Autor Thema: Tragödie als Abenteuer?  (Gelesen 2401 mal)

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Offline Fire

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Tragödie als Abenteuer?
« am: 15.02.2013 | 23:12 »
Normalerweise laufen Abenteuer mehr oder weniger ähnlich ab...Gruppe kriegt Auftrag, erledigt zur Lösung des Auftrags einige Aufgaben, Endkampf....Gruppe gewinnt (oder geht drauf, was aber meist ja nicht gewünscht wird von beiden seiten)....

Was ist aber, wenn man das direkt mal als Thema setzt. Die Gruppe wird irgendwie scheitern....das muss nicht der verlorene Auftrag sein, oder weil alle draufgegangen sind.
Aber was ist, wenn sämtliche geliebten NPC beim letzten Sturm auf die Festung abgeschlachtet werden und die Gruppe nichts (oder wenig) dagegen machen kann (oder dran denkt^^ NPC sind meist nicht soooooo hoch angesehen, dass man sich um die wirklich kümmert!) und nur zuschauen kann. Die Geliebte des Anführers stirbt tragisch in den Armen des Helden und so was halt....

Hat das jemand schon so gemacht? Ist der Frustfaktor dann doch zu groß für die Gruppe (und somit nicht mehr spass macht!) oder ist das zu sehr railroading oder oder oder....
Die Zeit heilt alle Wunden, aber die Narben bleiben immer da....

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Pyromancer

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #1 am: 15.02.2013 | 23:18 »
Was ist aber, wenn man das direkt mal als Thema setzt. Die Gruppe wird irgendwie scheitern....das muss nicht der verlorene Auftrag sein, oder weil alle draufgegangen sind.

Jason Morningstar hat da ein ganzes Rollenspiel drüber geschrieben. Es nennt sich Fiasco.

An sonsten habe ich bei normalem, ergebnisoffenem Spiel genug tragische Momente, so dass ich das nicht forcieren muss. Wenn's tragisch wird, wird's halt tragisch. Wenn nicht, dann nicht. ;)

Achamanian

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #2 am: 15.02.2013 | 23:25 »
Hat sich bei mir schon oft von allein ergeben - meistens müsste ich viel mehr railroaden, um erfolgreiche Ausgänge zu erzwingen, als um tragische Ereignisse herbeizuführen. Tragisch ist Scheitern ja typischerweise dann, wenn es aus einer Entscheidung resultiert, von der die betreffende Figur noch nicht absehen kan, dass sie sich als fatal falsch erweisen wird. Rollenspiel scheint mir eigentlich prädestiniert für tragische Entwicklungen.

Offline La Cipolla

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #3 am: 15.02.2013 | 23:27 »
Ich glaube, da müssen die Spieler echt wahlweise a) auf deepen Scheiß oder b) auf total makabere Absurdität stehen. Mit einer dieser Erwartungshaltungen könnte ein Spiel, das auf dieses Ziel ausgerichtet ist, durchaus klappen.

Fiasco ist ja nur seltene ein echte Tragödie (alle sterben!), sondern halt vorrangig ein ... Fiasko.

Pyromancer

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #4 am: 15.02.2013 | 23:29 »
Ach so, echte, eingebaute Tragödien gibt's noch bei Polaris.

Offline Bad Horse

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #5 am: 15.02.2013 | 23:44 »
Bei Montsegur 1244 (?) geht es um eine Gruppe Charaktere, die in der Katharerfestung Montsegur eingeschlossen und belagert ist. Es ist von Anfang an klar, dass die Festung fallen wird und dass mindestens ein Charakter ins Feuer der Inquisition gehen wird (und mindestens einer entkommen muss).

Wenn dir das noch nicht tragisch genug ist, kannst du auch Grey Ranks spielen. Da geht es um polnische Teenager im Widerstand gegen die Nazis, in Warschau 1944. Auch das geht nicht so richtig gut aus - die Spielmechanik lässt einen guten Ausgang fast (!) nicht zu.

Polaris wurde ja schon genannt, aber auch da ist der Niedergang deines Charakters das Thema des Spiels.
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Offline rettet den wald

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #6 am: 16.02.2013 | 00:52 »
Ich als Spielleiter habe noch nie versucht, etwas derartiges zu machen... Einige Spielleiter unter denen ich gespielt habe haben es versucht, aber ich war davon eigentlich immer ziemlich frustriert. Wenn ich das Gefühl habe, dass es eh komplett egal ist, was ich mache, weil die schlimmen Dinge ohnehin passieren werden, dann fühlt sich das für mich zu sehr nach Railroading an. Kann sein dass man dieses Konzept besser umsetzen kann, aber hier habe ich keine Erfahrungen aus erster Hand (die hier genannten Systeme habe ich noch nicht gespielt).
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Offline Teylen

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #7 am: 16.02.2013 | 01:11 »
Hat das jemand schon so gemacht? Ist der Frustfaktor dann doch zu groß für die Gruppe (und somit nicht mehr spass macht!) oder ist das zu sehr railroading oder oder oder....
Also es ist in meiner Gruppe durchaus öfters vorgekommen das der Ausgang eher einer Tragödie als einem Sieg glich, ohne das es einen TPK gab oder der entsprechende Spielleiter darauf hingearbeitet beziehungsweise gerailroadet hat.

Einfach in dem die Handlung der Charaktere entsprechende Auswirkungen auf die Spielwelt hatten.
Das heißt durch die Handlungen der Charaktere wurde bei politischen Verhandlungen ein Komplott zu spät aufgedeckt als das ein Massaker noch hätte verhindert werden können bzw. die Verhandlungen schlichtweg größer angelegt gescheitert sind.
Durch die Handlungen der Charaktere wurde die Belagerung einer Stadt beendet, wenn auch überaus blutig und mit sehr viel Feuer.
Zwar wurde durch die Handlung der Charaktere ein Ritual gestoppt und damit eine Bedrohung, allerdings vermochte man nicht herauszufinden wer es nun wieso gemacht hat und es gab mehrere Tote Kainiten.

Nun und das alles geschah nicht weil der Spielleiter ein fieser Mops war, uns gängelte, Handlungen vorweg nahm, sondern das haben wir selbst hinbekommen,.. ohne Absprache bzw. größere Absicht ^^;
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Offline Auribiel

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #8 am: 16.02.2013 | 03:43 »
Ach so, echte, eingebaute Tragödien gibt's noch bei Polaris.

Oder bei der Borbarad-Kampagne bei DSA - da sind die SCs eigentlich auch von Anfang bis Ende hin zum (fast nur) Scheitern verdammt, ehe sie
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Offline Feuersänger

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #9 am: 16.02.2013 | 04:16 »
Momentmomentmoment. Ich denke bei dem Begriff Tragödie an die klassische Definition. Also ganz grob gesagt:
- eigenes Verschulden des Helden führt zur Katastrophe
[wobei die Katastrophe nicht den Höhepunkt darstellt, sondern den "Anfang vom Ende", also die Verschlechterung der Situation für den Helden erst einläutet]
- Katharsis = Reinigung, also Beseitigung des Mißstandes, oft durch Selbstopferung des Helden

Einfach nur ein fehlgeschlagener Dungeoncrawl zählt daher nicht als Tragödie.
Und auch nicht die Borbaradkampagne, die ist keine Tragödie sondern ein Trauerspiel.  ;D
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Offline La Cipolla

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #10 am: 16.02.2013 | 08:23 »
Ich hab bei Tragödie aber auch "(so ziemlich) alle sterben" in Erinnerung, wenn zu viele überleben, ist es nur ein Drama. ;D

Offline condor

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #11 am: 16.02.2013 | 08:48 »
Klassische Rollenspiele wie Vampire (Maskerade, Requiem) und Call of Cthulhu laufen ja auch oft ultimativ auf den physischen, moralischen und/oder geistigen Ruin der Charaktere hinaus, allerdings eher in langfristiger Perspektive.

Tragisch ist das Scheitern, wenn es auf den freien und wohl überlegten Entscheidungen der Protagonisten gründet. Die moralische Schuld ist dabei ambivalent, da oft ein Nicht-anders-Können, womöglich aus edlen Motiven, im Spiel ist.

Im Rollenspiel funktioniert das wahrscheinlich nur, wenn die Spieler sich auf die Prämisse einer Tragödie einlassen wollen. Wenn man mit den Spielern das macht, was den Charakteren einer Tragödie von Seiten des Schicksals widerfährt, wäre das übelstes Railroading.
Für die einen ist es DSA - für die anderen der längste Inside-Joke aller Zeiten.

Achamanian

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #12 am: 16.02.2013 | 09:21 »

Tragisch ist das Scheitern, wenn es auf den freien und wohl überlegten Entscheidungen der Protagonisten gründet. Die moralische Schuld ist dabei ambivalent, da oft ein Nicht-anders-Können, womöglich aus edlen Motiven, im Spiel ist.

Im Rollenspiel funktioniert das wahrscheinlich nur, wenn die Spieler sich auf die Prämisse einer Tragödie einlassen wollen. Wenn man mit den Spielern das macht, was den Charakteren einer Tragödie von Seiten des Schicksals widerfährt, wäre das übelstes Railroading.

Das klingt sehr überzeugend nach dem, was ich mir so intuitiv unter einer Tragödie vorstelle ... in dem Sinne können dann eigentlich nur die Spieler mit den Entscheidungen ihrer Figuren bewusst oder unbewusst eine Tragödie herbeiführen, durch RR lässt sich das eigentlich nicht erzwingen.

Wobei ich finde, dass auch ein schicksalhaftes Unglück, dass auf jeden Fall über die Helden kommt, ein sehr schönes (und tragisches) Motiv sein kann, wenn alle Spieler sich darin einig sind, dass ihnen so etwas gefällt (siehe Polaris). Das muss auch nichts mit RR zu tun haben - RR bedeutet ja, die Spieler in ihrer Entscheidungsfreiheit zu beschreiben bzw. die Konsequenzen ihrer Entscheidungen zu entwerten, indem man jede Entscheidung immer wieder ins gleiche, vom Szenario vorgesehene Ergebnis umbiegt. Wenn aber das Abenteuer damit endet, dass ein Komet auf ihren Planeten stürzt und sie schlicht nicht die Mittel haben, etwas daran zu ändern, hat das an und für sich nichts mit RR zu tun (höchstens mit schlechtem Setting-Design).

Offline Ende

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #13 am: 16.02.2013 | 10:13 »
Spannendes Thema!
Betrifft mich insofern, als dass ich genau für heute in meiner Shadowrun-Runde mal einen Schmitt die Charaktere verarschen lassen und dabei heftig an der Depri-Schraube drehen wollte.
Das ganze soll langfristig zur Etablierung einiger Villains führen, die im Laufe der Kampagne von den Chars zur Strecke gebracht werden können (Stichwort Katharsis).
Allerdings war der heute geplante Plot so vorgesehen, dass das "tragische Ereignis" sowieso passieren sollte (RR-Alarm!), eure Kommentare jedoch bringen mich sehr in Zweifel, sodass es jetzt unbedingt eine Möglichkeit gibt, dass die Chars das "Ereignis" abwenden bzw. zum "besseren" wenden können.
Allerdings habe ich jetzt noch mehr Zweifel auf der Metaebene, denn obwohl ich angekündigt habe, ausnahmslos alle Chars und NSC durch die Knochenmühle zu jagen, und dem auch allgemein zugestimmt wurde, fürchte ich, dass trotz der diversen Weichen dann doch wieder die RR-Keule gegen mich geschwungen wird.
Ich sehe ein Dilemma, das ich zur Zeit nicht sinnvoll auflösen kann, trotz der Ankündigung und Zustimmung von Spielerseite.

LG,
Ende
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Offline Nørdmännchen

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #14 am: 16.02.2013 | 10:48 »
Wenn aber das Abenteuer damit endet, dass ein Komet auf ihren Planeten stürzt und sie schlicht nicht die Mittel haben, etwas daran zu ändern, hat das an und für sich nichts mit RR zu tun (höchstens mit schlechtem Setting-Design).

Das wiederum empfinde ich persönlich als extrem reizvoll. (Ohne jetzt irgendwelche lexikalischen/aristoteleschen Überlegungen zu haben, ob das zum Begriff Trägodie passt.)
Das Abenteuer beginnt mit der Erkenntnis, dass sich eine Katastrophe ereignen wird.
Die Wahlfreiheit der SC besteht in dem, was sie mit der verbleibenden Zeit anfangen. (Wen retten sie? Wie vermitteln sie es den Betroffenen? Üben sie noch Rache?)

Dennoch auch hier die Gefahr, das manche Spieler dies nicht mit ihrer Erwartung von "Awesomeness" vereinen können. Dann entsteht mitunter das Gefühl, im eigenen Einfluss beschnitten zu sein (meine Definition von RR). Vorsorge-Untersuchungen bzw. Gespräche zur Agenda sind wahrscheinlich angebracht. Oder man gestattet ihnen den Batman Bang (2. Paragraph im Link).
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Shield Warden

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #15 am: 16.02.2013 | 11:02 »
Klassische Rollenspiele wie Vampire (Maskerade, Requiem) und Call of Cthulhu laufen ja auch oft ultimativ auf den physischen, moralischen und/oder geistigen Ruin der Charaktere hinaus, allerdings eher in langfristiger Perspektive.

Tragisch ist das Scheitern, wenn es auf den freien und wohl überlegten Entscheidungen der Protagonisten gründet. Die moralische Schuld ist dabei ambivalent, da oft ein Nicht-anders-Können, womöglich aus edlen Motiven, im Spiel ist.

Im Rollenspiel funktioniert das wahrscheinlich nur, wenn die Spieler sich auf die Prämisse einer Tragödie einlassen wollen. Wenn man mit den Spielern das macht, was den Charakteren einer Tragödie von Seiten des Schicksals widerfährt, wäre das übelstes Railroading.

+1  :d

Unsere Vampire- und Qin-Runden haben in der Regel einen tragischen Verlauf. Dem sind sich die Spieler nicht nur bewusst, sie wollen es auch um der bespielten Welt und ihren eigenen Vorstellungen gerecht zu werden.

Offline Grey

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #16 am: 16.02.2013 | 11:36 »
Hat sich bei mir schon oft von allein ergeben - meistens müsste ich viel mehr railroaden, um erfolgreiche Ausgänge zu erzwingen, als um tragische Ereignisse herbeizuführen.
+1. Bei ergebnisoffenem Spiel erspielt man halt erst eine Handlung und ordnet sie hinterher - je nachdem, wie sie ausgegangen ist - in die Kategorie "Heldenepos", "Tragödie" oder meinetwegen auch "Komödie" ein.

Gerailroadete Happy-Ends habe ich oft erlebt und dann zwar meist als etwas unbefriedigend empfunden, im Großen und Ganzen aber als unterhaltsam.

Gerailroadetes Scheitern habe ich auch schon oft erlebt und fand es jedesmal absolut zum :puke:
... denn im Grunde lief es immer auf ein hämisches Grinsen des Spielleiters (oder im Larp: der kollektiven Spielleitung) hinaus: "Ich/wir wollte(n) euch nur mal allen demonstrieren, was ihr für kleine Scheißer seid."

Scheitern aus eigenen Entscheidungen heraus finde ich Klasse - großes Kino. :d Wenn ich aber merke, daß der SL von vornherein nie vorhatte, den Spielern irgendeine Chance zu lassen, den (vorgeblichen) zentralen Konflikt zu lösen, dann sind das die Momente, in denen ich nicht nur mein Charakterdokument zerreiße, sondern auch das Regelwerk rituell verbrenne.
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Achamanian

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #17 am: 16.02.2013 | 11:41 »
Wenn ich aber merke, daß der SL von vornherein nie vorhatte, den Spielern irgendeine Chance zu lassen, den (vorgeblichen) zentralen Konflikt zu lösen, dann sind das die Momente, in denen ich nicht nur mein Charakterdokument zerreiße, sondern auch das Regelwerk rituell verbrenne.

Aber da kann das arme Regelwerk doch nichts zu! Na ja, vielleicht in Ausnahmefällen ...

Offline Grey

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #18 am: 16.02.2013 | 11:51 »
Aber da kann das arme Regelwerk doch nichts zu! Na ja, vielleicht in Ausnahmefällen ...
Durch einen solchen Ausnahmefall ist vor langer Zeit mein Lieblings-Larpcharakter draufgegangen.

Ich könnte da jetzt seitenweise drüber ranten, möchte aber nicht diesen Thread dafür kidnappen. Daher noch mal allgemein zum Thema Tragödie: es ist nur dann Tragik, wenn man als Spieler hinterher den Finger drauflegen und sagen kann: "Dies war die fatale Fehlentscheidung. Ich selbst trage Schuld an dem, was hinterher mit mir passiert ist." Wenn dagegen das Spiel von vornherein darauf ausgelegt ist: "Ganz egal, wie die Spieler sich entscheiden, es führt nur weiter ins Verderben", dann ist die einzige große Emotion, die das bei mir auslöst, Frust.
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Offline condor

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #19 am: 20.02.2013 | 20:19 »
Addendum: John Wicks "Houses of the Blooded" macht die Tragödie zum Programm. Es gibt sogar eine Regelmechanik für Tragik, aber durchgestiegen bin ich da noch nicht  :P
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Offline Rattendämon

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #20 am: 20.02.2013 | 21:11 »
Ich als Spielleiter habe noch nie versucht, etwas derartiges zu machen... Einige Spielleiter unter denen ich gespielt habe haben es versucht, aber ich war davon eigentlich immer ziemlich frustriert. Wenn ich das Gefühl habe, dass es eh komplett egal ist, was ich mache, weil die schlimmen Dinge ohnehin passieren werden, dann fühlt sich das für mich zu sehr nach Railroading an. Kann sein dass man dieses Konzept besser umsetzen kann, aber hier habe ich keine Erfahrungen aus erster Hand (die hier genannten Systeme habe ich noch nicht gespielt).

Ich denke nicht, dass ein Spielsystem gutes Storytelling und Rollenspiel ersetzen kann, oder überhaupt diese Aufgabe haben sollte, aber das nur am Rande.

Ich denke der Trick ist hier, dass ein Railroading nicht zu spürbar ist. Spürbar wird es immer dann, wenn man künstlich alle Versuche der Spieler vereiteln muss, das Übel abzuwenden. Stattdessen muss man das Szenario schon so aufbereiten, dass es keine reelle Chance gibt, es abzuwenden, wenn es für den weiteren Spielverlauf wichtig ist, dass die Tragödie passiert, und wenn das der Fall ist, kann man nämlich auch mit der Hoffnung der Spieler arbeiten. Man kann ihnen dann ihre Teilerfolge beim Versuch das Unglück abzuwenden erlauben, was den Spielern die Aussicht gibt, etwas verändern zu können, und nicht nur Marionette des Spielverlaufs zu sein. Und umso gemeiner trifft es, wenn man am Ende offenbart wie das Gesamtdilemma aussieht.

Beispiele:
Angriff auf eine Stadt/Festung, in der die Helden versuchen bei der Verteidigung zu helfen. Übermächtige Kräfte brechen über die Verteidiger herein, und es sieht so aus als können die Helden nur zusehen, wie alles abgeschlachtet und abgebrannt wird. Wenn die Spieler aber sehr engagiert sind, das nicht zu zulassen, dann könnten sie versuchen die Zivilisten aus der Stadt zu eskortieren und zu retten, und das darf ihnen dann auch gelingen, ohne dass es etwas an den Gesamtgeschehnissen ändern muss.
Die Helden erreichen ihr Ziel, konnten einige oder sogar viele Leute retten, aber als sie mit den Flüchtlingen auf einem Hügel ausserhalb der Stadt ihre Flucht stoppen, um zurück zu blicken, sehen sie von der Stadt nur noch brennende Ruinen. Eine gerette Frau fragt wo ihr Mann sei, und als klar wird, dass er und viele, viele andere es nicht aus der Stadt schafften, wird das Ausmaß der Tragödie klar. Die Helden konnten zwar ihren Teil tun, aber die gescriptete Tragödie war unabwendbar. Ein Kompromiss aus Einflussnahme und Geschichte voran treiben.

Anderes Beispiel:
Der Charakter begeht einen fatalen Fehler und wird aus seinem Heimatdorf geprügelt und verbannt. Frei von schlechten Intentionen und vielleicht auch Schuld ist das für den Charakter tragisch, und er versucht, dass ihm irgendwie verziehen wird, oder der Missstand behoben wird. Hier wäre es auch wieder zu hartes Railroading, dem Charakter sämtliche Versuche zu verwehren.
Stattdessen könnte der Charakter bei seiner besten Freundin im Dorf Gehör finden, vielleicht einiges wieder gut machen, und eine Wahrheit ans Licht bringen, die ihn von der Schuld befreit. Am Ende ist ihm versichert, dass die Freundin ihm glaubt und weiß, dass er keine schlechte Absichten hegte, ABER sie teilt ihm auch mit, dass die Dorfbewohner trotz ihrer wiederholten Bemühungen nichts davon hören wollen und seine Verbannung weiterhin besteht.
So hatte der Spieler wiederum die Möglichkeit, sich mit seinem Schicksal zu messen und Erfolge zu erzielen, aber letztlich setzt sich doch der Spielverlauf durch und die Geschichte kann in geplanten Bahnen fortlaufen. Und im Grunde wurde es durch seinen Einsatz nur noch tragischer, da die Bemühungen nicht fruchten konnten, und die Freundin im Dorf verbleibt, und er sie nicht mehr sehen kann, obwohl sie doch an seine Unschuld glaubt.


Also letztlich ist es denke ich einfach eine Sache von guter Inszenierung, dass man Tragödie absichtlich als Storyelement einbauen kann. Wenn das aber zu niederschlagend auf die Spieler wirken könnte, sollte man wohl immer auch einen Sündenbock inszenieren. Jemand der Schuld an der Tragödie hat und der seiner gerechten Strafe zugeführt werden muss, so dass für die Spieler eher ein Antrieb entsteht als Demotivation.
Im Grunde muss man einfach simple Psychologie beachten. Wenn der Spieler Einsatz zeigt, etwas zu verändern, dann sollte man ihm Erfolgshäppchen zukommen lassen. Schließlich ist das ja erwünscht und muss belohnt werden, sonst wird sich der Spieler zum passiven Beobachter entwickeln, wenn man ihn einfach nur gegen eine unsichtbare Spielleiter-Mauer laufen lässt.
« Letzte Änderung: 20.02.2013 | 21:13 von Rattendämon »

Offline Timo

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #21 am: 20.02.2013 | 21:34 »
Das ergibt sich bei uns oft interessanterweise von alleine und das ist nicht alleine Jörg D. geschuldet, wir spielen/leiten eigentlich nur offene Sandbox und da gabs so viele Tragödien die nicht gerailroaded waren bzw. die NSCs von Anfang an charakterlich so drauf waren.

Beispiele die mir spontan einfallen:
-Geliebte des Spielercharakters für die er alles gegeben hat udn von der wir dachten, dass sie die arme ausgenutzte Dame ist, stellt sich gegen Ende als manipulative Bitch raus, die ihn nachdem sie keine metaphorischen Ketten mehr hatte wie eine heisse Kartoffel fallen gelassen hat.
-2 Spielercharaktere die sich verliebt hatten im Laufe der Kampagne und die weibliche zum Wohle ihrer Ziele(bzw der Ziele ihrer Gesellschaft) ihren Lover vergiftet hat(mit Vorwarnung an den Spieler, der fands genial und hat mitgemacht) und danach sich selbst. Das war sogar in derselben Kampagne



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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #22 am: 20.02.2013 | 21:49 »
@Rattendämon:  Du sch einst davon auszugehen, dass man tragödische Elemente in eine "normale" Runde einbaut. Die meisten anderen Antworten bezogen sich auf Spiele, die das gezielt und nichts anderes machen. Da ist Polaris z.B. wirklich hervorragend. Und da kann man tatsächlich nur verlieren.

Shield Warden

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #23 am: 21.02.2013 | 03:07 »
Im Grunde muss man einfach simple Psychologie beachten. Wenn der Spieler Einsatz zeigt, etwas zu verändern, dann sollte man ihm Erfolgshäppchen zukommen lassen. Schließlich ist das ja erwünscht und muss belohnt werden, sonst wird sich der Spieler zum passiven Beobachter entwickeln, wenn man ihn einfach nur gegen eine unsichtbare Spielleiter-Mauer laufen lässt.

An dem Tag, da ich mich dazu verleiten lasse, zu glauben, ich könne die Psychologie meiner Mitspieler gut genug verstehen und obendrein sogar beherrschen, um die richtigen Knöpfe zur richtigen Zeit zu drücken und Erfolgshäppchen wie Leckerlis zu verteilen, gebe ich Zepter und Stuhl des Spielleiters weiter und entschuldige mich bei meinen Freunden für den Versuch, sie zu manipulieren.
« Letzte Änderung: 21.02.2013 | 03:09 von Shieldkröte »

Offline rettet den wald

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #24 am: 21.02.2013 | 05:27 »
Ich denke der Trick ist hier, dass ein Railroading nicht zu spürbar ist. Spürbar wird es immer dann, wenn man künstlich alle Versuche der Spieler vereiteln muss, das Übel abzuwenden. Stattdessen muss man das Szenario schon so aufbereiten, dass es keine reelle Chance gibt, es abzuwenden, wenn es für den weiteren Spielverlauf wichtig ist, dass die Tragödie passiert, und wenn das der Fall ist, kann man nämlich auch mit der Hoffnung der Spieler arbeiten. Man kann ihnen dann ihre Teilerfolge beim Versuch das Unglück abzuwenden erlauben, was den Spielern die Aussicht gibt, etwas verändern zu können, und nicht nur Marionette des Spielverlaufs zu sein. Und umso gemeiner trifft es, wenn man am Ende offenbart wie das Gesamtdilemma aussieht.

Ok, hast du das in der Praxis schonmal erfolgreich so gemacht? Meiner Erfahrung nach sind Spieler sehr gut darin, auch "subtiles" Railroading zu erkennen, und dementsprechend führt eine derartige Vorgehensweise relativ schnell zu einer Zersetzung der entsprechenden Runde. Kann natürlich sein, dass das nur an unserer Gruppe liegt, und das in deiner Runde besser funktioniert.

Bezüglich der belagerten Stadt: Ok, dass wir in einer Situation sind wo wir nicht gewinnen können sehe ich an sich noch nicht wirklich als Railroading an. Allerdings wären hier genauere Informationen wichtig... Warum wird diese Stadt überhaupt belagert? Wer sind die Angreifer, und was wollen sie? Wenn es sich nur um das klassische "Ich will die Stadt, um sie in mein Reich einzugliedern!" handelt, dann wäre es beispielsweise keine so blöde Idee, einfach zu kapitulieren. Wir ergeben uns kampflos, dafür brennt ihr uns nicht nieder. Jetzt kannst du als SL natürlich sagen, dass die Angreifer dieses Angebot einfach ignorieren, in dem Fall würdest du aber die vorher festgelegte Motivation der Angreifer außer Acht lassen... Und sobald du vorher festgelegte Fakten der Spielwelt ignorieren musst, um deinen Plot durchzudrücken, sehe ich als Spieler auf jeden Fall, dass du uns nur railroaden willst. Wenn die Motivation der Angreifer von vornherein nur Plündern und Brandschatzen war, dann finde ich diese Situation aufgrund des Mangels an sinnvollen Handlungsmöglichkeiten von vornherein nicht besonders interessant. Als SL willst du uns im Prinzip eine tragische Szene vorspielen, in der wir im Grunde nur Zuschauer sind... Um bei einer tragischen Szene nur Zuschauer zu sein, brauche ich allerdings kein Rollenspiel, da bin ich mit Büchern oder Filmen besser dran.

Bezüglich der Verbannung: ...Hier ist allein schon "der Charakter begeht einen fatalen Fehler" Railroading, es sei denn der Fehler kommt tatsächlich vom Spieler. Ansonsten: Wenn das Dorf des Charakters bereits vorher ausreichend genau beschrieben wurde, dann wird der Spieler wahrscheinlich beurteilen können, ob das Dorf ihm verzeihen würde oder nicht. Wenn die Antwort "ja, das Dorf würde ihm verzeihen" lautet, und du unterbindest das, dann wirkt das unglaubwürdig und wird deshalb sehr schnell als Railroading erkannt. Wenn die Antwort "nein, das Dorf würde ihm nicht verzeihen" lautet, dann ist diese Geschichte überhaupt nicht tragisch: Was sollte es mich kümmern, ob ein Haufen vorurteilsbehafteter Heuchler mir verzeiht oder nicht? (Das jetzt unter der Annahme, dass der Charakter nichts unverzeihlich schlechtes gemacht hat)
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Offline Oberkampf

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #25 am: 21.02.2013 | 07:42 »
Kann man Rollenspiel als Tragödie spielen?

Antwort:

Es kommt immer auf die Spieler an.

Ein Spieler kann jeden größeren Rückschlag im halbwegs offenen Spiel als Tragödie ausspielen, oder Herumpiensen, bis der SL den Deus Ex einsetzt.
Dans un quartier qui est triste à tuer
Prends des bombes de peinture et bombe tout
Ecris se que tu penses sur les murs!
Couleurs sur Paris...nanana...
Il est temps de changer... na nana na

Offline Fire

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #26 am: 21.02.2013 | 07:59 »
Wichtig...ich meinte eigentlich nicht, dass der Gruppe was passiert, auf das sie keinen Einfluss hatten. "A la ihr habt gut gekämpft, aber dann kommt ein Riese und tritt euch in den Boden und ihr seid tot." (deswegen passt auch zb Fiasco nicht (ohne es gespielt zu haben))

Eher dachte ich an das Umfeld der Gruppe, auf das die kaum oder wenig Einfluss haben. Also wirklich NPCs, an denen die Gruppe hängt, sterben bei einem Charge auf die Burg (induziert durch die Gruppe zB)...und ausgehend davon gehts dann auch für die Gruppe immer weiter bergab. Die Hinterbliebenden machen Jagd auf die Gruppe, Informationen brechen weg, weil Kontaktpersonen fehlen etc....
Die Zeit heilt alle Wunden, aber die Narben bleiben immer da....

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Offline Feuersänger

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #27 am: 21.02.2013 | 11:44 »
"Subtiles Railroading" heisst doch im Allgemeinen Illusionismus, oder?
Also banales Beispiel, du willst dass die Spieler auf einen bestimmten Tempel treffen. Sie reisen so über Land, und egal ob sie an der Kreuzung links, rechts oder geradeaus gehen, eine Stunde später taucht der Tempel auf.
Oder im Sinne der Tragödie: du hilfst bei der Verteidigung eines Dorfes. Während du auf einer Seite bei der Verteidigung hilfst, brechen die Angreifer auf der anderen Seite durch. Völlig wurscht wo du dich nun abmühst.

Aber da stimme ich rettetdenwald zu, die meisten Spieler wittern Illusionismus auf 10 Meilen gegen den Wind.
Der :T:-Sprachführer: Rollenspieler-Jargon

Zitat von: ErikErikson
Thor lootet nicht.

"I blame WotC for brainwashing us into thinking that +2 damage per attack is acceptable for a fighter, while wizards can get away with stopping time and gating in solars."

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Offline Crimson King

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #28 am: 21.02.2013 | 11:48 »
Wichtig...ich meinte eigentlich nicht, dass der Gruppe was passiert, auf das sie keinen Einfluss hatten. "A la ihr habt gut gekämpft, aber dann kommt ein Riese und tritt euch in den Boden und ihr seid tot." (deswegen passt auch zb Fiasco nicht (ohne es gespielt zu haben))

Eher dachte ich an das Umfeld der Gruppe, auf das die kaum oder wenig Einfluss haben. Also wirklich NPCs, an denen die Gruppe hängt, sterben bei einem Charge auf die Burg (induziert durch die Gruppe zB)...und ausgehend davon gehts dann auch für die Gruppe immer weiter bergab. Die Hinterbliebenden machen Jagd auf die Gruppe, Informationen brechen weg, weil Kontaktpersonen fehlen etc....

Na, da haben die Spieler bzw. ihre Charaktere doch Einfluss drauf. Sie könnten durch persönlichen Einsatz verhindern, dass die NSCs sterben. Gutes Beispiel, wie Verlust aus eigenen Entscheidungen resultiert.

Aber da stimme ich rettetdenwald zu, die meisten Spieler wittern Illusionismus auf 10 Meilen gegen den Wind.

Nur schlechten Illusionismus.
« Letzte Änderung: 21.02.2013 | 11:51 von Metal King »
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

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Offline Dimmel

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #29 am: 21.02.2013 | 15:56 »
Hi Fire,

Um Tragik (oder Drama) reinzubringen, ohne die Spieler (vollständig) zu entmündigen, kannst du sie selbst die Umstände bestimmen lassen.

Beispiel:
"Beim letzten Sturm auf die Burg wird eine Person sterben, die dir lieb und teuer ist. Welche Person ist das? Wie kommt sie zu Tode? Warum konntest du sie nicht retten?"

Gruß Dimmel

Offline rettet den wald

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #30 am: 21.02.2013 | 16:32 »
Eher dachte ich an das Umfeld der Gruppe, auf das die kaum oder wenig Einfluss haben. Also wirklich NPCs, an denen die Gruppe hängt, sterben bei einem Charge auf die Burg (induziert durch die Gruppe zB)...und ausgehend davon gehts dann auch für die Gruppe immer weiter bergab. Die Hinterbliebenden machen Jagd auf die Gruppe, Informationen brechen weg, weil Kontaktpersonen fehlen etc....

Das kann durchaus reizvoll sein, wenn die Spieler sich darauf einlassen wollen. Mir geht es halt in erster Linie darum, dass ich als Spieler nicht das Gefühl haben will, dass ich so wie so nichts daran ändern hätte können. Wenn der Tod des entsprechenden NSCs tatsächlich durch die Handlungen der Spieler verschuldet ist, dann habe ich damit kein Problem, und halte das auch für gut. Sollten die Spieler aber alles richtig gemacht haben beim Beschützen der NSCs, die ihnen wichtig sind, dann hinterlässt es bei mir halt einen schlechten Nachgeschmack, wenn der SL sie trotzdem irgendwie umbringt, nur um seine "Tragödie" durchzuziehen...



"Beim letzten Sturm auf die Burg wird eine Person sterben, die dir lieb und teuer ist. Welche Person ist das? Wie kommt sie zu Tode? Warum konntest du sie nicht retten?"

Mir persönlich würde auch das nicht wirklich gefallen... Es sei denn es ist bereits von Beginn der Runde an klar, dass wir hier voll auf tragische Geschichten aus sind, und wir daher keine Möglichkeit auf Gewinnen haben werden. Zum Drüberstreuen auf eine bestehende Runde wäre das nicht so meins.
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Offline Galatea

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #31 am: 8.03.2013 | 12:53 »
Was ist aber, wenn man das direkt mal als Thema setzt. Die Gruppe wird irgendwie scheitern....das muss nicht der verlorene Auftrag sein, oder weil alle draufgegangen sind.
Aber was ist, wenn sämtliche geliebten NPC beim letzten Sturm auf die Festung abgeschlachtet werden und die Gruppe nichts (oder wenig) dagegen machen kann (oder dran denkt^^ NPC sind meist nicht soooooo hoch angesehen, dass man sich um die wirklich kümmert!) und nur zuschauen kann. Die Geliebte des Anführers stirbt tragisch in den Armen des Helden und so was halt....

Hat das jemand schon so gemacht? Ist der Frustfaktor dann doch zu groß für die Gruppe (und somit nicht mehr spass macht!) oder ist das zu sehr railroading oder oder oder....
Wir hatten da mal ein paar Spielabende in unserer Starship Troopers Runde. Kurz nach der Plutokampagne bekamen wir etwas Erholung auf dem Urlaubsparadis Zeguma Beach. Ja, DEM Zeguma Beach ("well, good luck - it's not there anymore"). Wir haben uns viele Freunde gemacht (das ist sowohl ernst wie auch ironisch zusehen, wir haben uns daneben benommen hatten aber auch mit Zivilisten/Bürgern dort Spaß). Als die Bugs kamen haben es die meisten von denen nicht sehr lang gemacht. Und nachdem wir endlich gerade noch lebend von diesem Drecksplaneten runterkamen hat die Flotte ihn dann verglast.
War aber super, weil es eigentlich (fast) jedem klar war (zumindest denen die das Setting kannten), was passieren würde und dass wir froh sein konnten wenn wir selbst in einem Stück da rauskamen.

Möglich sind aber durchaus auch Abenteuer in denen die Spieler zwar klar gewinnen, der Sieg aber einen bitteren Beigeschmack hat, weil die Spieler etwas tun müssen das sie eigentlich nicht wollen oder weil es einfach keine gute Lösung gibt (bringe ich all die Leute in dem verseuchten Dorf um oder versuche ich die augenscheinlich noch Gesunden zu retten (die mich natürlich anbetteln sie oder ihre Kinder zu retten) und bewirke damit dass sich die Epidemie über das ganze Land ausbreitet und Tausende weitere Menschen tötet? Töte ich den bösen Herrscher und erlöse das Land von seiner Terrorherrschaft, wohl wissend dass ich damit einem äußeren Feind Tür und Tor öffne der in der folgenden Zeit viel mehr Leid verursachen wird als es der böse Herrscher je gekonnt hätte (aber immerhin sind die Leute dann frei und bringen diese Opfer für ihre eigenbestimmte Zukunft  - entscheide!)? Opfere ich Tausende weitere Menschenleben in einem blutigen Kampf oder vernichte ich den Feind indem ich ein Artefakt zerstöre dass das Leben der Überlebenden um Vielfaches erleichtern würde, sie evtl. sogar für immer schützen würde? usw. usf.).

Es muss nicht gleich eine völlige Tragödie sein, es gibt genug Möglichkeiten zwischen dem Weiß eines klaren Sieges und dem Schwarz eienr kalren Niederlage. Und letztlich sind es genau diese Szenarien, die einen viel mehr wurmen als eine klare Niederlage, die man ohnehin nicht hätte verhindern können.
« Letzte Änderung: 8.03.2013 | 13:22 von Galatea »
"Ah, they're going 65. So they should be there in 3 BILLION years."

Offline Falke359

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #32 am: 8.03.2013 | 13:13 »
Meine Gedanken dazu:

1) Zu einer Tragödie (wie zum Drama allgemein) gehört der dramatisch Konflikt: Zwei Parteien stehen sich in ihren Zielen so entgegen, dass sie aus ihrem Wesen oder ihren Überzeugungen heraus nicht anders handeln können. Ihr Handeln aber reißt beide Parteien in den Untergang. -> Schaffe unvereinbare Gegensätze und Ziele.

2) Je persönlicher der Konflikt, desto bedeutsamer das Drama. Die persönliche Auseinandersetzung zweier Menschen wiegt sehr viel mehr als der Untergang oder die Bedrohung der ganzen Welt.  
-> Halte den Konflikt klein und persönlich.

3) Je mächtiger die Figuren, die stürzen, umso dramatischer (nach Aristoteles). Gilt allerdings mit dem Aufkommen des bürgerlichen Trauerspiels nicht mehr zwingend.
-> Sorge für eine möglichst große Fallhöhe.

4) Einheit von Ort und Zeit: Die Ereignisse sollten sich möglichst an einem Ort und in kurzer Zeit überschlagen, so dass die Charaktere den Ereignissen hinterherlaufen bzw. keine Zeit für große Planungen haben. Die Ereignisse über einen langen Zeitraum und viele Orte hin auszudehnen vermindert das Drama, anstatt es zu erhöhen.
-> Handle die Ereignisse in kurzer Folge und mit nur wenigen Ortswechseln ab.

ergänzt:


5) Der Konflikt bzw. die Katastrophe sollte von vorneherein absehbar sein und nicht irgendwann am Ende erst von außen hereinbrechen. Der Konflikt sollte in diesem Zusammenhang aus den Charakteren selbst entstehen.
-> Mach von Anfang an deutlich, worum es geht.
« Letzte Änderung: 12.03.2013 | 02:21 von Falke359 »
Früher war mehr Lametta.

Offline Skele-Surtur

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #33 am: 8.03.2013 | 13:25 »
Meine spontane Idee wäre es, einen Lösungsweg für das Abenteuer einzubauen, bei dem ein hoher persönlicher Verlust entsteht. Also es muss nicht der einzige Lösungsweg sein, aber man könnte den Spielern sehr früh aufzeigen, dass das Problem zu lösen wäre wenn man X opfert. Dazu benötigt man natürlich ein X, an dem dem Charakter(en) persönlch etwas liegt.
Doomstone ist die Einheit in der schlechte Rollenspiele gemessen werden.

Korrigiert meine Rechtschreibfehler!

Offline Falke359

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #34 am: 8.03.2013 | 15:02 »
Ach ja:

5) Der Konflikt bzw. die Katastrophe sollte von vorneherein absehbar sein und nicht irgendwann am Ende erst von außen hereinbrechen. Der Konflikt sollte in diesem Zusammenhang aus den Charakteren selbst entstehen.
-> Mach von Anfang an deutlich, worum es geht.
Früher war mehr Lametta.

Offline Bad Horse

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #35 am: 8.03.2013 | 19:06 »
@Falke: Sehr schöne Zusammenfassung.

Wir haben bei unserer New-Orleans-Runde relativ unbewusst all deine Punkte abgefrühstückt und hatten ein sehr schönes, tragisches Ende.  :)
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
The best lack all conviction, while the worst are full of passionate intensity.

Korrekter Imperativ bei starken Verben: Lies! Nimm! Gib! Tritt! Stirb!

Ein Pao ist eine nachbarschaftsgroße Arztdose, die explodiert, wenn man darauf tanzt. Und: Hast du einen Kraftsnack rückwärts geraucht?

Swafnir

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #36 am: 8.03.2013 | 19:39 »
Also meine Scion: Hero-Kampagne hat relativ tragisch geendet (3 geliebte NSCs tot/verschollen, ein Feind der Asen wurde befreit). ich glaube das fanden alle ganz cool. Wichtig waren mir aber zwei Sachen:

1. Ich kann die Gruppe zwar subril beeinflussen (in dem Fall durch den Gegenspieler), allerdings muss sie den Weg selbst beschreiten. Jemanden per railroading in eine Tragödie zu stürzen, finde ich unfair. Es muss viele Wege geben, die Tragödie zu verhindern. Wenn sie dann doch reintappen, ist es für alle ein interessantes Erlebnis.

2. In der neuen, anschließenden Kampagne haben sie die Chance, das Meiste wieder gut zu machen. So hab ich jetzt war ein paar geknickte SCs, aber eben auch ne extrem motivierte Gruppe.

So kann das echt Spaß machen. Ich hab aber auch schon erlebt, dass die Tragödien Spieler echt demotiviert haben. Man muss die richtige Dosis finden und das ist nicht einfach.

Offline Makaber

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #37 am: 8.03.2013 | 23:27 »
in unserer Runde gibt es von Spieler Seite ein "Du darfst" um den Spieler Charakter zu treten und ihn in Tragische situationen zu bringen, egal was der Spieler auch versucht, er wird das unglück nicht abwenden können (ausnahmen die den Spielleiter tief beeindrucken gibt es jedoch) es sei denn er bringt ein großes eigenes Opfer.

Wenn man vorher einmal darüber spricht, dass in dem Abenteuer tragische und unabwendbare Ereignisse stattfinden, dann können die Spieler entscheiden ob sie dazu lust haben.
Der Fokus liegt dann auf der entwicklung der Charaktere und nicht auf dem lösen des Plots dessen Ende ja relativ klar und vorgegeben ist.
Die Spieler sind dann möglicherweise fasziniert davon, wie der Charakter sich entwickelt: " zerbricht er daran, wird er zum trinker oder zu einem verlorenen Helden, wird er hart und verbittert? sucht er hilfe in der Religion oder verschreibt er sein Leben einem höheren Ziel? wird er eventuell sogar böse ohne es zu merken ? "

das kann spaß machen, wenn man an sowas interessiert ist. Und wenn das interesse da ist, einfach mal ausprobieren.

Online Jens

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Re: Tragödie als Abenteuer?
« Antwort #38 am: 12.03.2013 | 12:31 »
Ich denke es ist wie bei einer Horrorrunde - die Spieler müssen sich drauf einlassen und die Helden auch mal weniger sinnvolle Dinge tun lassen. Am besten würde es wohl wirklich mit einer Hybris des Charakters passen (eine Gruppentragödie stelle ich mir unheimlich kompliziert vor, weils einfach viele verschiedene Themen sind oder eben eins, dass aber nicht alle Charaktere gleich trifft). Wenn der Charakter durch seine Hybris die Katastrophe auslöst und es von dort aus abwärts geht... und der Held auch nicht einfach fliehen kann, weil Dinge auf dem Spiel stehen, die ihm wichtig sind, beginnt die Tragödie und die anderen können ihm evtl. helfen, da rauszukommen... All das muss der Spieler auch ausspielen wollen.

Wenn das mal konkret klappt, würde ich mich über einen Spielbericht echt freuen - ich hab das bisher noch nie ausprobiert...