Sløborn - "Walking Dead" auf deutsch ohne Zombies: Die dritte und letzte Staffel der deutschen "Corona"-Apokalypsen-Serie "Sløborn" gesehen: Nur 16% der Menscheit überlebt, davon überwiegend Jugendliche. Die dritte Staffel und auch die ersten beiden Staffeln gibt es in der Mediathek,
hier lässt sich alles auch runterladen.
Autor&Kameramann&Regisseur ist
Christian Alvart, einer der wenigen deutschen Regietalente, die sich nun schon über viele Jahre an
"German Genre" versuchen.
Ich bin hin- und hergerissen:
Der Castgefällt mir bishin zu stummen Nebenfiguren ausgezeichnet. Und wenn sie doch den Mund aufmachen, dann sprechen sie so gut wie keine cringen Dialoge. Es gibt wahnsinnig viele Figuren, kaum eine wird schlecht gespielt, und doch sind fast alle eher unbekannte, teils Amateur-Gesichter: Das halte ich für eine große Regieleistung.
Der LookAus dem begrenzten Budget holt das Produktions-Design-Team das Maximum heraus: Menschenleere Klein- und Großstadtstraßen, weit umlaufende Mauern und andere Begrenzungsanlagen, viele Drehorte in 6 Folgen (3. Staffel). Kleiner Wermutstropfen: An sehr wenigen Stellen ist mieses CGI sichtbar. Die Gewaltdarstellung ist manchmal drastischer (aber immer noch FSK 16), aber trifft ein sehr gutes Maß: Durch diese (manchmal überraschenden) Momente des Horrors wird eine hilfreiche Unsicherheit über Geschichte gelegt. Weil wir ab und zu schlimmes gesehen haben, muss wiederum nicht alles schlimm gezeigt werden. An Statisten wird nicht gespart, wenn man mal viele Menschen erzählen möchte.
Die Kameraarbeitgefällt mir insgesamt gut. Viel Handkamera, oft nahe an den Figuren. Nicht zu hollywood-technisch ausgeleuchtet, und doch schöne Bilder. Viele Drohnenaufnahmen, aber immer passend. Die Vorstellung, dass Deutschland nach der Entvölkerung so aussehen könnte, geht für mich in den gewählten Bildern und Sets sehr gut auf.
Das Drehbuch(hier beziehe ich mich auf die 3. Staffel) unterläuft manches Mal die Erwartungen: Nicht alle Guten überleben; manchmal gehen Dinge ganz schnell, manchmal wird ein kleines Hindernis ein großes. Besonders gut gefällt mir, dass einige Figuren Dinge spontan und auch falsch entscheiden, weil die Pläne nicht nach Plan verlaufen. So wird aus manchen Vorhaben eine unvorherzusehende Abfolge von (tödlichem) Chaos, während andere Momente mit einer versteckten Bedrohung so ausführlich gefilmt werden, dass man eine Eskalation befürchtet - die dann nicht eintritt. Das hält Unsicherheiten aufrecht und trägt zum Plus der Serie bei.
Trotzdem unterliegen manche Figuren dann doch der klassischen, poetischen Gerechtigkeit. Sie erhalten ihre Strafe, weil sie sie aufgrund der "Sünden ihrer Vergangenheit" "verdient" haben. Ganz ohne die Gerechtigkeit mag man nicht auskommen, aber letztlich war es mir dann doch zuviel. Insgesamt gefallen mir die Motivationslagen der allermeisten Figuren gut - ich halte sie für nachvollziehbar.
Die dritte Staffel nimmt ein dann einigermaßen hohes Tempo auf. Das gefällt, aber wenn dann noch neue, interessante Themen aufgegriffen werden, zB in welche Richtung der Neubau der Gesellschaft stattfinden soll, dann kann ich zwar positiv hervorheben, dass Alvart hier zwar alle Seiten der Ideen beleuchtet, aber für mich findet diese Betrachtung dann doch in einem zu hohen Erzähltempo statt.
Der Robinsonade-Faktor/das WorldbuildingWie schnell kommen die Leute an Saatgut, wie lange kann man noch auf Diesel zurückgreifen? Kommt man wirklich im Zweifel an so viele schwere Gewehre in Deutschland? Lässt sich medizinische Hochtechnologie wirklich so gut improvisieren? Da kann man sicher auch mal die Stirn runzeln, aber mir scheint das Worldbuilding doch insgesamt solider als bei "Fear the Walking Dead".
Musikeinsatz/TonAlvart produziert auch die gerade erschienene Serie "
Oderbruch" (auch teils Regie), die viele Prinzipien von "Sløborn" noch stärker einsetzt, so den Musikteppich. Ist er bei "Sløborn" noch etwas dezenter, sowohl in Lautstärke als auch in Häufigkeit, so überdeckt er in "Oderbruch" alles andere.
Weil die Figuren beider Serien zudem kein artikuliertes Theaterdeutsch sprechen, sondern nuscheln, murmeln, Silben verschlucken - was zu ihrer Glaubwürdigkeit beiträgt - sind sie zusammen mit der Musik schon in Sløborn manchmal nur schwer zu verstehen - und in Oderbruch ist der Klangteppich gegenüber dem Dialogton dann so laut gezogen, dass ich mir wirklich Untertitel gewünscht habe. kurz: In Sløborn war's schon schmerzhaft, in Oderbruch so unerträglich, dass ich nicht weiter geschaut habe.
Ist Sløborn gut gemachter Trash oder einfach gut?Ich habe mich noch nicht entschieden. Aber weil ich es unterm Strich für besser als "Fear the Walking Dead" -halte (<- ist auf jeden Fall Edeltrash), und es dann auch noch überzeugend in Deutschland spielt und hier produziert ist, möchte ich Sløborn auf jeden Fall Respekt zollen, auch ohne die Frage beantworten zu können.