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[JdT] Western City - gemeinsame Handlungserstellung

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Don Kamillo:
Western City – ein Tag auf Schienen

Western City ist ein spielleiterloses System, was durch gemeinsame Planung der Geschichte und einem Bietsystem, mit dem man NSC’s steuern und Fakten erschaffen kann, besticht.

Näher beschreiben wollte ich hier und jetzt die Erstellung der Handlung des Western City-Tages/ Abenteuers anhand einer Spielrunde im Rahmen der Morphues-Con vom letzten Samstag.

„Also, wir sind 6 Leute, ich nehme mich aus den Charakteren raus, werde mich um NSC’s kümmern und kräftig den Laden aufmischen. Jetzt brauche ich aber Szenen, die dann in eine Reihenfolge gebracht werden! Was wollt ihr denn sehen, ich packe auch noch eine Szene dazu.“

1: Hmmm, ich will einen Boxkampf sehen, mit mir gegen meinen Lieblingsgegner.
2: Ich will ein Pokerturnier, mit 10.000 Dollar Einsatz und gleichzeitigem Strippoker von anwesenden Nutten. ( Das war nicht Jörg. )
3. Ich will ein Duell auf einem fahrenden Zug.
4. Ein romantischen Subplot darf nicht fehlen ( Es gab immer hin 1 NSC-Frau ).
5. Gebt mir eine Zombieapokalypse.
6. Die Kneipenschlägerei darf nicht fehlen!

Jetzt bringen wir das in Reihenfolge, packen je eine Szene ( Sonnenaufgang + Sonnenuntergang ) davor bzw. ans Ende und schauen, ob wir den Film so gedreht bekommen.

1. Sonnenaufgang ( Intro, Kamerefahrt über die Szenerie, evtl. kurze Szene )
2. Boxkampf
3. Pokerturnier
4. Kneipenschlägerei
5. romantischer Subplot
6. Duell auf dem Zug
7. Zombieinvasion
8. Sonnenuntergang ( Erzählonkelausklang )

Falls irgendwann irgendwas besser passt, vorschlagen und machen!

Ich halte dies für eine großartige gemeinsame Technik, um die Bahnstrecke für die Schienenfahrt festzulegen, weil jeder weiss, was passiert, und wahrscheinlich auch wann, also kann jeder von vorneherein darüber nachdenken, wie er versucht, seinen Scheffel dazu zu tun, damit es zur nächsten Szene kommt. Es wird ein gemeinsamer Vorstellungsraum erschaffen, den jeder Spieler gleichgut kennt.

Jiba:
Würde ich zustimmen...

Die Kritik an dieser Technik ist aber vielfältig. Das gemeinsame Erschaffen eines Abenteuers durch das Festlegen von Szenen bietet eine wirklich solide Möglichkeit einen (groben) gemeinsamen Vorstellungsraum zu finden (grob deshalb, weil Detailfragen immer noch nicht ausreichend geklärt sind und da immer noch bei verschiedenen Spielern unterschiedliche Vorstellungen dominieren: "Klar liegt Western City an der Grenze zu Mexiko!" "Nein, ich habe immer gedacht es liegt an der Grenze zu Kanada."). Um diese Kontroversen zu beheben gibt es aber natürlich die Chips.

Eine viel häufigere Kritik, die ich höre, ist, dass durch den vorher festgelegten Szenenablauf die Überraschungen im Plot ausbleiben. Exploration betreiben ist nicht möglich. Im Zweifelsfall passieren auch keine unvorhergesehenen Wendungen und es wird nicht richtig spannend (zumindest nicht, wenn die Spieler sich nicht selbst gegenseitig Komplikationen vor die Füße werfen). Wenn man sich sklavisch an die Szenenfolge, die vorher festgelegt wurde, hält, dann bleibt es auch unflexibel, weil dann nachfolgende Szenen u. U. redundant werden könnten. Letztlich ist das Ziel einer Szene oder der Ausgang eines Konflikts aber natürlich von Würfelergebnissen abhängig, die dann auch konsequent akzeptiert werden müssen. Und statt Handwedeln werden Fakten gekauft... mit Ressourcen.

Das aber nur am Rande, ich dachte, es ist vielleicht sinnvoll auf strittige Punkte hinzuweisen.
Bestreiten würde ich aber dennoch, dass ein gemeinsamer Vorstellungsraum nur durch das Erschaffen durch Stationen der Handlung ausreichend zwischen den Spielern synchronisiert wird... das ist ein erster Schritt, aber der Rest muss, falls es zu Kontroversen kommt, eben durch das Steigerungssystem abgefangen werden. Letztlich hält das Ganze aber schon das Versprechen, dass gemeinsames Erstellen einer Handlung gut für den gemeinsamen Vorstellungsraum sei.

Diese Technik lässt sich außerdem sehr gut in anderen Systemkontexten anwenden. Bei "Barbaren!" wird das Abenteuer ja auch gemeinsam geplant, bei anderen Systemen, die stark auf Storygaming setzen (Vorabplannung einer Episode bei "PtA" ist gut denkbar und auch bei "Engel" könnte ich mir das, eventuell kartengestützt, gut vorstellen).

Was mich aber noch interessiert... würdest du wirklich sagen, diese Technik ist mit Railroading verwandt?

Fredi der Elch:
Klingt wie eine interessante Technik. Ich freue mich schon auf das Diary mit Beschreibungen von konkreten Effekten im Spiel. :)

Joerg.D:
Es steht ausdrücklich in den Regeln, dass die Spieler jederzeit die Szenen untereinander tauschen können oder gar neue Szenen erstellen können, die besser passen. Sie schildern die neues Szene und bieten dafür einen Chip.

Ich habe es zwar noch nie erlebt, aber man könnte da gegen theoretisch ein Veto einlegen.

Der Rote Faden ist wie die Heldenreise mehr als Struktur zu verstehen, nicht als Allheilmittel.


Edit: Der soll es den Spielern ermöglichen eine Struktur oder Idee für den Ablauf des Abenteuers zu bekommen. Er sorgt zusammen mit den Zielen des Tages dafür, dass die Spieler wissen worum es im Groben geht. Grund für die Einführung waren Probleme von zwei Gruppen ohne mich, die nicht wussten wie sie das Spiel strukturieren sollen. Da bietet der rote Faden dann die gewünschte Struktur.

Jiba:
Schon klar Jörg.

Mir ging es erstmal darum, grob die wichtigsten Kritikpunkte von Gegnern dieser Technik anzubringen. Auch Exploration und überraschende Wendungen wären ja bei "Western City" schon möglich, denn jede Szene hat ja schon eine Person am Tisch, der für diese Szene SL-Funktion übernimmt. Das heißt, er kann theoretisch die anderen Spieler überraschen - diese haben nur die Macht, es "wegzuvetoen", wenn sie es nicht mögen. Spannung oder ein Spannungsbogen baut sich also, könnte ich mir vorstellen, bei "Western City" innerhalb einer Szene auf und nicht über ein ganzes Abenteuer gezogen. Auch Geschichten, in denen es um die Aufdeckung von einem Geheimnis nach dem anderen geht sind denkbar, und zwar insofern, dass Geheimnisse, wenn sie im Spiel aufgedeckt werden vom SL oder einem einzelnen Spieler, der das als Fakt kauft, definiert werden. Der Knackpunkt an der Kritik der meisten dürfte also nicht sein, dass Exploration und Überraschung bei "Western City" nicht möglich sei, sondern vielmehr, dass sie nicht unantastbar ist und wegreguliert werden kann und daher keine umfassende Gültigkeit besitzt, sobald sie im Spiel ist.

Das ist denke ich für viele das Problem daran.

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