eine Frage: habt ihr SW auch schon mal ohne Minis gespielt und wenn ja wie hats euch gefallen?
Ja. - Nicht gut.
Für mich waren das Experimente, nachdem ich schon eine Weile SW mit Miniaturen gespielt hatte (davor aber z.B. Deadlands Classic im Normalfalle ohne Miniaturen). - Ich habe miniaturenloses SW mit 50F, mit DL:R und mit selbstgemachtem Pulp-Archäologen-Setting (Wer mag dieser Archäologe wohl sein?) ausprobiert.
Die Resultate waren dermaßen ernüchternd und unbefriedigend, sowohl aus Spielleitersicht als auch aus dem Feedback der Spieler, daß ich seitdem NIE MEHR auf Miniaturen beim Spiel verzichtet habe (und auch DL Classic nur noch mit Miniaturen spiele).
Es gibt viele Rollenspielsysteme, die einem das "Miniaturenschieben" mit rigidem Kästchenzählen und Vierteldrehungsspitzfindigkeiten vergällen. Bei Savage Worlds hat MIR das Spiel mit Miniaturen, nachdem mir insbesondere die Midgard- und die D&D 3E-Regeln die Lust daran verdorben haben, wieder so richtig Spaß gemacht.
Beim Verzicht auf Miniaturen gab es sogleich dieselben Probleme, die man sonst auch immer hat, wenn man ohne Miniaturen spielt: - Wer steht wo?
- Spieler, die ihre Charaktere verbal durch die Gegend zu "beamen" verstehen (oder es zumindest versuchen).
- Ständiges Nachfragen, wo denn nun der Gegner ist, ob man an diesen oder jenen noch herankommt, usw.
- Distanzen, Positionierungen, überhaupt jegliche TAKTIK ist nahezu unmöglich ohne konkrete Visualisierung
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--- Einschub ---
Man kann auch mit ANDEREN Visualisierungsmöglichkeiten spielen als nur mit Miniaturen und Battlemap. Die Fragestellung habe ich aber so verstanden, daß man GRUNDSÄTZLICH OHNE Visualisierung, also auch ohne Bonbons, statt Miniaturen, ohne Bleistiftskizze mit Kreuzchen für die Position, oder ohne das "Nadelspiel" spielt. - Wir spielen aktuell daheim auf einem ausrangierten, ziemlich großen Whiteboard, daß als Tischplatte dient. Da kann man problemlos schnell etwas aufzeichnen und wieder wegwischen. Somit braucht es nicht elaborierte Dundjinni-Battlemaps und (selbstangemalte) Miniaturen zur Visualisierung, sondern es geht auch mit anderen Mitteln. - Die von mir geschilderten Erfahrungen beziehen sich jedoch auf das Spielen OHNE JEGLICHE greifbare "tactical map" für die Spieler und den Spielleiter.
--- Ende des Einschubs ---
Was insbesondere beim Spielen ohne Miniaturen mißfallen hat:
- Kaum jemand hat Tricks, Test of Will, Ganging-Up und dergleichen genutzt, da nicht klar war, ob ein Trick z.B. einem anderen SC bei dessen Gegner nutzen würde, bzw. da nicht klar war, wer eigentlich alles gerade wen tatsächlich im Kampfgeschehen "bindet".
- Keine Verwendung der Szenerie, da es keine Szenerie gab. Diese wurde zwar beschrieben, aber die Beschreibung wird praktisch sofort wieder vergessen und - da nicht offensichtlich immer optisch präsent - bestenfalls durch Nachfragen nochmals aufgefrischt. Weit weniger Ausnutzen der Szenerie für Tricks, für coole Stunts, für das Abdrängen der Gegner, usw. war die Feststellung.
- Charaktere mit durch teuer erkaufte Edges vorhandenen Vorteilen konnten diese nicht so effektiv bzw. garnicht zum Tragen bringen, wie beim Spiel mit Szenerie. Besonders schlimm: Sweep, Fleetfooted, Florentine. Die betreffenden Spieler fühlten ihre Charaktere mit "nutzlosen Vorteilen, die eh nie drankommen" ausgestattet. Auf der Battlemap wären diese Vorteile bei demselben Szenario GARANTIERT zum Einsatz gekommen bzw. hätten den Unterschied ausgemacht (Beispiel: Wenn sich alle 6" bewegen können und einer kann sich 8" bewegen, dann ist dieser Unterschied auf der Battlemap offensichtlich ein Vorteil. Beim reinen Beschreiben muß der Spielleiter daran denken, diesem Charakter ab und an mal ein "Bonbon" zu schenken, daß er noch an einen Gegner herankommt, der sonst noch nicht in der Runde erreichbar gewesen wäre.)
- Alles in allem bei solchen Edges, die sich auf Positionierung auf der Battlemap beziehen: Der Vorteil hängt nur noch von "Geschenken" des Spielleiters ab, der auch noch ständig mitverfolgen muß, wer welchen Vorteil überhaupt hat. Beim spielen mit Miniaturen sorgt der Spieler SELBST dafür, daß er in die Position kommt, die ihm erlaubt seinen Vorteil auszuspielen, und nicht der Spielleiter, der dem Spieler den Effekt des Vorteils ab und an "schenken" muß.
- Die Kämpfe haben DEUTLICH LÄNGER gedauert, obwohl die Anzahl an Beteiligten für Kämpfe auf der Battlemap lächerlich gering gewesen wäre (unter 20 Beteiligten im Endkampf insgesamt - das ist für SW ja schon eine geradezu "private" Szene, bei so wenigen Beteiligten). Durch das ständige Nachfragen, wer denn wo ist, durch MEHR BUCHHALTUNG, weil man nicht mittels der Figuren das Notieren von Shaken, von Wunden, usw. total einsparen konnte, waren die Kämpfe viel zäher und weniger flüssig und überhaupt nicht FFF.
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Was waren die Vorteile beim Spielen ohne Miniaturen:
KEINE.
Ernsthaft.
Es gab NICHT EINEN VORTEIL, den man feststellen konnte.
Manche führen ja an, daß sie beim Aufbau der Szenerie und beim Herauskramen der Miniaturen "aus ihrem Eintauch-Gefühl" herausgerissen würden.
Das ist natürlich Unfug, weil einen auch schon der Harndrang, der Pizzamann, das Handy, oder der Würfel, der in die Teetasse hopst aus dem "Eintauchen" herausreißen.
Die Vertreter dieser "Immersions-Bruch-These" unterschlagen natürlich immer, daß man genauso schnell wieder "drin" ist, wie man draußen ist. Dem Nebenmann fällt die Handvoll Kartoffelchips in den Kaffeepott. Alles lacht. Weiter geht's. Kein Problem mit einer solch volatilen Qualität wie dem "Eintauchgefühl".
Es ist ja auch nicht so, daß es bei meinen Runden ständig lange Pausen für das "Kulissenschieben" gäbe. Ganz im Gegenteil. Modulare Szenerie (z.B. von WorldWorks) oder gutvorbereitete, optisch ansehnliche Battlemaps (mit Dundjinni erstellt) sorgen sogar für MEHR und SCHNELLERES Gefühl "wirklich da zu sein", wo die Charaktere sich befinden, als wenn man den z.T. zwangsläufig längeren Beschreibungen des Spielleiters lauschen muß und man nur einen Bruchteil der vorgetragenen Informationen überhaupt verwerten kann.
Ich habe mir angewöhnt auch ganz klare Nicht-Kampfszenen mit Szenerie und genauer Positionierung der Figuren auf dem Tisch auszuspielen. Da kann man seinen Charakter lässig neben dem Kamin stehen lassen, während sich arrogante Adelige des Mitspielers gleich im Mittelpunkt der Einrichtung des Raumes niederläßt, daß allen klar ist, daß ER der wichtigste im Raum ist. - Spielt man normale Szenen auch mit Battlemaps aus (die meisten Szenarien haben ja schöne Darstellungen der Arbeitszimmer oder Werkstätten usw., in denen längere Gesprächsszenen erfolgen), so ist der Übergang zu körperlicher Gewalt sogar ganz OHNE "Umbau" möglich.
Ich habe wirklich VIELE Faltfiguren aus Papier für sehr viele Genres und in unterschiedlicher Machart, unterschiedlichem Stil. Wenn ich in Deadlands:Reloaded eine Kneipenschlägerei nicht ausschließen möchte, dann plaziere ich in einer Saloon-Szenerie gleich mal 30 oder 40 Figuren, die sofort OPTISCH klarmachen, wie voll der Laden eigentlich ist. Dann ist auch klar, daß man sich nicht einfach so durch 20 Leute "beamen" kann, wenn man sieht, wie der korrupte Deputy gerade durch den Hinterausgang verschwinden will. - Allein diese Art Szenen aufzusetzen hat zu den spannendsten Westernverfolgungsjagden durch nächtliche Boomtowns geführt, die ich je gespielt habe. Ohne Miniaturen wäre das ganze nur noch flach gewesen.
Man muß sich ja nicht verkünsteln und für jede Eventualität die maßgeschneiderten Räumlichkeiten und Figuren haben. Einen guten Satz an generischen Szenerien und eben modular zusammensetzbare Szenerien sind hier von unschätzbarem Wert.
Noch einmal zum "Untertauchen".
Wenn eine Szene, egal ob als Miniaturen-Gesprächszene aufgebaut oder ohne jegliche Miniaturen abgewickelt, zu einer Kampfszene eskaliert, dann ist der Ruf nach "Initiative" immer etwas Besonderes.
Das ist, wie wenn sich in einem Computerspiel oder in einem Film die Hintergrundmusik ändert und man nun WEISS, daß jetzt etwas Spannendes und Gefährliches passieren wird.
Somit ist das auf den Tisch Legen der Battlemap, die mit großen Augen studiert wird, der Zeitpunkt, wo sich sofort die Taktiker die "sweet spots" herauspicken, wo die Nicht-Taktiker über die schönen Details, das Kolorit der Battlemap, die Einrichtungsgegenstände, Fahrzeuge, Fußspuren usw. zu erhöhten Glaubwürdigkeit der Szenerie der Actionszene enthält, freuen können.
Die Positionierung der Figuren. Der eigenen SCs-Figur, der eigenen Alliierten. Die Positionierung der NSCs, der Gegner, der Unbeteiligten, der Fahrzeuge usw. - Das alles sind die Kameraeinstellungen, die jedem dieser Szenen-Elemente eine kurze Großaufnahme schenken und die man - weil sie ja immer noch für jeden sichtbar auf dem Tisch sind - auch nicht vergißt.
Wenn man ein solches Spiel wie Savage Worlds, welches cinematische Elemente mit taktischen und darstellerischen verknüpft, spielt, dann möchte man auch für alle diese Elemente etwas Unterstützung in den Szenen haben.
Durch schöne Szenerie gewinnt eine Kampfszene an Bedeutung. - Der Kampf mit den Schlägern in der Gosse kann mit ein paar Strichen der wasserlöslichen Stifte auf dem Whiteboard visualisiert werden. Dieser Kampf ist minderwichtig und es gibt kein großes Special-Effects-Budget dafür. - Der Endkampf in einer Stadt voller wahnsinniger, bewaffneter Fanatiker, wo man mit einer Handvoll gegen die gesamte Stadt antreten muß und sich die Vorgehensweise GENAU überlegen muß, der verdient MEHR SZENERIE und MEHR AUFWAND bei der Szenerie.
Wenn ich aufwendige Szenerien auf den Tisch bringe, dann ist gleich die Bedeutung der Szene gleich größer, als wenn ich nur eine händische Skizze auf einer Battlemat oder dem Whiteboard anfertige. (Das muß nicht immer sein - je nach Ausstattung, die greifbar ist, kann das auch anders aussehen. Wenn ich daheim vor Regalen voll Papier-Gebäude und Szenerie-Elementen spiele, mache ich das so. Auf Cons komme ich aber nicht mit drei Schrankkoffern voll 3D-Szenerie, sondern eher mit 2D-Battlemaps oder gar nur eine Battlemat zum Draufmalen. - Je nachdem, was gerade verfügbar ist, kann man diese Möglichkeit eine Szene aufzuwerten nutzen oder nicht.)
Genauso die Figuren. Ich MAG die Faltfiguren aus Papier, da ich mir aus diversen Quellen einfach Bilder für meine NSCs selbst aus dem Internet holen kann, diese in eine Faltfigur verwandle und so eine IDEAL auf den von mir erdachten NSC passende Miniatur im Spiel verwenden kann. Vor allem kann man mit etwas Bildbearbeitungsgeschick auch die wüstesten Sonderfiguren, die man eh nicht als Plastik- oder Metall-Miniatur kaufen können wird, basteln. Und man kann UNMENGEN an Extras-Horden auf den Tisch bringen (das geht auch bei Deadlands Classic, wie wir letztes Wochenende festgestellt haben, aber da waren hundert Figuren auf der Szenerie so ziemlich die Obergrenze dessen, was ich JEMALS WIEDER bei Deadlands Classic in eine Kampfszene packen werde - mit DL:R wäre das in einem Drittel der Zeit gegangen und ich hätte nochmal so viele Figuren auf den Tisch gepackt (der Schurke hätte noch ca. 150 Zombies mehr in petto gehabt, die ich aber nicht bringen konnte - es hat so schon lange genug gedauert; Deadlands Classic halt)).
Was ich durch Savage Worlds und den EINFACHEN Umgang mit Miniaturen verloren habe, ist die ANGST vor der Anzahl an Gegnern in Kampfszenen. In D&D 3E habe ich einen HORROR davor gehabt mal 50 Gegner auf den Tisch zu bringen. Das dauerte lange und ich HASSTE die Buchhaltung jedes öden Hitpoints. - Ein Regelsystem mit Hitpoints, statt der Wundenstufen von Savage Worlds (oder Deadlands Classic, was das betrifft) würde ich NICHT mehr mit solchen Szenenumfängen leiten wollen. Mir macht es ja Spaß große Mengen NSCs als taktische Herausforderung für meine Spieler aufzufahren. Aber die Verwaltung von deren Spielwerten ist für mich das Gegenteil von Spaß. - Klar, es gibt Rollenspiele, bei denen man das Ganze dann einfach beschreibend per "Handwedeln" des Spielleiters abwickelt. Nur ist das für mich als Tactician und Buttkicker völlig unbefriedigend. Da beschneide ich genau das, was MIR als Spielleiter und was MEINEN Spielern Spaß macht, nur weil das Regelsystem nicht in diese Bereiche skaliert.
Bei Savage Worlds habe ich nicht nur keine Angst vor großbestückten Kämpfen mehr, sondern ich kann meinen Spielern endlich das Gefühl bieten, daß sie WIRKLICH mit wenigen SCs und Alliierten gegen eine ganze Armee standgehalten haben. Und das OHNE "Handwedeln" und ohne "Geschenke" des Spielleiters, sondern allein aus dem spielerischen Einsatz der SPIELER SELBST.
Ich habe gerade WEGEN der guten Skalierbarkeit von Savage Worlds mit Miniatureneinsatz Szenen spielen können, die insbesondere in unserer "Alte Säcke (tm)"-Runde, in der ich der Jüngste bin, bei Spielern mit 20, 25, 30 Jahren Rollenspielerfahrung echte Rührung ausgelöst haben. Nicht Emo-Gejammere, sondern Rührung, weil man selbst ein HELD sein konnte.
Das ist ein weitere Punkt, der beim Spielen mit Miniaturen eine Rolle (sic) spielt: Die Miniaturen und wie sie sich auf der Szenerie bewegen spielen ROLLEN.
Der vorsichtige Charakter hält sich stark am Rande, in Deckung und stürmt nicht mitten ins Getümmel. - Der umsichtige Kommandeur schart die Alliierten um sich (um sie auch in den Genuß seiner Command Edges zu bringen) und sorgt dafür, daß sie geordnet den Gegnern entgegentreten. - Die Sniper picken sich die Anführer der Gegner heraus (und die gegnerischen Sniper!). - Die Kavallerie macht einen Durchbruch durch die (nachdem die Sniper die Offiziere der Gegner ausgeschaltet haben) führungslosen Truppen. (siehe den entsprechenden
Beitrag mit den Bildanhängen im Blutschwerter-Forum; hier meckerte die Forensoftware, daß die Bilder zu groß seien)
Mittels der Miniaturen können auch nicht so eloquente Spieler die besonderen Eigenheiten ihrer Charaktere in Kampfszenen leichter ausspielen. Und auch Charakterzüge, die sich an anderen Stellen im Spiel nicht so krass auswirken, wie im Kampf, treten durch rollengerechten Miniatureneinsatz umso deutlicher hervor.
Wichtiger Punkt: Das ist für mich der UNTERSCHIED zu Tabletop-Konflikten - die TT-Miniaturen sind nur Träger von Kampfkraft, aber sie sind keine Charaktere in der Spielwelt, an ihnen hängt nichts und niemand (auch nicht ganz wahr, aber doch nicht vergleichbar mit dem Rollenspiel). Im Rollenspiel mit Miniaturen sieht man umso deutlicher, wie der eine, einzelne Charakter - gespielt nach den Besonderheiten seiner Rolle, seines Charakterkonzepts, seines Hintergrunds - etwas BESONDERES ist. Er ist MEHR als nur ein Kampfkraft-Träger.
Wenn sich die nicht besonders kampffähige Nonne als Pazifistin mit heroischen Anwandlungen mitten ins dickste Kampfgetümmel stürzt, um einen verwundeten Extra zu retten, und sich in dieser Folge andere SCs bemühen müssen, die Nonne vor Schaden zu bewahren, dann wäre das im Tabletop kein schlauer Zug gewesen. Im Rollenspiel ist das Ausspielen von Heroic, Pacifist und Stubborn der Nonne. - Die GRÜNDE für Handlungen auf der Battlemap sind im Rollenspiel mit Miniaturen z.T. völlig andere als die beim Tabletop.
Mir haben sich jedenfalls durch die Leichtigkeit, mit der mittels Miniatureneinsatz in Savage Worlds die Kampfszenen von der Hand gehen, ganz neue Möglichkeiten für meine Spielgestaltung erschlossen, die mit anderen, in der Handhabung einfach umständlicheren Regelsystemen nicht befriedigend umsetzbar oder überhaupt nicht möglich gewesen wären.
Angefangen von einer "privaten" Auseinandersetzung mit insgesamt fünf Beteiligten in einem grob skizzierten Rechteck auf dem Whiteboard bis 500+ Figuren auf dem Wohnzimmerfußboden skaliert das SW-Normalkampfsystem ausgezeichnet. Und für alles, was WIRKLICH große Anzahlen an Kämpfenden aufweist, da gibt es ja das Massenkampfsystem.