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[Tag 3] Raumstation Bazaar

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Bazaar:
Sir Vincent hatte sich bereits erhoben, der Gehstock rammte sich knirschend in den Boden, einem neuen Geschäft entgegen. Doch er hielt inne und musterte die Scraverin die, so untypisch für Angehörige ihrer Gilde, den Kopf ihres Vaters aus der Schlinge gezogen hatte. Zumindest glaubte sie das.

"Ihr Vater?" Sein Kopf neigte sich zur Seite und plötzlich hatte er etwas von einem Raben, der ein glitzerndes Spielzeug entdeckt hatte. Er machte eine unbestimmte Geste mit der linken Hand und trat einen Schritt auf Denize zu, jedoch ohne dass sich der Gehstock auch nur einen Millimeter in seinem winzigen Kieskrater bewegte.

"Meines Wissens hat man ihn auf den Planeten gebracht. Seine Arbeitskraft wurde gepfändet– die Reeves waren mit ihm nicht so nachsichtig, wie ich." Er lächelte gönnerhaft. "Ich nehme an, er wurde in einer Erzkolonie untergebracht, oder einer anderen Institution, die den Muster unterstellt ist – Sie verstehen, mir fehlt da bisweilen der Überblick. Die Angelegenheit wurde seinerzeit von Mister Coats geregelt, vielleicht wenden Sie sich besser an ihn, Miss Noy." Die sauber aneinander gereihten Zähne blitzen im Kunstlicht auf.
"Wenn Sie mich jetzt entschuldigen. Es warten noch andere Gäste auf mich."

Sir Vincent nickte Denize mit einem undeutbaren Blick in den grauen Augen zu und wandte sich ab. Seine dunkle Gestalt verschwand in den Tiefen des Gartens, untermalt vom leiser werdenden Knirschen der Kieselsteine unter seinen Absätzen.
Dann war nur noch das Mumeln des Wassers und das helle Klirren von Besteck und Geschirr in unmittelbarer Nähe zu vernehmen.

Jack Hawkins:
Langsam aber sicher fühlte sich Jack etwas unbehaglich in der Gesellschaft des Ukars. Die leidenschaftliche Präzision, mit der er das Ei geköpft hatte ließ vermuten, dass Monn den Scherz nicht als solchen aufgenommen hatte. Schon wieder. Paulus, da war es ja lustiger mit einem Avesti Scrabble zu spielen.
Also, keine Witze mehr auf Kosten der Gilde. Wahrscheinlich hatten die Ukar so einen kruden Ehrenkodex nach dem sie jedem das Herz aus der Brust schnitten, die ihre Gilde, ihre Familie oder ihr Haustier beleidigten. Skeptisch betrachtere Jack den Löffel in Monns Hand. Dieser Mann rief entschieden zu viele Gewaltphantasien in ihm hervor.

"Mit Absicht?" Seine Augenbrauen hoben sich und er gab sich unwissend. "Was?"

Azzu:
Mwerron stieß ein grollendes Knurren zwischen den Zähnen hervor. Funkelte die Jack-Kreatur durchdringend an. Das Menschwesen hatte sehr wohl verstanden. Deutlich zu spüren. Einige unregelmäßige Atemzüge, beschleunigtes Zucken der Halsschlagadern, mehr Schweiß, als der Wärme des Gartens angemessen war. Aber kein Versuch der Klärung. Keine Bitte um Verzeihung. Unwillens, weiterzuleben, oder nur zu dumm dazu?

"Vergiss es. Nicht wichtig." Der Ur Ukar zeigte ein seltenes, breites Lächeln und begann, den weichen Dotter des Frühstückseies zu löffeln. "Danke. Für die Auskunft."

Stille.

Schritte des Lord-Wesens, die sich entfernten.

Stille.

Für einen Moment schien sein Herz stehen zu bleiben. Augen weit aufgerissen. Schrill klirrend prallte der Löffel auf einem Teller auf.

Stille.

Kein Lebenszeichen von Denize.

Eine einzige, fließende Bewegung katapultierte ihn weg von seinem Stuhl, hin zum Nachbartisch.

Ausatmen.

Da stand sie. Am Rand des Teiches. Regungslos. Aber lebendig. Hinter ihm schlug der Stuhl knirschend auf dem Kiesboden auf.

Ihre Augen folgten ihm nicht, als er sich näherte. Blickten geradewegs durch ihn hindurch. Weit offen. Starr. Wie heute morgen. Nach dem Alptraum.

"Niz?"

Denize Noy:
Denize verharrte schweigend und reglos am Ufer des Sees. Starrte dem Ritter hinterher, bis keine Bilder mehr in ihrem Geist ankamen.  Würde sie sich zu früh wieder rühren, bestand die Gefahr, dass sie eine Dummheit machte. Jetzt bloß nicht anfangen, nachzudenken!

Obwohl sie nicht wirklich wusste, wie sie reagieren würde. Eine trügerisch angenehme Leere beherrschte sie. Wie nach einer Todesnachricht. Die Information wurde immer von irgendetwas im Gehörgang abgepuffert, bevor es das Gehirn vollständig erreichte. Vielleicht gehörte sie auch nur zu dieser begnadeten Sorte von Menschen, die das Schicksal, das sie ereilte als Willen des Pancreators einfach so annehmen konnten. Was sollte man auch noch groß machen, wenn jemand gestorben war? Tot war tot.

Nur ging es in diesem Falle nicht um den Tod.
Es war viel komplizierter.

Das Rauschen der Lüftung mischte sich mit dem Geräusch des Blutes in ihren Ohren. Ein Haar der losen Strähne stach in ihr Auge. Sie wurde sich dessen bewusst, dass sie ziemlich verloren neben dem Tisch stand. Nun, was sollte sie tun? Sich bewegen? Wohin? Ihre Beine ... waren noch da, ja. Gehorchten ihr noch? Möglicherweise. Nachdenken. Doch, ja. Sie musste nachdenken. Ehe sie sich bewegte, sonst brachte sie Gedanken und Gestik am Ende durcheinander.

Also:
Auch die Möglichkeit, dass Masin seine Freiheit verspielt haben könnte, hatte sie bereits in Betracht gezogen, und den Gedanken dann angewidert in den hintersten Winkel ihres Bewusstseins gedrängt. Sowas passierte einem vernünftigen Freigeborenen nicht.

Vernunft. Das war der springende Punkt. Kühl und klar machte sie es sich bewusst:  Sie hatte, bei Severinus,  nicht die verdammten Ersparnisse von vierzehn mayaverfluchten Jahren harter Arbeit dem allerletzten Arschloch der Station geopfert, das sie nötig hatte, weil sie oder irgendjemand, in dessen Adern Noy-Blut kreiste, vernünftig war.

Und aus genau diesem Grunde sollte sie vielleicht langsam anfangen, vernünftig zu werden und...

„Niz?“

....

Monn.
Sein schwarzglänzendes Starren durchbrach die Mauer zu ihrer Seele als wäre sie aus Papier, stellte sie nüchtern fest.

....


Mwerron stand vor ihr. Starrte sie weiter an, die Arme halb erhoben, Leicht geduckt, als wollte er sie anspringen? Umarmen? Erwürgen? An den Schultern packen und schütteln?

Was wollte er hier? Warum mischte er sich ein?
Konnte er nicht bei seinem verdammten Frühstück bleiben?
Hilf mir.   
Musste er alles mitbekommen, was ihre Privatsache war?
Sag mir was ich machen soll.   
War es überhaupt noch ihre Sache?
Sie hatte doch alles getan, was in ihrer Macht stand, nicht?
Ihre Zukunft verschenkt, zum Beispiel.
Sag mir was ich fühlen soll.
Dass Masin sich noch weiter verschuldet hatte, konnte sie ja nicht riechen. Irgendwo war eine Grenze, oder?
Ich müsste doch wütend oder traurig oder irgendwas sein.
Jeder ist seines Glückes Schmied.
Ich kann doch nicht einfach völlig gleichgültig bleiben, oder?

Monn stand vor ihr! Hinderte sie am Denken.
Wenn sie nicht aus langjähriger Erfahrung gewusst hätte, dass der Ukar sich um ihre Gefühle keinen Deut scherte, dann hätte sie seinen Ausdruck als Besorgnis interpretiert. Was fiel ihm ein? Ausgerechnet jetzt? Das war ihr Ding. Das ging ihn nichts, aber auch gar nichts an. Und am allerwenigsten brauchte sie jetzt die herablassende Alienbehandlung Marke na Nolent. Danke fürs Gespräch.

„G’...“ Statt eines schnarrenden Uryariwortes entrang sich nur ein erstickter Laut ihrer Kehle. Sie versuchte es mit Luftholen. Zu laut, zu scharf, zu wütend und trotzdem nur ein Keuchen brachte sie es hervor: „Geh weg!“

In Monns Ohren musste es wie Flehen klingen. Dass sie auch genau die falsche grammatikalische Form benutz hatte! Verdammt. Verdammt!

Azzu:
Er blieb wie angewurzelt stehen. Wäre am liebsten tief im Boden versunken, in der Dunkelheit. Aber hier war er. Hell angeleuchtet von künstlichen Laternen, die sich im Wasser des Teiches spiegelten, seine Augen schmerzten. Erneut betrogen von seinen Instinkten. Erst hatte er sich ablenken lassen von der plumpen Provokation der Jack-Kreatur. Dann ohne Rücksicht auf die Situation reagiert.

Zwar hatte er nicht viel von dem Gespräch mit dem Lordwesen mitbekommen. Aber genug, um zu wissen, dass Denize Angelegenheiten ihres Clans erledigte. Einmischung durch Außenstehende - tabu. Wäre Denize Ukari gewesen, sie hätte ihn dafür zum Zweikampf gefordert. Jahre der Freundschaft hin, oder her.

Statt dessen stand sie nur da, regungslos, als hätte sie der Blick von Anikruntas blutendem Auge getroffen. Körperlich gesund. Aber nicht unverletzt. Und schickte ihn weg.

Mwerron nickte mit dem Kopf, wandte sich halb ab. Keine schlechte Lösung. Einmischung beendet. Keine Zeugen. Die Ehre des Noy-Clans kaum beschädigt.

Er hielt inne.

Clan Noy? Bislang keine Spur davon auf Bazaar. Niemand.

Nur Denize.

Allein.

Lautlos seufzend tat er die letzten Schritte auf Denize zu. Menschwesen! Warum hatte sie ihn nicht einfach fordern können?

"Ich werde gehen. Gleich. Aber..."

Er zögerte. Ein Zweikampf wäre bedeutend einfacher gewesen.

"Denize. Wenn du Hilfe brauchst..."

Nun war es gesagt. Jedes Wort, beleidigend, würde geschmerzt haben.

"... dann schick einen Freund nicht weg."

Zu weit gegangen. Aber nun war er hier.

Mwerron streckte den rechten Arm aus, bot seine narbige Hand an.

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