Das ist ein zweischneidiges Schwert, und ohne jetzt irgendwelche Definitionen über den Haufen werfen zu wollen, lebt Drama für mich (zumindest das im Rollenspiel) zu einem gehörigen Anteil auch von Überraschung und Unvorhersehbarkeit. Ein zu speziell zugeschnittener Drama-Charakter läuft schnell Gefahr, beim Bauen zuviel von der Story vorweg zu nehmen
Das kann auftreten, muss aber nicht. Klar kann man einen Charakter auf einen zentralen Konflikt zuschneiden. Das heißt aber nicht, dass dieser dann genau so ablaufen wird, wie man das vorher dachte. Denn generiert wird ja nur ein Konfliktpotential. Welche Konflikte genau auftreten, dass entscheidet ja neben dem Konflkitpotential auch Spieler, SL, die Würfel und eben auch das Szenario/der Plot. Und da können ganz unerwartete Konflikte entstehen.
Wenn du zum Beispiel mal meinen letzten Post betrachtest. Ich hätte da auch nicht gedacht, dass der SL meinen Charakter mit einer Fehlentscheidung/Dilemmansituation konfrontiert. Der Charakter war eigentlich nur als Vaterfigur ausgelegt um mit den Designierten Quertreibern in der Gruppe Charakterspiel betreiben zu können. Dass die angebliche Erfahrung, Arroganz und Selbstüberschätzung des Charakters dann zum Konflikt gebracht wird und diesen dann traumatisiert, hätte ich beim Generieren niemals gedacht.
Genausogut hätte einer der anderen Charaktere sich gegen meinen auflehnen können, dass Szenario hätte die Vaterrolle intensivieren können und vieles mehr. Wer weiß, vielleicht wäre der Anteil der Charakterpersönlichkeit im Abenteuer überhaupt nicht thematisiert worden, weil die anderen Charaktere mit ihren Ideen viel mehr Spaß machen. Wer weiß?
Jedenfalls bedeutet Planung von Konfliktpotential eben nicht vorwegnahme der Story.
Interessant find ich hier die Formulierung ANGRIFFspunkt.
Wenn es in der Gruppe so betrachtete wird, scheinen sich die Spieler mit glatten Charaktere (ohne Hooks im Hintergrund) ja eher dem Drama entziehen zu wollen.
Oder eine Gegenfrage: was ist, wenn der Spieler gar kein Drama möchte und das Interesse an seinem Charakter verliert, wenn diesem durch ein erzwungenes Drama ein Wechsel der Persönlichkeit oder ein Trauma aufgezwungen wird?
Ich finde das ist ein wichtiger Einwand.
Ich persönlich habe das damit gelöst, dass Spieler ihre Tags sperren können. Das heißt, dass diese Teile des Charakters vom SL und von den anderen nicht explizit herausgeforert oder angespielt werden dürfen. Das gilt insbesondere, wenn der SL dafür in den Charakter oder auch dessen Umfeld eingreifen müsste.
Ein Beispiel:
Wenn ich will, dass mein Charakter eine Schwester Sibille hat und diese nicht Plotziel oder Teil einer dramatischen Story sein soll, dann markiere ich den Tag "Sibille" in meiner Kontakteliste mit einem Ausrufezeichen. Wenn mein Charakter unheimlich schön und eitel sein soll und ich nicht will, dass diese Charaktereigenschaft herausgefordert wird indem eine seltene Krankheit das Gesicht entstellt oder jemand in einem Duell den Charakter mit einer Narbe zeichnet, dann markiere ich diesen Tag ebenfalls mit einem Ausrufezeichen.
Dadurch verhindere ich dass, der eitle Schönling, den ich ja nunmal spielen wollte, auf einmal jemand anderer wird und ich die Lust an dem Charakter verliere.
Spieler die Lust auf ein intensives Konfliktpotential haben, können gewisse Tags aber genauso mit einem Plus markieren, wenn sie wollen, dass dieser Tag in einer der folgenden Runden herausgefordert werden soll.
Habe ich also die Nase voll von meinem Schnösel, dann markiere ich "schön und eitel" mit einem '+' und der SL oder auch die anderen Spieler, werden den Tag in Zukunft anspielen. Einer der SCs fängt vielleicht jedes mal an zu lästern, wenn der Schönling seinen Spiegel rausholt. Möglicherweise hat er aber auch einfach einen Stalker, wird gezwungen einen Monat lang durch den Sumpf zu waten (ohne Bad in sicht) oder er bekommt eben wirklich jene Krankheit und muss sich unter die Aussätzigen mischen bis am ende des Abenteuers das heilmittel gefunden wurde.
So kann man jedenfalls den Konfliktwillen sehr einfach kommunizieren. Außerdem helfen Tags auch, wenn man vor jeder Spielrude eine kurze Vorstellungsrunde macht, die gemeinsamen Vorstellungen zu synchronisieren und das Charakterspiel zu verbessern.