Autor Thema: [Sammlung] Die Rolle des Spielleiters  (Gelesen 2069 mal)

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Online Jiba

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[Sammlung] Die Rolle des Spielleiters
« am: 16.12.2012 | 07:30 »
Guten Morgen,

gestern abend auf der Weihnachtsfeier meines Rollenspielvereins habe ich mich in ein Streitgespräch verwickelt, das mich extrem ins Grübeln gebracht habe (mein Diskussionsstil war auch nicht der Beste, auch wenn ich den Eindruck hatte, dass bestimmte Argumente von mir auch übergangen worden sind)...

Naja, wie dem auch sei – ein relevanter Diskussionspunkt war die Aufgabe des Spielleiters, wobei meine Diskussionspartner die Meinung vertraten "Der Spielleiter hat das Diktat über die Spielwelt" und ich sagte "Die Gruppe hat das Diktat über die Spielwelt": Dabei haben wir auch darüber gezankt, wann etwas als "Retconnen" gilt oder nicht (bei meinen Diskussionspartnern: "Wenn ein Fakt, der vom Spielleiter bereits eingeführt wurde und dann Teil des gemeinsamen Vorstellungsraums ist, nachträglich geändert wird – ist in jedem Fall zu vermeiden"; bei mir: "Wenn irgendein Fakt, der Teil des gemeinsamen Vorstellungsraums ist, nachträglich geändert wird, ob nun vom SL eingeführt oder nicht – ich finde es wichtig, dass das, mit Unterbrechung im Spiel, jederzeit geschehen kann, so es dem Spielspaß der Gesamtgruppe förderlich ist, dass es geschieht"). Meine Argumentation stützte sich auch darauf, dass ich glaube, dass bestimmte Fakten der Spielwelt immer als gegeben wahrgenommen werden ("Jeder Wald hat Bäume, jedes Klassenzimmer hat einen Overhead-Projektor, jeder Rettungswagen hat einen Defibrilator an Bord.") oder andere Fakten von den Spielern nicht gekannt werden, aber vom SL ("Natürlich hat dieser Thronsaal Fenster.") Dort, wo diese von allen Spielern implizit angenommenen Fakten vom SL entkräftet werden, spreche ich von Retconning, während meine Diskussionspartner der Ansicht sind, dass jeder "gute" Rollenspieler zuerst beim SL nachfragt, ob diese Dinge vorhanden sind, bevor er damit arbeitet.

Der Grund dafür war offensichtlich für meine Diskussionspartner: Der SL sei doch, Zitat, "in fast allen Rollenspielen" als die "Augen und Ohren der Spieler" definiert und habe daher die Deutungshoheit über die Spielwelt. Ich habe das bestritten und hauptsächlich die These vertreten (wenn auch von meinen Argumenten her nicht ganz so glücklich), dass der SL letztlich von Gruppe zu Gruppe und Spielsystem zu Spielsystem ganz unterschiedliche Aufgaben hat und es in mindestens 1/3 der Rollenspiele zumindest Einschränkungen der SL-Hoheit gibt (Beispiel "Wraith:The Oblivion": Der Spielleiter spielt sämtliche NSCs, mit denen die Spieler interagieren und hat die Deutungshoheit über sie; außer über die Shadows der Charaktere, denn diese werden von Mitspielern gespielt). Am Ende wurde ich noch darüber belehrt, dass sowas nur in Indie-Rollenspielen vorkäme und die wären ohnehin von zweifelhafter Qualität (und meist schlecht produziert).

Soweit zur Vorgeschichte. Nun will ich das Ganze überprüfen. Daher der Aufruf:
Guckt in eure Rollenspielbücher ins "Was ist Rollenspiel?"- und SL-Kapitel und zitiert hier die Definition der Rolle des Spielleiters. Was sind seine Aufgaben? Was seine Rechte?

Das muss nicht ausführlich geschehen. Meistens dürfte ein "Der SL ist..." ausreichen. Aber wenn das Regelsystem eine Beschränkung der SL-Deutungshoheit in irgendeiner Form vorsieht, wäre es gut, das auch mit anzuführen.

Edit: Diskutiert werden kann in diesem Thread.
« Letzte Änderung: 16.12.2012 | 08:19 von Hank Scorpio »
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline D. M_Athair

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Re: [Sammlung] Die Rolle des Spielleiters
« Antwort #1 am: 16.12.2012 | 08:52 »
So wie ich dich verstehe, geht es dir bei den SL-Aufgaben primär um das Thema Deutungshoheit.
Ich schau mal, wo sich dazu was Eindeutiges finden lässt.


Mythic Russia (P.287):
Zitat
It's Their World, Too:
As narrator, you have the task of presnting the world as a place of adventure.
However, the players wil have more fun [...] if you let them help with presenting and even creating the world.
[...] do not contradict a player who suggests something just to stay "in control".

The Savage Worlds of Solomon Kane (P.120):
Zitat
[...] You can't be expected to think of everey single detail about a scene, so give your players some leeway in shaping the world their charakters inhabit.
[..] your're quite within your right to overrule him. Give the players a little rope to play with, but don't let them try to hang you with it.

Pendragon (S.112):
Zitat
Der Spielleiter darf die Kontrolle über das Spiel und die Spieler nicht verlieren.

Legend of the Five Rings (S.9):
Zitat
Die Verantwortung eines SL ist beträchtlich, da die Beschreibung und die Handlungsweisen jedes Objekts, jeder Kreatur und jedes Individuums, dem die Charaktere begegnen in seiner Hand liegen.
Andererseits wird der Aspekt des gemeinsamen Spielens - unter besonderer Hervorhebung, dass der SL nicht Alleinunterhalter ist - stark betont. Auch das Verhalten der SC wird teilweise als Spiegelbild dafür verwendet, was innerhalb der Gesellschaft üblich ist (vgl. S.313). Das heißt: Die Spieler beschreiben durch das Verhalten ihrer SC durchaus die moralischen Standarts der Welt.

Warhammer III, SL-Handbuch:
Zitat
Du erschaffst die Welt für deine Spieler. Du spielst jeden Charakter außer der Helden, ja sogar Tiere [...] (S.8 )
EINE KONSISTENTE WELT: Wie bei Regelentscheidungen gilt auch hier, dass etwas, das man für wahr erklärt hat, auch wahr bleiben sollte (S.11).
Das scheint mir 1:1 die Meinung deiner Diskussionspartner zu sein.


Ansonsten scheint mir recht weit verbreitet zu sein, was auch z.B. in WFRP 2nd zu finden ist:
Sei gerecht!
Gib ihnen eine Chance (Ja, aber)!
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Online Jiba

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Re: [Sammlung] Die Rolle des Spielleiters
« Antwort #2 am: 16.12.2012 | 08:56 »
Vielen Dank, Athair! Das ist doch schon mal gut. Ich gucke morgen auch mal in meine Bücher rein und poste. :)
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline 1of3

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Re: [Sammlung] Die Rolle des Spielleiters
« Antwort #3 am: 16.12.2012 | 08:59 »
Auf story-games.com haben sie das schon einmal sehr ausführlich getan. Ich find das Thema nur einfach nicht wieder. Mein Google-Fu ist zu schwach.

Offline D. M_Athair

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Re: [Sammlung] Die Rolle des Spielleiters
« Antwort #4 am: 16.12.2012 | 09:45 »
Ich hab noch was:

Roanoke (auf Wushu basierend):
Zitat
The Priciple of Narrative Truth
In this game, any narration by the GM or the players happens exactly as it is described. [...] If anyone at the table feels that a narration contradicts the desired tone and style of the game, he or she can call for a veto. (S.15)

[...] When a player asks, what he sees when he looks down a dark hallway, try saying "Good question ... what do you see?" [/i] While you don't whant to overuse this technique, it can be a great way to let the players take the reins [...] (S.23)

Interessant finde ich auch das Prince Valiant Storytelling Game. Während die Rolle des SL wirklich sehr stark ist, so wird doch "Cooperation" genauso groß geschrieben. Außerdem gibt es die Möglichkeit, dass der SL einzelne Szenen, Sequenzen oder kurze Abenteuer ganz an Mitspieler delegiert. (Der SL behält zwar ein Veto-Recht, ist aber angewiesen es nur im "Notfall" zu gebrauchen.)


... im Moment scheint sich meine Hypothese zu bestätigen.
Und zwar, dass die DEUTUNGSHOHEIT DES SL über (Regeln und v.a.) den Hintergrund v.a. VON ZWEI DINGEN abhängt:

  • Die Geschlossenheit des Settings und der Abenteuerstrukturen.
    (Je abgeschlossener das Setting und je wichtiger eine absolut kohärente Darstellung desselben ist,
    desto mehr liegt die alleinige Verantwortung dafür beim SL.
    )

  • Die Detailschärfe der Regeln und die Dichte der "Cruchy Bits".
    (Hier wird eine strenge Unterscheidung von SL und Spieler auf Seiten der Regeln vorgenommen.
    Die Macht der Spieler wird im SC und seinen Handlungsoptionen verankert.
    )


post scriptum:
... diese These an bestimmten Spielen zu überprüfen fände ich ganz spannend.
Nur: Ob das im Sinne von Hank ist, oder ob das sinnvoll ausgelagert werden kann (und wenn ja - wohin?), da bin ich mir überhaupt nicht sicher.
« Letzte Änderung: 16.12.2012 | 10:00 von Athair »
"Man kann Taten verurteilen, aber KEINE Menschen." - Vegard "Ihsahn" Sverre Tveitan

Offline Praion

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Re: [Sammlung] Die Rolle des Spielleiters
« Antwort #5 am: 16.12.2012 | 11:40 »
Apocalypse World

Aufgaben:

AGENDA
• Make Apocalypse World seem real.
• Make the players’ characters’ lives not boring.
• Play to find out what happens.
Everything you say, you should do it to accomplish these three, and no other.

Pflichten:

ALWAYS SAY
• What the principles demand (as follow).
• What the rules demand.
• What your prep demands.
• What honesty demands.

Apocalypse World divvies the conversation up in a strict and pretty traditional way. The players’ job is to say what their characters say and undertake to do, first and exclusively; to say what their characters think, feel and remember, also exclusively; and to answer your questions about their characters’ lives and surroundings. Your job as MC is to say everything else: every- thing about the world, and what everyone in the whole damned world says and does except the players’ characters.  <<<<---- Deutungshoheit

THE PRINCIPLES
• Barf forth apocalyptica.
• Address yourself to the characters, not the players.
• Make your move, but misdirect.
• Make your move, but never speak its name.
• Look through crosshairs.
• Name everyone, make everyone human.
• Ask provocative questions and build on the answers.
• Respond with fuckery and intermittent rewards.
• Be a fan of the players’ characters.
• Think offscreen too.
• Sometimes, disclaim decision-making.

Und was man als SL macht. Eigentlich sit alles was man sagt ein Move. Ja wirklich. Alles was man sagen sollte, wenn es nicht gerade Regelkram ist oder so, sollte ein Move sein. Wenn es kein Move ist dann ist es wenigstens
Make Apocalypse World seem real oder Barf forth Apocalyptica

YOUR MOVES
• Separate them.
• Capture someone.
• Put someone in a spot.
• Trade harm for harm (as established).
• Announce off-screen badness.
• Announce future badness.
• Inflict harm (as established).
• Take away their stuff.
• Make them buy.
• Activate their stuff’s downside.
• Tell them the possible consequences and ask.
• Offer an opportunity, with or without a cost.
• Turn their move back on them.
• Make a threat move (from one of your fronts).
• After every move: “what do you do?”
« Letzte Änderung: 16.12.2012 | 11:45 von Praion »
"Computers! I got two dots in Computers! I go find the bad guy's Computers and I Computers them!!"
Jason Corley

Offline Oberkampf

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Re: [Sammlung] Die Rolle des Spielleiters
« Antwort #6 am: 16.12.2012 | 14:59 »
In Night's black Agents sind die Anmerkungen über die Rolle des Spielleiters sehr stark übers Buch verteile, aber zum fraglichen Thema:

Zitat
Say Yes to coolness
Improv people have a saying: never negate. As Director, your more longwinded version is "If their version is cooler than your plan, say yes and praise teir cleverness." Embrace unexpected possibilities and built them into the storyline. If the players really hate an NPC, make him a vampire, or a messy victim. [...] It#s not necessary to turn the narrative on a dime with every piece of player input. The key is to avoid a scene in which nothing happens, or in which your scene is less intressting than the one suggested by the player.

Marvel Heroic Roleplaying ist auch nicht so eindeutig (braucht es aber auch nicht):

- Framing the scene (OM33):
Zitat
As the watcher, framing every scene is your responsibility [...] although the players might suggest what comes next in the story. A scene ends when the central conflict or situation is resolved; this means you need to have a sense of what the scene is about as you frame it.

Presenting the challenge (OM35):
Zitat
Once you frame the scene as the Watcher, it#s time to represent the challenge to the players. [...] You're encoraging the players to think about how they# re going to respond to something immediate and exciting.

Außerdem entwirft der Spielleiter (Watcher) die events (Abenteuerserien) und verwaltet den Doompool, wofür es ziemlich klare Regeln gibt. Der Doompool ist das SL-Werkzeug, um die Opposition zu unterstüten, neue Feinde einzubringen, Schwierigkeitswerte festzusetzen etc.
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Couleurs sur Paris...nanana...
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Offline Bad Horse

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Re: [Sammlung] Die Rolle des Spielleiters
« Antwort #7 am: 16.12.2012 | 15:23 »
Vampire, the Masquerade, 2nd Edition:

Zitat
The setting is yours alone to create and relate... [] You are [the characters'] eyes and ears.

Bei Ars Magica, das ja ein älteres Storytelling Game ist, steht zu dem Thema gar nicht so viel. Das liegt aber u.a. daran, dass es bei dem Spiel nicht nur einen Storyguide gibt, sondern es eigentlich so gedacht ist, dass man sich beim Leiten abwechselt. Aber:

Zitat
When you take on the role of storyteller, you become a sort of super-camera. You are the eyes of the players... [] everything that you want the players to know of your story, you must tell them.

(Was nicht viel damit zu tun hat, ich aber trotzdem irgendwie passend finde:)
Zitat
There is very little one can say with assurance about being a storyguide that someone else won't oppose. Truth be told, there is really no right or wrong way to be a storyguide.
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
The best lack all conviction, while the worst are full of passionate intensity.

Korrekter Imperativ bei starken Verben: Lies! Nimm! Gib! Tritt! Stirb!

Ein Pao ist eine nachbarschaftsgroße Arztdose, die explodiert, wenn man darauf tanzt. Und: Hast du einen Kraftsnack rückwärts geraucht?