Prolog
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Außenbezirke von Wuppertal, >>20.08.2059-23:31:11<<Das Herz klopft ein unheimliches Stakkato in seiner Brust. Blut pumpte durch seine Adern, und er glaubte, jeden Moment drohe seine Lunge vor Anstrengung zu zerplatzen.
Keuchend lehnte er an einer Mauer, die Hände an eine regennasse Hausmauer gestützt. Sein Kopf dröhnte.
Die nassen Klamotten an seinem Körper verschafften ihm kaum Linderung. Hitze durchströmte seinen Körper, Schweiß rann ihm trotz des kühlenden Regens und der grauen, kalten Nacht über Stirn und Rücken.
Seine Gedanken waren nur auf eines fokussiert: Fort, fort, fort von hier.
Platschende Schritte schreckten ihn auf. Hundegebell kündigte sich durch das Rauschen des Regens schon von weitem an, und sein Kopf ruckte hoch.
Verdammt. Sie hatten die Fährte aufgenommen. Hastig stieß er sich von der Mauer ab, blickte sich um und sah, wie in der Einfahrt des Parkhauses eine schwarze Limousine hielt. Die Scheinwerfer blendeten ab.
Fluchtimpulse jagten durch seine Nerven, zwangen ihn, sofort hinter der großen stählernen Tonne in Deckung zu gehen.
Eine Tür schlug.
„Kommen Sie schnell!“, bellte ihm eine unbekannte Stimme halblaut entgegen. „Der Russe schickt mich!“
Verzweifelt nach Atem ringend presste er sich an die Hauswand. Der Russe? Der Russe. Langsam rutschte er nach oben, blickte in Richtung der Limousine. Das Gebell kam näher. Er nickte und spurtete los.
Mönchengladbach. Deutschland-Zentrale von CeleraGen, >>21.08.2059-17:28:31<<Marcia Kline betrachtete das Logo von CeleraGen auf ihrem Bildschirm. In zwei Minuten begann die Telefonkonferenz. Sieben Decker und eine Handvoll Expertensysteme waren damit beschäftigt, die Leitung zu sichern. Neben ihr stand Dr. van Ruyter und rollte gedankenverloren einen Kuli über den Schreibtisch. Er schien mit seinen Gedanken woanders zu sein, doch Marcia wusste, dass sie sich täuschte.
Van Ruyter war hellwach und bereitete sich darauf vor, die Lorbeeren einzuheimsen. Missmutig dachte sie an seine kleinen Sticheleien und Anspielungen. Ja, sie wusste, dass sie an ihm nicht vorbei kam, wenn sie das Projekt zum Abschluss bringen wollte. Sie wusste, dass Dr. van Ruyter derjenige war, der sie versetzt hatte, um mit ihrem Sachverstand und ihren Verbindungen alle notwendigen Gegenstände zu besorgen.
Und sie wusste, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis die AG Chemie mit aller Macht zurückschlug.
Der Bildschirm sprang an. Sie blinzelte und konzentrierte sich auf das jovial lächelnde Gesicht von Geoffrey Langs, den Direktor für Genetik und Pharmazeutik von Capital Empire.
Sein sorgsam gestutzter Bart erinnerte sie an den eines britischen Gentleman aus den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts. Die blitzenden, fast mörderisch erscheinenden Augen waren das einzige, was sie an Langs abstieß.
„Guten Morgen.“, grüßte Dr. van Ruyter seinen Vorgesetzten in Quebec. „Wir sind bereit, die Konferenz einzuleiten. Die Leitung ist…“, er blickte auf einen kleinen Statusbildschirm links am Rande, „…sicher.“
Langs nickte. „Guten Abend nach Deutschland. Miss Kline, Dr. van Ruyter.“ Er nickte grüßend in die Kamera. “Na, was haben wir?”
„Unser Problem ist untergetaucht.“, erklärte Dr. van Ruyter mit einem viel sagenden Seitenblick auf Marcia. Langs’ Blick verfinsterte sich. Gott, wie sie das hasste. Woher sollte sie wissen, dass sich jetzt auch die Russen einmischten?
„Miss Kline versuchte, Kontakt mit ihm über zwei unserer Agenten innerhalb der AGC aufzunehmen. Allerdings…“
„Entschuldigung, Dr. van Ruyter.“, fiel Marcia ihm ins Wort. Sie wusste genau, wie ungehalten er darüber war, und grinste innerlich. „Er schätzte die Lage völlig falsch ein, noch ehe wir uns zu erkennen geben konnten. Jetzt ist er auf Grund seiner Flucht auch zu einem Problem der AG Chemie geworden. Ich erwarte die Eskalation innerhalb der kommenden 72 Stunden, wenn sie ihn nicht vorher finden.“
Dr. van Ruyter kniff seine Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Aber er schwieg. Offenbar war auch er über die Entwicklung der Ereignisse überrascht, und selbst er konnte das nicht verbergen.
Langs blickte kurz nach rechts oben. Wie immer, wenn er nachdachte. „Mobilisieren Sie externe Kräfte. Wir müssen ihn auftreiben, bevor die Konkurrenz ihn erwischt. Tot nützt er uns nichts.“ Und dann hob er kurz eine Braue. „Sie haben die Erlaubnis, Eagle-Two einzusetzen.“
Das war es. Marcia war erleichtert. Das wollte sie hören. Dankbar nickte sie. Dr van Ruyter blickte sie kurz und finster an und wandte sich dann an seinen Vorgesetzten.
„Mr. Langs, vielen Dank. Eagle-Two wird in wenigen Stunden in Deutschland eintreffen. Miss Kline übernimmt die Logistik.“
„Ich erwarte Ihren Bericht. Schnell.“, brummte Langs. Dann unterbrach er die Verbindung.