Medien & Phantastik > Lesen

Unterhaltungsliteratur - Schund oder Kunst?

<< < (7/9) > >>

Gast:
ein zwei, kleine Anmerkungen:
Rassismus ist die Ideologie, bestimmte Charaktereigenschaften an bestimmten ethnischen Gruppen fest zu machen. Dabei ist es VÖLLIG IRRELEVANT, ob die Charaktereigenschaft, die ich einer bestimmten Volksgrupe attestiere nun gut oder schlecht ist. Die Aussage "Alle Juden sind geldgeil" ist nicht rassistischer als "alle Deutschen sind gehorsam und fleissig".
Tolkien verbindet sehr massiv bestimmte Charaktereigenschaften mit bestimmten Volksgruppen; am deutlichsten sieht man das an der Beschreibung der Hobbits (wenn ich nicht noch meine ganzen Bücher in den Kartons hätte, könnte ich die edntsprechenden Zitate raussuchen.

Des weiteren: ich kann nur noch mal wiederholen, dass die Beachtung von qualitativen Unterschieden bei Literatur und anderen Kulturgütern überaus wichtig ist-  Wenn man diese qualitativen Unterschiede ignoriert oder wegredet, landet man in der großen Beliebigkeit. Alles ist machbar, alles ist gut, alles ist Kunst. Hundescheisse auf Küchenfenster geklatscht? Nein, das ist kein Dreck, das ist Kunst. Pornomangas oder "Klassiker" wie die diversen Softfickfilchen die im Nachtprogramm laufen sind natürlich genauso gut wie dieser "langweilige Krams" von diese alten Sack Shakespear. Hey, so was muß ins Museum!
Dadurch geht einfach etwas verloren- nämlich das Gefühl der Verhältnismäßigkeit. Wenn ich alles als Kunst, alles als gut akzeptiere, wozu sollte man sich dann mit den "verstaubten, fossilen alten Säcken" wie Sokrates und Konsorten oder dem Rest der freundlichen Philosophenriege rumschlagen? Es ist schliesslich nicht besser als die drei DinA-4 Seiten, die ich selbst vollgekritzelt habe.
Seht ihr, wo ich das Problem sehe? Ich will ja niemandem den Spaß an Tolkien, Lovecraft oder (um mal ganz im trüben zu fischen) den verschiedenen Autoren der Shadowrunromane nehmen- ich möchte nur, dass dieser Krams- auch wenn er unterhaltsam ist- nicht gleichgemacht wird mit gänzlich anderen Dingen.   

Mc666Beth:
Für !mich! sind Bücher selten Kunst. Bücher sollen mich in erster Linie unterhalten und dann zum nachdenken anregen.
Das beste Beispiel ist für mich Pratchett mit seiner Scheibenwelt. Man kann seine Bücher einfach unter den Aspekt: "sie unterhlaten" oder aber die doch machmal sehr beißende Gesellschaftskritk hervorheben beides ist möglich. auch gibt es viele Bücher, wie zum Beispiel die von Eddings, die Werte vermitteln oder Gesellschaftsbilder zeichnen. Nicht alles was Fantasy oder Sf ist, ist gleichzusetzten mit Schund oder Schrott. Wobei DSA und SR-Roman doch meistens sehr sinnfrei sind. Verallgemeinerung hilft uns da nicht viel, sonst würden wir vielen Schriftstellern wie  zum Beispiel Pratchett und Gaiman unrecht tuen.

6:
Ich habe da jetzt ein paar Einteilungsschwierigkeiten: Es gibt im SF-Bereich ne Menge Bücher, die das Zukunftsetting als Extremweiterentwicklung heutiger Verhältnisse nehmen, oder die mittels des Zukunftsetting oder Alternativsetting auf Probleme der heutigen Zeit oder auf philosophische ... hm... Besonderheiten aufmerksam machen wollen.
Ein paar Beispiele:

Der stählerne Traum von Norman Spinrad enthält den "Bestseller" eines gewissen Adolf Hitler der in den USA eine n enormen Kultstatus als Schriftsteller einnimmt (Alternativrealität in der Adolf Hitler in die USA ausgewandert ist um Schriftsteller zu werden.

Lobgesang auf Leibowitz von Walter M. jr. Miller beschreibt eine Zukunft nach einem 3. Weltkrieg, in der die verbliebenen Menschen technisch in ein Mittelalter zurückgebombt wurden und da ähnlich wie das alte Christentum Relikte aus der Weltkriegzeit in die christliche Mythologie eingefügt haben (Der dämonische "Fallout" der Tod und Verderben bringt, die heilige Blaupause, die Erlösung vor den vielen Problemen der Welt verspricht, usw.). Dort wird dann auch der Werdegang dieser Menschen beschrieben, der dann in einen weiteren atomaren Krieg mündet.

Foundation-/Robot-Zyklus von Isaak Asimov: Da sind einfach zu viele Ansätze enthalten, als dass ich die hier aufzählen könnte.

Sind die Romane/Zyklen Kunst, Trivialliteratur oder beides?

Nelly:

--- Zitat von: Christian Preuss am 20.08.2004 | 10:54 ---Ich habe da jetzt ein paar Einteilungsschwierigkeiten: Es gibt im SF-Bereich ne Menge Bücher, die das Zukunftsetting als Extremweiterentwicklung heutiger Verhältnisse nehmen, oder die mittels des Zukunftsetting oder Alternativsetting auf Probleme der heutigen Zeit oder auf philosophische ... hm... Besonderheiten aufmerksam machen wollen.
Ein paar Beispiele:

Der stählerne Traum von Norman Spinrad enthält den "Bestseller" eines gewissen Adolf Hitler der in den USA eine n enormen Kultstatus als Schriftsteller einnimmt (Alternativrealität in der Adolf Hitler in die USA ausgewandert ist um Schriftsteller zu werden.

Lobgesang auf Leibowitz von Walter M. jr. Miller beschreibt eine Zukunft nach einem 3. Weltkrieg, in der die verbliebenen Menschen technisch in ein Mittelalter zurückgebombt wurden und da ähnlich wie das alte Christentum Relikte aus der Weltkriegzeit in die christliche Mythologie eingefügt haben (Der dämonische "Fallout" der Tod und Verderben bringt, die heilige Blaupause, die Erlösung vor den vielen Problemen der Welt verspricht, usw.). Dort wird dann auch der Werdegang dieser Menschen beschrieben, der dann in einen weiteren atomaren Krieg mündet.

Foundation-/Robot-Zyklus von Isaak Asimov: Da sind einfach zu viele Ansätze enthalten, als dass ich die hier aufzählen könnte.

Sind die Romane/Zyklen Kunst, Trivialliteratur oder beides?


--- Ende Zitat ---


Von den Büchern habe ich persönlich noch nie gehört, aber aufjedenfall danke ich dir für diese Tips, denn man könnte sie sich ausleihen um es dann beurteilen zu können.

Kunst ist so eine Sache, ich denke es wird wohl Personenkreise geben die solche Zyklen/Romane als Kunst bezeichnen, wieder andere Gruppen bezeichnen es als Trivialliteratur.
Das was ich als Kunst bezeichne, wird von anderen als Schund angesehen, das was andere als poetisch ansehen, sehe ich als trivial an, bzw. ich kann keine Poesie darin entdecken.
Jeder Mensch hat sein ureigenes Recht selbst zu entscheiden was Kunst ist, und was nicht. Es wäre schlimm wenn wir das nicht dürften.

Was ich gerne lese sind historische Romane die im 16.-17.Jahrhundert spielen, oder aber im alten Ägypten, ich lese gerne Sachbücher wie A Raped Culture  und es dient zur Unterhaltung oder aber persönlichen Fort-und Weiterbildung.
Kunst? Naja, mein persönlicher Geschmack wird nicht an der breiten Masse gemessen, und ich schwimme sowieso immer gegen den Strom  ;D

wjassula:
Hi-

ich habe diesen Thread zwar interessiert verfolgt, will mich da aber nicht im Einzelnen reinhängen.

Für alle die sich gerne näher mit dem Thema Literaturwissenschaft befassen möchten und vielleicht den einen oder anderen Unfug ausbügeln möchten, den der Deutschlehrer oder Reich-Ranicki in punkto Literatur angerichtet haben, denen kann ich nur "Einführung in die Literaturtheorie" von Terry Eagleton empfehlen, erschienen im Metzler Verlag.

Eagleton schreibt im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen sehr verständlich und präzise,auch für "Laien" verständlich und mit kanpp 200 Seiten ist das Buch auch nicht zu lang. Kostet auch nicht viel, ich glaube so 10, 12, 14 Euro.

Neben einer sehr guten Einführung mit dem Titel "Was ist Literatur?" (in der so gut wie alle Fragen, die hier im Thread aufgeworfen werden auch behandelt werden), stellt Eagleton die grossen wissenschaftlichen Schulen des 20. Jhdts. vor: Formalismus, Hermeneutik, Rezeptionsästhetik (Reader/response-Theory), New Criticsim, Strukturalismus, Poststrukturalismus und Psychoanalyse, sowie marxistische und feministische bzw. gender/queer Theory. 

Eagleton bemüht sich um eine angenehm faire, ausgeglichene Darstellung, die auch kritisch mit den einzelnen Ansätzen umgeht, hält aber auch mit seiner eigenen Meinung (neomarxistisch-poststrukturalistisch) nicht hinterm Berg. Ist ja auch mal nett, wenn jemand nicht so bemüht scheinobjektiv daherkommt.

Kann ich nur empfehlen.

So, und als Kostprobe und meinen einzigen Beitrag zur Diskussion hier:

"Literatur und Unkraut sind,wie die Philosophen sagen würden, eher 'funktionale' als 'ontologische' Begriffe: sie sagen etwas darüber aus, was wir tun, aber nicht über das Wesen der Dinge. Sie machen eine Aussage über die Rolle eines Textes oder einer Distel im sozialen Kontext, ihre Beziehung zu und Unterschiede von ihrer Umgebung, ihr Verhalten darin, den Zwecken denen sie dienen können, und die menschlichen Praxisfelder, die sie umgeben. 'Literatur' ist in diesem Sinne eine rein formale, leere Art der Definition[...]

Werturteile haben allem Anschein nach eine Menge damit zu tun, was als Literatur eingeschätzt wird und was nicht - nicht unbedingt in dem Sinn, dass ein Text 'gut' sein muss, um literarisch zu sein, aber muss *von der Art* sein, die für gut gehalten wird[so dass] wir ein für alle Mal die Illusion fallen lassen können, dass die Kategorie 'Literatur' 'objektiv' im Sinne von ewig und unwandelbar ist. Alles kann Literatur sein, und alles was [zu einem bestimmten Zeitpunkt] als Literatur angesehen wird, kann eines  Tages keine Literatur mehr sein. [Das] bedeutet, dass der sogenannte 'literarische' Kanon als *Konstrukt* erkannt werden muss, das von bestimmten Leuten aus bestimmten Gründen in einer bestimmten Zeit gebildet wurde.

Die Werturteile, die 'Literatur' konstituieren,[haben] selbst eine enge Verbindung zu den gesellschaftlichen Ideologien. Sie verweisen letzten Endes nicht auf einen privaten Geschmack, sondern auf die Grundannahmen, mit denen bestimmte soziale Gruppen Macht über andere ausüben und erhalten."

Und um nu doch noch mal zum Thema zurückzukommen und das ganze mal praktisch zu unterfüttern: Wat sächt uns das über Elke Heidenreich , und warum sie keine kleinen Leute mit pelzigen Ohren mag?

Naja, dass Frau Heidenreich hier gerne Literatur definieren möchte, indem sie bestimmte Dinge ausschliesst, nämlich Fantasy-Literatur. Und indem sie die Definitionshoheit über den Begriff Literatur hat, gewinnt sie auch was, nämlich das schöne Gefühl, auf der Seite der "guten" Literatur zu stehen. Und warum macht sie das? Weil sie im Bereich des Entertainment tätig ist (und mit Literaturkritik oder gar Literaturwissenschaft so viel am Hut hat wie Peter Lustig mit einem Atomreaktor), und Zuschauer binden muss.

Und um diese Zuschauer richtig zu bedienen, muss sie ihnen einerseits Literatur als Gefühlserlebnis verkaufen, und nicht als verkopften Spinnkram. Sie darf in ihrer Sendung nicht gross mit Theorien ankommen, sondern muss viel darüber reden, wie das Buch auf sie gewirkt hat, ob es sie emotional berührt hat und blablabla. Damit setzt sie sich aber andererseits der Gefahr aus, nicht "ernst" genug rüberzukommen, denn ihr bildungsbürgerliches Publikum möchte sich zwar gut unterhalten, aber doch bitte mit Niveau. Und die Abgrenzung zu dem, was dann vermeintlich "Schund" ist, hebt im Umkehrschluss ihre Art von Literatur eine Stufe höher in Richtung des Guten, Schönen und Wahren.

Sowas passiert jeden Tag, und auch hier im Forum, wenn man sich plötzlich bemüssigt fühlt, sich Gründe auszudenken, warum Tolkien doch "so richtig echte Literatur", sprich: Teil des als gut anerkannten Kanons ist, oder wie man diesen und jenen Autor dann doch noch ganz aktuell und gesellschaftskritisch aufarbeiten kann. Haben wir doch gar nicht nötig. Fanatsy ist halt eine ANDERE Art von Literatur, und vor den Massstäben, die im Bereich der Fantasy gelten, knicken Bücher aus anderen Gattungen vollständig ein. Machen wir doch lieber unseren eigenen Kanon, anstatt um einen Platz in der "Hochkultur" zu betteln.

So, jetzt reichts aber echt. Ist schon wieder viel zu lang, verdammt.
 

Navigation

[0] Themen-Index

[#] Nächste Seite

[*] Vorherige Sete

Zur normalen Ansicht wechseln