Interessante Idee.
Zu der Frage ob die Anzahl an düsteren Settings so hoch ist, dass es einen Einfluss auf das Spielerleben der breiten Masse an Rollenspielern hat und/oder die Außenwahrnehmung des Hobbys ansich beeinflusst möchte ich nichts sagen. Da müsste ich zu viel ins blaue spekulieren.
Aber ich hatte in meinen Kampagnen der letzten Jahre öfter die Situation, dass zentrale Spielinhalte zu einer gesetzteren Stimmung am Spieltisch geführt haben. Allerding will ich da nicht von
düster sprechen, sondern lieber
nüchtern oder
ernst als Bezeichnung verwenden. Themen die eine Rolle gespielt haben waren unter anderem: Ausnutzung der Situation von armen Jugendlichen durch das organisierte Verbrechen, systematische Gewaltanwedung gegen prinzipiell unbeteiligte Dritte durch das organisierte Verbrechen, Machtmißbrauch durch Staatsorgane, die Problematik von gewaltsamen Ausschreitungen als Nebeneffekt von legitimem politischen Protest ( Hallo, Hamburg
) und die Tücken des Versuchs ein politisches/soziales Problem militärisch lösen zu wollen.
Das klingt jetzt in ersten Moment sehr hochtrabend, wurde im echten Spielkontext allerdings nie so formuliert oder gar klar herausgearbeitet. Meine Intention bei der Auswahl der Themen war auch nie gezielt eine bestimmte Stimmung herzustellen, sondern reale Probleme unserer Zeit mit denen ich mich beschäftige irgendwie auf plausibele Art mit in mein Hobby zu integrieren. Teils um die Reaktion und die Meinungen meiner Mitspieler zu erleben und teils um mich ein bisschen am "Edutainment" zu versuchen.
Das war jetzt vielleicht eine etwas lange Erklärung, aber ich denke etwas Kontext ist nicht schlecht bevor ich auf deine Fragen eingehe.
A)
In den meisten Fällen sind meine Spieler bei der Konfrontation mit den oben genannten Inhalten entweder ins grübeln geraten oder haben mit ernster Miene so etwas gesagt wie "Puuuh, also was soll man denn da machen?". In einer kleinen Zahl von Fällen sind sie allerdings über das Problem einfach hinweggegangen. Meistens weil sich sich dafür entschieden haben eine Gruppe von Personen einfach zu instrumentalisieren und sich nicht mehr um ihr weiteres Schicksal zu kümmern. In etwa so wie Vermi das in seinem ersten Absatz beschreibt. Da hab ich dann auch in der Regel darauf verzichtet das Problem zu fokusieren, da ich keine Lust hatte meine Spieler mit für sie uninteressanten Inhalten zu gängeln. Wir haben uns auch nicht ausschließlich mit diesen Themen befasst, sondern häufig lockere Passagen gespielt in denen entweder generische "Evil Henchmen" abgeballert wurden oder die Spieler durch skurille Aktionen und Pläne für lockere Stimmung gesorgt haben.
B)
Dazu kann ich leider aus eigener Erfahrung wenig fundiertes sagen. Wir hatten zwar immermal wieder unschöne Spielinhalte, eine ernste Diskussion über diese oder auch mal kurz gedrückte Stimmung am Tisch, aber wie schon erwähnt war das kein Dauerzustand. Wir hatten immer genug comical reliefs oder kurzweilige Action am Spieltisch.
C)
Gute Frage! Meine Motivation beim auswählen der Spielinhalte habe ich oben ja schon geschildert. Da ging es zum einen um Neugier meinerseits (Was sagen meine Spieler zu solchen Themen und wie lassen sie ihre Charaktere reagieren?) und zum anderen um ein wenig versteckte Horizonterweiterung für meine Spieler. Eine Situation fällt mir aber grade ein und die ist der Grund warum ich diese Frage mit einem Ja beantworten würde:
Wir hatten es mal, dass die Charaktere in einem Sci-Fi Siedler Setting Opfer von kleinen gewaltsamen Überfällen wurden. Es gab eine handvoll Hinterhalte auf ihre Patrouillen mit ein paar Verletzten und einem Toten. Durch Nachforschungen wurde relativ zügig eine kleine Dschungelsiedlung mit den Vorfällen in Verbindung gebracht. Die Charaktere sammeln also ihre Soldaten, setzen sich in ihre Sci-Fi Gunships/Transporter und fliegen hin in der Erwartung dort auf bewaffnete Feinde und eine klare militärische Auseinandersetzung zu treffen. Was sie finden, ist ein Dorf voller Zivilisten das nur über eine spärlich ausgerüstet Handvoll Milizionäre verfügt. Verwirrt nähert man sich dem Dorf, woraufhin sich die Leute in ihren Häusern verstecken. Bald folgen vereinzelte "Verpisst euch, ihr Faschisten!"-Rufe und andere Beleidigungen. Irgendwoher fliegt ein Stein oder eine Getränkedose, dann ein paar Stöcke. Der eine Charaktere lässt die Soldaten anlegen und Ziele suchen. Dem Spieler des Charakters mit Oberkommando entgleisen daraufhin offgame die Gesichtzüge. Er befiehlt sofortigen Rückzug zu den Schiffen. Im späteren Spielverlauf wird ein vertrauliches Gespräch zwischen zwei Charakteren und einigen Vertretern der Siedlung eingeleitet. Es stellt sich heraus, dass die Menschen in den umliegenden Siedlungen zu großen Teilen politische Flüchtlinge und armen Emigranten sind, die nicht nur militärisch und technisch nie im Leben mit der Siedlung der Spieler mithalten können, sondern auch durch früheres willkürliches Auftreten der Spielersieldung (Schwer bewaffnete Flieger kreisen über der Siedlung ohne Kontakt aufzunehmen, etc.) eingeschüchtert und verunsichert waren. In diesem Klima haben sich dann einige junge Hitzköpfe aus verschiedenen Siedlungen zusammengetan und wenig überlegt die Hinterhalte gestartet.
Die Sitzung wurde später wegen ihrer Intensität gelobt und ein Spieler meinte später nochmal bei andere Gelegenheit: "Ich hab mir damals auf dem Heimweg Gedanken über die Leute gemacht und je mehr ich nachdachte, desto verständlicher wurde mir ihr Misstrauen und ihre Abneigung gegen uns."
D)
Hm...was habe ich beobachtet? Wirklich negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden habe ich weder wahrgenommen, noch zurückgemeldet bekommen. Das Verhalten am Spieltisch wurde aber stellenweise schon anders. Eher etwas ruhiger, es gab weniger Scherze und Herumgefrotzel, dafür mal hier und da eine ernste Diskussion jenseits von "Wie gehen wir am besten, reichsten, mächtigsten aus dieser Situation heraus. Es gab hier aber auch große Unterschiede zwischen den Spielern, der eine reagiert empfindsamer und denkt nach, der andere wiederum stimmt schnell für eine effektive Lösung und vereinfacht die Situation für sich.
My 2 cents.