Autor Thema: [Science-Fiction] Weltraum-Kolonisation  (Gelesen 20943 mal)

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Re: [Science-Fiction] Weltraum-Kolonisation
« Antwort #50 am: 11.08.2011 | 12:49 »
Immer noch besser, als ganz ohne Tiere auszukommen, oder per Trial and Error herauszufinden, welche Tiere vor Ort sich zur Domestizierung eignen.
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Re: [Science-Fiction] Weltraum-Kolonisation
« Antwort #51 am: 11.08.2011 | 12:52 »
Da darf man die Tiere nicht überromantisieren; die brauchen auch medizinische Betreuung, Medikamente und vor allem einen Haufen Futter. Wenn es auf dem Planeten einheimisches Leben gibt, wird dieses höchstwahrscheinlich nicht mit uns kompatibel sein, Pflanzen können von uns nicht verdaut werden usw. Nicht einig bin ich mir bei Viren und Bakterien -- könnten außerirdische Äquivalente uns schaden, oder lassen die uns völlig kalt? Jedenfalls müsste jedes einzelne Tier genetisch modifiziert werden, um das extraterrestrische Gras verdauen zu können. Und die Reproduktionsrate ist auch höchst unpraktisch; es dauert _Jahre_ bis man ein junges Pferd vor den Pflug spannen kann.

Gibt es kein einheimisches Leben, gibt es dort auch keine fruchtbare Erde, sondern Sand. Der Boden muss überhaupt erstmal urbar gemacht werden, durch Ausbringung von Mikroorganismen oder was weiss ich. Vermutlich wird man sich da erstmal mit Gewächshäusern begnügen. Ansonsten, ich bin kein Spezialist für Terraforming, aber es wird auch mit menschlicher Steuerung und hochentwickelter Biotechnologie viele Jahre dauern, bis man dort wenigstens lokal ein Ökosystem aufgbaut hat. (Was wir ja heutzutage noch nicht können. Die Biosphäre-Projekte sind bisher gescheitert.)

Umgekehrt wird zu viel Gewese über die Anfälligkeit von Maschinen gemacht. Ein mit modernen Produktionsmethoden (genaue Maße etc.) hergestellter Jeep (Auto) und simpelster Technik könnte sowohl hoch zuverlässig als auch auf leichte Reparierbarkeit ausgelegt sein. (Bis heute ist es ein selling point von BMW-Motorrädern, dass man z.B. kein Werkzeug braucht, um die Verkleidungsteile zu entfernen.) Die Auffassung von der anfälligen Maschinerie kommt daher, dass wir dazu neigen, alles mit soviel Klimbim wie irgendwie möglich auszustatten, und je mehr unnütze Elektronik verbaut ist, desto mehr kann kaputtgehen. Wenn man mit Pferdepflug keinen computergesteuerten Düngemittelverteiler braucht, braucht man den mit Traktor auch nicht, und arbeitet trotzdem effektiver.

Der Antrieb, ja, der wird vermutlich per elektrisch per (austauschbarer) Batterie oder Brennstoffzelle sein; letztere kann z.B. mit Wasserstoff oder Agraralkohol befeuert werden, je nachdem was sich leichter herstellen lässt. Oder zur Not auch ein Verbrennungsmotor, wenn der robuster ist.
Dann braucht man eben noch einen Workshop, mit dem man die Simpel-Maschinen reparieren und Ersatzteile herstellen kann. Das ist auch nicht so der Stress. Drehbank, Flex usw... man braucht halt ein paar Rohmaterialien. Es gibt doch X Fernsehsendungen über Autowerkstätten, in denen die Kameraden alle möglichen Teile selber zusammenschwarten.

Die erste Priorität bei der Erschließung eines neuen Planeten wird die Energie-Infrastruktur sein. Z.B. ein Solarkraftwerk, mit dessen überschüssiger Leistung Wasser elektrolysiert wird, und der Wasserstoff gespeichert. (Aktuell wird übrigens ein neues Speichermedium für Wasserstoff erforscht, welches komplexe Tanks überflüssig machen würde. Es ist eine Flüssigkeit, deren Name krebserregend klingt, aber das Wort hab ich vergessen.)

Man hat trotzdem genügend Gründe, Tiere zu importieren: zur Errichtung einer Ökosphäre, als Fleisch- und Milchlieferant, und absolut wichtig der psychologische Effekt des "Stückchens Heimat".
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Offline Thot

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Re: [Science-Fiction] Weltraum-Kolonisation
« Antwort #52 am: 11.08.2011 | 16:15 »
Nun, das sind jetzt alles wieder Fragen nach den Rahmenbedingungen. Wenn man sich alles, was man an Industrieprodukten haben wollen könnte, einfach mit der mitgebrachten Ausrüstung ausdrucken kann (inklusive weiterer Drucker; daran wird ja heute schon gearbeitet), sind auch Traktoren und ihre Ersatzteile kein Problem.

Offline Merlin Emrys

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Re: [Science-Fiction] Weltraum-Kolonisation
« Antwort #53 am: 12.08.2011 | 10:34 »
Natürlich können sich die Preisniveaus in der Zukunft verschieben; wie du sagst könnten Nahrungsmittel wieder teurer werden. Das muss uns aber alles nicht so besonders jucken.
Wie willst Du Gewinne bestimmen, wenn Dich die zugrundeliegenden Preisrelationen nicht jucken?

Offline Yerho

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Re: [Science-Fiction] Weltraum-Kolonisation
« Antwort #54 am: 12.08.2011 | 17:17 »
Preisentwicklung verläuft nicht schematisch, rational oder irgendwie berechenbar. Da spielen zu viele Faktoren zusammen: Verfügbarkeit, Nachfrage, Zuteilung, Verteilung etc. ... Und hat man das dann doch irgendwie zu einer halbwegs brauchbaren Berechnung vereint, kommen irgendwelche Spekulationen dazwischen, welche die solcherart entstandene Realwerte komplett ad absurdum führen können.

Oder noch anders: Stellt euch doch nur mal vor, auch nur eine große - meinetwegen zuvor staatlich bezuschusste und von der Privatwirtschaft mit Investitionen gefütterte Kolonie - erlebt nach ihrer Konsolidierung ein paar lokalpolitische Umwälzungen und entdeckt den Kommunismus für sich. Auf der Erde hat das mit der Sowjetunion nicht funktioniert, weil die Ressourcen geteilt werden mussten, aber wenn man einen ganzen Planeten für sich hat? Da könnte das doch direkt funktionieren (Ob die Menschen dann auch glücklich sind, sei mal dahingestellt ...). Und dann fragen die einfach nicht nach der Wirtschaftlichkeit, sondern rechnen nur mit dem Vorhandensein von Material, Arbeitskraft und Zeit und können in diesem Rahmen problemlos Projekte stemmen, die für Andere zwar ebenfalls schaffbar wären, aber als nicht rentabel im Vorab ad acta gelegt werden.
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Re: [Science-Fiction] Weltraum-Kolonisation
« Antwort #55 am: 12.08.2011 | 17:44 »
Der Kommunismus hat auf der Erde nicht funktioniert, weil der Mensch dazu zu schlecht ist. So ein System kann nur funktionieren, wenn jeder jeden kennt (und mag) und dadurch eine Hemmung besteht, die anderen zu bescheissen. Insofern, ja, in einer kleinen Gemeinschaft, in der alle an einem Strang ziehen, kann das System funktionieren. Aber bereits eine einzige asoziale Socke kann enormen Schaden anrichten.

Es geht ja außerdem nicht nur um das bloße Vorhandensein der Ressourcen. Diese müssen ja auch erstmal erschlossen und verarbeitet werden.
Die Wirtschaft z.B. in der DDR hat nicht funktioniert, weil mal keine Bleche da waren und mal keine Schrauben. Und warum waren keine Schrauben da? Weil die Arbeiter in der Schraubenfabrik gegen Ende des Fünfjahresplans, wenn sie gemerkt haben dass ihnen noch soundsoviele Tonnen fehlen, immer größere Schrauben hergestellt haben, denn das ging schneller. Und wenn kurz vor Quotenschluss noch eine Tonne gefehlt hat, hat man halt in einen massiven Stahlzylinder ein Gewinde geschnitten und nen Kopf drangeschweisst - war auch ne Schraube.
(Disclaimer: diese Anekdote wurde mir von jemandem erzählt, dessen Onkel in einer DDR-Schraubenfabrik gearbeitet hat. Für die Richtigkeit dieser Anekdote wird keine Haftung übernommen. Ich selbst war zu deren Lebzeiten nie in der DDR.)

Dass diese Monsterschraube zu nichts nutze war und nur Ressourcen vergeudet hat, und dadurch woanders die Produktion stillstehen musste, dürfte den Arbeitern klar gewesen sein. Es war ihnen nur scheissegal, weil sie ja nicht unmittelbar betroffen waren. Später konnte man dann meckern, wenn es keine Radios und keine Fernseher zu kaufen gab.
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Re: [Science-Fiction] Weltraum-Kolonisation
« Antwort #56 am: 12.08.2011 | 22:45 »
Die Wirtschaft z.B. in der DDR hat nicht funktioniert, weil mal keine Bleche da waren und mal keine Schrauben. Und warum waren keine Schrauben da?
Weil jemand geglaubt hat, Kontrolle wäre gut. Denselben Stuß, den es in der DDR gab, hätte es in jedem beliebigen anderen System auch geben können. Weder schützt irgendein politisches System vor sowas, noch bedingt es es je zwingend.

Nicht jeder muß zudem jeden kennen, aber jeder muß die Regeln kennen und innerhalb bestimmter Parameter auch einhalten. Das klappt im Kapitalismus auch hinten und vorne nicht, sondern jeder weiß, daß es Betrüger gibt und man Vorsicht walten lassen sollte. (Und wir haben ja derzeit eine Demokratie ohne Wahlgesetz - viel mehr kann einer Demokratie wohl kaum fehlen, oder? Und wir leben, bei Licht betrachtet, einfach so weiter.) Das wäre mit einem herangereiften Kommunismus nicht anders - theoretisch total instabil, praktisch ausreichend stabil, um darin zu leben. Wenn dann noch dazukommt, daß der Eindruck von Gerechtigkeit und Sinnhaftigkeit gewahrt bleibt, dürften die Menschen ausreichend an ihrer Arbeit interessiert sein, um sie passabel zu machen.
Demzufolge halte ich es für ausgesprochen nebensächlich, ob die Kolonie ein Königtum, eine Triarchie, eine Plutokratie, eine Demokatie, ein kommunistisches System oder was auch immer ist. Nur eine kontrollwütige Diktatur geht eben nicht auf. Und was die Herrschenden machen müssen, sagen ihnen eh "die Wirtschaftsleute".

Offline Thot

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Re: [Science-Fiction] Weltraum-Kolonisation
« Antwort #57 am: 13.08.2011 | 11:26 »
Der Kommunismus hat auf der Erde nicht funktioniert, weil der Mensch dazu zu schlecht ist[...]

Nö. Sondern weil es keine Opposition gab, die die notwendige Kritik üben konnte, weil die Fähigkeiten als Manager weniger wichtig waren als die Loyalität zur Partei und weil gravierende Fehler nicht bestraft wurden. Dazu kam, dass der Osten 1945 mit weniger Wohlstand anfing als der Westen, aber die Bürger sich (neben Freiheit eben auch) Wohlstand wünschten. Das verleitete die Führung dazu, zu wenig zu investieren und zu viel zu konsumieren, und das haben sie nicht gemerkt, wegen siehe oben.

Eine demokratische und intelligent organisierte Planwirtschaft, die Fehler bestraft und aufdeckt, hätte genau so gut funktioniert wie jeder gut geführte Mischkonzern. Manche glauben, dass mit Verfügbarkeit leistungsstarker Computer eine Planwirtschaft im Prinzip sogar überlegen ist.


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Re: [Science-Fiction] Weltraum-Kolonisation
« Antwort #58 am: 13.08.2011 | 11:59 »
Das erinnert mich: was ist eigentlich das Regierungssystem der Menschheit in Star Trek? Von Wahlen ist da nie Rede. Gut, die Wirtschaft ist post-scarcity wegen magischer Replikatoren, und Geld gibt es angeblich (seit TNG) keins mehr. Wichtige Entscheidungen scheinen aber vor allem von Admirälen getätigt zu werden, und in diversen Folgen sieht man auch uniformierte Offiziere auf Richterstühlen sitzen. Eine kommunistische Militärdiktatur?
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Re: [Science-Fiction] Weltraum-Kolonisation
« Antwort #59 am: 13.08.2011 | 12:30 »
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Re: [Science-Fiction] Weltraum-Kolonisation
« Antwort #60 am: 13.08.2011 | 13:53 »
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Re: [Science-Fiction] Weltraum-Kolonisation
« Antwort #61 am: 13.08.2011 | 13:57 »
Das erinnert mich: was ist eigentlich das Regierungssystem der Menschheit in Star Trek? Von Wahlen ist da nie Rede. Gut, die Wirtschaft ist post-scarcity wegen magischer Replikatoren, und Geld gibt es angeblich (seit TNG) keins mehr. Wichtige Entscheidungen scheinen aber vor allem von Admirälen getätigt zu werden, und in diversen Folgen sieht man auch uniformierte Offiziere auf Richterstühlen sitzen. Eine kommunistische Militärdiktatur?

In TOS und den Filmen ist hin und wieder von Wahlen die Rede, doch.

http://memory-alpha.org/wiki/United_Federation_of_Planets

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Re: [Science-Fiction] Weltraum-Kolonisation
« Antwort #62 am: 13.08.2011 | 13:58 »
@Tudor & Thot:

Eure beiden Posts zusammen, das ist es im Wesentlichen.

Die grundlegende Frage, bevor jemand sich irgendwo für irgendwas anstrengt, ist immer: "Was springt für mich dabei raus?"

Da gibt es dann verschiedene Lösungen. Eine - die kapitalistische - ist "du kriegst Geld dafür". "Du kommst dafür in den Himmel" (oder "du kommst in die Hölle, wenn du es nicht tust) funktioniert auch, bei denen, die dran glauben. Dann gibt es noch die, denen eine Tätigkeit einfach Spaß macht, solche, die das was sie tun, für eine gute Sache halten (d.h. vor allem ehrenamtlich Tätige), und die, die auf "du tust es für dein Vaterland" reinfallen.

Habe ich etwas übersehen?
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Re: [Science-Fiction] Weltraum-Kolonisation
« Antwort #63 am: 13.08.2011 | 22:46 »
Der Kommunismus in der Sowjetunion - auf den beziehe ich mich als größtes und längstlebiges Experiment dieser Art - brach deshalb zusammen, weil der sehr spezielle Vertrag zwischen der Führung, also der Partei, und der Bevölkerung nicht mehr funktionierte. Diese Übereinkunft besagte nämlich, dass die Grundversorgung für jedermann sichergestellt war und es eine grundsätzliche, wenn auch langsame Steigerung der Lebensqualität geben sollte. Das wird durch einen oder sogar etliche Schmarotzer keineswegs torpediert, so lange alles im Rahmen bleibt. Volkseigentum für den Bau einer privaten Datsche abzuzweigen bringt ein ausreichen große kommunistische Gesellschaft ebenso wenig um wie etliche Steuerhinterzieher/-flüchtlinge eine kapitalistische Gesellschaft. Was - wenn ich das mal auf einen beispielhaften Faktor reduzieren darf - ein solches System kippen lässt, ist z.B. die Notwendigkeit nach miesen Ernten, Lebensmittel zu Weltmarktpreisen einzukaufen, für die man Devisen benötigt, die man systembedingt nur in geringen Mengen hat. Nun kann man zwar gegensteuern, indem man ein wenig private Landwirtschaft erlaubt (also einen laxeren Kommunismus praktiziert), aber das braucht Zeit, die man nicht hat, wenn es geographisch nahe Konkurrenzsysteme gibt, die einerseits ständig politisch Druck machen und sich andererseits als leichte Ausweichoption für das einzig existente Kapital, nämlich das Humankapital, anbieten.

In einer kommunistischen, planetaren Kolonie gibt es keine konkurrierenden Systeme in unmittelbare Reichweite, die Bürger können nicht ohne Weiteres abwandern und man verfügt über ein derartiges Überangebot an Basisressourcen, dass man sich die Ineffizienz, die sich aus (schlecht) staatlich geführter Wirtschaft ergibt leicht kompensiert.
Wichtige Randnotiz: Schlecht geführte Privatwirtschaft, aber auch gut geführte, also Privatwirtschaft überhaupt funktioniert übrigens nur durch eine Umverteilung von Ressourcen, bei der nicht daran Teilnehmende systematisch benachteiligt werden. Um mal wieder die kurze, aber treffende Zusammenfassung zu bringen: Kommunismus kann nur funktionieren, wenn die meisten mitmachen wollen; Kapitalismus kann nur funktionieren, wenn die Meisten nicht mitmachen dürfen.

Für dieses SF-Szenario hieße das:
Einen kapitalistischer Weltenraum funktioniert nur, wenn es genug unterentwickelte Kolonien gibt, auf deren Ressourcen man zu Lasten der dort lebenden Bevölkerung zurückgreifen kann; das Grundkonzept lautet Konkurrenz. Ein kommunistischer Weltenraum funktioniert nur, wenn es tatsächlich gelingt, auch mit schlechter zentraler oder komplett ohne zentrale Steuerung (leicht anarchisch mit zahlreichen kleinen "Kommunen") immer weitere, leicht zugängliche Ressourcen zu erschließen, um die nicht konkurriert werden muss; Fortschritt benötigt hier jedoch entweder eine wie auch immer geartete äußere Bedrohung oder eine inhärente Fortschrittsideologie (in etwa: "Gott/die Partei/der Führer will, dass ihr euer Wissen mehrt!").
Daher wäre es sinnvoll, hier entweder mit großen Blöcken zu arbeiten, also im Hintergrund eine Art interstellaren Kalten Krieg zu etablieren. Denn wenn es etwas in der Art nicht gibt, passiert das, was wir gerade erleben: Der Zusammenbruch einer Supermacht hinterlässt entweder einen Sieger oder einen Übriggebliebenen, der es dann auch nicht mehr lange macht, weil ihm entweder der Feind oder die Rechtfertigung fehlt.
Oder man verzichtet komplett auf große Blöcke und hat stattdessen eine bunte Vielzahl kleiner Machtblöcke mit sehr unterschiedlichen Ideologien und sehr unterschiedlichen Wirtschaftssystemen, die je nach Zeit, Notwendigkeit und Laune miteinander oder gegeneinander agieren und in dem man als Weltraumreisender in unzählige Fettnäpfchen treten kann, sobald man irgendwo landet, wo man nicht geboren wurde oder wenigstens bereits einige Zeit verbracht hat.
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Re: [Science-Fiction] Weltraum-Kolonisation
« Antwort #64 am: 14.08.2011 | 02:30 »
[...]man Devisen benötigt, die man systembedingt nur in geringen Mengen hat.

Nein, das ist nicht systembedigt. Das ist einfach ein Managementfehler.


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Re: [Science-Fiction] Weltraum-Kolonisation
« Antwort #65 am: 14.08.2011 | 10:57 »
Was - wenn ich das mal auf einen beispielhaften Faktor reduzieren darf - ein solches System kippen lässt, ist z.B. die Notwendigkeit nach miesen Ernten, Lebensmittel zu Weltmarktpreisen einzukaufen, für die man Devisen benötigt, die man systembedingt nur in geringen Mengen hat.

Die miesen Ernten kamen ja auch nicht von ungefähr, oder weil's mal zuviel geregnet hat, sondern auch weil güterzugweise für die Getreideproduktion bestimmte Düngemittel "weggefunden" wurden. Da hat sich jeder Kolchosebauer einen Sack für seinen (legalen) privaten Gemüsegarten organisiert, und schwupp war der Waggon leer und für die staatlichen Felder nichts mehr da. Das ist eine andere Qualität als "ein paar Schmarotzer". Das ist wie die Geschichte von dem Gastgeber, der seine Gäste bat, dass jeder einen Krug Wein für das große Fass mitbringen möchte. Und jeder Gast hat sich gedacht "Wenn ich nur Wasser reinschütte, wird's schon keiner merken". Und am Ende war nur Wasser im Fass.
Das hast du mit jeder Form der Rationierung. Vor 1949 waren in West-Deutschland die Läden leer, und mit Einführung der D-Mark über Nacht die Regale voll. Die Waren sind aber nicht über Nacht materialisiert, sondern waren zuvor von den Händlern gehamstert worden, weil die sie nicht für ein paar wertlose Rationskarten rausrücken wollten.
Dito Währungsunion DDR 1990.

Zitat
Kommunismus kann nur funktionieren, wenn die meisten mitmachen wollen; Kapitalismus kann nur funktionieren, wenn die Meisten nicht mitmachen dürfen.

Bei zweiterem hab ich so meine Zweifel; entweder es stimmt so nicht oder es ist eine selbstbedingende Definition. Will sagen, ja, der Kapitalismus wie wir ihn kennen funktioniert so, dass die Meisten nicht mitmachen dürfen. Aber ich glaube nicht, dass das der Fall sein müsste. Es ist nur so, dass die einzigen, die den Status Quo ändern könnten, kein Interesse daran haben, weil sie dabei selber verlieren würden. Von selbst ändert er sich nicht, weil der Teufel scheisst auf den größten Haufen und so.

Theoretisch wäre aber ein System möglich, das einerseits die freie wirtschaftliche Entfaltung gestattet und dabei gleichzeitig vor Ausbeutung schützt, und tatsächlich jedem die gleichen Möglichkeiten bietet, nicht nur auf dem Papier. Vielleicht braucht man dazu eine Produktivität, die in Richtung "post-scarcity" geht. Aber eine technologisch fortgeschrittene Gesellschaft dürfte dazu die Möglichkeiten haben.
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Re: [Science-Fiction] Weltraum-Kolonisation
« Antwort #66 am: 14.08.2011 | 11:30 »
Die miesen Ernten kamen ja auch nicht von ungefähr, oder weil's mal zuviel geregnet hat, sondern auch weil güterzugweise für die Getreideproduktion bestimmte Düngemittel "weggefunden" wurden. Da hat sich jeder Kolchosebauer einen Sack für seinen (legalen) privaten Gemüsegarten organisiert, und schwupp war der Waggon leer und für die staatlichen Felder nichts mehr da.
[...]

Das lese ich zum ersten Mal. Hast Du dafür eine belastbare Quelle?

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Re: [Science-Fiction] Weltraum-Kolonisation
« Antwort #67 am: 14.08.2011 | 11:32 »
Uff, das ist ewig her dass ich das gelesen habe. Wenns im Internet steht, kannst du das genausogut googlen wie ich.
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Re: [Science-Fiction] Weltraum-Kolonisation
« Antwort #68 am: 14.08.2011 | 11:35 »
Nein, das ist nicht systembedigt. Das ist einfach ein Managementfehler.

Ich muss widersprechen. Die Anhäufung nicht konkret zweckgebundener Devisen wäre die Anhäufung von Kapital ... Und das ist systembedingt nicht drin.
Man könnte natürlich argumentieren, dass auch ein kommunistisches System eine Art zweckgebundenen Devisenfond einrichten könnte, um sich für den Fall zu wappnen, dass man Einkäufe beim ideologischen Gegner tätigen muss. Allerdings ist es schwer, Devisen anzusammeln, wenn freie Geldmittel in ein Wettrüsten investiert werden muss, in dem der Gegner seine Mittel durch die Ausbeutung von Drittländern aufstocken kann.

Von der politisch-marktwirtschaftlichen Theorie zurück zur Worldbuilding-Praxis: In einem interplanetaren SF-Szenario kann man den Planeten ausbeuten, auf dem man sitzt und der sehr lange vorhält, bevor die Bevölkerungsdichte so hoch ist, dass "Planet = Land auf der Erde" wäre. Auch halten sich die Kosten für ein Wettrüsten in Grenzen, da das defensive Potential bald ausgeschöpft (sprich: der Planet abgeschirmt wie nix Gutes) ist und sich das offensive Potential auf Massenvernichtungswaffen verschränkt, die wohl eher relativistisch statt ballistisch funktionieren - also kein Mengenpotential benötigen (1).

(1) Wenn ich eine einzige Waffenplattform habe, mit der ich den feindlichen Planeten aus dem All sprengen kann, ist das nicht steigerungsfähig. Ich brauche nicht das 10.000fache Potential, um die Erdoberfläche zu verdampfen, um Verluste meiner Offensivwaffen durch gegnerische Defensivwaffen wie Raketenschilde etc. auszugleichen. Der Einsatz einer relativistischen MVW ist endgültig: Einmal abgefeuert, vernichtet sie das Ziel endgültig, gibt dem Ziel aber gleichzeitig Gelegenheit, sich für die unausweichliche Vernichtung gleicherart revanchieren.

Die miesen Ernten kamen ja auch nicht von ungefähr, oder weil's mal zuviel geregnet hat, sondern auch weil güterzugweise für die Getreideproduktion bestimmte Düngemittel "weggefunden" wurden. Da hat sich jeder Kolchosebauer einen Sack für seinen (legalen) privaten Gemüsegarten organisiert, und schwupp war der Waggon leer und für die staatlichen Felder nichts mehr da.

Das Problem waren eher die agrar- und verwaltungstechnischen Probleme, wenn man durch landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften riesige Agrarflächen schafft. Damit kommen nämlich weder Pflanzen noch Behörden sonderlich gut klar.

Wenn ein kommunistisches System lange genug existiert, merkt es irgendwann, dass es seine Zügel lockern muss, weil es sie einfach nicht mehr fester anziehen kann und weil die andere Option darin besteht, aufzugeben. Wir sehen das gerade in/auf Kuba: Niemand kann sagen, ob die Reformen zu spät oder gerade noch rechtzeitig kommen, ob sie ausreichend sind, schnell genug ausgeweitet oder überhaupt etwas bringen werden ... Aber sie kommen. Die Zukunft wird zeigen, ob ein solcherart moderater Kommunismus doch funktionieren kann, oder ob die Sache doch noch baden geht.

Zitat
Bei zweiterem hab ich so meine Zweifel; entweder es stimmt so nicht oder es ist eine selbstbedingende Definition. Will sagen, ja, der Kapitalismus wie wir ihn kennen funktioniert so, dass die Meisten nicht mitmachen dürfen. Aber ich glaube nicht, dass das der Fall sein müsste. Es ist nur so, dass die einzigen, die den Status Quo ändern könnten, kein Interesse daran haben, weil sie dabei selber verlieren würden. Von selbst ändert er sich nicht, weil der Teufel scheisst auf den größten Haufen und so.

Klar, da sind wir uns einig. Das derzeitige Problem ist, dass unsere kapitalistische Gesellschaft für den Erhalt ihres Lebensstandards Ressourcen benötigt, die einfach nicht in dem Maße vorhanden sind, um diese Gesellschaft auf den ganzen Planeten auszudehnen. Dafür müsste man eine Angleichung vornehmen, also dass die bisher Bevorteilten sehr viel weniger und die bisher Benachteiligten sehr viel mehr bekommen. Nur haben dann erstens alle bestenfalls ausreichend viel und zweitens nennet man eben diese Angleichung gemeinhin Kommunismus. ;)

Man könnte natürlich in einem SF-Szenario eine Art interstellares Pyramidenspiel etablieren, welches zum Ziel hat, immer neue Ressourcen zu erschließen. Und was mir dabei gerade auffällt: Damit hätte man den Grund, nachdem Du gefragt hast, warum Regierungen Raumfahrt subventionieren sollte: Die Ausdehnung des bekannten Weltraums ist staatstragend notwendig. Oder alternativlos, wie die olle Merkel sagen würde.

Zitat
Theoretisch wäre aber ein System möglich, das einerseits die freie wirtschaftliche Entfaltung gestattet und dabei gleichzeitig vor Ausbeutung schützt, und tatsächlich jedem die gleichen Möglichkeiten bietet, nicht nur auf dem Papier. Vielleicht braucht man dazu eine Produktivität, die in Richtung "post-scarcity" geht. Aber eine technologisch fortgeschrittene Gesellschaft dürfte dazu die Möglichkeiten haben.

Jepp, wir denken da prinzipiell in die gleiche Richtung. Ein bißchen Ausbeutung oder generell Ungerechtigkeit müsste ohnehin für das Setting erhalten bleiben, weil man sonst eine Utopie hätte, die zwar schön vorzustellen, aber langweilig zu spielen ist. Mir schwebt da in etwa vor, dass die Manpower neu erschlossener Welten überwiegend von Unterprivilegierten gestellt wird, also von Leuten, die auf anderen Welten "überzählig" sind, sich strafbar gemacht haben oder sonstigen Gründen Anlass haben, ihr Glück als Pioniere zu versuchen. Da gibt es dann lokal genug Reibungen für spannende Szenarien, während da System im Großen und Ganzen doch gute Absichten hat, aber eben nicht perfekt sein kann.

Generell ist es ja auch viel schöner, wenn die Zentralregierung der Menschheit zwar im Herzen wohlmeinend ist, aber ihr Arm eben nicht (jederzeit) in die entferntesten Winkel reicht. Und wenn man mal die "böse Zentralgewalt" (TM) braucht, dann kramt man einfach einen korrupten Planeten- oder Systemgouverneur heraus.
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« Antwort #69 am: 14.08.2011 | 12:30 »
Zum Thema "sowjetische Zustände" habe ich da einen ausführlichen uralt-Artikel aus einem 1982er Spiegel ausgebraben.

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14338988.html

Zu meiner Angabe mit dem vom Laster gefallenen Dünger steht da zwar nichts, aber immerhin:

Gründe für die dritte Mißernte hintereinander, außer dem Wetter: Jede zweite Erntemaschine ist defekt und wird auch nicht repariert, so daß die meisten Neulieferungen nur Ersatzinvestitionen darstellen. Bei Lagerung und Transport der Ernte gibt es bis zu einem Drittel Schwund.

Interessant dabei auch, dass fast alle Angaben über die Art der Mängel direkt aus den sowjetischen Medien entnommen scheinen. Es ist also nicht so, dass es in dieser Hinsicht eine starke Zensur à la Orwell gegeben hätte ("Die Schokoladenration wurde auf 20 Gramm pro Woche erhöht.").

Zitat
Wenn ein kommunistisches System lange genug existiert, merkt es irgendwann, dass es seine Zügel lockern muss

Im Prinzip waren die Sowjets ja schon ca. 1920 soweit. Lenin hat nach ersten katastrophalen Ergebnissen der verstaatlichten Landwirtschaft wieder einen privaten Lebensmittelmarkt erlaubt. Stalin hat das dann prompt wieder rückgängig gemacht. Im späteren Verlauf hat man versucht, es irgendwo in der Mitte einzupendeln.

Da fällt mir übrigens noch ein russischer Witz ein: Schwärmt ein Redner auf dem KP-Parteitag "Bis zum Jahr 2000 wird der Kommunismus die ganze Welt erobert haben". Zwischenruf aus dem Plenum, "Von wem sollen wir dann unseren Weizen kaufen?"

Zitat
Jepp, wir denken da prinzipiell in die gleiche Richtung. Ein bißchen Ausbeutung oder generell Ungerechtigkeit müsste ohnehin für das Setting erhalten bleiben, weil man sonst eine Utopie hätte, die zwar schön vorzustellen, aber langweilig zu spielen ist.

Mein Redshift-Setting ist in der Tat ungefähr so ausgelegt. Wie gesagt gibt es zwischen den Staaten der Erde ein starkes Entwicklungsgefälle, also ist damit quasi auch eine "Die Wurst bleibt hier" Situation gegeben, auch wenn innerhalb der fortschrlittlichsten Staaten keiner mehr auf der Strecke bleibt. Auch bietet es durch die balkanisierte Erde eine breite Auswahl an Gesellschaftsmodellen und Systemen. (Wenn schon ich als Einzelperson mich nicht für einen einheitlichen Kurs entscheiden kann, wie soll es dann die ganze Menschheit tun?)
Bei der Exploration des Alls wird es wohl auch primär um Ressourcen gehen, sowie Lebensraum, wobei aber wie gesagt das Umsiedlungspotential im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung minimal ist. (Ich will ja ein Mid-Future-Setting haben, in dem die Expansion noch nicht so lange im Gange ist; Sternenimperien mit tausenden von Welten fallen also raus.)

Dazu übrigens noch ein paar Kommentare zum Thema Kolonisation auf Atomic Rockets:
http://www.projectrho.com/rocket/stellarcolony.php#id--Rate_of_Expansion--Eric_M._Jones--Comments
Der :T:-Sprachführer: Rollenspieler-Jargon

Zitat von: ErikErikson
Thor lootet nicht.

"I blame WotC for brainwashing us into thinking that +2 damage per attack is acceptable for a fighter, while wizards can get away with stopping time and gating in solars."

Kleine Rechtschreibhilfe: Galerie, Standard, tolerant, "seit bei Zeit", tot/Tod, Stegreif, Rückgrat

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Re: [Science-Fiction] Weltraum-Kolonisation
« Antwort #70 am: 14.08.2011 | 22:59 »
Ich muss widersprechen. Die Anhäufung nicht konkret zweckgebundener Devisen wäre die Anhäufung von Kapital ... Und das ist systembedingt nicht drin.
[...]

Natürlich ist das drin. Das, was wir als "Kommunismus" kennen, hatte jede Menge Kapital. Immmobilien, Fabrikationsanlagen, Wohngebäude... alles Kapital. Devisen sind da nichts anderes. Das war nämlich nichts weiter als Staatskapitalismus.

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Re: [Science-Fiction] Weltraum-Kolonisation
« Antwort #71 am: 14.08.2011 | 23:01 »
Zum Thema "sowjetische Zustände" habe ich da einen ausführlichen uralt-Artikel aus einem 1982er Spiegel ausgebraben.

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14338988.html

Zu meiner Angabe mit dem vom Laster gefallenen Dünger steht da zwar nichts, aber immerhin:

Gründe für die dritte Mißernte hintereinander, außer dem Wetter: Jede zweite Erntemaschine ist defekt und wird auch nicht repariert, so daß die meisten Neulieferungen nur Ersatzinvestitionen darstellen. Bei Lagerung und Transport der Ernte gibt es bis zu einem Drittel Schwund.
[...]

MIt anderen Worten: Eine viel zu niedrige Investitionsquote. Managementfehler.

Offline Yerho

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Re: [Science-Fiction] Weltraum-Kolonisation
« Antwort #72 am: 18.08.2011 | 08:55 »
Natürlich ist das drin. Das, was wir als "Kommunismus" kennen, hatte jede Menge Kapital. Immmobilien, Fabrikationsanlagen, Wohngebäude... alles Kapital. Devisen sind da nichts anderes. Das war nämlich nichts weiter als Staatskapitalismus.

Es geht nicht um Kapital, sondern um dessen Anhäufung. Die von Dir aufgezählten Werte sind weder optional noch disponabel, sie befinden sich nominell in Volkseigentum, was sich praktisch darin äußert, dass sie in Besitz des Volkes sind, verwendet und benötigt werden. Deiner Definition zufolge gäbe es nur Kapitalismus, weil ja jeder Staat mindestens über Humankapital verfügt. Und so lange Du beispielsweise die Sowjetunion als Kapitalgesellschaft mit 290 Millionen Gesellschaftern betrachten möchtest, sehe ich da - ganz offen gestanden - auch keine Diskussionsgrundlage. ;)
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Re: [Science-Fiction] Weltraum-Kolonisation
« Antwort #73 am: 18.08.2011 | 09:35 »
Es geht nicht um Kapital, sondern um dessen Anhäufung. Die von Dir aufgezählten Werte sind weder optional noch disponabel,

Aber natürlich sind sie das und sie wurden auch so behandelt.

Zitat
sie befinden sich nominell in Volkseigentum, was sich praktisch darin äußert, dass sie in Besitz des Volkes sind, verwendet und benötigt werden.

Da fällst Du jetzt aber auf die Propaganda des Regimes rein. Neh, dieses Kapital befand sich praktisch im Besitz der Funktionäre, die es verwalteten.

Zitat
Deiner Definition zufolge gäbe es nur Kapitalismus, weil ja jeder Staat mindestens über Humankapital verfügt. [...]

Das ist ja auch so... die Frage ist immer nur, wer der Kapitalist ist. Ein "echter" Sozialismus wäre strikt demokratisch, so dass tatsächlich die Staatsbürger die Kapitalisten wären, und zwar alle zu gleichen Teilen. Das wurde allerdings noch nie versucht.

Offline Yerho

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Re: [Science-Fiction] Weltraum-Kolonisation
« Antwort #74 am: 18.08.2011 | 11:32 »
Aber natürlich sind sie das und sie wurden auch so behandelt.
Da fällst Du jetzt aber auf die Propaganda des Regimes rein. Neh, dieses Kapital befand sich praktisch im Besitz der Funktionäre, die es verwalteten.

Du verwechselst Eigentum und Besitz. Eigentum ist etwas Theoretisches, und in der Theorie war alles, was in der Sowjetunion lag, stand, fuhr oder vor sich hin rottete Eigentum des Volkes. Besitz ist etwas Praktisches; derjenige, der eine Sache in Besitz hat, besitzt sie auch. Nun kann man zwar mit Fug und Recht behaupten, dass hohe Funktionäre deutlich mehr besaßen als der normale Sowjetbürger, aber im Besitz jedes einzelnen Traktor waren sie nicht. Den besaß die Kolchose, die ihn zugeteilt bekommen hatte, und das schon, bevor er überhaupt gefertigt wurde - wenn er denn jemals gefertigt wurde.

Zitat
Das ist ja auch so... die Frage ist immer nur, wer der Kapitalist ist. Ein "echter" Sozialismus wäre strikt demokratisch, so dass tatsächlich die Staatsbürger die Kapitalisten wären, und zwar alle zu gleichen Teilen. Das wurde allerdings noch nie versucht.
Sozialismus wäre es auch, wenn einer alles hätte, aber dies mit allen teilte, sobald sie es brauchen.

Aber im Kern hast Du Recht, und bevor wir den Thread hier noch weiter zweckentfremden, sollten wir die Kurve kriegen: Ein SF-Setting erlaubt es ja grundsätzlich, solche Gesellschaften zu entwickeln. Eine kleine, verschworene Gemeinschaft von Kolonisten/Pionieren, die eine neue Welt erschließen will, kann realen Kommunismus/Sozialismus praktizieren, weil die Zahl ihre Angehörigen überschaubar ist. Jeder kennt jeden, als ist auch jeder jedem gegenüber verantwortlich und die situationsbedingt beschränkten Mittel lassen wenig Raum für Privateigentum (nicht zu verwechseln mit persönlichem Besitz). Sobald die Gesellschaft anonymer wird, wird der innere Schweinehund stärker, weil man weder bei Unterschlagung noch bei Ausbeutung dem Geschädigten in die Augen schauen muss.
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