Pen & Paper - Spielsysteme > City System
[City System] Warum Spielen ohne SL gut für den gemeinsamen Vorstellungsraum ist
Joerg.D:
Es geht ja zur Zeit mal wieder auf und ab im Forum und viele User machen sich Gedanken darüber, ob man Rollenspiel ohne Spielleiter spielen kann. Meine Systeme sagen ja, dass sie keinen Spielleiter benötigen und dennoch hat Western City eine Mechanik, die es orientierungslosen Spielern ermöglicht, das Spiel quasie mit ständig wechselnden SLs zu spielen, den Silver Dollar. Der hat zwar auch eine taktische Komponente wird in erfahrenen Gruppen aber so gut wie nie eingesetzt, weil es eben auch ohne geht.
Aber der macht das Spiel immer noch nicht zu einem Spiel mit SL oder vielen SLs, er ist bloß eine Krücke um Spielern zu helfen, die mit der neuen und ungewohnten Freiheit nicht umgehen können.
Ohne SL zu spielen ist am Anfang oft anstrengend für die Spieler. Wenn man sich beim "normalen" Spiel hinsetzt und seinen Charakter spielt hat man den SL, der sich Gedanken darüber macht, wie die Welt aussieht und dafür sorgt, das es ein Abenteuer gibt. Er entscheidet oft bei strittigen oder unklaren Regelaussagen und sorgt dafür, das die Spieler sich unter seiner Aufsicht ins Spiel einfügen oder fühlen.
Damit ein Spiel funktioniert, müssen die Spieler alle das selbe Spiel spielen. Das bedeutet zuerst einmal, das sie alle nach den selben Regeln spielen sollten oder müssen. Diese Regeln werden bilden also das Fundament des Spieles und werden vom SL und oft auch einigen fleißigen Mitspielern überwacht.
Wenn die Gruppe jetzt also nach den Regeln (und seien sie an die Vorlieben der Gruppe angepasst) spielt, dann ist es schon mal ansatzweise so etwas wie ein Gemeinsamer Vorstellungsraum, von dem so gerne geredet wird. Regeln gehören für mich aber nicht zum Vorstellungsraum, sie sind in meinen Augen die Grundlage für ein gemeinsames Spiel. (das Fundament eben)
Wenn die Regeln feststehen kommt der nächste Faktor, der im Spiel wichtig ist. Das Reflektieren der Regeln in der Auseinandersetzung mit einer fiktiven Welt.
Die fiktive Welt (das Setting) ist das Haus, welches auf dem Fundament der Regeln gebaut wird. Wenn es ein gutes Regelwerk ist lassen sich Ableitungen für Situationen finden, die nicht durch Regeln abgedeckt sind. Die Regeln unterstützen mechanisch die Erschaffung einer gemeinsamen Fiktion.
Trotzdem kommt es durch die Interpretation der Regeln und der subjektiven Wahrnehmung jedes Spielers immer wieder zu Unklarheiten in Bezug auf die Welt. Bestimmte Ereignisse oder Fakten werden von einzelnen Spielern oft anders wahrgenommen, als von anderen Spielern. Das kann zu einem Bruch in der Fiktion führen, die Spielwelt fühlt sich für den Spieler nicht mehr logisch an. Sie wirkt für den zweifelnden Spieler unglaubwürdig und sein Spielspaß leidet darunter.
Üblicherweise wird diese Definition vom Spielleiter festgelegt und dem Spieler erklärt um dessen Bruch in der (subjektiven) Logik zu erklären. Diese Erklärung dient dazu dem Spieler die Möglichkeit zu geben, wieder die selbe Fiktion zu erleben wie die anderen Spieler.
Aber muss es ein SL sein, der die Fiktion interpretiert?
Nein, das muss nicht der SL sein. Die Gruppe kann es sogar VIEL BESSER gemeinsam machen.
Bei Spielen wie PTA, Western City oder Universalis bauen die Spieler gemeinsam eine Welt. Sie erschaffen gemeinsam die Fiktion und sind ALLE für die Interpretation der Fiktion zuständig. Es gibt keinen SL, der die Macht hat, den anderen Spielern vorzuschreiben, wie etwas interpretiert zu werden hat.
Die Fiktion der Welt entsteht aus dem Konsens der Gruppe und sie ist extrem mächtig, weil jeder Spieler durch die Verhandlung der gemeinsamen Fiktion ohne Logikbrüche in sie eintauchen kann. Eine Fiktion ist kraftvoller, wenn sie der Logik des Spielers entspricht. Er verwendet dann dann keine Energie darauf, an der Welt zu zweifeln oder den Ärger über Logikbrüche zu unterdrücken, sondern fühlt sich in der logischen und seinen Wünschen entsprechenden Welt einfach wohl. Seine kreative Energie kann sich also ganz ungehindert entfalten und die Welt bereichern.
Auf dem Fundament wurde also ein Haus gebaut, in dem die Räume so aufgeteilt sind, das sich jeder Spieler gerne in ihnen aufhält. Er fühlt sich wohl in diesem Haus, was das gemeinsame Spiel deutlich vereinfacht.
Es braucht also definitiv keinen SL um die gemeinsame Fiktion zu synchronisieren. Ich habe wirklich genügend entsprechende Runden mitgespielt um diese Aussage treffen zu können. Es erfordert zwar ein aktives Eingreifen und mitgestalten der Spieler, aber dafür hat man etwas, das allen gefällt.
Wenn ich jetzt das Fundament der Regeln und die darauf durch gemeinsame Fiktion erschaffene Welt nehme, dann habe ich den gemeinsamen Vorstellungsraum der Gruppe. Die Spieler nehmen die Spielwelt mit den Regeln und der Fiktion als Gesamtergebnis war und fühlen sich wohl. Alle Spieler spielen das selbe Spiel und haben ohne SL Spaß dabei, weil das Ergebnis durch Verhandlungen entstanden ist und nicht durch Druck oder eine Fremdinterpretation des SL.
Natürlich müssen die Spieler diese Welt noch mit ihren Ereignissen und Herausforderungen des Tages füllen, um den Spielaspekt richtig zu würdigen. Doch die gemeinsam erschaffene Welt bietet ihnen dafür einen hervorragenden Platz, an dem sich einfach alles richtig anfühlt.
Callisto:
*abo*
Das muss ich mir heute abend mal durchlesen, vom Überfliegen her ists schon mal interessant :)
Maarzan:
Im Prinzip stimmt das schon alles, aber nur, wenn man die Fiction in den Mittelpunkt stellt.
Denn letztlich lebt das dann nur, wenn die Beteiligten nicht nur die Einflussmöglichkeit - also das Recht haben, sondern umgekehrt dieses auch kontinuierlich nutzen - also ihrer Pflicht innerhalb dieses Konzepts bewußt werden und ihr folgen.
Diese Aktivitäten sind aber für Leute, welche nicht die übergeordnete Fiktion, sondern andere Aspekte wie eben Eintauchen in die Rolle oder die Herausforderung in den Mittelpunkt stellen ein Bruch, welcher ihren Spielspaß mindert bis bricht.
In dem Sinne sind Erzählspiele in der Form sicher sogar besser bedient, weil sie alle Leute direkt in den Kern ihres Fokus einbindet. Für alle anderen gefährdet sie das Spielergebnis, weil diese Betätigung auf Kosten ihres eigentlichen Fokus geht und im Extremfall diesen sogar aushebeln, wenn die Pflicht und die Kür zeitgleich anliegen und so das eigentlich angestrebte Spielgefühl verhindert wird.
Wolf Sturmklinge:
Hast Du was gegen Spiele wo es einen SL gibt? Würde Deinem Posting nicht diese Hintergrundstrahlung mitschwingen, hätte ich den Text mit Genuß gelesen. Ich habe schon lange vor den von Dir genannten Systemen versucht ohne Spielleiter zu spielen. Dort hatten wir keinen Silver Dollar, sondern ein freies Weitergabesystem ( " Du bist jetzt dran" ) oder per Zufall (Würfel). Ich hatte gute und schlechte Erfahrungen, die schlechten haben es später allen Spielern versaut.
Gibt es bei dem von Dir genannten Systemen irgendeine Form von Regulierung? Nach meiner Auffasung nach ist bei dem SL-losen Spiel die Wahl der Mitspieler äußerst wichtig, oder wie siehst Du das?
Joerg.D:
Nun, beim City System muss man aufgrund der Ressourcen Regelung mit den Chips Einfluss auf die Fiktion nehmen, wenn ein Spieler es nicht macht, dann kommt die Erschaffung der Fiktion zum erliegen.
Ich widerspreche dir nicht einmal, das es im Spiel zum Bruch kommen kann, wenn man andere Ziele hat. Aber das muss es auch nicht, wenn das Setting erst einmal definiert ist. Dann kann man sich dem Spielen und was einem daran wichtig ist widmen und zwar ohne sich Gedanken über andere Sachen zu machen, die einem nicht gefallen.
@ Wolf
Nö, ich habe absolut nix gegen Spiele mit einem SL. Ich leite selbe mit sehr viel Spaß, doch das hat nichts mit dem Thema zu tun. Er geht eben darum, warum spielen ohne SL gut für den gemeinsamen Vorstellungsraum ist und nicht um die Vor und Nachteile im Vergleich zum Spielen mit SL.
Die Regulierung erfolgt bei PTA gar nicht, bei Universalis geht es über Ressourcen und Würfeln und beim City System ist es ein geschlossener Ressourcenkreislauf, der für Gerechtigkeit sorgt.
Die Wahl der Mitspieler ist bei Regulierung wie im City System nicht so wichtig wie ohne in PTA.
Navigation
[0] Themen-Index
[#] Nächste Seite
Zur normalen Ansicht wechseln