Ich gehöre zu den Personen, die "Schummeln" im Rollenspiel grundsätzlich für falsch1 halten, habe aber durchaus den Eindruck, dass es nicht ganz trivial ist, zu bestimmen, was "Schummeln" in diesem Kontext bedeutet.
Weder die nicht-Anwendung von "Regelmodulen" noch der Verstoß gegen "Rules as Written" ist meiner Ansicht nach grundsätzlich Schummeln. Problematisch wird es für mich, wenn Personen gegen den Gruppenkonsens über die Regeln verstoßen. Beispiel: Wenn die Leute am Tisch darüber einstimmen, dass Traglastregeln nicht benutzt werden, gibt es kein Problem damit, Traglastregeln nicht zu benutzen.2
Kompliziert wird es glaube ich erst jetzt: Wie Zed zurecht in seinem Beispiel mit dem Wetter andeutet, mag es nicht immer möglich sein, alle Nuancen der Regelanwendung vor dem Spiel oder direkt im Kontext der Regelanwendung (oder nicht-Anwendung) zu kommunizieren. Vieles kann man in einer "Sitzung 0", vor der Regelanwendung oder nach der Sitzung gut und transparent besprechen. Manches wird aber immer implizit bleiben, einfach als gegeben angenommen; manches sind Details, die im "Eifer des Gefechts" den Spielverlauf stören würden, wenn man darauf eingeht. Edit: Das liegt zum einen daran, dass (viele) Rollenspiele eine enorme Regelfülle mit vielen optionalen Komponenten haben und auch die Frage, wann und wie Regeln anzuwenden sind, ist oft nicht ganz trivial.
Zurück zum Schummeln: Was ich für Schummeln halte, sind nicht-Anwendungen von oder Zuwiderhandlung gegen Regeln, bei denen die handelnde Person weder die tatsächliche noch auch nur die mutmaßliche/hypothetische Zustimmung der Mitspielenden hat. D.h., weniger technisch gesprochen: Wenn ich - als SL oder Spieler - davon ausgehe, dass meine Mitspielenden nicht zustimmen würden, dass ich eine Regel breche oder nicht anwende, aber es trotzdem tue, dann schummele ich in dem für mich relevanten Sinn. Ich muss die Zustimmung nicht immer einholen, wenn ich davon ausgehen kann, dass meine Mitspielenden dem ohnehin achselzuckend zustimmen würden. Edit: Dazu mögen die von Jolly Orc angesprochenen "Typen" gehören: Es mag sein, dass ich in einem Umfeld spiele, indem die Regeln grundsätzlich eher als "Richtlinien" wahrgenommen werden - dann wäre es ziemlich blödsinnig, das für alle Einzelregeln durchzudiskutieren. Zumindest die grundsätzliche Haltung zu dem Thema gehört dann aber besser in eine Sitzung 0, oder in eine Nachbesprechung.
Offensichtlich bringt das aber weitere Probleme mit sich - man kann sich nämlich sehr gut über diese hypothetische/mutmaßliche Zustimmung irren. Für mich ist relativ klar, dass "20 würfeln, aber 5 ansagen", etwas ist, dass die meisten meiner Mitspielenden für nicht-legitim und damit für Schummeln halten, aber Menschen, die in einer Spielkultur aufgewachsen sind, in dem die SL immer die Würfel dreht, mag das (in manchen Fällen zurecht) anzweifeln. Wer sich auf diese Zustimmung verlässt, wo sie riskant erscheint (also besonders unsicher ist oder besonders drastische Auswirkungen hat), schummelt zwar dadurch nicht, handelt aber auch nicht ideal. Von daher gilt: Wo möglich eben vorher oder nach der Sitzung ansprechen und klar kommunizieren.
Aus der Diskussion hier im Forum kann man bisher aber denke ich ganz gut mitnehmen: Wetterregeln nicht anwenden und willkürlich entscheiden, ob die Sonne scheint, wirkt relativ unproblematisch3. Würfel drehen geht so vielen Leuten gegen den Strich, dass das ungefragt zu tun, mit hoher Wahrscheinlichkeit tatsächlich einfach Schummeln ist - und wer mit mir spielt, und ungefragt irgendwelche Würfeln dreht, der schummelt.3
1 D.h., ich finde das doof und Leute sollten es imho lassen, aber niemand wird zu einem schlechten Menschen nur weil die Person im Rollenspiel geschummelt hat.
2 Ich meine kürzlich im (frühen) D&D-Kontext gelesen zu haben, dass Hausregeln nur in eingeschränktem Maße Anwendung finden sollten, damit das "Ökosystem" D&D "interoperabel" und Erfahrungen vergleichbar bleiben. Verstehe ich, und grundsätzlich eine interessante Diskussion, aber denke ich hier nicht direkt Teil des Themas.
3 Ich kenne aus dem Kopf auch kein System, dass konkrete Regeln dafür hat, wann das Wetter überhaupt über u.U. vorhandene Wetterregeln zu bestimmten ist - höchstens im Kontext von Überlandreisen.
4 Für die häufigsten Anwendungsfälle für das Würfeldrehen (also z.B. "Ups, TPK") gibt es auch nun wirklich so viele Alternativregeln und Hausregeln, dass ich das wirklich bescheuert finde.