Autor Thema: [Spielübungen] Theaterübungen im RSP  (Gelesen 9891 mal)

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Offline Jiba

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Re: [Spielübungen] Theaterübungen im RSP
« Antwort #25 am: 29.03.2012 | 11:02 »
Schwachsinn würde ich das jetzt nicht gerade nennen, aber ich glaube das es überbewertet wird und ja in der Tat "viele gemeinsame Sitzungen" halte ich für wesentlich ausschlaggebender !

Ich habe schon mit vielen, als harmonisch wahrgenommenen Leuten viele gemeinsame Sitzungen gespielt und glaub mir: Hätten wir vorher die Sache mit der Euphorie oder den Drei Toten durchgezogen, hätte man sicher viel besser miteinander gespielt.  :P
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline Nørdmännchen

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Re: [Spielübungen] Theaterübungen im RSP
« Antwort #26 am: 29.03.2012 | 13:28 »
Sprich das aber am besten im Vorfeld mit deiner Gruppe ab.

Da hast Du natürlich recht, es ist unabdingbar, dass alle Spieler grundsätzlich bereit sind, sich diesen "Spinnereien" zu öffnen. ;)

Witzigerweise war es genau die Übung "Euphorie" bei der mein Ex-Spieler ausgeflippt ist. :)

Das finde ich ziemlich spannend, wenn auch nicht unbedingt überraschend. Mit Argumenten des Psychodramas gesprochen, zwingt einen die "Euphorie" besonders dazu, die eigenen Schutzwälle fallen zu lassen... das kann (angeblich) zu Abwehrreaktionen führen oder gar alte Ängste freisetzen (mir fehlt bezügl. dieses speziellen Spiels die Empirie).
Kam das "so ein Scheiß, will nur Rollenspiel" denn während des Vorschlags, relativ am Anfang der Übung oder wart Ihr schon mittendrin?

BTW: Auch wenn ich mich auf anderer Ebene mit Psychodrama befasse, möchte ich mich doch davor hüten, solche Ansätze im Roleplaying Game einzusetzen.

Ich habe schon mit vielen, als harmonisch wahrgenommenen Leuten viele gemeinsame Sitzungen gespielt und glaub mir: Hätten wir vorher die Sache mit der Euphorie oder den Drei Toten durchgezogen, hätte man sicher viel besser miteinander gespielt.  :P

Ich selbst habe auch das unbedingte Gefühl, dass die Übungen was bringen (für den Spielspaß). Aber wenn es um das Thema geht bin ich zugegebener Maßen voreingenommen.  o:)
Tatsächlich habe ich zur Zeit (leider) nur sporadische Runden, zwei Mitspieler meiner damaligen Runde sind weggezogen. Und grade bei diesen Kurzkampagnen, meine ich noch klarer festzustellen, dass es einen Unterschied macht, ob man mit Übungen arbeitet oder nicht.

So, zu guter Letzt: hat jemand einen Vorschlag für einen geeigneten Begriff? Wie SirLittleDragon vor einer Ewigkeit bemerkt hat, klingt "Übung" nach Arbeit. Im Improv würde man einfach von "Spiel" sprechen, aber das verbietet sich aus naheliegenden Gründen.

Grüße, Henning

EDIT: Versuche zur Verständlichkeit...
« Letzte Änderung: 29.03.2012 | 13:56 von Nørdmännchen »
»Gute Geschichten sind so gut aufgebaut, daß Lehrer natürlich denken, sie seien vorher geplant,
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Offline Bad Horse

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Re: [Spielübungen] Theaterübungen im RSP
« Antwort #27 am: 29.03.2012 | 18:09 »
Nenn es halt "Vorspiel". ;) Oder "Aufwärmen".
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Offline dunklerschatten

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Re: [Spielübungen] Theaterübungen im RSP
« Antwort #28 am: 29.03.2012 | 20:11 »
Zitat
Ich habe schon mit vielen, als harmonisch wahrgenommenen Leuten viele gemeinsame Sitzungen gespielt und glaub mir: Hätten wir vorher die Sache mit der Euphorie oder den Drei Toten durchgezogen, hätte man sicher viel besser miteinander gespielt

Meine Praxis-Erfahrung spricht da gegen deinen Glauben. Aber denke das ist eben ein individuelles Ding.
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Offline Nørdmännchen

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Re: [Spielübungen] Theaterübungen im RSP
« Antwort #29 am: 29.03.2012 | 21:28 »
Meine Praxis-Erfahrung spricht da gegen deinen Glauben. Aber denke das ist eben ein individuelles Ding.

Mit Sicherheit, das hat viel mit persönlichem Stil, Spielstil, einzelnen Gruppenmitgliedern und Formen der Kommunikation zu tun. Meine positive Einstellung entspringt durchaus meiner persönlichen Erfahrung. Aber an meiner Improv-Liebe scheiden sich auch bei mir daheim die Geister. Versuch macht kluch. Vielleicht sollten wir "Theatralischen" auch lieber mit dem Jeep nach Skandinavien fahren.

Grüße, Henning
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Re: [Spielübungen] Theaterübungen im RSP
« Antwort #30 am: 15.01.2013 | 00:30 »
Erneute Threadnekromantie - aufgrund intensivierter Beschäftigung mit dem Thema meinerseits...

Übung: How I met my brother
Kategorie: Charakterentwicklung
Ziel: Charaktere kennen lernen und vertiefen; Gruppendynamik aufbauen
Ursprung: Ich (wobei ich ganz schlicht auf die Praxis der improvisatorischen Szenenfindung aufbaue)

Beschreibung
Ein/e Spieler/in versetzt sich mit ihren Charakteren ans Lagerfeuer / in die Taverne / in das Büro eines Auftraggebers / in einen Flirt. Dann eröffnet sie/er eine Erinnerungsszene - mit der Auflage, dass sie mindestens einen weiteren SC mit einbinden. Betrachtet es als "Scene-Framing". Eine gute Eröffnung ist: "Weißt Du noch, als wir damals..."
Die Geschichte wird nach einem kurzen Aufhänger rollenspielerisch dargestellt. Ob Ihr Regeln benutzt oder weg lasst, ist jeweils Eure Sache - die Charaktere können zumindest nicht sterben. (Ist ja schon lange her, nicht wahr?)
Wichtig ist es, die Szenen regelmäßig zu wiederholen. Vielleicht werden sie von einem dritten Spieler dazu aufgefordert: "Erzählt doch nochmal von..." Aus diesen Erinnerungen soll sich nach und nach eine Art Tagebuch-Collage entwickeln. Die Szenen dürfen und sollen immer wieder variieren (auch stark). Es handelt sich hier nicht um irgendwas Verlässliches, sondern um Erinnerungen - noch dazu die Erinnerungen einer Heldengruppe, die von sich erzählt...

Ergebnisse
Die Spieler schaffen eine gemeinsame Vergangenheit der SC, bei der sie außerdem kommunizieren, was sie sich als Erlebnisse für die Gruppe vorstellen (Flags). Die SC-Gruppendynamik wird aufgebaut und die ganze Runde wirkt echter. Vor allem aber dient die Erinnerung als vogelfreier Raum. Hier können Szenen (und damit Charaktere) ungehemmt wiederholt erprobt werden - eine hervorragende Methode die Persönlichkeit der Figur zu entwickeln und kennen zu lernen. Tatsächlich halte ich den Effekt für deutlich stärker, als immer nur neue Szenen zu erfahren (wie im traditionellen Rollenspiel).
Bei der Arbeit im Theater (eigentlich in jedem typischen Probenplan), wird wie selbstverständlich ein und dieselbe Szene immer wieder auf den Seziertisch gelegt, abgeändert und variiert. Gerade die Möglichkeit vor derselben Ausgangssituation ein anderes Verhalten zu erproben, kann sehr viel über meinen Charakter enthüllen.
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Der Effekt lässt sich übrigens auch schön auf die Spieler-Gruppendynamik ausweiten, indem nach den Erinnerungen kurze, nicht wertende Feedbacks gegeben werden:
"Ich glaube ich erinnere mich anders..." / "Ihr hatten anscheinend viel Spaß an..." / "Wichtig erschien mir folgende Handlung..." / "Gefühle die ich gesehen habe..." usw.

Einsatz
"How I met my brother" (der Name ist neu) war ursprünglich mein Tool nach der Charaktererschaffung. Jeder SC musste am Lagerfeuer eine Erinnerung anreißen. Es durfte übertrieben oder realistisch sein. Wichtig war herauszuarbeiten, wie der eigene SC einen Weiteren beim ersten Treffen wahrgenommen hat.
Dann ging ich dazu über, immer zwischen zwei Abenteuern Erinnerungen einzubauen; egal ob aus der Zeit vor oder während der Kampagnen. Spieler durften sich von Mitspielern besonders gelungene Erinnerungen wünschen oder neue Einfälle einbringen und selbst "SL spielen" - bzw. einfach drauf los erzählen und sich gegenseitig ins Wort fallen. Die Szenen bekamen einen Namen, wurden auf eine Liste gesetzt und immer mal wieder hervor gekramt. (Ich betone wiederholt: das Wiederholen von Szenen ist der Kerngedanke der Sache!)

Andere Mitspieler dürfen gerne Nebenrollen übernehmen: "Ach ja, und dann war da diese griesgrämige, aber hübsche Bardame..." -> *deutet auf Spielerin X*. Manchmal hat sogar jemand "die Würfel" gespielt.
Das Feedback (siehe oben) gab es eigentlich immer. (Ich halte es auch für denkbar für besonders oft geforderte Szenen Schicksal, Erfahrung, Styledice oder eine andere mechanische Belohnung zu vergeben.)
Mein Zeitlimit für jede Erinnerung war fünf Realminuten, dann haben die lauschenden SLC unterbrochen oder nicht mehr zugehört. Aber das muss wohl in jeder Gruppe neu erprobt werden.
« Letzte Änderung: 15.01.2013 | 00:38 von Nørdmännchen »
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Shield Warden

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Re: [Spielübungen] Theaterübungen im RSP
« Antwort #31 am: 17.01.2013 | 08:49 »
Hm. Ich bin mir nicht wirklich sicher, dass diese Methode bei weniger .. "szenischen" und sprachlich lockeren Runden passt. Wenn ich mich an Qin-Runden erinnere, wäre es etwas störend gekommen, so eine "Probensituation" zu wiederholen, wenn nicht sogar völlig unpassend. Für die tatsächliche rollenspielerische Praxis am Tisch halte ich allerdings sowieso alles, was über gewöhnliche Haltungs- Atem- und Charakterimprovisationsübungen hinaus geht für wenig hilfreich. Ich argumentier da natürlich auch hauptsächlich aus persönlicher Erfahrung. Sogar auf der Bühne können die meist besonders intelligent designten Spiele oft vom eigentlichen Spiel ablenken, gerade bei unerfahrenen Spielern, was natürlich einen gegenteiligen Effekt hat. Aber wenn das für euch funktioniert, spricht ja im Prinzip nichts dagegen.

Offline Megan

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Re: [Spielübungen] Theaterübungen im RSP
« Antwort #32 am: 17.01.2013 | 09:45 »
Ich finde die Idee cool. Ich denke, sowas könnte man von Zeit zu Zeit integrieren, um die übliche Erzählstruktur aufzulockern. Das merke ich mir auf jeden Fall mal.  :)

Offline Nørdmännchen

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Re: [Spielübungen] Theaterübungen im RSP
« Antwort #33 am: 18.01.2013 | 11:39 »
Sogar auf der Bühne können die meist besonders intelligent designten Spiele oft vom eigentlichen Spiel ablenken, gerade bei unerfahrenen Spielern, was natürlich einen gegenteiligen Effekt hat.

Oh, ich hoffe der Kerngedanke ist nicht durch mein typisches Geschwurbel verkompliziert worden. Sollte das Spiel den Eindruck erwecken, es entspränge dem Bemühen um "intelligentes Design", habe ich etwas falsch gemacht.  Bei "How I met my brother" handelt sich vor allem um den (etwas verschleierten) Aufruf: Probiert doch mal aus, eine Szene im RSP zu wiederholen.

...der Rest ist psychoaktive Kosmetik.  ~;D
Sicherlich ist das nicht jedermanns Sache und manche Spielsituationen bzw. -absichten (auch meine eigenen) würden darunter leiden. Aber an gegebener Stelle glaube ich fest daran, dass es die Erfahrung mehr als wert ist.
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