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[Gumshoe] Smalltalk

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Scimi:
Das ist aber bei jedem Abenteuer so. Es kann immer sein, dass die Gruppe sich gern mit einer ausgewürfelten Zufallsbegegnung länger unterhalten will als vorgesehen. Oder dass ein SC abseits des Plots versucht, irgendwelchen Charakterambitionen nachzugehen. Im Prinzip ist es ja nur eine Unterbrechung der Handlung. Und auch "Tatort"-Kommissare müssen sich mal um ihre Mutter kümmern und auch Watson findet zwischendurch Zeit zum Heiraten.

Was halt wirklich schlecht funktioniert ist so ein reines Sandboxspiel, wo die SCs im Prinzip tun, was ihnen einfällt und was dem Spieler charaktergerecht erscheint und der SL mit der Spielwelt plausibel und interessant reagiert. Wenn sie nicht ermitteln, spielen sie nicht das Abenteuer, genauso wie eine Gruppe, die den Dungeon vermeidet.

Chiarina:

--- Zitat von: Scimi ---Wenn sie nicht ermitteln, spielen sie nicht das Abenteuer.
--- Ende Zitat ---

Das ist der entscheidende Satz. Ich kenne nur sehr wenige Spieler, die unbedingt auf reine Ermittlungsabenteuer scharf sind. Ich kenne aber ziemlich viele, die so einen ordentlichen Teil Ermittlung in einem Abenteuer zu schätzen wissen. Die wollen aber nicht nur ermitteln.

Und das soll bei Gumshoe ja auch gar nicht sein. Wozu gibt es sonst Werte für Stability oder Trust? Wenn ich allerdings von einer Ermittlungsszene zur nächsten jage, wird sich nur schwer die Gelegenheit auftun, solche Dinge auszuspielen.

Mal ein Beispiel: Im Zalozhniy Quartet sind die core clues fettgedruckt. Wenn der Spielleiter einen davon ausgegeben hat, hat die Szene ihre (investigative) Funktion im Wesentlichen erfüllt. Der Spielleiter kann nun an den Anfang der Szenenbeschreibung schauen und sieht dort in der Regel zwei oder drei Lead-Outs. Der Spielleiter überlegt sich: "Wie komme ich denn jetzt dahin?" und schon kann das bedeuten: "Hier gibt´s nichts mehr zu sehen, bitte weitergehen."

In Abenteuern für andere Systeme mag es ähnlich zentrale Hinweise geben, die Aufforderung nach der Ausgabe eines solchen flott zur nächsten Szene überzugehen, habe ich aber bei Gumshoe zum ersten Mal gelesen. In vielen anderen Abenteuern wird auch nicht so direkt festgelegt, mit welchen Szenen es dann weitergehen kann. Das Abenteuer enthält vielleicht eine alte Kirche, einen Schuppen am Hafen, ein schmieriges Hotel und außerdem eine Zeittafel für die Aktionen der NSC´s, das heißt trotzdem nicht, dass sich die Charaktere als nächstes in die Kirche, in den Schuppen oder ins Hotel begeben müssen. Vielleicht setzen sie sich einfach in ein Café und streiten darüber, wessen Schuld es ist, dass der Wagen einen Platten hat. Ich gehe mal davon aus, dass solche Szenen seltener sind, wenn ich den Anspruch auf ein flottes Spiel erfüllen will und als Lead-Outs Kirche, Schuppen oder Hotel lesen kann. Ein Spielleiter muss sich ja dann bewusst gegen die Angabe entscheiden: "Nein, jetzt nicht Kirche, Schuppen oder Hotel, die Spieler wollen ein bisschen Drama im Eiscafé, das ist jetzt wichtiger!" Wenn diese Angabe fehlt, kann der Spielleiter unvoreingenommener auf die Aktionen der Spieler eingehen.

Als ein ziemlich drastisches Werkzeug, das in diese Richtung geht, empfinde ich auch die bei Gumshoe verbreiteten Flowcharts. Die bringen einen Überblick, aber sie erwecken ebenfalls den Eindruck, als führe die Entdeckung eines clues automatisch zur nächsten vorgesehenen Szene. Davon muss man sich erstmal ein Stück weit befreien, denke ich. Das ist alles, was ich sagen wollte.

(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)Mir war auch die ganze Zeit so, als hätte ich irgendwo schonmal eine Diskussion über dieses Thema gelesen. Eben hab´ ich sie gefunden. Bei Bedarf, schaut euch mal das hier an: Reddit: What do people think of the GUMSHOE System? Wenn ihr die Kommentare von sroske1 lest, habt ihr die Kritik... in sehr überzogener Form, wie ich finde. Er schreibt u. a.: "If I wanted to play an RPG that mimics a point and click adventure game, this is how to do it."

Scimi:

--- Zitat von: Chiarina am 16.05.2017 | 00:21 ---Das ist der entscheidende Satz. Ich kenne nur sehr wenige Spieler, die unbedingt auf reine Ermittlungsabenteuer scharf sind. Ich kenne aber ziemlich viele, die so einen ordentlichen Teil Ermittlung in einem Abenteuer zu schätzen wissen. Die wollen aber nicht nur ermitteln.

--- Ende Zitat ---

GUMSHOE ist aber schon ein spezialisiertes System mit Ermittlungen als Fokus. Und ich denke schon, dass es eine Menge Hintergründe und Genres gibt, die dafür wie gemacht sind: "The X Files", "Star Trek", jede Art von Detektivgeschichte oder Krimiserie oder Agentenfilm.

Kein Charakter in solchen Geschichten (außer Sherlock Holmes) tut gar nichts außer ermitteln, aber die Charaktere beschäftigen sich entweder berufsmäßig oder aus persönlichen Gründen vor allem mit dem Fall. Filme wie "Se7en" arrangieren auch fast jede Szene um einen Hinweis. Wir hatten früher mehrere Runden, die sich um übernatürliche Ermittlungen von FBI oder BKA oder sonstwelchen Behörden drehten - da wäre so ein Pfad aus Hinweisen schon praktisch gewesen.

Man sollte nicht annehmen, dass es für Krimirollenspiel keine Nische gibt oder Spieler nicht mal so etwas wie "CSI" spielen wollen, wo jeder Charakter außerhalb seines Jobs praktisch nicht existiert. Und GUMSHOE bohrt das ganze ja von einem simplen Ratekrimi schon mit Agentenaction, Monstern und Mythos auf.

Chiarina:

--- Zitat von: Scimi ---Kein Charakter in solchen Geschichten (außer Sherlock Holmes) tut gar nichts außer ermitteln, aber die Charaktere beschäftigen sich entweder berufsmäßig oder aus persönlichen Gründen vor allem mit dem Fall. Filme wie "Se7en" arrangieren auch fast jede Szene um einen Hinweis.
--- Ende Zitat ---

Kann schon sein. Kann aber trotzdem ein Problem für Spieler sein, die ihr Spiel gern stärker selbst arrangieren.

Und das ist jetzt wohl spätestens der Moment, wo wir uns ein bisschen im Kreis drehen. Ich habe ja selbst gesagt, dass "so ein Pfad aus Hinweisen" nützlich sein kann. Er bringt Übersicht. Er bringt nur in meinen Augen auch eine gewisse Gefahr, die zu kennen vielleicht nicht schlecht ist.

Also belassen wir es vielleicht dabei, dass wir die Sache ein wenig anders sehen. Groß ist die Differenz in meinen Augen allerdings nicht.

Mich würde noch eine Sache interessieren: Kann es sein, dass der Fokus auf´s Investigative bei "Trail of Cthulhu" und "Esoterrorists" größer ist, als bei "Night´s Black Agents"? Oder anders gefragt: Bei Night´s Black Agents wird die Investigation durch die Thrillerelemente (Verfolgungsjagden und Kampfopotionen) aufgelockert. Gibt es bei "Trail of Cthulhu" und "Esoterrorists" etwas Vergleichbares?

KhornedBeef:

--- Zitat von: Chiarina am 16.05.2017 | 01:55 ---[...]
Mich würde noch eine Sache interessieren: Kann es sein, dass der Fokus auf´s Investigative bei "Trail of Cthulhu" und "Esoterrorists" größer ist, als bei "Night´s Black Agents"? Oder anders gefragt: Bei Night´s Black Agents wird die Investigation durch die Thrillerelemente (Verfolgungsjagden und Kampfopotionen) aufgelockert. Gibt es bei "Trail of Cthulhu" und "Esoterrorists" etwas Vergleichbares?

--- Ende Zitat ---
Deinen Eindruck teile ich. Ständiger Konflikt ist Teil der Thriller-DNA von NBA, ein klassisches Cthulhu-Grusel-Abenteuer in dem kein Schuss fällt ist wesentlich weniger vorgesehen als in ToC. ISt ja auch naheliegend: EIne der Bukarest-Regeln in NBA ist glaube ich "you can win", was so ziemlich gegensätzlich zu klassischen Cthulhu-Themen ist.
Esoterrorists liegt irgendwo dazwischen, was auch von den konkreten Gegenspielern abhängt. Rein vom System ist es auch möglich, die schwere Kavallerie zu spielen (mit Esoterror Factbook bekommt man die einen großen Teil der Kampfregeln von NBA), das ist aber auch nicht Standard.

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