Ich hatte mal wieder Bock auf was Albernes.
... sollte man vielleicht davor wissen. Der folgende Text ist KEIN Review zu
Splittermond: Die Welt.
In spätestens vier Wochen werden wir sowieso in einer regelrechten Flut aus Blogger-Experten-Meinungen ersaufen, und so verzichte ich mal freundlich lächelnd auf einen objektiven Text. Holt euch euren Schuss woanders. Wenn Splittermond ein Museum ist, ist das hier nicht der ausgeschilderte Rundgang, sondern das achtjährige Kind, das mit seiner einarmigen Action-Figur in der Hand durch die Gänge rennt und die Ausstellungsstücke betatscht. Okay? Gut. Wir machen … eine Spritztour mit dem SpliMobil! Einsteigen bitte!
„Das neue SpliMo, für die Frau von Welt (Lassen sie ihr Kittchen hinter sich!)“Denn ganz ehrlich? Wie geil ist diese Abkürzung denn bitte? Es ist weder ein klassisches „D&D“, noch ein simples „DSA“ (und auch kein inkorrektes „DAS“, wie uns die Word-Rechtschreibprüfung versichern würde). Es ist
SpliMo. Das klingt nicht nur wie ein Waschmittel, sondern bietet sich auch ähnlich gut für grenzdebile Wortspiele an. SpliMottos sozusagen. Oder eher SpliMotive? Man könnte praktisch eine ganze SpliMontage nur mit dieser Abkürzung machen, ein SpliMosaik! … Obwohl Uhrwerk also offensichtlich viele Ressourcen in die Abkürzung investiert hat, ist auch der ausgeschriebene Name eine
kleine Erwähnung wert. Der „Splittermond“ ist nicht einfach so ein gelangweiltes „Hm, wir brauchen nen Namen … Hey, da ist doch dieser Mond da, oben im Himmel, den wir irgendwann ins Buch gerotzt haben!“ (womit ich, ehrlich gesagt, durchaus gerechnet habe), sondern ein ziemlich zentrales Element, das sich in der Mythologie, bei den Spielercharakteren und in vielen Kulturen wiederfindet. Tatsächlich hat das ganze verdammte Setting vor meinem inneren Auge einen leicht angeknacksten, bläulichen Schimmer angenommen, was bestimmt nicht nur an der baby-türkisen Aufmachung des Buchs liegt. Die ich übrigens wirklich cool finde. „Baby-türkis“ ist also KEIN Schimpfwort in diesem Text!
Und dann ist da noch der große, geheime „Hintergrund-Metaplot“ der Kampagnenwelt (… and aaall them role play boys go „uuuh!“). Zwar kein DSA- oder oWoD-Metaplot, aber einer, den man mit zwei Sätzen zusammenfassen kann, ohne dass irgendwas unter den Tisch rollt (Hint: Seite 266, aber pssst, Spoilers!), und den man auch einfach komplett ignorieren kann … so ungefähr wie das schlechte Gefühl, das sich unwillkürlich einstellt, wenn man 60€ für die SpliMo-Weltenband-Limited-Edition auf den Tisch legt, baby-türkiser „Lederumschlag“ hin oder her. Allerdings ist dieser Setting-Hintergrund nicht nur unaufdringlich, sondern auch noch ziemlich cool. Ohne groß zu spoilern: Eine 60er-Jahre-Hardcore-Feminismus-Interpretation wäre bestimmt wahnsinnig interessant, aber dann bitte so richtig mit Menstruationsblut, Mondphasen und weiblicher Hysterie, wie es sich gehört. <3
Apropos „Mond-“: Die Mondpfade wurden ja derbe gehypt, und, nun ja, nicht ganz unbegründet, wie ich finde. Das ist entschieden
nicht der allmorgendliche Gang zum Aldi, und es ist auch nicht das Portal, das aus den Forgotten Realms in unsere Welt führt (nein, Mr. Greenwood, wir haben es nicht vergessen), sondern wirklich ziemlich geiler Scheiß. Natürlich nichts Revolutionäres, aber eben geil genug, um als „geiler Scheiß“ bezeichnet zu werden. Jeder Pfad hat seine Eigenheiten, von Mindfuck-Illusionskram über Indiana-Jones-Gedächtnis-Dschungelexpeditionen bis hin zur klassischen Märchen-Feenwelt (natürlich in der DARK & GRIM & GRITTY Variante, aber ohne peinlich). Und dazu kommt … ein nüchterner Wirtschaftsfaktor. Weil, fuck, die Dinger sind nun mal logistisch wichtige
Straßen, und genau so werden sie auch behandelt, unabhängig davon, ob einen nun auf dem Weg Geister, FSK-12-Nymphen und Horrorvisionen der Schwiegermutter ereilen oder nicht.
Und weil es so passend ist, brettert unser SpliMobil aus den Tiefen der Feenwelt (gnomische Mechanik!) auf den ungemein überraschend benannten Mondpfad der „Seidenstraße“ … der uns schnell nach Sarnburg führt.
„Das neue SpliMo - Zeigt, wie man in Sachen Standards Standards setzt!“Wow. Ich meine, man findet inzwischen ja reichlich Foren-Threads, die sich praktisch zu 90% aus „WÄH, SpliMo ist EDO! Lame!“ und „WÄH! Bastardkind Aventuriens!“ zusammensetzen, mit einem Schuss „WÄH! Voll innovativ!“ und einer Prise „WÄH! Alles geklaut!“ am Ende. Das mag für einige Leute essentiell wichtig sein, mir persönlich ist es herzlich egal … aber WOW, ist das Kaiserreich Selenia gut gemachter Standard! Und das sage ich jetzt aus der Perspektive von jemandem, der den Europa-Teil im üblichen Fantasy-Weltenband eher so überfliegt, weil … ist eh immer das Gleiche! Letztendlich will ich den exotischen Scheiß. SpliMo, nun ja, macht es erstmal genau so, surprise. Aber irgendwie schaffen sie es dann doch, einem das ganze Zeug so richtig
schmackhaft zu machen, fast schon wie das Preiselbeergelee auf den Köttbullar bei IKEA, das man selbst dann noch isst, wenn man sonst überhaupt nichts mit Marmelade anfangen kann. Vielleicht liegt es an der Präsentation, die das Ganze so zuckersüß verpackt, oder an den Prioritäten, die zwischen Atmosphäre, allgemeiner Beschreibung und handfesten Storyhooks erschreckend souverän zu wissen scheinen, was sie eigentlich wollen. Nice, Leute. Ungewohnt. So macht man eine Regionsbeschreibung.
Aber natürlich ist nicht alles Preiselbeergelee. Selenia deutet es schon an: Die gute alte Redundanz, die uns praktisch drei oder vier Mal an unterschiedlichen Stellen dasselbe über Lage und Beschaffenheit des Landes erzählen möchte, kann einem ordentlich auf den Senkel gehen. Um das Ganze doppelt zu unterstreichen, stopft sie auch noch ein paar zweifelhaft sinnvolle Dinge in die Infokästen, die eigentlich das Wichtigste zusammenfassen sollen; wer zur Hölle braucht eine Aufzählung der Flüsse, wenn bei einigen Regionen noch auf derselben Seite eine Karte zu sehen ist? Seltsam. Das Buch wirkt in dieser Hinsicht manchmal etwas …
deutsch, habe ich das Gefühl, im negativen Sinne. Gelegentlich merkt man auch überdeutlich, dass mehrere Leute daran saßen, und wie wir in der Fantasy-Szene wissen, schlägt sich der mehrköpfige Troll mit großem Genuss ins eigene Gesicht. Die Vorgaben und Richtlinien hätten wohl von etwas mehr Deutlichkeit und Tiefgang profitiert (oder alternativ davon, dass sich auch wirklich jeder daran hält). Schade ist das nicht zuletzt deshalb, weil das Weltenbuch als Ganzes ungewohnt klug und übersichtlich strukturiert ist. Das ist dann vielleicht die positive Kehrseite dieses schwer greifbaren „deutsch“, von dem immer alle reden.
Um den mehrköpfigen Troll zu illustrieren, steigen wir zurück ins SpliMobil und machen zwei kleine Trips. Der erste geht ins Ordensland des Wächterbundes, wo trotz des verdammten Staubs alles in Butter ist. Das Konzept dürfte so alt und lahm wie überhaupt möglich sein (fatalistischer Orden vs. das Böse … FIGHT!), aber die Umsetzung mit Fraktionen, charakteristischen Burgen, egoistischen Glücksrittern und viel Staub sorgt abermals für ein euphorisches „YES!“; am liebsten würde ich ja augenblicklich den Ordensmantel aus dem Kofferraum holen. Aber Gott, was ist das Wetter schlecht! Und deshalb geht es zurück nach … Irland? Okay, vielleicht nicht die beste Überleitung, aber ein gutes Exempel. Tir Durghachan (ja, ich habe den Namen nachgeschlagen und stehe dazu) ist atmosphärisch beschrieben, außerdem kann ich endlich laut lachend meine Shadows-of-Esteren-Bücher verbrennen, gerade mit Nyrdfing nebenan … ernüchternd bleibt das Ganze aber trotzdem. Ich meine, das Land ist fucking RIESIG. Und obwohl jeder Weltbürger weiß, dass die britischen Inseln aus Schafen und Rosamunde-Pilcher-Romantik bestehen, lässt es einen irgendwo mit den Zähnen knirschen, wenn vergleichsweise wenig Handfestes in den Zeilen zu finden ist. Ich weiß jetzt zwar, wie die Gesellschaft funktioniert, aber interessante Landmarks und Story Hooks, die nichts mit Leprechauns oder keltischen Daily Soaps zu tun haben, muss ich mir größtenteils auf Grundlage einzelner Teilsätze zusammenreimen oder direkt aus den eigenen Rippen leiern. Und die Feen? Die kriegen anderthalb Seiten. Das ist in meinen Augen schon ziemlich „Autsch!“, so wichtig die Lords und Ladys auch für diese Region sind, und so viel Spaß ich auch beim Lesen hatte. Splittermond hat also beizeiten auch schon mal recht durchwachsene Prioritäten.
Um diesen Teil des Texts nicht auf einer negativen Note enden zu lassen, die irgendwo irreführend wäre: Zhoujiang! (Ja, ich habe es nachgeschlagen … sorry.) Das Phönixreich wird laut Buch „Dscho-Dchang“ ausgesprochen, was verblüffend genau nach „Dsching-Dschang-Dschong“ klingt und damit einwandfrei beschreibt, was wir vor uns haben. Und es ist toll und exotisch und interessant gemacht, und es hat einen wunderbaren Mittelweg zwischen Klischees und SL-freundlichen Beschreibungen, der trotz (oder gerade wegen?) der nicht gerade funkelnden Rollenspielvergangenheit der Region hervorsticht. Okay? Nett. Und weil das SpliMobil gerade auf Seite 104 angekommen ist, wird es Zeit ... *tief durchatmen* über
Bilder zu reden.
„Das neue Spl… ILLUSTRATIONEN SIND SERIOUS BUSINESS“Ein Disclaimer: Nach einer langen Zeit der sozialen Unruhe dürfte sich in den letzten Jahrzehnten endgültig herauskristallisiert haben, dass weder die alte Gretchenfrage, noch der klassische Streit um die beste Eissorte die größten ungelösten Probleme unserer modernen westlichen Gesellschaft sind. Viel kontroverser ist doch die Angelegenheit mit den Rollenspielillustrationen. Einige Extremisten argumentieren weiterhin, jegliche grafische Darstellung würde lediglich Platz im Buch verschwenden und den Käufern das Geld aus der Tasche ziehen, andere mögen immer noch den Vokuhila-Bullshit, den Dungeons & Dragons in den 80ern verbrochen hat … Was ich eigentlich sagen will: Der ganze verdammte Text ist bloß meine Meinung, aber in diesem Abschnitt hier wird das noch mal besonders wichtig. Duh!
Wir zweifeln keine Sekunde daran, dass das SpliMobil in Zhoujiang angekommen ist, denn die Seite
atmet förmlich Dsching-Dschang-Dschong (Oh Gott, es tut mir so leid, aber SO IST ES NUN MAL). Das liegt einmal an der niedlichen kleinen Landkarte, zum anderen aber auch an der Illustration. Hübsch. Passend! Und vor allem ist es nicht nur ein
Bild, sondern eben eine
Illustration … was leider nicht immer so klar ist. Tatsächlich gibt es so einige Abschnitte, bei denen man sich früher oder später fragt: „Ja, und wie sieht das denn nun aus?“ Ich meine, die Beschreibungen sind ja ganz ordentlich, aber wir sind die verdammte Internet-Generation, die in Katzenbildern und Memes denkt, und ihr sagt uns, dass es in einem Landstrich Buchen und Kiefern gibt? Come on. Ich hab schon Mühe, eine handelsübliche Ziege von einem Fahrrad zu unterscheiden. Die Bilder im Buch sind wie gesagt sehenswert, aber die Einbindung (mal „abgeknickte“ Ecken, mal rund zugeschnittene Bilder; Metallränder bei den Karten) muss man nicht durchgängig toll finden, zumal viele Illus offensichtlich größer konzipiert waren und aufgrund ihrer Einbettung so ein bisschen zu Thumbnails degenerieren. Was wirklich schade ist, nicht zuletzt, weil das Layout an sich klargeht (wir erinnern uns an das Baby-Türkis). Es gibt auch nur ganz wenige Stil-GAUs, wie den Gnom auf Seite 195, der im Alleingang dafür verantwortlich ist, dass das SpliMobil definitiv niemals in Shahandir halten wird … an dieser Stelle ein vorsichtiges „Sorry!“ an die Keshabid (es liegt nicht an euren Sommersprossen!). Ich habe letztendlich richtig lange vor dem Buch gesessen, um herauszufinden, was mich an der Bebilderung stört, denn nüchtern betrachtet sollte sie eigentlich funktionieren. Tut sie aber nur bedingt. Es gibt viele kleine Sachen, die nicht auffallen, aber dann im Gesamtbild durchaus auf den Senkel gehen. Bei der Durchführung hätte man sich vielleicht am Weltenband zur Inneren See von Pathfinder orientieren sollen, der das praktisch perfekt hinkriegt - und zwar, obwohl das Spiel im Gegensatz zu SpliMo weder richtig Charakter, noch eine gute Abkürzung für den Namen hat. Am Ende allerdings sieht Uhrwerks neues Produkt trotz meines elitären First-World-Gebrabbels oft genug so richtig gut aus, etwa auf Seite 104, oder in Farukan (160), oder auf den Stromlandinseln (138). Oh Gott, wir müssen später unbedingt auf die Stromlandinseln.
Zuerst allerdings donnert das SpliMobil durch die Tore von Esmoda.
Das Forum hat ein Zeichenlimit ...? Lol. -> Nächster Post.