Mit Aneta auf dem Arm läuft Til durch einen Hasenbau zwischen den Baumwurzeln, geduckt, die Ohren eingezogen. Manchmal rieselt Erdreich vor ihnen herab, aber das Rumoren im Waldboden hat aufgehört. Der Tulgee-Wald scheint nun zufrieden mit seiner neuen Gestalt, zumindest hier an dieser Stelle …! Til keucht vor sich hin, determiniert, das langsamere Vorankommen durch ihrer beider neuer Körpergröße zu kompensieren, indem er einfach schneller rennt! Im Vorübereilen sieht er gelegentlich Wandbilder im Wurzelwerk. Die haben Hasen- oder Kaninchenpfoten hier eingeritzt, um sich gegenseitig geheime Botschaften zu vermitteln. (Die meisten sind aber Strichmännchen-Zeichnungen, die offensichtlich andere Kaninchen darstellen sollen.) Manchmal kommen sie vorbei an aus Stroh geknüpften Teppichen, und winzigen Möbelstücken. Leuchtende Pilze dienen an ein paar Stellen als Stehlampen!
Sehr biblisch ist das alles hier unten aber nicht, findet Til. Mit vier Erfolgen bei Geistesschärfe+Gremayre kommt er jetzt endlich darauf, nachdem er vorhin selber von Alice im Wunderland gesprochen hat, dass es auch überhaupt kein Bibel-Thema hier gibt.
„Ach, klaaar, Tulgee-Wald!“, sagt er laut, „Jetzt kapiere ich! Lewis Carroll! Das alles hier … das ist Teil des Wunderlandes!“
„… Glupi!“, meint er die Kleine auf seinem Arm murmeln zu hören.
Als Effekt der Abkürzung darf ich einen sofortigen Folge-Move machen, und nehme wieder Delve the Depths, und durch diesen Schleichweg bekomme ich laut Regeln einen Bonus. Ich versuche Wahrnehmung+Athletik für Til, und erneut Wahrnehmung+Aufmerksamkeit für Aneta, und komme auf maximale 10 Erfolge! Sie schießen praktisch durch die Tunnels zwischen den Baumwurzeln. Til verlässt sich immer mehr auf seinen Hasen-Instinkt.
Natürlich zeigen die Challenge Dice aber eine Zehn, wie könnte es anders sein, also wieder nur ein Weak Hit. Entsprechend wird wieder auf der Tabelle von Delve the Depths gewürfelt. Das Resultat ist, dass ich Fortschritt markieren darf, und zwar zweimal, das bringt unseren Delve-Fortschritt auf volle 10! Außerdem jedoch soll ein Reveal-a-Danger-Move folgen. Die Domain Card sagt, eine Kreatur des Tulgee-Wald ist hier auf der Jagd! Das wird einen Face-Danger-Move bedeuten, um zu entkommen! Also dann:Als Til seinen Hasenkopf aus dem Erdloch steckt, scheint der nächtliche Wald friedlich. Der riesige Sichelmond scheint auf die Wildnis herab, und bringt ihre Violett- und Mint-Töne zum Leuchten. Er lächelt. Mit Aneta auf dem Arm klettert er aus dem Erdreich empor.
„Jetzt müssen wir nur noch etwas von der Morchel finden, die uns wieder groß macht!“
„… Morchel?“
„Na, der Pilz aus dem Kinderbuch! Alice im Wunderland! Die eine Seite macht klein, das sind wir schon, die andere Seite macht wieder groß!“
„Wir sind doch
Wrózki, das können wir ganz von allein …“
„Was bitte?“
„Feen …“
„Ja, haha,
Du bist eine Fee, kleine Dame.
Ich bin nur ein schizophrener Fremdsprachenlehrer, der einen irren Traum hat.“
„
Nicht verleugnen, Zajaczek!“, sagt Aneta, fast ein Wimmern, irgendwie schmerzlich.
Til schaut sie verwundert an, aber sie birgt ihr Gesicht im Fell an seinem Pyjamakragen. Was er gerade gesagt hat, scheint sie als etwas ganz Schreckliches empfunden zu haben.
In dem Moment gibt es eine rasante Bewegung hinter ihnen, und etwas schnellt auf sie zu! Til sieht einen violett und braun gemusterten Schlangenkopf, aus seiner derzeitigen Perspektive betrachtet erschreckend groß!
Sofort prescht er mit Aneta in den Armen davon, so schnell er irgendwie kann! Die Schlange hinter ihnen ist schnell, aber sie hat den Nachteil, dass ihre Schwanzspitze in einem Knochenfortsatz endet, der absurderweise wie ein Rechen aussieht. Als wäre sie halb Tier, halb Gartengerät! Sie recht den Waldboden, während sie dahin gleitet, eigentlich voll schön und nützlich für das Ökosystem irgendwie. (
‚This snake is a rake‘, vielleicht würde Lewis Carroll mir dafür wohlwollend an den Hut tippen?) Für die geschrumpften Charaktere leider keinen Deut weniger entsetzlich dadurch!
Ich mache den Move Face Danger zum Wegrennen, und die Challenge Dice gönnen uns trotz acht akkumulierten Erfolgen wieder nur einen Weak Hit. Die Fliehenden entkommen zwar, aber Til wird erneut verwundet, das wird ein verzweifelter Streich mit dem knöchernen Schlangen-Rechen sein!Die Rechen-Zähne durchschlagen seinen Arm, Blut spritzt! Kurz darauf verschwindet er mit seinem Findelkind jedoch in den dichteren Farnen und zwischen Felsbrocken. Der Durchschlag tut weh wie Hulle, rotes Blut strömt über seinen Schlafanzugärmel. Dann schließt sich die Wunde bereits wieder, und das Fleisch beginnt sich nachzubilden. Auch sein Zauber von vorhin hört auf zu wirken, und mit einer Art Schluckauf-Geräusch schießen Til und Aneta in die Höhe. Das Mädchen schlägt konfus mit den Flügelchen. Til sieht sich um, und guckt dann auf die Rechen-Schlange hinab. Jetzt aus vierfacher Höhe. Diese glotzt aus großen, gelben Augen auf ihre vermeintliche Beute. Dann versucht sie schnell ihre Mimikry, sie macht sich ganz lang und stocksteif, und tarnt sich als handelsüblicher Rechen!
Til sieht sich keuchend um. Die violetten Bäume und Büsche sind hier durchmischt mit grünen Pflanzen. Sieht aus, als wären sie der Stelle nahe, die jetzt der Übergang des Tulgee-Wald in den Märchenwald ist.
Ich mache dafür den abschließenden Move namens Locate Your Objective, durch die tolle Abkürzung durch die Hasentunnel ist ja unser Fortschritt auf 10. Und tatsächlich, ein Strong Hit! Die Charaktere haben es geschafft, sie bekommen einen Willenskraft-Punkt zurück und haben den Tulgee-Wald verlassen.
Das wiederum stellt zwei Fortschritt-Punkte dar für meine eigentlicheQueste (Gefahrvoll): Den Schlüssel von Bryndrick erlangen, um zur Freistatt zurückzukehren, und zurück nach Hause in die Wachwelt zu gelangen.„So, dann haben wir glaube ich endlich etwas Zeit zum Reden“, raunt Til im Weitergehen, „Jetzt erzähl' bitte mal, Aneta. Wer bist Du, und was sollen diese ganzen Andeutungen!“
„Das weißt Du doch!“, jammert sie leise an seiner Schulter, „Du bist doch Zajaczek! Sag' nicht, dass Du’s nicht mehr
weißt!“„Nein, nein, nicht weinen. Ich weiß alles noch“, lügt Til schnell.
„Wo ist Niedzwiedz? Geht’s ihm gut?“
„Äh, wann hast Du ihn noch gleich zum letzten Mal gesehen …?“
„Als ich weggegangen bin! Ich hab' ihn
allein gelassen. …
Ging doch nicht anders! Geht’s ihm gut?“, schluchzt sie.
„Ach der, na, Du kennst ihn doch, der ist doch unverwüstlich! Hat immer ein Liedchen auf den Lippen letztlich. Ist mopsfidel.“
Aneta hebt den Kopf und sieht Til mit feuchten Augen an, „Lügst auch nicht, Zajaczek? Musst die Wahrheit sagen!“
„Nein, nein, ich lüge doch nicht, es ist alles ganz prächtig. Ich kümmere mich ja um ihn“, lügt Til hilflos. Er ist ein bisschen ärgerlich über sich selbst, aber jetzt gerade wünscht er sich sehnlichst, dem armen Kind irgendwie helfen zu können, und sei es, indem er eben einen Trost erfindet.
„Versprichst Du's?“, sagt sie leise, ganz verzweifelt.
„Aber ja!“, sagt er sofort, ganz von Herzen, völlig ehrlich. Wie auch immer das gehen soll.
Und da habe ich Tils nächsten Eid! Ich formuliere den so:Queste (Extrem): Das Wesen namens Niedzwiedz finden und beschützen.Er hat noch keine Ahnung, wie er das machen soll und was das alles bedeutet, also definiere ich seinen Eid als Extrem. Diese selbstgewählte Aufgabe wird ihn eine ganze Weile beschäftigen!
Ich mache also den Move Swear an Iron Vow. Dank einem Willenskraft-Punkt erreiche ich sechs Erfolge bei Charisma+Überzeugen, und die Challenge Dice unterbieten beide eine Sechs: Ein Strong Hit! Yay! Das gibt direkt Willenskraft zurück, und Til fühlt sich äußerst determiniert.„Ich habe vorhin von meiner Nachbarschaft geträumt. Das war wunderschön! Wir gehen wieder dahin zurück, Aneta. Vielleicht ist Dein Freund dort sogar.“
„Zuerst gehen in Holz-Giebel-Brunnen-Dorf. Deinen Arm verbinden.“
„Ist schon nicht mehr so schlimm, war glaube ich nur ein Kratzer.“
„Sieht aber schon schlimm aus. Wir gehen zu Dorf. Und neue Vorräte holen. Dörfler machen uns Pfannkuchen.“
„Na gut!“
„Lass' mich runter, kann alleine laufen.“
Til setzt Aneta behutsam ab, sie nimmt ihn bei der Hand, und zieht ihn in eine Richtung. Sie scheint sich an den Weg zu erinnern wie in Trance.
Dieser Teil des Waldes ist dunkler und erscheint ganz in natürlichen Farbtönen. Die Pflanzen wirken ebenso stilisiert wie die im Tulgee-Wald, wie ein lebendig gewordenes Gemälde. Aber gleichzeitig ist diese Umgebung urwüchsiger, mit Flechten und Hängemoosen, und ohne das seltsame Ambiente-Halblicht, das von überall und nirgends gleichzeitig zu kommen schien. Der Mond scheint hell über den Wipfeln, an ein paar Stellen dringt sein Licht glitzernd durch die Blätter hinab. War er über dem Tulgee-Wald noch ein Sichelmond, ist er hier dennoch ein Vollmond! Til bildet sich außerdem ein, ein schmunzelndes Mondgesicht darauf zu erkennen, das aber immer weg ist, wenn er zwischendurch klare Sicht auf den Himmelskörper hat.
„Was ist das für ein Ort, dieses Holz-Giebel-Brunnen-Dorf?“
„Dörfler mögen mich!“
„Ja, wie sollten sie auch anders? Du hast sie bestimmt alle mir-nichts-Dir-nichts um den Finger gewickelt! Oder wohnst Du da etwa?“
„Nein …“
„Wo bist Du überhaupt zuhause …?“
„… Dort ist das Dorf! Siehst Du?“
Zwischen dem dichten Astwerk vor ihnen dringt oranger Lichtschein hervor, von Fackeln und Laternen. Eine kleine, altmodische Siedlung scheint in diesem Märchenwald zu liegen.
Tatsächlich ist es ein mittelalterliches Dorf, mit einem übermoosten Steinwall und kleinen Wehrtürmen. Müde aussehende Wachen mit Lederhauben stehen dort herum. Die Dächer und Giebel niedlicher, rustikaler Häuser sind über die Mauer hinweg auszumachen, viel zu schmal und zu spitz zulaufend, um historisch korrekt zu sein. Eher wie ein Ort in einem Vergnügungspark, denkt sich Til.
Holz-Giebel-Brunnen-DorfAneta tritt vor das große hölzerne Tor in der Mauer, und ruft unsicher etwas auf Polnisch daran empor.
Til sieht sich derweil neugierig um.
Und was ist mit dem Bryndrick? Ist er ihnen weiterhin gefolgt? … Ja, sagen die Orakelwürfel, und jetzt sind seine Schritte zu hören!„Aneta! Wir müssen sofort da rein!“, ruft Til erschrocken, „Die müssen uns da reinlassen, oder wir müssen wegrennen! Der Bryndrick ist hier!“
Sie sieht ihn verstört an. Aber in dem Moment öffnet sich bereits eine schmale Personentür innerhalb des Tores. Til nimmt schnell das Mädchen auf den Arm und zwängt sich herein, und zischt den Wächtern zu, „Macht zu, macht zu! Ihr müsst alles verrammeln!“
Auch die Gesichter der Wachen haben etwas Stilisiertes an sich, sie sind ein wenig karikaturenhaft. Ansonsten wirken sie ganz so wie mittelalterliche Leute. Hastig verbarrikadieren sie ihr Tor wieder. Die vielen urig aussehenden, unterschiedlichen Häuschen sind fast alle dunkel um diese Nachtzeit. In vielen gehen gerade nach und nach Lichter an. Merkwürdigerweise nur in den Kellerräumen.
„Ihr seid zurück, Hoheit! Endlich!“, sagt einer der Wächter zu Aneta, etwas bedröppelt.
„Nicht so nennen. Schnell jetzt, bitte!“, sagt sie, dann redet sie auf Polnisch weiter.
Die Wachen nicken verständig, als wäre Polnisch ihre Zweitsprache. Traum-Logik, sagt sich Til konfus.
Einer der mittelalterlichen Wachmänner führt ihn die Kopfsteinpflasterstraße herunter, auf eines der Häuser zu. Er wirkt ehrerbietig Til gegenüber, aber auch etwas erschrocken wegen seines Äußeren. Er ist bemüht, etwas Abstand zu dem Besucher zu halten, und nicht zu starren.
„Können Sie etwa … sehen Sie mich etwa als Hase?!“, fragt Til bestürzt.
„Ja, Herr. Du bist ja ein Schratiger, Herr, ein Robin Gutfreund, einer vom Schönen Volk“, sagt der Büttel diensteifrig.
„Ein was?“
„Von draußen aus dem Walde! Wir schätzen die Kithain hier sehr. Das weißt Du sicher, Herr. Jeder Haushalt in diesem Dorfe, der etwas auf sich hält, beherbergt einen Boggan!“
„Einen was? Hm … Kithain?!“
Dieses Wort hatte auch der schauderhafte Bryndrick verwendet, zu Beginn dieses abstrusen Erlebnisses, dieses Fiebertraums; das ist es doch, was das hier ist, denkt sich Til, ein Fiebertraum. Aber im selben Moment wird ihm klar, dass eine übergreifende Logik alles zu durchziehen scheint — selbst verschiedene Traum-Reiche die normalerweise eigentlich nichts miteinander zu tun haben sollten, wie der Tulgee-Wald und der Grimm'sche Märchenwald!
Der Medicus der Dorfes reinigt seine Verletzungen, renkt ein, und bandagiert, was er kann. Er nimmt Tils Fell, Hasenpfoten, Hasenkopf, und Löwenschweif äußert interessiert unter die Lupe.
„… Du solltest zu einem Alchimisten gehen, nicht zu einem Medicus, Herr! Ich bin auf die Physiologie von Menschen spezialisiert. Ich habe getan, was ich konnte!“
„Du siehst mich also auch als halben Hasen!“, ruft Til, „Bei mir zuhause sehen alle darüber hinweg … oder sie sind blind dafür!“
„Du, mein Freund, bist ein Pooka!“, sagt eine vergnügte Stimme aus Bodennähe.
Til schaut herab, und sieht einen kleinen, dicken Mann neben dem Medicus stehen. Er hat ein koboldhaftes, äußerst gütiges Gesicht, und ist ebenfalls mittelalterlich gekleidet.
„Äh, guten Abend.“
„Schönen, gesegneten guten Abend, mein fellbedeckter Freund! Willkommen in Holz-Giebel-Brunnen-Dorf! Sei' uns von Herzen willkommen!“
„Bist Du einer von diesen …“
Dwyddle Umswydd, ein einheimischer Boggan„Ein Boggan, ja natürlich! Nicht wahr, ein Heinzelmann! Wir sind sowas wie Cousins zwölften Grades, Du und ich, Du verstehst. Und dass Du mir ja keine Streiche spielst hier im Dorfe, erst recht zu nachschlafender Stund'! Dies hier sind rechtschaffene Leute!“, und der kleine Boggan schaut zu dem übermüdeten Medicus hoch, der gerade seine Sachen wieder zusammenpackt, sein Blick ist sehr gütig, und sehr teilnahmsvoll. Geradezu so, als wäre er persönlich verantwortlich für diesen Menschen.
„Draußen vor den Toren geht ein Bryndrick um! Ein echter, einer der lebt und sich bewegt!“, platzt Til ängstlich heraus, und ohne es zu wollen hängt er noch eine dicke, fette Lüge mit dran, „Ich kenne einen, der ihn erforscht hat, so eine Art Druiden, der sagt auch, die Dinger sind nicht ohne!“
„Donner und Doria! Dann solltest Du Deinen Freund den Druiden bitten, den Bryndrick wieder auszutreiben! Dieses Dorf gehört zum Lichten Hof, wir Boggans haben dafür zu sorgen, dass es eine fröhliche Gemeinde ist! Wir brauchen keine Druiden-Götzen, wir respektieren sie und sie respektieren uns, aus
respektvoller Ferne.“☀
Kurz darauf ist Til auf den Wehrgang geklettert, und steht zwischen den Wachen mit ihren Fackeln, sie alle spähen nervös in die dunklen, rauschenden Wälder hinab.
„Ich nehme an, ich könnte irgendwie mit ihm kommunizieren …“, sagt Til schließlich, „Er ist möglicherweise nur hinter
mir her, nicht hinter Euch!“
„Nur hinter Dir? Unwahrscheinlich“, sagt eine der Wachen, „Der Tulgee-Wald hat sich jüngst ausgedehnt, Herr. Die Häscher aus Grimgoromn sind davon angezogen worden, und versuchen, die neuen Grenzgebiete zu besetzen. Derartiges Säbelrasseln muss etwas wie einen Bryndrick ja geradezu anlocken.“
Til sieht den Mann von der Seite an, und sagt, „Wieso, was hat er denn davon? Will der sich etwa mit den anderen Finsterlingen verbünden?“
„Im Gegenteil, Herr! Die Druiden würden doch die Truppen von Grimgoromn aus allen Wäldern vertreiben, wenn sie nur könnten! Der König und seine vielen Gesetze sind denen doch zuwider. Und die Grimgorominatori zertrampeln Setzlinge und Erdreich, das können die Druiden überhaupt nicht leiden.“
„Die was?!“
„Die Grimgoriminatori, Herr! Es sind heute Nacht welche von ihnen unterwegs, darauf wette ich, das sagt mir das Kribbeln in meinem kleinen Zeh!“
Als Til wieder herabgeklettert kommt, haben sich auf dem Vorplatz kleine Gruppen aus schlaftrunkenen Menschen gebildet, die untereinander reden, und am Rand, in den Schatten der Häuschen, haben außerdem kleine Gruppen von Boggans selbiges getan. Einer davon winkt Til heran. Er folgt der Geste, und geht neben den Heinzeln in die Hocke.
„Das ist ja eine schöne Bescherung, die Ihr uns da eingebrockt habt! Jetzt müssen wir alle miteinand' die Ärmel hochkrempeln, und die versalzene Suppe auslöffeln!“, sagt einer.
„Du bist mit der Hoheit hergekommen, oder, mein lieber Pooka?“, fragt der aus dem Haus des menschlichen Medicus.
„Äh, ja. Wo ist sie überhaupt?“
„Na, was denkst denn Du, Freund Pooka! Meine liebe Frau Gemahlin hat sich ihrer angenommen, und sie erstmal in einen Badezuber gesteckt, im Hause des Kesselmachers. Das arme Kind war ja schon wieder wochenlang im Walde unterwegs. Und dabei ist sie eine Hochwohlgeborene! Nun zu Dir! Du musst uns helfen, unsere lieben Menschen gegen jenes Schreckgespenst zu verteidigen, ich bitt' Dich. Der einzige Bryndrick, von dem ich je gehört habe … der soll am Waldrand stehen, in der Nähe einer Freistatt.“
„Einer was?“
„Einer Freistatt, Freund Pooka! Ein Dörflein dessen lange Gassen zu allerlei Menschen führen, so sagt man! Es besteht erst seit Kurzem!“
„Da komme ich ja her!“
„Dann ist diese Freistatt die Deine? Bist Du ihr Fürst? Oder bist Du der Vasall ihres Herrschers, vielleicht ein Kundschafter?“
„Man hätte sich proper vorstellen sollen!“, bemerkt einer der Boggans, etwas beleidigt, „Das wäre das Rechte gewesen, sich nach seinem Eintreffen zuallererst einmal allen proper
vorzustellen!“Til sagt, „Das ist mir alles viel zu hoch! Äh, ich bin dort plötzlich gewesen, bevor ich mich hierher verirrt habe, raus in diese Wälder. Ich will dahin zurück, um Aneta in Sicherheit zu bringen, und zu versuchen, ganz zurück nach Hause zu kommen. Aufwachen aus diesem Traum, versteht Ihr?“
„Aufwachen aus dem Traum …“, sagt einer der Boggans verwirrt.
Ein anderer fragt erstaunt, „Freund Pooka, sag' an: Bist Du etwa ein Wechselbalg?!“
„Wie jetzt?“, fragt Til verwirrt.
„Ein Changeling! In der Krippe gegen einen menschlichen Säugling ausgetauscht, oder womöglich direkt in den Leib eines Sterblichen gefahren? Meiner treu! Ein Bewohner der Herbstwelt, für den es Gewohn ist, von Herbstmenschen umgeben zu sein!“
Einer der anderen grummelt, „Das passt, ich habe gleich gedacht, es haftet ihm was Banales an. Ein Quäntchen Sterblichkeit!“
„Ich weiß nicht, was ich antworten soll! Ich dachte eigentlich, ich träume nur …“, sagt Til, und ergänzt unwillkürlich, „Ihr braucht Euch jedenfalls keine Sorgen um Eure Menschen und Euer Dorf zu machen, ich weiß ja alles Wissenswerte über diesen Bryndrick, von meinen Druiden-Freunden, versteht Ihr? Ich bin ja darauf vorbereitet, ihn in seine Schranken zu verweisen!“
Die zutraulichen Gesichter der Boggans hellen sich auf, und sie schauen ihren Gast erwartungsvoll an. Der guckt überrumpelt drein. Was ist das denn für eine schlimme Eigenschaft, die er da heute an den Tag legt, dieses Lügenmaul, das ständig allen Leuten irgendwelche Sachen verspricht, nur um sie zu begütigen?!