Autor Thema: Wie setzt ihr Religion in Rollenspielen um?  (Gelesen 5522 mal)

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Online Chaos

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Re: Wie setzt ihr Religion in Rollenspielen um?
« Antwort #50 am: 7.09.2011 | 23:27 »
Das ist aber auch durchaus ein interessantes Konzept: Religion als Handel. "I'll serve you, you give me cool powerz!" ist bei so realen Gottheiten durchaus ein schlüssiges Konzept und dann muss nicht alles, was der Kleriker mit seinen Zaubern anstellt im Dienste der Agenda des Gottes sein, solange er sich nur anderweitig dafür einsetzt und gewisser Maßen den in seinem "Arbeitsvertrag" mit seinem Gott geregelten Pflichten nachkommt. Das hat dann natürlich mit Religion nicht mehr viel zu tun und auch nicht mit Glauben - der Gott ist schließlich da, genau so wie eine Streitaxt, ein Drache oder ein Zauberbuch.

(zum gefetteten Teil): So ähnlich wie ein Dienstwagen, den man auch privat nutzen kann, solange es nicht ausartet?

In der klassischen Konstellation "Götter gewinnen durch Anbetung an Macht" kann man Kleriker auch als Handelsvertreter ansehen - sie bringen die "Ware Gottheit" an den Mann bzw die Frau, die Gottheit gewinnt nach Anbetung durch die "Kundschaft" an Macht und gibt einen Teil davon als Provision an den Außendienst weiter.
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Offline Skele-Surtur

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Re: Wie setzt ihr Religion in Rollenspielen um?
« Antwort #51 am: 7.09.2011 | 23:36 »
(zum gefetteten Teil): So ähnlich wie ein Dienstwagen, den man auch privat nutzen kann, solange es nicht ausartet?

Ja, so in etwa
Doomstone ist die Einheit in der schlechte Rollenspiele gemessen werden.

Korrigiert meine Rechtschreibfehler!

Offline Falke359

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Re: Wie setzt ihr Religion in Rollenspielen um?
« Antwort #52 am: 7.09.2011 | 23:43 »
Die abrahamitischen Religionen sind da halt insofern vermutlich ein Sonderfall. Die sind so gestrickt, dass es heisst "Du, Mensch, bist ein Nichts, ein Wurm, ein Stinktier, und kannst froh sein, dass Gott in seiner Großartigkeit dir trotzdem eine Chance gibt, also buckel du mal schön und sei immer schon brav und folgsam, sonst!"

Dass das ein ziemlich verzerrtes Bild ist, habe ich versucht, im letzten Beitrag beispielhaft zu zeigen:

Für die alten Israeliten war ihr Gott aber, ohne etwas zu erwarten, bereits in Vorleistung getreten (Befreiung aus der Sklaverei) und gibt mit den Geboten die Regeln, wie man in dieser geschenkten Freiheit bleiben kann.

Was ich versucht habe, über das Phänomen "Religion" aufzuzeigen, bezieht sich zudem nicht nur auf die abrahamitischen Religionen.

(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Oftmals wird Religion im Rollenspiel nur unter utilitaristischen (ich glaube, weil ich mir einen bestimmten Nutzen davon verspreche), psychologischen (ich glaube aus Angst) oder ökonomischen Aspekten (wie beschrieben im Sinne eines Handels) betrachtet, was mir insgesamt aber zu kurz greift.

Schaut man sich die großen "Heiligen", "Propheten" oder "Lehrer" verschiedenster Religionen an, handeln die eben nicht aus diesen Motiven, sondern auf Basis dessen, was man nur Glauben nennen kann.

Ob so etwas im Rollenspiel überhaupt umsetzbar ist, bleibt aber immer noch die Frage.


(zum gefetteten Teil): So ähnlich wie ein Dienstwagen, den man auch privat nutzen kann, solange es nicht ausartet?

Göttliche Macht als Dienstwagen. Der Vergleich gefällt mir und zeigt, wie Religion im RPG oft verstanden wird  :d
« Letzte Änderung: 7.09.2011 | 23:51 von Falke359 »
Früher war mehr Lametta.

Offline Feuersänger

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Re: Wie setzt ihr Religion in Rollenspielen um?
« Antwort #53 am: 8.09.2011 | 00:02 »
Dass das ein ziemlich verzerrtes Bild ist, habe ich versucht, im letzten Beitrag beispielhaft zu zeigen:

Ich finde, gerade dein Beispiel passt da in das Schema, das ich zugegebenermaßen polemisch dargestellt habe. In dem Fall eben "Ich, Gott, habe dich aus Ägypten geführt. Jetzt spur du." Bzw., genauer gesagt sagt Gott das alles ja gar nicht. Gott sagt nämlich überhaupt nichts. Es sind Menschen, die da verkünden "Gott hat zu mir gesprochen, und er hat mir gesagt, ich soll dir sagen, dass du mir zu gehorchen hast."

Dieses Schema ist bei irdischen Religionen üblich, zumindest also bei den abrahamitischen, aber bei den gängigen Fantasy-Religionen eben nicht durchführbar. Man behauptet nicht, man handle im Auftrag eines Gottes, wenn dieser Gott real ist und es jederzeit passieren kann, dass er daran Anstoß nimmt und die Sache persönlich richtigstellt. *ZAP*
Macht aber nix, weil es ja in der Standardfantasy eine Vielzahl von Gottheiten gibt, die gegeneinander agieren, man muss sich also nur eine raussuchen, mit der man einen Firmenwagen-Deal eingehen kann.
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Offline Merlin Emrys

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Re: Wie setzt ihr Religion in Rollenspielen um?
« Antwort #54 am: 8.09.2011 | 00:12 »
Im Christentum z.B. gibt es tatsächlich den Ansatz eines "echten" Monotheismus, zum Beispiel bei einigen Scholastikern, ...
Aua. Bitte - lest erst mal (nicht bei Wikipedia, die irrt in diesem Punkt leider, wenn nicht schlimmeres) nach, was "Monotheismus" und was "Henotheismus" ist, bitte. Oder nehmt andere Begriffe, aber keine Fachworte, um zu sagen, was ihr sagen wollt.

Zitat
Die abrahamitischen Religionen sind da halt insofern vermutlich ein Sonderfall. Die sind so gestrickt, dass es heisst "Du, Mensch, bist ein Nichts, ein Wurm, ein Stinktier, und kannst froh sein, dass Gott in seiner Großartigkeit dir trotzdem eine Chance gibt, also buckel du mal schön und sei immer schon brav und folgsam, sonst!"
Tut mir leid, aber das ist schlicht falsch. Sie sagen: "Weißt Du, es ist eh schon alles soweit geklärt und geregelt. Magst Du nicht einfach kommen?" Der Islam und der Katholizismus stellen sich das "Kommen" dann noch etwas geregelter vor, das Judentum und die christlichen Freikirchen sind zu komplex, um es auf einen Nenner zu bringen, und der Protestantismus beläßt es bei: "Komm doch einfach."
Dein Beispiel paßt nicht - weil Du von dem, wovon Du redest, nach Deinen Worte zu urteilen eine inkorrekte Vorstellung hast.

Offline Feuersänger

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Re: Wie setzt ihr Religion in Rollenspielen um?
« Antwort #55 am: 8.09.2011 | 01:14 »
Ich gehe nur von dem aus, was ich im Laufe meines Lebens inmitten des christlichen Abendlandes inkl. Religionsunterricht usw. so "mitbekommen" habe und wie es sich mir darstellt. Jetzt kommst du und sagst "Stimmt ja gar nicht". Das ist ja das wunderbare an der Religion in unserer Welt, jeder kann alles Mögliche behaupten und es wird niemals der Liebe Gott mit "He, das hab ICH aber so nicht gesagt!" daherkommen. (Darauf geh ich jede Wette ein.) Merkste was?

Ich will aber hier auch keine irdisch-religiöse Grundsatzdiskussion anzetteln; dazu ist das hier das komplett falsche Board. Wir hatten erst in der SC einen ewig langen Thread zu dem Thema.
Das einzige, worauf es hier ankommt ist, dass in einem typischen Fantasysetting mit aktiven Göttern die Religion entsprechend zwangsläufig anders aussieht. Unter anderem eben, wie ja auch schon gesagt wurde, weil dort wenig "Glauben" gefragt ist, weil ja das "Wissen" gegeben ist. Und deswegen auch weniger Schindluder mit einer bestimmten Religion getrieben werden kann, wenn der zugehörige Gott einigermaßen auf Draht ist.
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Zitat von: ErikErikson
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Offline GrogT

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Re: Wie setzt ihr Religion in Rollenspielen um?
« Antwort #56 am: 8.09.2011 | 01:52 »
Ich denke, der wichtigste Punkt bei Religion und Rollenspiel ist erstmal, tats6achliche Religiösität so gut wie möglich von ihr zu trennen. Zweitens, sollte gespielte Religiösität die Gruppe nicht übermässig/ ständig mit Konflikten belasten, sollte also ein gleichberechtigter Handlungstrang sein wie die Suche nach Wissen des Magiers, die Suche nach Ruhm des Kriegers etc.

Spielerisch umgesetz wird Religion denke ich ähnlich wie die oben genannten archetypischen Handlungstränge eines Charakters: mit dem "Sense of Wonder". Wenn ich leite, versuche ich jedem Charakter seine eigene, persönliche Besonderheit zuzugestehen, für die ich mich auch (selten) über Regeln hinwegsetze, solange dadurch kein direkter Nachteil/ Inbalance für andere Spieler ensteht. Man sollte möglichst versuchen, diese Besonderheit nicht nur für den Spieler toll zu gestalten, sondern auch für dessen Mitspieler.

Als Spieler versuchte ich immer, meine Religiösität in den Dienst der Gruppe zu stellen. Also nicht direkt versuchen sie zu bekehren, sondern mit den Idealen der Gottheit/ Religion ihnen unter die Arme zu greifen. So wurden alle auf natürliche Weise meinem Glauben und Überzeugungen näher gebracht.

Kurzum: der persönliche Religionsplot sollte, wie alle Charakterhandlungstränge, ein hinzugewinn für die Gruppe sein. Leider sieht man nur allzuoft, dass sich Spieler wie Fanatische Religions Nazies aufführen und meinen, dies sei für sie, das Spiel oder die Gruppe gut weil ach so autentisch.      
« Letzte Änderung: 8.09.2011 | 02:02 von GrogT »

Offline Falke359

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Re: Wie setzt ihr Religion in Rollenspielen um?
« Antwort #57 am: 8.09.2011 | 05:17 »
Aua. Bitte - lest erst mal (nicht bei Wikipedia, die irrt in diesem Punkt leider, wenn nicht schlimmeres) nach, was "Monotheismus" und was "Henotheismus" ist, bitte. Oder nehmt andere Begriffe, aber keine Fachworte, um zu sagen, was ihr sagen wollt.

Ich denke, ich muss mich an dieser Stelle als studierter und diplomierter Theologe outen, obwohl ich das eigentlich vermeiden wollte  ::). Insofern erlaube ich mir, den Anspruch zu erheben, Fachbegriffe korrekt einzubinden und mich auf diesem Gebiet auszukennen.
Ich habe bereits in meinem Eingangsbeitrag geschrieben, dass ich das Thema aus wissenschaftlichen Gründen nachfrage.

Ich gehe nur von dem aus, was ich im Laufe meines Lebens inmitten des christlichen Abendlandes inkl. Religionsunterricht usw. so "mitbekommen" habe und wie es sich mir darstellt.

...was vielleicht an der Menge an Un- bzw. Halbwissen liegt, den man "so mitbekommt", wie in so vielen Fällen. Sich in einzelne Religionen und Glaubensüberlieferungen hineinzuarbeiten, ist unglaublich komplex und dieser Komplexität werden der gewöhnliche Religionsunterricht oder öffentliche Medien leider nie auch nur im Ansatz gerecht.

Zitat
Jetzt kommst du und sagst "Stimmt ja gar nicht". Das ist ja das wunderbare an der Religion in unserer Welt, jeder kann alles Mögliche behaupten (...)

...und das ist die größte Fehlannahme, die nicht berücksichtigt, dass man religiöse Überlieferungen mit (geistes-)wissenschaftlichen Methoden untersucht und durchaus einen Text sachlich und objektivierbar analysieren und interpretieren kann.
Damit sind religiöse Texte ebenso wenig der willkürlichen Interpretation ausgesetzt wie literarische, historische oder philosophische Texte.

Zitat
Ich will aber hier auch keine irdisch-religiöse Grundsatzdiskussion anzetteln; dazu ist das hier das komplett falsche Board.

Danke, das wollte auch ich unbedingt vermeiden. Und bevor sich die Diskussion in diese Richtung verlagert, werde ich das Thema lieber schließen. Denn für meine Fragestellung habe ich erst einmal genug und interessantes feedback erhalten.
Und die Frage, ob das Christentum eine monotheistische Religion ist, müssen wir hier wirklich nicht diskutieren.

Zitat
Das einzige, worauf es hier ankommt ist, dass in einem typischen Fantasysetting mit aktiven Göttern die Religion entsprechend zwangsläufig anders aussieht. Unter anderem eben, wie ja auch schon gesagt wurde, weil dort wenig "Glauben" gefragt ist, weil ja das "Wissen" gegeben ist. Und deswegen auch weniger Schindluder mit einer bestimmten Religion getrieben werden kann, wenn der zugehörige Gott einigermaßen auf Draht ist.

Ich stimme dir in diesem Punkt zu. Was sich für mich aus den bisherigen Beiträgen herauskristallisiert, ist, dass man Religiosität wohl im Rollenspiel nicht wirklich bzw. nur sehr schwer darstellen kann, was weniger am Unterschied zwischen "realen" und Fantasy-Religionen liegt, sondern am Phänomen der Religiosität selbst.

Spielerisch umgesetz wird Religion denke ich ähnlich wie die oben genannten archetypischen Handlungstränge eines Charakters: mit dem "Sense of Wonder". Wenn ich leite, versuche ich jedem Charakter seine eigene, persönliche Besonderheit zuzugestehen (...). Man sollte möglichst versuchen, diese Besonderheit nicht nur für den Spieler toll zu gestalten, sondern auch für dessen Mitspieler.

Als Spieler versuchte ich immer, meine Religiösität in den Dienst der Gruppe zu stellen. Also nicht direkt versuchen sie zu bekehren, sondern mit den Idealen der Gottheit/ Religion ihnen unter die Arme zu greifen. So wurden alle auf natürliche Weise meinem Glauben und Überzeugungen näher gebracht.

ein sehr guter Ansatz, wie ich finde,  :d
der aber offenbar schwer umzusetzen ist.
Wer den zweiten Dungeons&Dragons - Film gesehen hat: Ich finde, der dort gezeigte Obad-Hai Kleriker setzt das hier Beschriebene sehr gut um.

Deshalb würde ich deinen Beitrag gerne als Fazit stehen lassen.

Zitat
Kurzum: der persönliche Religionsplot sollte, wie alle Charakterhandlungstränge, ein hinzugewinn für die Gruppe sein. Leider sieht man nur allzuoft, dass sich Spieler wie Fanatische Religions Nazies aufführen und meinen, dies sei für sie, das Spiel oder die Gruppe gut weil ach so autentisch.      


woran das liegt und ob das auch anders ginge (wie du beschrieben hast), habe ich versucht, mit dieser Fragestellung herauszufinden.
Eure Beiträge haben mir dabei sehr geholfen, wofür ich mich sehr herzlich bedanke.  :)
« Letzte Änderung: 8.09.2011 | 05:29 von Falke359 »
Früher war mehr Lametta.