warum Glauben mangels emotionaler Bindung im Rollenspiel relativ zur wirklichen Welt unterrepräsentiert ist
Ich weiss nicht, ob das wirklich etwas mit dem Fehlen emotionaler Bindung zu tun hat. Ich vermute eher, es liegt zunaechst daran, dass die Beschreibung einer wie auch immer gearteten personalen Entitaet komplexer ist als die beispielsweise einer Waffe. Der gibt man eine Skizze, eine Handvoll Werte, eventuell zwei, drei ergaenzende Bemerkungen, und fertig. Eine personale Entitaet braucht weit mehr, um als "beschrieben" zu gelten - gerade wenn es um eine geht, die nicht auf derselben "Ebene" handelt wie die SC und "Normal-NSCs". Um einen "Heiligen" oder eine ihrer Bezugsentitaeten in den Hintergrund aufzunehmen, braucht er eine Geschichte, die ueber zwei, drei ergaenzende Bemerkungen hinausgeht. Und auch die "regeltechnischen Werte" sind nicht so einfach wie die von Waffen zu bestimmen. Wenn man sie zu sehr festlegt, bekommt man den Effekt, dass sie ihren "personalen" Charakter verlieren zugunsten einer mehr oder minder exakt berechnbaren "machina"; laesst man ihnen dagegen die Unbestimmtheit eines "persoenlichen Wesens", hat man immer auch das damit einhergehende Willkuerproblem.
Ein zweites kommt dazu: Ethische Fragen in allen Nuancen (inklusive der "religioesen") neigen dazu, ausufernde Diskussionen auszuloesen. (Okay, wenn ich dabin, zumindest ;-) .) Wenn man also spielen will und nicht diskutieren, sollte man entweder eine Basis legen, die nicht diskutiert werden kann (wenn so etwas ueberhaupt moeglich ist), oder man vermeidet Festlegungen und ueberlaesst diese Dinge dem jeweils einzelnen.
Das, in Verbindung mit einem dritten in meinen Augen wichtigen Punkt, scheint mir eher der Grund fuer die Vorsicht in diesen Dingen zu sein. Dieser dritte Punkt ist: Unvorsicht in "religioesen Fragen" kann sehr leicht zu unbeabsichtigten Verletzungen fuehren. In dieser Hinsicht sind quasi-antiken Panthei (verflixt, ich hoffe, 1of3 korrigiert meine Pluralform...) weit risikoloser als die monotheistischen Religionen, denen das "Sich-Verletzt-Fuehlen" geradezu immanent scheint, sowie bestimmte Formen des "Radikalatheismus". (Das jetzt auszufuehren, wuerde aber wohl zu weit gehen.) Sowohl animistische wie "neuheidnischen" Bewegungen und die "oestlichen Immanenzreligionen" sind in diesem Punkt weit unkritischer, weshalb sie auch leichter Aufnahme in Rollenspiele finden.
In dieser Hinsicht ist es also eben gerade nicht die "
mangelnde emotionale Bindung", sondern deren Vorhandensein bzw. ein gewisser Respekts vor dem Vorhandensein "emotionaler Bindungen" bei den potentiellen Mitspielern, die "Glauben" aus dem Rollenspiel auszuklammern weise erscheinen laesst.
Ohne Monotheismus macht Heiligenverehrung auch nicht viel Sinn; man hätte dann her ein Konzept von Halbgöttern und Heroen.
Die Aussage kann ich so nicht nachvollziehen. Ich kann mir durchaus polytheistische Religionen mit Heiligenkonzept vorstellen. Von Halbgoettern unterscheiden sie sich ja durch ihre (rein menschliche) Herkunft, von Heroen durch ihren explizit religioesen Bezug. Wichtig ist mM eigentlich nur, dass es eine dahinterstehende Goetterwelt gibt, die "handlungsfaehig" ist - ich tue mich schwer damit, mir ein "Heiligenkonzept" auf Basis einer animistischen oder pantheistischen Religion vorzustellen.
Da man in den Hintergrundbeschreibungen allerdings oft mitteilt, wie es in der Welt ist, macht eine Bekenntnisreligion hier nicht viel Sinn; ohne Zweifel gibt es eben kein Bekenntnis.
Der Fehler dieser Aussage liegt mE darin, dass die Charaktere (innerhalb der Spielwelt) das Regelwerk nicht lesen koennen. "Wie es in der Welt ist", ist - Trennung von Spieler- und Charakterwissen allerdings vorausgesetzt - "
in der Welt" ja noch lange nicht zwingend bekannt.