Danke für den leckeren Senf!
Was Auftragswert und Struktur angeht: Wir haben bisher die Phasen/ Kapitel (Info sammeln, Ortsbegehung...) eher ignoriert als befolgt. Oder anders gesagt: Die Vorgabe ist nichts anderes als ein
Erzählschema. Es ist so eingängig, dass es sich quasi von selbst ergibt. Wir haben das Schema mehr oder weniger befolgt, ohne uns darum scheren zu müssen.
Das hat uns die Freiheit gegeben, die Dinge zu würfeln und zu erzählen, die sich spontan/ organisch am Tisch ergaben, ohne auf deren Position innerhalb des Erzählschemas achten zu müssen.
Zu unserer Gruppe: Drei von uns kennen sich schon einige Jahre, aber wir spielen erst ca. ein Dreivierteljahr zusammen, und erst seit Februar Inspectres. Treffen sind unregelmäßig, ein bis zweimal im Monat.
Wir haben (besonders beim letzten Mal) erzählerische Schwierigkeiten gehabt, weil im Verlauf des Abends (speziell, als wir dicht an einer Lösung schienen) plötzlich ganz neue Elemente/ Verwicklungen eingeführt wurden. Es wurde schwer, sie in Einklang mit der bisherigen Geschichte zu bringen (die ja ohnehin noch nicht völlig geklärt war). Ich nehme an, dass diese neuen Elemente aus purer Erzählfreude im Augenblick, aus Spaß an neuen Details und Rätseln eingeführt wurden - oder schlicht aus Überforderung, in der aktuellen Szene die Auflösung voranzutreiben. Es ist einfacher, dann einfach ein neues Mysterium einzuwerfen.
Allerdings glaube ich, dass das Problem genauso hätte entstehen können, wenn wir das Erzählschema explizit und strikt abhandeln würden, statt einfach drauflos zu handeln. Meine Vermutung ist, dass die Gruppe erstens noch nicht besonders eingespielt ist, zweitens schon sehr hohe Ansprüche an sich stellt und komplexe Plots erzählen möchte. Letzte Sitzung:
Wir kriegen einen Anruf: Poltergeist. Besorgen zusätzliche Ausrüstung, fahren hin, Geist greift einen SC im Keller an, Kunde serviert Pizza. Ein Spieler erzählt, dass ihm der Kunde verdächtig ist. Damit kommt zu dem "bloß" paranormalen Problem ein zusätzliches detektivisches. Wir werkeln weiter an der Story (hui, paranormal vergiftete Pizza, und äh, Schnaps?), der Poltergeist wird zum Klabautermann (Ausgangsproblem wird modifiziert), wir finden auch dafür eine erzählerische Erklärung... Und schließlich tauchen in einer Kiste Leichenteile auf.
Das war, wenn ich so sagen darf, der Overkill.
Das erzählerische Problem wurde auch in der Runde am Abend noch angesprochen, aber so unmittelbar konnten wir alle keine Lösung oder überhaupt nur Diagnose anbieten.
Ich werd in der Runde ansprechen, dass wir uns erstmal mit weniger Twists begnügen sollten.
Außerdem werd ich auf die Bereitschaft hinweisen, "die Geschichte der anderen zu spielen", d.h. deren Ideen zu folgen und nicht durch andere Ideen zu ersetzen (Poltergeist => Klabautermann) oder unvorbereitete neue Elemente in der zweiten Handlungshälfte (Leichenteile) zu zerschießen. Wir sollten versuchen, die gemeinsame Geschichte (als gesamte Geschichte?) stärker im Blick zu haben.
Ist das zu streng oder einengend, neue oder unerklärliche Elemente nur während der ersten Szenen zu erlauben? Ich überlege halt, wie wir als Gruppe lernen können, besser an der gemeinsamen Geschichte zu stricken, und eigene Ideen besser an die Dimensionen des gemeinsam(*) Erzählbaren anzupassen. (* = in dieser Gruppe mit gegenwärtigem Können). (Zu dem Thema gibts doch garantiert gute Anregungen hier im Forum oder "irgendwo da draußen" - könnt Ihr mir Tips geben?)
Noch ein Gedanke, der jetzt aber nicht zur Problemlösung beiträgt: Wenn das Erzählen auf längere Handlungsbögen ausgelegt wäre, die über mehrere Treffen gingen, dann wären neue Elemente wie eine unerwartete Leiche weniger problematisch, weil man einfach gewisse Mysterien bestehen lassen kann - entweder lässt sich das Puzzleteil später einbauen, oder die gesamte Erzählung wird so komplex, dass eine Auflösung jedes einzelnen Rätsels an Bedeutung verliert. So spielen wir aber Inspectres nicht. Wir machen eher eine Kette von One-Shots.
Fazit: wir haben erzählerisch/spielerisch zwar noch viel *hust* Verbesserungspotential, aber die Franchisewürfel/ Strukturvorgabe bzw. deren geringe Beachtung bei uns halte ich nicht für die Ursache unserer Schwierigkeiten.