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Annahmen zu D&D-Spielern - Eine Hypothese

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La Cipolla:
Interessantes Thema! Wäre sehr schade, wenn dieser Thread in den üblichen Editionskrieg abrutscht.

--- Zitat ---Nur wich das Selbstbild der Gruppen davon ja fundamental ab. Das Ergebnis konnte eigentlich nur die massive Ablehnung sein.
Darin sehe ich den eigentlichen Grund für die Spaltung. Den Gruppen wurde ein Spiegel vorgehalten, dessen Spiegelbild den Leuten aufgrund der jahrelangen Indoktrination vorgeblich überlegener Spielstile nicht genehm war.
--- Ende Zitat ---
Ich finde die Grundthese sehr schlüssig, mit zwei Ergänzungen.

1.) Ich denke, es geht weniger um tatsächliche Spielstil-Unterschiede in der vierten Edition, sondern mehr um die Direktheit, die Offenheit, mit der sich das Spiel präsentiert. Da wird über Second Wind, Encounter Powers und wichtigeren Miniatureneinsatz (alles Dinge, die imho einwandfrei ins Spiel passen, sollte ich dazu sagen!), aber auch über Power-Kästen, intuitive Monsterblöcke und sogar Artwork sehr deutlich gemacht, dass dieses taktische Schnetzeln, wie du es nennst, kein nerviger Ballast ist, sondern ein anerkannter und essentieller Bestandteil des Spiels.
Das widerspricht nicht im Geringsten dem, was du sagst, aber ich würde noch mehr betonen, dass die Ablehnung nicht mal zwangsweise von den Regeln der vierten Edition, sondern ganz essentiell auch von der Präsentation dieser Regeln getragen wurde (aus den von dir genannten Gründen). Hätte 4e mehr wie 3e ausgesehen und ein paar Regelbegriffe weniger benutzt, wäre es eventuell wesentlich besser angekommen. Und zwar nicht nur, weil viele Fantasy-Nerds eine Anime-Aversion haben.

2.) Indoktrination ist ein hartes Wort, vor allem im Kontext mit "Selbsttäuschung". Zumal ein beträchtlicher (größerer?) Teil der Rollenspielszene gar nicht sooo viel Kontakt zu extensiver, bewusster Rollenspielideologie hat, wie es im Internet erscheint. Ich meine, natürlich indoktriniert auch ein ständig wiederholtes "Es ist dein Spiel, mach was du willst!" im GRW, oder ein linguistischer Fokus auf "Storytelling" und Synonyme, aber ich denke, da kommt mehr zusammen als nur der Wunsch, das Hobby möge doch bitte ernst genommen werden. ^^
Ich würde bspw. D&D3 einen etwas genaueren Blick gönnen. Natürlich ist das Regelkonstrukt kampffokussiert, wie auch in den Editionen zuvor. Man vergleiche nur die Komplexität, die für Kampf und für den Rest des Spiels drauf geht. Hieraus, oder aus der Geschichte des Hobbys allerdings den Schluss zu ziehen, die meisten D&D Spieler (oder DSA Spieler... da ist es nicht anders) hätten Kämpfe in den Mittelpunkt gestellt - bei der gleichzeitigen Selbstwahrnehmung, es wäre anders - ist ziemlich gewagt.
Die Indoktrination (negativ konnotiert, wohlbemerkt) war ja nicht nur eine idealistische, nicht nur ein Propagandamanöver, um Leuten etwas vorzugaukeln. Dadurch hat sich auch tatsächlich viel verändert; ich würde, ohne irgendwelche Zahlen zu haben, meine Hand dafür ins Feuer legen, dass D&D und DSA nach dem Erscheinen von Vampire statistisch gesehen anders gespielt wurden. Da haben mit Sicherheit Leute ihre Charaktere mehr ausgebaut, die Anzahl der Kämpfe und Dungeon-Crawls reduziert und der Geschichte mehr Relevanz gegeben! Obwohl die Regeln nicht optimal dafür waren. Und diese Spieler waren dann von 4e, wo Kämpfe wie angedeutet recht essentiell und zudem sehr abstrahiert sind, natürlich auch tatsächlich erstmal nicht begeistert. Man könnte jetzt sagen, dass es bei 3e nicht groß anders war, aber a) macht "klein anders" da auch schon einen Unterschied, und b) haben durchaus viele Leute zu 3e-Zeiten das System gewechselt, etwa zu White Wolf. Eine DSA-Gruppe, die ich kenne, hat das Kampfsystem komplett rausgelassen und ist zu erzählerischem Kampf mit Talenten only übergegangen.

Um das zusammenzubringen (und deine Theorie nicht in den Dreck zu ziehen): Ich denke, da ist was Wahres dran, vor allem was die Internet-aktive, Theorie-bewusste Seite der Szene angeht. Wizards hat sich definitiv verrechnet. Es als Hauptgrund für die Ablehnung zu benutzen, ist in meinen Augen aber viel zu weit gegriffen; da kommen zu viele andere Aspekte mit rein.


--- Zitat ---Wow, also ich paraphrasiere mal kurz: Die Gruppen haben anspruchloses Dungeongeschnetzel gespielt aber, wegen des sozialen Drucks der DSA- und Vampire-Atmo-Story-Nazis, sich eingeredet, das sei anspruchsvolles Atmo-Story-Nazi-Spiel, und das hat irgendwie was damit zu tun, dass sich die Charaktere nie auf Augenhöhe begegnen, und jetzt, da sich Charaktere auf Augenhöhe begegnen, können die das nicht mehr, weshalb sie aufgrund ihrer Selbsttäuschung das objektiv bessere Spiel nicht als solches erkennen und stur an der abwegigen Behauptung festhalten, das objektiv schlechtere Spiel sei besser? Das soll aber nicht irgendwie herablassend klingen und deswegen im Voraus schon mal ein Pfui an alle, die sich da jetzt irgendwie angegriffen fühlen und mit Beißreflex reagieren könnten?

Tag 3, Thread 3 and counting...
--- Ende Zitat ---
Schlecht paraphrasiert. Tief durchatmen und nochmal lesen.

Oberkampf:
Mal (hoffentlich) vorsichtig, damit das nicht in einen weiteren Editionskrieg ausartet:

- Mit D&D verbinde ich persönlich durchaus mehr Action!, mehr actionlastige Abenteuer und auch mehr Dungeoncrawling als mit vielen anderen Rollenspielen, auch solchen aus der Fantasy-Ecke. Das war bei AD&D so, bei D&D 3 so und ist auch bei D&D 4 so.

- Genauso habe ich aber auch erlebt, dass D&D oder ein d20-System komplett ohne Action und Kämpfe gespielt wird.

- Ich habe tatsächlich nicht den Eindruck, dass es sonderlich viele Hack&Slay-Gruppen gibt, auch bei D&D nicht. Auf Cons sage ich mittlerweile an (und manchmal entschuldige ich mich sogar dafür), dass ich in meinen Abenteuern auch Actionszenen und Kämpfe habe und dass ich plane, diese während des Spiels auszuwürfeln, weil ich einfach mittlerweile davon ausgehe, dass der deutsche Rollenspieler im Durchschnitt sowas nicht gewohnt ist.

- Damit will ich sagen: Rein auf den Kampf reduziertes Rollenspiel haben wir alle mal die älteren unter uns vielleicht mit 14 - 15 Jahren betrieben, aber in der Praxis begegnet mir das heutzutage nur noch selten. Viel häufiger sind Rollenspielabende ohne Kampf oder sogar ohne Würfelwurf.

- D&D4 ist stark für den Spieler unter den Rollenspielern konzipiert worden. Mit den Skillchallenges liefert D&D4 eine Mechanik, die es ermöglicht, auch außerhalb von Kämpfen den Würfel über den Fortgang des Abenteuers/der Szene entscheiden zu lassen. Sowas tun zwar einige Spiele aus dem Indie-Bereich auch, und auch Mainstream-Varianten wie Warhammer3 verfolgen so einen Ansatz, es ist aber ein starker Bruch mit der Tradition, Situationen außerhalb des Kampfes würfellos zu bespielen.

- D&D4 bricht also mit der üblichen Praxis des Nichtwürfelns während nicht-kämpferischer Szenen. Damit kommt, glaube ich, nicht jeder klar - absolut unabhängig davon, ob solche Nichtkampf-Szenen vorher ergebnisoffen oder linear-spielleitergesteuert ausgespielt wurden. Dass Kämpfe zum mechanisch verregelten Teil des RSP gehören, sind wir gewohnt. Dass Erkundung und Gespräche auch so verregelt werden, ist für viele ein Unding.

- Schon 3.x stellte die Kämpfe mit seinem "20% Ressourcenverbrauch pro Kampf" stark in den Mittelpunkt und empfahl damit 3 bis 5 Kämpfe pro Spielwelttag. Bei D&D4 sind mehrere Kämpfe pro Abenteuertag noch viel tiefer in die Spielmechanik eingeflochten. Außerdem hat D&D die Dauer der Kämpfe verlängert, was man schon in den ersten Leveln spürt (wo zu AD&D- und 3.x-Zeiten ein Kampf schnell abgefrühstückt war).

- Das traditionelle Bild des "Besserrollenspielers" sieht meiner Meinung nach etwa so aus: "Beim Rollenspiel kommt es auf eine gut erzählte Geschichte von Spielleiterseite und gutes Schauspiel vom Spieler an. Beides findet vor allem außerhalb der Kämpfe statt, und ist deswegen so gut wie nicht den Würfeln unterworfen. Zeitlich lange Kämpfe stören dabei nur, da sie weder zur Geschichte noch zur Schaupielerei beitragen."

- Für Leute mit diesem Bild, nehme ich an, ist D&D4 ein Schock. D&D3.x ließ sich noch einigermaßen kampfarm und würfellos spielen - D&D4 will genau das Gegenteil (wenn auch das Würfeln nicht so drastisch wie z.B. bei FATE oder Warhammer 3 ins Spiel integriert ist).

Windjammer:

--- Zitat von: TAFKAKB am 14.03.2012 | 12:12 ---Darin sehe ich den eigentlichen Grund für die Spaltung. Den Gruppen wurde ein Spiegel vorgehalten, dessen Spiegelbild den Leuten aufgrund der jahrelangen Indoktrination vorgeblich überlegener Spielstile nicht genehm war.
--- Ende Zitat ---
So ungefähr der größte Unsinn, den ich je um die 4. Edition gehört habe.

Zwei Zitate von Leuten, die die D&D-Szene - gerade die amerikanische - sicher besser kennen, als irgendwer hier im Thread, ich eingeschlossen.

"You see - the beauty of this game is that everyone plays it differently." Stefan Pokorny, Inhaber von Dwarven-Forge

und paraphrasiert:

"Durch die RPGA kam ich viel in den 52 Staaten herum, und habe ein irrsinnig breites Spektrum an D&D-Spielstilen kennengelernt, von denen ich in den 20 Jahren davor nichts mitbekommen hatte. Wer auch immer weismachen will, dass D&D einen Spielstil hat, hat keine Ahnung von der Szene." Erik Mona, in einem der Dungeon/Dragon-Magazine Editorial, in den Jahren 2005-2007

Die 4. Edition war bestenfalls der "in house"-Spielstil der Wotzies. Die Diskrepanz zwisch dem und der breiteren Szene machte sich bereits 2005 bemerkbar, als man Produkte immer radikaler auf diesen Spielstil hin-design-te. Dazu gehörten Tome of Battle aber auch die Delve-schweren Kaufabenteuer. Die 4. Edition war gar nicht so ein schwerer Bruch, wenn man die 3.5 Spätphase verfolgt hat.

Grubentroll:

--- Zitat von: Eulenspiegel am 14.03.2012 | 15:35 ---Die These war: "Mit D&D4 ist es offensichtlich geworden, dass es bei D&D hauptsächlich um Kampf geht. Das wollen sich viele D&D3.x Anhänger aber nicht eingestehen und meiden deswegen D&D4."

--- Ende Zitat ---

So hab ich (A)D&D nie gesehen.

Und ich finde, die sehr ausgefeilten Settings sprechen auch dagegen. Wer spielt denn bitte Planescape als "Monster of the Week" und "Looting"-Futter?

Grimnir:
Mit der "falschen" Selbstwahrnehmung habe ich auch so meine Probleme. Ich selbst bin sehr stark AD&D-sozialisiert und habe das System lange Jahre als einziges gespielt, ohne ein anderes zu kennen. Ich habe mit AD&D viele meiner tragischsten, schönsten, dramatischsten Rollenspielmomente erlebt, habe tolle Storys und tolle NSC als Spieler kennen gelernt und als SL vorbereitet. Habe für meine SC krasse Vorgeschichten geschrieben. Den Vorwurf der Dungeonklopperei gab es Anfang der 90er wirklich schon, den habe ich aber damals nicht wirklich verstanden. Natürlich gab es viele Kämpfe! Natürlich sind wir in Dungeons hinabgestiegen! Aber das war nicht mehr oder weniger, als ich es jetzt auch noch in anderen Kampagnen mit anderen Systemen (beispielsweise DSA) erlebe.

Innerhalb des D&D-Kosmos wird ja gerade Drachenlanze vorgeworfen oder zugeschrieben, mit dem Storyspiel noch vor Vampire angefangen zu haben, mit all der Kritik und den Kritikastereien wie Railroading und Storynuttentum und so weiter, mit der beispielsweise die ARSler über den Stil herzogen. Die Trennlinie, wenn es denn eine solche gab, lag also innerhalb der D&D-Spielerschaft. Es gab keinen einheitlichen Bier&Brezel-Dungeonslayer-Stil.

Das System betreffend war das aber auch egal. Natürlich war AD&D in erster Linie ein System für Kämpfe - wie jedes Rollenspiel zu dieser Zeit, auch FAFS, auch DSA. Aber das entsprach durchaus der gängigen Spielpraxis in dieser Zeit: Regelspiel für Kämpfe, aber freies Spiel bei NSC-Interaktion, Story und so weiter. Die Fokussierung des Spiels auf das, was ein Regelwerk untertützt, ist ja ein relativ neues Phänomen, das wohl nicht zuletzt auf die Indie-Szene zurückgeht.

Insofern war D&D 3 noch ein klassisches Rollenspiel, trotz der schon sehr durchdachten, aufeinander abgestimmten und stringenten Mechanik. Es war ein Kampfsystem für die Kampfanteile in einem ansonsten frei zu spielenden Spiel. Sogar im Spielleiterhandbuch 3.5 steht noch der Vorschlag, dass der SL durchaus zugunsten der Story die Regeln biegen und einen Würfelwurf ignorieren darf. Das ist noch ein Relikt aus dem Storyprimat, nach dem große Teile der Spielerschaft zu AD&D-Zeiten gespielt haben. Daher haben viele Spieler, auch wir, immer noch mit Storyprimat gespielt, wenn natürlich auch wegen der geilen Mechaniken der Kampf stärker in den Fokus gerückt ist.

Eigentlich könnte man D&D 4 nach der gleichen Vorgabe spielen, aber irgendwie ist man davon abgekommen. Vielleicht, weil man heute echt nur noch das spielt, was die Regeln unterstützen. Vielleicht aus anderen Gründen. Darüber will ich nicht spekulieren, dazu kenne ich es zu wenig, obwohl ich kein Verweigerer bin und auf meiner To-Do-Liste eine D&D4-DarkSun-Kampagne steht.

Als Fazit: Dein Ansatz ist in vielen Punkten plausibel, vielleicht stimmt auch die Reaktanz gegen die Fremdwahrnehmung. Aber dafür muss die Selbstwahrnehmung nicht falsch sein. Das ist der Punkt, in dem ich mit Dir nicht konform gehe.

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