Ich habe Microscope bisher "nur" 3 mal spielen können. Also kann es durchaus sein, dass sich nicht alles hier korrekt ist:
1. Braucht man Übung, bis etwas Vernünftiges herauskommt? Oder ist es relativ wahrscheinlich, dass auch beim ersten Mal schon ein Setting entsteht, das man dann im Folgenden (mit einem anderen System) bespielen kann?
Nein. Nach etwa 20 minuten Spielzeit (und eine Sitzung kann beliebig lange aber in meiner Erfahrung mindestens 1-2 Stunden dauern) ist alles was Microscope ausmacht gelernt. Was dann übrig bleibt ist allgemeine kreativität.
Das beste Beispiel war mein 1.5 mal Microscope. Beim aller ersten mal hatte ich kaum Zeit und es war mehr ein kurzers Reinschnuppern. Das zweite mal war auf dem großen Treffen. Das entstandene Setting finde ich immer noch super geil! Im Jahr drauf haben wir es dann mit Fate bespielt und alle hatten Spaß. Zwischendurch haben die Mitspieler sogar über eine Veröffentlichung als echtes Produkt nachgedacht. Schlussendlich ist das dann aber eingeschlafen.
2. Wie universell ist denn Microscope? Sind reine Fantasywelten machbar? Alle Beispielrunden, die ich gefunden habe, beziehen sich irgendwie auf ziemlich fremdartige Science Fiction Ideen, Muppets-in-Space oder noch bizarrere Dinge. Wie wahrscheinlich ist es denn, dass ein ziemlich normales Fantasysetting herauskommt?
Schwierig zu beantworten. Generell legst du als ersten Teil des Spiels zusammen mit deinen Mitspielern Konventionen und Tabus fest.
Beispielsweise einigt man sich auf Fantasy, aber ohne die klassischen EDO Rassen. Dann könnte ein anderer sagen er möchte das Magie vorkommt, aber sie soll nicht welterschütternd sein sondern eher im Hintergrund usw. halt.
Das ist einfach... tja Wischiwaschi. Das ist auch gut so! So bleibt jedem noch viel kreativität überlassen, aber desto weniger genau ihr alle dasselbe unter euren Vorschlägen versteht, desto weniger stark ist der Effekt.
Nehmen wir nur mal "klassisches Fantasy": Generell denkt der eine vielleicht dabei an Conan, der andere an Herr der Ringe, wieder einer an Narnia und der nächste an Homers Odyssee. Nichts davon ist wirklich falsch, aber alles sehr unterschiedlich zueinander.
Auch hier gilt wieder in einem gewissen Rahmen ist das gut so! Durch die verschiedenen Vorstellungen entsteht ein viel bunteres und interessanteres Setting als man es alleine ohne jahrelange Arbeit hingekriegt hätte. Manchmal muss man im nachhinein ein wenig glätten (einfach da durch Missverständnisse vielleicht kleine Kontinuitätsfehler entstehen), aber das sind bisher immer Kleinigkeiten gewesen.
Zurück zu Frage: Ja du kannst eine reine Fantasywelt damit machen, die nicht total bizarr ist. Sie wird aber niemals auch nur annähernd so ein wie du es dir vorher erhofft/gedacht hast und es erfordert mehr Disziplin aller Spieler als normalerweise.
3. Kann man den Zeitstrang, den man per Microscope offensichtlich entwickelt, an einem Punkt enden lassen, an dem man dann mit einem anderen System en detail weitermacht? (Um so offenzuhalten, welche weitere Entwicklung die Zivilisation nimmt - denn die könnte ja von den zukünftigen Charakteren beeinflusst werden).
Kann man, würde ich aber nicht empfehlen. Man legt den End und Startpunkt bei Microscope so ziemlich als erstes fest. Ich wette aber mit dir das am Ende der Sitzung ein anderer Teil der Zeitleiste viel viel interessanter ist als das was man sich am Anfang so schnell überlegt hat. Wenn du das nicht glaubst ist der Sinn von Microscope ja eh sinnlos, dann kann man die Welt ja auch alleine machen.
Je nachdem wie lange euer Zeitstrahl ist spielt "die Zukunft" auch kaum eine Rolle. Das nächste Ereignis auf dem Zeitstrahl könnte der nächste Plotpunkt der Kampagne sein (z.B. "die Insel der Elfen erhebt sich aus dem Meer") und der nächste Punkt liegt evtl. 1000 Jahre in der Zukunft (z.B. "die Völker vereinen sich im Kampf gegen die wilde Jagd"). Das ist noch sooo lange hin... das ist förmlich egal. Für mich ist das sozusagen Hilfestellung für das leiten
, weil ich weiß welche Themen in der Welt "bald" wichtig werden. Wenn es doch mal kollidiert, gehe ich so vor: Alles was auf dem Zeitstrahl in der Zukunft liegt ist das was ohne die SCs passieren würde.
4. Wie lange dauert denn eine Runde Microscope, bis die ein Setting ergibt, mit dem man weitermachen kann?
1-4 Stunden halte ich für realistisch. Theoretisch aber open ended. Einmal war das Setting so groß, dass wir uns vorgenommen haben uns nach dem Ende der 3 Stunden irgendwann nochmal zu treffen und einfach weiterzumachen. Kam nie dazu, aber das Setting hätte es gut vertragen.
5. Ist es möglich, mit Microscope mehr als 4 Spieler zu beschäftigen?
Ich probiere es auf dem Treffen aus. Theoretisch ja. Das Problem ist genauso wie in Spielen wie Risiko. Desto mehr Spieler dabei sind, desto kleiner ist der Anteil von jedem an der Spielwelt. Desto schneller kommt es dazu, dass einer den Überblick verliert. Außerdem dauert es umso länger bis man dran ist. Tendenziell wird es also mit zu vielen Leuten langweiliger.
6. Kann jemand mal ein bisschen konkreter beschreiben, welche Vorteile Microscope gegenüber den Fate-Welterschaffungsregeln bietet?
Hartes Stück Arbeit! Okay. So konkret wie du es dir wünscht wird es nicht.
Bei Fate (core) erschaffst du ganz klar eine Kampagne. Du regelst worum es in den Abenteuern gehen soll, wie episch die Spielabende werden sollen und klärst die dafür notwendigen Regeln usw. Das ganze ist nicht wirklich detailliert und du kriegst an die Hand was du brauchst um loszulegen. Der Rest klärt sich durch Erzählrechte schon noch im Spiel
Bei Microscope wird eine Welt erschaffen. Die ist stellenweise zwar auch extrem grob geschnitzt, aber stellenweise auch nicht. Es gibt viel mehr Details und Hintergrund. Schlicht wesentlich mehr Fakten und für mich stellt sich das ganze auch lebendiger dar. Gleichzeitig ist es aber auch echt viel im Hinterkopf zu behalten und einfach losspielen kannst du trotzdem nicht. Es werden so verdammt viele verschiedene Dinge im Zeitstrahl genannt.
Erst einmal muss man sich einigen WANN man spielt. Dann welche Themen der Epoche man thematisieren will usw. Im Grunde muss nach Microscope immer noch fast die Hälfte der Fate Erschaffung folgen sozusagen. Man hat einfach zu viele Möglichkeiten. Wie funktioniert die Magie nun wirklich? Welche NSCs aus dem Zeitstrahl kann man verwenden und was fehlt dann noch? Auf welchem "Level" sind die Charaktere (Microscope bietet sich an Herrscher von Ländern zu spielen, aber auch die Bewohner eines Dorfes. Eben je nachdem was einen interessiert)? Ich muss aber eben auch zugeben, dass der selbst der übrig gebliebene Teil der Game Creation von Fate (aber wohl auch bei anderen universalsystemen) viel schneller geht als vorher, weil man schon eine gute Ahnung hat was man eigentlich möchte.
Der Vorteil (für mich) ist, dass alle einen recht guten Überblick über das Setting haben und (meist) das Setting auch mögen sogar wenn es eben etwas bunter als normal gerät.
Und ganz ehrlich? Im Gegensatz zu Fate macht mit mit Microscope die Setting Erschaffung WIRKLICH Spaß. Fate ist was das angeht okay. Es stört nicht und ist interessant. Aber wirklich freuen tue ich mich nicht darauf in Fate ein neues Setting zu machen (sondern eben aufs spielen).
Danke, Chiarina.
Bitte, Shadom.