich fallen vier Einser bei diesem Wurf, was ihren einzigen Erfolg negiert. Die Aevalori fletscht angestrengt die Zähne beim Versuch, das gepeinigte Knarren und Murmeln der Baumgiganten zu ignorieren, aber sie ist völlig abgelenkt davon, ihre Bewegungen werden zitterig und übereilt.
Die Challenge Dice sind uns jedoch gnädig, und machen immerhin einen Weak Hit aus dem Fluchtversuch. Das bedeutet, dass den sieben ihre Flucht glückt, aber mit einer Negativkonsequenz, und für diese wähle ich Endure Harm aus der Liste.


Der Düsterzirp-Schwarm braust eine Weile hin und her über ihnen, einzelne Insektenmonster umschwirren sie und versuchen, sich an sie zu heften. Schließlich entfernt sich das Dröhnen. Auf den letzten Metern jedoch macht die reizüberflutete Jinva einen falschen Schritt, der Ast an dem sie hängt splittert, und sie taumelt gegen Till, beide stürzen ab. Unsanft prallen sie auf dem nächsttieferen großen Ast auf. Ich würfle Schaden, und beide müssen daraufhin zwei Wundlevel absorbieren, Til schafft es, Jinva nimmt eins hin. Beide haben sich mehr oder weniger fiese Abschürfungen und Prellungen zugezogen. Die Kaninchen umringen sie besorgt (die sind mit zielsicheren Sprüngen hier angekommen wie schwerelos.)

„Was ist mit Dir?“, fragt Til verdattert.
Jinva presst hervor, „Das Klagelied des Waldes klingt mir in den Ohren …! Kurz war mir schwindlig davon … hier unten ist es noch viel stärker als höher in den Wipfeln! Oh … Wir müssen ihnen unbedingt helfen …!“

Sie helfen sich erstmal gegenseitig auf, lauschen reglos auf den Düsterzirp-Schwarm, aber er scheint verschwunden. Hastig schleichen sie weiter.



Die Aevalori-Kundschafterin namens Jinva


Also wieder Delve the Depths, jetzt durch die Dunkelheit in Sichtweite des Waldbodens. Ordentliche neun Erfolge bei Geschick+Heimlichkeit: Dennoch nur ein Weak Hit. Das bedeutet einen Tabellenwurf, und aufgrund von dem dürfen wir einen vierten Punkt Fortschritt markieren, die Schleichpfade bringen uns also dem Ziel näher.

Jetzt sind wir seit Stunden unterwegs, und obendrein angeschlagen. Als Jinva schließlich eine weitere der moosbewachsenen Glyphen im Holz entdeckt, scheint dies wie ein guter Rastplatz. Til und Jinva nehmen ihre handlichen Rucksäcke ab, die sie bei Hofe bekommen haben und holen den Proviant hervor, zuerst werden damit natürlich die fünf Bunnies gefüttert. Die haben auch mittlerweile offensichtlich gehörigen Kohldampf.

Dafür mache ich den Move Make Camp, und würfle dafür Konstitution+Supply. (Supply ist ein Ironsworn-Spielwert für Proviant und Ausstattung, und nachdem wir am Hof der Hohlkrone ausgerüstet wurden, ist der standardmäßig auf fünf.) Das wird ein Strong Hit, Til bekommt erneut einen Punkt Willenskraft zurück und Jinva erholt sich von ihrem erlittenen Wundlevel. Wenn der Move namens Undertake a Journey läuft, darf außerdem ein Bonus dafür ausgewählt werden als Effekt der Rast; wir machen zwar gerade einen Delve, aber der ist in seiner Natur einer Wanderreise so ähnlich, dass ich uns den Bonus hierfür ebenfalls gönne.

Während Til und die Bunnies sich noch etwas erholen, klettert Jinva schon wieder in den Ästen über ihnen, gewandt wie ein langgliedriger, silberner Gecko, und hält Ausschau.

Dann kommt der nächste Move zum Vorrücken, Delve the Depths, jetzt mit Bonus. Frisch ausgeruht heißt es, wieder Tempo machen, also eilen wir mit Geschick+Athletik dahin. Maximale Erfolge, diese Truppe ist so gut zu Fuß im Astwerk wie Eichhörnchen. Eine Zehn bei den Challenge Dice vereitelt dennoch einen Strong Hit, also wieder auf der Tabelle gewürfelt: Weil wir uns mit Hast bewegen, bedeutet das Resultat, es gibt einen fünften Punkt Fortschritt, und den Folge-Move Find an Opportunity.

Die Tabelle von Find an Opportunity gibt an, dass wir einen spezifischen Hinweis finden, das ist willkommen für die Suche nach dem Harzherz. Dies bedeutet den Move Gather Information. Also würfeln wir Wahrnehmung+Enigmas. Jinva macht weiterhin ihr Aspekt zu schaffen, und abgelenkt vom Kummer der Bäume zieht sie die Einser von ihren Erfolgen ab. Ein Weak Hit wird insgesamt aus dem Move. Erneut gibt’s einen Punkt Willenskraft zurück, und einen Hinweis, aber der verkompliziert auch unsere Suche, laut Spielregel des Move:

Die Wanderer balancieren an Baumstämmen vorbei, an denen besonders viel Harzströme entlang fließen. Im Vorüberlaufen versuchen sie, die Eindrücke, die der Strom in ihnen auslöst, richtig zu deuten. Jinva stehen mittlerweile die Tränen in den Augen dabei, mit ihren hypersensiblen Handflächen streicht sie ganz vorsichtig über die Baumborke und das Moos, wie um zu versuchen, die Pflanzen zu trösten.

Eins der Bunnies derweil patscht mit seinem Vorderpfötchen in die goldene Masse, und guckt dann ungläubig darauf hinab, damit hätte es nicht gerechnet, dass das so klebrig ist! Es jagt die anderen vier damit umher, um seine Pfote an ihnen abzuputzen, aber die wollen auch nicht klebrig werden!
Schließlich beginnt es leise zu plärren, und Til nimmt es auf den Arm.
„Du hast Dich eingesaut, was? Das solltest Du doch nicht!“, sagt er beschwichtigend.
Das Bunny nickt einsichtig und beruhigt sich. Dann wischt es seine harzige Pfote still und dankbar an Tils Fell ab. (Der ist etwas weniger dankbar dafür.)

Und hier kommt der erwürfelte Hinweis:

Jinva beschleunigt ihr Lauftempo jedenfalls.
„Der schwarze Ritter ist hier entlang gekommen! Unten, auf dem Waldboden! Die Bäume haben ihn entdeckt, und es mir gesagt! Das ist aber schon lange her — er hat einen großen Vorsprung vor uns, Til!“
„Ich frage mich die ganze Zeit, was der Kerl dort will? Okay, er ist ein Scout seiner Streitmacht, er will kundschaften … aber Du sagtest doch, niemand könne sich den Weg zum Heiligtum merken! Vielleicht, weil es seine Position verändert! Es nützt ihm also überhaupt nichts, die jetzige Lage auszuspionieren!“
„Ich vermag nicht zu sagen, was die aus Grimgoromn für Mittel und Wege haben! Und vielleicht wird er versuchen, im Alleingang etwas zu unternehmen. Versuchen, Schaden anzurichten womöglich!“
Til schluckt. Ja, der Kerl schleppt ja ein absurd großes Schwert durch die Gegend …!

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Also wieder Delve the Depths: Diesmal ein Strong Hit! Das erhöht den Fortschritt auf sechs und lässt mich den Move Find an Opportunity hinterher schieben, diesmal darf ich dessen Resultat frei wählen. Und bei solch einem Delve können ja klassischerweise auch Schätze gefunden werden, darauf habe ich Bock! Das bedeutet als Folge-Move wiederum Secure an Advantage. Irgendwas glitzert bläulich zwischen den Zweigen, und das sind keine luminiszenten Blätter oder Pilze …!

Ich würfle Wahrnehmung+Aufmerksamkeit, um das Glitzern genauer zu lokalisieren. Ein Strong Hit! Dafür bekomme ich Willenskraft zurück und bin endlich wieder voll. Denn hier steckt ein moosüberzogenes Objekt im Holz, das unter dem Bewuchs noch leicht glänzt. Es stellt sich aus der Nähe als ein schlankes, verziertes Schwert heraus!


Jinva zieht die Augenbrauen hoch: „Sieh'! Das Schwert von Yvamore!“
„Ja, hier steckt es, man hörte natürlich schon so einiges darüber. Halt, Moment mal, Schwert von Yvamore? Das hatte mir Lady Ysandra doch als Lohn versprochen, wenn ich im Namen ihres Hofes auf dieses Abenteuer ausziehe! Und dann ist es gar nicht in ihrer Schatzkammer?“
„Es gehörte einst zum Schatz des Hohlkronen-Hofs, dies ist nicht gelogen. Aber es wurde vor langer Zeit im Labyrinth verloren. Die Lady … hätte Dir als Belohnung eben nur die Ansprüche auf dieses Stück vermacht, nicht mehr, nicht weniger …“
„Na, jetzt haben wir es ohnehin gefunden!“
„Nimm' es an Dich, Pooka Til! Du wirst eine Waffe brauchen, wenn wir erneut einen Düsterzirp-Schwarm aufscheuchen, oder für die Konfrontation mit dem schwarzen Ritter!“
„Nee, ich bin Pazifist.“
Nimm' es! Wir können es nicht hierlassen.“
„Nimm' Du es! Du bist die Kriegerin von uns beiden!“
„Es gehört in Kithain-Hände. Die Tradition verlangt es.“
„Also gut.“
Til zieht das Schwert von Yvamore vorsichtig aus dem Holz und Moos. Sie meinen, ein Wehklagen des uralten Baumes zu hören, dann einen Laut der Erleichterung.
Til befreit das Schwert vorsichtig von den gröbsten Moosen. Es ist erstaunlich leicht, und liegt ausgezeichnet in der Hand. Das Zwielicht von hoch oben, das durch das Astwerk fällt, glimmt verheißungsvoll auf der bläulichen Klinge. In Tils Hasenaugen reflektiert das Schimmern, es kommt ihm vor, als wolle die Klinge erneut geführt werden, fast als hätte sie einen eigenen Willen, einen eigenen Kampfesmut.
„Zumindest zum Parieren kann ich es sicher nutzen“, sagt er.



Das geheimnisvolle Schwert von Yvamore


Evolution: Diese Gelegenheit nutze ich natürlich, um mir für EXP den Hintergrund Schatz zu kaufen, um das magische Schwert zu repräsentieren. Es hat seine volle Macht längt noch nicht wiedererreicht, also kaufe ich den Hintergrund auf Level eins. Das gibt mir (via meiner Hausregel) auch automatisch einen Aspekt-Punkt, den ich dem Schatz verleihen darf. Das mache ich so:

Schatz: Das Schwert von Yvamore
Ein Schwert der Sidhe, das lange Zeiten im Labyrinth von Aevalorn im Träumen verloren war. Es ist ein Erbstück des Lichten Hofs und will in heroischen Angriffen geführt werden.
Aspekte:
 • Eignet sich auch hervorragend zum Parieren +1

Das runde ich ab, indem ich Til einen neuen eigenen Aspekt verleihe, als Erweiterung seines bestehenden Aspekts ‚Überzeugter Pazifist‘, der bisher keine Punkte bekommen hatte. Der liest sich künftig so:

 • Überzeugter Pazifist, kämpft nur defensiv +1.

Damit geben Til diese kombinierten Aspekte +2 Bonus-Würfel für alle Würfe auf Geschick+Nahkampf, mit denen er das Schwert von Yvamore führt, und zu Parieren oder zu Blocken versucht.

(Tils Pazifismus gilt gleichzeitig natürlich als nachteiliger Aspekt in Kämpfen, was all seine Nahkampf-Würfe nachteilig beeinflusst. Wenn er seine beiden neuen Aspekte ausbaut und obendrein die Nahkampf-Fertigkeit lernt, führt das zu der Situation, dass er sehr viele Würfel hat beim Fechten, aber nur um sich und seine Freunde zu verteidigen; aber gleichzeitig auch die Regel der Eins gilt. Dies wird seine Ambivalenz mit solchen Situationen sehr gut darstellen.)


Dann sollten wir noch einen siebenten Punkt Fortschritt reinholen, ab dann könnte man daran denken, zu versuchen, den Delve abzuschließen. (Ich muss dafür ja die gesammelten Fortschritt-Punkte mit den Challenge Dice unterwürfeln.)

Also abermals Delve the Depths: Ich verwende Geschick+Athletik für Jinva, die macht die Vorhut dabei, um noch tiefer hinab zu klettern, und Wahrnehmung+Aufmerksamkeit für Til, der lauscht und späht unterwegs vor allem auf den schwarzen Ritter, der dabei möglicherweise in Reichweite kommt. Aus meinen sieben Erfolgen wird ein Strong Hit, und zwar mit Pasch: Ein extremes Resultat.
Durch den Strong Hit bekomme ich einen Fortschritt-Punkt und bin beim Delve damit auf sieben, und für das extreme Resultat geben wir uns großzügig selber einen weiteren Punkt obendrauf. Und den Bonus-Move Find an Opportunity kann ich laut Spielregel außerdem machen. Da wähle ich aus den möglichen Tabellenresultaten einen weiteren Hinweis: Das ist dann eine frische Fährte des schwarzen Ritters!


Soundtrack: Filip Lackovic, Forest Dance
https://www.youtube.com/watch?v=5OXetSj_FMU

Wenige Meter über dem Waldboden sehen die Reisenden schließlich die vielen, vielen Aevalori, die überall umher in den Zweigen versteckt sind. Sie haben ihre Langbögen im Anschlag, und koordinieren ihre Bewegungen am Knarren und Rauschen der Bäume. Der Waldboden ist von einem Paar von schweren, metallenen Stiefeln zertreten …
„Meine Geschwister haben den Eindringling eingekesselt!“, raunt Jinva Til zu, nachdem sie eine Weile auf das geisterhafte Baumächzen gelauscht hat, „er hat sich dort hinten verschanzt!“
„Ich rede mit ihm!“, flüstert der Pooka.
„Unmöglich, das ist zu spät! Er hat bereits den Ring der Wächter durchschritten, um seinen Frevel zu begehen! Er ist des Todes!“
„Nein, Jinva! Ihr könnt den nicht einfach mit Pfeilen spicken. Erstmal müssen wir erfahren, was er überhaupt will! Sag' den Bäumen, dass ich zu ihm gehe. Und es soll mich ja keiner abschießen wenn ich da unten bin!“
Jinva zögert, und ist dann einverstanden.

Til macht einen großen Satz (via Hopscotch) und setzt leichtfüßig auf dem Waldboden auf, gefolgt von den Bunnies. Vorsichtig nähert er sich der Stelle im Unterholz, auf welche die vielen Bögen gerichtet werden.
„Heda, hallo, Grimgoromn-Scout! Entschuldige bitte die Sache mit dem Streich gestern! War ja nicht so gemeint, das war alles ein Missverständnis“, ruft er unsicher. Das Schwert von Yvamore hat er vorhin in Tücher gewickelt und provisorisch hinten an seinem Gürtel befestigt, und er meint zu spüren, wie dringend es gezogen werden will; wie es danach begehrt, herausfordernd auf den Gegner zu deuten! Aber Til verwahrt sich dagegen, diesem Impuls zu folgen, das Schwert ist nur seine Lebensversicherung, wenn’s keinen anderen Ausweg gibt, um die Schimäre abzuwehren.
„Wechselbalg!“, dröhnt die Stimme aus dem Dunkel, anklagend, aber kraftlos.
„Sehr richtig! Lass' uns reden! Keine Gewalt, okay?“

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Ich will den Geharnischten zum Kapitulieren bringen. Das mache ich mit dem Move Compel. Dafür würfelt Til als Extended Action Charisma+Überzeugen. Ich gebe ihm dabei den Bonuswürfel von seinem Aspekt ‚Abgeklärt, wünscht allen Leuten insgeheim Gutes‘, vielleicht scheinen seine guten Absichten durch. … Sieben Erfolge bekommt er hin:

„Hör' zu, Mann: Du bist den Einheimischen in die Falle gegangen. Die haben uns hier komplett umstellt! Und in den Bäumen sind noch viel mehr als Du sehen kannst, die meisten sind viel zu gut verborgen. Die sind wie eins mit den Wäldern! Das sind hunderte! Aberhunderte, klar? Und die haben Dich jetzt maximal auf dem Kiecker.“
„Jener, der mit vollem Glauben den Gesetzen dient, der ist unerschütterlich“, sagt die Stimme unter der dunklen Kapuze, aber sie klingt nach wie vor eher schleppend als wirklich unerschütterlich.
„Was willst Du denn hier?! Niemand hätte gedacht, dass Du überhaupt so weit kommen würdest!“
„Der aufrichtige Glaube an das höhere Recht von Grimgoromn verleiht mir Riesenkräfte … ich wäre nicht hier, Pooka, wenn Du mich nicht verraten hättest, und aus dem Everreach gestürzt hättest! Hierher, in das Reich dieser Primitivlinge.“
Unter seinem Harnisch spannt der Ritter seine Muskeln an, die Klinge scharrt mahlend auf seiner Schulterplatte. Til tritt ängstlich einen Schritt zurück. Das Schwert von Yvamore verlangt in diesem Moment umso stärker danach, gezogen zu werden! Das fühlt sich für Til an wie ein enervierender Impuls in seinem Verstand, der aber nicht von ihm selber kommt.
Defensiv fragt er, „Aber warum hast Du Dich daraufhin nicht den Wachen ergeben? Das wäre echt mal das Schlauere gewesen. Das was Du gemacht hast, das mussten die doch als Kriegshandlung auffassen!“
„Wo ich schon hier bin, kann ich auch meine Aufgabe als Kundschafter ausführen! Ich bin meinem Herren verpflichtet, bis über mein Ende hinaus. Mit der Kunde um die Lage des Harzherz werde ich mich tief im Labyrinth verschanzen, und dort erwarte ich das Eintreffen meiner Streitmacht. Dann gebe ich die Lage an die Waffenbrüder weiter.“
„Ja, schöne Idee, aber jetzt ist Dein Spiel aus. Außerdem ist das Harzherz magisch geschützt! Das kann sich sowieso niemand merken, wo das liegt! Dieses Harzherz kann einen Dinge vergessen lassen — zum Beispiel seine genaue Position! Sogar die Aevalori betrifft das!“

Damit wären die beiden Überzeugen-Würfe wohl ausgespielt; um den Move jetzt zu vollenden, würfle ich daraufhin die Challenge Dice gegen meine oben ermittelten sieben Erfolge. … Ein Strong Hit! Yeah! Das Gegenüber kooperiert demnach erst einmal vollumfänglich.

„Ich strecke die Waffen“, sagt der schwarze Ritter dumpf, „Aber die Einheimischen brauchen nicht zu hoffen, dass ich rede, in Gefangenschaft oder unter Folter. Ich bin ganz und gar meiner Sache verpflichtet, für immerdar und ewig!“
„Und hast Du schon einmal darüber nachgedacht, dass die Leute dieses Reiches möglicherweise mit ihren eigenen Gesetzen ganz zufrieden sind? Dass die das Gesetz von Grimgoromn nicht brauchen?“
„Hier ist nichts weiter als gesetzlose Wildnis. Die Einheimischen sind Barbaren. Nur das höhere Recht von Grimgoromn kann sie befrieden.“
„Oh Mann“, sagt Til genervt zu sich selbst, „Der Typ kann echt nicht locker lassen ...“

Tatsächlich stellt sich auch heraus, dass der Panzerhandschuh um den Griff des übergroßen Zweihänders festgerostet und dadurch buchstäblich verschmolzen ist. Man kann den Geharnischten nicht entwaffnen. Also behält er sein Schwert weiterhin geschultert, und die Aevalori-Wächter zurren es kurzerhand auf seiner Schulter mit vielen ihrer Taue fest, so dass der Gefangene zwar marschieren kann, aber nicht mehr fechten. Til hat irgendwie Mitleid mit ihm, dieser Anblick unterstreicht den Eindruck nur noch mehr, dass er unter der bedrückenden Last seiner überdimensionierten Klinge zu tragen hat wie unter einem Kruzifix.



Der Kundschafter aus Grimgoromn ist dingfest gemacht


Weil das so schön geklappt hat mit dem Compel-Move muss das wohl der zweite Milestone sein für die
Queste (Gefahrvoll): Versuchen, den Bäumen von Aevalorn zu helfen, gegen die Grimgoriminatori, und mit ihrem eigenen Kummer.
Die Gefahr für Aevalorn aus Grimgoromn ist jedenfalls erst einmal gebannt. Das erhöht meinen Questen-Fortschritt auf vier.

Jetzt heißt es nur noch, den Delve abzuschließen. Das wird dann auch nochmal Fortschritt generieren! Dafür müssen Til, die Kleinen Bunnies, und Jinva noch das Harzherz erreichen ...

Im Gespräch mit den örtlichen Wächtern hole ich mir ein Stichwort vom Orakel: Evade Idea. Das passt ja insgesamt zum eingangs ausgeheckten Thema dieses ganzen Traumreichs: Ein Gedanke wird gemieden, oder verdrängt. Die Orakelwürfel antworten auf die Frage, ob die lokalen Wächter etwas verdrängen, mit einem extremen Nein (mit Pasch). Dann ist es das Harzherz selbst, das die Lebewesen in seiner Domäne eine Idee meiden lässt, und zwar mit telepathischer Kontrolle:

„... Irgendwie halte ich es für falsch, zu versuchen, weiter vorzudringen …“, murmelt Til plötzlich, während er in die wirbelnden Nebel starrt.
„Wir sollten sofort umkehren“, bestätigt Jinva tonlos, „Wir helfen, den Gefangenen zurück zur Grenze zu eskortieren.“
„Manche Sachen sollte man einfach sein lassen …“
„Wir haben ja ohnehin erreicht, was wir ausgeschickt wurden zu tun, Pooka Til. Lady Ysandra wird zufrieden sein.“
„Ach, Lady Ysandra, immer diese Lady Ysandra …! Hm. Aber irgendwie war ich die ganze Zeit über der Meinung, dass wir wissen wollten, wie das Harzherz aussieht, und ob wir dort irgendetwas Gutes tun können …“, sagt Til verwirrt, „Komisch, dass das jetzt so abwegig scheint.“
Er sieht sein Spiegelbild in dem breiten Harzbach neben seinen Füßen im Gras. Ein Mann mit Hasenkopf. Dann schillern plötzlich die Gestalten junger Leute im goldgelben Bild der Reflexion, Menschen mit aufgeregten Gesichtern, Bürgerrechtler bei einer Kundgebung, die versuchen, die Einebnung von Hamburg-Vährwerder aufzuhalten. Eine seiner eigenen Erinnerungen, die das Harz widerspiegelt.
„… Wahrscheinlich ist es das Harz, das uns davon abbringt, weiterzugehen …“, sagt er leise, eher zu sich selbst, „wie eine Art … ungewöhnlicher Schutzmechanismus. Wow.“

Ich würfle Willenskraft für Til, um zu bestimmen, ob er sich zusammenreißen kann. Er erreicht zwei Erfolge, mit einer Neun und einer Zehn. Während die Aevalori noch unter sich reden, verkriecht er sich zwischen den titanischen Baumwurzeln, und verwandelt sich ungesehen in seine Gestalt als großer, weißer Feldhase. Wenig beachtet hüpfen dieser Hase und seine fünf befreundeten Kaninchen durch die Nebel davon, weiter in die Richtung, in welche der Geharnischte vordringen hatte wollen.

Das ist der Move namens Find Your Objective, für den muss ich nur meinen bisherigen Fortschritt beim Delve von acht unterwürfeln mit den Challenge Dice. Nur ein Weak Hit, wegen einer ehrgeizigen Zehn! Das bedeutet, dass der Delve vollständig ist, aber sich eine unvorhergesehene Schwierigkeit ergibt …!

Das Harzherz taucht schlagartig aus dem Dunst vor ihnen auf! Es ist ein gewaltiger, schimmernder Orb aus durcheinander fließenden Strömen goldenen Baumharzes, mehrere Meter über dem von Baumwurzeln durchzogenen Waldboden schwebend, auf einem unsichtbaren Kraftfeld! Die Nager verharren gebannt bei diesem unglaublichen Anblick.



Das Harzherz von Aevalorn


Aber worin besteht die unvorhergesehene Schwierigkeit, welche die Spielregel des Moves eben angekündigt hat? Machen wir das mal so:

Til hat das Gefühl, eine Stimme wahrzunehmen: Sie sagt ihm und seinen Freunden, dass dies ein Heiligtum sei — eine Stätte des Erinnerns. Und gleichsam des Vergessens. Der Lebensstrom des Waldlabyrinths von Aevalorn führt auch lebendig gebliebene Zeit mit sich, er kann Momente herantragen, oder mit sich nehmen …
Til legt ehrfürchtig die Löffel an und versucht ein Nicken. Er konzentriert sich auf den Gedanken: Wir wollen nur helfen!
Die Gedankenstimme entgegnet, dass es die Last des Erinnerten selbst sei, was die Bäume des Labyrinths peinige. Nichts aus der Herbstwelt oder dem Träumen könne ihnen damit helfen. Ein fremder Pooka sowieso nicht. Große Gelehrte und Schamanen der Aevalori mit demselben Ansinnen hätten Wochen damit verbracht, über den brodelnden Windungen des Harzherz zu meditieren, ohne eine Vision zu bekommen, was sie ausrichten könnten.
Til konzentriert sich angespannt auf die Frage, warum das Harzherz ihnen nicht einfach den Grund für den Unbill sage? Sie alle wollten ihm helfen, dass der Wald wieder froh würde!
Die Stimme sagt vage, diese Antwort könne nicht ausgesprochen werden, auch nicht in Gedanken: Sie könne nur erinnert werden, und jene Erinnerungen seien verloren im Strom der Zeit ...

Ich habe schon eine Idee, was es sein könnte, das hier noch bisher unentdeckt geblieben ist. Dafür mache ich den Move namens Gather Information. Ich gebe Til hier den Würfel seines Aspekts ‚Kann nicht loslassen‘ als Bonus mit. Er sucht gefolgt von den Bunnies also hoppelnd, schnuppernd, und scharrend das Wurzelwerk unterhalb des Harz-Orb ab. Seine Extended Action liefert neun Erfolge, aber erneut verhindert eine Zehn bei einem der Challenge Dice einen Strong Hit. Der Weak Hit bei Gather Information bedeutet, dass das Herausgefundene die Queste verkompliziert:

Was auch immer unter den Baumwurzeln liegt, die den Waldboden hier bedecken … es ist nicht einfach nur Erdreich. Die sechs Nager finden schließlich ein Schlupfloch, und kriechen neugierig tiefer …

In einer kleinen Höhle sehen sie im Schein der blauen, phosphoreszierenden Pilze, dass die Baumwurzeln um Steinquader geschlungen sind. Diese scheinen nur mehr aus Rissen und Splittern zu bestehen, so alt sind sie. Einige davon waren außerdem einst mit Runen graviert. Diese ähneln denen, die oben in die Baumrinden geschnitzt sind, aber komplizierter und weniger kunstvoll. Wie eine noch ältere Vorgänger-Schriftform … die Glyphenschrift der heutigen Aevalori ist vielleicht nur aus dieser hervorgegangen …

Emsige, neugierige Vorderpfoten beginnen gemeinsam zu buddeln! Til bemerkt, wie leicht seinem Hasenkörper das fällt, und wie viel Spaß ihm das Graben bereitet. Noch tiefer im Erdreich sind schließlich kleine Gänge zu finden, die zwischen diesen uralten Steinquadern entlang führen, geräumig genug für Hasen und Kaninchen. Die Luft ist mittlerweile extrem stickig. Til und die Bunnies sehen in der unwirklichen Bioluminiszenz in tiefere Erdhöhlen hinab, die erfüllt sind von derartigem Mauerwerk. Die gewaltigen Baumwurzeln reichen auch bis hier hinab, und umwinden und durchdringen alles. Eine ganze, lange verlassene Stadtlandschaft liegt unterhalb des Labyrinths von Aevalorn, verschluckt vom Erdreich und verloren vom Lauf der Zeit. Die Wurzeln der Bäume sind untrennbar mit diesen gravierten Steinen verankert, bis heute.
Ich glaube, dass ich verstehe, was los ist, signalisiert der Feldhase mit seiner Körpersprache den Kaninchen. Diese kichern aufgeregt. Gemeinsam kriechen sie an die Oberfläche zurück.

Diese Entdeckung ist also jene vom Weak Hit (beim Reach-Your-Destination-Move) ermittelte unerwartete Schwierigkeit. Dadurch, dass diese nun etabliert ist, ist jetzt aber der Delve komplett abgehandelt, und wir erhalten (dadurch, dass der Delve verquickt mit der eigentlichen Queste war) den nächsten Milestone für unsere
Queste (Gefahrvoll): Versuchen, den Bäumen von Aevalorn zu helfen, gegen die Grimgoriminatori, und mit ihrem eigenen Kummer.
Damit ist der Fortschritt auf sechs!


Wieder als zweibeiniger Hasenmensch tritt Til aus dem Nebeldunst hervor, gefolgt von seinen fünf Kaninchen. Die Aevalori-Wächter und Jinva stehen immer noch in verschiedenen Grüppchen, und sehen ihn erstaunt an. Einige ihrer Anführer sind mittlerweile auch hierher hinab geklettert, um untereinander zu sprechen, unter anderem auch ein Häuptling oder Schamane, mit prächtigem Geschmeide behängt.
„Es könnte sein, dass wir einen Hinweis auf das Problem für das hiesige Ökosystem gefunden haben!“, sagt Til leise.
Die Ureinwohner gucken ihn befremdet an, sie verstehen seine moderne Ausdrucksweise nicht.
„Ähm. Wie soll ich das erklären? Die Bäume hier … sind verwurzelt mit etwas aus der Vergangenheit. Steinquadern, Fundamenten … den Überresten von irgendwas von früher! Und mit einer Sphinx-Statue mit Aquamarin-Augen, tief verschüttet im Geröll, sieht ziemlich wertvoll aus, ehrlich! … Wusstet Ihr das?“
„Die Legenden vom altvorderen Reich Edovoldda sind allesamt umstritten, Pooka Til“, sagt Jinva vorsichtig.
„Edovoldda! Was ist das?!“
Der große Häuptling antwortet an ihrer statt: „Eine Zivilisation, oh Fremder, die vor vielen Tausenden von Jahresläufen hier irgendwo existiert haben soll. Sogar noch bevor es die Bäume des Labyrinths gab! Wir Aevalori erzählen unseren Kindern davon, wenn wir ihren Verstand mit Gedankenspielen beschäftigen wollen.“
Til fragt ihn, „Kann es nicht sein, dass die Antworten auf die Frage nach dem Kummer der Bäume nicht vom Harzherz selbst gegeben werden können … sondern von diesem Rätsel der Vergangenheit …? Das Harzherz hat vorhin kurz zu mir gesprochen … Ich glaube, das hätte es meinen können, mit dem was es zu mir sagte! Es hat klipp und klar gesagt, die Lösung für das alles sei eigentlich ganz einfach! Kinderleicht, so sagte es wörtlich!“
Fast will Til sich auf die Zunge beißen, als er sich reden hört. Warum muss er denn ständig auch noch Lügen in seinen Bericht einbauen? Die Wahrheit ist doch schon spektakulär genug! Aber er scheint gar nicht anders zu können.
„Ein Überbleibsel vom altvorderen Edovoldda …“, sinniert der Häuptling, „Es ist nicht unvorstellbar. Jene aus dieser vergangenen Epoche sahen sich mit dem eigenen Untergang konfrontiert. Sie hatten die größte Kultur aller Zeiten errichtet, aber sie weigerten sich, ihre Lebensweise zu ändern, als ihre Welt sich schließlich veränderte. Und dies, so besagen die Legenden, besiegelte ihren Untergang. Wir wussten nicht, wo ihre versunkenen Bauten zu finden sein könnten. Wer weiß, welche Erinnerungen dort drunten vergraben sind?“
„Eure Labyrinthbäume wissen es, denn sie holen sich das Grundwasser von dort herauf“, vermutet Til, „Und ihr Wurzelwerk ist untrennbar mit den Überbleibseln von damals verwachsen. Wow …! Könnte da ein Zusammenhang sein zu den Phänomenen, die Ihr jüngst in Eurem Labyrinth beobachtet?“

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Die vielen Aevalori beginnen auf ihrer Muttersprache untereinander zu raunen, Wachen wie Gelehrte. Vielleicht hat der Wechselbalg ihnen da den entscheidenden Hinweis zugespielt? Til versteht nicht, was sie untereinander sagen, wenn sie nicht auf Englisch mit ihm sprechen. Er wartet also ab, auf einer Baumwurzel sitzend, und verfüttert dabei den restlichen Klee und anderen Proviant an seine Bunnies.

An der Stelle könnte ich einen neuen Orakelspruch gebrauchen. Die Würfel sagen, Suppress Price, also das Unterdrücken von Kosten, oder ist vielleicht die Unterdrückung eines Lohns gemeint? Tils Lohn wäre ja die Erfüllung seines Eides gegenüber dem Setzling! Bedeutet der Orakelspruch also vielleicht, dass die telepathischen Impulse des nahen Harzherz bei den Aevalori die Einsicht unterdrücken, dass dies die Lösung ist? Ein extremes Ja, mit Pasch. Das Herzherz wirkt auf seine Einheimischen ein ...!

Til und die Bunnies können geradezu dabei zusehen: Nach und nach schwindet die Aufregung über die neue Spur wieder von den Gesichtern der Eingeborenen, und ihre Stimmen klingen immer resignierter in den vielen Gesprächen, die sie führen.
„… Jinva! Was besprecht Ihr?“, fragt Til seine Führerin.
„Die Wächter haben den Schluss gezogen, dass Du Dich geirrt haben könntest in der Natur Deiner angeblichen Entdeckung, Fremder. Und ohnehin Du bist ein Pooka: Deiner Art kann nicht ganz getraut werden! Eine Sphinx mit Edelstein-Augen? Wahrscheinlich, so sagen unsere Häuptlinge, ist diese Geschichte von den Fundamenten von Edovoldda ein Schabernack!“
„Ein Schabernack?! Wohl kaum! Ich sage doch die Wahrheit! Ich bin für meine Ehrlichkeit bekannt, dort wo ich herkomme. Erinnere Dich, selbst Lady Ysandra hat meine Aufrichtigkeit gelobpreist. Äh, gelobpriesen? … Wie heißt das Wort noch gleich richtig ...?“
„Wir sollten an den Hof der Hohlkrone zurückkehren, Pooka Til. Meine Lady wird für Dich und mich über das alles entscheiden müssen.“
Die langen, dünnen Aevalori beginnen einen Halbkreis um Til zu formieren. Manche sehen ziemlich kritisch aus, ihm gegenüber ...
„Oh Junge“, sagt Til leise, er hat keine Lust Kleinbei zu geben.
Noch dazu würfelt er abermals Willenskraft, um der Gedankenkontrolle zu widerstehen, und schafft wieder zwei Erfolge.
Er schnellt davon, in den Nebel hinein. Er kann sich kurioserweise nicht mehr erinnern, wo genau er das Harzherz vorhin gefunden hatte! Dessen Schutzmechanismus wirkt auch auf ihn!

Mit drei Erfolgen bei Wahrnehmung+Gewahren führt sein Feengespür ihn jedoch schließlich instinktiv wieder auf das goldene Glühen zu. Die Nebelschleier lichten sich, und er und die Kaninchen stehen wieder vor dem riesenhaften, schwebenden Orb.
„Harzherz! Das kannst Du doch nicht machen? Warum verschleierst Du unsere Gedanken?! Die Fundamente könnten die Lösung Deines Rätsels sein! Die Aevalori können diesen Hinweis nutzen, um einen Weg zu ersinnen, Dir und den Bäumen des Labyrinths zu helfen!“
Die Antwortet lautet, dass die Wurzeln der Bäume längst untrennbar mit der Vergangenheit geworden seien. Das Labyrinth sei eins mit den Erinnerungen aus Edovoldda. Ein Versuch, sie davon zu trennen, wäre vermessen.
„Dann willst Du, dass die Bäume Kummer haben?!“, fragt Til ungläubig.
Die fremden Gedanken antworten, nein, aber ihre Wurzeln wüchsen seit Jahrtausenden tiefer. Das, was sie seit den letzten Jahrzehnten von dort drunten aufgenommen hätten, mache sie in der Tat traurig. Mittlerweile spüre der Rest des Waldes dies auch. Na und? Die Wurzeln würden allmählich noch tiefer wachsen, und irgendwann wieder andere Erinnerungen aufsaugen, andere Überreste der vergangenen Zeit. Irgendwann würden sie sich ganz durch die Fundamente des einstigen Edovoldda hindurch gearbeitet haben. Was seien schon ein paar Jahrtausende mehr? Ein Wechselbalg könne dies nicht verstehen, gefangen in einer einzelnen, menschenähnlichen Inkarnation! ... Wahrscheinlich würde Til in seiner kommenden oder übernächsten Inkarnation erneut vor das Harzherz treten, und ihm dasselbe Ansinnen vortragen wie heute …!
Til erschaudert bei dieser Vorstellung.
„… Aber ich will nicht, dass der Wald weitere Jahrtausende lang Kummer haben muss! Die Aevalori und die Tiere leiden mit ihm! Und Ihr seid irgendwie alle verbunden, nicht? Ich will nicht, dass Du Kummer hast, Harzherz.“

Aus diesem Zwiegespräch mache ich mal den Move Compel. Ich würfle zweimal in Folge als Extended Action Charisma+Überzeugen für Til, und erneut soll er seinen Bonuswürfel des Aspekts ‚Abgeklärt, wünscht allen Leuten insgeheim Gutes’ dazu bekommen. Dank einem Punkt temporärer Willenskraft werden es sieben Erfolge … und dadurch tatsächlich ein Strong Hit.

Das Harzherz zögert eine ganze Weile, und schließlich raunt seine Gedankenstimme, dass es erleichtert wäre, wenn ganz Aevalorn sich wieder aus seiner Düsternis erheben würde.
Aber die Vergangenheit und die Hinterlassenschaften jener aus Edovoldda könnten nun einmal nicht rückgängig gemacht werden. In ihren Steininschriften stünden ihre Triumphe und ihre Verfehlungen eingemeißelt für viele Jahrtausende. Obschon die Augen der Oberweltler diese Inschriften nicht sehen könnten, seien die Baumwurzeln doch eins damit.
„Was ist, wenn wir die ferne Vergangenheit umdeuten?“, fragt Til, „Wir könnten ihre Inschriften fortführen, ergänzen. Vervollständigen?“
Aber jene aus Edovoldda sind selbst längst verschwunden …
„Ja, aber vielleicht würden sie sich wünschen, dass man sich an sie anders zurückerinnert. Nicht an die größte aller Zivilisationen, die schließlich gescheitert ist. Sondern an ein Volk, das ganz am Schluss seinen Frieden gefunden hat?“
Aber so etwas wäre doch nur eine Fälschung?, vermutet das Harzherz, aber unsicher.
„Manche Lügen sind nur versteckte Wahrheiten, denkst Du nicht auch? Wir studieren ihre Inschriften! Ergründen ihren Schreibstil! Finden das Ende, das sie selbst in die Steine gemeißelt hätten, wenn sie genügend Zeit dafür gehabt hätten!“

Das soll der nächste Milestone sein für die Queste. Damit ist der Fortschritt acht, und ich will mich am Move Fulfill Your Vow versuchen! Ist das Rätsel von Aevalorn damit gelöst? Das sollten wir die Spielregeln der Moves entscheiden lassen. Eventuell wird das eine weitere unterirdische Reise bedeuten, um die Glyphenschriften weiterzuführen, mit neuerlichen Einmeißelungen. … Die Challenge Dice gewähren jedoch einen Strong Hit!

Das bedeutet, dass nun alle Elemente sich fügen: Das Harzherz wird den Verstand seiner Aevalori nicht mehr verschleiern, deren Gelehrte werden Wege in die unterirdischen Höhlen finden, und die Glypheninschriften aus dem altvorderen Edovoldda werden um neue, versöhnliche Einträge erweitert werden. Wenn die Bedeutung der Aufzeichnungen sich ändert, wird sich auch die Bedeutung der Fundamente ändern, die Bäume absorbieren ein positives Andenken aus ihnen, und das Labyrinth von Aevalorn wird seine Trauer überwinden.
Til bekommt für die abgeschlossene Queste drei zusätzliche EXP.

Es gibt in den Lagern der Wächter rund um die Nebellichtung daraufhin viel zu erklären. Schließlich wird gerastet und übernachtet. Als Til und die Kaninchen wieder aufgewacht sind, bricht Jinva mit ihnen auf, um sie zurück zum Everreach zu eskortieren.


Als sie nach einer halben Tagesreise wieder in die Nähe des Hofs der Hohlkrone kommen, drängt Jinva darauf, bei ihrer Herrin persönlich Bericht zu erstatten.
„Das ist vielleicht das Richtige“, vermutet Til, „Ich sollte sie vermutlich auch darum bitten, das gefundene Schwert behalten zu dürfen. Immerhin ist es angeblich ihrs. Und ich hatte unsere Queste nicht wie von ihr verlangt in ihren Namen gestellt.“
„Vielleicht wäre es klug, gar nicht erst unter ihre Augen zu treten, Pooka Til“, lässt Jinva ganz betreten vernehmen, „Die Lady kann manchmal aufbrausend sein, und ihre Wut ist dann schrecklich!“
„Ja, aber ich sollte das Erbstück trotzdem von ihr erbitten. Als Finderlohn oder so! Sonst würde ich mich fühlen, als hätte ich es ihr geklaut! Und ich bin kein Lügner, und auch kein Dieb! … Außerdem habe ich gestern alle Deine Artgenossen nach Niedzwiedz gefragt, aber Lady Ysandra noch nicht.“
... Und vielleicht kann er sie nebenbei bequatschen, um sie von ihrem Irrglauben abzubringen, dass ihr Hof noch nicht an Bedeutung verloren habe?


Til bekommt ohne Verzögerungen eine Audienz im Thronsaal des Hohlkronen-Hofs. Lady Ysandra scheint schlecht auf ihn zu sprechen zu sein, weil er ihren Eid nicht geschworen hatte, bevor er übereilt aufbrechen musste. Sie ist dennoch sehr interessiert daran, seine Erzählung zu vernehmen. (Eigentlich will sie das Ganze in Gedicht- oder Liedform hören, aber Til hat leider die Darbietung-Fertigkeit nicht und muss diesbezüglich passen.)

Ich mache den Move Compel: In den Bericht muss man doch Stück für Stückchen einfließen lassen können, dass die Hohlkrone überhaupt keine wirkliche Rolle bei dem allen gespielt hatte, und dass Lady Ysandra tatsächlich gut daran täte, die Aevalori aus ihrer Dienerschaft zu entlassen, und sich tiefer ins Labyrinth zurückzuziehen? Sie könnte sich unter den Schutz von Aelhunara selbst stellen …
Hierbei darf man natürlich nichts davon rundheraus aussprechen oder tölpelhaft rüberkommen; Til weiß noch genug aus seinem Geschichtsunterricht über Feudalsysteme, um zu ahnen, dass er sich buchstäblich um Kopf und Kragen reden könnte, wenn er's ungeschickt anstellt.
Beim Compel-Move bringe ich sowohl seinen Aspekt 'Abgeklärt, wünscht allen Leuten insgeheim Gutes' ein, für einen Bonuswürfel, als auch den Hasenkopf, der die Regel der Eins aktiviert. Der Hasenkopf ist hier ein Nachteil, die Herrscherin stört sich an der nichtmenschlichen, undurchsichtigen Mimik. Tatsächlich fallen beim zweiten Wurf jede Menge Einser: Nur fünf Erfolge bleiben insgesamt für den Move. Oh ha. Aber was soll man sagen: Die Challenge Dice zeigen eine Doppeleins! Ein Strong Hit, und obendrein ein extremes Resultat also.


Til Haselberger erzählt also haarklein alle Erlebnisse, vielleicht recht hölzern, aber einfühlsam. Und er flechtet immer öfter Warnungen und Appelle an die Vernunft der hohen Sidhe ein.
Er endet also, „… Ich denke, dass jetzt eine Zeit anbricht in Aevalorn, in welcher alle zusammenstehen müssen! Beim Schutz der Grenzen einerseits, und bei der Erforschung der Zeitzeugnisse von Edovoldda. Auf die Sidhe und ihre Vielzahl ist selbstredend immer Verlass, Hoheit! Aber jetzt für die nächsten Wochen wäre es vielleicht ratsam, stattdessen den Schutz anderer Verbündeter aufzusuchen.“
Lady Ysandra bricht dabei unvermittelt in Tränen aus. Til guckt sie bedröppelt an, damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet.
„Ich muss immerzu an die Worte des Harzherzens denken!“, erklärt sie, und tupft sich ihre zartblauen Wangen, „Es ist gewisslich wahr: Alles in Aevalorn gehört zusammen! Ist eigentlich eins! … Nur ich nicht, ich bin ein Relikt anderer Zeiten, eine Usurpatorin. Das Labyrinth sollte Aelhunaras Obhut überlassen werden. … Ich ziehe mich jetzt zurück. Ich muss nachdenken.“
„Äh … was ist mit der Herbstwelt, Mylady? Sagtet Ihr nicht neulich, viele der Sidhe seien ebenfalls dorthin gegangen?“
„Was spielt dies für eine Rolle? Sie sind dort ja nur noch Changelings!“
„Aber dort wäret Ihr wieder unter Euresgleichen, Mylady! Der Bevölkerung der Herbstwelt kann ja so manches nachgesagt werden, aber gewiss nicht, dass sie ihre Adelstreue mittlerweile vergessen hätte. Und außerdem … es ist ehrlich gesagt eine Wucht, ein Changeling zu sein!“

Jedenfalls bittet Til darum, das Schwert von Yvamore mit sich nehmen zu dürfen, und die Herrscherin tut dies mit einem Handwedeln ab, er soll es haben. Nach einem Wesen namens Niedzwiedz befragt weiß sie allerdings leider keine Hinweise, so wie auch die Aevalori gestern.

Das extreme Resultat eben könnte durchaus heißen, dass sie komplett umdenken wird! Wer weiß, was aus dem Hof der Hohlkrone und seiner einsamen Regentin wird, bis zu unserem nächsten Besuch …?

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Mit seinen Kleinen Bunnies zusammen durchquert Til abermals den Everreach, diesmal von Jinva und einigen anderen der Scouts begleitet. An einem der Ausgänge verabschieden sie sich. Til wünscht ihnen alles Gute, und verspricht, sich alsbald wieder hierher zu träumen, um zu sehen, ob es den Gelehrten und Schamanen gelingt, die Vergangenheit auszutricksen, mit neuen Inschriften in den altvorderen Steinquadern.

Im Inneren des Everreach treffen sie auch den Setzling wieder. Dieser hat Wort gehalten: Er hat den Bryndrick überzeugt, geduldig auf Tils Rückkehr zu warten, und er hat außerdem wie versprochen einige der Bäume der Endlosen Wälder befragt, nach dem Namen Niedzwiedz. Was aber hat er dazu herausbekommen?

Die Orakelwürfel entscheiden sehr klar, dass der Setzling dabei einen Hinweis erhalten hat: Dies ist die erste Spur für meine andere
Queste (Extrem): Das Wesen namens Niedzwiedz finden und beschützen.
Worin besteht denn der Hinweis? Die Orakelwürfel sagen dazu, Inspect Desolation.

„… Jedenfalls ist er ein guter Bekannter der Bäume der Ewigen Wälder, Herr Pooka!“, endet der Setzling stolz, „Er wurde schon oft gespürt, wie er hier umher streifte! Mal wandernd auf den Wurzeln, mal kletternd in den Zweigen. Immerzu allein und meistens hungrig, ja, so kennt man ihn. Um ihn zu finden, musst Du die einsame Ödnis inspizieren, Herr Pooka! So jedenfalls sagen Dir die Bäume.“
„Aber welche einsame Ödnis ist gemeint?“
„Die Wüstenei, die jenseits des dunklen Waldes dorten liegt“, orakelt der Setzling, „Geh' nur immerzu in diese Richtung, und Du wirst zu einem alten Turm im Wald kommen. Dort irrt ein Blinder umher, dem sind ja die Augen von Dornen ausgestochen. Sprich' ihn nicht an und grüße ihn nicht, schleiche vielmehr an ihm vorbei, auch wenn er Dir noch so kläglich erscheint! Gehst Du weiter in dieselbe Richtung, kommst Du in die Wüstenei, und dorthin hat es Deinen Gesuchten Niedzwiedz verschlagen.“

Das ist dann der erste Milestone für die neue Queste, denn jetzt hat Til erstmals eine Spur.

„Danke, Setzling! Ich werde mich sofort auf den Weg machen!“
Der Setzling schaut zweifelnd, „Denkst Du, dass Dir das wohl bekommt, Wechselbalg? Du bist schon lange im Träumen!“
„Ich habe mich mein Lebtag noch nie energetischer gefühlt, außer auf bestimmten Rock-Festivals!“
„Denkst Du nicht, dass Dich diese Reise in die Tollheit führt, wenn Du nicht zwischendurch in Deinen sterblichen Schein zurückkehrst? Euereins ist immerhin gebunden an die Herbstwelt!“
„Och, das passt schon.“
„So manch ein Changeling wurde von der Tollheit ergriffen, um für immer im Träumen zu verschwinden, so heißt es!“
„Ach ja? Das klingt ehrlich gesagt ein bisschen riskant. Wer kann mich darüber unterrichten? Ich meine, ich weiß ja eigentlich schon alles aber auch alles über das Leben als Wechselbalg, aber … eine kleine Auffrischung, ja, das wäre nice.“
„Hast Du etwa keinen Mentor in der Welt, aus der Du entstammst?!“
„Doch natürlich! Den besten seines Fachs sogar. Aber er ist ein berüchtigter Geheimniskrämer. Äh, er hat fast alles bisher für sich behalten, außer den Geburtstagen der wichtigsten örtlichen Sidhe natürlich. ... Ich habe bisher ehrlich gesagt bei allem improvisiert, was ich tue.“
„Seid Ihr wirklich mittlerweile so wenige in der Herbstwelt?! So wenige, dass Ihr nicht einmal von Euresgleichen gefunden werdet, wenn Ihr Erwacht?“
„Och, komm. Die Lady Ysandra hat mir schon zu genüge vorgebetet, wie beklagenswert die Herbstwelt angeblich ist.“
„Wohlan! Du bist natürlich selbst Deines Schicksals Schmied!“

Til nickt, aber insgeheim vermutet er, dass der Setzling doch Recht haben könnte. Der weiß zwar nur wenig über die normale Welt und die Menschen, aber kennt immerhin mehr Gesetzmäßigkeiten der Feenwelt als Til!


Also kehrt er zurück zu seiner Freistatt. Nach einigem Hin und Her rücken die Kleinen Bunnies sogar den Schlüssel raus, nachdem sie ihr Versteck von neulich wiedergefunden haben. Til tritt mit ihnen gemeinsam durch die Tür, und schließt sorgsam hinter ihnen wieder ab.
Was in Aevalorn nur als Traumvision in den Harz-Spiegelbildern zu sehen war, ist hier innerhalb der Freistatt wieder erlebbare Wirklichkeit. Eine unglaublich friedvolle Abendstimmung hat sich über die sommerlichen Straßen von Vährwerder gelegt. Vor einigen Hauseingängen und in ihren kleinen Gärten sitzen noch ein paar Einwohner verschiedenster Nationalitäten und Kulturen, viele winken Til fröhlich zu, als er vorübergeht. Kaum sind noch Stimmen zu hören, und gar keine Automotoren, aber die Abendvögel zwitschern noch ihre Lieder. Til kassiert natürlich ein paar merkwürdige Blicke wegen seiner primitiv gewebten Aevalori-Stammeskleidung aus dem Hohlkronen-Hof, und dem umgegurteten Schwert. Er muss darüber kichern.

Er versteckt den Schlüssel erneut hinter dem losen Stein unter dem Vogelhäuschen an der Straße, und wacht auf.


Evolution: Damit beende ich die Session, und für seine angesammelten EXP kaufe ich Til einen fünften Punkt Glamour. Diese Reise nach Aevalorn hat ihn mehr in Kontakt gebracht mit seiner mystischen Natur.


Soundtrack: Meredith Monk, Eon
https://www.youtube.com/watch?v=Q73XzOAws_o

Til war (entgegen seines Plans als er aufgebrochen war) viele Tage und Nächte lang im Fernen Träumen. Die Zeit dort vergeht unberechenbar im Vergleich zur Herbstwelt: Jahre im Träumen können nur eine einzelne Nacht in der physischen Welt der Dunkelheit bedeuten. Oder vielleicht auch umgekehrt! Ich befrage also die Orakelwürfel, und die sagen, dass es in Tils Doppelhaushälfte erst der nächste Morgen ist nachdem er zuletzt auf seiner Couch eingeschlafen ist. Er reibt sich die Augen, und spürt, dass der Hasenkopf wieder verschwunden ist, jetzt hat er wieder sein normales Gesicht, nur eben von Hasenfell bedeckt, wie immer. Neben ihm liegt ein langes, schweres Holzlineal an seiner Seite. Das Ding hat er in seinem Haus noch nie zuvor gesehen. Es sind leichte Spuren von Moosen darauf … Wenn er die Augen leicht zusammenkneift, sieht er stattdessen das Schwert von Yvamore dort liegen, es glänzt verheißungsvoll. Er tastet konfus nach seinem alten Radiowecker, blinzelt auf die Datumsanzeige, und die Uhrzeit. Es ist tatsächlich erst der nächste Tag. Verschlafen hat er leider dennoch! Er sputet sich, um zur Arbeit an der Volkshochschule los zu kommen. Aus Regalfächern und Kommodenschubladen bildet er sich ein, das Gekicher der Kleinen Bunnies zu hören, sie zeigen sich heute Morgen nicht, aber sind mitnichten in der Freistatt geblieben!
„… Danke Euch für Eure Hilfe!“, raunt er in den Raum, und stellt ihnen hastig noch einen Teller Müsli auf den Dielenboden, bevor er durch die Tür in den Januarmorgen hinaus eilt.

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In seiner Pause sucht er in der Volkshochschulbibliothek und auf Wikipedia nach den Begriffen Aevalorn, Aevalori, Grimgoromn, und anderen, aber er findet nur Vorschläge wie Avalon stattdessen. Alles vielleicht nur Traumgespinste? Aber siehe da, der Begriff Sidhe ist zu finden, der kommt von den alten Kelten. Je länger er recherchiert, desto ferner und absurder kommt das alles ihm vor. Er tippt kurzentschlossen die Fragen in seinen Browser ein: „Hilfe, ich bin ein Changeling“, und „Mentor gesucht für einen Wechselbalg“, aber die Suchergebnisse sind alle nur Quatsch. Er beginnt, sich wie ein Spinner zu fühlen, und lässt die Internetsuche schnell wieder bleiben.


Dann hätte ich gerne einen Orakelspruch für die Herbstwelt, bevor Til die Gelegenheit bekommt, wieder ins Träumen aufzubrechen. Die Würfel sagen, Risk Vow. Uh, spannend: Geht es um ein Risiko für Tils eigenen übrigen Eid? Das bejaht das Orakel. Da ich beide anderen Questen erfolgreich abgeschlossen habe, betrifft dies meinen Eid, Niedzwiedz zu finden und zu beschützen. Der ist tatsächlich ziemlich eilig, denn endlich habe ich ja eine heiße Spur! Das klingt nach einer Verzögerung von Tils Aufbruch gen der vom Setzling beschriebenen Wüstenei. Aber durch was? Ein neuerlicher Wurf auf der Themen-Tabelle sagt Protection. Hm! Tils größtes Schutz-Ansinnen in der Herbstwelt gilt seinem Wohnort, Hamburg-Vährwerder. Die Bauprojekte der Energiefirmen sind zwar seit Langem aufgestoppt, aber der Fortbestand des Stadtteils ist mitnichten garantiert. Die Orakelwürfel bestätigen: Es tut sich politisch gerade etwas. Til ist bis heute immer noch in mehreren übrigen Gremien als Gasthörer und Bürgervertreter, und gerade jetzt kommen diese zusammen. Noch heute soll es eine Eilabstimmung geben.

Während er in seinem besten Anzug auf einem Plastikstuhl in einem der Konferenzräume des Hamburger Rathauses sitzt, und dem absurd fettleibigen Repräsentanten der Energiefirma zuhört, ist er in Gedanken die ganze Zeit bei Niedzwiedz und Aneta. Wer weiß, wie viel Zeit im Träumen vergeht, während er Zeit damit vertut, dem Eigenlob von Herrn Doktor Schoffner zuzuhören! Schweißperlen erscheinen auf Tils Stirn. Er sehnt verzweifelt das Ende der Veranstaltung herbei, mit der Abstimmung. Er muss nach Hause, zu seiner Freistatt! Aber wenn er gleich abhaut, dann riskiert er, dass zu wenig Stimmen zusammenkommen; und er hat keine Lust, dass in einem Jahr oder so plötzlich die Bagger und Abrissbirnen vor seinem Grundstück anrollen. Früher hätte er hier mit einem halben Dutzend weiterer Bürgerrechtler in diesem Zimmer gesessen, und ein weiteres Dutzend wäre draußen vor dem Rathaus gestanden, mit Plakaten und Infozetteln. Das war gut, damals. Aber damals war die Diskussion um Vährwerder auch noch viel erbitterter geführt. Alles in Tils Leben scheint letztlich ‚im Wartemodus‘ zu sein, denkt er genervt. Dafür ist es mit seinen Träumen heute Nacht umso dringlicher!



Herr Doktor Schoffner ist mal wieder übellaunig


Ich mache den Move Secure an Advantage mit zwei Würfen auf Geistesschärfe+Politik, um Til argumentativ seinen Teil beitragen zu lassen, die Eilabstimmung zu seinen Gunsten ausgehen zu lassen. Til erreicht elf Erfolge! Der Typ  hat Talent, der hätte wohl sein Politik- und Jura-Studium doch durchziehen sollen, sein Dad sagt's ja immer. Das wird ein Strong Hit: Die Eilabstimmung läuft gut, zumindest für die Bewohner von Vährwerder, Herr Doktor Schoffner und die anderen Konzern-Dudes erbosen sich ziemlich heftig und poltern, ‚diese Stadt sei rückständig‘, das würde alles ‚Zeit und Geld und Arbeitsplätze kosten‘; und endlich gehen alle auseinander.

Soundtrack: Floex, Going On An Adventure
https://www.youtube.com/watch?v=HO7wsHW-lFU

Da ist es schon nach halb acht! Til lässt sich nicht aufhalten von den Leuten, die gern spontan noch mit ihm netzwerken wollen, er joggt durch die Gänge des Rathauses und zur Bahnhaltestelle. Bis raus nach Vährwerder ist es ja von der Innenstadt noch eine Dreiviertelstunde …!


Drinnen lockert er sofort seine alte Krawatte, wirft das Jackett auf einen Stuhl, und eilt ins Wohnzimmer. Er macht große Augen, als er die Kleinen Bunnies auf dem Wohnzimmertisch vorfindet, sie sind jetzt zu siebent, das letzte hüpft gerade auch vom Teppich auf die Tischplatte, lautlos. Alle sehen ihn aus ihren schwarzen, glitzernden Knopfaugen an. Als würden sie sein Vorhaben schon kennen, und ihn erwarten. Sie hocken um das Vogelhäuschen herum, das immer noch dort steht seit heute früh, und aus dessen Inneren dringt bereits der goldene Lichtschein ... Til schluckt bei diesem Anblick, es wirkt so besonders auf ihn, so entrückt. Dann setzt er sich in Bewegung, behutsam hockt er sich dazu.

Hoffentlich, denkt er nur noch sehnlich, ist es nicht schon zu spät!

Aber da der Move eben ein Strong Hit war, ist es das nicht — das sagen wir Til aber noch nicht.

Die Realität innerhalb der Freistatt ist idyllisch wie immer, jetzt gerade ist es ein sonniger Mittag, und die Straßencafés sind gut besucht. Die sieben Bunnies halten inne und schnuppern interessiert die Luft. Sie beginnen leise untereinander zu quieken, und sehen aus, als würden sie sogleich einen Plan machen, wie sie die eine oder andere Caféküche berauben könnten!
„Oh Mann“, entfährt es Til, „Das ist der Geruch von dem Kumpir-Laden! In der normalen Welt hat der längst schließen müssen …!“
Dann aber besinnt er sich wieder darauf, dass er es eilig hat. Auch der Bryndrick und Aneta bei den Boggans warten schon länger auf sein Zurückkommen. Jetzt aber ruft die Wüstenei jenseits der Ewigen Wälder! Aber Proviant werden sie wieder brauchen. Also kauft er den Bunnies und sich in dem einen Café eilig einen Schwung Kumpir-Kartoffeln und Fladenbrote, und einen Stoffbeutel dafür.
„Ein Rucksack, so wie in Aevalorn, der wäre jetzt nicht schlecht“, stellt er fest, „Und ich hab' das mit der richtigen Kleidung auch immer noch nicht raus“, und er sieht an sich hinab, er ist ja noch in seiner abgetragenen Anzughose und in Hemd und Schlips. Er krempelt sich die Hemdsärmel hoch. Zumindest die Schuhe und Socken kann er mal ausziehen, die sind kaum geeignet für einen Marsch durch die Wildnis dort draußen. Da ist er mit seinen Pfoten-Fußsohlen und Krallen-Zehennägeln bestens ausgestattet.

Soundtrack: Vitamin String Quartet, White Rabbit
https://www.youtube.com/watch?v=FGGfDM2Qg2E

Mit dem Freistatt-Schlüssel öffnen sie die Pforte hinaus ins Ferne Träumen, wo die Märchenwälder rauschen. Erneut schließt Til seine Freistatt sorgfältig ab, und lässt die Kaninchen den Schlüssel verstecken. Dann wandern sie hinaus in die immergrüne Wildnis.

Sie haben die Beschreibung des Setzlings, um die Wüstenei jenseits des verlassenen Turmes zu finden, das sollte reichen; darüber wird der Move Undertake a Journey entscheiden. Da es nicht allzu weit ist (Distanz im Fernen Träumen ist sowieso relativ), definiere ich diese Reise als Gefahrvoll.



Bald umgibt tiefster Wald die acht Wanderer. Für diese Etappe würfle ich Wahrnehmung+Überleben für Til, er soll mithilfe der gestrigen Beschreibung den Weg finden. (Da er zwischendurch nicht melancholisch geworden ist, hat er nicht den Hasenkopf, und darum zieht seine Spezialisierung leider nicht, denn ich hatte bei ihm sein Wahrnehmung-Attribut ja auf ‚Hasen-Ohren‘ spezialisiert.)
Trotzdem sieben Erfolge bei den zwei Würfen. Die Challenge Dice lassen dies zu einem Weak Hit werden. Dieser lässt meinen Wanderungs-Fortschritt auf zwei steigen, auf Kosten eines ersten meiner fünf Punkte Supply.


Til macht eine längere Rast, auf einem Sonnenflecken zwischen den dichten Baumschatten, um zusammen mit den Bunnies welche von den Kumpir und Fladenbroten zu essen.
„Warum werdet Ihr eigentlich immer mehr?“, fragt er seine mumpfelnden Begleiter, „Vermehrt Ihr Euch … wie die Kaninchen? Oder spricht sich unter Euereins nur herum, dass man bei mir in der Wohnung prima unterkommen kann?“
Kichern, mumpfeln.
„Könntet Ihr eigentlich sprechen, wenn Ihr wolltet? Eure Gesichter sind so anthropromorph! Vielleicht habt Ihr sogar sowas wie menschliche Stimmbänder? ... So wie ich auch, wann immer ich gerade meinen Hasenkopf habe?“
Sie melden mit deutlichen Gesten ihrer winzigen Pfoten an, dass sie noch eine Kumpir haben wollen. Til greift in den Stoffbeutel, wo eines von ihnen schon drin steckt, und hilflos mit den Hinterbeinen zappelt. Als er es hervorzieht, ist sein Gesicht voller Kumpir, vor einem Auge hat es eine Olivenscheibe. Til muss lachen.

Der düstere Märchenwald wird zusehends unwegsamer, die Bäume knorrig, die letzten Pfade von Wurzeln, Farnen, und Pilzen überwuchert. Für diese Etappe würfle ich Konstitution+Überleben. Immerhin fünf Erfolge, obwohl Konstitution nicht so ganz Tils Ding ist. Das ist erneut ein Weak Hit: Ein weiterer Punkt Supply wird verbraucht, und dafür steigt unser Fortschritt auf vier.

Til wundert sich über sich selbst, dass er so lange durchgehalten hat, immerhin hat er den ganzen Tag gearbeitet und saß bis Abends spät in der Eilkonferenz im Rathaus. In den Endlosen Wäldern zu wandern scheint ihm ungewohnte Kräfte zu geben ... Aber nun senkt die Nacht sich auch hier hernieder. Und natürlich hat er nicht daran gedacht, eine Lichtquelle mitzubringen! Der Wald ist tagsüber schon duster, jetzt sieht man kaum noch die Hand vor Augen. Ein Feldhasen-Instinkt beschleicht Til: Es verlangt ihn danach, sich irgendwo zu verkriechen! Sie werden morgen weiterreisen müssen.

Ich mache den Move namens Make Camp, mit Geistesschärfe+Supply. Das wird ein Strong Hit:

Tatsächlich ist eine verlassene Erdhöhle zu finden, in die ein Feldhase und sieben Kaninchen passen. Aneinandergekuschelt schlafen sie ein, während draußen vor dem Eingang des Erdlochs der Nachtwind durch die mächtigen Bäume pfeift.

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Am nächsten Morgen mümmeln sie etwas Gras und Kräuter zum Frühstück, man kann ja nicht immer Kartoffeln und Fladenbrot essen. Dann verwandelt Til sich zurück, und reckt seine wiedergefundene Menschen-Physiologie. Er hat hervorragend geschlafen. Das Schwert von Yvamore ist hier im Träumen kein Holzlineal mehr, wie zwischendurch in der Herbstwelt. Es ist eine bläuliche Klinge mit goldenem Griff, und egal, wie sehr er die Augen zusammenkneift und blinzelt, sie bleibt das auch, vielleicht war das Holzlineal einfach Einbildung. Til zieht es aus der Schwertscheide, die ihm am Hohlkronenhof mitgegeben worden war. Gründlich reinigen muss man das Erbstück immer noch, es sind noch letzte Reste von Moos daran. Til macht das, und der magische Stahl glänzt schließlich wieder prächtig in den kleinen Sonnenflecken, die durch die Baumkronen hinab fallen.
„Wo kommst Du wohl her? Welche Geschichte hast Du hinter Dir, und wie haben die Sidhe von Aevalorn Dich verloren?“, sinniert Til, „Und wie kannst Du einen eigenen Kampfeswillen haben? ... Davids D&D-Charakter hatte sowas ähnliches, ein sprechendes Schwert, in unserer Kampagne damals …“, aber dieser Gedanke kommt ihm nun fern und abstrakt vor. Hier ist er selbst, körperlich, an der Quelle von dem, was ihm an diesen komischen Rollenspielen damals so reizvoll vorkam. Als wäre das Träumen der Urgrund von all dem.

Was sagen denn die Orakelwürfel zu diesem neuen Tag; geschieht unterwegs etwas Unerwartetes? Deliver Family, ist der Orakelspruch. Das ist passend zum Thema:

Nach ein paar Wegstunden hören sie ein lautes Greinen und Jammern. Gelegentlich Schelte. Beide Stimmen sind menschlich, eine alt, eine jung. Die acht linsen neugierig um einen Baumstamm herum, zu der Geräuschquelle: Auf einem der überwucherten Waldwege gehen zwei mittelalterlich gekleidete Menschen dahin. Ihre Kluften sind graubraun und ärmlich. Ihre Gesichtszüge wirken ein kleines bisschen überzogen, fast karrikaturenhaft, so wie die der Menschen in Holz-Giebel-Brunnen-Dorf. Wie kommen eigentlich überhaupt Menschen in diese Träume?, rätselt Til, normalerweise scheint dies doch ausschließlich die Welt der Kithain und Schimären zu sein, und anteilig der Changelings so wie ihm. Sind die irgendwann hier verloren gegangen? Im Fall dieser beiden schon zu Zeiten des Mittelalters, wie's aussieht ...
„... Genug von diesem Geheul und Zähnegeklapper! Daheim konnt'st Dich nicht benehmen, jetzt ist’s zu spät! Nicht mehr weit bis zur Hütte vom Großonkel!“
„Ich will nicht! Ich will nicht hier im Walde hausen, beim Großonkel!“, ruft der Bube.
„Manieren lehren wird der Dich!“, keift der Alte.
„Ui, Familiendrama!“, raunt Til zu den Kleinen Bunnies.
„Wer da!“, ruft der Alte, und behält seinen Sohnemann am Schlafittchen gepackt, aber legt die freie Hand an seinen Dolch. Er hat scheinbar Ohren wie ein Wachhund.
Til kommt hinter dem Baum vor, legt den Kopf schief, beäugt die beiden. Die Kaninchen hoppeln hinterher.
„Gott behüte! Ein Mann mit Fell und Schweif?! Bist Du etwa der Leibhaftige?“, bringt der Alte hervor, und er und sein Sohn weichen erschrocken zurück.
(Ja stimmt, hier im Träumen können auch Sterbliche das Fell und den Löwenschwanz sehen, im Gegensatz zur Herbstwelt, wo sie Til für einen gewöhnlichen Mitmenschen zu halten scheinen.)
„Nee, ich bin Til. Was macht Ihr hier draußen? Ihr seid die einzigen Menschen weit und breit!“
„Ich liefer' meinen Fridjof bei seinem Großonkel im Walde ab! Was hat einen Gestaltwandler das zu kümmern?“
„Das scheint Dein Sohn aber nicht so gut zu finden. Äh. Kann man Euch helfen?“

Wollen die einfachen Leute denn einer Fee überhaupt Rede und Antwort stehen? Ich würfle Charisma+Überzeugen für Til, ohne Move, nur als reguläre Entscheidungshilfe. Leider ein Patzer!
„Lauf', Lümmel! Renn' um Dein Leben!“, befielt der Alte, und beide machen sich panisch davon. Der Alte wendet sich noch einmal um, um mit einem wütenden Schrei sein Messer zu werfen! Til hat plötzlich sein Schwert in der Hand, hat es aus der Halterung gerissen, und es hat ein Pfeifen und ein sphärisches Zischen getan, und den herbei fliegenden Dolch aus der Luft geschlagen! Fünf Erfolge bei Geschick+den beiden relevanten Aspekten. Gleißend blau leuchtet die Schwertklinge auf. Til guckt fast ebenso überrascht wie der Bauer.

Kurz darauf hören die beiden schwer atmenden Leute in der Düsternis des Unterholzes eine Stimme hinter sich: „… Willst Du Deinen Dolch nicht wiederhaben?“
Beide zucken zusammen und wirbeln herum. Da steht der Mann mit dem weißen Fell hinter ihnen, in der Dunkelheit, und er hat dem Bauern sein Messer nachgebracht!
„Wer—bist—Du!“, keucht der, atemlos.
„Na,—Til“, keucht dieser, den atemlosen Tonfall spöttisch nachahmend, „Sag' ich doch!“
„Was willst Du von uns! Warum treibst Du Deinen Schabernack mit braven Leuten?“
„Ich will doch nur wissen, warum Klein-Fridjof in den Wald abgeschoben wird? Ist das nicht irgendwie scheiße, wenn er das gar nicht will?“
„Das“, erbost sich der Bauer, und rüttelt den Bengel am Schlafittchen, „das ist ein ganz unverbesserlicher Rotzlöffel! Ein Tagedieb und Faulenzer! Und wir haben schon zu viele Mäuler, die gestopft werden müssen auf unserem Hofe. Der Großonkel wird ihn schon hinbiegen!“
„Der Großonkel ist ein Räuber, und ein Menschenfresser!“, bringt der Bube hervor, „Der wird mich auffressen! Kochen und auffressen wird der mich, wenn ich nicht mach', was er sagt!“
„Dann lernst Du immerhin mal, zu spuren!“
„Stopp“, sagt Til.
„Was soll das heißen, stopp?!“
„Das geht zu schnell! Du hast doch bestimmt Deinen Sohn heute Morgen nicht nochmal gefragt, ob er sich bessern will, bevor Du ihn davon geschleift hast, oder? Dabei bin ich höchstpersönlich letzte Nacht als gerupfte Schneeeule auf seinem Fenstersims erschienen, und habe ihm gesagt, schuhuu, das ist Deine letzte Chance! Das Versprechen nach Besserung habe ich ihm entlockt!“
„Schneeeule?“, fragt Fridjof perplex.
„Ja, ich war das. Die gerupfte, sprechende Schneeeule, 'n richtiges Suppenhuhn. Mehr war gestern Nacht nicht drin. Die mit dem fiesen rechten Glotzauge! Ich war das. Und, Herr Bauer: Besserung hat er gelobt! Reue hat er gelobt! Eine versteckte Gabe, künftig die einträglichsten Händel vorherzusagen habe ich ihm gegeben, und die poetische Zunge des künftigen Marktschreiers Eures Dorfplatzes! Und nach all dem willst Du, Herr Bauer, jetzt sagen, er soll trotzdem zum menschenfressenden Verwandten gebracht werden? Das ist nicht recht!“

Das soll mal ein Compel-Move sein. Til lügt sich mit Charisma+Überzeugen acht Erfolge zusammen, und die führen laut Challenge Dice zu einem Strong Hit!

„Oh, na, dann“, bringt der überforderte Bauer hervor, „Das hatte ich ja nicht gewusst! Danke, hoher Herr!“
„Bitte. Hier ist Dein Dolch wieder. Fridjof, denke daran: Niemand kann einen guten Handel künftig so gut vorhersehen wie Du mit Deiner Spürnase! Und niemand wird solch ein begnadeter, eloquenter Marktschreier sein wie Du es werden wirst! Gehe hin und nutze die Gaben der Schneeeule mit dem fiesen Glotzauge gut!“
„Ja, Herr!“, nickt dieser begeistert, er scheint sich selbst nicht mehr ganz sicher zu sein, dass er das nächtliche Treffen mit der Eule gestern nicht erlebt hat.
Dann ziehen sie ab, zurück in die Richtung aus der sie kamen.
Til und seine Bunnies sehen ihnen nach.
„Glaubt Ihr, das war ganz gut, Freunde?“, fragt Til, „Ich habe das nur so daher improvisiert! Eigentlich sollte man Leute ja nicht so verarschen. Andererseits, der Placebo-Effekt hat schon oftmals Wunder gewirkt, nicht wahr?“
Die Bunnies nicken, sie fanden das alles ziemlich unterhaltsam und komisch.

Die nächste Wegetappe würfle ich mit Wahrnehmung+Überleben. Ein Strong Hit wird daraus: Der Reise-Fortschritt steigt auf sechs.

Der Wald wird im Verlaufe des Mittags etwas weniger dicht, ein paarmal überqueren die Wanderer einen breiten Sandpfad für Pferde und Kutschen. Abseits aller Wege jedoch liegt ein weites, völlig verwildertes und heruntergekommenes Gebiet, welches einst prächtige Gartenanlagen gehabt haben muss. Nun sind im Zwielicht des Waldes davon nur noch ein paar warnende Steinmonolithen zu sehen. Über den Dornenhecken und Büschen ragt die Spitze eines windschiefen Turmes auf.



Ein merkwürdig bekannt aussehender Turm im Wald


Drei Erfolge bei Intelligenz+Gremayre lassen Til diese Hinweise zusammensetzen:
„Ein einzelner Turm im Wald, ohne Türen, nur mit einem Fenster? Hey, Freunde, das passt ja zu der Geschichte von dem Blinden, an dem wir vorüber schleichen sollen! Versteht Ihr?“
Die Bunnies reißen die Knopfaugen auf und sperren die Mäulchen auf, und schütteln die Köpfe.
Rapunzel! Dies hier, das sieht nicht nur aus wie ein Grimm'scher Märchenwald — er ist es auch. Hier ist Rapunzel im Turm eingesperrt von der fiesen Ziehmutter! Aber wir kennen ja die Losung, um da hoch zu kommen! Und von da oben kann man über viele der Bäume hinweg sehen, da können wir vielleicht den Waldrand erspähen, und dahinter … die Wüstenei!“

Also schleichen sie sich bis zu den Fundamenten des windschiefen Turms. Er sieht wirklich ziemlich einsturzgefährdet aus, als würde nur noch ein frommer Wunsch ihn zusammenhalten.
„Rapunzel, Rapunzel! Lass' Dein Haar herunter!“, raunt Til, unter dem Fenster an die Wand gepresst. Das Fenster bleibt jedoch dunkel. Jetzt entdeckt er lange, helle Fäden, die am Fensterhaken wehen, und an der Seite des Gemäuers, und dahinter in den dunklen Zweigen. Die hatte er für überlange Spinnenfäden gehalten.
„Fuck, das sind ja Rapunzels Haare!“, raunt er.
Und mit seinen drei Erfolgen erinnert er sich detailliert an das Märchen: „Dann, oh Bunnies, ist der Moment schon geschehen, da die Ziehmutter Rapunzel in Wut die Haare abgeschnitten hat! Wir sind zu spät. Klar, denn der arme Königssohn irrt ja angeblich schon mit ausgestochenen Augen hier umher. Jetzt kapiere ich. Und dann kommen wir auch nicht hinauf in den Aussichtsturm — außer mit unserer eigenen Zauberei!“

Til rennt also leise und hurtig dreimal um die Basis des alten Turmes herum, und zählt keuchend dabei mit: „Eins — zwei — drei!“
Das ist sein Schelmenspiel für Hopscotch. Ich würfle daraufhin drei Erfolge bei Wayfare+Fae, und husch!, hebt ein mächtiger Sprung ihn in die Höhe empor.

Elegant setzt er auf Zehenspitzen und Händen auf dem gemauerten Fenstersims auf.

Ist die mysteriöse Ziehmutter noch hier als Bewohnerin des Turms? Nein, sagt das Orakel:

Im Inneren sind alle Möbel von Staub und Spinnweben bedeckt. Ein großes Ölgemälde von einem jungen Mädchen hängt über einem Möbelstapel an der Wand.



Rapunzel auf dem Gemälde, vor ihrer Verbannung


„Sie ist tatsächlich superschön, ‚ward das schönste Kind unter der Sonne‘, alles klar. Schade drum“, sagt Til, als er das Bildnis betrachtet. Dann späht er aus dem Fenster, und vermeint, die Baumgrenze am Horizont zu sehen, und dahinter eine flimmernde, gelbbraune Landschaft.
„Das Wüste Land“, sagt er gedankenverloren, „Dort marschieren wir raus aus Grimms Märchen, und rein in Tankred Dorsts Geschichte von der Tafelrunde … Vielleicht. Mal sehen.“