Autor Thema: [Dresden Files] Miami Files - Die Ritter von Miami (a.k.a. "Die schönen Männer")  (Gelesen 52892 mal)

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Offline Tante Petunia

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« Antwort #175 am: 25.03.2018 | 22:39 »
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Ablenkung

Es ist der 7.11.2017. Die Keys werden wegen dem Sturmtief Irma evakuiert. Die Bewohner der Südspitze reisen freiwillig ab. Das Benzin der Raiths verkauft sich sehr gut.
Die Ritter treffen sich in der Botanica.

Alex bekommt dauernd Anrufe. Er soll bei technischen Problemen helfen, etwa wenn ein seit Jahren nicht mehr genutzter Track nicht anspringt. Dann bricht er auf, um den durch die Morde in ihren Reihen verängstigten Practitionern in der Stadt zu helfen.

Cardo macht sich auf den Weg zu Pan. Er soll dafür sorgen, dass dieser Sturm, der nicht von Pan kommt, woanders weht. Pan wirkt sehr beunruhigt.

Roberto sucht Enid mit Hilfe ihres wahren Namens mit einem Ritual. Dabei nutzt er ein Pendel und eine Touristenkarte von Miami. Totilas steuert die Hörfassung einer Stadtführung "Mythische und magische Orte in Miami" bei. Edward will Roberto unterstützen, stört ihn aber mehr als das er ihm hilft. Das Ritual klappt trotzdem. Er macht Enid in einem Haus in der reichen Gegend Coral Gables aus. Dabei pendelt das Pendel immer um das Haus herum, als gäbe es einen Widerstand dort. Wir vermuten, das ist Declans Haus. Der Widerstand kann von Wards herkommen. Wahrscheinlich ist Declan darüber informiert, das ein Suchritual sein Haus getroffen hat.


Anruf bei Totilas von Vin Raith:
Vor dem Hotel steht ein Großaufgebot an Polizei mit Drogensuchhunden für eine Razzia. Die Vorwürfe sind sexuelle Übergriffe und Drogen. Vin bietet an, noch schnell verschwinden zu lassen. Totilas bittet ihn darum.
Totilas ruft Marschal an. Der ist auf einer Polizeistation, weil ..., ein Schläger der Raith, wegen sexueller Nötigung festgenommen wurde. Totilas erzählt ihm von mehreren "Bündeln Schnittlauch vor dem Hotel". Marschal sagt, er komme zum Hotel. Dann macht sich Totilas auf den Weg zum Hotel ...

Anruf bei Edward von Henry:
Die Evakurierung im Hafen wird von Windgeistern oder sowas angegriffen. Alle SIDler sind im Einsatz. Edward soll hin, aber vorsichtig sein.
Edward bricht zum Hafen auf ...

Roberto will Declan überwachen. Dazu will er sein auffälliges Cabriolet ersetzen und sich einen keinen Prius mieten. Er wird von der Botanika aus von mehreren Motorädern verfolgt. An einer Kreutzung holen die auf und schießen auf ihn. Er gibt Gas...

Edward kommt am Hafen an. Dort will er auf ein Dach klettern, um sich einen ersten Eindruck zu machen. Vorher erhält er einen Anruf von einem aufgebrachten Henry. Der sagt "Ich kann das nicht! Hau ab! Verschwinde! Ich kann das nicht." und legt auf. Aus den umliegenden Gebäuden nähern sich Rotvampire...

Totilas erreicht das Hotel. Dort versucht der Hotelbesitzer die Situatin in den Griff zu bekommen. Er spricht mit dem leitenden Polizisten. Totilas kommt dazu und unterstützt ihn. Dann stößt auch Marshal dazu. Vin wird festgenommen, weil er dabei erwischt wurde, wie er Zeug in Klo spülte, Papiere schredderte und eine Festplatte zerstörte. Marshal begleitet und vertritt Vin. Dann wird Totilas aufgefordert auf der Polizeistation Fragen zu beantworten. Er geht mit, sagt aber ohne Anwalt nichts aus...

Roberto merkt, dass er den Motoradfahrern (Santo Shango) nicht wegfahren kann und beschließt, sie abzudrängen...

Edward sieht einen Mann mit überlangen Armen, Händen und hals aus den Schatten treten. Über seinen Augen sitzen zwei rot glühende Augen: ein Denarian! Später wird Edward auffallen, das er vage Ähnlichkeit mit Pater Donnovan hatte.
Während Edward versucht, wegzulaufen, greift ihn der Denarian mit einem schrillen Schrei an. Das verletzt Edward, aber er kann sein Auto erreichen. Dort wird er von zwei Rotvampiren eingeholt, die auf seine Kühlerhaube springen; vier weitere folgen. Edward gibt Vollgas um dort wegzukommen. Dann macht er vergeblich eine Vollbremsung, um die beiden Rotvampire vom Auto zu schleudern. Die Rotvampire greifen ihn an. Daraus folgt eine wilde Prügelei während der Fahrt...

Totilas wird im Verhörzimmer alleine gelassen, bis Marshal eintrifft. Der berichtet, dass er Vin viel zu einfach frei bekommen hat. Dann beginnt ein langes Verhör, das wohl auf Zeit geführt wird. Immer wieder werden dieselben Fragenfolgen wiederholt. Als der Polizist und seine aufgestylte Beraterin kurz raus gehen, beschließen Marshal und Totilas beide zu verführen und so das Verhör zu beenden...

Roberto übersieht beim Versuch, einen Motorradfahrer abzudrängen ein Auto. Es kommt zum Unfall, bei dem sich sein Cabriolet mehrfach überschöägt und auf dem Dach zum stehen kommt. als Roberto aus dem Auto kletter, kommt der Fahrer des anderen Wagens auf ihn zu und spricht ihn an. Als Roberto ihm erzählt, dass Motoradfahrer auf ihn geschossen haben, läuft er weg. Dann nähert sich ein Santo Shango. Roberto flieht und entkommt. Sein Cabriolet läßt er zurück. Später leiht er sich einen dunkelvioletten Prius und macht sich auf den Weg nach Coral Gable...

Edward zieht sich während der Fahrt seine Handschuhe an, um wehrhafter gegen die Rotvampire zu sein. Dabei kollidiert er mit einem Hydranten. Dabei wird ein Rotvampir von seinem Auto geschleudert. Im Kampf kann Edward den verbleibenden Rotvampir wegschleudern und dann entkommen...

Totilas und Marshal setzen ihren Plan erfolgreich um. Sie lassen es so aussehen, als ob die Polizeikräfte sie verführt hätten. Nach kurzer Zeit kommen entsetzte Polizisten von außen in den Verhörraum. Marshal droht ihnen mit einer Klage wegen sexueller Nötigung und seinen Anwälten. Dann verlassen beide zielstrebig die Polizeistation...

Edward versucht vergeblich Henry beim SID zu erreichen. Dann sucht er ihn zu Hause auf und trifft ihn beim hektischen Beladen seines Wagens an. Er stellt ihn zur Rede: Henry hat schon vor langer Zeit einen Deal mit den Rotvampiren gemacht. Er hat ihnen immer wieder Informationen gegeben, dafür haben sie ihm geholfen. U.a. haben Sie Beweise bzw. die Polizisten bei dem Verfahren der Internal Affairs gegen Edward verschwinden lassen. Diesmal wollten die Rotvampire Edwars endgültig verschwinden lassen. Deshalb hat Henry ihn gewarnt. Edward verprügelt Henry, läßt ihn dann aber gehen...

Roberto hat große Schwierigkeiten, die Straße zu finden. Sie scheint sich dagegen zu wehren, gesehen zu werden. Wenn er ganz langsam daran vorbei fährt, sieht er sie, sonst nicht. Da es eine Sackgasse ist, parkt er den Prius und beobachtet die Mündung. Er erhält einen Anruf von einem seiner Kontaktleute. Die Orumilas werden jetzt die Elders aufsuchen und dann mit bewaffneten Einheiten in den Sumpf ziehen.

Ein wenig später ruft Bob der Troll Roberto an und sagt:"Etwas explodiert! Es brennt bei Byron!" Die Ritter beschließen, hinzufahren. Totilas kauft unterwegs noch drei Feuerlöscher und erhält ein Jagdgewehr mit Munition als Zugabe dazu. Dort angekommen finden sie einen Kampf vor. Auf der einen Seite wirft Bob mit Steinen, die Jemand an seiner Seite magisch verstärkt, auf der anderen Seite stehen mehrere Rotvampiere und schießen. Sie sind durch eine Windwand vor den Steinen geschützt, können Bob aber mit den Schüssen nicht wirklich verletzen. Byrons Wohnwagen brennt lichterloh.
Roberto lenkt am Eingang hinter einem Wohnwagen ab. Edward und Totilas schleichen sich hinter die Rotvampirfront. Dort sehen sie hinter Byrons Wohnwagenturm eine Gruppe von vier Rotvampiren und eine Pryso-Warden, die mit Feuer wirft. Zwei der Rotvampire schießen auf Bob und seine Unterstützer - die beiden anderen sollen nach Hinten absichern. Das tun sie aber nur halbherzlig. Alle vier Rotvampire scheinen frisch gemacht zu sein.
Robertos Ablenkung funktioniert sehr gut. Aber er wird dabei verletzt, weil die Rotvampire Waffen haben, die den Wohnwagen durchschlagen können.
Hinter dem Wohnwagenturm kommt es zum Kampf. Edward tötet die beiden hinteren Rotvampire. Totilas verletzt währenddessen die Pseudo-Warden im Kampf schwer. Dann exlpodiert diese in einem Feuerschwall. Später wird Totilas sich fragen, ob sie einen Todesfluch auf ihn gelegt hat. Die übrig gebliebenen Rotvampire haben keine Chance.
Nach dem Kampf koordiniert Roberto das Löschen der Feuer. Wir suchen Byron und erfahren, dass er nach einem Anruf aufbrach, um Scarlet von einem Baum in dem Industriegebiet zu retten, in dem die toten Briefkästen der Winterfeen waren.

Wir fahren worthin und finden Byron erschöpft unter einem Baum sitzend vor. Um ihn herum liegen einige tote Rotvampire. Er hat Schnittwunden eines Denarians. Als er uns erkennt, entspannt er sich. Dann kommt auch Scarlet vom Baum geklettert. Sie blutet aus den Ohren und wirkt verstört. Wir bringen Byron dort weg. Er berichtet, dass der Denarian wegflog.

Edward wird von einem Polizisten angerufen, weil dieser im SID Niemanden erreichen konnte. Der berichtet, dass in der [Kirche] eine Orgel gestohlen wurde.
« Letzte Änderung: 22.04.2018 | 22:58 von Barbara »
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Re: [Dresden Files] Miami Files - Die Ritter von Miami
« Antwort #177 am: 3.09.2018 | 10:13 »
Ricardos Tagebuch: Turn Coat 4

07. September

Mierda. Was für ein einziges, langes Ablenkungsmanöver. Jemand plant etwas und will uns nicht dabei haben. Nur hat die Tatsache, dass wir das Ablenkungsmanöver als solches erkannt haben, uns leider kein Stück dabei geholfen, es zu vermeiden.

Bei mir fing es heute früh damit an, dass Pan mich zu sich rief. Wir hatten uns eigentlich gerade getroffen, um die nächsten Schritte zu planen, aber einem Ruf meines Herzogs konnte ich mich natürlich nicht widersetzen. Pan war sehr besorgt wegen dieses Sturms, weil es ein Hurrikan ist, der nicht von ihm und Tanit ausgelöst wurde. Natürlich stehe es ihr frei zu tun, was sie wolle, aber wenn von einer Seite wirklich Tanit involviert war, dann musste auf der anderen Seite eine Sommerfee von ähnlicher Macht wie, oder noch größerer Macht als Pan stehen.
All meine Versuche, ihm zu erklären, dass solche Stürme ja nicht immer von einem Stelldichein zwischen Sommer und Winter ausgelöst werden müssten, wollte er nicht so recht glauben.
Mit anderen Worten, ich hatte alle Hände voll zu tun, Pan zu beruhigen, und es dauerte den ganzen Tag, bevor ich wegkam.

Den anderen war es aber auch nicht viel besser ergangen: Alex hatte den Tag über ebenfalls Beruhigungsarbeit geleistet, und zwar bei den kleineren Machtnutzern der Stadt, die durch die Morde in ihren Reihen zutiefst verängstigt sind.

Roberto wollte ein Ritual abhalten, um nach Enid zu suchen, wurde aber in seinen Anstrengungen davon behindert, dass sein Pendel um einen bestimmten Bereich herumschwenkte, als werde es von seinem eigentlichen Ziel abgelenkt. Spencer Declans Haus, vermuteten die Jungs, und vermutlich wusste Declan auch, dass da ein Suchzauber gewirkt worden war.

Und natürlich gingen die Ablenkungsmanöver lustig weiter: Auf dem Weg zu Declan, wo Roberto das Haus des Wardens überwachen wollte, wurde er von Angehörigen der Santo Shango auf Motorrädern verfolgt, was zu jeder Menge Zeitverzögerung und einem Autounfall führte. Und als er seine Verfolger dann doch endlich los war, hatte er große Schwierigkeiten, in Declans Straße zu kommen – ganz so, als sei diese verschleiert worden.

Totilas hatte indessen seine eigenen Probleme: Vor dem Hotel Marbella war die Polizei mit einem Großaufgebot angerückt, um die Räumlichkeiten der Raiths zu durchsuchen. Vin Raith wurde verhaftet, Totilas zur Vernehmung auf das Revier geladen, wollte aber ohne seinen Anwalt Marshal nichts aussagen. Auf dem Revier war es für Marshal viel zu einfach, Vin freizubekommen, aber das Verhör gegen Totilas wurde überdeutlich einzig und allein auf Zeit geführt. Sobald die beiden Raiths das erkannten beschlossen sie in einer kurzen Pause, in der sie für einen Moment alleine gelassen wurden, die beiden Beamten zu verführen und das Verhör auf diese Weise zu beenden – ließen es aber so aussehen, als seien sie umgekehrt von den Polizisten verführt worden. Sobald Marshal mit einer Klage wegen sexueller Nötigung drohte, wurden die beiden sehr schnell entlassen.

Das Ablenkungsmanöver, das auf Edward wartete, war das bösartigste. Er bekam einen Anruf von Henry Smith, dass die Evakuierungsmaßnahmen im Hafen von Windgeistern oder etwas in der Art angegriffen würden. Natürlich fuhr Edward hin, aber als er gerade am Hafen eintraf, rief Henry wieder an und warnte ihn mit einem "Ich kann das nicht. Hau ab! Verschwinde! Ich kann das nicht!", während aus den umliegenden Gebäuden bereits eine ganze Meute an Rotvampiren strömte. Auch eine Gestalt mit überlangen Armen, Händen und Hals war dabei, und vor allem hatte die Gestalt zwei Augenpaare, war also auch einer von diesen Denariern! In diesem Moment hatte Edward keine Zeit, darüber nachzudenken, aber als er uns erzählte, was passiert war, fiel ihm auf, dass der Denarier ein bisschen Ähnlichkeit mit Pater Donovan gehabt hatte.
Das war zugegebenermaßen ein gewisser Schock für mich – nicht, weil wir nicht vorher schon misstrauisch gegenüber dem Pater gewesen waren, denn das waren wir ja. Aber die Verbindung eines Kirchenmannes zu einem Dämon, auch und gerade im Zusammenhang mit den 30 Silbermünzen, mit denen Jesus verraten worden war, erschien mir irgendwie besonders perfide.
Edward erkannte, dass er gegen die Vampire und den Denarier in der Unterzahl war, und trat den Rückzug an, musste sich aber während der Fahrt eine wilde Prügelei mit zweien der Vampire liefern, die ihm auf die Kühlerhaube gesprungen waren. Sobald er die beiden Red Courts losgeworden war, versuchte er, Henry anzurufen, konnte ihn aber nicht erreichen. Also fuhr er zu seinem Untergebenen nach Hause und fand den beim hektischen Beladen seines Autos. Von Edward zur Rede gestellt, gestand Henry, dass er schon vor langer Zeit ein Abkommen mit den Rotvampiren geschlossen hatte: Er belieferte sie mit Informationen, dafür halfen sie ihm, zum Beispiel auch, indem sie die Beweise gegen Edward verschwinden ließen, als Internal Affairs gegen ihn ermittelte. Diesmal allerdings hätte der Rote Hof Edward endgültig loswerden wollen und ihn deswegen durch Henry in eine Falle locken lassen. Nachdem er ihn wütend verprügelt hatte, ließ Edward Henry daraufhin laufen.

Die Jungs hatten sich gerade wieder getroffen – ich selbst hing immer noch bei Pan fest – da bekamen sie einen Anruf von Bob dem Troll, der aufgeregt erzählte, dass in der Kommune etwas explodiert sei und es bei Byron brenne.
Als sie bei der Kommune ankamen, war der Kampf zwischen einigen Angehörigen der Kommune, allen voran Bob, und den Rotvampiren mitten im Gange. Byrons Wohnwagen brannte lichterloh. Natürlich griffen die Jungs ein, und gemeinsam gelang es ihnen, die Rotvampire und die letzte Warden-Padawan, die mit Feuermagie um sich warf, auszuschalten. Die Feuer-Magierin explodierte in einem Feuerschwall, als Totilas sie schwer verletzte, und er sagte zu uns, er frage sich jetzt, ob sie ihn vielleicht mit ihrem Todesfluch belegt hat. Puuuh. Hoffen wir es mal nicht.
Byrons Wohnwagen war abgebrannt, aber er selbst war zum Glück gar nicht da. Er war wohl vor Ausbruch des Kampfes losgefahren, um Scarlet von einem Baum in dem Industriegebiet zu retten, wo damals die Frostgnome Joelles Hochzeitspost gefunden und ihr Hauptquartier in dem alten Kühlhaus aufgeschlagen hatten.

Als die Jungs dort ankamen, fanden sie Scarlet verängstigt auf dem Baum sitzend, Byron erschöpft und verletzt darunter, um ihn herum eine ganze Reihe von toten Rotvampiren. Byrons Wunden waren ihm von dem Raben-Denarier beigebracht worden; das Wesen sei aber weggeflogen, als Byron alle Vampire erledigt hatte.

Indessen kam ich auch wieder zu den Jungs, und wir brachten uns gegenseitig auf Stand.

Aber als ob das noch nicht genug Ärger gewesen wäre, bekam Edward einen Anruf, in dem man ihm mitteilte, dass in der Ermita de la Caridad deren Kirchenorgel gestohlen worden sei – spurlos, ohne jedes Anzeichen von Schleif- oder Tragespuren oder dergleichen. Magie, mit anderen Worten, auch wenn das Wort in dem Telefonat natürlich nicht fiel. Mierda. Aber jetzt wissen wir wenigstens, was die ganzen Ablenkungen sollten.

Nachdem Edward diesen Anruf bekommen hatte, fuhren wir zu den Orunmila, um mit Macaria Grijalva über die Situation zu reden. Wir erzählten ihr davon, dass zwei Denarier in die Situation verwickelt sind und dass Spencer Declan jede Sekunde losschlagen kann, jetzt wo es ihm gelungen ist, die Orgel aus der Ermita zu entwenden.
Macaria erklärte, sie – also die Orunmila – müssten trotzdem zuerst mit Thutmoses Elder sprechen, bevor sie sich um irgendetwas anderes kümmern könnten. Nun gut, wir haben auch keinerlei Ahnung, wo Declan und die Orgel gerade sind, und bei diesem Gespräch zwischen Orunmila und Elders sollten wir vielleicht besser anwesend sein.

Mit den Orunmila vor Ort war die Stimmung in der Waystation entsprechend angespannt. Wir setzten uns in die Mitte des Raumes auf einen neutralen Platz, um dort genau wie die Orunmila auf Thutmoses zu warten.
Und da sitzen wir jetzt, denn Thutmoses Elder lässt sich Zeit. Aber das ist gar nicht so schlecht, so hatte ich Zeit, das alles aufzuschreiben.

Unterwegs bekam Alex übrigens per SMS einen Hinweis von seinem Kontakt bei den Santo Shango, dass die ebenfalls etwas planen und bald losschlagen wollen. Natürlich planen sie auch etwas und schlagen bald los. Es muss ja immer gleich alles auf einmal passieren.

Apropos alles auf einmal passieren. Da fahren Autos vor. Das sieht mir endlich nach Thutmoses Elder aus.

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08. September

Gestern kam ich beim besten Willen nicht mehr zum Schreiben. Ich war einfach zu erledigt, als ich endlich nach Hause kam. Die wichtigste Neuigkeit: Wir sind alle noch am Leben und alle größtenteils unverletzt. Aber der Reihe nach.

Es war tatsächlich Thutmoses Elder, der seinen Auftritt mit einem größeren Gefolge aus Elders garnierte. Wie nicht anders zu erwarten, ging es zwischen den beiden Parteien unter gehörigen Spannungen eine ganze Weile hin und her. Thutmoses Elder beharrte darauf, nichts von einem Angriff auf die vorige Abordnung der Orunmila in den Sümpfen zu wissen; die Orunmila machten den Elders Vorwürfe und umgekehrt, und die Stimmung wurde immer gereizter – bis Oswaldo urplötzlich einen der Elders angriff. Er wollte es so aussehen lassen, als sei er provoziert worden, aber irgendwie war uns – vielleicht weil wir das Ganze aus neutralem Abstand beobachteten – klar, dass er nur auf die Gelegenheit gelauert hatte.

Die Atmosphäre in der Waystation war aufgeheizt genug, dass sofort ein heftiger Kampf ausbrach. Die Elders verwandelten sich in Krokodile, und die Orunmila packten ihre Magie aus, aber die Santerios waren deutlich in der Minderheit und traten die Flucht an. Wir hatten keinerlei Interesse daran, uns in diesen Konflikt einzumischen, und zogen uns ebenfalls zurück. Weil die Eingangstür einen viel zu engen Flaschenhals darstellte, schlug Totilas einfach die Rückwand ein, in deren Nähe wir saßen – dünn genug waren die Bretter, die als Sturmschutz dienten, allemal dafür. Sobald sie sahen, dass da ein breiterer Ausgang geöffnet worden war, folgten die meisten Orunmila uns durch diese größere Öffnung ins Freie.

Draußen war die Situation aber auch nicht viel besser, denn plötzlich tauchte da auch eine ganze Rotte Rotvampire auf, und es entbrannte jetzt ein wilder Kampf zwischen den drei Fraktionen.
Aber dieser Angriff sollte doch bestimmt auch eine Ablenkung sein, weil Declan und seine Leute jetzt das Tranquilidad-Ritual beginnen wollten. Ganz abgesehen davon, dass wir in dieser Auseinandersetzung ohnehin nicht groß etwas hätten ausrichten können, war das der viel wichtigere Grund, warum wir uns unauffällig in einem Boot absetzten, um nach dem Ort des Rituals zu suchen. Ein paar Rotvampire folgten uns, aber wir konnten sie abhängen.

Wir wussten ja noch immer Enids wahren Namen, also führte Edward sein eigenes kleines Ritual durch, um sie darüber zu finden. Das klappte auch tatsächlich, und Edward wurde in eine bestimmte Richtung gezogen. Zur Sicherheit legte ich Jade ab, die ich ja meistens in Füllerform bei mir trage – denn wenn wir in den Bereich kämen, wo die Sinfonia de la Tranquilidad alle Magie unterdrückte, würde auch der Verwandlungszauber auf Jade enden, und ich wollte sie nur ungern in der Hemdtasche tragen, wenn sie wieder zu einem Schwert würde. Aber wenn sie wieder zu einem Schwert würde, wäre das auch auf der Hinweis darauf, dass wir in den Einflussbereich der Sinfonia kommen würden.

Als Edwards Verbindung zu Enid mit einem Mal abbrach, wussten wir, dass das Ritual begonnen hatte. Aber sie hatte sich längere Zeit nicht bewegt, und das würde sie auch nicht, solange Enid spielte, also wussten wir immer noch ungefähr, wo unser Ziel lag. Irgendwann hörten wir dann auch die Musik selbst und konnten der folgen. Das war auch der Moment, in dem wir dem magieunterdrückenden Feld ausgesetzt waren und Jade sich von einem Füllfederhalter zurück in ein Schwert verwandelte – allerdings nicht in die grünlich-goldene Klinge, als die ich sie normalerweise kenne, sondern als ein gewöhnliches, sehr deutlich unmagisches Katana. Und ich konnte spüren, wie mit einem Mal die Sommermagie fort war – mir war gar nicht so recht bewusst gewesen, wie stark sie mich üblicherweise durchdringt. Ich bilde mir ja ein, ich habe inzwischen meinen Frieden mit ihr gemacht: Ich versuche, ein stetiges Auge darauf zu halten, ob sie nicht vielleicht meine Entscheidungen und Gefühle beeinflusst, bzw. in welchem Umfang, und eigentlich dachte ich, ich spüre gar nicht, dass sie da ist, solange ich sie nicht in mir nach oben rufe... aber ein winzigkleiner, eigentlich unmerklicher, warmer Funke davon liegt tatsächlich in jeder Zelle, jedem Blutkörperchen, jeder Faser meines Seins. Oder so fühlte es sich jedenfalls an, als diese Myriaden winzigkleiner, eigentlich unmerklicher, warmer Funken plötzlich nicht mehr da waren. Keine große Veränderung, nichts, das mich lähmte oder wie aus einem Traum erwachen oder plötzlich wieder klar sehen ließ oder wie dergleichen Beschreibungen ähnlicher Phänomene häufig lauten, aber trotzdem eben spürbar und für mich in diesem Ausmaß überraschend.

Unsere Fahrt endete an einer ziemlich großen Landmasse mitten in den Sümpfen, die von hohem, düster und irgendwie unheimlich aussehendem Schilf umgeben war. An einer Stelle befand sich vor dieser Landmasse und vor dieser Schilfmauer wie angeflanscht ein deutlich kleineres, halbkreisförmiges Anhängsel, und auf dieser Halbinsel konnten wir die Kirchenorgel sehen, an der Enid saß und spielte. Neben ihr stand jemand, den wir kannten – und zwar Stefania Steinbach, Kirchenfunktionärin und Lehrling von Spencer Declan, die da stand und Enid beim Spielen bewachte. Am Rand des Halbinsel-Anhängsels patrouillierten drei zäh aussehende Söldnertypen entlang, zwei Männer und eine Frau, während Spencer Declan und eine Person, die von hinten verdächtig nach Pater Donovan aussah – gerade in das Schilf eindrangen.

Noch hatten sie uns nicht bemerkt. Alex blieb im Boot und hielt es in der Dunkelheit, während Totilas und Edward sich durch das Wasser frontal an die Leute auf der Halbinsel anschleichen wollten. Roberto und ich folgten in größerem Bogen von der Seite. Während Edward untertauchte und unentdeckt blieb, hatte Totilas nicht so viel Glück. Einer der Söldner sah seinen Kopf im Wasser und fing an, auf ihn zu feuern, traf aber zum Glück nicht. Totilas stürzte sich auf ihn, während ich den Aufruhr nutzte, um unbemerkt an Land zu kommen und unerwartet vor einem der beiden anderen Söldner aufzutauchen. Der wirkte tatsächlich einen Moment lang perplex, als ich ihn anzischte. Jade mochte zwar gerade nicht magisch sein, aber eine kunstvoll gefertigte Klinge aus japanischer Schmiedekunst war sie dennoch, und gerade die Anwesenheit des Schwerts, wo sie selbst doch alle mit Schusswaffen ausgerüstet waren, schien den Mann ziemlich aus dem Konzept zu bringen. Roberto wandte indessen seine eigenen bewährten Verwirrungstaktiken bei der Söldnerin an, auch wenn sie nicht ganz so funktionierten wie sonst, sondern die Frau vor allem verblüfft auf seinen Liberace-Mantel starrte, der in dieser Aura der Magielosigkeit ja ebenfalls alle besonderen Eigenschaften verloren hatte und einfach nur ein leicht schäbiger Überzieher aus den 1970ern war.

Von seinem Versteck am Ufer aus schoss Edward eine Leuchtfackel auf die Orgel ab – zum Glück hatten die Dinger wasserdicht verpackt im Boot gelegen und seinen Tauchgang somit unbeschadet überstanden. Die Leuchtkugel traf ihr Ziel perfekt, und schon im nächsten Moment endete die Musik, als das Instrument zu brennen begann, und Enid sackte ohnmächtig in sich zusammen. Dass Jade mit der Rückkehr der Magie ihr gewöhnliches Aussehen wieder annahm, war für den Söldner, dem ich gegenüberstand, schon erschreckend genug. Dass Stefania Steinbach sich mit einem wütenden Ruf in die Raben-Denarierin verwandelte, gab ihm und seinen beiden Kollegen den Rest. Anscheinend hatten sie keine Ahnung gehabt, mit was sie es hier genau zu tun hatten, und für Übernatürliches und Monster wurden sie offenbar nicht bezahlt, denn jetzt traten alle drei den Rückzug an.
Während Alex jetzt an die Insel heranfuhr, packte Edward die bewusstlose Enid und bugsierte sie ins Boot, und wir anderen sahen zu, dass wir folgten.
Stefania Steinbach sandte uns noch einen Rabenschrei hinterher, der uns die Ohren bluten ließ, aber abgesehen davon kamen wir einigermaßen ungehindert weg.

Zurück auf dem Festland kümmerten wir uns um die inzwischen aufgewachte, aber noch immer sehr mitgenommene Enid und kehrten dann in die Waystation zurück, wo das Kämpfen langsam aufhörte - die Santo Shango waren inzwischen auch angekommen und hatten sich gegen die Vampire gewandt - um endlich selbst mit Thutmoses zu reden. Erst wollte auch er uns nicht sagen, um was es eigentlich da draußen wirklich ging, aber Alex wandte ganz richtig ein, dass wir vielleicht mehr Schaden anrichten als helfen würden, wenn wir weiter so halbwissend im Dunkeln herumtappten. Daraufhin nahm Thutmoses uns den feierlichen Schwur ab, das Thema zu niemandem, wirklich niemandem zu erwähnen, und auch untereinander bzw. mit anderen Eingeweihten nur darüber zu sprechen, wenn wir uns in einem gesicherten Schutzkreis befänden. Einen solchen zog er auch und nahm uns mit hinein, um uns den Sachverhalt zu erklären. Ich werde jetzt auch nichts davon schreiben – ich weiß im übrigen gar nicht, ob ich es überhaupt könnte, oder ob der Schwur mich daran hindern würde, wenn ich es versuchte, und stattdessen nur irgendwelcher Nonsens herauskäme. Es fühlte sich nämlich an wie ein Schwur, den man nicht einfach nur abgibt, sondern der aktiv reagiert, wenn man ihm zuwider handelt. Aber jedenfalls kann ich jetzt zumindest einigermaßen nachvollziehen, wenn schon nicht gutheißen, warum dieser schottische Warden uns die Erinnerung an die Mordor-Ents gelöscht hat.

Am Ende waren wir uns einig, dass wir mit Cicerón Linares sprechen mussten. Wir mussten zumindest versuchen herauszufinden, warum er mit Spencer Declan gemeinsame Sache gemacht hatte. Aber apropos Spencer Declan. Als Thutmoses hörte, dass Declan und Donovan während der kurzen magiefreien Phase in dem Schilfgebiet gewesen waren, wurde er etwas ungehalten, dass wir ihm das nicht sofort erzählt hatten, aber noch viel ungehaltener, dass sie das überhaupt hatten schaffen können, und dass ihr Eindringen sowie das Ende der Magie die Schutzzone um das Gebiet vielleicht empfindlich geschwächt hatte.
Mit diesem Wissen war es Thutmoses sogar noch wichtiger, Cicerón auch ins Boot zu holen, denn immerhin sind seine Santo Shango und er ja schon seit einer Weile in den Schutz der Zone mit eingebunden.

Cicerón sagte, er habe vor allem deswegen mit Declan gemeinsame Sache gemacht, um ihn im Auge zu behalten, und er habe uns ja immerhin über seinen Kontaktmann auf Schritt und Tritt informiert gehalten, eben nach der Prämisse, wenn er nah an Declan dran ist, kann er herausfinden, was er plant, und, sobald es akut wird, entsprechend eingreifen. Ich bin nicht ganz sicher, wie ehrlich er dabei war, aber er wirkte doch ziemlich glaubhaft.
Nach dieser Aussage weihte Thutmoses auch Cicerón ein; anschließend fuhren wir zu dem Gebiet hinaus. Der rituelle Schutz war tatsächlich durch das Ende der Magie geschwächt worden, aber nicht so, dass sofort etwas herauskommen könnte – sehr lange warten sollten wir mit dem Stärken allerdings auch nicht. Wie genau sich das anstellen lässt, wollen unsere Ritualwirker in den nächsten Tagen überlegen. Außerdem müssen wir zu Macaria Grijalva und sie wegen Oswaldo warnen. Mit Enid besprechen, wie es mit ihr weitergehen kann. Überlegen, ob wir gegen Declan genug in der Hand haben, um offiziell gegen ihn vorzugehen. (Vermutlich eher nicht. Aber mal brainstormen.) Oh, und Alex will dafür sorgen, dass die Orgel zurück in die Ermita kommt.
« Letzte Änderung: 4.09.2018 | 16:58 von Timberwere »
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
Meine Rede.
Zitat von: Shield Warden
Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

Offline Bad Horse

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Sehr schön, vor allem die Beschreibung davon, wie es ist, kein Sommerritter zu sein.  :d

Ein paar Anmerkungen: Offenbar hat Cardo in der Hitze des Gefechts übersehen, dass die Santo Shango nicht die Orunmila oder die Elders, sondern die Rotvampire angegriffen hat. Die waren nämlich von Spencer bezahlt worden, um nach dem Motto Divide et Impera die geschwächten Überreste der Orunmila und / oder der Elders aufzuwischen. Vielleicht hat's Cardo in der Hitze des Gefachts nicht gesehen (war ja einiges los), aber Alex müsste das wissen, der war ja mit den Santo Shango in Kontakt.

Das Ritual zur Stärkung des Schutzes wurde direkt gewirkt, und gleich danach auch noch mal ein Ritual, um den Hurricane vom direkten Kurs auf Miami abzubringen. (Hier erinnere ich an die Aussage: "Für das Ritual, um den Hurricane abzulenken, als Geräusch: Möhrengekreisch.")

Auf der Halbinsel waren es fünf Söldner: "Juan ist ein Latino, Ben ist ein Schwarzer, Harry ist ein Weißer, Olson ist Skandinavier und Jane ist eine Frau ..."
"Aha, ein Skandinavier ist kein Weißer?!?"

Und zur Ergänzung, damit es nicht verloren geht - Cardo kann das nicht aufschreiben, aber es sollte ja doch mal irgendwo stehen: Thutmoses hat euch erzählt, dass vor laaanger Zeit ein paar Samen aus dem Reich der Outsider auf die Erde gefallen sind. Und die Saat ging auf, und Schwarze Bäume aus Schwarzem Holz wuchsen empor und verbreiteten Übel, bis Merlin (ja, DER Merlin) kam und sie mit Schutzzaubern umgeben hat, damit ihr Einfluss auf kleine Gebiete beschränkt bleibt. Ja, das Ding, was Cherie Hans Vandermeer geklaut hat, bestand aus dem Holz eines solchen Baumes. Ich glaube, ihr hattet auch schon rausbekommen, dass jemand, der so ein Stück Holz herumschleppt, die Gesetze der Magie brechen kann. Der Mordor-Ents sind bewegliche Diener der Bäume.
Ggf. baue ich das bezeiten mal in eine Art Märchen um und stelle es zu den Aufzeichnungen ins Obsi. :)
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
The best lack all conviction, while the worst are full of passionate intensity.

Korrekter Imperativ bei starken Verben: Lies! Nimm! Gib! Tritt! Stirb!

Ein Pao ist eine nachbarschaftsgroße Arztdose, die explodiert, wenn man darauf tanzt. Und: Hast du einen Kraftsnack rückwärts geraucht?

Offline sindar

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Und zur Ergänzung, damit es nicht verloren geht - Cardo kann das nicht aufschreiben, aber es sollte ja doch mal irgendwo stehen: Thutmoses hat euch erzählt, dass vor laaanger Zeit ein paar Samen aus dem Reich der Outsider auf die Erde gefallen sind. Und die Saat ging auf, und Schwarze Bäume aus Schwarzem Holz wuchsen empor und verbreiteten Übel, bis Merlin (ja, DER Merlin) kam und sie mit Schutzzaubern umgeben hat, damit ihr Einfluss auf kleine Gebiete beschränkt bleibt. Ja, das Ding, was Cherie Hans Vandermeer geklaut hat, bestand aus dem Holz eines solchen Baumes. Ich glaube, ihr hattet auch schon rausbekommen, dass jemand, der so ein Stück Holz herumschleppt, die Gesetze der Magie brechen kann. Der Mordor-Ents sind bewegliche Diener der Bäume.
Und schon eine Frage von mir gespart. Danke schoen! An euch beide. :)
Bewunderer von Athavar Friedenslied

Offline Timberwere

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Re: [Dresden Files] Miami Files - Die Ritter von Miami
« Antwort #180 am: 4.09.2018 | 16:45 »
Sehr gerne doch! :) Es freut mich sehr, dass du hier gerne mitliest!

Das Ritual zum Schutz-Wiederhochziehen und zum Hurricane-Ablenken wird übrigens zumindest als Kurzeintrag auch noch Eingang in Cardos Tagebuch finden. Da war nur beim letzten Post das Zeichenlimit von 20.000 Anschlägen voll. :)

PS: Ich habe das mit den Santo Shango und den Rotvampiren noch mal ein bisschen korrigiert.
« Letzte Änderung: 4.09.2018 | 16:54 von Timberwere »
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
Meine Rede.
Zitat von: Shield Warden
Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

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Ricardos Tagebuch: Turn Coat, Nachtrag

11. September

Hurricane Irma ist vorübergezogen, und wir leben alle noch. Es gab Schäden, und es gab Probleme, ziemliche Probleme sogar, aber alles in allem können wir nur dankbar sein, dass es nicht schlimmer gekommen ist.

Noch bevor der Hurrikan eintraf, zogen wir den Schutz um den Ort in den Sümpfen wieder hoch. Ich selbst konnte wieder einmal nicht übermäßig viel zu der Ritualmagie beitragen, aber der Schutzeffekt wurde wohl anscheinend umso stärker, je mehr ganz unterschiedliche Magiearten in ihn hineingewoben wurden, sagte Edward, also war es immerhin nicht komplett nutzlos.
Aber wir stellten fest, dass während der paar wenigen magielosen Minuten doch etwas aus dem Gebiet entkommen war. Darum wollten wir uns natürlich kümmern - aber genauso wollten wir etwas gegen den Hurrikan tun, der ansonsten ungebremst und ungefiltert genau auf Miami prallen würde. Also teilten wir uns auf: Totilas und Alex gingen gemeinsam mit Ilyana Elder auf Mordor-Ent-Jagd, während Edward, Roberto und ich schauen wollten, ob wir den Sturm nicht ein bisschen besänftigen konnten.
So richtig besänftigen ließ sich ein Hurrikan dieses Ausmaßes natürlich nicht, dazu war er viel zu mächtig, aber mit vereinten magischen Kräften gelang es uns, ihn doch ein ganz klein wenig abzumildern, aber vor allem seine Bahn wenigstens soweit abzulenken, dass er Miami nicht mehr direkt erwischen würde. Das Ritual dauerte ziemlich lange, denn wir mussten es aufrecht erhalten, bis der Sturm, zumindest der größte Teil davon, über Miami hinweggezogen war. Er traf die Stadt, wie gesagt, nicht mit voller Wucht, sondern zog eher an der Westküste Floridas entlang, aber trotzdem war es heftig genug. In unserer Ritualblase waren wir geschützt, obwohl wir uns im Freien befanden, aber wir sahen, wie es um uns herum tobte, und auf dem Rückweg wurde uns dann das ganze Ausmaß der Schäden bewusst.
Leider nicht nur unterwegs. Während ich mit dem Ritual beschäftigt war, gab es zuhause eine gewisse Krise. Wir hatten geplant, den Hurrikan alle gemeinsam bei mir in der Wohnung auszusitzen: nicht nur Lidia, die Mädchen und ich, sondern auch meine Eltern. Das hatten wir geplant, bevor ich wusste, dass das Ritual den ganzen Sturm über dauern und ich erst nach Hause kommen würde, als das Schlimmste vorüber war. Weil ich nicht da war und meine Eltern vor lauter Sorge auch keine so richtig große Hilfe, hatte Lidia mit Monica und Alejandra mehr als beide Hände voll zu tun. Die Unruhe der Erwachsenen hatte sich auf die Kinder übertragen, die Nerven lagen blank, und dann brannte plötzlich ein Stofftier, um das die Mädchen sich gestritten hatten. Lidia war ziemlich verärgert mit mir, und es kostete mich etwas Mühe, sie zu besänftigen, aber schlimmer: Auch Mamá und Papá entging es nicht, dass das Feuer quasi aus dem Nichts ausbrach.

Ich war aber nicht der einzige, bei dem die Teilnahme am Ritual anderenorts für Probleme sorgte. Weil Edward nicht zu erreichen war, verteilten seine Leute sich während des Sturms auf eigene Initiative, um mit den unzähligen Baustellen irgendwie fertig zu werden. Dadurch war der Precinct für etliche Stunden komplett unbesetzt, und während dieser Zeit wurden aus der Asservatenkammer des SID mehrere Gegenstände entwendet.
Robertos Botánica wurde durch den Hurrikan völlig überflutet, und weil er keine Zeit gehabt hatte, zumindest einen Teil des Inventars in Sicherheit zu bringen, ist so gut wie nichts mehr davon nutzbar. Mit anderen Worten, Roberto wird einiges an Schulden machen müssen, um sein Geschäft am Laufen zu halten. Ob und wieviel ich ihm dabei helfen kann - oder ob er überhaupt irgendwelche finanzielle Hilfe von mir annimmt - werden wir sehen, wenn sich alles ein bisschen beruhigt hat.
Alex hat ja diese Gemeinschaft, das ‘Village’, wo jeder jeden kennt, jeder jedem hilft und alles mehr über gegenseitige Gefälligkeiten läuft denn über Bezahlung. Tatsächlich war Alex aber wohl, ohne es selbst so recht gemerkt zu haben, in den letzten Jahren zu einer Art Anker und Angelpunkt für die Mitglieder des Village geworden, und ohne seine Koordination und seine Anweisungen, wer während des Sturms was genau machen sollte, brach die Gemeinschaft in dieser Krise auseinander.
Und Cherie setzte sich in den Kopf, gerade jetzt dem Red Court auf die Füße treten zu wollen. Wenn Totilas da gewesen wäre, hätte er als Kopf von Haus Raith in Miami sie vermutlich davon abhalten können, aber er war eben nicht da, also zog sie los, geriet aber in einen Hinterhalt und wurde gefangen genommen.
Anhand der Halskette, die er noch von ihr hatte - ich hatte völlig vergessen, bzw. bis zu diesem Moment überhaupt nicht realisiert, dass die ja aus Mordor-Ent-Holz gema   bist du wahnsinnig, Alcazár? Streich das! Und zwar so, dass man es nicht mehr lesen kann!
Anhand der Halskette, die er noch von ihr hatte, konnte Edward ihre Spur aufnehmen. Wir fanden sie in den Everglades und konnten sie befreien, aber man hatte Cherie gehörig durch die Mangel genommen, um es freundlich auszudrücken. Sie war ziemlich fertig und sehr, sehr hungrig, que Dios la ayude. Außerdem war sie nur einen Hauch davon entfernt, entweder in die White Court-Berserkerei zu verfallen oder an ihren Verletzungen zu sterben, und um das zu verhindern, gab Totilas ihr gleich da und dort die notwendige Nahrung - White Court-Style, versteht sich. Also nein, nicht das volle Programm, logischerweise, nicht direkt da vor aller Augen. Aber genug heißes Geknutsche und Gefummel, dass Cherie nicht sofort der Raserei nachgab. Und seine Cousine zu nähren, zehrte Totilas wiederum ziemlich aus. Madre mia. So richtig habe ich mich auch nach - wieviele Jahre sind es jetzt? Sieben? - sieben Jahren immer noch nicht an diese White Courterei gewöhnt.

---

12. September

Heute waren wir bei Macaria Grijalva, um sie vor ihrem Stellvertreter Oswaldo zu warnen. Das lief auch alles andere als gut, wenn ich das mal so sagen darf. Als wir beim Gemeindezentrum der Orunmila ankamen, war Oswaldo gerade munter dabei, seine Glaubensgenossen gegen die Elders aufzuhetzen. Da ließen wir ihn erst einmal noch machen, sondern gingen erst hinein, um mit Macaria zu reden. Aber der alten Santera ging es nicht gut: In dem Kampf an der Waystation war sie verletzt worden - und nicht einfach nur verletzt, sondern von einem Red Court gebissen, und damit war sie jetzt mit dem Vampirvirus infiziert. Als Roberto ihr von unserem Verdacht gegen Oswaldo berichtete, lächelte sie nur müde und sagte etwas von wegen: “Das liegt jetzt in deiner Hand, mein Junge.”
Santisíma madre, ich hoffe wirklich, dass es der alten Dame gelingt, sich gegen den Blutdurst zu wehren und nicht zum Vampir zu mutieren. Vielleicht kann ihr ja diese Bruderschaft der Infizierten helfen, zu der wir vor ein paar Jahren auch den jungen Cielo Canché geschickt haben. Aber trotzdem. Es ist eine Schande.

Als wir wieder draußen waren, versuchte Roberto, bei den versammelten Orunmila gegen Oswaldos Hetze vorzugehen, indem er argumentierte, dass der Rote Hof der wahre Feind sei und die Orunmila und die Elders alte Verbündete, die ein Zwist wie der momentane doch nicht auseinander bringen könne. Aber so richtig erfolgreich war er dabei nicht, sondern das verbale Duell zwischen den beiden blieb ohne klaren Sieger. Angesichts dessen gingen wir erst einmal nicht aktiv gegen Oswaldo vor, sondern verließen das Gemeindezentrum, um uns in Ruhe zu überlegen, was wir langfristig wegen des alten Santero unternehmen können.

Auch mit Enid wollten wir ja sprechen, um zu sehen, ob und wie wir ihr vielleicht helfen können. Das taten wir im Anschluss an den Besuch bei den Orunmila, und auch das war nicht schön. Die arme Enid ist schwerst traumatisiert hat so gut wie alles vergessen. Nicht nur, was die Ereignisse aus dem Sumpf betrifft, sondern ganz generell in bezug auf ihr Leben. Sie kann sich nur noch an ‘die Musik’ erinnern, hat schwammige Eindrücke an einen oder zwei Männer vor Augen, aber ansonsten weiß sie rein gar nichts mehr. Sogar, als wir sie mit ihrem Namen ansprachen, war sie erst verwundert und konnte ihn gar nicht so richtig auf sich beziehen. Uns war allen sofort klar, dass wir einen Therapieplatz für sie finden müssen, und zwar schnell. ¡Jodida mierda! Nicht nur haben sie dem armen Mädchen im Kopf herumgeschraubt, sondern offenbar auch noch so sehr, dass nur schwer oder vielleicht sogar überhaupt nicht mehr rückgängig zu machen ist. Was für verdammte, kaltherzige cabrónes tun so etwas? Ja, ja, ich weiß. Korrumpierte Magier und Dämonenkultisten, von denen muss man sowas erwarten, haha. Aber das macht es nicht besser. Ich glaube, in diesem Moment hätte ich Spencer Declan und Donovan Reilly kaltlächelnd erwürgt, wenn ich sie in die Finger bekommen hätte.

Aber ich bekam Declan und Donovan nicht in die Finger. Tatsächlich sind beide seit mehreren Tagen nicht mehr gesehen worden - an die beiden hatten wir gar nicht mehr gedacht, aber sie hatten ja das Gebiet betreten, kurz nachdem der magieunterdrückende Effekt der Sinfonia begann. Es ist möglich, sogar ziemlich wahrscheinlich, dass sie darin eingeschlossen wurden, als die Magie zurückkehrte, und jetzt immer noch in dem Schutzkreis gefangen sind. Das ist ein beunruhigender Gedanke, denn obwohl sie es verdient hätten, wäre es ein ziemlich schreckliches Ende für sie, wenn sie dort drin verhungern würden, weil es in dem Gebiet nichts zu essen gibt. Aber noch viel bedenklicher finde ich die Möglichkeit, dass die beiden sich das, was dort drin ist, irgendwie zunutze machen und dann dank ihrer Magie und ihrer Dämonenkontakte die Barriere doch irgendwie überwinden - und wer weiß, was sie damit dann alles an Unheil anrichten können. Aber das ist leider nichts, das wir momentan irgendwie beeinflussen können, also muss ich mit dem leisen beunruhigten Nagen im Hinterkopf wohl einfach leben.

Stefania Steinbach hingegen wurde seither durchaus wieder gesehen. Sie versieht ganz normal ihre Aufgaben als Kirchenfunktionärin, hat sich zum Beispiel im Nachgang zu Hurricane Irma groß mit Hilfsangeboten und Barmherzigkeit aufgespielt.
Mierda. Dass Steinbach eine Dämonenkultistin ist, die mit einem von Judas’ dreißig Silberlingen geködert wurde, ist schlimm genug. Aber dass sie eine Kirchenvertreterin ist und im Geheimen gegen alles arbeitet, wofür das Christentum steht, das macht die Sache irgendwie noch hundertmal schlimmer. Und wir haben keine Ahnung, hatten bisher nicht mal den Hauch einer Idee, wie wir gegen diese puta vorgehen sollen. ¡Me pone malo, de verdad!
« Letzte Änderung: 26.12.2018 | 14:42 von Timberwere »
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Ricardos Tagebuch: Day Off

18. September

Eben hatte ich einen Anruf: Nächstes Wochenende soll es einen “Miami Hurrican Irma Relief Carnival” geben, einen Indoor-Jahrmarkt für den guten Zweck, bei dem alle Einnahmen an die Opfer des Sturms gehen. Man hat mich um eine Spende gebeten, aber vor allem darum, selbst auch anwesend zu sein und eine Lesung zu halten, mit der noch weitere Spenden eingefahren werden sollen. Natürlich habe ich zugesagt, und ich habe auch die Jungs auf die Aktion angesetzt. Totilas beteiligt sich im Namen der Familie Raith ebenfalls mit einer Spende - und es sind die Raiths, also fällt der Betrag erstens nochmal um eine ganze Kategorie höher aus als mein eigener, und zweitens hat er die Spende und den Namen Raith sehr werbewirksam in Szene gesetzt. Aber wer will es ihm verdenken - die Familie braucht alle gute PR, derer sie habhaft werden kann. Edward will für den Jahrmarkt einige Schaukämpfe seines Boxclubs organisieren, und Roberto hat vor, einen Wahrsagerstand anzubieten - allerdings für eigene Rechnung, weil er ja selbst zu den Sturmopfern gehört und Geld braucht. Nur Alex hat keine Zeit, sagte er - ich glaube, er ist damit beschäftigt, seine Village-Gemeinschaft wieder zu kitten.
Ich bin mal gespannt, was das gibt; es sind ja nur ein paar Tage Zeit, um die ganze Veranstaltung auf die Beine zu stellen.

---

21. September

Der Jahrmarkt findet tatsächlich statt wie geplant; ich habe eben die letzte Bestätigung erhalten und meine Teilnahme selbst auch noch einmal bestätigt. Ein Kapitel für die Lesung habe ich auch ausgewählt. Lidia und die Mädchen kommen nachmittags auch für ein Stündchen oder zwei mit: Lidia hat sich netterweise bereiterklärt, sie dann heimzubringen und den Rest des Tages alleine auf die beiden aufzupassen.

---

24. September

Tío. Ich hätte mir denken können, dass etwas passieren würde. Vielleicht nicht gerade, was genau, aber etwas. Madre mia, das war keiner meiner glorreicheren Momente. Ich bin nur froh, dass Lidia nicht mehr da war, als ich… nun. Es hilft ja nichts, mich um den heißen Brei zu winden. Als ich mich derart zum Affen gemacht habe. Alejandra auch, aber die hätte ihren albernen Ziehvater-Onkel vielleicht sogar lustig gefunden.

Aber der Reihe nach.

Alejandra und Monica hatten viel Spaß auf dem Jahrmarkt, und weil Yolanda so nett war und eine Weile mit ihnen herumzog, kamen auch Lidia und ich in den Genuss eines Spaziergangs zu zweit durch die Räumlichkeiten. Meine Lesung, als die drei gegangen waren, verlief auch ohne jegliche Probleme, und die Zuhörer schienen beim Hinausgehen auch recht großzügig die Spendenbox zu füllen. Soweit war also alles gut. Aber etwas später kam unvermittelt Yolanda auf mich zu und erzählte mir besorgt, dass Marshall sich seltsam benehmen würde. Er habe sie gar nicht erkannt und sei so angespannt. Auf mein Nachfragen ergänzte Yolanda noch, dass sie sich mit Marshall habe treffen wollen, er aber nicht gekommen sei, also habe sie ihn auf dem Gelände gesucht und gefunden, und da habe er sie dann eben nicht erkannt.
Auf den ganzen Komplex ‘Yolanda trifft einen White Court Vampir’ ging ich erst einmal gar nicht ein, sondern machte mich auf die Suche. Ich fand Marshall bei einem Stand, halb im Schatten verborgen und auf der Lauer, angespannt wie ein Raubtier.
“Marshall?” sprach ich ihn vorsichtig an, “Mr. Raith?”
Der White Court fuhr herum und starrte mich mit verengten Augen an. “Wer sind Sie und woher kennen Sie meinen Namen?”
“Yolanda macht sich Sorgen um Sie.”
Seine Miene wurde noch finsterer. “Schon wieder diese Yolanda. Die war vorhin schon bei mir. Für wen arbeiten Sie?” Dabei ging seine Hand an die Seite, als erwarte er, eine Waffe dort zu finden, die aber nicht da war.
So, wie er sich benahm, fiel mir ein, dass der Mann nicht immer als Fachanwalt für Steuerrecht tätig gewesen war. Als er vor ein paar Jahren in die Stadt kam, tat er das ja im Auftrag des Weißen Königs als dessen Cleaner, sprich Auftragskiller, bevor er den Job an den Nagel hängte und in der Stadt blieb, weil er unter Geralds, und später Totilas’, Ägide eben kein Killer sein musste, sondern seinem Hobby Steuerrecht frönen konnte. Davon war aber gerade im Moment nicht das Geringste zu spüren, sondern der Mann war vollkommen im Cleaner-Modus.
Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Es war an der Zeit, die anderen hinzuzuziehen.

Lustigerweise versuchten die fast genau zum selben Zeitpunkt auch, mich zu erreichen, weil ihnen allen etwas ganz Ähnliches widerfahren war. Also trafen wir uns und tauschten Informationen aus.
Roberto war hier auf dem Jahrmarkt Angel Ortega über den Weg gelaufen, der von seinen Stunden in der Sonntagsschule und Jesus und Sünde erzählte und der Roberto von seiner Diktion und seinem ganzen Verhalten mehr wie ein Zehn- oder Elfjähriger vorkam als wie der erwachsene Santero, der er ist. Außerdem war Totilas Felipe Gomez begegnet, einem Rotvampir und Besitzer einer Red Court-Bar ein Stückchen abseits der Washington Avenue, den unser White Court-Kumpel kennt. Gomez hatte sich wie ein kleines Kind benommen und, als dieser fragte, Totilas gegenüber auch gesagt, er sei fünf. Als Totilas gefragt hatte, wo er auf dem Jahrmarkt schon alles gewesen sei, hatte Felipe etwas von einer Ausstellung erzählt, wo er ein ganz tolles Foto von einer Schiffschaukel gesehen habe.
Edward wiederum war auf Kirsten Lassiter getroffen, die kanadische Warden, die vorletztes Jahr Spencer Declan befreien wollte, weil irgendjemand ihr und dem Magierrat weisgemacht hatte, der White Court habe den Mann entführt. Was sie ausgerechnet in Miami machte? Edward hatte keine Ahnung. Aber sie habe sich nicht wie die kühle Warden benommen, die wir kennengelernt hatten, sondern wie ein schmollender Teenager, der ausnahmslos alles doof fand. Sie sagte auch, sie sei fünfzehn, als Edward sie danach fragte. Auch sie war in dieser Fotoausstellung gewesen und dort auf ein Foto aufmerksam geworden, das sie an ihr Sommercamp diesen Sommer erinnert habe.

Da wir alle Leuten begegnet waren, die sich nicht wie gewöhnlich verhalten hatten, die sich alle jünger benahmen, als sie waren, und von denen zwei in einer Fotoausstellung gewesen waren, suchten wir gemeinsam noch einmal Angel Ortega und fragten den etwas genauer aus. Er sagte, er sei neun, und ja, auch er hatte in dieser Ausstellung ein besonders beeindruckendes Foto gesehen, eines von einem Boot wie bei seinem Bootsausflug mit der Sonntagsschule.

Dass unsere vier Bekannten alle von irgendetwas in dieser Fotoausstellung beeinflusst worden waren, schien uns relativ gesichert. Allerdings hatten sie alle von unterschiedlichen Bildern gesprochen; es konnte also nicht ein- und dasselbe Foto der Auslöser sein.
Bevor wir uns allerdings die Ausstellung vornahmen, rief Roberto bei Ximena an. Immerhin arbeitet Angel seit einer Weile in ihrer Privatdetektei. Ja, bestätigte Robertos Cousine, Angel sei dienstlich auf dem Jahrmarkt: Die Detektei sei von einer Klientin engagiert worden, deren Mann sich seltsam benehme, seit das Paar den Relief Carnival besucht habe. Er habe sie nicht mehr erkannt und nur noch von seiner Waffensammlung gesprochen, und es habe bis zum nächsten Morgen gedauert, bis er wieder normal geworden sei. Deswegen habe Angel den Auftrag erhalten, sich die Sache einmal anzusehen.

Ob dieser Ehemann wohl auch in dieser Ausstellung gewesen war? Vermutlich. Wir hatten ohnehin keine andere Spur, also gingen wir das Zelt ausspähen. An einem Tisch davor saß ein Mann, der die Eintrittskarten verkaufte - und dabei so breit grinste wie die sprichwörtliche Katze, die den Kanarienvogel gefressen hat. Wir beobachteten das Kommen und Gehen eine ganze Weile lang - von den Besuchern, die hineingingen, kamen einige wenige mit sichtlich verändertem Verhalten heraus, aber längst nicht alle.
Ohne selbst die Ausstellung zu besuchen, würden wir nicht viel mehr herausfinden. Einer von uns musste also in den sauren Apfel beißen, aber wer? Wir überlegten eine Weile hin und her, aber am Ende kristallisierte sich heraus, dass ich der geeignetste Kandidat dafür war. Nicht, dass ich auch nur die geringste Lust darauf hatte, schon wieder einmal unter einen geistigen Einfluss zu geraten, aber ich musste zähneknirschend zustimmen, dass ich von uns vieren die harmloseste und am wenigsten krisenbehaftete Vergangenheit hatte. Bei mir war einfach die Wahrscheinlichkeit am geringsten, dass ich in einem Moment feststecken würde, in dem ich etwas Unschönes wie ein jähzorniger Boxer, ein gerade neu zum Vampir gewordener White Court oder ein junger Santero mit frisch entdeckten, unkontrollierten magischen Fähigkeiten wäre. Mierda.
Aber vielleicht würde mir ja auch gar nichts passieren - immerhin war der größte Teil der Besucher vollkommen unbeeinflusst wieder aus der Ausstellung gekommen. Und falls doch, bei dem Mann von Ximenas Klientin war die Veränderung nicht permanent gewesen, es klang also nach einem magischen Effekt, der wie so viele Magie nur bis zum nächsten Sonnenauf- oder Untergang andauern würde. Also gut, dann musste ich eben die Kröte schlucken, cólera noch eins.

Während ich die Eintrittskarte kaufte, unterhielt ich mich kurz mit dem Verkäufer über die Ausstellung. Die Fotos seien alle entweder hier in der Stadt oder von ortsansässigen Künstlern aufgenommen worden, aber nicht alle Bilder stammten von professionellen Fotografen, sondern ein durchaus beträchtlicher Teil von Laien. Bei dem Gespräch erwähnte der Mann auch, dass er einen Sohn hier in der Stadt habe. Die Bemerkung kam mir ein bisschen seltsam und kontextlos vor, aber es war ein natürlicher Teil des Smalltalks, in bezug auf diesen Sohn nachzuhaken, wo er ihn schon erwähnt hatte. Bei der Frage grinste der Verkäufer sehr verschmitzt und sagte nur: “That’s for me to know and for you to find out, Sir.”

Drinnen im Zelt sah ich mich aufmerksam um, ob mir irgendetwas darin auffiel, aber da war nichts, nur die Bilder. Natürlich sah ich mir die Fotos an, von denen Angel und die anderen Beeinflussten gesprochen hatten, aber auch an denen konnte ich nichts Ungewöhnliches feststellen. Aber ein Foto war da, das meine Aufmerksamkeit fesselte. Eigentlich war es gar nichts so Besonderes, eine künstlerisch ziemlich ansprechende Schwarzweiß-Aufnahme von einem Konzert oder einer Stand-Up-Comedy-Show oder etwas in der Art, aber es erinnerte mich an meine erste öffentliche Lesung. Und das wiederum erinnerte mich an den Tag, als ich die Mitteilung bekam, dass Indian Summer offiziell ein Bestseller war. Und mit einem Mal, wie ich mir das Bild so besah, war ich der zweiundzwanzigjährige Cardo, der gerade an diesem Tag die Nachricht bekommen hatte. Hier war ich, der Kubanoamerikaner aus einfachen Mittelklasse-Verhältnissen, der aus dem Nichts und mit Anfang zwanzig auf den Bestseller-Listen gelandet war, und mit einem Genre-Roman noch dazu. Das Euphorie, das Gefühl des Triumphes, war unbeschreiblich, und ich wollte einfach nur feiern.

Draußen vor dem Ausstellungszelt kam Yolanda auf mich zu. Ich hatte keine Ahnung, warum sie auch auf diesem Volksfest war, und ich wusste auch nicht, warum meine kleine Schwester auf einmal so erwachsen aussah. Älter als ich, tatsächlich. Und sie wollte wissen, ob ich 'schon etwas herausgefunden’ hätte, was auch immer sie damit meinte. Ach egal, ich wollte feiern, also schlang ich den Arm um mein Schwesterchen und wollte sie mit mir ziehen. Aber Yolanda sah mich ganz seltsam an, machte sich los und murmelte etwas, das ich nicht verstehen konnte, bevor sie wieder in der Menge verschwand. Sehr seltsam - freute sie sich denn nicht über meinen Erfolg?

Gleich darauf wurde ich von drei fremden Typen angesprochen, die irgendwoher meinen Namen kannten und komischerweise auch wissen wollten, ob ich ‘da drinnen etwas herausgefunden’ hätte. Ich hatte keine Ahnung, was das sollte, aber immerhin fiel mir dann ein, dass ich den einen der drei Clowns schon mal flüchtig gesehen hatte - das war der jüngere Bruder von Carlos Alveira, einem Kumpel von Enrique aus dessen Gang. Auch gut. Ich wollte immer noch meinen Triumph feiern, und wenn gerade nur diese Typen da waren, dann auch mit denen, klar doch!

Die beiden Fremden - Edward und Totilas nannten sie sich - waren aber nicht zum Partymachen aufgelegt, diese Langweiler. Sie sprachen davon, dass sie einen gewissen Marshall beruhigen gehen wollten, und schickten mich und diesen Roberto alleine los, während sie in die andere Richtung abzogen.
In der Mall, wo ich mich gerade befand, gab es auch eine Bar, wo Roberto und ich uns ein paar Drinks gönnten und ich von einer jungen Frau erkannt wurde, die gerne ein Autogramm haben wollte. Außerdem löcherte sie mich wegen Eric Albarn - und ob das mit ihm und Catherine Sebastian gut ausgehen würde? Ich war so guter Laune, dass ich sie angrinste und ihr nach einem “ja klar!” versicherte, dass noch viele gemeinsame Abenteuer auf Eric und Catherine warteten, weil ich schon jede Menge weitere Ideen hätte.

Nach einer Weile bekam Roberto eine SMS und sah, nachdem er sie gelesen hatte, zu mir herüber. “Wir müssen los”, sagte er und ließ meinen Protest gar nicht gelten. Ich war zwar verwirrt, aber das konnte meine Hochstimmung nicht dämpfen, also folgte ich ihm lachend mit den Worten, dass eine einzige Bar an einem Abend ja auch keinesfalls ausreichen würde, um diesen Triumph auszukosten, und wir uns am besten tatsächlich einen neuen passenden Ort suchen sollten.
Aber Roberto führte mich in einen Bereich der Mall, wo diese beiden anderen Typen warteten. Hier war lustigerweise überall Wasser - die Sprinkleranlage musste ausgelöst haben, wie es aussah.
“Wir dachten, der Effekt endet vielleicht unter fließendem Wasser”, sagte der jüngere von beiden, was eine Bemerkung war, die ich auch überhaupt nicht verstand, “aber es hat leider nicht funktioniert. Jetzt ist er nur noch misstrauischer.”

Ich versuchte wieder vergeblich, alle drei dazu zu bringen, ihr langweiliges was-auch-immer-es-war sein zu lassen und lieber mit mir feiern zu gehen, aber die Kerle hatten einfach keinen Sinn dafür, dass man so einen unglaublichen Erfolg einfach auskosten musste. Stattdessen zeigte dieser Edward mit einem Mal ein Stück weit von uns weg: “Da sind Marshall und Yolanda.”
Und tatsächlich. Da standen meine Schwester und ein gutaussehender Typ und unterhielten sich - es war kein Streit, aber es sah schon um einiges intensiver aus als ein ganz normales Gespräch. Als wir näher herangingen, konnten wir auch hören, was sie besprachen. Dieser Kerl - Marshall - legte seine Hand auf ‘Landas Arm und fragte in beinahe lauerndem Ton: “Du willst doch nicht weg, oder?”
‘Landas angespannte Körperhaltung sagte etwas anderes, aber aus ihrem Mund kam ein: “Äh, nein?”
Dieser Marshall grinste wölfisch, fasste Yolandas Hand und ging mit ihr weg. Ich wollte ihnen hinterher - wenn der Typ irgendwelche Frauen verführen wollte, sollte er doch, aber nicht meine Schwester, nicht mit diesem Grinsen! -, aber bevor ich auch nur ein paar Schritte getan hatte, strahlte plötzlich ein gleißend helles Licht auf, und Marshall entfuhr ein Schmerzensschrei. Während der Typ verdutzt seine offensichtlich verbrannte Hand hochhielt, hastete Yolanda schleunigst davon und war gleich darauf in der Menge verschwunden, zu schnell, als dass ich ihr hätte folgen können. Aber gleich darauf war mein Bedürfnis, ihr zu folgen, auch schon wieder verschwunden - ich hatte da noch einen Triumph zu feiern!
“Geht ihr schon mal vor”, sagte Totilas, “ich komme nach.”

Roberto, Edward und ich fanden einen Club, wo sich gut Party machen ließ, und eine Weile später stieß tatsächlich auch Totilas wieder zu uns.
“Ich habe ihn davon überzeugt, dass er das Ziel, das er sucht, nicht finden wird - und falls doch, dass er bis zum Morgen wartet, bevor er handelt; dass er so viel Zeit auch noch hat. Und morgen früh” - hier sah er die anderen bedeutungsvoll an, nachdem er kurz in meine Richtung geschielt hatte - “ist er dann hoffentlich wieder der Alte.”
Die Bemerkung verstand ich nicht, aber sie war auch völlig unwichtig. Hier war ein Club, hier waren fetzige Musik und hübsche Mädchen, und jetzt wollte ich vor allem auf die Tanzfläche.

Wir feierten bis in die frühen Morgenstunden. Als wir den Club verließen, fing es draußen schon an zu dämmern, aber ich war immer noch zu gut drauf, um nach Hause zu gehen. Meine neuen Freunde begleiteten mich an den Strand, weil ich es mir partout in den Kopf gesetzt hatte, zur Feier des Tages und zur Krönung der Nacht im Club ein frühmorgendliches Bad im Meer zu nehmen, und wo, wenn nicht am South Beach? Als wir an unserem Ziel ankamen, ging gerade die Sonne in einem glutroten Ball auf - und ebenso plötzlich, wie er gekommen war, fiel der Zauber des Fotos aus der Ausstellung wieder von mir ab.

Tío, war mir das peinlich, als ich wieder ich selbst - oder besser: wieder mein derzeitiges Ich - war. Nüchtern war ich natürlich deswegen trotzdem nicht, aber wenigstens wieder bei mir.
Zuallererst mussten wir etwas schlafen, aber am frühen Nachmittag trafen wir uns wieder, um das Vorgefallene zu besprechen.

Wir waren uns alle einig, dass der magische Einfluss eindeutig von den Bildern kam, und es war auch inzwischen sicher, dass der Kartenverkäufer eindeutig etwas damit zu tun hatte. Während ich in der Ausstellung war, hatte Roberto den Mann nämlich mit seiner Sight betrachtet und festgestellt, dass er kein Mensch war, sondern eine Trickstergestalt. “Vielleicht Loki”, sagte Edward jetzt, und der Gedanke war gar nicht so abwegig. Zumindest war es eine Arbeitshypothese, bis wir Beweise für oder gegen sie hätten.

Und jetzt, wo ich wieder klar im Kopf war, interessierte mich natürlich enorm, was da in der Mall zwischen Yolanda und Marshall passiert war, was es mit diesem gleißenden Lichtblitz auf sich hatte. Es wird sowieso Zeit, dass ich mit Yolanda rede; sie sollte endlich wissen, dass ich darüber im Bilde bin, dass sie Marshall datet.
Aber Totilas mahnte zur Zurückhaltung, als ich das erwähnte. Er glaubte, oder befürchtete zumindest, dass da in der Mall ein seltenes und nicht sehr bekanntes Phänomen aufgetreten sein könnte, sagte er - eines, von dem er mich bat, es unbedingt für mich zu behalten. Wenn nämlich jemand wahre Liebe empfindet, dann ist der- oder diejenige vor den Kräften der White Court-Vampire geschützt, und nicht nur geschützt, sondern eine solche Person zu berühren, fügt dem Weißvampir beträchtlichen körperlichen Schaden zu. Wenn Yolanda wahre Liebe empfände, dann könnte dieser Effekt zutage getreten sein, als der in seinem früheren Ich befindliche Marshall, der Yolanda in dieser Zeit natürlich noch nicht kannte, sie einfach wie jedes andere White Court-Futter behandeln wollte.

Nach meinem ungläubigen “Was, echt?” und nach Totilas’ Bestätigung entfuhr mir ein langgezogenes “Fuuuuck”. Und dann war ich erst einmal sprachlos, als mir die ganze Bedeutung des soeben Gehörten aufging. Denn wenn die beiden wirklich in wahrer Liebe zueinander hingezogen sind, dann können sie ihr niemals körperlich nachgeben, weil ein White Court-Vampir beim Sex ganz unausweichlich seine Kräfte einsetzt. Niemals. Puh. Das mag ich mir überhaupt nicht vorstellen. Mierda.
“Ja”, bekräftigte Totilas wieder, “und deswegen warte lieber noch, bis du mit deiner Schwester redest. Lass sie erst einmal mit Marshall klären, ob die beiden nach der Geschichte gestern überhaupt noch daten.”

Das klang vernünftig, also fuhr ich erst einmal in Pans Palast, um zu sehen, wie stark der Sturm sich dort ausgewirkt hatte.
« Letzte Änderung: 1.01.2019 | 21:07 von Timberwere »
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Die Lage am Sommerhof war tatsächlich gar nicht so schlimm, weil sich der Palast ja zum größeren Teil im Nevernever befindet. Außerdem war der Hurrikan noch vor der Tag- und Nachtgleiche über Miami hereingebrochen, so dass die Macht des Sommers zu dem Zeitpunkt einen stärkeren Schutz für Pans Residenz darstellte, als es nach Herbstanfang der Fall gewesen wäre, auch wenn es natürlich trotzdem einiges an Überschwemmungen und Schäden gegeben hatte.
Dass bei meinem Herzog und seinem Hofstaat soweit alles in Ordnung war, davon hatte ich mich natürlich direkt nach dem Sturm auch schon überzeugt, aber da hatte ich wenig Zeit gehabt und war außerdem ziemlich übermüdet gewesen. Jetzt hatte ich etwas mehr Ruhe - und außerdem wollte ich mit Sindri reden. Immerhin ist sie ja die Tochter von Loki, also eine gute Quelle, um sie nach dem Trickster auszufragen.
Sie erzählte mir das eine oder andere über Loki, bevor ihr herausrutschte, dass sie einen Halbbruder in der Stadt habe. Als ich nachhakte, bemerkte sie ihren Fehler und wollte erst ausweichen, aber aus der Sache kam sie jetzt nicht mehr heraus, also erzählte sie mir widerstrebend, dass Ximenas Partner in ihrer Detektei, dieser blonde Isländer namens Bjarki, den wir nach Enriques Ausbruch aus dem Gefängnis kennengelernt hatten, in Wahrheit ebenfalls ein Sohn von Loki sei.
Ahaaa. Also das hatte der Kartenverkäufer mit seiner Bemerkung von 'Familie in der Stadt' gemeint. Noch ein Hinweis darauf, dass er wirklich die nordische Gottheit war.

Jetzt wollte Sindri natürlich wissen, warum ich mich so für Loki interessierte, und weil ich sie nicht anlügen wollte, erzählte ich ihr, dass wir vermuteten, dass der Kartenverkäufer auf dem Jahrmarkt Loki sein könne. Sindri wollte ihn natürlich treffen, falls er es denn wäre, denn sie ist ihrem Vater ja noch nie begegnet. Und weil ich ihr davon erzählt hatte, konnte ich ihr den Wunsch natürlich schlecht abschlagen, also brachte ich sie zum Carnaval.

Der Kartenverkäufer stellte sich tatsächlich als Loki heraus, der sich sehr freute, seine Tochter zu treffen, und sehr gerne Zeit mit ihr verbringen wollte. (Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, dass Sindri sich in ein Feuer verwandeln kann, und dass Loki diese Fähigkeit vielleicht irgendwann einmal ausnutzen könnte. Auch hier habe ich wieder ein ganz leises, ungutes Prickeln im Nacken, aber alles in allem finde ich es eigentlich ziemlich schön, dass Sindri ihren Vater endlich kennengelernt hat.)
Jedenfalls überließ Loki mir das Zelt und die Kasse und zog fröhlich mit seiner Tochter davon.

Während ich hier die Ausstellung hüte, habe ich die Zeit genutzt, alles aufzuschreiben, was gestern und heute so passiert ist. Sonderlich viel Betrieb war hier nicht, so dass ich in Ruhe schreiben konnte. Ein paar Eintrittskarten habe ich aber tatsächlich noch verkauft - zum Glück kam kein Besucher mehr verändert heraus, sonst hätte ich die Aktion sofort abgebrochen. Interessanterweise liegen in der Geldkassette neben den eingenommenen Scheinen auch drei Blätter: Eichenblätter sind es, glaube ich.
Am Zelt hängt ein Schild mit den Öffnungszeiten, nach denen die Ausstellung um Mitternacht schließen soll; genau das werde ich dann wohl auch tun. Knapp eine halbe Stunde noch. Und dann ab ins Bett - ich habe noch Schlaf nachzuholen.

Aber ach ja, eines wollte ich noch nachgetragen haben: Gestern abend in der Bar führte Roberto ein Telefonat. Zu dem Zeitpunkt sagte es mir nichts, aber das war ein Anruf bei Lucia Valdez, seiner Bekannten aus dem Red Court, um ihr bescheid zu geben, dass Felipe Gomez auf dem Jahrmarkt war und sich für einen normalen fünfjährigen Jungen hielt. Wenn sie ihn nicht abgeholt hätte, dann wäre Felipe bis zum Morgen in diesem Irrglauben geblieben - und dann, bei Tageslicht, hätte er ein echtes Problem bekommen.
Eigentlich könnte es uns ja egal sein, ob ein Rotvampir zu Asche zerfällt oder nicht, aber ich vermute mal, Roberto dachte, es kann nichts schaden, wenn der Red Court uns etwas schuldet… und so ganz Unrecht hat er damit nicht, wenn ich ehrlich bin.

So, Zeit zum Schließen. Den Schlüssel und alles hat Loki mir ja netterweise dagelassen.

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25. September

¿Qué demonios? Eben habe ich einen Anruf bekommen: “Mr. Alcazár, der Jahrmarkt wird abgebaut, Ihr Zelt muss weg.”
Ähm. Mein Zelt?

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Tatsächlich mein Zelt. Als ich in der Mall ankam, waren fast alle Stände schon demontiert, und an der Ausstellung war von deren eigentlichem Eigentümer weit und breit nichts zu sehen. Die Kassette samt Geld war noch da, aber die Eichenblätter daraus verschwunden, und stattdessen lag ein Zettel darin: “Viel Spaß mit den Fotos.”

Haha. Habe ich also tatsächlich das Zelt und die Fotos geerbt. Mal sehen, was ich damit anstelle. Erst einmal einfach lagern, schätze ich, denn zum Wegwerfen wären sie viel zu schade, und jetzt haben sie ja auch keinen magischen Effekt mehr.

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27. September

Totilas hat mit Marshall über den Vorfall beim Jahrmarkt gesprochen. Marshall beharre felsenfest darauf, dass bei dem Lichtblitz der Sommer aus Yolanda herausgebrochen sein muss, sagte Totilas - dass es sich um wahre Liebe handeln könne, sei völlig unmöglich. Vielleicht war es wirklich nur eine Auswirkung von Yolandas Magie als Richterin des Sommers, aber wenn ich Marshall wäre, würde ich die andere Möglichkeit nicht so völlig außer Acht lassen. Naja, wobei - vermutlich ist es einfach zu schmerzhaft, sich einzugestehen, dass die andere Möglichkeit zutreffen könnte. Mierda.

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Mit Yolanda habe ich jetzt auch geredet. Ich wollte ihr klar machen, dass es für mich okay ist, wenn sie Marshall datet, und dass sie zumindest mir gegenüber nicht ständig irgendwelche Ausreden suchen muss. Klar, so richtig toll finde ich die Sache nicht, auch wenn ich das ‘Landa gegenüber nicht ausgesprochen habe, denn Marshall ist ja immerhin ein White Court-Vampir, und das Risiko, dass er meine Schwester leersaugt oder sie süchtig wird, ist immer noch gegeben. Aber ich habe ja Edward und Cherie zusammen erlebt, und außerdem ist Yolanda erwachsen und weiß, was sie tut, und wenn sie mit Marshall zusammensein will, dann will sie mit Marshall zusammensein, und dann werde ich sie mit Sicherheit nicht davon abbringen können. Und vielleicht macht er sie ja wirklich glücklich.
Aber Yolanda machte ein bedrücktes Gesicht und sagte: “Wenn das nur mal so einfach wäre mit dem Daten.”
Ach seufz. Ich wünschte, ich könnte ihr irgendwie helfen. Aber so, wie die Dinge stehen, konnte ich ihr nur ein offenes Ohr und jegliche Unterstützung anbieten, wenn sie reden will oder sonst irgendwas braucht. Ich weiß nicht, ob sie darauf zurückkommen wird. Ich kann es nur hoffen.
« Letzte Änderung: 2.01.2019 | 10:48 von Timberwere »
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Offline Timberwere

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Ricardos Tagebuch: Changes 1

18. Oktober

Cicerón Linares hat uns kontaktiert und um ein Treffen gebeten. Natürlich gehen wir hin, wir haben keinen Grund abzulehnen oder eine Falle zu vermuten – wir haben mit dem Mann und seiner Gang ja bisher keinen Zwist.

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Später. Okay, das war ... interessant. Linares hatte einen Vorschlag. Einen Vorschlag von ziemlich gewaltiger Reichweite, um genau zu sein. Er erzählte uns von einem Ritual, von dem er gelesen habe, das  so genannte 'Sanctuary-Ritual'. Hierbei wird ein bestimmter Ort zu einem Zufluchtsort gemacht, 'geheiligt' oder zumindest gestärkt, indem man den 'Genius Loci', den Geist dieses Ortes, zum Leben erweckt, ihm mehr oder weniger körperliche Gestalt verleiht und eine Bindung mit ihm eingeht. Und Linares schlug vor, eben dieses Ritual durchzuführen, um sich mit dem Genius Loci von Miami zu verbünden.

Im ersten Moment dachte ich, er ist nichts als ein bocachancia. Ich meine, größer und ambitionierter geht es wohl nicht? Den Genius Loci des Staates Florida vielleicht? Der Vereinigten Staaten gar gleich? Welche Dimensionen muss ein Ritual wohl annehmen, wenn man damit den Geist Miamis beschwören will?

Aber der Gangster meinte es völlig ernst. Das könne kein einzelner Praktizierer durchziehen, egal wie stark dieser in der Magie sein möge, sondern das sei ein Fall für eine gemeinsame Anstrengung. Zwölf Personen idealerweise. An wen er dabei gedacht habe? Uns fünf, sich selbst und noch ein, zwei andere Santo Shango, Ximena O'Toole, und ansonsten würde uns vielleicht ja auch noch jemand einfallen.

Hmmm. Kein uninteressanter Gedanke, aber eindeutig auch keiner, auf den wir sofort eine Antwort hatten.
Denn neben der Größe des Rituals kommen ja auch noch ein paar andere Punkte dazu, die sehr genau überlegt werden müssen. Nicht zuletzt dieser: Linares hat ja vor ein paar Jahren schon Edward Leedskalnin vom Coral Castle vertrieben, um nicht zu sagen, den alten Geist vernichtet, da will er sich jetzt auch noch den Geist von Miami untertan machen?
Gut, er wäre nicht alleine, da wären noch elf andere mit von der Partie, und 'untertan' ist auch nicht das richtige Wort für einen Genius Loci, der mit Sicherheit so mächtig ist wie der unserer Stadt. Aber dennoch dürfen wir diese Entscheidung nicht auf die leichte Schulter nehmen.

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31. Oktober

Das wird heute abend wieder mal ein Halloween der Gegensätze. Erst Jandra und Monica zum Trick 'n Treating begleiten, danach kurz auf der Party der Raiths Präsenz zeigen und dann für den Rest der Nacht Día de los Muertos-Dienst schieben und um Mitternacht Geister zurückschicken. Aber erst muss ich den Mädchen noch ein bisschen mit ihren Kostümen helfen. Nachher oder morgen mehr.

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1. November

Gestern wurde es, wie fast schon erwartet, doch nichts mehr. Und heute wäre ich fast auch nicht dazu gekommen, weil ich völlig erledigt war und mich nachmittags ein bisschen hingelegt habe. Die gestrige Nacht war nämlich extrem anstrengend, noch anstrengender als in den letzten Jahren. Irgendwie werden es gefühlt jedes Jahr mehr Geister, die am Ende des Tages nicht zurückkehren wollen. Wir mussten uns aufteilen, um unseren Teil der Aufgabe wenigstens einigermaßen bewältigen zu können. Edward bekam es unter anderem mit dem Geist eines Serienmörders zu tun, der von einem Jungen zum Día de los Muertos gerufen wurde, weil der ihn bewunderte. Alex hatte auch etliche 'Kunden', darunter den Geist eines mordenden Elektrikers, der in einem Museum neue tödliche Fallen aufstellen wollte und von Alex ins Nevernever geschickt wurde. Totilas wurde zum Beispiel mit einer verstorbenen, rachsüchtigen Mafia-Ehefrau konfrontiert, die ihre Familie ins Jenseits befördern wollte, während Roberto im Laufe der Nacht den Geist eines alten, viel zu jung an einer Überdosis verstorbenen Bekannten aus einem Club vertreiben musste, wo der die Stimmung zu einer tremenda pachanga aufheizte. Ich selbst hatte auch einiges zu tun, darunter mit einer alten, freundlichen Großmutter, die nach dem Día de los Muertos nicht heimkehren wollte, weil ihre alleinerziehende Tochter und ihre beiden Enkel sie brauchten. Sie zu überzeugen, doch wieder zurückzugehen, war zum Glück nicht körperlich gefährlich, aber trotzdem ganz schön anstrengend.

Alles in allem waren es dieses Jahr nicht nur deutlich mehr Geister, die am Ende des Tags der Toten nicht freiwillig zurückkehren wollten, sondern auch das Ritual, das früher den Orunmila oblag und das jetzt die Santo Shango immer im Coral Castle durchführen, war diesmal deutlich schwieriger. Cicerón Linares beispielsweise hatte sich magisch derart überanstrengt, dass er aus den Augen geblutet hatte und eine Augenbinde trug, als wir uns heute nachmittag trafen. Schon seit einigen Jahren werde es immer schwerer, gab Linares zu – das liege wohl daran, dass die Grenzen hier in Miami so dünn sind und immer dünner werden.

Umso mehr Grund, uns ernsthaft mit Ciceróns Idee von letztens auseinanderzusetzen. Der Genius Loci von Miami würde uns sicherlich helfen, mit solchen Umständen wie letzte Nacht fertigzuwerden – aber wollen wir eine solche Bindung wirklich eingehen?
Nach einigen Überlegungen kamen wir zu dem Schluss: Wir wollen. Oder wir wollen es zumindest versuchen. Denn erstens könnte uns eine solche Aktion hoffentlich wirklich dabei helfen, Miami zu beschützen, und außerdem würde Linares, wenn wir es nicht machen, sich vermutlich fünf andere Helfer suchen. Dann lieber wir, damit können wir auch ein Auge auf ihn halten.

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2. November

Ximena O'Toole wäre grundsätzlich mit im Boot. Als weitere Namen hat sie ihre Kollegen Angel Ortega und den Isländer Bjarki vorgeschlagen. Damit wären wir zu elft – noch ein Platz zu besetzen. Mal überlegen. Byron wäre zwar von seinen Grundprofil her geeignet, aber Byron hat selbst gesagt, dass er nur solange hier in der Gegend bleiben will, bis das Problem, das hier seine Wurzeln hat, gelöst ist; um sich derart fest an die Stadt zu binden, wie wir das vorhaben, ist er wohl eher kein Kandidat.

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3. November

Ximena hatte einen Vorschlag für Nummer zwölf: Dee. Sie sei ein Spezialist für Wards, und das Gesetz sei in der Gruppe mit einem Polizisten und drei Santo Shango bislang noch etwas unterrepräsentiert – und den Frauenanteil in der Gruppe zu erhöhen, sei ja sicherlich auch nicht verkehrt. Da hatte sie natürlich recht, auch wenn ich merkte, wie mir bei der Erwähnung von Dees Namen für einen Moment die Gesichtszüge einfroren. Ich weiß nicht mal genau, warum, wenn ich ehrlich bin – vielleicht doch irgendwie der Gedanke, über diese Ritualgemeinschaft, oder wie man es nennen will, so eng mit ihr verbunden zu sein, auch wenn das bei näherer Betrachtung eigentlich Quatsch ist. Mein Gesichtsausdruck blieb den anderen jedenfalls nicht verborgen, und sie fragten, ob ich ein Problem mit Dee hätte, aber nein, kein Problem. Nur ein kurzer Schluckauf.

Abends. Alex hat seine Schwester gleich heute noch angesprochen, und die ist dabei, will aber verständlicherweise keine Verbrechen in der Vorbereitung der Aktion oder bei der Aktion selbst. Na das sollten wir ja hoffentlich hinbekommen.

Über einen passenden Ort und einen passenden Zeitpunkt haben wir uns heute auch schon mal die Köpfe zerbrochen. Wir schossen uns auf das Calle Ocho Festival nächsten März ein, und als Ort kamen wir auf den Domino Park, der ja eine Art Herz der Calle Ocho darstellt.

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5. November

Heute hatte ich ein Treffen mit dem Bürgermeister, um bei einem zwanglosen Kaffee einmal vorzufühlen, wie es wegen einer Sperrung des Domino Parks während des Calle Ocho Festivals aussieht. (Und ja, ich bin mir bewusst, wie das klingt – einfach mal den Bürgermeister zu einem Kaffee einladen. Aber das ist tatsächlich einer der Vorteile, wenn besagter Bürgermeister bekennender Fan deiner Bücher ist.)
Als Begründung gab ich natürlich nicht an, dass wir ein Ritual zur Beschwörung des Genius Loci von Miami durchführen wollen, sondern ich sprach von einem Feuerwerk zu Ehren des Anlasses. Der Bürgermeister war ziemlich angetan von der Idee und sagte zu – jetzt muss ich demnächst nur noch die offizielle Veranstaltungsanfrage an das entsprechende Büro der Stadt richten.

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10. November

Nur kurz – ich bin auf dem Sprung. Wir haben gleich das erste Treffen / Kriegsrat / die konstituierende Sitzung unserer Genius Loci-Gruppe, und vorher will ich noch ein paar Sachen erledigen. Ich bin ja wirklich mal gespannt, wie das wird.

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Das war richtig gut und konstruktiv, Römer und Patrioten. Dora hatte ihr 'Hinterzimmer' für uns reserviert, einen Raum für geschlossene Gesellschaften, den es seit dem Umbau des Dora's nach dem Brand gibt. Da sich noch nicht alle untereinander kannten, machten wir erst einmal eine kleine Vorstellungsrunde – auch, um einander noch einmal zu vergegenwärtigen, was unsere Fähigkeiten und Spezialisierungen im übernatürlichen Bereich sind. Ciceron Linares und Robertos Exfreundin Febe sind 'normale' Santeros des Shango, während Ilyana Elder eine Priesterin des Shango der Yansa und über die Familientradition der Elders auch in ägyptischer Magie bewandert ist. Ein Werkrokodil ist sie allerdings nicht.
Ximena O'Toole ist hermetische Magierin mit der Spezialisierung auf Feuer und Illusionen, Dee versteht sich vor allem auf Wards. Angel ist ebenfalls auf Wards spezialisiert und außerdem Santoro. Ximenas Kompagnon, der Isländer Bjarki, ist tatsächlich ein Sohn von Loki und kann nach Belieben die Gestalt wandeln.

Nachdem wir uns alle vorgestellt hatten, ging es an die Planung. Nicht nur wird das Ritual richtig groß, es wird auch richtig schwierig; wir waren uns also alle einig, dass wir externe Einflüsse so weit wie möglich vermeiden sollten – nur zum Wie müssen wir noch ein paar Gedanken anstellen. Der bei weitem längste Teil der Sitzung befasste sich mit den Komponenten, die wir verwenden könnten – auch die müssen angemessen gewichtig für ein Ritual dieser Größe sein. Am Ende standen wir mit folgenden Ideen da:
Das Hören will ich übernehmen und eine Ode an Miami schreiben. Das wäre nur der Text, nicht die Melodie, also brauchen wir noch eine Melodie dazu und jemanden, der oder die das Lied an dem Abend auftritt. Spontan dachte ich an Gloria Estefan, aber ob die sich für so etwas begeistern lässt? Vor allem, ob sie dazu bereit ist, einen Song für einen fremden Text zu schreiben? Zumindest versuchen will ich vielleicht, sie für die Sache zu gewinnen.
Für das Sehen wollen Angel und Ximena eine magische Drohne besorgen bzw. herstellen, mit der ein Bild auf den Platz an der Calle Ocho projiziert werden kann.
Zum Riechen will Edward 12 Phiolen mit den Düften Miamis besorgen: alles vom Duft des Meeres über Damenparfum und Sonnencreme bis hin zum Geruch von Abgasen.
Roberto will sich des Fühlens annehmen und aus stadteigenen Materialien eine Miniatur der Stadt bauen.
Für das Schmecken gibt es die Florida Rainbow Snake und den Florida Fairy Shrimp, die sich für unsere Zwecke geradezu aufdrängen, weil sie selten und schwer zu bekommen sind. Ilyana und Bjarki wollen welche besorgen.
Für die Seele will Totilas Gegenstände beschaffen, die für die Bewohner Miamis die Stadt verkörpern. Ich bin gespannt, was er finden wird.
Und für den Bereich Geist will Alex einen Schlüssel zur Stadt entweder besorgen oder selbst herstellen, und zwar aus einer der Metallplatten, aus denen auch die offiziellen Schlüssel zur Stadt bestehen, die zu feierlichen Anlässen an ganz besondere Ehrenbürger ausgegeben werden.

Dann ist da noch das Feuerwerk, das ich beim Bürgermeister als mundane Begründung für unsere Anfrage wegen der Sperrung des Platzes angegeben habe und das natürlich ebenfalls stattfinden muss, sonst fällt es auf. Die Organisation des Feuerwerks wollen Ximena und ich übernehmen, und vielleicht holen wir auch den Rat von Christine Wick ein – immerhin stehen sie und ich inzwischen nicht mehr auf Kriegsfuß.
Und wenn all diese Magie durch die Stadt fließt, dann müssen wir darauf achten, dass sie das in geordneten Bahnen tut und möglichst nicht an empfindlichen Orten wie Krankenhäusern oder der Verkehrsleitwarte, wo Leben an den Systemen hängt, die Technik zum Versagen bringt. Deswegen sollte während des Rituals die Magie durch festgelegte Kanäle geleitet wird, wo sie vielleicht nicht nur nicht schädlich, sondern sogar besonders wirksam und/oder hilfreich ist. Um diesen Teil der Operation wollen Dee und Cicerón sich kümmern.

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11. November

Mehrere Treffen heute. Zuerst mit Byron, weil wir den fragen wollten, wie es mit dem Abschotten vor unliebsamen magischen Einflüssen während des Rituals aussieht (also nur wir fünf, wohlgemerkt, nicht die ganze Genius Loci-Gruppe). Denn wir wollen ja die Verkörperung von Miami ins Leben rufen; da haben weder Feenmagie, noch Santería-Orishas, noch Zorn- oder Hungerdämonen etwas zu suchen.
Byron hörte sich unser Anliegen an und befand dann, bei Roberto, Alex und mir sei relativ leicht, uns kurzfristig von unseren übernatürlichen Störelementen zu lösen. Allerdings waren wir uns alle einig, dass wir das bei unseren jeweiligen Sponsoren vorher ankündigen bzw. einen sehr guten Grund und/oder eine sehr gute Ausrede dafür finden müssen, denn gerade bei Feen käme das vermutlich überhaupt nicht gut an, es unangekündigt zu machen, und dann auch noch, um eine potentiell konkurrierende Macht zu beschwören.
Totilas und Edward werden es schwerer haben, ihren jeweiligen Dämon zu unterdrücken – aber andererseits müssen die auch nicht auf Diplomatie achten oder irgendwem gegenüber Rechenschaft ablegen.

Grundsätzlich gibt es vier Arten und Weisen, wie wir unsere jeweiligen Einflüsse vorübergehend ausschalten können: mit Zen-Meditation, mit einer Queste im Nevernever, durch Magie oder mittels Psychopharmaka. Edward hat zusätzlich noch die Möglichkeit, dass er mit James Vanguard sprechen kann, der ja den Wolf kontrolliert und ihn schlafen schicken kann, aber das ist eben nur etwas für Edward. Psychopharmaka hätten den Vorteil, dass unsere jeweiligen Schutzpatrone nichts davon merken, aber sie müssen in genau der richtigen Dosis angewandt werden, damit wir trotz der Drogen handlungsfähig bleiben, und ungesund sind sie in so gut wie jeder Dosierung. Magie hingegen würde von unseren Patronen vermutlich sofort bemerkt, und Magie könnte auch dem großen Hauptritual in die Quere kommen, weswegen Byron sich klar für Psychopharmaka aussprach.

Für mich kommen wohl auch tatsächlich am ehesten Psychopharmaka in Frage, weil Pan, als der notorische Partygänger, der er ist, Drogen am ehesten verstehen und verzeihen wird. Für mich würde auch eine mildere Variante von Chemie ausreichen, ebenso wie für Alex und für Roberto, weil wir nicht so eng mit unseren Auftraggebern verbunden sind wie Totilas und Edward mit ihren Dämonen. Für Alex und Roberto käme eventuell auch ein magischer Trank in Frage, der denselben Effekt hat wie ein chemischer Wirkstoff, wobei ein magischer Effekt nur eben Sperrfeuer für das eigentliche Ritual bedeuten könnte, also will das wohl bedacht sein. Bei Totilas muss wohl am besten sein Dämon kurzfristig exorziert werden – die Frage ist, wer das machen könnte. Natürlich dachten wir zuerst an Roberto, aber der ist kein echter Priester, das wird wohl leider nicht klappen.
Byron machte den Vorschlag, vorher ein gemeinsames Reinigungsritual durchzuführen, damit wir uns aufeinander einstimmen und eventuelle Brüche rechtzeitig aufdecken können. Allerdings nicht in seiner Schwitzhütte, sondern – die Idee hatte Alex – in einem Spa: Spa-Besuche sind einfach so typisch für Miami.

Nach dem Gespräch mit Byron suchten wir Christine auf. Mit der hatten wir nach dem Tod „meiner“ Lady Fire bis auf das Begraben des Kriegsbeils zwischen uns wenig Kontakt, aber am Rande bekamen wir doch mit, dass sie nach den Ereignissen auf der Insel der Jugend erst einmal eine Weile Urlaub machte und sich dann mit der neuen Lady Fire arrangierte. Apropos die neue Lady Fire: Marie Parsen hat sich mit ihrer neuen Identität und Aufgabe auch soweit arrangiert, glaube ich – zumindest schickt sie Edward über ihre kleinen Feuergeister häufig diese Novelty-Postkarten aus hauchdünnem Stein von den unterschiedlichsten Orten.
Bei Christine im Laden warteten wir, bis die Feuerkünstlerin ihre Kunden – ziemlich nervige Touristen, aber sie bringen immerhin Geld – bedient hatte und wir alleine im Geschäft waren, dann trugen wir unser Anliegen vor und engagierten Christine schließlich für das Feuerwerk. Sie soll ein normales, mundanes Feuerwerk vorbereiten, es aber, wenn der Moment gekommen ist, auf magische Weise zünden. Den genauen Tag müssen wir noch mit ihr abstimmen, aber das Calle Ocho Festival ist ja schon gesetzt.

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12. November

Als wir uns heute trafen, erzählte Alex, dass er letzte Nacht im Schlaf Besuch von Eleggua hatte. Sein Patron bestätigte Alex, dass die zunehmende Anzahl und Aggressivität der Geister am Día de los Muertos ein Symptom für die schwächer werdende Grenze zwischen den Welten ist und dass die Barriere in spätestens zwei bis drei Jahren vollständig brechen wird. Möglichkeiten, die Wunde zu heilen, gebe es, aber das sei sehr schwer. Eleggua beschrieb es wie eine Kugel unter Wasser, auf die ständig steigender Druck ausgeübt wird, bis sie irgendwann bricht. Eine Möglichkeit zu verhindern, dass die Kugel bricht, ist es, ein Loch hineinzubohren. Dann fließt zwar etwas Wasser hinein, aber insgesamt wird der Druck reduziert.

Es gefiel uns zwar allen nicht so recht, aber vielleicht ist so ein Loch in der Barriere wirklich eine Möglichkeit. Also fingen wir an zu überlegen, wie sich das umsetzen ließe und was das bedeuten würde. Wir könnten in unser Ritual gewissermaßen eine Art Ventil einbauen. Miami trägt immerhin den Beinamen „Magic City“. Wenn wir während des Rituals ein Loch in die Barriere machen und kontrolliert eine gewisse Menge Magie aus dem Nevernever in diese Welt lassen, dann würde das weniger Ärger durch Geister und den anderen unerwünschten Druck bedeuten, und für alles andere außer der hereingelassenen Magie wäre die Barriere wieder fest. Das könnte dann zwar zur Folge haben, dass in Miami mehr Menschen als bisher über Magie verfügen, aber das ist ein nachgelagertes Problem und vermutlich das deutlich kleinere Übel im Vergleich zu einer unkontrollierbaren Schwemme böser Geister, die dann eben nicht mehr nur am Día de los Muertos in die Stadt kämen.
Die nächste Frage war, was genau „Magie“ in diesem Fall bedeutet, was also genau wir beim Ritual in die Welt lassen wollen. Nur die klassische hermetische Magie, waren wir uns sehr schnell einig. Keine Feenmagie, keine dämonischen Einflüsse, und auch nichts, was das Koyanthropen-Gen in 'Jandra aktivieren könnte. Okay, auch nicht in Yolanda und mir, aber wir beide haben dank unserer Jobs als Pans Ritter und Titanias Richterin einen gewissen Schutz dagegen.

Wie das genau aussehen soll und wie wir das Loch in unser Ritual einarbeiten, das müssen wir  die Tage mit den anderen besprechen. Aber erst einmal hat Edward für heute nachmittag einen Termin mit James Vanguard ausgemacht, um mit dem über die Unterdrückung seines Zorndämons während des Rituals zu reden.
« Letzte Änderung: 19.07.2019 | 15:55 von Timberwere »
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13. November

Heute Treffen mit dem Rest der Ritualgruppe. Auf dem Weg dorthin erzählte Edward uns, wie die Begegnung mit Vanguard gestern gelaufen ist: Der Lykanthrop habe sich erst gesträubt, Marke: „Warum sollte ich?“, aber als Edward ihn daran erinnerte, dass sein, Edwards, Ritual ihm dabei geholfen habe, das Biest zu kontrollieren, erklärte Vanguard sich dazu bereit, Edward bei der Sache zu unterstützen, wenn auch nur gegen einen Blanko-Gefallen. Blankoschecks sind zwar eigentlich ein Rezept für jede Menge Katastrophen, aber die Gefahr schien Edward in dem Moment akzeptabel, sagte er.

Den anderen sagte Edward nur, dass er in bezug auf die Unterdrückung seines Zorndämons schon eine Vereinbarung getroffen habe, ging aber nicht näher ins Detail. Damit war Edward 'versorgt', und für die kurzzeitige Exorzierung von Totilas' Dämon kann Ilyana Elder sorgen.

Als nächstes brachten wir die Frage nach dem Magie-Ventil auf. Wie nicht anders zu erwarten, fand Ximena die Idee, mehr Magie nach Miami zu holen, bedingungslos super. Dee hingegen war etwas skeptisch, aber nicht ganz so sehr, wie sie es vielleicht gewesen wäre, wenn der Vorschlag nicht von ihrem Bruder gekommen wäre. Am Ende wurde der Vorschlag angenommen - wenn unsere magisch begabten Gruppenmitglieder sich an die Detailplanung für das Ritual machen, dann werden sie die Sache mit dem Ventil in ihre Planung mit einbeziehen.

Im Zuge der Diskussion über das 'Loch' und seine Auswirkungen kam dann die Idee auf, eine Organisation zu gründen. Also keine offizielle, versteht sich, aber eine Anlaufstelle für Leute, die sich nach dem Ritual plötzlich mit magischen Fähigkeiten wiederfinden. Das wäre ein klassischer Fall für Alex, der die Practitioner der Stadt in einer solchen Gruppe sammeln könnte.

Während des Gesprächs hatte Edward den richtig brillanten Einfall, Miamis wahren Namen herauszufinden und ihn im Ritual zu nutzen. Wir alle waren Feuer und Flamme für die Idee, aber wie sollten wir das anstellen? Nach noch etwas mehr Brainstorming richtete Roberto eine Bitte um Inspiration an seine Orisha, woraufhin ihm Julia Tuttle einfiel, die Stadtgründerin. Alex gelang es, ihren Geist zu beschwören und von Mrs. Tuttle tatsächlich den Namen Miamis zu hören, wie sie ihn ausgesprochen hatte – wenn das nicht der wahre Name unserer Stadt ist, was dann?

Ach ja. Und ich habe angefangen, an der Ode für Miami zu schreiben.

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26. Dezember

Ich hatte ja fast Angst, dass an Weihnachten irgendwas passieren würde. Aber alles blieb ruhig, und die Feiertage waren einfach schön und harmonisch. Und gebrannt hat auch nichts. Puh.

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1. Januar

Ein gutes neues Jahr allerseits, Römer und Patrioten. Ich bin etwas erledigt, aber nur, weil die Silvesterfeier lang und ausgelassen war, nicht weil irgendwas passiert wäre. Aber zum Glück ist heute ja nicht viel zu tun. Etwas aufräumen und ansonsten in Ruhe faulenzen.

Ich habe auch ein bisschen nach aus Miami stammenden bzw. in Miami ansässigen Musikern und Musikerinnen recherchiert. Darunter fallen einige bekannte Namen wie z.B. Jon Secada, Jason Derulo oder Iggy Pop (das wär's noch. Ein zur Musik Iggy Pops manifestierter Genius Loci von Miami), aber ich hatte ja irgendwie für die Ode an Miami von Anfang an eine Sängerin im Kopf, und so bin ich auf Rita Mercado gestoßen, eine kubanisch-stämmige Singer-Songwriterin. Ich muss die Tage mal versuchen, ihren Agenten oder ihre Agentin zu erreichen. Sheila kann da bestimmt Kontakte knüpfen.

Die Ritualvorbereitungen kommen übrigens auch ganz gut voran. Unsere Magieexperten Edward, Ximena, Cicéron und Febe sitzen noch an der Theorie, aber sie sind immerhin schon am Feilen und nicht mehr nur an der Grobplanung.

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6. Januar

Sheila hat uns ein Treffen mit Ms. Mercados Agenten vermittelt. Sie hat ihm bei dem Gespräch noch nichts weiter davon gesagt, um was es geht; das machen wir dann vor Ort. Von Angesicht zu Angesicht lässt sich unser Anliegen besser vermitteln als über eine Drittpartei am Telefon.

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10. Januar

Tío. Que tremendo arroz con mango. Wir können froh sein, dass wir es lebend da rausgeschafft haben. Ganz ohne Blessuren ging es trotzdem nicht ab. Aber von vorne.

Wir hatten heute den Termin im Büro von Mr. Jimanez, dem Agenten von Ms. Mercado. Er war nicht begeistert von der Idee, dass seine Mandantin eine Melodie ohne Text komponieren und das Lied dann singen solle – sie sei Singer-Songwriterin, und der Text sei nun mal Teil des Songwritings. Ich versuchte, ihn zu überzeugen, dass das Ganze trotzdem eine gute Gelegenheit für seine Mandantin sei, und war so auf das Gespräch konzentriert, dass ich überhaupt nicht merkte, wie Alex sich zu Edward beugte und ihm warnend etwas zuflüsterte – das haben die Jungs mir später erzählt. Ich bekam erst das plötzliche laute 'Pock' mit, als kleine Statue gegen die Glaswand flog, die Mr. Jimanez' Büro vom Großraum-Layout der übrigen Agentur abtrennte, und als ich erschrocken aufsah, bemerkte ich neben den Rissen im Glas, dass jemand vor der Tür zum Büro stand. Jimanez stand auf und öffnete mit fragendem Blick die Tür. „Sebastián?“

Dieser Sebastián hatte ein Messer in der Hand und ging ohne ein Wort auf Jimanez los. Aber zum Glück war Edward ihm gefolgt und konnte den Angriff abfangen, auch wenn er dabei selbst einen Messerstich in die Hand abbekam und bei dem Gerangel draußen im Großraumbüro landete. Mit seiner übernatürlichen Kraft und Geschwindigkeit zog Totilas den Agenten zurück in sein Büro und warf die Tür wieder zu. Jetzt sah ich auch, dass draußen etwa zwölf Personen standen, die reglos durch die Glaswand starrten. „Besessene!“ rief Alex uns zu, „Geister!“
Und Edward stand noch draußen und war drauf und dran, von den Besessenen angegriffen zu werden. Ich rannte zur Tür und riss sie nochmal auf, damit Edward wieder hereinkommen konnte, während Totilas den panischen Jimanez beruhigte.

Wieder flog etwas – ein Drehstuhl diesmal – gegen die gläserne Trennwand. Die Scheibe zerbarst in tausend Scherben, und einer der Besessenen kam in das Büro gestiegen. Den schrie ich an, er solle sich gefälligst gegen die Besessenheit wehren, und tatsächlich hielt der Mann verwirrt inne.

Alex hatte indessen schnell entschlossen den Feueralarm aktiviert, und jetzt öffnete er das Fenster nach draußen. Warum, wurde uns im nächsten Moment klar, als wir den Fensterputzwagen sahen, der draußen an der Fassade baumelte und den Alex hektisch heranwinkte – der allerdings aber auch erstmal zu uns hinkommen musste. Währenddessen versuchten die Geister, zu uns hereinzukommen – ein Teil von ihnen behinderte sich dabei gegenseitig, aber sechs Besessenen gelang es, das Büro zu betreten. Drei davon zog Totilas auf sich, Edward bekam es mit zwei Gegnern zu tun, und einer davon blieb an mir hängen. Und von draußen drängten schon die restlichen Geister nach.

Der Fensterputzerkorb kam näher. Totilas wollte uns den Rückzug decken, was ihm aber nur mittelprächtig gelang. Mir selbst ging es aber auch nicht besser; ganz im Gegenteil: Ich hatte Jade zwar gezogen und mit einer kleinen geistigen Anstrengung wieder zum Schwert werden lassen und wollte meine Gegnerin – eine Frau in den Vierzigern im Business-Kostüm – jetzt mit dem Schwertgriff bewusstlos schlagen, aber mit einem Mal hielt ich plötzlich wieder nur den dunkelgrünen Füllfederhalter in der Hand. Keine Ahnung, was da los war, aber die unerwartete Panne brachte mich für einen Moment derart aus dem Tritt, dass meine Gegnerin mir eine Topfpflanze über den Schädel hämmern konnte. Glücklicherweise verletzte der Schlag mich nicht ernsthaft, aber für einen Moment sah ich Sterne, während Roberto Jimanez und den wieder zur Besinnung gekommenen Sebastián in die Gondel bugsierte. Bevor er selbst hinterherkletterte, tat Roberto irgendwas – ein Hilferuf an seine Orisha mit ziemlicher Sicherheit –, was das Büro, glaube ich, zum heiligen Boden werden ließ oder etwas in der Art. Denn von den jetzt hereindrängenden neuen Gegnern gerieten manche – leider nicht alle – in eine Art Besessenheits-/Unbesessenheitsschleife: Wenn sie hereinkamen, kamen sie mit einem Stutzen wieder zu sich und stolperten wieder aus dem Büro, nur um dort wieder in die Geisteraura zu geraten und so beeinflusst wieder ins Büro zu kommen, wo sie wieder sie selbst wurden... You get the drift.
Einer von ihnen allerdings ging ganz unbesessen auf mich los, um seiner noch unter Einfluss stehenden Kollegin zu Hilfe zu kommen, so dass ich mich beim Aus-dem-Fenster-Klettern mit zweier Gegner erwehren musste und gehörig in die Bredouille kam. Alex, der sich in den letzten Sekunden an der Klimaanlage zu schaffen gemacht hatte, kam mir zur Hilfe, indem er einen Schwall kalter Luft auf die beiden Besessenen lenkte, und das lenkte sie tatsächlich soweit ab, dass ich unbeschadet in den Fensterputzerkorb klettern konnte, bevor Alex mir folgte. Dummerweise gingen meine beiden Gegner dann aber direkt auf Edward los, so dass der jetzt sechs Geister um sich hatte. Er musste sich mit Gewalt losmachen und ließ sich im Vertrauen darauf, dass wir ihn auffangen würden, kurzerhand nach hinten aus dem Fenster kippen. Das gelang uns zum Glück auch tatsächlich, denn irgendwie glaube ich nicht, dass selbst ein Lykanthrop wie Edward einen Sturz aus dieser Höhe ohne richtig schwere Verletzungen oder Schlimmeres überstanden hätte.

Totilas, der bis zuletzt die Stellung und den Weg zum Fenster freigehalten hatte, konnte sich ebenfalls nur mit einigen Schwierigkeiten von seinen drei Gegnern lösen und in die Gondel steigen. Mit Jimanez, Sebastián und dem Fensterputzer waren wir zu acht in dem wackeligen Gerät, und zu allem Überfluss kamen zwei der Besessenen uns auch noch hinterher. Einer schaffte es und wollte auf Jimanez losgehen; der andere Besessene stolperte beim Herausklettern und fiel, wurde aber von Edward aufgefangen, der sich dazu gefährlich weit aus dem Korb lehnen musste. Ich packte Edward, um ihn zu stabilisieren, während Totilas die schwankende Plattform am anderen Ende ausbalancierte. Edward zog den Besessenen ebenfalls in den Korb – inzwischen waren wir zu zehnt in dem Ding, und es wurde ganz schön eng da drin –, musste ihn aber, weil der Mann ja weiterhin besessen war, aktiv unter Kontrolle halten.
Währenddessen trat Roberto Jimanez' Angreifer kräftig auf den Fuß, was diesen aber nicht weiter störte.
Inzwischen hatte unser Fensterputzkorb bereits ein Stück des Wegs zum Boden zurückgelegt, so dass die Besessenen oben nicht mehr an uns herankommen konnten. Aber sie fingen an, die Kabel durchzusägen, an denen der Korb befestigt war. Wir mussten uns beeilen!

Jimanez' Gegner ging jetzt auf Roberto los und wollte nach ihm treten, aber die Verhältnisse in dem Korb waren zu beengt, als dass der Mann großen Schaden anrichten konnte. Totilas wollte ihn in den Schwitzkasten nehmen und festhalten, aber das klappte in der Enge dummerweise genausowenig. Stattdessen machte Roberto Anstalten, sich mitsamt dem Besessenen durch das Fenster zu hieven, aber dafür reichte seine Kraft nicht aus, denn er blieb samt seinem Gegner halb drinnen, halb draußen hängen. Ich war am nächsten an den beiden dran, also half ich nach und schob Roberto und den Besessenen mit einiger Kraftanstrengung zurück ins Gebäude. Während Edward seinen Gegner weiterhin unter Kontrolle zu halten versuchte, kletterten erst Jimanez und dann Alex in das Büro. Drinnen wand Robertos Gegner sich aus dessen Haltegriff und kugelte ihm dabei den Finger aus, und auch Edward bekam in dem Gerangel mit seinem Geist eine leichte Verletzung ab.
Nachdem auch Jimanez' Angestellter Sebastián und der Fensterputzer im Gebäude waren, kletterte ich als nächster hinein. Ich sah, wie Robertos Gegner ihm gerade in einem weiteren Angriff die Schulter auskugelte, war aber zu weit weg, um groß eingreifen zu können. Auch Totilas wurde von seinem Besessenen angegriffen, aber der Schlag schien unserem White Court-Kumpel zum Glück wenig auszumachen. Es gelang ihm, seinen Gegner auszuknocken und ihn dann mit in das Büro zu ziehen, während hinter ihm der Fensterputzkorb krachend in die Tiefe stürzte, als das letzte angesägte Kabel riss.

Aber es war keine Zeit für mehr als ein kurzes Stoßgebet des Dankes. Edward steckte in Schwierigkeiten. Ich rief die Feenmagie nach oben und beschwor eine sommerliche Fata Morgana, um die Geister zu verwirren. Das gelang auch einigermaßen, oder zumindest so gut, dass Edward seinen Gegner mit Robertos Hilfe fesseln konnte. Auch dem Besessenen, den Totilas gerade betäubt hatte, banden wir die Hände. Sicher war sicher.

Aus dem Stockwerk über uns hörten wir aber schon die restlichen Geister die Treppe herunterkommen, es war also höchste Zeit, abzuhauen. Tatsächlich schafften wir es vor den Besessenen hinunter und vor das Gebäude, einen völlig verstörten Mr. Jimanez im Schlepptau. Er murmelte die ganze Zeit: „Ich hätte Automechaniker werden sollen. Ich hätte Auomechaniker werden sollen...“, und mir war in dem Moment schon klar, dass wir uns mit ziemlicher Sicherheit eine andere Künstlerin für die Ode an Miami werden suchen müssen.

Die Besessenen folgten uns nach draußen, und für einen Moment sah es so aus, als würden sie zögern, aber dann kamen die Angestellten in völliger Verwirrung wieder zu sich.
Der ganze Tumult war natürlich nicht unentdeckt geblieben. Vor dem Bürogebäude hatte sich eine Menschentraube versammelt; es wurden Fotos gemacht und Videos aufgenommen, und jemand hatte auch schon die Polizei gerufen. Zeugen wurden befragt, und die zwölf ehemals besessenen Büroangestellten wurden allesamt verhaftet. Wir wurden auch befragt, durften aber relativ bald gehen.

Als wir wieder unter uns waren, erzählte Alex, die Geister hätten alle das Halsband von Adlene getragen. Und er habe gesehen, wie der Anführer-Geist draußen vor dem Bürogebäude tatsächlich aktiv überlegt habe, dann aber offenbar zu einem Entschluss gekommen und verschwunden sei.
Unschön, Römer und Patrioten. Von Adlene haben wir lange nichts mehr gehört. Que demonios hatten dessen Geister gerade in diesem Moment in diesem Bürogebäude zu tun? Eigentlich kann Adlene noch nicht wissen, was wir am Calle Ocho Festival vorhaben. Aber vielleicht sollten wir trotzdem bei unseren nächsten Besprechungen irgendwie für magischen Abhörschutz sorgen.

---

12. Januar

Edward wurde von seinen Kollegen heute noch einmal länger befragt, auch und gerade wegen seiner Rettungsaktion mit dem besessenen Angestellten an der Fensterputzgondel. Und seine Aktion hat auch die Medien erreicht: Es gab schon ein paar Anfragen wegen Interviews.
Die Besessenheit der Angestellten wurde offiziell als Massenpsychose durch Burnout deklariert. Und Jimanez wird wohl wirklich nicht länger als Künstleragent arbeiten – gerade weil es jetzt so dargestellt wird, als habe er zwölf seiner Mitarbeiter in den Burnout getrieben. Der Mann tut mir ein bisschen leid, aber ich glaube, er hat nach diesem Erlebnis von dem Job tatsächlich genug. Ich kann ihm nur wünschen, dass er bald eine andere erfüllende Aufgabe findet.

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16. Januar

Edward ist von Internal Affairs kontaktiert worden, sagte er heute. Die wollen sich demnächst mit ihm unterhalten. Allerdings ist bei ihnen viel zu tun, also machten sie jetzt schon einen Termin für März. Dreimal dürft ihr raten, für wann im März. Ahahahahaha.
« Letzte Änderung: 18.07.2019 | 18:26 von Timberwere »
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
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Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

Offline sindar

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Offline Timberwere

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Das freut mich sehr, sindar! :)
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Und wir spielen am Samstag wieder - es geht also weiter! :)
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Offline Timberwere

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Ja, deswegen hatte ich mich ja so bemüht, das Diary der letzten Runde bis zur Session am Samstag noch fertig zu kriegen. Gar nicht so einfach bei den vielen anderen Dingen, die ich momentan so um die Ohren habe. :D Aber ich bin schon ganz gespannt, wie es weitergeht!
Zitat von: Dark_Tigger
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Offline Selganor [n/a]

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Ach, ich hab' da schon eine Idee... wobei ich da jemanden kenne dem das (mal wieder) nicht gefallen wird.
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Re: Shiny, happy People
« Antwort #194 am: 22.07.2019 | 13:08 »
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Offline Timberwere

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Ricardos Tagebuch: Changes 2

20. Januar

Ich bin ein paar Tage nicht zum Schreiben gekommen. Ich habe auch immer noch viel um die Ohren, aber Zeit für einen Tagebucheintrag muss jetzt sein.
Bevor ich ins Detail gehe: Die Störung unserer Verhandlungen mit Mr. Jimanez war kein Zufall. Adlene lässt uns von seinen Geistern beobachten und stört systematisch unsere Anstrengungen. Aber davon gleich mehr.

Inzwischen haben alle angefangen, sich um ihren Teil des Rituals zu kümmern, und gerade passend (irgendwie mag ich nicht so recht glauben, dass das ein Zufall war) ist Edward ein Flyer in die Hände gefallen: von einer Parfümerie namens „Bottled Lost Dreams“, die wir wegen der Gerüche für das Ritual aufsuchen wollten.
Schon beim Lesen der Anschrift, einer Straße in einem reinen Wohnviertel, wurde uns klar, dass das „Bottled Lost Dreams“ keine normale Parfümerie sein würde. Und tatsächlich fanden wir an der Adresse ein ganz normales Wohnhaus, auch wenn es mit seinem etwas wild aussehenden Garten und seinem etwas abgewohnten Eindruck etwas aus der ansonsten spießigen Umgebung herausstach und tatsächlich einen leicht hexenartigen Eindruck machte. Tatsächlich kannten Edward und Alex die Namen der Besitzerinnen flüchtig: drei afroamerikanische Schwestern, vielleicht in den späten Sechzigern oder frühen bis mittleren Siebzigern, die zu den minor practitionern Miamis gehören.
Schon beim Betreten des Grundstücks bemerkte Alex auf der Straße einen Geist, den er anhand seines Halsbandes als einen von Adlenes Sklaven erkannte. Davon sagte er aber zu dem Zeitpunkt noch nichts, weil wir da gerade ins Haus gebeten wurden. Auch der Garten hatte bereits einen kleinen Threshold, den übernatürliche Gestalten ohne Einladung nicht überqueren konnten; der Threshold des Hauses selbst hingegen war richtig stark: Offenbar wohnten die Frauen schon lange hier und hatten eine starke Bindung zu ihrem Heim.

Nicht nur kannten Alex und Edward die Namen der drei Schwestern, die Damen kannten auch unsere. „Welche Ehre, von den schönen Männern besucht zu werden!“ verkündete eine von ihnen, was mir ehrlich gesagt ein bisschen peinlich war. Aber gut, wir sind ja tatsächlich seit einigen Jahren in Miami zugange, und es wäre albern zu glauben, dass unsere Aktivitäten völlig unbemerkt an den örtlichen Praktizierern vorbeigegangen sind.
Jedenfalls bekamen wir Kekse und Tee angeboten – oder Kaffee, was wir gerne annahmen, vor allem, weil es schon so verführerisch nach Kaffee duftete. Als ich diesen Gedanken aussprach, lächelten die alten Damen, aber von Roberto fing ich mir einen seltsamen Blick ein, den ich nicht so richtig deuten konnte. Überhaupt roch es jenseits des Kaffees ganz genau so, wie ich es mir in einem solchen Haus vorgestellt hatte: nach alten Büchern, nach leicht verstaubten Möbeln und einem Hauch von Potpourri.
(Später erfuhr ich allerdings, dass in diesem Moment tatsächlich jeder von uns etwas anderes gerochen hatte, und zwar offenbar genau das, was unseren Erwartungen entsprach.)

Als im Wohnzimmer der Kaffee vor uns stand, begann Edward, unser Anliegen zu schildern. Er war noch nicht sehr weit gekommen, als es draußen am Gartentor klingelte. Alex sah aus dem Fenster, nickte grimmig  und fragte die Schwestern dann, ob ihnen der Name Joseph bzw. Jonathan Adlene bekannt wäre. Als sie das bejahten, gab er zu, dass wir ein gewisses Problem mit Adlene hätten und dass dieses Problem offenbar gerade vor ihrem Gartentor angekommen sei. Die Damen waren alles andere als begeistert und erklärten, wir sollten das Problem gefälligst loswerden.
Während Edward also weiter mit den Schwestern verhandelte, gingen wir anderen in den Garten. Dort standen vier Personen vor der Tür – keine Geister, denn wir konnten sie auch sehen. Aber die Leute waren besessen, wie Alex uns wissen ließ und wie wir anhand ihrer starren Blicke und reglosen Haltung auch selbst erkennen konnten. Und Alex sah auch noch weitere Geister, die sich in der Umgebung aufhielten und offenbar auf Leute warteten, von denen sie Besitz ergreifen konnten. Ein Mann hatte einen Hund dabei, der sein Herrchen misstrauisch anschaute und bellte. Dieser Mann musste es auch sein, der geklingelt hatte, denn gerade streckte er wieder die Hand aus und drückte jetzt anhaltend auf den Klingelknopf.
Ich ging hin und zog den Arm des Besessenen von der Klingel, was etwas schwierig war, weil ich dem Mann ja nicht wehtun wollte, und es half auch nicht viel, weil er daraufhin einfach mit der anderen Hand weiterklingelte.
Roberto packte den Mann und zog ihn in den Garten, und weil der Geist den Threshold nicht überwinden konnte, kam dessen Wirt drinnen einigermaßen desorientiert wieder zu sich. Wir erklärten das mit 'kurzzeitiger Verwirrtheit', und der Mann, der seine Nachbarn draußen stehen sah, vermutete selbst ein Gasleck oder etwas in der Art.
Uns war klar, dass er einfach wieder besessen werden würde, wenn er den Garten verließe, und schon klingelte eine andere Nachbarin Sturm. Es waren zu viele, um sie alle einzeln davon abzuhalten, also ging Alex hinein und schaltete kurzerhand die Klingel ab. Die Stille war himmlisch.

Im Flur besprachen wir uns kurz unter acht Augen (Edward sprach ja noch immer mit den Damen): Dass die Geister jetzt hier waren, bewies, dass Adlene uns gezielt beobachtet. Den Agenten Jimanez hatte er mit seiner Aktion bereits für uns verbrannt, das durfte bei den drei Schwestern möglichst nicht passieren.
Vielleicht wäre es am besten, wir würden die Geister glauben lassen, unser Vorhaben hier wäre fehlgeschlagen, dann würden sie hoffentlich auch verschwinden, wenn wir gingen.

Indessen hatte Edward verhandelt. Kurz gesagt: Die Damen langweilten sich. Und sie hatten ihre Träume verloren. Sie hatten ihre Träume nicht gelebt, als sie jung waren, aber sie würden gerne wieder wissen, wie es war. Deswegen wünschten sie sich Gesellschaft, oder genauer gesagt einen Gesellschafter oder eine Gesellschafterin. Da sie früher alle Künstlerinnen waren – eine Tänzerin, eine Malerin, eine Bildhauerin – wollten sie auch gerne ein Publikum bzw. ein Modell. Mindestens jemand, der sie besuchen würde, aber idealerweise jemanden, der bereit war, bei ihnen zu wohnen.
Der Gedanke wollte mir nicht so richtig gefallen, Römer und Patrioten. Irgendwie kamen mir dabei all die Geschichten in den Sinn, bei denen Menschen ein vermeintlich harmloses Abkommen mit Feen oder Hexen schließen und dann für hundert Jahre und einen Tag gebunden sind oder etwas in der Art. Wir würden sehr vorsichtig sein müssen, wen wir den Damen zur Gesellschaft fanden und wie wir den Handel formulierten. Aber wir versprachen, uns nach einer geeigneten Person umzusehen, und sobald wir jemanden gefunden hätten, wollten die Schwestern anfangen, uns die gewünschten Düfte zu brauen. Alles, was irgendwie zu Miami passt: vom Duft des Meeres über Damenparfum und Sonnencreme bis hin zum Geruch von Abgasen und dergleichen.

Um Adlenes Geister von den Schwestern abzulenken, ließen wir uns beim Gehen wie geplant mit erhobenem Gehstock und lautem Gezeter der Marke '… und kommt ja nie wieder!!“ von deren Gelände vertreiben. Beim Wegfahren drehten wir eine Schleife, um die Geister zu beobachten, und tatsächlich trieben die Besessenen sich noch etwas vor dem Haus der Schwestern herum und spielten noch eine Weile ihr Klingelspielchen, aber dann verzogen sie sich. ¡Que suerte!

Die Ereignisse bei den alten Damen brachten uns natürlich zum Nachdenken. Das Auftauchen der Geister dort bewies, dass Adlene zumindest irgendetwas weiß und uns deswegen beobachten lässt. Also riefen wir bei den anderen an, um zu fragen, ob die ebenfalls Probleme gehabt hatten.
Angel und Ximena waren für die magische Drohne ins Nevernever aufgebrochen und noch nicht wieder zurück, die erreichten wir also nicht. Dee und Cicerón Linares klangen am Telefon so, als hätten sie weniger Probleme mit Adlenes Geistern als miteinander. Aber eine beunruhigende Sache hatten sie tatsächlich zu berichten: Sie haben ja die Aufgabe, die Magie des Rituals in geordnete Bahnen zu kanalisieren und haben deswegen damit begonnen, an strategisch wichtigen Punkten Wards und Zeichen anzubringen. Ein wichtiger Teil dieses Netzes sind die Gullydeckel, bei denen sie die magischen Symbole einfach auf der Unterseite anbringen, wo sie keiner sieht, wo sie aber trotzdem genau den gewählten Straßen entlang den Weg bereiten. Und zahlreiche dieser markierten Gullydeckel waren einfach verschwunden, gestohlen worden. Da sind die beiden offenbar beobachtet worden, und dieser Jemand hat Gegenmaßnahmen ergriffen. Wieder Adlene? Eigentlich ist das nicht sein Stil, der bedient sich ja vor allem seiner Geister. Warden Declan? Der ist ja eigentlich in den Sümpfen verschollen... Stefania Steinbach vielleicht? Wir haben erst einmal keine Möglichkeit, dem auf den Grund zu gehen, aber wir dürfen das nicht aus den Augen verlieren. Und Dee und Linares müssen die Wards alle neu anbringen.

Und auch Ilyana Elder und Ximenas Partner Bjarki hatten in den Sümpfen tatsächlich eine unangenehme Begegnung: Sie hatten nach längerer Suche gerade ein Exemplar der Florida Rainbow Snake ausfindig gemacht und wollten ihren Fund soeben einsammeln, als einige seltsame Gestalten auftauchten und die Schlange einfroren. Das Tier starb, und Bjarki, der sich gerade in Schlangengestalt befand, wäre beinahe ebenfalls erfroren, wie Ilyana erzählte. Auf unser Nachhaken führte Ilyana noch aus, dass die 'komischen Gestalten' kleine Kerle mit Eismagie gewesen seien. Frostgnome? Ja, so könnte man sie wohl nennen.

Mierda. Ich wusste doch, dass die uns noch Ärger machen würden. Der Vorteil daran, dass wir die kleinen Mistkerle kennen, ist, dass wir wissen, wo wir sie finden, und dass wir relativ problemlos mit ihnen reden können, weil wir eigentlich bisher kein Problem mit ihnen haben. Also die anderen, genauer gesagt. Ich habe zwar in der Theorie eigentlich auch kein Problem mit ihnen, aber ich bin eben doch sehr vom Sommer geprägt, und auch wenn ich, anders als beim letzten Mal, meine Gefühle ihnen gegenüber inzwischen analysiert habe und daher einigermaßen weiß, was von meinem Sommermantel kommt und was von mir selbst, war es dennoch besser, wenn ich nicht mitging. Edward lehnte ebenfalls ab, der mag die Frostgnome genausowenig.

Nachdem die anderen aufgebrochen waren, googelten Edward und ich noch ein bisschen nach weiteren Möglichkeiten für die Geruchskomponente – oder besser ich googelte, weil das mit Edward und Technik ja inzwischen so eine Sache ist. Die Suche förderte nicht nur eine Marke von Lufterfrischern und Duftkerzen zutage (vielleicht eine Alternative, falls wir keine passende Gesellschaft für die alten Damen finden?), sondern auch einen Human Interest-Bericht von vor wenigen Tagen über ein junges Mädchen, das regelmäßig an Schönheitswettbewerben für Kinder teilnimmt und auch selbst ein Kinderparfüm namens „Miami“ kreiert hat. Der Bericht war aus Anlass eines Schönheitswettbewerbs veröffentlicht worden, der gerade heute stattfand, also fuhren wir kurzerhand hin.

Karten waren schnell gekauft, und ins Gespräch mit dem jungen Mädchen – Maureen heißt sie – kamen wir auch... oder besser mit deren Mutter, denn es wäre mehr als seltsam gewesen, wenn zwei erwachsene Männer eine Neunjährige angesprochen hätten. Der Anfang war ein bisschen holprig, denn zunächst hielt die Mutter uns für den Stylisten und den Garderobier. Dann, nachdem ich mich vorgestellt und sie mich als 'ah, der Schriftsteller' identifiziert hatte, schlug sie ihrer Tochter vor, ich könne doch Werbeträger für das Parfüm werden. Die Kleine, die überhaupt sehr erwachsen und fähig wirkte, rollte mit den Augen und schickte ihre Mutter ein Stückchen weg, weil sie selbst mit uns verhandeln wollte.
Ich erklärte also, warum wir gekommen waren – als Grund dafür, dass ich eine Flasche von ihrem Parfüm haben wollte, erzählte ich, dass meine eigene Tochter ungefähr im selben Alter sei wie sie und dass ich das Parfüm als Geburtstagsgeschenk für sie wolle. Wenig verwunderlich war das Mädchen etwas misstrauisch, also zog ich mein Portemonnaie heraus und zeigte ihr das Foto von Alejandra, das ich darin trage.
Das stimmte die Kleine etwas milder. „Okay, wenn Sie ein Betrüger sind, dann sind Sie wenigstens ein gut vorbereiteter Betrüger.“
„Wenn ich ein Betrüger wäre, würde ich mich hoffentlich gut vorbereiten“, erwiderte ich, „aber ich verspreche, ich bin keiner.“
Als das aus dem Weg war, fingen wir an zu verhandeln. Neben dem Versprechen, ihr das Parfüm nicht zu stehlen und zu vermarkten, wollte Maureen gerne eine geführte Tour bei einem renommierten Pharma- oder Chemieunternehmen, weil sie eben großes Interesse an und auch ein sehr früh ausgebildetes Talent für Chemie hat. Ich sagte, ich sehe zu, was ich machen kann, und wenn es mir gelingt, eine solche Führung zu arrangieren, dann will sie eine Flasche von dem Parfüm zu dem Treffen mitbringen.

Als wir zurückkamen, waren auch die anderen wieder da. Sie hatten die Frostgnome in der bekannten Lagerhalle angetroffen und nach einigem Verhandeln und Bezahlen mit Eiscreme herausgefunden, dass Fürstin Tanit ihnen den Auftrag gegeben hatte, die Suche zu sabotieren. Eine kurze Anfrage bei Ilyana und Bjarki ergab allerdings, dass die beiden ihres Wissens nach eigentlich kein Problem mit Winter im Allgemeinen oder Tanit im Speziellen haben. Die Jungs beschlossen also, direkt nachzufragen, und zwar bei Hurricane, weil an Lady Tanit selbst ja nur so schlecht heranzukommen ist.
Hurricane war extrem reserviert. Er bestätigte, dass die Gnome auf Tanits Befehl gehandelt hätten, wollte aber über ein „Wir vertreten unsere Interessen. Es gibt Sommer, es gibt Winter“ nicht sagen, warum, und auch Robertos Nachfragen ergab lediglich ein pikiertes „Tu nicht so, als ob du das nicht weißt“, bevor Hurricane davonstolzierte.

Erst bei unserer Nachbesprechung wurde uns mit einem Mal klar, warum Hurricane so gekränkt reagiert hatte: Bei unserer Ritualgruppe ist kein einziger Vertreter des Winters, oder auch nur jemand mit Affinität zum Winter, dabei!
Oh. Das haben wir schlicht nicht bedacht. Mierda.
Ich selbst bin zwar nicht in meiner Funktion als Sommerritter in der Gruppe, sondern als Privatperson und normaler Mensch, und ganz im Gegenteil sollen während des Rituals ja sämtliche Feen-Einflüsse so gut wie möglich unterdrückt und aus dem Ritual herausgehalten werden, aber ich gehöre halt nun einmal trotzdem zu Sommer. Für Lady Tanit und Hurricane muss das so aussehen, als grenzten wir Winter aus, während wir Sommer mit einbeziehen.
Wir überlegten lange herum, ob es jemanden gibt, den wir von Winterseite noch ins Boot holen könnten, aber es fiel uns schlicht niemand ein. Hurricane selbst ist ein Fae, und wir wollen nur Menschen dabei haben, eben wegen der Unterdrückung der feeischen Einflüsse. Mein Gegenpart für Winter, Yahaira Montero, ist vor allem im Nevernever unterwegs und kaum in Miami zu finden. Kirsten Lassiter vom Magierrat ist auf Eismagie spezialisiert und versteht sich gut mit den Winter-Sidhe, aber ihre Aussage, sie würde jetzt in Miami wohnen, bezog sich nicht auf heute, sondern die hatte sie, von dem Foto in der Ausstellung beeinflusst, als ihr 15-jähriges Ich gemacht. Catalina Snow, die Richterin des Winters, lebt auch nicht hier.
Tanit die Sache zu erklären und um ihr Verständnis zu bitten, geht aber auch nicht, denn dann würde es Pan erfahren, und den wollen wir möglichst vor vollendete Tatsachen stellen. Es más fácil pedir perdón que permiso, oder so. Also beschlossen wir schweren Herzens, dass es niemanden gibt, den wir von Winterseite hinzuziehen können, es sei denn, wir schaffen es doch noch irgendwie, Yahaira rechtzeitig zu erreichen. Versuchen wollen wir es jedenfalls. Wenn sie schon nicht mitmachen will, kann sie uns vielleicht wenigstens einen Ratschlag geben.

Im Gegenzug erzählte ich von meiner jungen chemiebegabten Bekannten und deren Parfüm und musste – natürlich – erst einmal ein paar blöde Sprüche von wegen Praktikum in einer Meth-Küche oder Führung durch Edwards magisches Alchimie-Labor ertragen. Aber auch den durchaus ernstgemeinten Vorschlag, die Kleine könne doch die Gesellschafterin der drei „Lost Dreams“-Schwestern werden („die machen auch Chemie und auch Düfte!“), wehrte ich ab. Die Kleine ist neun Jahre alt, por decirlo en voz alta, die hat Besseres zu tun, als in regelmäßigen, aufgezwungenen Abständen mit drei alten Damen herumzuhängen. Nein, für ihren Schnuppertag wird mir schon etwas einfallen.

---

22. Januar

Mir ist etwas eingefallen. Meine frühere Kommilitonin Letitia arbeitet doch bei einem hier angesiedelten Pharmakonzern. Ich habe sie angerufen und ihr die Sache geschildert, und sie stimmte mir zu, dass eine solche Aktion gute Öffentlichkeitsarbeit für den Konzern wäre. Sie will versuchen, etwas zu arrangieren.

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Nachmittags. Letitia hat eben angerufen. Die Sache läuft. Freitag nachmittag nach Maureens Schulschluss.

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26. Januar

Heute war der Termin. Medienwirksames Treffen samt Pressepräsenz, bei dem die volle Human Interest- und Wunderkind-Story hautnah eingefangen wurde – natürlich lag der überwiegende Großteil des Fokus auf Maureen, aber Sheila hat es sich nicht nehmen lassen, nebenbei auch die 'arrangiert wurde dieses Treffen von Bestseller-Autor Ricardo Alcazár, dessen neues Buch kurz vor der Fertigstellung steht'-Karte zu spielen. Seufz. Aber das gehört halt dazu, und sie wäre keine gute Agentin, wenn sie an sowas nicht denken würde. Zum Glück beschränkte der Trubel sich größtenteils auf den Anfang und das Ende, während bei der eigentlichen Tour die Presse zwar dabei war und filmte, Maureen aber größtenteils in Ruhe ließ. Natürlich wurde sie interviewt, aber durch die Schönheitswettbewerbe hat sie ja schon Erfahrung und schlug sich tapfer. An mich hatten die Reporter auch ein, zwei Fragen, aber das war Routine.
Maureen hat auch tatsächlich angeboten bekommen, dass sie in ein paar Jahren ihr Praktikum bei dem Konzern machen und mindestens am 'Girls' Day', wenn nicht öfter, auch gerne immer schnuppern kommen darf. Der Kontakt ist also hergestellt, was mich freut – und nicht nur deswegen, weil Maureen mir am Ende des Besuchs wie versprochen eine Flasche ihres „Miami“-Parfums überreichte.
« Letzte Änderung: 29.03.2020 | 16:27 von Timberwere »
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
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28. Januar

Habe ich eigentlich schon festgehalten, wie Totilas für das Ritual die Gegenstände beschaffen will, die Miamis Seele verkörpern? Er hat einen stadtweiten Aufruf gestartet, Römer und Patrioten, und zwar natürlich mit jeder Menge pro-Raith PR. Seit er Geralds Platz eingenommen hat, kann Totilas ja nichts mehr ohne pro-Raith-PR tun, kommt es mir manchmal vor.
Die Leute springen reihenweise darauf an - Totilas bekommt schon seit Tagen, ach was, Wochen, zahlreiche und begeisterte Reaktionen auf seine Kampagne, und Dutzende, wenn nicht Hunderte, spenden diejenigen Dinge, die für sie Miami verkörpern. Da ist es eher eine Frage des Aussortierens, welche von den Gegenständen für unser Vorhaben geeignet sind und welche nicht.

Und ein ganz anderes Thema: Edward wird verfolgt. Er hatte schon seit einer Weile den Verdacht, aber inzwischen ist er sich sicher. Er hatte erst an Internal Affairs gedacht, aber es ist immer dieselbe Frau, die er in seiner Umgebung sieht, und das spricht dagegen. Denn wenn es eine offizielle Operation von Internal Affairs bzw. eine professionelle Beschattungsaktion wäre, dann würden die Beamten sich abwechseln. Entweder sie wollen gesehen werden, oder die Frau beobachtet Edward alleine.

29. Januar

Edward hat bei der Arbeit ein bisschen recherchiert und herausgefunden, wer die Frau ist: tatsächlich eine junge Kollegin aus Internal Affairs namens Sarah Princeton, erzählte er. Nachdem er sie heute also wieder bemerkte, wartete er einen passenden Moment ab und sprach sie kurzerhand an.
Ms. Princeton war erst misstrauisch, dann aber doch bereit, mit ihm zu sprechen. Es stellte sich heraus, dass sie Edward auf eigene Faust beschattete, nicht im Auftrag von Internal Affairs, weil sie sich selbst ein Bild von ihm machen wollte. Sie sagte ihm, dass bei Internal Affairs aktiv gegen ihn ermittelt werde – nicht, dass Edward das nicht schon gewusst oder zumindest vermutet hätte – und dass etliche Leute nur einen Vorwand suchten, um das Miami SID komplett schließen zu können. Aber Sergeant Book habe vor Jahren einmal ihrem Vater das Leben gerettet, und irgendetwas sei bei der Sache seltsam gewesen, also könne das SID eigentlich nicht völlig schlecht und unnütz sein. Aber für sie stelle sich die Frage, ob Edward korrupt sei – immerhin sei der Verbrecherboss Totilas Raith ein ständiger Kontakt.
Edward antwortete offen, dass er sich selbst nicht mehr ganz sicher sei, inwieweit er noch zu den Guten gehöre – manchmal müsse er, um die Stadt zu beschützen, Dinge tun, die eindeutig nicht in die Kategorie „gut“ fallen. Ms. Princeton hörte sich das aufmerksam an und erwiderte dann, aber immerhin habe er ihr nicht gedroht, wie er das ohne Weiteres hätte tun können, und dann trennten die beiden sich gütlich. Eigentlich ist das für Edward gar nicht so schlecht gelaufen, wenn ich mir das so überlege.

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1. Februar

Dallas Hinkle hat eben angerufen. Bei Alex ist irgendwas los. Später mehr.

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Abends. Tio. Leute gibt’s. Alex will ja einen Schlüssel für die Stadt anfertigen und sammelt zu diesem Zweck Unterschriften von Miamis Bürgern auf einer großen Metallplatte, die er dann zu dem besagten Schlüssel umarbeiten will, wenn ich das richtig verstanden habe. Dazu hat er sich an unterschiedlichen Tagen an unterschiedlichen Orten aufgestellt und eben Bürger unterschreiben lassen.

Als wir – Roberto, Edward und ich; Totilas war wieder mal mit Sortieren beschäftigt - ankamen, war Alex gerade in eine hitzige Diskussion mit einem Mann mittleren Alters verwickelt. Ich beteilige mich ja nur ungern an der Perpetuierung von billigen Klischees, aber der Mann war tatsächlich ein fleischgewordenes Beispiel für den herablassenden, männlich-chauvinistischen MAGA-Typus der klischeeträchtigsten Sorte. Späte Fünfziger oder frühe Sechziger, weiß mit rötlicher Gesichtshaut, kräftige Gestalt mit 'hallo hier komme ich'-Gebaren und entsprechend dröhnender Stimme. Ein echter Jefe de la Manada, wie Máma sagen würde, und das meint sie nicht im Guten.

Dieser unangenehme Typ jedenfalls hatte sich gerade ohne Aufforderung oder Erlaubnis auf Alex' Metallplatte verewigt, und zwar mit einem Schweißbrenner, wohlgemerkt, damit die Unterschrift auch ja permanent wäre. Weder Dallas noch Alex hatten ihn daran hindern können, und jetzt stand er da noch herum und war offenbar immer noch auf Ärger aus.

Statt uns – zumindest nach außen hin – aufzuregen, zuckten wir mit den Schultern und sagten, na gut, wenn er gerne ein Bürger Miamis sein wolle, bittesehr. Das sei er nicht, fuhr der Mann auf, er sei ein stolzer Bürger Chicagos! Warum er dann unterschrieben habe? Ein John T. Galway (es wunderte mich fast, dass da kein Zusatz mehr kam; ich hätte so fest mit einem 'der Dritte' gerechnet, aber okay, das war vermutlich der Schriftsteller in mir) könne doch wohl unterschreiben, worauf er wolle, das sei sein gutes Recht! Immerhin sei er Millionär und Geschäftsmann!
Okay, konterten wir, dann habe er sich jetzt wohl gerade zum Bürger Miamis erklärt. Auf ein gutes Leben hier. Waaaaas? Nein! Und damit zog der Typ empört ab.

Es war ja vergleichsweise harmlos, weil Alex gesagt hat, er kann die Unterschrift vermutlich wieder von der Platte entfernen, aber nervig war es doch. Und ich kann nicht umhin, mich zu fragen, ob das Zufall war, oder ob den Kerl jemand aufgestachelt hat. Ich meine, Schweißbrenner? Ernsthaft jetzt? Wer geht mit einem Schweißbrenner in der Stadt spazieren in der Hoffnung, dass er seine Unterschrift irgendwo verewigen kann? Nein. Honi soit qui mal y pense.

Aber diese Sache war nicht mal alles, was heute passiert ist. Es ging gerade so verrückt weiter.

Nachdem dieser Galway verschwunden war, fuhren wir zum Marbella, wo wir uns wie geplant mit Totilas treffen wollten. Schon mit etwas Abstand konnten wir sehen, dass da irgendeine Aufregung herrschte, und als wir näherkamen, erkannten wir auch, was da los war: Ein großer Alligator – ein Weibchen, wenn ich nach der schmalen Schnauze und der vergleichsweise kurzen Länge von unter drei Metern gehen durfte – bewegte sich zielstrebig und erschreckend schnell auf den Eingang des Hotels zu. Dort kam gerade Totilas heraus, gefolgt von einem aufgeregt gestikulierenden und auf Totilas einredenden jungen Mann der Marke Hinterwäldler aus den Everglades, und jetzt wurde auch sehr schnell klar, was es mit dem Alligator Run auf sich hatte, denn unser White Court-Kumpel hatte ein Alligatorbaby im Arm, das ihm ganz augenscheinlich der junge Glades-Billy für seine Sammlung hatte bringen wollen.
Die wütende Alligatormutter musste schleunigst hier weg, bevor sie irgendwelche Umstehenden anfiel – und dank Totilas' übermenschlicher Geschwindigkeit und Alex' Auto gelang das glücklicherweise auch ohne größere Zwischenfälle. Oder zumindest wurde niemand verletzt – offene Münder, aus dem Weg springende Passanten, entsetzt-erstaunte Ausrufe und t klickende Handykameras gab es zuhauf. Es muss aber auch ein Bild für die Götter gewesen sein, wie ein ausgewachsenes Alligatorweibchen da einem Van mit offener Tür hinterher stürmte, aus dem ein Jungtier gehalten wurde, so dass seine Mutter es sehen konnte.

Auch dieser Vorfall ging also soweit glimpflich ab, auch wenn ich mich wirklich frage, was den jungen Mann geritten hat, ein lebendiges Alligatorbaby spenden zu wollen. Okay, vielleicht verkörpert es Miami, aber trotzdem. Ein bisschen gesunden Menschenverstand müsste der Junge doch eigentlich gehabt haben...

Wie dem auch sei. Es wurde niemand verletzt, auf den Fotos ist hoffentlich niemand von uns konkret zu sehen, also alles grün. Aber, Tio, was für ein Tag.

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2. Februar

Und gleich noch so ein Tag für ein von Herzen kommendes „¿Que Demonios?“ Das heute hat die Seltsamkeitsskala gerade nochmal ein Stück nach oben erweitert. Andererseits... es war eine Fotoausstellung. Ich hätte es wissen können. Na immerhin stehe ich diesmal nicht mit einem geerbten Zelt da. Aber der Reihe nach.

Ich habe ja im November schon erwähnt, dass Roberto für das Ritual ein Miniaturmodell von Miami bauen will, in das er vielleicht auch die Leylinien der Stadt einzeichnen will. Um sich für diese Aufgabe inspirieren zu lassen bzw. darauf einzustimmen und Anregungen zu sammeln, hatte er schon vor einer Weile vorgeschlagen, dass wir die Fotoausstellung über Miami und seine Architektur ansehen sollten, die heute im Frost Art Museum eröffnet wurde.
Karten für die Eröffnung zu bekommen, war glücklicherweise kein großes Problem, auch wenn ich offen gestanden beim Gedanken an noch eine Fotoausstellung ein gewisses Unbehagen verspürte: So lange ist der Irma Relief Carnival noch nicht her. Wie bei uns so oft üblich, machten wir uns mit blöden Sprüchen Luft, und natürlich gingen wir hin. Anfangs war auch alles ganz normal – keinerlei Hinweise auf irgendwelche Beeinflussung durch Betrachten irgendwelcher Bilder, herzlichen Dank. Aber an einem Foto stimmte trotzdem etwas nicht. Es zeigte erkennbar den Strand von Miami, aber auf dem Bild waren Deiche zu sehen, außerdem Gebäude von ungewöhnlicher Bauweise. Ganz unbekannt waren sie mir aber nicht, auch wenn ich die palmgedeckten länglichen Häuser mit den offenen Seiten eigentlich in den Everglades-Kontext verortet hätte und nicht an den Strand von Miami: das waren Chickee-Hütten der Seminolen.

Wenn ja jemand Photoshop eingesetzt hatte, hatte er es sehr geschickt eingesetzt – aber die anderen Bilder der Ausstellung waren alle realistische Darstellungen Miamis, und das hier war das einzige mit erfundenem Motiv, auch wenn auf Anhieb keine Hinweise auf ein Bildbearbeitungsprogramm darauf zu sehen waren. Auf dem Schild unter der Fotografie war ein Name angegeben, also kauften wir uns einen Katalog der Ausstellung und schlugen dort die Informationen über die Künstlerin nach. Marijke Achthoven, hieß es da, sei in Miami geboren und ansässig und seit 20 Jahren als Fotografin mit Spezialisierung auf lokale Motive tätig. Ihr Ausstellungsfoto war im Katalog auch gezeigt – es war nur nicht das, was wirklich in der Ausstellung hing. Auch im Katalog zeigte das Bild den Strand von Miami, aber hier war nichts von Deichen und Chickee-Hütten zu sehen, sondern die ganz normale Skyline der Stadt, wie man sie erwarten würde.

Auf Nachfrage erfuhren wir, dass Ms. Achthoven bei der Vernissage anwesend sei, also ging Roberto sie suchen. Eine Weile später kam er mit der Künstlerin im Schlepptau zu uns zurück, und schon auf den ersten Blick war ersichtlich, dass sie verwundert und verwirrt wirkte. Sie fragte sich, warum alles so anders sei, warum hier auf einmal alle Englisch sprächen, und ob das Absicht sei und sie von irgendwoher mit einer versteckten Kamera gefilmt werde.

Okay, ich bin Schriftsteller. Eine blühende Fantasie gehört zum Berufsbild. Aber die Jungs dachten gleich genau dasselbe wie ich: Die Fotografin musste aus einem Parallel-Universum stammen.
Einige vorsichtige Fragen und Disclaimer im Stil von 'ja, ich weiß, es klingt verrückt, aber bitte schließen Sie den Gedanken nicht gleich komplett aus“ später hatten wir Folgendes herausgefunden: In Ms. Achthovens Version der Erde hatten die Holländer Miami kolonisiert, nicht die Spanier, und die Holländer hatten das Gebiet nie mit den Engländern getauscht. Holländisch und Seminolisch waren die Amtssprachen in Ms. Achthovens Florida, und es gab auch keine USA, sondern lediglich miteinander verbündete Einzelstaaten, vielleicht so wie die Europäische Union in unserer Welt – und keiner dieser amerikanischen Einzelstaaten war in irgendeiner Weise angelsächsisch geprägt.
Überhaupt gab es in ihrer Realität kein britisches Empire, nicht einmal in der Vergangenheit, sondern England war genau das: ein Teil der britischen Inseln, wo Schottland, Irland und Wales sich alle ihre Unabhängigkeit bewahrt hatten. Deswegen hatte sie in der Schule zwar Englisch gelernt, weil es einfach wie Französisch, Spanisch oder Deutsch eine Sprache war, die nützlich sein konnte, aber die alles überschattende Weltsprache war es nicht.

Es dauerte natürlich eine Weile, bis die Künstlerin bereit war, zumindest vorsichtig anzunehmen, dass das Ganze vielleicht doch kein ausgeklügelter Scherz war, aber spätestens, als als wir vor das Gebäude gingen, wo sie prompt wegen der schlechten Luft zu husten anfing (ich: „Lassen Sie mich raten. In Ihrer Welt gibt es seit 1915 keine Verbrennungsmotoren mehr?“ Ms. Achthoven: „Seit 1929, aber ja, genau!“), fing sie dann doch langsam an, uns zu glauben. Von uns fahren lassen wollte sie sich nicht, aber sie wollte gerne zum Strand und sich selbst ein Bild von der Stadt machen, wie sie hier aussah. Also kamen wir auf die Idee, Telefonnummern auszutauschen - was aber umgehend die Frage aufwarf, ob der anderen Realität überhaupt Handys existierten oder die mobile Kommunikation dort irgendwie anders (oder gar nicht?) funktionierte. Ergebnis: Ja, Handys existieren dort, grundsätzlich jedenfalls. Aber Ms. Achthovens war ein 'deVries', und von Samsung und Apple hatte sie noch nie gehört (von Nokia und Ericsson interessanterweise schon). Also gab Roberto ihr sein Handy, damit sie uns erreichen konnte, denn ihr deVries hatte, wen wundert's, keinen Empfang.

Irgendwann kam die Fotografin wieder zurück, jetzt restlos überzeugt von unserer Parallelwelt-Theorie, und jetzt konnten wir sie auch fragen, wie genau sie hierher gekommen war, bzw. ob sie sich an irgendetwas erinnern konnte, das der Auslöser für den Wechsel gewesen sein könnte. Sie hatte in dem Moment nicht ihr eigenes Bild betrachtet, erzählte sie, sondern eines mit Raumfahrt-Thema. Denn auch in ihrer Realität befindet sich in Florida eines der Tore zum Weltraum, wenn auch natürlich nicht unter dem Namen "Kennedy Space Center" oder auch nur "Cape Canaveral", sondern "<span class="tlid-translation translation" lang="nl"><span title="">Kaap van de Stromingen". Sie war allerdings verwundert, dass das Foto ein ihr völlig unbekanntes Motiv zeigte - laut Beschreibung hätte es eigentlich ein Bild von dem Raumfahrtzentrum sein sollen, aber stattdessen zeigte es ein Portrait von drei Männern in Raumanzügen mit einer ihr völlig unbekannten Flagge und einem Aufnäher mit den Buchstaben "NASA", was ihr gar nichts sagte. Als sie das Foto genauer betrachten wollte, verspürte sie auf einmal eine Art Drehen im Kopf, als würde ihr schwindelig, also schloss sie die Augen, um durchzuatmen, und als sie sie wieder öffnete, war sie bei uns gelandet. Das fiel ihr im ersten Moment gar nicht auf, aber dann hörte sie auf einmal nur noch Englisch um sich her, und auch die Kleidung der Museumsbesucher wirkte vom generellen Schnitt her irgendwie anders. Und als sie dann versuchte herauszufinden, was los war, wurde sie auch schon von Roberto angesprochen. </span></span>

Das eröffnete die interessante Frage, ob 'unsere' Marijke Achthoven jetzt gleichzeitig mit der anderen hier in unserer Welt existierte, oder ob es im Moment des Transfers einen Austausch gegeben hatte und sich 'unsere' Marijke Achthoven jetzt in einer Realität wiederfand, in der Niederländisch und Seminolisch die Landessprachen waren und es die Vereinigten Staaten nie gegeben hatte. Ein kurzer Anruf bei der hiesigen Ms. Achthoven und ein "Oh, Entschuldigung, falsch verbunden", als die Künstlerin sich mit Namen meldete, beantwortete die Frage zwar, aber so wirklich hilfreich war das leider trotzdem nicht. Es half uns zumindest nicht dabei, Marijke wieder zurück nach Hause zu bringen. Aber vielleicht, wenn wir uns dieses Weltraum-Bild auch einmal ansehen würden? Tatsächlich, wo laut Beschreibung eigentlich ein Foto von Neil Armstrong, Buzz Aldrin und Michael Collins auf dem Cape Canaveral-Gelände hätte hängen sollen, war statt dessen eine Luftaufnahme des Gebäudekomplexes zu sehen.

Totilas fing an, das Bild genauer zu untersuchen - und als er seinen Blick länger auf eine Stelle des Bildes richtete, sah es für einen Moment so aus, als würde er einfrieren, und dann war tatsächlich auch er mit einem Mal verschwunden.  Entsprechend waren wir anderen extrem vorsichtig und achteten darauf, unsere Augen beim Begutachten des Bildes ständig in Bewegung zu halten.
Zu unserem Erschrecken sah es so aus, als würde 'unser' Motiv des Fotos langsam durch das fremde Bild hindurch erscheinen, wie zwei übereinander gelegte Ebenen bei einem Bildbearbeitungsprogramm oder wie ein altes Negativ, das zweimal belichtet wurde. Und die drei Astronauten wurden immer deutlicher und die Luftaufnahme immer schwächer, wir hatten also nicht mehr viel Zeit!
Eiligst schickten wir also auch Marijke hindurch und beauftragten sie, sie solle unbedingt Totilas finden und ausrichten, er müsse schnellstmöglich zurückkommen, wenn er nicht für immer drüben festhängen wollte.
Es folgten einige Minuten bangen Wartens, während derer wir versuchten, das 'doppelt belichtete' Bild so gut wie möglich von den anderen Besuchern abzuschirmen, dann tauchte Totilas zu unserer großen Erleichterung wieder auf.

Jetzt, wo ich das Ganze niedergeschrieben habe, kommt es mir irgendwie unwirklich vor. Eigentlich sollte es mich nicht wundern; ich war in den paar Jahren an den unterschiedlichsten Orten des Nevernever, ich war in einer Welt aus gestaltgewordenen Träumen, und ich war in der Nachwelt des nordischen Götterglaubens - aber trotzdem. Parallelwelten. Echt jetzt?

Vielleicht würde ich ja sogar anfangen, an meinen Sinnen zu zweifeln (wobei ich das nicht glaube, dazu war das Erlebnis zu überzeugend), aber es gibt einen Beweis, dass wir uns das alles nicht nur eingebildet haben: Robertos Handy ist weg, und dafür hat er immer noch Marijkes deVries.
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
Meine Rede.
Zitat von: Shield Warden
Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

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13. Februar

Totilas hat von seinem Vater gehört. Richards Pläne wegen Sancías Heilung haben Formen angenommen. Sie wollen ein Ritual durchführen, um Sancía ihre Seele wiederzugeben. Richard hat ein Treffen mit uns allen vorgeschlagen, weil sie unsere Hilfe bräuchten, wie sie sagten. Übermorgen im Dora's.

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15. Februar

Okay, das wird spannend. Einmal Xibalbá und zurück, Römer und Patrioten. Jedenfalls bete ich dafür, dass es keine Reise ohne Wiederkehr wird.

Aber der Reihe nach. Bei dem Treffen heute gab Richard uns erst noch einmal einen kleinen Grundkurs darin, wie das bei Rotvampiren mit der Seele funktioniert: In dem Moment, wo ein Red Court Infected einen Menschen tötet, übernimmt der Dämon, der seit seiner Infizierung in dem Gebissenen lauert, den Körper des Infizierten, und dessen Seele wird aus seinem Körper gezogen und gelangt nach Xibalbá. Auch Sancías Seele muss noch dort sein, und wir sollen sie herausholen, damit Richard sie in seinem Ritual wieder mit Sancías jetzigem Ich verschmelzen kann. Dann hätte sie den Blutdämon zwar immer noch in sich, aber er wäre von ihrer Seele temperiert und unter Kontrolle und sie wäre kein Monster mehr.

Der Rote König plane irgendwas, das wohl in knapp einer Woche steigen soll, sagte Richard, irgendein großes Ritual, das den Vampiren im Krieg gegen den Rat der Magier helfen soll. Sie wollen wohl offenbar deren Scharfrichter der Magier ausschalten, den Magier mit dem schwarzen Stab.
Uns fror allen das Gesicht ein, als Richard den Magier mit dem schwarzen Stab erwähnte. Ach. Sieh an. Der Arsch. Aber Arsch oder nicht, von den Rotvampiren umgebracht zu werden hat er nicht verdient. Jedenfalls aber, erklärte Richard weiter, solle dieses Ritual in Mexico stattfinden, und zwar in Chichén Itzá. Richard und Sancía können uns ein Tor ins Nevernever öffnen, und zwar wollen sie das ebenfalls in Mexiko machen, in Chichén Viejo, direkt unter der Nase des Roten Königs.

Das wird riskant, Römer und Patrioten. Aber um die Mutter unseres Kumpels zu retten, ist es das Risiko wert.

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18. Februar

Römer und Patrioten, wir haben die Musik für unser eigenes Ritual!
Und das kam so: Mamá hatte von diesem Konzert gestern abend gehört, das sie verlockend fand, aber Papá war mit seinen Freunden zu einem Spring Training-Spiel der Miami Marlins verabredet und wollte das nicht sausen lassen. Mamá war schon ganz enttäuscht und wollte ihr Konzert abschreiben, aber ich sagte ihr, ich begleite sie. Das war für sie etwas ganz Neues – eine abendliche Freizeitaktivität getrennt von ihrem Mann unternehmen! – aber ich konnte sie überreden, es doch mal in meiner Begleitung zu versuchen. Und weil ich erzählt hatte, dass ich nach Mexiko müsse – für eine Promotion-Aktion, versteht sich; jeglichen Hinweis auf Rituale und Vampire und dergleichen habe ich natürlich schön unterlassen – freute Mamá sich doppelt, vor meiner Reise noch etwas mit mir unternehmen zu können.

Langer Rede kurzer Sinn: Es spielte Band namens „Los Flamencos“, die Musik im Stil des Buena Vista Social Club machen. Das Konzert machte viel Spaß und die Flamencos waren richtig gut, also suchte ich hinterher kurzerhand den Kontakt und brachte mein Anliegen vor. Die jungen Leute waren sehr angetan von der Idee, beim Calle Ocho-Festival zu Feuerwerk aufzutreten, und versprachen, den Text meiner Ode an Miami mit einer Melodie zu versehen.

Ich war ganz erstaunt, dass das Gespräch mit den Flamencos völlig ungestört verlief – ich hatte schon befürchtet, dass Adlenes Geister uns wie bei unserem vorigen Versuch auf die Nerven fallen würden. Aber vielleicht hatten die mich in dem Moment gar nicht so sehr auf dem Schirm, weil ich nicht mit den Jungs, sondern mit meiner Mutter unterwegs war.

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20. Februar

Morgen vormittag soll es losgehen. Wir rechnen etwa 36 Stunden mit dem Boot bis Cancún, und von dort aus mit dem Auto weiter.
Den Rest der Genius Loci-Gruppe haben wir natürlich informiert, dass wir ein paar Tage weg sein werden. Die Reaktion: „Alles klar, aber macht nicht so lange.“ Ja, das versteht sich natürlich von selbst, dass wir uns eilen werden, so gut wir können. Aber noch haben wir ja Zeit.

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21. Februar

An Bord. Wenn wir alle nicht so angespannt wären, würde ich vielleicht in Versuchung kommen, das hier als kleine Urlaubstour zu genießen. Aber naja, wir haben ja noch ein bisschen Zeit. Und einfach auf's Meer zu schauen, ist schon irgendwie beruhigend.

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22. Februar

Wir sind in Cancún. Das Navigationsgerät sagt 2 1/2 Stunden bis Chichén Itzá. Ich glaube nicht, dass ich im Auto zum Schreiben kommen werde. Auf dem Rückweg vielleicht. Ansonsten, sobald wir wieder auf dem Meer sind. ¡Que Dios nos proteja en nuestro camino!

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23. Februar

Zurück auf dem Boot. Wir sind alle wohlauf, und wir haben Sancía und Canché. Also ihre Seelen, meine ich; ihre Körper hatten wir ja schon vorher.

In Cancún wurden wir von Richard, Sancía und zwei weiteren Rotvampiren in Empfang genommen: Sancías Vorfahrin Canché und einem hiesigen Vampir namens Pedro. Einige Red Court Infected waren auch dabei, allesamt Angehörige des Ordens von St. Giles – das ist dieser Orden der Infizierten, zu dem wir vor ein paar Jahren auch Ciélo und Ocean geschickt haben.
Mit einem Van und zwei Jeeps machten wir uns auf den Weg. Wegen des Tageslichts waren die Vampire im Van; wir anderen teilten uns auf die drei Fahrzeuge auf. Dabei stieg mindestens ein St. Giles-Infizierter in jeden Wagen, und sehr bald wurde auch deutlich, warum das so wichtig war: Man merkte ganz genau, dass die Gegend unter der Kontrolle des Roten Königs stand, und irgendwie war die Stimmung nicht nur in unserem Auto sehr angespannt, sondern auch denen Menschen draußen vor dem Fenster war die Nervosität ganz klar anzusehen.
Trotz der Anspannung, und obwohl wir mehr als einmal angehalten wurden, gelang es unseren Infected, uns mit der Erklärung, wir seien unterwegs zum großen Ritual des Roten Königs, durch die Kontrollen zu bringen.

Wir parkten auf dem großen Touristenparkplatz von Chichén Itzá, wo ein ganzer Bereich mit Schildern in mehreren Sprachen abgesperrt war, die vor „Bauarbeiten“ warnten. Ja klar. Y una leche. Da sollten natürlich die Touristen, die ja weiterhin den Ort besichtigten, von dem Red Court-Ritual ferngehalten werden. Dort ließen wir die beiden Jeeps stehen und fuhren nur mit dem Kastenwagen tiefer in den Wald hinein.

Die angespannte Stimmung, in der wir uns alle befanden, habe ich ja schon erwähnt. Das lag nicht zuletzt an den Patrouillen, die wir beobachten konnten, wie sie ihre Kreise um Chichén Itzá drehten und denen wir tunlichst aus dem Weg gingen. Sie lag daran, dass das Wetter seltsam war, irgendwie elektrisierend. Oder vielleicht war das auch nur Einbildung.
Aber der Trupp teilnahmsloser Gefangener, die gerade in Richtung Chichén Itzá getrieben wurden, war keine Einbildung. Die Menschen waren ebenso wie ihre Bewacher in Maya-Gewänder gekleidet, und es brauchte nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, was sie am Ende ihres Marsches erwarten würde. Aber so sehr wir es hassten und so sehr wir an uns halten mussten, nicht aus den Autos zu springen und einzugreifen – wir hätten nichts tun können, und wir hatten eine andere Aufgabe, von der wir uns nicht abbringen lassen durften.

In Chichén Viejo stellten wir unseren Van an einer unauffälligen Stelle ab und warteten, bis es dunkel wurde. Dann trennte sich Canché von uns und machte sich auf den Weg zurück nach Chichén Itzá, zum Ritual des Roten Königs. Wir hingegen betraten mit Richard und Sancía den Ziggurat, während unsere verbündeten Red Court-Infected draußen und der Rotvampir Pedro drinenn bei den beiden älteren Raiths Wache hielten.
Bevor Totilas' Eltern uns das Tor ins Nevernever öffneten, machten sie uns noch klar, dass sie es bis Morgengrauen würden offenhalten könnten. Falls wir bis dahin nicht zurück wären, müssten sie es schließen und Sancía, die Vampirin, den Tag über schlafen. Wenn das passieren sollte, dann müssten wir eben den Tag über in Xibalbá durchhalten, bis sie das Tor wieder für uns öffnen würden.

Wie so oft, war der Schritt ins Nevernever hinein keine große Sache. Aber als wir einmal in Xibalbá waren, ließ sich diese Tatsache nicht übersehen. Da war der sternenlose, auch nicht schwarze, sondern irgendwie einförmig anthrazitgraue Himmel, da waren die Bäume, die so auf unserer Erde nicht existieren. Und da waren die Wege, die zu uns redeten und uns in die Irre führen wollten. Alex aber, der den Weg zum Glück kannte, ließ sich nicht beirren, und so kam irgendwann die Stadt Xibalbá in Sicht und dann auch immer näher.

Am Stadttor (ja, das war vom Aussehen her tatsächlich eine ganz normale Stadt mit Mauer) hielten zwei Männer Wache, die auf mich beinahe wie Abziehbilder wirkten – oder sagen wir vielleicht lieber wie zwei Comic Relief-Charaktere aus einem Animationsfilm. Sie wunderten sich etwas, dass wir als Lebende den Weg nach Xibalbá gefunden hatten, aber als wir ankamen, waren sie gerade dabei, die Vor- und Nachteile von Ballspielen und Autorennen zu diskutieren, und zu dieser Diskussion kehrten sie ziemlich schnell zurück und ließen sich davon noch eine Weile ablenken, bevor sie uns schließlich den Weg in die Stadt freigaben.

In der Stadt selbst war Ähnliches zu hören – kein Aufruhr, aber eben eine gewisse Aufregung und durchaus hitzige Diskussionen pro und kontra Ballspiele vs. Autorennen. Es war wie bei den Wachen am Tor: Manche standen auf dem Standpunkt, Autorennen seien neu und cool und interessant, andere hingegen vertraten die Ansicht, in Xibalbá müsse es Ballspiele geben, das gehöre so, während Autorennen, dieser neumodische Kram, sich nicht gehörten.
Architektonisch war Xibalbá übrigens sehr interessant. Da gab es viele Residenzen, die zwar aus einem einzigen Haus, aber aus zwei klar voneinander abgegrenzten Hälften bestanden – ein Zeichen dafür, dass Xibalbá von zahlreichen Zwillingsgottheiten beherrscht wird, darunter unser – ich will jetzt nicht sagen 'Freund', das trifft es überhaupt nicht, also lieber 'Bekannter' – Bekannter Ahalphu und sein Zwillingsbruder Ahalcana, zwei andere Maya-Götter namens Eintod und Siebentod und etliche andere.

Wir mussten uns etwas durch die Demonstranten drängen, die sich vor Ahalphus Residenzhälfte versammelt hatten, aber als wir erst einmal drin waren, freute die Pestgottheit durchaus, uns zu sehen. Natürlich fragten wir ihn nach der Menschenmenge draußen, und er erzählte, dass das Bewohner Xibalbás seien, die sich nicht mit den Autorennen abfinden, sondern zu den traditionellen Ballspielen zurückkehren wollten. Aber Ahalphu fand, die Diskussionen täten der Stadt gar nicht schlecht, dann sei wenigstens etwas los, und es werde nicht langweilig. Stimmt, Ahalphu war ja auch schon bei unserer ersten Begegnung ein großer Freund der Abwechslung.

Dann erzählten wir Ahalphu, weswegen wir nach Xibalbá gekommen waren: dass wir auf der Suche nach mehreren Seelen waren, die eigentlich nicht hier sein sollten, weil ihre Körper noch auf der Erde waren. Diese Information interessierte Ahalphu sehr – wenn dem so wäre, dann dürfte das eindeutig nicht so sein.
Er sagte uns, dass die Seelen der Verstorbenen, wenn sie nach Xibalbá kommen, zunächst in eines von sechs Häusern kämen und sich selbst daraus befreien müssten als Prüfung, ob sie Xibalbás würdig seien.
Wenn sie nicht schon ihren Weg hinaus gefunden hätten, dann wären die Seelen derer, die wir suchten, also vermutlich in einem dieser Häuser. Alex erklärte sich noch bereit, Ahalphu später noch seine Rennbahn aufzurüsten und zu verbessern, aber erst einmal mussten wir die Seelen suchen gehen.

Seine Verbindung zu Sancía führte Totilas tatsächlich zu einem der sechs... wie nenne ich sie? Seelenhäuser?... Seelengefängnisse, die Ahalphu erwähnt hatte.
Drinnen war es kalt. Eiskalt. Übernatürlich kalt. Niemand war zu sehen, aber es war etwas wie die Gegenwart von … etwas zu spüren, auch für uns, die wir hier niemanden suchen wollten.
Tatsächlich fand Totilas sowohl seine Mutter als auch deren Vorfahrin, dazu auch Pedro, der ebenfalls aus der Linie der Canché stammte. Vorher war jeder von ihnen alleine in seiner eigenen Phase gewesen, aber jetzt, wo sie alle beisammen und bei ihrem Nachfahren waren, konnten sie auch einander sehen und miteinander interagieren. Alle drei Seelen waren auf dem Stand ihrer Vampirwerdung, was bedeutete, dass die Sancía hier gar nicht wusste, dass Totilas inzwischen selbst zum Vampir geworden war – und genausowenig wusste sie, dass sie, bzw. der Dämon in ihrem Körper, ihrem Sohn einmal das Herz herausgerissen hat. Entsprechend schockiert war sie, aber vielleicht, weil sie sich das nicht so recht mit sich selbst in Verbindung bringen konnte, oder vielleicht auch, weil es gerade Dringenderes gab, nahm sie die Nachricht für den Moment vergleichsweise gelassen auf, und wir sahen zu, dass wir hier verschwanden.

Draußen vor dem Haus hatten die Demonstrationen und der Menschenauflauf zugenommen. Direkt als wir herauskamen, wurden wir von einer Gruppe militärisch aussehender Personen aufgehalten, die sich als Soldaten der beiden Blutgötter Chirikimat und Kuchumatkik – 'vergrindete Wunde' und 'Bluterguss', wer es unbedingt wissen will – zu erkennen gaben. Die Soldaten herrschten uns an, weil wir die Herausforderung nicht alleine angegangen wären, hätten wir die Prüfung nicht bestanden, und wollten uns zurück in das Haus drängen.
Wir erwiderten, wir seien ja nicht tot und unterlägen somit nicht den Auflagen Xibalbás, und wir könnten das Ganze ja vor die obersten Götter bringen, wenn die Krieger sich nicht sicher seien, was sie tun sollten.
Die Auseinandersetzung erregte einiges an Aufsehen unter den Umstehenden, die immer näher kamen und die Szene mehr als interessiert beobachtete, und so wagten die Soldaten es nicht, so recht, die Sache weiter zu verfolgen, und ließen uns ziehen.

Aber auch dann kamen wir nicht gänzlich ungehindert zurück zu unserem Ziel, denn auf halbem Weg stellte sich uns eine junge Frau, kaum mehr als ein Mädchen, in den Weg. Sie stellte sich als Maiskorn vor, Tochter des Zwillingsgottes Siebentod, und sie war extrem neugierig. Sie stellte uns eine Menge Fragen: Wer wir seien, was wir hier machten, warum wir gekommen seien. Sie grillte uns regelrecht, auch wenn sie dabei höflich und freundlich blieb. Sie sagte, sie habe das Gefühl, etwas stimme hier nicht, und sie wolle dem auf den Grund gehen.
Wir gaben ihr offen Auskunft, dann kehrten wir endlich zurück zu Ahalphus Residenz. Dort stellten wir dem Seuchengott die drei Seelen vor, die wir aus dem Haus der Prüfungen gerettet hatten, und Ahalphu stellte auf einen Blick fest, dass sie tatsächlich nicht hierher gehörten. Er fragte sich, wie das kommen könne, und wir erzählten ihm von den Rotvampiren und dem Roten König, der nach allem, was wir wussten, schon Jahrhunderte alt war und aus Mesoamerika stammte.
Aus unserer Beschreibung und nach einigen Nachfragen seitens stellte sich heraus, dass der Rote König offenbar Camasotz war, einer der niederen Götter Xibalbás. Der habe auf der Erde nichts zu suchen, erklärte Ahalphu ungehalten; er werde das untersuchen und sich der Sache annehmen.

Was jetzt allerdings unseren Rückweg beträfe, so könne der schwierig werden, weil uns vielleicht die Anti-Autorennen-Protestierer angreifen könnten. Am besten wäre es, so Ahalphu, wenn wir unter so viel Aufsehen wie möglich und in Begleitung einer großen Eskorte die Stadt verlassen würden.
Genauso machten wir es auch: Eine Gruppe von Rennfahrern führte uns bis vor das Tor, wo es sicher war, dann kehrten sie um, und wir setzten unseren Weg alleine fort.
Der Rückweg war auch nicht mehr so verwirrend wie die Gegenrichtung, einfach weil wir die Gegend jetzt schon kannten – aber vor allem, weil die Wege nicht mehr versuchten, uns in die Irre zu leiten. Sie waren nur etwas verwirrt, weil wir uns von der Stadt entfernten und nicht dorthin reisen wollten, aber sobald Alex ihnen klar machte, dass das Absicht war, gaben sie Ruhe.

Das Tor zurück in unsere Welt war noch da – offenbar waren wir entweder nicht so lange fort gewesen, oder es war schon die nächste Nacht. Aber das fühlte sich irgendwie nicht so an.
Auf der anderen Seite war alles ruhig und wie erwartet. Während Canchés Seele losflog, um ihren Körper zu suchen (was natürlich nur Alex sehen, wir anderen uns aber denken konnten), ließ die Wiedervereinigung mit ihren Seelen Sancía und Pedro unter dem emotionalen Ansturm taumeln und ziemlich die Orientierung verlieren, so dass Richard seine Frau stützen musste und Roberto Pedro half.
Eigentlich hatten wir vorgehabt, in der Nähe des Autos in Deckung auf Canché zu warten, deren Vampir-Ich ja das Ritual des Roten Königs hatte ausspionieren gehen wollen und die versprochen hatte, so bald wie möglich zu uns zurückzukommen. Aber vermutlich würde Canché durch die Wiederbeseelung ähnlich desorientiert werden wie die anderen beiden Vampire, also würde sie höchstwahrscheinlich Hilfe benötigen.
Wir hatten gerade beschlossen, nach Chichén Itzá zu schleichen und zu sehen, ob und was wir für sie tun konnten, da ging etwas durch den Wald. Ein metaphysischer Ruck, eine magische Druckwelle, besser kann ich es nicht beschreiben, und Sancía und Pedro kippten davon um wie gefällte Bäume. Aber – und das war seltsam für Rotvampire – sie waren am Leben, und damit meine ich wirklich Leben: Beide hatten einen langsamen und schwachen, aber gleichmäßigen Puls.

Jetzt mussten wir erst recht nach Chichén Itzá. Wir, damit meine ich uns fünf: Richard Raith wollte natürlich seine Frau nicht alleinlassen, und unsere Red Court Infected, die ebenfalls von der übernatürlichen Erschütterung erfasst worden waren und sich erst langsam wieder zu erholen begannen, blieben auch lieber am Auto zurück.

Uns bot sich ein seltsames Bild. Als wir uns der Kultstätte näherten, sahen wir zahlreiche Personen, die völlig verwirrt wirkten und sich kein Stück um uns kümmerten – vermutlich ebensolche Infizierte wie unsere eigenen Verbündeten –, aber keinen  echten Rotvampir. Wir fanden Canché auf den Stufen der Pyramide, genauso reglos wie Sancía und Pedro, aber genauso am Leben.
Mit vereinten Kräften schafften wir Canché zurück zum Auto, und dann sahen wir zu, dass wir von dort verschwanden.

Die Fahrt verging erstaunlich ereignislos und ohne Probleme – es gab keinerlei Patrouillen mehr, keinerlei Straßensperren, aber dafür sahen wir erstaunlich viele Menschen, die entweder verwirrt umherstreiften oder beinahe verwundert aus ihren Häusern schauten, als hätten auch sie gemerkt, dass etwas anders war.
Und es war tatsächlich etwas anders: Als sie sich soweit wieder erholt hatten, wurde sehr schnell klar, dass unsere Verbündeten nicht mehr infiziert waren. Sie konnten es spüren, sagten sie - sie hatten keinerlei Verlangen mehr nach menschlichem Blut, und sie hatten auch keine der übernatürlichen Fähigkeiten mehr, die sie als Infizierte schneller und stärker gemacht hatten. Was auch immer da geschehen war, es hatte den Vampir-Anteil in ihnen ausgelöscht.
Wir kamen ungehindert zurück nach Cancún, wo wir uns von den St. Giles-Leuten trennten, die hier etwas Ordnung in das entstehende Chaos bringen wollten. Sie behielten auch Pedro bei sich, der ja ebenfalls hier lebte, der aber wie Sancía und Canché noch immer ohne Bewusstsein war. Wir kamen auch ungehindert zurück auf unser Boot, ungehindert aus dem Hafen... und da sind wir jetzt, unterwegs zurück nach Hause. Richard weicht nicht von Sancias Seite, und auch Totilas ist häufig bei seiner Mutter in der Kabine. Hoffentlich wachen Canché und sie bald auf!
« Letzte Änderung: 29.03.2020 | 16:27 von Timberwere »
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
Meine Rede.
Zitat von: Shield Warden
Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

Offline Timberwere

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Ricardos Tagebuch: Changes 4

26. Februar

Zurück in Miami. Zeit zum Nachdenken.

Sancía und Canché kamen noch auf dem Boot wieder zu sich, und beide haben, wie sage ich das, ihre Menschlichkeit zurück, sind keine Vampire mehr. Das muss daran liegen, dass ihre Seelen schon wieder in ihrem Körper waren, als das was-auch-immer-es-war dem Rest des Red Court passierte. Denn alle anderen Rotvampire sind verschwunden. Robertos Bekannte Lucia. Orféa Baez, die Anführerin des Red Court. Felipe Gomez, dieser Barbesitzer, dem wir zuletzt im September bei dem Wohltätigkeitsjahrmarkt wegen Hurricane Irma begegnet waren. Überhaupt ist das Whispers komplett verlassen, und es sieht wirklich so aus, als gebe es zumindest in Miami, wenn nicht auf der ganzen Welt, keinen einzigen roten Vampir mehr. Huh. Ob das Ahalphu zu verdanken ist? Hat er vielleicht eingegriffen und Camasotz zurück nach Xibalba geholt, und alle Rotvampire gleich mit?

Sobald uns das klar wurde, haben wir natürlich den Rest unserer Ritualgruppe darüber informiert, dass sich offenbar gerade ein ziemliches Machtvakuum aufgetan hat. Das ist etwas, in das niemand unvorbereitet reinlaufen sollte, auch wenn wir nicht alle von denen unsere Freunde nennen. Pan berichtete ich natürlich ebenfalls darüber, wobei dem das relativ egal war, solange noch genug andere Quellen bleiben, um seinen Hof mit Partydrogen zu versorgen. Ach, seufz.

Ach ja, aber eine rundherum gute Nachricht gibt es: Macaria Grijalva, die ja letzten September bei dem Kampf an der Waystation von einem Rotvampir gebissen worden war, ist auch nicht mehr infiziert.

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28. Februar

Hm. Unser Freund Adlene gibt keine Ruhe. Seit wir zurück sind, gab es weiterhin jeden Tag mindestens einen, aber häufig auch mal mehr als einen, Angriff von zufälligen Leuten, die von irgendwelchen Geistern übernommen werden und dann versuchen, uns Knüppel zwischen die Beine zu werfen – ganz egal, ob wir gerade in Sachen Ritual unterwegs waren oder nicht. Das nervt. Wobei... vielleicht waren die Geister auch gar nicht von Adlene geschickt. Alex hatte den Verdacht, dass da vielleicht eher Adlenes Kumpan Jak seine Finger im Spiel haben könnte.
Aber apropos Jak: Kuchen ist in letzter Zeit keiner mehr aufgetaucht, zumindest nicht so, dass wir davon wüssten. Von Spencer Declan und Pater Donovan fehlt auch weiterhin jede Spur – die stecken vermutlich immer noch in den Sümpfen fest. Nicht zu wissen, was mit den beiden los ist, beunruhigt mich immer noch, aber wir können nun mal nichts daran ändern, falls sie da drinnen wirklich irgendwelche Fiesheiten anstellen, und können nur hoffen, dass sie da nicht mehr rauskommen.

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2. März

Sagte ich vorgestern, die Geisterangriffe nerven? Die Winterfeen nerven auch. Da kommen seit ein paar Tagen auch ständig welche an und wollen sich mit mir anlegen. Warum? Na, weil ich Sommer bin und sie Winter, natürlich. Blöde Frage. Brauchen sie etwa einen anderen Grund? Haha. Es ist ihnen zwar nicht bisher nicht gelungen, mir 'die Fresse zu polieren', wie sie das wollen, aber trotzdem. De madre, ernsthaft.

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3. März

Mehr beunruhigende Nachrichten. Das Machtvakuum zeigt Auswirkungen: Es ist ein regelrechter Bandenkrieg ausgebrochen, komplett mit Gewalt und Straßenkämpfen, mit Verletzten und Toten. Wir hatten ja erwartet, dass so etwas passieren könnte, und haben uns und unsere Freunde und Verbündeten darauf vorbereitet, aber trotzdem hat Edward, hat das gesamte Miami PD, in gewissen Bereichen der Stadt alle Hände voll zu tun, und auch für uns bedeuten die Auseinandersetzungen Stress und Sorgen.

Für mich persönlich jetzt gar nicht so direkt, auch wenn ich mir natürlich Sorgen um die Familie mache.
Aber alles in allem ist die Lage gerade einfach ziemlich unsicher, und vor allem Totilas und Cicerón Linares haben im Moment einiges damit zu tun, ihr jeweiliges Revier zu verteidigen und beisammenzuhalten.
(Also nicht, dass es mir nicht deutlich lieber wäre, wenn die Geschäfte unseres White Court-Kumpel nicht ganz so illegal daherkämen, aber naja. Daran kann ich wohl auch nicht so wirklich etwas ändern.)

Von anderswo kommen die Informationen in bezug auf den verschwundenen Red Court und die daraus folgende Lage auch nur tröpfchenweise, nur ist inzwischen das Gerücht aufgekommen, dass der Magierrat irgendwie das Verschwinden des Red Courts zu verantworten habe. Aber es sieht anderswo wohl ganz ähnlich aus wie hier, und in Mittel- und Südamerika scheint unter den Drogenkartellen völliges Chaos zu herrschen. Aus Kuba ist nichts Spezielles zu hören, aber ich muss immer wieder an Enrique denken und frage mich, wie es dem wohl geht. Und ob Ciélo Canché durch das Ereignis jetzt ebenfalls kein Red Court-Infected mehr ist. Wenn dem so wäre, und wenn es bei Ocean Raith wirklich wahre Liebe zu Ciélo war und sie deswegen ihren White Court-Dämon losgeworden ist, dann haben die beiden vielleicht jetzt endlich die Chance auf ein ganz normales Leben. Ich hoffe und wünsche es ihnen. Falls nicht Ocean schon vor Jahren wegen der wahren Liebe zu einem normalen Menschen wurde und Ciélo dann seinem Blutdurst nachgegeben und sie umgebracht hat. Oh Ciélo – in beiden Bedeutungen des Wortes – ich hoffe nicht! 

Aber apropos Canché: Ciélos Vorfahrin hat auch ganz schön zu knabbern. Da ist sie jetzt, die Seele eines 17-jährigen Maya-Mädchens, in einer völlig unbekannten neuen Welt, in der sie sich erst einmal zurechtfinden muss. Wenigstens hat ihr Körper die Erinnerung an die englische Sprache beibehalten, sonst wäre sie völlig aufgeschmissen. Momentan sucht sie vor allem viel Halt bei Sancía, die aber ebenfalls mit der neuen Situation zurechtkommen muss, wenn auch der Schnitt für Totilas' Mutter nicht so extrem ist wie für Canché. Sie und Richard müssen jetzt beide erst einmal wieder richtig zueinanderfinden, wirken aber beide sehr glücklich und sehr verliebt. Es tut gut, das zu sehen.

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4. März

Ich habe es ja schon im Januar geschrieben: Internal Affairs hat Edward genau für den Tag des Calle Ocho-Festivals zu diesem Verhör Termin geladen.
Einfach ignorieren will Edward die Vorladung natürlich nicht, aber hingehen geht halt eben auch nicht, wenn wir das Ritual nicht riskieren wollen. Wir brauchen Edward dabei; der ist ein unabdingbarer Teil derjenigen von uns, die die Magie wirken müssen. Und selbst wenn er keine direkte Magie dabei wirken würde – so wie ich beispielsweise – wäre er immer noch Teil der Genius Loci-Gruppe und des großen Ganzen.

Also hat Edward Marshal Raith um Rat gefragt. Der ist selbst zwar Fachmann für Steuerrecht, aber er hat Kontakte und kannte da wen. Dieser andere Anwalt hat Edward gestern folgende rechtlichen Empfehlungen gegeben:
Am besten soll er den Termin wahrnehmen. Falls das partout nicht ginge, hätte er mehrere Optionen.
Er könnte den Dienst bei der Polizei quittieren, das ginge natürlich immer. Dann könne es allerdings sein, dass Internal Affairs den Fall an die normale Polizei abgebe. Aber die normale Polizei wolle den Raiths ja schon lange ans Bein pinkeln, und das sei auch noch nicht passiert.
Seine Empfehlung sei, dass Edward sich im Zuge seiner Arbeitsverrichtung anschießen lasse und dann deswegen aus dem Polizeidienst ausscheide. Oder sonst einen triftigen Grund zu finden, den er angeben könne, warum er das Miami PD verlasse, und eben nicht nur, weil er das Gespräch mit Internal Affairs vermeiden wolle.

Edward will jetzt versuchen, den Termin auf nach dem Ritual zu verschieben.

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5. März

Wir haben beschlossen, das wir Adlenes Geister ablenken müssen. Nicht nur bringen sie Unschuldige in Gefahr und stören uns bei den Vorbeitungen; das Ritual selbst könnte auf dem Spiel stehen, wenn sie uns dabei unterbrechen.
Also hatte Alex die brilliante Idee, dass wir es so aussehen lassen könnten, als sei das, was wir da vorgehabt hatten, schon gelaufen, dass unsere großen Vorbereitungen eben darauf abzielten, bei der Entstehung des Machtvakuums zu helfen. Der Weiße Rat darf gerne den ganzen Ruhm einheimsen, den die Gerüchte ihm zugestehen, aber wir wollen diese Gerüchte noch dadurch ergänzen, dass wir den Ratsmagiern mit unseren Anstrengungen ein bisschen unter die Arme gegriffen haben, dass diese Anstrengungen jetzt aber vorüber sind. Kein Grund also, uns länger anzugreifen. Wir sind ganz unschuldig *pfeif* *träller*.
Alex will das Gerücht unter seinen Geisterkontakten verbreiten – mal sehen, ob es hilft.

Ach ja, und Edward hat es geschafft, die Vorladung auf in drei Wochen zu verlegen. Offenbar hat er dafür auch 'nur' die persönliche Assistentin des Commissioners bestechen müssen, die den entsprechenden Kalender pflegt. Mit Geld? Mit einem Date? Mierda. Ich will es gar nicht wissen.

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7. März

Halfðan hat eben angerufen – sie hätten einen Winterriesen getötet, sagte er, direkt außerhalb von Pans Domäne.
Auf mein Nachfragen erzählte er, am Strand hätten in der echte-Welt-Nevernever-Grauzone ein paar Studenten um Hilfe gerufen, weil ein Ungeheuer einen ihrer Freunde weggeschleppt hätte. Als die Einherjer dem Ruf gefolgt seien, hätten sie einen hässlichen Riesen besiegt, der dann zu Matsch und Knochen zerfallen sei. Ja, die Knochen seien noch da, Halfðan und seine Einherjer hätten nur ein paar davon weggenommen, um sich Trophäen daraus zu schnitzen. ¡Ay, comemierdas!
Man nimmt doch nicht einfach irgendwelche unbekannten Knochen, ohne dass man weiß, was die für magische Eigenschaften haben!

Ich fahre dann mal los.

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Abends. Wieder zuhause.

Das Skelett der Kreatur war tatsächlich noch da, als wir ankamen. Sowohl die Knochen als auch der Schädel waren grob humanoid, wenn auch größer als bei einem Menschen und etwas verkrümmt. Aber wenigstens trugen sie keine offensichtlichen Anzeichen von Outsidern oder dergleichen, so dass sich meine Sorgen angesichts der Trophäen, die Halfðan und Co. sich weggenommen hatten, etwas schwanden.

Trotzdem wollten wir gerne wissen, um was genau es sich bei diesem Ding handelte – mit Halfðans Beschreibung konnten wir nämlich nicht so richtig viel anfangen, und Wesen, die mit ihrem Tod zerfielen, fielen uns auf Anhieb auch keine ein.

Edward schlug vor, dass wir ein Ritual durchführen könnten, um die Gebeine zu analysieren. Natürlich tat er das. Aber es war ja keine schlechte Idee, vor allem, da wir uns ja gerade in Pans Palast befanden und eine Verbindung zum Nevernever hatten, was ja höchstvermutlich die Heimat des Riesen war.
Während von Roberto Räucherkerzen abbrannte, die eine eine hypnotische Stimmung erzeugen sollten, und ich mit zwei der Knochen einen passenden Rhythmus trommelte, versenkte Edward sich in eine meditative Trance und beschwor ein Bild davon herauf, wo die Ungeheuer herkamen. Er hatte eine Vision von einer kargen, öden Gegend voller Krater, als hätte dort gerade ein heftiger Krieg getobt. In diesem wüsten Land streiften Riesen wie der, den Halfðan beschrieben hatte, und bekämpften sich, wann immer sie einander begegneten, indem sie einander mit Dingen bewarfen: mit riesigen Felsbrocken, mit Bäumen, die sie aus dem Erdboden rissen, und so weiter; deswegen war es dort auch so wüst und leer. Wenn sie anderen Wesen begegneten als Angehörigen ihrer eigenen Art, dann fraßen sie die auf. Charmante Zeitgenossen, ¡de verdad!

Es steht zu befürchten, dass wir von den Gestalten nicht zum letzten Mal etwas gesehen haben, aber wenigstens ist dieser hier erledigt, und der Winterhof war heute auch erstaunlich friedfertig. Mal sehen, wie lange das so bleibt.

Ach ja, und wo wir ohnhin in Pans Palast waren, ging ich natürlich meinem Herzog meine Aufwartung machen, und meine Patenkinder besuchte ich auch gleich mit. Sindri geht es gut, und Edwina Ricarda ist gerade in einem richtig goldigen Alter.

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11. März

Es ist soweit. Das Calle Ocho-Festival! Das Ritual ist zwar erst heute Abend – das Feuerwerk soll um 20:00 stattfinden –, aber bis dahin gibt es noch viel zu tun. Lidia und die Mädchen wollen natürlich zum Festival kommen, und das Feuerwerk können sie auch gerne noch mit ansehen, aber ich bin ziemlich froh, dass Lidia sie gleich anschließend nach Hause und ins Bett bringen wird. Ich habe Lidia in groben Zügen erzählt, was wir vorhaben, damit sie sich nicht wundert, dass ich nicht mit ihr und den hijas nach Hause komme, und damit sie sich keine allzu großen Sorgen macht, aber auf die genauen Details unseres Plans bin ich nicht eingegangen. Wir treffen uns heute nachmittag auf dem Festival; nach dem Frühstück muss ich erstmal los alleine los.

Erst treffe ich mich mit den Jungs wegen der Unterdrückung unserer Einflüsse. Oder besser, ich treffe mich mit Totilas, Roberto und Alex. Totilas hat seine Kontakte zu Hillary Elfenbein genutzt und von ihr einen Blister Risperdal für uns besorgt. Mir ist zwar nicht ganz wohl bei dem Gedanken, unsere übernatürlichen Einflüsse mit einem Neuroleptikum zu unterdrücken, aber die einmalige Einnahme wird uns hoffentlich nicht schaden. Edward lässt sich derweil von Vanguard dabei helfen, seine Wutbestie vorübergehend auszuschalten, und kommt dann zum Spa. Da treffen wir uns dann auch mit dem Rest der Gruppe, und Ilyana Elder kümmert sich um Totilas' Dämon.

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Am Spa. Ich habe Zeit für ein paar Sätze, bis Ilyana und Totilas fertig sind. Aber so richtig viel gibt es eigentlich gar nicht zu schreiben gerade. Nur dies: Alex, Roberto und ich haben das Risperdal genommen. Ich fühle mich... hm, wie fühle ich mich? Schwer zu sagen. Ich komme gerade nicht an meine Sommermagie, und das fühlt sich ein bisschen so an wie letzten September in dem magieunterdrückenden Feld der Sinfonia de la Tranquilidad, aber doch auch ganz anders. Damals verschwanden all diese kleinen, warmen Funken in mir auf einen Schlag komplett, diesmal ist es mehr so, als ob sie … hm, als ob jeder einzelne dieser kleinen Funken in mir von Watte umgeben ist. Ein ziemlich seltsames Gefühl, tatsächlich, aber ich gewöhne mich gerade daran, und ich denke, es wird mich nachher nicht behindern. Andere Nebenwirkungen des Risperdons fühle ich bisher keine, und ich hoffe, das bleibt so. Keine Müdigkeit, kein Schwindel, keine Störungen des Bewegungsapparats oder Sehstörungen, gracias a Dios. Den anderen beiden anderen geht es zum Glück auch damit. Und wie heute früh schon mal geschrieben: Es ist ja nur die eine einzige Dosis. Das geht hoffentlich.

Ah, da kommen Ilyana und Totilas wieder. Nachher mehr.

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Das Reinigungs- und Aufeinandereinstimmungsritual war ein voller Erfolg. Wir fühlen uns noch mehr als vorher als Gruppe, als Team, trotz unserer unterschiedlichen Ausrichtungen und Herkünfte, und sogar Dee und Cicerón Linares scheinen ihr Kriegsbeil für den Moment begraben zu haben. Sehr schön. Dann können wir ja jetzt zum Domino Park. Es wird eine Weile dauern, dort alles fertig vorzubereiten.

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Puh. Wir sind gerade am Domino Park angekommen, und es liegt eine enorme Anspannung in der Luft. Klar, es ist das Calle Ocho-Festival, das ist immer eine tremenda pachanga, aber irgendwie kommt es mir dieses Jahr mehr vor als üblich. Ja, es sind dieselben Buden, Bühnen und Grillstände aufgebaut wie sonst immer, es sind dieselben Massen an Leuten unterwegs, dieselbe bunte Kleidung, die chongas, die Fahnen aus allen Teilen Lateinamerikas, die Musik. Und trotzdem wirkt es... greller. Die Menschen sind aufgekratzter, das Lachen lauter, die Stimmung aufgeheizter. Nicht gewalttätig aufgeheizt, aber... überdreht irgendwie, so wie übermüdete Kinder überdreht werden.

Man kann die Energie, die in der Luft hängt, regelrecht spüren. Da liegt ein leichter Geschmack nach Eisen auf der Zunge, und es hängt eine salzige Brise vom Meer in der Luft, obwohl wir ja doch gut zwei Meilen vom Meer entfernt sind. Ich habe das Gefühl, als hätten die Büsche und Bäume am Rand des Platzes einen Schimmer um sich, und irgendwie ist fast alles um uns her leicht elektrostatisch aufgeladen. Und Alex sagte auch gerade, die Geisterwelt wirke für ihn bunter als sonst.
Er sagte auch, er spüre einen Druck auf die Realität – den bemerken gerade all unsere Magiebegabten in der Gruppe. Dieser Druck muss in die richtigen Wege geleitet werden, sagen sie, sonst wird das richtig, richtig unschön.

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Der Ritualkreis ist fertig. Oder besser: die Ritualkreise. Im ersten Kreis wird derjenige stehen, der gerade den aktiven Teil übernimmt – und das muss jeder von uns einmal sein, auch die unmagischen Personen unter uns, um uns mit dem Ritual und dem Genius Loci zu verbinden. In einem zweiten Kreis außen herum stehen alle anderen, nachdem sie dran waren bzw. bevor sie dran sind, und in einem dritten Kreis noch weiter außen haben unsere Spezialisten die stärksten Wards gezogen, die sie zustande bringen konnten.

Wir haben alle etwas zur direkten Vorbereitung des Rituals beigetragen. So hat zum Beispiel Roberto die Erde für die Grundstruktur der Kreise aus den Everglades geholt und mit Kräutern aus seiner Botanica durchsetzt. Außerdem haben wir unterschiedliche Materialien für die Symbole der Kreise beigesteuert – ich selbst habe zum Beispiel Kieselsteine aus dem Coral Castle und Sand vom South Beach mitgebracht. Und Totilas hat eines der Zeichen mit einem feinen weißen Pulver gezogen, das mir verdächtig nach Kokain aussah. Aber das will ich gar nicht genauer wissen, glaube ich. Alex und Dee haben die Abflusskanäle und Leylinien vorbereitet, damit die Energie, die bei dem Ritual freigesetzt werden wird, gut aufnehmen können. Und Edward hat bei sich im Labor ein Mittel zusammengebraut, das er gerade im innersten Kreis verteilt hat, damit die Magie besser darin fließen kann, wie er sagte.

Ich werde anfangen, weil das Ritual gleich nach dem Feuerwerk mit der Ode an Miami beginnen soll. Als wir das letztens besprachen, konnte ich Linares deutlich ansehen, dass ihm das gar nicht passte, dass er eigentlich fest davon ausgegangen war, dass er den Anfang machen würde, weil das seinem Selbstverständnis als Alphamännchen und Bandenboss entsprochen hätte. Aber er ist nun mal ein Bandenboss und hat einen entsprechenden Ruf, und wenn ich anfange, dann ist weder das Recht noch das Verbrechen in unseren Reihen bevorzugt. Außerdem bin ich, auch wenn das jetzt vielleicht arrogant klingt, in Miami und darüber hinaus auch einigermaßen bekannt, und es ist dramaturgisch einfach sinnvoll, die Ode an den Beginn zu setzen.

Muss aufhören. Lidia und die hijas sind gleich da.

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Es wird ernst!
« Letzte Änderung: 26.05.2020 | 11:00 von Timberwere »
Zitat von: Dark_Tigger
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Zitat von: ErikErikson
Meine Rede.
Zitat von: Shield Warden
Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

Offline sindar

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