Das ist mir nicht ganz klar: Denn man entscheidet ja vor dem Konflikt, was die Stakes sind. D.h. alle am Tisch wissen bereits, welche zwei möglichen Konflikergebnisse es geben wird.
Stakes sind keine Konflikt
ergebnisse! Das ist ein ganz wichtiger Unterschied, und Stakes zu formulieren, die das Konfliktergebnis nicht bereits vorwegnehmen, ist ein, wenn nicht
der entscheidende Lernprozess beim Üben von PtA. Wirklich toll wird es, wenn man es auch noch schafft, Stakes zu setzen, die bereits die Möglichkeit eines großartigen Ergebnisses andeuten, aber es immer noch nicht vorwegnehmen (sog. "Hammerstakes"
). Alle am Tisch sollen und dürfen wissen, worum es im Konflikt geht, aber wie er letztendlich ausgeht, das ergibt sich erst in der Phase, die nach der Konfliktauflösung mit den Karten kommt, und zwar durch die Kreativität der gesamten Gruppe unter Federführung desjenigen, der das Erzählrecht gewinnt.
Eine Faustregel für den Anfang ist vielleicht, dass Stakes allgemein bleiben, die Auflösung aber konkret ist, und vor allem etwas über die Protagonisten aussagt, die am Konflikt beteiligt sind. "Gewinnt den Kampf/verliert den Kampf" verrät noch nicht viel über den Protagonisten. Wie jemand gewinnt oder verliert, ob er/sie blutige Rache schwört, mit unfairen Tricks kämpft, sich Hilfe holt, würdelos um Gnade fleht, mit Schmach und Schande aus dem Ring flieht - das entwickelt einen Protagonisten weiter. Man sollte sich immer vergegenwärtigen, dass PtA sich ja an modernen Fernsehserien orientiert, und nicht an Filmen, Kurzgeschichten oder Computerspielen. deshalb geht es immer darum, die Entwicklung eines Protagonisten voranzutreiben, und duch das Verhalten eines Charakters in einer speziellen Situation seinen/ihren Charakter und die innere Entwicklung zu illustrieren.
Dieses Prinzip durchzieht alle Phasen von PtA.
Framing: Die Protagonisten geraten nicht in irgendwelche beliebigen Situationen, sondern in solche, die sie vor Probleme stellen, die ein bestimmtes Element ihres Charakters ansprechen. Schön bei PtA ist, dass alle hier Input geben dürfen. Leitlinie sollte hier weniger sein, was eine "gute Geschichte" ergeben könnte, sondern: "In welcher Situation wäre es cool, diesen Charakter mal zu erleben? Unter welchen Umständen könnten wir etwas spannendes, neues über ihn/sie erfahren?"
Entwicklung durch Rollenspiel: Die Situation spitzt sich zu - hin auf einen Konflikt des Protagonisten mit äußeren Umständen
Stakes: Die Zuspitzung beinhaltet, dass für den Protagonisten Handlungsalternativen auftauchen, die jeweils unterschiedliche Richtungen anzeigen, in die sich der Charakter verändert. Um bei dem Beispiel mit dem Kampf zu bleiben: Es ist zweitrangig, ob er oder sie gewinnt oder verliert, es geht vielmehr darum, was Gewinn oder Verlust mit dem Charakter anstellt.
Auflösung: Die Veränderung des Charakters wird durch seinen/ihren Umgang mit der Situation illustriert. Wir erleben also als Zuschauer, wie sich durch die Handlung des Charakters äußert, wer er oder sie ist oder besser noch: Wer er oder sie geworden ist, indem die vorangegangene Situation bewältigt wurde. In dieser Phase ergibt sich auch Material für neue Szenen (wie reagieren die anderen Protagonisten auf diese Veränderung des Charakters? Wie die Umwelt, wie er oder sie selbst?). Gute Konfliktauflösungen zeigen nicht nur eine neue Seite des Protagonisten, sondern treiben auch die Serie insgesamt voran, weil sie neue Handlungsmöglichkeiten für andere andeuten.
Dieser Grundgedanke unterscheidet PtA auch ganz wesentlich von anderen Rollenspielen, die sich nicht an Fernsehserien orientieren, Auch bei DSA, Shadowrun oder Warhammer kann es zu solchen Szenen kommen, aber sie sind nicht die Regel, weil in diesen Spielen das Geschehen tendenziell weniger als Mittel gesehen wird, eine Aussage über die Entwicklung eines Protagonisten zu treffen. Auch bei PtA kann es Szenen geben, in denen nicht durchgängig auf den "Story Arc" eines Protagonisten fokussiert wird, und die sich wie "ganz normales Rollenspiel" anfühlen. Sie sind aber nicht die Regel, weil ein großer Teil der Mechanismen von PtA eben die Serienorientierung vorantreibt. Ob man an PtA Spaß hat, entscheidet sich auch ganz wesentlich darüber, ob man die Erzählweise von Fernsehserien versteht und mag und auch im Spiel umsetzen möchte.
So, das war die lange Erklärung
. Lass dich nicht einschüchtern, man lernt am besten, wenn man für den Anfang ganz stur nach den Regeln spielt, also aktiv versucht, sich nicht daran zu orientieren, wie man Rollenspiel so kennt, sondern sich auf ein Spiel einstellt, dass man erstmal kennenlernen muss, wie ein neues Brettspiel. Es kann auch helfen, sich gemeinsam mal ein paar Folgen von Serien anzugucken, in denen die oben beschriebene Erzähltechnik besonders deutlich wird. Bsp.
Buffy the Vampire Slayer Staffel 3 aufwärts,
Six Feet Under,
The Wire,
Battlestar Galactica,
Queer as folk. Bei allen diesen Serien kann man teilweise 1:1 den Rhythmus von Framing - Zuspitzung - Konflikt - Auflösung mit Wandlung des Protagonisten beobachten.