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[Dresden Files] Miami Files - Die Ritter von Miami (a.k.a. "Die schönen Männer")
Timberwere:
21. März
Die Formel für das Gegenmittel ist gestern fertig geworden. Gemeinsam mit den anderen Magiebegabten unter den Hütern haben wir heute genug davon hergestellt, um alle Vergifteten zu heilen. Ich sage 'wir', weil ich mich diesmal ebenfalls beteiligen konnte. Erneuerung und Wiederherstellung und Heilung sind alles Aspekte, die von Sommer abgedeckt werden, also konnte ich mit der Sommermagie dabei helfen, das Mittel zu brauen.
Wir haben es schon allen Vergifteten verabreicht, und es ist sogar etwas übrig geblieben, um das für einen zukünftigen Angriff der Froschartigen schonmal in petto zu haben.
Totilas hat inzwischen auch mit den Jungs geredet, um mehr über die Grenzen zwischen hier und dort zu erfahren und ich glaube, neben all dem theoretischen Wissen, dass er erfahren hat, hat war Robertos Hilfe die praktischste. Der hat ihm nämlich die Sight beigebracht hat: die Technik, wie man sein Drittes Auge öffnet.
Ach ja. Und den Winterhof hat es bei dem Angriff tatsächlich schwer gebeutelt, glaube ich. Tanits Anwesenheit können wir spüren, aber von Hurricane fehlt, zumindest in unserem jetzt erweiterten Bewusstsein von Miami, jede Spur. Winter oder nicht, ich hoffe sehr, er ist nur gerade nicht in der Stadt – im Nevernever vielleicht? – und nichts Schlimmeres.
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23. März
Wir haben etwas nachgeforscht und versucht, ein paar Infos über diese Froschlinge zusammenzutragen. So aus dem Kopf heraus sagten sie keinem von uns etwas, aber in ein paar uralten Unterlagen, die Roberto auftat, und aus dem, was ich aus Pan herausbekam, als ich mich mit ihm und den Einherjar nochmal über die Sache unterhielt, kristallisierte sich Folgendes heraus:
Die froschartigen Wesen heißen Fomor oder Fomori – was nun tatsächlich der Plural ist, oder ob beides zutrifft, ist mir noch ein wenig unklar. Vor Jahrhunderten, wenn nicht gar Jahrtausenden, als die Fae noch in der normalen Welt lebten und nicht im Nevernever, kam es zum Krieg gegen die Fomori, hässliche, froschähnliche Gestaltwandler, die das Aussehen von Menschen annehmen konnten, wenn sie wollten. Sie hatten sich zum Teil mit den Feen vermischt (was wohl zu der leichten Eisenallergie führte, die wir bei der Leiche festgestellt haben). Unter Beteiligung des Vorläufers des Weißen Rates drängten die damaligen Sidhe die Fomori ins Meer – das war notwendig, weil die Fomori die Angewohnheit hatten, Menschen und Fae, auch und gerade magisch begabte Menschen und Fae, zu entführen und zu versklaven, und nicht nur das, sondern ihre Sklaven auch körperlich zu verwandeln. Sie genossen es geradezu, andere unter ihre psychische Dominanz zu bringen. Damals wurden die Fomor also ins Meer getrieben und wurden nicht wieder gesehen – aber jetzt, wo mit dem Verschwinden des Roten Hofs ein derartiges Machtvakuum entstanden ist, scheinen sie das wohl irgendwie mitbekommen und für ihr Wiedererscheinen genutzt zu haben.
Die Riesen, die sie bei sich hatten, stammten übrigens aus dem Nevernever, bekamen wir ebenfalls heraus. Sie leben in einem völligen Ödland, oder besser: Alles Land, wo sie sich aufhalten, wird früher oder später zu Ödland, weil sie alles, aber auch alles verschlingen. Bevorzugt ernähren sie sich von intelligenten Lebewesen, aber wenn sie die nicht bekommen können, dann fressen sie auch Schafe, Insekten, Bäume –sogar Steine, wenn sonst nichts anderes da ist.
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25. März
Gestern vormittag, als es in Österreich Nachmittag war, hat Edward seine österreichische Magier-Bekannte Vanessa Gruber angerufen und von dem Angriff erzählt. Dabei erfuhr er, dass die Fomori auch überall in Europa aufgetaucht sind – ihr Wiedererscheinen scheint ein weltweites Phänomen zu sein.
In Österreich kamen die Fomori aus zwei großen Binnenseen im Westen und Osten des Landes, hatten dort aber keine Riesen dabei, sondern versklavte Menschen. Das veranlasste Totilas hinterher zu der Theorie, dass die Froschlinge ihre Gegner kennen und geplant diejenigen Diener mitnehmen, die sie für die jeweilige Situation als am Effizientesten erachten. Aber das war eben genau das: eine Theorie, die wir zwar im Hinterkopf behalten, aber nicht beweisen können.
Edward fragte Vanessa auch nach dem Verschwinden des Red Court. Wie wir ja schon von Richard gehört hatten, wollte der Rote König ein Ritual durchführen, um über einen seiner Nachfahren den Blackstaff zu töten, den Magier, der dem White Council als Scharfrichter dient. Es gelang den Ratsmagiern, das Ritual umzudrehen, so dass der jüngste Angehörige des Roten Hofs davon getroffen wurde und sich in einer rückwärtsgerichteten Kettenreaktion alle Rotvampire auflösten.
Daraufhin wollte Edward wissen, wie wichtig dieser Blackstaff denn sei und wieviele Nachfahren er habe, dass ein solches Ritual greifen könne. Die Zahl seiner Nachfahren kannte Ms. Gruber nicht, aber was die Wichtigkeit des Blackstaff beträfe: Er habe einen Satelliten auf eine vom Roten Hof betriebene Farm herabstürzen lassen – der Rote König müsse einen abgrundtiefen Hass auf den Mann verspürt haben.
Edward versprach Vanessa noch, ihr alles zuzusenden, was wir über die Fomori herausgefunden hatten, und sie versprach im Gegenzug, ebenfalls Nachforschungen anzustellen und die Informationen zu teilen, falls dabei etwas herauskäme. Außerdem fragte die Österreicherin nach Warden Declan. Als Edward wahrheitsgemäß antwortete, dass der verschollen sei, fragte sie, ob wir jemand Neuen bräuchten und schlug vor, dass wir uns an den in Chicago ansässigen Warden wenden sollten, falls ja. Angesichts der Tatsache, dass der in Chicago ansässige Warden dieser unsympathische Typ ist, mit dem Edward vor ein paar Jahren dieses unerfreuliche Gespräch hatte, war er nicht gerade begeistert von dieser Idee, brummte aber ein unverbindliches „Vielleicht“.
Abends dann, nachdem ich mich vorher (wie alle paar Tage in letzter Zeit) um die Einherjar und verbliebenen Sidhe-Ritter gekümmert hatte, trafen wir uns dann mit den anderen Hütern. Cicerón war noch etwas angeschlagen, weil er sich gegen die Fomori eine Gehirnerschütterung zugezogen hatte, aber es ging schon wieder. Bjarki Lokison, der ja selbst Gestaltwandler ist und den ich nach dem Kampf am Strand tatsächlich völlig aus den verloren hatte, sagte, er sei den Froschlingen in Fischgestalt gefolgt. Nach ihrem Rückzug seien sie weit hinaus aufs Meer geschwommen und dann ganz tief abgetaucht. Dort hätten sie eine richtige Stadt, sagte Bjarki – es handele sich also nicht nur ein paar Gestalten, sondern tatsächlich um ein ganzes Volk. In die Stadt hinein folgte er ihnen lieber nicht, weil er nicht das Risiko eingehen wollte, entdeckt zu werden.
An diesem Punkt warf Totilas die Frage auf, ob die Fomori einfach so wegen des Machtvakuums wieder aufgetaucht seien, oder ob Jak sie gerufen haben könne. Edward hielt allerdings dagegen, dass wir keine unnötige Paranoia entwickeln sollten: Nicht alles Schlechte, das uns widerfährt, kommt von Jak. In diesem Zusammenhang konnte Alex jetzt eindeutig bestätigen, dass die Geister, die uns ständig gestört hatten, von Adlene gekommen waren und nicht Jak dahintersteckte.
Die Geister sind ein echtes Problem, waren wir uns alle einig, und zwar eines, das wir demnächst irgendwann einmal angehen müssen, ebenso wie wir uns um Adlene kümmern müssen.
Totilas war anderer Ansicht: „Jak ist das Problem“, erklärte er voller Überzeugung, was aber Cicerón zum Widerspruch anregte: „An Jak kommen wir aber nicht heran“.
Ich versuchte, zwischen den beiden Ansichten zu vermitteln. „Der Weg zu Jak führt über Adlene“, sagte ich – denn immerhin sind die beiden ja nach allem, was wir wissen, Verbündete, und ich denke schon, dass es uns gegen Jak helfen kann, wenn wir Adlene unschädlich machen oder von seinem Outsider-Partner lösen.
Der nächste Punkt, den wir diskutierten, auch wenn ich gar nicht mehr genau weiß, wer die Frage in den Raum warf, war es, ob wir uns beim Rest der übernatürlichen Gemeinschaft als die Hüter Miamis zu erkennen geben sollten. Totilas bekannte sich sofort für die Idee, aber sowohl Cicerón Linares als auch ich sprachen uns, wenn nicht direkt gegen die Idee aus, so doch dafür, das sehr genau abzuwägen. Linares war der Auffassung, es sei zumindest riskant, wenn das alle wüssten, und ich fand auch, wir sollten den Ball vorläufig lieber erst einmal ein bisschen flach halten. Aber irgendwer - Mierda, ich weiß gar nicht mehr, wer genau, ist aber vielleicht auch nicht so wichtig – brachte die Unseelie Accords ins Spiel. Dass es vielleicht gar nicht schlecht sei, wenn wir Accords als Fraktion beiträten, und das wiederum war eine Idee, die unerwartet kam, die wir aber alle ziemlich interessant fanden. Allerdings waren wir uns auch einig, dass es -falls das möglich ist- vermutlich besser wäre, den Vertrag erst zu unterzeichnen und uns dann als Hüter zu outen, weil wir dann nämlich schon von den Bestimmungen des Vertrags geschützt wären. Aber das sind alles noch ungelegte Eier.
Eines war uns aber allen klar: Wir müssen mit unseren neu erhaltenen Fähigkeiten üben, damit wir, wenn es ernst wird, genau wissen, wie wir sie am besten einsetzen und wo ihre Grenzen liegen.
Also lag es vielleicht nahe, dass Edward beim Thema neu erhaltene Fähigkeiten einfiel, dass wir dank unserer besonderen Verbindung zu Miami jetzt vielleicht auch ein Bewusstsein für unsere Feinde haben. „Es wäre interessant, ob wir spüren können, falls Declan und Donovan wieder auftauchen“, sagte er nachdenklich, bevor er die anderen Hüter informierte: „Die haben aber Dämonenkräfte.“
„Stefania Steinbach auch“, ergänzte ich – und weil ich in dem Moment an die korrumpierte Kirchenvertreterin dachte und mich somit aktiv auf sie konzentrierte, fiel mir auf, dass ich ihre Gegenwart eben tatsächlich nicht spüren konnte, und mir entfuhr ein heftiges: „Puta madre!“
„Anstand!“ tadelte Ángel mich sofort, was mich gar nicht wunderte. Irgendwie muss ich bei ihm immer an den klassischen Fantasy-Paladin denken.
Ich verzog etwas das Gesicht – normalerweise bin ich ja (außerhalb der Privatsphäre dieser Seiten jedenfalls) selbst niemand, der sich zu allzu kruden Flüchen hinreißen lässt. „Ja, tut mir leid“, erwiderte ich deswegen leicht zerknirscht, bevor ich dann aber doch fortfuhr: „Aber extreme Situationen erfordern eben manchmal extreme Sprachwahl.“
Unser Paladin lenkte auch ein. „Stimmt. Sorry.“
Das war der Punkt, an dem Ximena aufsprang und laut in die Runde pfiff, bevor sie eine leise klirrende Kühltasche auf den Tisch hievte. „Meine Güte, jetzt lasst uns erstmal feiern! Wir haben immerhin ein verdammt großes Ritual hinter uns gebracht!“
Die Kühltasche enthielt Sekt und Gläser, also taten wir genau das. Ich gebe zu, es wurde wieder ein bisschen spät.
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26. März
Heute hatte Edward das um zwei Wochen verschobene Gespräch mit der Abteilung für innere Angelegenheiten. Keine Ahnung, warum die ursprüngliche Vorladung partout an einem Sonntag hatte stattfinden sollen – vielleicht hatten sie sonst keine anderen Termine frei, oder es sollte Teil einer Zermürbungsstrategie für Edward sein oder was weiß ich. Wie dem auch sei, er hat sich mit Internal Affairs auf einen Handel geeinigt: Edward quittiert den Dienst beim Miami PD. Er erhält keine Pension, wird aber ehrenhaft entlassen, und es wird keine weiteren Untersuchungen in seine Person und seine Beziehungen zu Totilas Raith bzw. den Geschäften der Familie Raith in Miami mehr geben. Internal Affairs war nicht begeistert, aber das war ein Kompromiss, auf den sich beide Seiten einlassen konnten.
Edward will sich als Privatdetektiv selbständig machen, sagte er. Darüber hatte er in letzter Zeit ja schon häufiger nachgedacht.
Ich habe in letzter Zeit auch häufiger über etwas nachgedacht. Schon lange eigentlich, auch wenn ich es auf diesen Seiten noch nie explizit ausgeschrieben habe. Ich liebe Lidia, und ich würde unsere Beziehung gern auf die nächste Ebene heben, falls sie zustimmt. Oh Dios, wie trocken das klingt. De verdad, Alcazár, dafür, dass du Schriftsteller bist, kannst du dich manchmal echt ganz schön hölzern ausdrücken.
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27. März
Totilas hat in den letzten Tagen viel Zeit in Raith Manor verbracht. Er wollte sich ganz aktiv mit seiner Mutter versöhnen und das Verhältnis zu seinen Eltern wieder herstellen, jetzt wo die beiden ein bisschen Zeit hatten, um erst einmal zueinander zu finden. Totilas hat angedeutet, dass es seiner Mutter gar nicht gefällt, dass er ein Verbrecher ist, der in durchaus größerem Stil mit Drogen und in gewissem Maße auch mit Menschen handelt, aber er ist ihr Sohn, und moralische Diskussionen können und werden später kommen, jetzt wollen sie erst einmal wieder ein gutes Verhältnis zueinander herstellen. (Das geht mir ja ganz ähnlich – ich kann diese Machenschaften ja auch nicht gutheißen, und eigentlich müsste ich mich längst von Totilas distanziert haben... aber er ist nun mal mein Freund, und ich toleriere seine Machenschaften, was auch immer das nun über mich aussagt. Dass ich kein so netter Kerl bin, wie ich das eigentlich gerne von mir glauben würde, vermutlich. Mierda.)
Wie dem auch sei, als wir uns letztens mal mit Richard und Sancía getroffen haben, war sehr deutlich zu merken, dass die beiden nicht nur neu verliebt sind, sondern dass sie in wahrer Liebe verbunden sind. Tatsächlich sah Totilas so aus, als würde es ihm Schmerzen bereiten, wenn sein Vater oder seine Mutter seine Hand griffen oder ihm über die Wange strichen – nicht so stark, dass es ihm eine Brandblase zufügen würde, aber er versucht ja auch nicht, sich von den beiden zu ernähren. Und es ist ein Zeichen dafür, wie sehr er seinen Eltern zugeneigt ist, dass er die Berührungen trotzdem über sich ergehen lässt, ohne mit der Wimper zu zucken, und sich sogar darüber zu freuen scheint. Gerade Sancía, emotional, wie sie ist, scheint Totilas ihre mütterliche Zuneigung durch liebevolle kleine Berührungen zeigen zu wollen. Jetzt, wo ihre Seele wieder mit ihrem Körper vereint ist, erinnert sie sich wieder, sagte Totilas letztens, und sie ist sehr betroffen darüber, was sie ihm damals angetan hat. Jetzt will sie ihn neu kennenlernen, und Totilas ist mehr als einverstanden – das ist ja genau auch sein Ziel.
Richard Raith wirkte nicht nur überglücklich, sondern auch sehr erleichtert, tatsächlich so, als sei eine riesige Last von seiner Seele genommen. Er erwähnte etwas davon, dass er sich jetzt wieder ganz der Magie widmen könne und wolle und vielleicht sogar versuchen wolle, einen Platz im Weißen Rat zu erlangen. Hmmm – er war ja der Lehrling von Lafayette duMorne, dem Warden vor Spencer Declan... Vielleicht stehen seine Chancen dafür, in den Magierrat aufgenommen zu werden, gar nicht so schlecht. Und vielleicht wäre er irgendwann ein Kandidat für das unbesetzte Warden-Amt hier? Hmmm. Hmmmm!
Unter Lafayette duMorne gab es übrigens nie 'Steuern', bestätigte Richard uns, und auch sonst war ihm das Konzept völlig unbekannt – damit haben wir jetzt ein für alle Mal den Beweis, dass Spencer Declan sich da lediglich in Schutzgelderpressung betätigt hat.
Sancía sagte noch, jetzt, wo sie wieder ein Mensch sei, wolle sie ihre Tochter suchen. Momentan ist Cherise ja spurlos verschwunden, nachdem wir damals vor sechs Jahren zu ihrer eigenen Sicherheit den Tod des Mädchens fingiert hatten und sie von Castor Elfenbein so weggebracht wurde, dass niemand, vor allem nicht Totilas, Richard oder sonst einer der Raiths, wussten, wohin.
Richard und Sancía wollen übrigens einen neuen Nachnamen annehmen – weder 'Raith' noch 'Canché' wären sonderlich geeignet dafür, um unauffällig als normale Menschen weiterleben zu können.
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3. April
Edwards Visitenkarten sind angekommen. Ich hatte die Ehre, die erste von ihm überreicht zu bekommen: „Parsen Investigations. Rituale & Recherchen“. Sehr schön. Das gefällt mir.
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5. April
Eben habe ich die hijas beiseite genommen und ihnen gesagt, dass ich Lidia gerne fragen möchte, ob sie meine Frau werden will, und was sie davon halten würden. Sie kicherten und nickten eifrig und freuten sich beide riesig. Ich nahm ihnen dann noch das Versprechen ab, dass sie Lidia nichts davon erzählen sollen, weil ich schon gerne möchte, dass sie die Frage direkt von mir hört. Sie müssen auch nur bis morgen Abend stillhalten, denn morgen Abend will ich fragen.
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6. April
Alles soweit fertig. Oh Mann, bin ich aufgeregt.
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Sie hat ja gesagt!!
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7. April
So, nachdem ich gestern kaum einen klaren Gedanken fassen, geschweige denn ein klares Wort zu Papier bringen konnte, jetzt nochmal in Ruhe.
Ich hatte kurz überlegt, ob ich Lidia vielleicht zum Essen ausführen sollte, aber irgendwie fand ich den Gedanken schöner, die Frage zuhause zu stellen. Ich koche ja auch sonst gelegentlich für uns, deswegen war das nichts so Besonderes, aber diesmal lag, zumindest für mich deutlich spürbar, ein gewisses Etwas in der Luft. Schon den ganzen Tag lang hüpften die Mädchen beide aufgekratzt herum wie die Gummibälle und waren ständig am Tuscheln, und sie gingen ohne jegliche Verzögerungstaktik brav früh ins Bett.
Ich hatte costillitas gebraten und Salat gemacht, dazu eine gute Flasche Wein geöffnet und den Tisch schön gedeckt, und als Nachtisch gab es flan de leche.
Nach dem Essen standen wir am Fenster und sahen auf die Lichter von Miami Beach und das nachtdunkle Meer hinaus, und das war der Moment, in dem ich Abuelitas Ring herausholte. Ich weiß gar nicht genau, warum Enrique den nie bekommen hat – er ist immerhin der Ältere von uns beiden –, aber vielleicht weil es bei ihm und Evelia nie so aussah, als würde es ernst werden. Jedenfalls hatte Mamá mir den Ring vor einer Weile mit der Erklärung zugesteckt, dass das der Ring sei, mit dem sowohl Abuelo um die Hand meiner Großmutter und Papá um Mamás Hand angehalten habe, und ich könnte ihr keine größere Freude machen, als wenn ich ihn auch irgendwann einmal zu diesem Zweck einsetzen würde.
Ich ging nicht vor Lidia auf die Knie, auch wenn ich kurz mit dem Gedanken spielte, aber dazu hätte ich mich aus unserer Umarmung lösen müssen, und irgendwie kam mir das in diesem Moment unpassend vor. Stattdessen hielt ich sie mit einem Arm weiter an mich gezogen und präsentierte ihr dabei den Ring auf der Handfläche der freien Hand, während ich – mit ein bisschen zittriger Stimme, ich muss es zugeben – die Frage stellte. Lidia drehte sich zu mir und strahlte mich an und sagte: „Ja, Cardo, das will ich!“, und ich steckte ihr den Ring an den Finger und war in dem Moment der glücklichste Mensch auf diesem Planeten. Bin ich auch immer noch. Ich kann es tatsächlich kaum fassen.
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12. April
Irgendwie tauchen in letzter Zeit immer häufiger Gottheiten und Halbgötter und dergleichen in Miami auf. Es waren ja schon immer welche in der Stadt – siehe Bjarki und Haley oder Ahalphu – aber entweder es sind mehr geworden, oder sie waren die ganze Zeit über getarnt, und jetzt lassen sie die Tarnung fallen. Oder noch besser: für die meisten Leute sind sie immer noch getarnt, aber jetzt können wir sie erkennen.
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13. April
Es sind tatsächlich mehr geworden. Bei dem Ritual haben wir ja ein Ventil geöffnet, um zum Druckablass magische Energie in die Stadt zu lassen. Das war offenbar nicht nur einfache magische Energie, sondern auch ein Gutteil göttliche Energie. Und Alex sagte, dass gerade Eleggua extrem zufrieden ist. Das war wohl wirklich haargenau das, was Alex' patron wollte. Tío.
Timberwere:
Ricardos Tagebuch: Changes, Fallout
17. Juni
Ich habe doch vor einer Weile geschrieben, dass wir mit unserem Genius Loci-Ritual göttliche Energie in die Stadt gelassen haben und dass immer mehr Gottheiten und Halbgötter in Miami auftauchen. Was das konkret bedeutet, das macht sich inzwischen immer stärker bemerkbar. Seufz.
Alex erzählt, dass auf seinem Hausboot jetzt immer häufiger Geschenke und Opfergaben für Eleggua abgeben und dass Eleggua in regelmäßigen Abständen bei ihm vorbeikommt, um die Sachen abzuholen. Und sein patron hat Alex dazu aufgefordert, dass er die ganzen anderen Trickster, die hier in der Stadt unterwegs sind, also Loki, Coyote und dergleichen, doch bitte mal in ihre Schranken weisen solle. Moment... dass Loki sich gelegentlich hier in der Stadt herumtreibt, das wussten wir ja schon, aber Coyote? Und vielleicht noch andere Trickster-Gestalten? Und Alex soll denen jetzt klar machen, wer der Ober-Trickster am Ort ist? Santisíma madre.
Mir selbst ist auch etwas aufgefallen. Herzog Pan sieht nicht mehr so menschlich aus wie früher immer. Oder besser, er bekümmert sich nicht mehr so viel um den menschlichen Glamour wie früher. Er trägt seine Hörner und Bocksbeine jetzt offen und ist so auch schon draußen außerhalb seines Hofs unterwegs gewesen.
Als ich ihn direkt darauf ansprach, bestätigte Pan mir gutgelaunt auch noch einmal, dass wir mit unserem Ritual ein Tor für die alten heidnischen Gottheiten geöffnet haben und er sich jetzt seines früheren Selbst bewusster ist als zuvor. Er war auch sehr zufrieden mit der neuen Situation – eigentlich hätte ich unser Vorhaben natürlich vorher mit ihm als meinem Herzog absprechen sollen, sagte er aufgeräumt, aber vielleicht sei es ganz gut, dass ich es nicht getan habe.
Dann bot er mir Wein an und beschwerte sich, als ich höflich ablehnte, ich sei viel zu zugeknöpft. "Aber hey, die große Party kommt ja noch", zwinkerte Pan mir dann zu, "da hat sich das mit dem zugeknöpft ganz schnell erledigt!" Er habe auch schon etliche Dinge bestellt und die Vorbereitungen in Auftrag gegeben, seit ich ihm von der Hochzeit erzählt hätte. Denn ich habe meinem Herzog von der Hochzeit erzählt. Das musste ich ja – das hätte sich auf Dauer nicht geheim halten lassen. Pan war sofort Feuer und Flamme gewesen, als er davon gehört hatte: katholisch heiraten sei schön und gut, aber ich müsse die Hochzeit definitiv auch am Feenhof feiern. Und den Junggesellenabschied sowieso. Und jetzt also die Ankündigung einer großen Party.
"Oha", witzelte ich, "muss ich mir Sorgen machen?"
Pan verzog keine Miene. "Ja!"
"Oha", wiederholte ich, und jetzt war das nur noch ganz andeutungsweise ein Witzeln, "alles klar!"
Heilige Mutter, steh mir bei.
Aber nicht nur Pan habe ich von der Hochzeit erzählt, logischerweise: der Familie (Mamá und Papá waren völlig aus dem Häuschen) und den Jungs und sonstigen Freunden natürlich auch. Und Edward habe ich gefragt, ob er mein Trauzeuge sein will. Er hat zugesagt, was mich riesig freut.
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19. August
Totilas hat, auch wenn sie schon deutlich seltener geworden sind, immer noch gelegentliche Anfälle von Phasenverschiebung. Und als wir uns heute im Dora's trafen, erzählte er, dass er in diesen Episoden immer wieder eine weiße, dunkelhaarige Frau sieht, die mit einem Schwert bewaffnet ist und meist (oder sogar immer?) auf einem Stein sitzt. Anfangs habe Totilas die Frau nur bemerkt, aber nicht weiter darauf reagiert, weil in diesen Phasenverschiebungen ohnehin alles so seltsam sei, aber als er sie immer und immer wieder sah, habe er sie irgendwann einfach angesprochen. Zuerst habe sie sich gewundert, dass Totilas sie überhaupt sehen könne, dann erfuhr er – über mehrere Male verteilt, weil die Episoden immer wieder abrupt endeten – folgendes von der Frau: Sie heiße Eoife und sei 'die Erste'.
Die Erste? Und mit dem gälischen Namen für Eva?
"Sie ist nicht zufällig nackt bis auf ein Feigenblatt?" fragte ich, aber Totilas schüttelte den Kopf. "Nein, sie ist nicht der erste Mensch. Sie ist die erste Tote, die von einem seiner Art getötet worden sei.
Das erste Opfer eines White Court also? Oha.
Hm. Hmm hmm hmm. Ob sie dann etwas mit dem See in Schottland zu tun hat, dem Lochan Dubh nan Geodh? Immerhin sind dort ja die Weißvampire entstanden.
Alex schlug vor, doch ins Nevernever hinüberzuwechseln und nach dieser Eoife zu suchen, aber vielleicht nicht gerade vom Donut-Laden aus. Und außerdem: "Roberto, hattest du da nicht eine Frage, die du stellen wolltest?"
Überrascht sahen wir erst zu Alex und dann zu Roberto, der für seine Verhältnisse ungewöhnlich herumdruckste. Normalerweise ist er doch von rein gar nichts in Verlegenheit zu bringen.
Aber diesmal schien unser Kumpel tatsächlich einen Moment lang nach Worten zu suchen, bevor er damit herausrückte, dass er seit dem Ritual auch ständig Besuch von seiner patrona hat. Oshun taucht so oft in seiner Botanica auf, dass man fast denken könnte, sie wohne da jetzt. Und weil Roberto ihr Priester ist und Oshun die Orisha der Liebe, habe sie gefordert, dass er diese Liebe nicht nur ihr gegenüber zeigen solle, sondern die Liebe auch weitertragen. Also nicht, indem er mit möglichst vielen Leuten ins Bett gehen soll, diesen Aspekt überlässt sie Roberto ganz allein, aber indem er möglichst vielen Leuten, mindestens aber seinen Freunden, dabei helfen solle, ihr Glück zu finden. Ich bin ja zum Glück schön raus, ich habe mein Glück ja schon gefunden, aber Totilas und Edward schauten ein bisschen sauertöpfisch aus der Wäsche, als Roberto sie rundheraus darauf ansprach, wie es denn bei ihnen beziehungstechnisch so aussehe. Er sei nicht so der Typ für Beziehungen, erklärte Totilas, aber er esse regelmäßig.
"Das ist nicht dasselbe", warf ich ein."Und dein Vater hatte auch eine Beziehung", fügte Edward hinzu.
"Hat ja super geklappt", brummelte Totilas.
"Ach wieso" – das war jetzt Alex – "es hat zwar gedauert, aber jetzt sind sie doch glücklich!"
Aber Totilas war nicht zu überzeugen. "Glücklich vielleicht – aber beide keine Vampire mehr!"
Dann lenkte unser White Court-Kumpel schnell den Fokus von sich weg, indem er Alex fragte, wie es denn bei ihm aussehe. Der hielt sich zwar bedeckt, deutete aber an, dass er zwar vielleicht keine feste Freundin habe, aber doch zumindest etwas in der Art. Dallas Hinkle, könnte ich mir vorstellen. Gut für ihn!
Edward… naja. Edward ist schwieriger. Der hat zwar ja vor einer ganzen Weile ein kleines Ritual abgehalten, um seelisch von Cherie loszukommen (was eine ganz eigene Büchse der Pandora ist, wenn ihr mich fragt, Römer und Patrioten), aber eine neue Beziehung ist er, soweit ich weiß, bisher trotzdem nicht eingegangen. Und ich glaube, ich wüsste es, wenn er das wäre, immerhin ist der Junge mein bester Freund. Kein Wunder also, dass Edward bei Robertos Frage etwas das Gesicht verzog.
Wir saßen noch im Donut-Laden, da ging die Tür auf, und Cicerón Linares kam herein. Er sah ganz schön angeschlagen aus (wer es sich noch nicht gedacht hat: Das war ein Euphemismus für 'er sah richtig scheiße aus') und ließ sich mit einer Grimasse auf die Sitzbank fallen.
Natürlich wollten wir wissen, was los sei.
"Shango ist los", knurrte Linares. "Der tocapelotas hängt im Clubhaus rum, krault sich die Eier, säuft, raucht mit seinem brasilianischen Kumpel Eltunchi*, nervt alle, will verehrt werden und greift alle Frauen an den Arsch, ob sie das nun wollen oder nicht."
Während mir ein "Uff, de madre" entfuhr, schüttelte Edward mit einem leisen 'tssss'-Laut den Kopf: "Ich glaub, ich hab das schon mal gesagt – Augen auf bei der Orisha-Wahl."
"Ist ja eigentlich ein guter Orisha", erwiderte Cicerón, "jedenfalls wenn er nicht immer da ist!"
Jedenfalls sei er hergekommen, weil er ja wisse, dass wir öfter hier abhängen, und weil er gehofft hatte, dass er bei Edward etwas Dampf ablassen könne. Bei den Jungs aus seiner Gang geht das ja nicht, weil er da das Anführer-Gesicht wahren muss.
"Bist du hier genau richtig", versicherte ihm Edward.
Das Thema Shango brachte mich auf einen anderen Gedanken. "Wie geht es eigentlich Ilyana mit Yansa?"
"Ilyana und Yansa sind okay", antwortete Cicerón, "aber Ilyana hat da ein anderes Problem. Krokodile."
Krokodile? Klar, die Elders sind Werkrokodile, aber sind sie doch schon lange?
Aber ganz so einfach ist es nicht, erklärte der Bandenboss uns. Ja, die Elders sind Werkrokodile, und wie wir ebenfalls alle wissen, leben in den Glades normalerweise einheimisch eigentlich Alligatoren. Und in letzter Zeit tauchen eben immer mehr Krokodile in den Glades und auch in Miami auf, was seltsam ist, weil hier eben, wie gesagt, eigentlich vor allem Alligatoren hergehören.
Hmm. Wir wissen, dass die Elders irgendwann einmal aus Ägypten eingewandert sind. Und wie man weiß, wurden Krokodile im alten Ägypten als Götter verehrt. Ist jetzt vielleicht einer diese alten Krokodilsgottheiten im Zuge der ganzen Götzenwanderung hier in Miami aufgetaucht? Vorstellen könnte ich es mir.
Aber jedenfalls brachte Linares' Shango-Problem uns natürlich zum Überlegen, was man dagegen tun könne.
"Sind Oshun und Shango nicht verheiratet?" fragte Alex mit einem vielsagenden Blick zu Roberto, was diesen breit grinsen und erklären ließ, es sei an der Zeit, dass die beiden sich wieder einmal miteinander beschäftigten statt mit ihren sterblichen Erwählten. Er will auf jeden Fall versuchen, Oshun sanft in diese Richtung zu schubsen.
Sobald Cicerón gegangen war, brachen wir ebenfalls auf, um uns auf die Suche nach dieser Eoife zu machen.
Bei Edward wurde mir bewusst, dass ich Schneeball eine ganze Weile nicht gesehen hatte. Denn erst jetzt, als ich den Hund wieder zu Gesicht bekam, fiel mir auf, dass auch er sich verändert hatte. Der weiße Spitz… war kein Spitz mehr. Schneeball war größer geworden und wolfsartiger, deutlich ruhiger, nicht mehr so hektisch wie früher. Edward erklärte das so, dass Schneeball seit dem Ritual offenbar Wolf kanalisiert. Das stört ihn aber nicht weiter, sagte er.
Jedenfalls schlug Alex vor, Eoifes Geistgestalt zu suchen und ihr anzubieten, von Alex Besitz zu ergreifen, damit wir alle mit ihr würden sprechen können. Ein Blick auf die Geisterebene sagte ihm, dass Eoife kein gewöhnlicher Geist war, sondern irgendwie nur halb anwesend. Sie hielt sich in Totilas' Nähe auf, aber nicht vollständig, und sie hatte ihre Aufmerksamkeit zwar auf Totilas gerichtet, aber nicht nur auf ihn. Alex sagte, es sehe so aus, als habe sie gewissermaßen Aufmerksamkeitspunkte verteilt, und einer dieser Punkte lag bei Totilas.
"Ich spreche sie jetzt an", sagte Alex, und dann hatte er plötzlich ein Schwert in der Hand. Die Waffe, das erkannte ich sofort, war Feenarbeit, aber anders als Jade, die ja ihren Aspekt verändert, je nachdem, wer sie führt (und ja nur bei mir überhaupt 'Jade' heißt), war sehr deutlich, dass dieses Schwert unveränderlich war und unveränderlich Eoife gehörte und niemandem sonst. Und ja, Eoife war bereit, mit uns zu reden.
Nachdem wir uns alle kurz vorgestellt hatten, bestätigte Eoife das, was sie Totilas auch schon gesagt hatte, dass sie nämlich das erste Opfer eines White Court-Hungerdämonen gewesen war. Jetzt erfuhren wir außerdem, dass sie sehr genau weiß, wer sie getötet hat, sprich welcher Mensch es gewesen war, der diesen ersten Dämonen aus dem See geholt hatte. Rory McCormac war dessen Name, oder genauer gesagt Ruairidh MacCormac im gälischen Ursprung. Sie will Rache, sagte sie, und die Feen haben zugesagt, ihr bei dieser Rache zu helfen. Nachdem sie ihnen einen Gefallen getan hatte, erhielt sie das Schwert von den Feen, und mit dieser Waffe wird es möglich sein, diesen ersten Dämon zu töten. Da ist nur dieses kleine Problem, dass sie nicht weiß, wo sie ihn finden kann. Das und die Tatsache, dass ihr das "Dritte" fehlt, das sie braucht, um ihre Rache vollenden zu können, sie aber nicht weiß, was dieses Dritte sein könnte.
Hier mussten wir natürlich einhaken. Wenn ihr das Dritte fehlt, was sind dann das Erste und das Zweite?
Die Fähigkeit, auch als Geist sie selbst zu bleiben und nicht zu einem reinen Abbild zu werden, habe sie von der Morrigan bekommen, das Schwert hingegen vom König unter dem Hügel, dem Herrn der Steinkreise.
Als sie das sagte, rührte sich die Sommermagie in mir. Ich kann nicht einmal sagen, warum, denn eigentlich konnte ich mit dieser Anrede nichts anfangen, aber obwohl die Bezeichnung mir nichts sagte, fühlte sie sich an wie ein Schlag in die Magengrube und wie Winter.
Aber das versuchte ich mir nicht anmerken zu lassen, sondern ich lenkte mich damit ab, dass ich Eoife fragte, wann sie eigentlich gelebt habe. Zu der Zeit seien gerade die ersten Christen in Schottland entstanden. Also gibt es die Weißvampire etwa seit dem Beginn des 5. Jahrhunderts. Kein unmittelbar nützliches Wissen, aber trotzdem interessant.
Als Eoife mit ihrem Bericht fertig war, boten wir ihr an, ihr zu helfen. Edward vor allem machte den Vorschlag: Vielleicht ist das Dritte ja ein Gerät, das er ihr bauen kann und mit dem sie diesen McCormac – bzw. seinen Dämon – finden kann? Immerhin hat sie mit Gottheiten und Feen gesprochen, warum nicht jetzt mit einem Zauberer?
"Was willst du dafür?" fragte Eoife. "Lass uns erst einmal diesen McCormac finden", erwiderte Edward, "Am Ende kannst du mir zahlen, was es dir wert war und was du geben kannst. Das kannst du vermutlich sowieso erst am Ende sagen."
"Oha, das ist ganz schön viel" brummte Eoife, "blöde Zaubererantwort wieder. Aber was frage ich auch einen Zauberer."
Am Ende ließ sie sich dann aber doch auf den Handel ein, und Edward überlegte noch ein bisschen laut vor sich hin, dass Eoife selbst der 'Gegenstand' sein könnte, den er bei seinem Ritual einsetzen kann, um den Dämon zu finden, denn schließlich kennt sie ihn mit am besten. Huh. Ich bin zwar kein hermetischer Magier, sondern pfusche nur ein bisschen mit Feenmagie herum, aber das klingt, als könnte es noch interessant werden, einen Halbgeist wie Eoife als Fokus für so ein Ritual einzubinden.
Bevor wir Eoife gehen ließen, lud Alex sie noch ein, jederzeit wiederzukommen, wenn noch etwas wäre. Und als wir anderen dann auseinandergegangen waren, ging ich mit den Informationen, die wir von Eoife bekommen hatten, recherchieren, ob ich noch etwas mehr über diesen Rory McCormac herausfinden konnte.
Einen Clan MacCormac gab es früher einmal in der Nähe des Lochan Dubh nan Geodh, aber der Clan wurde ausgelöscht, und zwar so früh, dass er nicht dazu kam, einen eigenen Tartan zu entwickeln.
Aber eine Legende aus dem verschwundenen Clan fand ich auch, die ziemlich genau nach dem klang, was ich suchte: Ein MacCormac, je nach Version Ronald oder Robert oder Rodrick genannt, verliebte sich in eine schöne Maid, doch diese wies ihn ab. Er sei nicht stark genug, um ihrer würdig zu sein, beschied sie ihm, also schloss er einen Handel mit den Feen, damit diese ihm Stärke verliehen. Erstarkt kehrte er zu der Maid zurück, doch nun stieß sie sich an seiner mangelnden Bildung, also ging er zu den Christen und lernte dort das Lesen und Schreiben. Nun jedoch war er nicht charmant genug für die hartherzige Maid, und so schloss er einen Handel mit einem Dämonen, der ihm Liebreiz und Anziehungskraft verlieh. Weil Ronald oder Robert oder Rodrick jetzt so unwiderstehlich war, gab die Maid sich ihm hin, aber in der Hochzeitsnacht erwürgte er sie.
Oder zumindest sprachen die Legenden von 'Erwürgen' – das dürften eher Ruairidh MacCormacs neu erwachte White Court-Kräfte gewesen sein, schätze ich.
*ich gebe zu, ich musste hinterher nachschlagen, wer oder was dieser Eltunchi genau ist. Eine brasilianische Wald-Schutzgottheit, ergab die Recherche. Ey, der soll lieber in Brasilien den Regenwald beschützen, statt hier in Miami mit Shango auf un par de tremendos comemierdas zu machen. Echt jetzt!
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30. September
Ángel Ortega hat sich heute bei Roberto gemeldet (was einem schon sagen dürfte, dass die Sache ernst für ihn ist): Er macht sich Sorgen um Ximena. Ángel arbeitet ja schon seit einer Weile in Ximenas Privatdetektei und ist deswegen näher an ihr dran als Roberto als ihr Cousin das ist. Jedenfalls erzählte Ángel, seit das magische Machtniveau hier in der Stadt angestiegen sei, habe sie sich mit ein paar der Gottheiten angelegt, die sich seit dem Ritual in Miami aufhalten. Und sie habe in letzter Zeit des Öfteren laut überlegt, dass diese Gottheiten ihre Macht ja irgendwo herbekommen müssten und dass es doch interessant wäre, diese Macht anzuzapfen.
Daraufhin rief Roberto bei Ximena an, erreichte aber nur ihren Anrufdienst, also hinterließ er eine Nachricht und trommelte uns zusammen. Wir beschlossen, Ximena in der Detektei aufzusuchen, trafen dort aber nur Bjarki an, der uns erzählte, Ximena sei mit Febe shoppen gegangen. Während wir warteten, erzählte Bjarki, dass seine Familie jetzt bei ihm wohne, weil das Tor jetzt ja offen sei und alle sich die Erde anschauen kommen wollten.
'Seine Familie' - coño, wir reden von Bjarki Lokison, die Familie ist potentiell groß. Und schräg.
Als Ximena zurück war, gab sie auf Robertos Nachfrage bereitwillig zu, dass sie gerne die Machtquelle der Götter finden würde. Erstens seien Menschen wissbegierig und entwickelten sich immer weiter, zweitens sei das auch nichts anderes als das, was wir (also wir Ritter) ständig machten, und außerdem seien Outsider in der Stadt, gegen die wir momentan noch nicht ankommen. Gerade gegen die bräuchten wir neue Ideen.
Ob sie denn schon etwas herausgefunden habe wegen der Quelle, wollte Edward wissen, worauf Ximena den Kopf wiegte und antwortete, sie habe erst einmal mit Büchern angefangen, mit der Grundlagenrecherche. "Aber Cicerón hat Shango in die Fresse gehauen", fuhr sie fort, "sie sind also schlagbar."
Da musste ich einhaken. "Natürlich, sie sind ja auch nicht allmächtig", entgegnete ich. "Es gibt nur Einen, der das ist."
Ximena nickte heftig. "Genau – ich bin ja selbst eine gute Katholikin: Es geht mir nur um diese anderen."
Mmhmhm. Wenn sie es so sagte… "Okay, dein Plan ist doch nicht so schrecklich, wie er anfangs aussah, aber pass auf dich auf, Ximena."
Ihre Antwort überraschte mich nicht. "Klar. Ich hab das im Griff."
Timberwere:
Wir wollten gerade aufbrechen, da klingelte mein Handy einmal und brach sofort wieder ab. Gleich darauf nochmal. Und nochmal. Und nochmal. Und… naja. Obwohl ich das Telefon in der Hand behielt und aktiv darauf lauerte, den 'Annehmen'-Knopf zu drücken, dauerte es eine ganze Weile, bis es mir gelang, den Anrufer abzupassen, bevor er wieder auflegte. Es war Halfðan, und er klang einigermaßen gehetzt. "Hallo? Hallo? Ah, jetzt… Tut mir leid, Cardo, irgendwann lerne ich das noch mit diesen Telefonen… Es gibt einen Notfall… Wir haben Ulfr Sverrisson gesehen, der Gunnar getötet hat, ihn, und noch ein paar andere! Wir sind ihnen gefolgt, sie sind in einer, wie heißt das… Mall, glaube ich? Du musst unbedingt kommen, die sind gefährlich!"
Oh, santisíma madre. ¿Que demonios?
"Wo, welche Mall? Rührt euch nicht von der Stelle und unternehmt nichts alleine, ich bin auf dem Weg!"
Weil Alex fuhr, konnte ich von unterwegs bei Haley anrufen. Das hat in der Vergangenheit, je nachdem, wo sie gerade war, ja nicht immer so gut geklappt, aber diesmal war die Verbindung anständig. "Ja", antwortete sie fröhlich auf meine Frage, ob sie Leute aus Helheim rausgelassen hätte, "die wollten auch mal shoppen gehen." Oh Dios. Sie sei aber nicht völlig verantwortungslos, Bjarki würde auf sie aufpassen. Oha. Das war also der Anruf gewesen, den Bjarki bekommen hatte.
In der Mall dauerte es nicht lange, die Einherjar zu finden. Halfðan, Gunnar und zwei andere – Svein und Kjetil – wurden nämlich gerade von zwei Mall-Cops umringt (naja, so gut zwei Sicherheitskräfte eben vier nicht ganz kleine Nordleute umringen können), die höflich auf sie einschrieen. Also ja, laut, und ja, eindringlich, aber eben nicht bedrohlich, sondern noch mit vielen "Sirs" und ohne gezogene Waffen. Mierda. Ich will gar nicht wissen, wie die Situation ausgesehen hätte, wenn das keine weißen Skandinavier gewesen wären.
Da die vier Einherjar keinerlei Anstalten machten, auf die Sicherheitsleute zu hören, sondern immer weiter aufgeregt auf sie einredeten und auch mich gar nicht zu bemerken schienen, pfiff ich einmal schrill durch die Finger, das wirkte. Die Krieger verstummten abrupt und kamen zu mir herüber, als ich sie heranwinkte. Außerdem erkannte mich einer der Mall-Cops und fragte, ob diese Leute zu mir gehörten? Ja, antwortete ich, und ob es Ärger gegeben habe? Ob die vier verhaftet werden sollten? Nein, nein, nicht verhaftet, beeilte der eine Cop sich, mir zu versichern, sie sollten nur bitte einfach die Mall verlassen. Oder wenigstens Ruhe geben. Ob ich dafür garantieren könne? Ich würde dafür sorgen, bestätigte ich, dann zogen die Sicherheitsleute ab.
Ein Stück abseits der kleinen Menschentraube, die sich für das Spektakel gebildet hatte und sich jetzt wieder zu zerstreuen begann, fragte ich, was denn eigentlich los gewesen sei. Nicht viel, tatsächlich, stellte sich heraus: Es war alles ziemlich harmlos und glimpflich geblieben. Die Einherjar waren durch die Mall geschlendert, als Gunnar plötzlich ein bekanntes Gesicht sah, und zwar eines aus seinem früheren Leben damals: Ulfr Sverrison, der ihn damals in der Schlacht getötet hatte. Daraufhin hatte er erst mich angerufen, dann aber doch Ulfr direkt konfrontieren wollen, und dann war es laut geworden und die Mall-Cops hatten eingegriffen.
Ich erklärte, ich würde mich der Sache annehmen, und schickte die Krieger nach Hause, bevor wir Bjarki und seine Schützlinge suchen gingen. Die waren tatsächlich noch da, wo Gunnar sie zuletzt gesehen hatte: in der Eisdiele des Food Court nämlich. Bjarki winkte mir fröhlich zu, als er mich sah, und auch seine Begleiter wirkten eigentlich ziemlich friedlich und umgänglich. Der Isländer bestätigte uns noch einmal das, was Haley auch schon am Telefon gesagt hatte: dass sie nämlich Besucher aus Helheim nach Miami lasse. Das Tor in die nordische Unterwelt befinde sich in Haleys Zimmer in seinem Haus. Und ja, das sei ein bisschen nervig, dass sein Haus jetzt so eine Durchgangsstation für Helheim-Touristen geworden sei, aber das gehe schon irgendwie.
Wir philosophierten ein bisschen darüber, dass es eigentlich ziemlich unfair ist, dass man laut nordischer Mythologie nur zum Einherje wird, wenn man in der Schlacht fällt, dass aber ein Krieger, der selbst alle Schlachten überlebt und später auf andere Weise stirbt – also im Prinzip der bessere Kämpfer ist – das Recht auf Walhalla verwirkt hat. So war es jedenfalls Ulfr Sverrison ergangen, sagte er – aber halb so wild, er habe ein ein langes, gutes Leben gehabt, und in Helheim sei es eigentlich auch ganz nett.
Wir waren mit dem Gespräch eigentlich soweit fertig, da hatte Bjarki noch eine Warnung für mich. Ich habe die Einherjar ja damals ohne offizielle Erlaubnis aus Heorot nach Miami geholt, und Bjarki war sich nicht sicher, wie amüsiert Odin darüber sei – oder sein werde, sobald er davon erführe. Huh. Ja. Das war nichts, was ich damals - oder überhaupt bis zu diesem Moment - bedacht hatte. Mierda.
Ob er seinen Vater bitten solle, Thor oder Odin mal zu mir zu schicken, fragte Bjarki, aber das wiegelte ich für's Erste ab. Vielleicht komme ich auf das Angebot nochmal zurück, aber darüber will ich erst einmal in Ruhe nachdenken. Dass es eine metaphysische Entität namens Odin gibt, daran zweifele ich jedenfalls nicht – das wäre auch schön doof, nachdem ich anderen metaphysischen Entitäten aus demselben Kulturkreis (und anderen Kulturkreisen) bereits begegnet bin.
"Wir sollten echt sowas wie einen Einreise-Checkpoint für Übernatürliche einrichten", brummte Alex, als wir wieder unter uns waren.
"Sowas wie bei Men in Black für die Aliens, meinst du?" fragte ich. Keine schlechte Idee, tatsächlich, aber wie sowas umsetzen?
"Wir müssen in die Unseelie Accords", sagte Edward unvermittelt. Der Gedanke war ja letztens schon mal aufgekommen, aber da hatten wir irgendwie gerade zu viele andere Sachen um die Ohren, um uns näher damit zu beschäftigen. Jetzt aber fingen wir an, ein paar Ideen zu dem Thema hin- und herzuschieben.
Ich zumindest hatte keine Ahnung, wie man das überhaupt anstellen müsste, aber die anderen wussten zum Glück mehr. Man benötigt drei Sponsoren: drei Parteien, die bereits den Accords angehören und die sich dafür aussprechen, die neue Partei aufzunehmen.
Hm. Da war natürlich die Frage, wer bei uns diese drei Sponsoren sein könnten. Der Sommerhof wäre vermutlich eine Option, eventuell sogar der Winterhof, wenn nicht ich derjenige bin, der den Vorstoß in diese Richtung macht. Der Rat der Magier? Ähm. Nein. Wohl eher nicht. Was für Fraktionen sind denn noch in den Accords? Die Vampirhöfe… hm, vielleicht könnte Totilas als Raith beim White Court in die Richtung wirken. Wobei mir der Gedanke, dem White Court für das Sponsoring etwas zu schulden, ganz und gar nicht gefällt.
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10. Oktober
Alex' Familie hat sich ganz kurzfristig für einen Besuch angesagt. Übermorgen schon wollen sie hier sein. Zumindest hat Dee heute bei Alex angerufen und ihm das erzählt. Ihr Vater hat sich wohl nur bei Dee angekündigt, will aber offenbar mit beiden reden, also wird Alex seine Schwester natürlich an den Flughafen begleiten, um den Rest der Familie abzuholen.
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12. Oktober
Eben hat Alex angerufen. Seine Familie ist hier, und irgendwas Komisches ist los. Alex ist nicht ins Detail gegangen, dafür war keine Zeit, aber er hat erzählt, dass sein Vater von Geistern verfolgt wird. Er hat uns alle zu Dee gerufen. Nachher mehr.
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Später. Wir haben Alex' Eltern (Alex' Vater ist ein hohes Tier in der U.S. Army), Alex' Bruder (der ebenfalls beim Militär ist) und dessen Frau kennengelernt, ebenso deren Tochter. Sowohl General als auch Captain Martin sind auf derselben Base in Arizona stationiert, und diese Base wurde kürzlich von den Froschlingen angegriffen. Bei diesem Angriff kamen einige Soldaten ums Leben, und eben diese Soldaten folgten dem General jetzt als Geister. Alex' Bruder konnte die Geister nicht sehen, dessen Tochter Elaine sah sie aber tatsächlich auch.
Alex lud einen der Soldaten in sich ein, um mit ihm zu reden, erfuhr aber nichts weiter, als dass der Trupp den General, die Zivilisten und das Land beschützen wollten und jetzt dem General folgten, weil er halt der General sei. Daraufhin hatte General Martin die Soldaten explizit aus ihrem Dienst entlassen und Alex sie weitergeschickt, aber einer von ihnen fehlte. Oder genauer gesagt, er verschwand direkt vor Alex' Augen, mit einem überraschten Gesichtsausdruck, als habe er nicht damit gerechnet, dass das jetzt passieren würde.
Alex warf einen Blick ins Nevernever, wo der Boden aufgewühlt aussah, als habe dort ein Kampf stattgefunden oder als habe sich jemand gewehrt. Als Alex danach dem Verschwundenen hinterherspürte, stellte er fest, dass der Soldat weg war, komplett fehlte, als sei er von etwas aufgefressen worden.
Als ich das hörte, rief ich kurz bei Bjarki an, um mich nach den Helheim-Touristen zu erkundigen, aber in der Hinsicht konnte Bjarki mich beruhigen. Von dem kleinen Touristentrüppchen ist niemand verschwunden, sondern er hat sie alle wieder wohlbehalten in Helheim abgeliefert, sagte er.
Okay. Das war immerhin schon mal beruhigend.
Alex öffnete uns ein Tor ins Nevernever, weil uns dort ein bisschen genauer umsehen wollten. Aber als wir auf der anderen Seite ankamen, war Totilas nicht mehr bei uns. ¿Que demonios?
Während Alex unseren White Court-Kumpel suchen ging, versuchten Edward, Roberto und ich, den Spuren des Geisterfressers zu folgen.
Es war spannend zu sehen, wie im Nevernever die Schutzzauber um Dees Haus einen leuchtenden Wall ergaben und wie auch die magischen Schwellen der anderen Häuser zu sehen waren.
Spuren, denen wir so richtig folgen konnten, gab es keine, aber an der Grenze zu Dees Haus, dort, wo der Schutz begann, lag, halb verborgen im Gras, eine Rabenfeder.
Ay, mierda. Stefania Steinbach. Was um alles in der Welt haben die Denarier-Dämonen mit dieser ganzen Sache zu tun?
Etwas später tauchte Alex mit Totilas im Schlepptau wieder auf, der bei seinem Übergang von einer weiteren Phasenverschiebung erwischt und ein ganz schönes Stück weit weggeschleudert worden war. Alex öffnete uns den Weg zurück, und bei Dee im Haus hielten wir erst einmal Kriegsrat.
Dass es aussieht, als seien die Denarier in die Sache verwickelt, ist mehr als unschön, da waren wir uns alle einig.
Außerdem ist Alex aufgefallen, dass er in letzter Zeit sehr wenige von Adlenes bzw. Jaks Halsbandgeistern in der Stadt gesehen hat. Entweder die haben etwas anderes vor und hängen uns deswegen nicht mehr ständig auf der Pelle, oder sie sind auch irgendwie aus der Stadt verschwunden.
Oh, und Alex hat einen neuen Namen für Adlenes Geister geprägt: „Halsbandsittiche“. Vielleicht nicht unbedingt passend, aber lustig.
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20. Oktober
Totilas war zu einem kleinen interfamiliären Therapietermin bei Hilary Anger Elfenbein. Eigentlich sind beide Probleme, die er zuletzt hatte, die Phasenverschiebung und die gekappte Verbindung zu seinem Dämon, ja zumindest im Ansatz erledigt: In Sachen Phasenverschiebung hat ja unser Ritual die Heilung eingeleitet, und es wird jetzt einfach noch eine Weile dauern, bis die letzten Reste davon verschwunden sind, und zu seinem Dämon hat unser Kumpel inzwischen ja auch wieder Kontakt. Aber trotzdem wollte er die beiden Themen bei der White Court-Therapeutin einmal ansprechen, um ihre Meinung darüber zu hören. Und vielleicht hat sie ja noch Ideen, wie man Totilas' Heilung beschleunigen kann.
Wie man die Heilung beschleunigen könnte, wusste sie nicht, aber sie warnte Totilas, dass sein Dämon, oder besser, die mangelnde Kommunikation mit ihm, der ständige Zweikampf zwischen den beiden Persönlichkeiten, Totilas dem Dämon und Totilas dem Nicht-Dämon, ein Problem werden könnte. Also ein noch größeres Problem, als es das ohnehin schon ist.
Totilas sagte, auf diese Bemerkung hätte er Hilary überrascht gefragt, ob das denn auch anders ginge, und sie habe erklärt, in ihrem Bekanntenkreis sei er der einzige White Court, bei dem das so sei. Bei ihr selbst zum Beispiel äußere sich ihr Hunger nicht als eigene Persönlichkeit, sondern als Instinkte, denen sie eben nicht nachgebe. Der Hunger sei einfach eine weitere Seite ihres Selbst – sie habe ihn nicht so verpersönlicht, wie Totilas das tue, und er Hilarys Hunger spreche nicht mit ihr.
Warum das bei Totilas so sei, könne sie nicht sagen, aber als Therapeutin könne sie ihm sagen, dass dieser innere Konflikt ihm irgendwann noch ganz gehörig um die Ohren fliegen könne.
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Indessen hatte Edward auch ein Treffen, und zwar mit seiner Nachfolgerin beim SID, der neu zum Lieutenant beförderten Allison Townsend. Was sie genau besprochen haben, erzählte Edward nicht im Detail, aber er hat ihr reinen Wein eingeschenkt. Denn das Ende vom Lied war, dass Allison bei ihm zumindest die Grundzüge der Magie lernen will – und Edward will ihr Miami vorstellen.
Wobei. Den Austausch hat Edward tatsächlich detailliert wiedergegben. Es ging wohl darum, dass er irgendwann zu Allison sagte, er beschütze Miami, und das könne er außerhalb der Polizei besser als darin. Darauf fragte Allison, ob er ein Mandat von der Stadt habe, und Edward antwortete: „Ja, das habe ich tatsächlich.“
Darauf Allison, ironisch: „Die Stadt ist zu dir gekommen und hat gesagt 'beschütz mich'?“
Und Edwards Antwort: „Andersrum. Wir haben gesagt, wir wollen das, und sie hat gesagt: 'Macht mal.'“
Und deswegen will Allison jetzt Miami kennenlernen. Ich bin gespannt, wie sie für sie aussehen wird.
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Und noch ein Gespräch, von dem ich allerdings auch nur die groben Grundzüge weiß: Alex hat mit seiner Nichte über Magie und das Sehen von Geistern und all das gesprochen. Offenbar hat Elaine das Zweite Gesicht, sagte Alex, und hat schon einige Erinnerungen unauslöschlich eingebrannt bekommen. Er hat ihr erzählt, dass man dagegen angehen kann, indem man versucht, auch und gerade schöne Eindrücke mit der Sight zu betrachten, um ein gewisses Gegengewicht zu den schlimmen Bildern zu erreichen, und er hat Roberto gebeten, dem Mädchen beizubringen, wie man das Zweite Gesicht kontrolliert und verhindert, dass es ungewollt anspringt.
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23. Oktober
Ich habe wegen der Aktion letztens in der Mall nochmal mit Halfðan geredet. Das ist soweit erstmal alles geklärt, und Halfðan hat versprochen, dass seine Leute und er ruhig bleiben werden, wenn weitere Touristen aus Helheim auftauchen (und das werden sie mit ziemlicher Sicherheit, glaube ich), aber da ist ja noch das, was Bjarki sagte und was Halfðan mir jetzt bestätigte. Die Einherjar aus Heorot sind wirklich desertiert, wenn man es sich so überlegt: Eigentlich sollten sie ja in Walhalla auf Ragnarök warten, also das Ende der Welt gemäß der nordischen Mythologie, wenn es gemäß dieser Mythologie zum Krieg gegen die Frostriesen kommen soll. Nun haben sie alle den Marvel-Film „Thor: Ragnarök“ gesehen, aber das zählt ja wohl nicht. Und überhaupt kommen in dem Film viel zu wenige Einherjar für ihren Geschmack vor.
Aber das nur nebenbei. Aus dem Gespräch wurde jedenfalls eines für mich klar. Ich sollte definitiv Odin finden und den Zustand offiziell machen, bevor Odin uns von sich aus findet.
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26. Oktober
Kriegsrat heute.
Roberto hat erzählt, dass Oshun inzwischen mehr mehr mit Shango zusammen ist, was einen Vorteil und einen Nachteil hat. Der Vorteil: Die Orisha rückt Roberto jetzt nicht mehr so auf die Pelle und geht ihm etwas weniger auf die Nerven; der Nachteil: Dafür bringt sie Shango jetzt gelegentlich mit zu Roberto, und dann hat er sie beide am Hals.
Totilas hatte mit Marshal, Cherie und Vin eine Unterredung über Rory McCormac und die Familienhistorie der Raiths bzw. über den ersten White Court-Vampir. Dabei fragte er, ob seine drei Verwandten wüssten, was passiere, wenn ein White Court den Dämon eines anderen in sich aufnehme. Ob das überhaupt ginge und wie sich das äußere. Marshal habe gesagt, das sei möglich, das habe er schon getan, und das mache einen stärker. Totilas fragte Marshal ganz direkt, ob es möglich sei, dass er den Dämon von Ruairidh MacCormac in sich trage, was der nicht wusste, es aber nicht glaube. In dem Gespräch kristallisierte sich heraus, dass Ruairidh MacCormac eigentlich vermutlich der erste Weiße König gewesen sein dürfte, und wer dessen Essenz in sich aufgenommen habe, müsste eigentlich ziemlich stark sein.
Nachdem Totilas uns von dem Gespräch berichtet hatte, erzählte ich von meinem Einherjar-Problem. Ich erzählte auch, dass Bjarki angeboten habe, Loki auf die Sache anzusetzen und ihn zu bitten, Odin zu mir zu schicken, dass ich das aber lieber vermeiden würde, weil mir das nicht ganz geheuer sei.
„Ich würde Loki nicht mal trauen, wenn er sagen würde, der Tisch ist blau“, stimmte Totilas mir zu. „Aber wir könnten Odin ein Geschenk oder eine Gabe darbringen, um ihn milde zu stimmen.“
„NEIN.“ Anzuerkennen, dass eine metaphysische Entität existiert, ist eine Sache. Sie anzubeten – und ein Geschenk oder eine Gabe wäre genau das – ist eine ganz andere, und das kommt nicht in Frage.
„Dann eine Audienz vielleicht? Eine Audienz hat mit Religion nichts zu tun.“
Hmmm. Na okay. Eine Audienz würde gehen, schätze ich.
Es gibt da ja in der nordischen Mythologie diesen Heimdall, der angeblich alles hört und sieht, was so passiert. Also blickte ich irgendwo in die Luft hinter den Jungs, räusperte mich und sagte: „Ähm, Heimdall? Hier ist Ricardo Alcazár aus Miami, Florida. Seid gegrüßt. Ich, ähm, würde gerne mit Odin sprechen, wenn sich das irgendwie machen lässt.“
Ja, ich weiß. Super-wortgewandter Schriftsteller und all das. Haha. Keine blöden Sprüche bitte, Römer und Patrioten. Eine direkte Antwort kam natürlich keine. Aber die hatte ich auch nicht erwartet. Ich bin nur mal gespannt, ob überhaupt irgendwann eine Reaktion kommen wird.
sindar:
Bloss dass du weisst: Ich lese hier immer noch mit!
Timberwere:
Bevor ich den nächsten Eintrag schreibe: Nicht wundern, ich habe am Text zwar nichts geändert, aber die Kalender-Daten der Tagebucheinträge zur letzten Session etwas geretconnt, so dass die Ereignisse nicht innerhalb von zwei Monaten stattfinden, sondern sich über ein Dreivierteljahr hinziehen. Beim Spielen am Wochenende haben wir nämlich im Februar des Folgejahres wieder angesetzt und sind außerdem beim Rekapitulieren überein gekommen, dass es unlogisch wäre, wenn die ganzen Dinge die im "Fallout" passiert sind, direkt aufeinander gefolgt wären.
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