Der Irrtum besteht darin zu glauben, dass frische Spieler sich zu Beginn nicht mehrheitlich führen lassen wollen. Partizipationismus (um mal das korrekte Wort zu nutzen) funktioniert deshalb am Anfang so gut, weil der SL den Spielern an vielen Stellen diejenigen Entscheidungen nahelegen kann, die das Spiel am Laufen halten. Das nimmt allen Beteiligten dann viel Unsicherheit, wenn das Setting nicht ohnehin - wie in einem Dungeon - hochgradig begrenzt ist. Und da in Deutschland die Interessen der meisten Spieler aus mir nicht vollkommen ersichtlichen Gründen* eher in der Erzählspieltradition beheimatet sind, finde ich es legitim, die dafür wichtige Technik des Partizipationismus früh zu erläutern. Das wirkt zu Anfang wie ein Sicherheitsnetz und kann später dann bei Bedarf problemlos zurückgenommen werden. So halte ich das jedenfalls für sinnvoll. Es mag dazu andere Ansichten geben.
Es widerspricht auf jeden Fall meinen Erfahrungen und zwar extrem. Viele Anfänger toben sich auch gerne aus, nutzen wirklich die Freiheit, die ihnen eine Rollenspielwelt bietet und das kann sehr schnell dazu führen, dass ein ein Abenteuer in eine komplett andere Richtung läuft als geplant. Die haben nämlich keine Hemmungen, den Auftrag des mysteriösen Auftraggebers abzulehnen und stattdessen lieber die verlassene Farm zu kaufen oder zu dieser Stadt da zu reiten, die auf der Karte ist. Und dabei die Dampfmaschine zu erfinden. Deshalb funktionieren bestimmte Indies mit viel PE mit Anfängern auch ziemlich gut. Die haben noch gar nicht gelernt, dass "nur der SL die Welt gestaltet" und nehmen sich ihre Mitbestimmung ganz von alleine.
Nichts ist tödlicher, als in solchen Fällen lenkend einzugreifen. Gerade am Anfang finde ich Ausprobieren und eine gewisse Narrenfreiheit viel wichtiger - lenken kann man später immer noch, wenn mehr Struktur gewünscht wird.
Aber: Warum verhalten sich denn all die schrecklichen SL auf Cons so einschränkend? Sind die so verrottet, dass sie auf Cons ihre Machtphantasien ausleben müssen? Nein, das kann ich mir nicht als Regelfall vorstellen. Vielmehr greifen sie aus Verzweiflung auf den Notnagel der Entscheidungsbegrenzung und -steuerung zurück, weils dem SL das Leben LEICHTER macht. Und wer kann solche Erleichterungen besonders gut brauchen? Genau. Anfänger.
Auch da würde ich widersprechen. Der Spielleiter
glaubt, dass es leichter wäre, aber ist es das? Das bezweifle ich persönlich stark. Es funktioniert ja selten! Macht denn den Spielleitern oder den Spielern in den Conrunden das Spielen Spaß? Eben nicht.
Illusionismus halte ich persönlich für eine der schwersten Techniken.
Warum dann nicht von Anfang an Techniken vermitteln, die das Improvisieren und das freie Spiel erleichtern?
Und was den Partizionismus angeht... Den typischen Partizionismus ("Ich weiß schon, dass ich den Dungeon-Auftrag annehmen muss, um das Abenteuer zu spielen, also tue ich es auch") finde ich eher ein Phänomen der erfahrenen Runden, die da Genre schon kennen. Subtilen Partizionismus finde ich hart an der Grenze - ganz offen ist mir das lieber. So einen Tipp finde ich gut: "Es ist völlig OK, zuzugeben, dass Sie nicht weiterwissen. Sie können auch die Spieler um Hilfe bitten."
Zum Beispiel: "Leute, wenn ihr die Prinzessin jetzt zurücklasst, habe ich keine Ahnung, was später so alles passieren könnte... Könnt ihr die nicht mitnehmen?" "Puh, zu Dorf XY habe ich mir nichts überlegt, können wir das nicht morgen machen? Oder jeder sagt mir gerade mal einen Satz, was in dem Dorf so zu finden ist..."
Man spielt ja in der Regel mit netten Leuten, die machen auch mit und keiner fühlt sich veralbert.
Also Hand hoch! Wer hat Annäherndes erlebt?
Ganz so Schlimmes nicht, aber vor ewigen Zeiten auf einem Con mal einen SL der Fragen, die er nicht beantworten konnte und Aktionen, auf die er nicht eingehen wollte, schlicht und einfach ignoriert hat.